Hochzeitstag Dave und Varmikan

  • Hochzeitstag Dave und Varmikan



    Dave schenkte Varmikan ein liebevolles Lächeln und erhob sein Glas.


    "Naridien, hier haben wir uns kennengelernt. Welcher Ort wäre passender, als das alte Geisterhaus um unseren Hochzeitstag zu feiern. Zwei Jahre Varmi, am 15.09.202 haben wir geheiratet", schmunzelte Dave.


    Varmikan erwiderte das Lächeln. Der Tisch war reichlich gedeckt, erlesene Köstlichkeiten in Speise und Trank standen bereit und verführten Nase und Gaumen.


    Für Varmikan als Frostalb hatte so eine Schlemmerei gleich eine doppelte Bedeutung. In seiner Heimat war Nahrung knapp, so zu tafeln war ein Festakt sonder gleichen.


    "Von unseren ersten Treffen bis heute ist viel geschehen Sternchen. Meine Rekrutierung bei den Geistern, Pavos eifersüchtiges Gezicke, unsere Hochzeit die wirklich im Stil der Hohenfelde war.


    Brandurs Erscheinen, Dunwins Beschwörung, Linhards Verrat, Ansgars Flucht, Wolfis Rachepläne, die Fehde Brandur Linhard Dunwin Archibald gegen Ansgar und den Rest der Familie. Die Mobilisierung der Lichs Maghilia und Osmund für unsere Seite. Brandurs Tod.


    Versöhnung und Umzug nach Souvagne als eine Familie. Fall des Herrenhauses samt der Trinität. Irminas Geburt, die Jagd nach dem Ältesten, Anwolfs Entführung und Besessenheit, die Jagd auf die Beisser, Einbürgerung und Nobilitierung, Linhards Hochzeit mit Gregoire Verrill de Souvagne und und und. Es war ein langer Weg Davy", sagte Varmikan liebevoll und rieb sich seinen vollgefressenen Bauch.


    "Oh ja, das war es. Linhard hat Wort gehalten, endlich lebt die Familie in Frieden und Eintracht miteinander. Wir richten uns nur noch gegen unsere Feinde, nicht mehr gegeneinander. Ein Ziel, dass Ansgar und ich ebenso verfolgten, aber unser Erfolg hielt sich in Grenzen. Linhard war zu allem bereit, zu jedem Opfer, deshalb hat er gesiegt. Ein junger Mann, den ich mir zum Vorbild nehme", erklärte Dave mit nicht zu deutendem Tonfall.


    Varmikan musterte Dave aus schmalen Augen. In Sachen von Zweideutigkeiten war sein Mann ein Meister. Varmikan nahm einen großen Schluck Wein und aß noch ein Stückchen Auflauf. Schweigen interpretierte sein Sternchen niemals falsch. Eine nonverbale Friedensbitte. Varmikan wollte sich nicht an seinem Hochzeitstag streiten. Vor allem nicht über ein Problem, dass er noch gar nicht kannte und das scheinbar Linhards Erwähnung ausgelöst hatte.


    "In unseren zwei Jahren geschah noch mehr Varmikan. Erinnerst Du Dich an unsere erste Zusammenkunft? Unsere erste gemeinsame Nummer? Du hast Dir genommen, was Dir Deiner Meinung nach zustand.


    Nach meiner Meinung hast Du nie gefragt.


    Die zweite Nummer toppte die erste... "Du bist nur was wund, Du musst Dich an einen Schwanz im Hintern gewöhnen".... So?
    Ich glaube ich habe genug unfreiwillige Erfahrung für hunderte Leben gesammelt.
    Oder der Bordellbesuch, wo Du Dich köstlich mit Urako amüsiert hast? Und mich an den Ork verliehen hast, wie ein Stück Fleisch, dass eingeritten werden sollte und auch wurde?


    Deine Prahlerei vor Puschel, was Du alles mit mir machen kannst, wie sehr ich Dir gehorche? Das Du mich an ihn verliehen hast? Er durfte sich bedienen und ich hatte zu schweigen? Ich schweige nicht mehr Varmikan.


    Du warst eine würdige Vertretung für Archibald.
    Du hast meine Schwäche ausgenutzt.


    Heute ist nicht nur unser Hochzeitstag, heute ist Zahltag.


    Hat es Dir gemundet "Schatz"? Ich weiß doch wie verfressen Du bist. Eine Schwäche von Dir, die Du kaum verbergen kannst. Schau Dich doch nur an...


