Ritt in die Hohe Mark

  • Ritt in die Hohe Mark


    Maximilien Rivenet de Souvagne hatte ihnen einen mehr als wichtigen Auftrag erteilt, sie hatten den Abzugsbefehl von Tarrik Tarkan persönlich den Tieflingen des Chaos zu überbringen, welche sich noch in der Hohen Mark aufhielten. Mit der Überreichung der Hohen Mark von Fürst Tsaagan von Alkena an den Duc de Souvagne, war die Hohe Mark nun ein Teil Souvagnes.


    Khawas Aufgabe bestand nun darin, genau jenen Tieflingen den Abzugsbefehl von Tarkan auszuhändigen. Im Grunde waren es ehemalige, geflügelte Landsleute von Khawa und Jules hoffte, dass sie ohne Schwierigkeiten ihre Aufgabe bewältigen konnten.


    Der Krieg hatte lange genug getobt. Jules dankte den Göttern, dass ihr Land davon verschont geblieben war. Dennoch hatte der Krieg auch Auswirkungen auf die Souvagne und ihre Bewohner gehabt. Und nicht alle waren schlecht. So wurde Khawa nicht nur die Freiheit geschenkt, er wurde sogar eingebürgert. Und genau jene Ehre galt es nun zu untermauern. Jules wollte allen beweisen, dass sein Böhnchen mindestens den gleichen Schneid hatte wie jeder andere Souvagner.


    Hätte man ihm vor einem Jahr erzählt, dass er die Ehre eines Rakshaners verteidigen würde und diesen sogar heiraten wollte, hätte er darüber gelacht. Nun lachte er garantiert nicht mehr darüber, denn er nahm ihre Beziehung sehr ernst. Wie so oft im Leben reichte ein Augenblick aus um alles auf den Kopf zu stellen. Und manchmal stellte man dabei fest, dass die Welt auf einmal viel besser aussah.


    Khawa klammerte sich von hinten an ihn und Jules genoss es. Sie waren eilig mit Vernon unterwegs, aber dem großen, starken Hengst machte die doppelte Last nichts aus. Sie legten ein zügiges Tempo an den Tag, ohne das Tier zu stark zu fordern. Im Zweifelsfall war er ihre Lebensversicherung.


    Als sie die Grenze passierten und weiter Land einwärts ritten, sahen sie das Ausmaß der Zerstörung. Höfe standen leer, viele waren zerstört und ihre Bewohner waren geflohen. Man konnte es den Menschen nicht verdenken, dass sie Schutz in den nächst größeren Siedlungen, Burgen und Städten gesucht hatten.


    "Du hast Recht Böhnchen, ich werde den Sicherheitsabstand zu den Bauern einhalten. So ein großer Brocken Pferdefleisch könnte sehr verlockend wirken auf hungernde Menschen. Und wir wolllen sie ja nicht grundlos provozieren, sondern wir sind hier um ihnen beizustehen.


    Sobald die Tieflinge abgerückt sind, müssen wir einen Teil der Armee und der Himmelsaugen hier einmarschieren lassen. Die Himmelsaugen müssen gemeinsam mit dem Heer den Wiederaufbau und die Rückführung der Bauern organisieren. Die Leute müssen zurück auf ihr Stück Land, dass sie bewirtschaften. Anders geht es nicht.


    Und eine Notversorgung muss gewährleistet werden. Aber ich denke die wird unser Duc von einer Zentrale aus organisieren, damit alles in einer Hand ist. Wir sollten dem Duc schnellstmöglich einen Bericht über den Zustand des neuen Gebietes zukommen lassen, damit Vorkehrungen getroffen werden können. Der Winter steht vor der Tür, oder ist sogar schon angekommen. Winternothilfe wird für die Bevölkerung unumgänglich sein. Wir können froh sein, dass wir die Generalmobilmachung ausgerufen haben, so haben wir gleich eine funktionierende Struktur zur Hand", erklärte Jules Khawa.


    Der Chevalier umritt so gut es ging die Ansammlungen von Bauern und anderen geflüchteten Bürgern der Hohen Mark. Er strich liebevoll über Khawas Hand.


    "Mach Dir keine Sorgen, Du schaffst das. Du weißt wofür Du dies hier alle tust, für Deine Heimat also für uns beide. Auf dem Rückweg, oder besser gesagt nach Deinem Gespräch mit den Tieflingen würde ich gerne einmal ein sehr ernstes privates Thema mit Dir besprechen Khawa. Aber davor möchte ich Dich nicht nervös machen. Du sollst Dich voll und ganz auf Deine Aufgabe konzentrieren. Nur soviel - es ist etwas Schönes", grinste Jules Khawa kurz über die Schulter an.