    Wie eine Mastgans hast Du alles in Dich hinein gestopft, ohne wenn und aber.
    Mutig Varmikan.


    Eine der Grundregeln der Hohenfelde lautet... es ist unwichtig was Du isst, entscheidend ist mit wem", erklärte Dave und trank schmunzelnd von seinem Wein.


    "Dass... das ist nicht witzig Dave!", blaffte Varmikan, während sein Bauch ein Grummeln von sich gab, dass alles andere als gesund klang.


    "Natürlich nicht, oder sehe ich aus wie ein Clown?", grinste Dave so eisig, dass Varmi allein davon schon vor Angst schlecht geworden wäre. Er versuchte auf seine Magie zuzugreifen, aber sie war nicht mehr da. Sein Magen in dem gerade noch die Säure unnatürlich gebrannt hatte, wurde zu einem Eisklumpen.


    "Das kannst Du nicht machen, wir lieben uns. Zudem wird man Dich dafür auf den Block schicken. Gibt mir das Gegenmittel", befahl Varmikan schneidend.


    "Mein lieber Varmikan, suchst Du vielleicht etwas? Du bist nicht in der Position, um Forderungen zu stellen. Zudem niemand hat Dich gezwungen, dermaßen viel zu fressen. Völlerei, eine widerliche Schwäche.


    Bezüglich Deiner Sorge um mein leibliches Wohl, erörtern wir mal die Rechtslage. Ich bin das Familienoberhaupt und Du bist mein Mann. Folglich hätte ich volle Verfügungsgewalt über Dich, wärst Du meine Frau. Ich dürfte Dich sogar töten, bei Ehebruch zum Beispiel.


    Du bist aber keine Frau. Du bist allerdings auch kein Mann... sondern Du bist ein angeheirateter Alb. Folglich gilt die gleiche Regelung wie für Frauen - nicht rechtsfähig. Oder hast Du ein anders lautendes Urteil vom Duc?


    Zudem mein lieber Varmikan befinden wir uns in Naridien....


    Gleich was man im Ausland getan hat, es hat keine Auswirkungen auf mein unbescholtenes Leben in Souvagne. Oder weshalb glaubst Du sind wir hier? Sentimentale Gründe für einen Peiniger.


    Ich habe Dir allerdings was Schönes aus Souvagne mitgebracht....
    Eine steinharte, 50cm lange, luftgetrocknete Salami... ", grinste Dave diabolisch.


    Varmikan starrte seinen Mann erschüttert an, als dieser die Wurst wie einen Todschläger auf den Tisch donnerte. Irgendwie hoffte Varmi, dass gleich die Tür aufgerissen wurde und alle Überraschung schrien zu einem sehr makaberen Scherz.


    Aber in dem ganzen Geisterhaus war es totenstill. Die Anschuldigungen die ihm sein Mann vor den Kopf geknallt hatte, waren wahr. Aber er hatte ihn nicht quälen wollen, sondern er wollte es heiß.


    Nunja und Eitelkeit war auch dabei, er hatte vor Puschel aufgeschnitten. Als Strafe wurde er nun aufgeschnitten oder aufgestemmt. Er dachte an Kazrar, wie dieser niedergemetzelt und mit Salami im Arsch tiefgefroren im Herrenhaus gelegen hatte. Er war der nächste der dort mit Dauerwurst im Rektum sein eisiges Grab finden würde.


    "Es tut mir leid", flüsterte Varmi mit brechender Stimme.
    "Akzeptiert", antwortete Dave versöhnlich.


    Die Schreie die durch das Haus gelten, drangen nicht nach außen. Das Haus war ebenso ein Gildenmitglied, es schwieg und verschluckte jeden verräterischen Laut.


    Am anderen Morgen reiste Dave alleine zurück nach Souvagne.

  • Heute war der Hochzeitstag seines Gastgebers.
    Vanja würde sich zu beschäftigen wissen, während Davard sich persönlich um seinen in Ungnade gefallenen Gatten kümmerte. Vanja ging das alles nichts an. Er nutzte die Zeit, um sich im Keller der Körperpflege und der Wäsche zu widmen. Der Duft eines Festmals drang durch die Ritzen und Spalten der Kellertür. Er würde nicht nach oben gehen. Was auch immer sich oben abspielte, waren hohenfeldsche Familienangelegenheiten. Ihnen das gegenseitige Morden abgewöhnen zu wollen, wäre ähnlich aussichtsreich, wie einen Wigberg davon abzuhalten, seinen Gesprächspartner nach den kleinsten Details seines Lebens auszufragen.


    Vanjas Interesse an Davards Person aber war aufrichtiger Natur. Er wollte ergründen, wie er Davard das Gefühl geben konnte, sich in seiner Gegenwart wohl zu fühlen. Das Frühstück und das gemeinsame Bad waren ein guter Anfang gewesen. Davard schien jemand zu sein, der es schätzte, wenn man ihn ein bisschen verwöhnte. Das war nicht abwegig nach einer Kindheit, die derart von Lieblosigkeit und Grausamkeit geprägt worden war. Allerdings war es auch nicht selbstverständlich, danach noch Wärme und Fürsorge genießen zu können. Über Varmikans ruppige Art und Weise konnte Vanja nur den Kopf schütteln, aber er selbst konnte von dessen Fehltritten lernen. Vanja würde Davard weiter ausfragen, was er alles an Varmikan gehasst hatte, um über diesen kleinen Umweg zu erfahren, was er schätzte. Sein Ziel war nicht, Davard in irgendeiner Weise durch das Wissen zu schaden, sondern im Gegenteil, der gebeutelten Seele Gutes zu tun.


    Kurzum: Vanja mochte Davard und gedachte, sich bei ihm ein wenig einzukratzen.


    Während Varmikans Schreie noch durch das Haus hallten, machte Vanja sich hübsch, ein Liedchen auf den Lippen. Von Kopf bis Fuß rasiert, frisiert und manikürt legte er anschließend die nach frischem Waschmittel duftende Priesterrobe wieder an. Und auf dem Haupt, wie es sich für ihn gehörte, die kobaltblaue Chaperon, ebenso gewaschen und getrocknet. So war er doch recht ansehnlich, fand er. Nur den Gestank aus den Schuhen bekam er nicht mehr heraus; diese würde er ersetzen müssen. Als die Schreie verstummten und Stille im Geisterhaus einkehrte, wartete Vanja noch eine Weile, ehe er nach oben ging. Leise war es, wie nach einer Schlacht. In der Luft lag das grausige Parfum von Leid, nur wenig kaschiert durch den Duft von Braten, Wein und Gebäck.


    "Davard?", rief Vanja freundlich, doch vergebens wartete er auf dessen Antwort. Vielleicht war Davard noch bei seinem seit heute geschiedenen Ehemann. So folgte er dem Geruch des köstlichen Festmals, von dem zu naschen Vanja sich hüten würde, sollte davon noch etwas übrig sein.


    Er betrat den Speisesaal.

  • Vanja betrat den Speisesaal.


    Das Parfüm der Hohenfelde schlug ihm entgegen, eine Kreation aus Angst, Blut und Leid.
    Eingehüllt in die tarnenden Duftnoten eines opulenten Festmahls, bestehend aus erlesenen Weinen und Speisen.


    Vanja tat gut daran, die Finger von dem Festmahl zu lassen. Denn so wie der Dolch die Hauptspeise dieses Festmahls gewesen war, so war das Gift die Vorspeise gewesen. Das Blut, welches sich in Vanjas Nase und auf dem Boden ausbreitete, war das Dessert gewesen.


    Vanja umrundete die Festtafel. Dort lag er, Davards ehemaliger Ehemann. Selbst für einen Frostalben war er erschreckend weiß, fast durchsichtig. Es sah aus, als wäre sämtliches Blut aus seinem Körper gewichen und breitete sich nun unter ihm in einer großen Lache aus.


    Die blass-blauen blutleeren Lippen des Frostalben teilten sich um Vanja etwas zu sagen. Aber kein Laut kam über seine Lippen. Seine Kehle war durchschnitten worden. Ein sauberer, glatter, tiefer Schnitt, ausgeführt ohne das geringste Zögern, erkannte Vanja. Varmikans Körper war durchbohrt von unzähligen Stichen, einzig sein Gesicht hatte Dave verschont. Trotzdem hob und senkte sich der Brustkorb des Frostalben noch. Bei jedem Atemzug traten blutige Blasen aus der aufgeschlitzten Kehle.


    Von Davard fehlte jede Spur.


    Dave war zurück nach Souvagne gereist, schnürte sein Päckchen für seinen Auftrag und machte sich dann umgehend auf den Weg zurück nach Naridien zum Geisterhaus. Vorab wollte er nichts für den Auftrag mitnehmen. Er verband nicht gerne das Dienstliche mit dem Privaten.


    Nun da die Hochzeitsfeier würdig gefeiert worden war und Varmikan all seine Argumente aufgenommen hatte, hieß es frisch ans Werk. Etliche Stunden später ging unten die Tür im Geisterhaus. Vanja der im Speisesaal gewartet hatte, sah wie die Augen des Frostalben vor Angst fast schwarz wurden, so sehr weiteten sich die Pupillen. Das ließ darauf schließen, der Hausherr war samt Dolch zurück...


    Dave betrat den Speisesaal und musterte Varmikan mit kaltem Blick.


    "Schade... dass Du Dich nicht so an unsere Ehe geklammert hast, wie an Dein Leben", sagte Dave freundlich zu Varmikan und schenkte danach Vanja ein strahlendes Lächeln.


    "Aufbruch Vanja. Du siehst gut aus, ich hoffe Du warst nicht hungrig", grinste Dave wie ein Schuljunge.

  • Vanja saß in der Nähe des zu Tode verwundeten Varmikan, aber nicht in dessen Reichweite, auf einem Stuhl. Es war nicht so, dass ihn das Leid des Frostalben gänzlich kalt ließ, aber doch kalt genug, um ihn in seinem Blut liegen zu lassen, ohne auch nur einen Finger zu rühren. Warum auch sollte ihm helfen? Es gab dafür nicht den geringsten Grund. Er hatte das Ableben allerdings auch nicht beschleunigt. Er war der Beobachter des Geschehens, der nicht wertete noch handelte.


    Seine Finger hatte Vanja nie mit Blut befleckt, doch Gutes hatte er damit auch nie getan. Er arbeitete, ohne zu werten und fühlte sich dabei gänzlich unschuldig an den Mechanismen, die er mit am Laufen hielt. Wer maßte sich schon an, zu urteilen, was Gut und Böse war? Vanja tat es nicht. Die Zeiten änderten sich und mit ihr regelmäßig alle Wertvorstellungen. Stabil war einzig die Familie, sie war der Lebensfaden, der jeden Wigberg sicher durch seine Zeit führte. Nein, Vanja fällte keine Urteile, er nahm nur wahr. Die Grauzone im Zwielicht war sein Metier, wie das der meisten Wigbergs. Sie leisteten die Zuarbeit für jene, die den Zwecken ihrer Familie dienten oder in ihrer Gunst standen, wie die Mitglieder der verbündeten Familien Hohenfelde und Eibenberg. Die Wigbergs steuerten ihr Wissen bei, knüpften die geeigneten Kontakte und sprachen Empfehlungen aus, um die dunklen Geschäfte am Laufen zu halten, an deren Ende oft ein anderes Mitglied der Sippe stand. Sie waren das Schmieröl in der Maschinerie der Trinität. Man nahm sie kaum wahr, doch ohne sie lief nichts. Man tat trotz ihrer zurückhaltenden und freundlichen Art gut daran, es sich nicht ihnen zu verscherzen. Mit einem einzigen Hinweis an der geeigneten Stelle war ein Wigberg in der Lage, eine komplette Karriere zu ruinieren oder eine mittelständische Familie in den Ruin zu stürzen. Formal alles im Einklang mit dem Gesetz, ihre Weste blieb rein - nur wer dem Geflecht ihres Netzwerkes tiefer folgte, erkannte, auf welchem Nährboden es wirklich wucherte. Die Agenten der Autarkie hatten es getan und sie hatten dafür bezahlt.


    Als Davard zurückkehrte, wurde er von Vanja mit einem freundlichen Lächeln empfangen. "Willkommen zurück. Du wirkst gesund und erhohlt, geradezu gelöst. Von dem hohenfeldschen Festmahl habe ich in weiser Voraussicht die Finger gelassen. Ich fürchte, es gäbe kein Gebet, was mich im Falle des Genusses dieser Speisen noch retten könnte. Ich habe es an dem Frostalb getestet, es gelang mir nicht, Ainuwars Erbarmen für diese gepeinigte Seele zu erwecken, wie sehr ich den Höchsten auch anrief. Für jemanden wie mich würde Ainuwar noch viel weniger Gnade übrig haben."


    Der falsche Priester erhob sich und strich seine Robe glatt.


    "Empirische Studien zeigen, dass Entspannen und die eigene Vergänglichkeit zu akzeptieren es leichter machen, die Schwelle zu übertreten", sagte er Varmikan zum Abschied. "Ainuwar habe dich selig, Sohn des Eises."