  • Sie kamen gut voran und bald näherten sie sich Goldwasser, der Hauptstadt der Hohen Mark. Goldwasser war unverkennbar besetztes Gebiet. Die Rakshaner hatten Gardinen, Decken und vergleichbares Tuch aus den Häusern geholt und sich daraus Zelte gebaut. Keine sorgfältig verschlossenen Wohnzelte, sondern solche, um tagsüber darunter herumzulungern, Tee zu trinken (es gab aufgrund der Situation keinen Kaffee) und dabei auch bei Regen draußen sein zu können.


    Als Jules ankündigte, nach Abschluss ihrer Mission etwas sehr ernstes Privates mit ihm besprechen zu wollen, bekam Khawa einen Moment die Flatter. Erst der Nachsatz, dass es sich um etwas Schönes handelte, beruhigte ihn wieder. »Leute zu erschrecken findest du offenbar lustig«, schmunzelte Khawa. »Soll ich für das Gespräch eine Rüstung anziehen? Dann müsstest du mir allerdings eine leihen, meine ist noch in Rakshanistan.«


    Sowohl Almanen, als auch Tieflinge und Rakshaner waren zu sehen, wobei die Almanen in der Überzahl waren. Khawa und Jules wurden entsprechend nicht weiter beachtet, abgesehen davon, dass Khawa wegen seines fehlenden Turbans manchmal schief angeschaut wurde und manch einer dem großen Pferd allzu hungrig nachschaute. Im Großen und Ganzen war es hier jedoch momentan friedlich und vom Krieg wenig zu merken. Sie hielten auf das Anwesen zu. Die Leichname der Familie des verschollenen Großherzogs Roderich steckte noch immer gut sichtbar auf Pfählen vor dem Zugang. Wegen der Kälte hielt die Verwesung sich noch in Grenzen, aber es war dennoch kein schöner Anblick, hingerichtete Zivilisten vorzufinden. Es wimmelte hier von Tieflingen und Rakshanern.


    Khawa stieg ab, pickte sich irgendeinen heraus, der ihm passend dafür erschienen und sprach ihn auf Rakshanisch an. Es war seltsam, seine alte Muttersprache wieder zu verwenden und er musste sich dafür konzentrieren. Er hatte sogar das Gefühl, kein Hochrakshanisch mehr zu sprechen, sondern einen intensiven souvagnischen Akzent zu haben.


    »Grüße. Wir suchen Euren Anführer.«


    Der Rakshaner störte sich offenbar an dem Wort ›eurer‹, denn er guckte ziemlich schief. Er fragte: »Und wer seid ihr?«


    »Chevalier Jules de Mireaul, Himmelsauge des Duc de Souvagne und Khawa Laurent Rousseau.« Der Blick des Rakshaners wurde nicht besser. »Mann«, schnauzte Khawa in seinem früheren Befehlston, der allerdings ziemlich seltsam klang mit seinem Akzent. »Wir haben Botschaft von Tarrik Tarkan!«


    Das genügte, der Rakshaner nickte. »Folgt mir. Ich bringe euch zu Lexi von der Hohen Mark.«


    Khawa rollte gedanklich mit den Augen ob des Spottnamens, der auf den almanischen Adel anspielte. Tatsächlich sah besagter Tiefling kein bisschen fürstlich aus, abgesehen davon, dass er sich eine Krone organisiert hatte. Er wirkte vielmehr, als hätte er die Krätze und Khawa hielt einen Sicherheitsabstand ein. »Grüße«, sagte er nur, da er nicht der Meinung war, einen Hochstapler wie einen Fürsten grüßen zu müssen. »Wir haben Botschaft von Tarrik Tarkan.« Er hielt ihm das kurze Schreiben hin.


    Befehl von Tarrik Tarkan
    - Abzug der Truppen aus der Hohen Mark -


    An den Kommandanten des Südgeschwaders
    Lexi von der Hohen Mark


    Die Luftstreitmacht und sofern inzwischen eingetroffen auch die Infanterie ist vollumfänglich mit sofortiger Wirkung aus der Hohen Mark abzuziehen und nach Dunkelbruch zu verbringen. Die Hohe Mark ist nicht länger in unserer Hand, doch es war nicht umsonst. Alles Weitere persönlich.


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    Lexi las es. »Geht mal kurz raus«, scheuchte er und trieb die Gäste nach draußen. Nach einer Weile kam Lexi von selbst wieder zum Vorschein. »Wir haben uns beraten. Wir werden uns ab morgen nach Festung Dunkelbruch zurückziehen.«

  • Jules ritt langsam durch Goldwasser, einst Hauptstadt der Hohen Mark, nun ein Teil Neu-Souvagnes. Das dieses Gebiet von Rakshanern besetzt war, erkannte man sofort dran, dass diese jeden Stofffetzen genutzt hatten um daraus ein Zelt zu bauen, anstatt sich in den Häusern nieder zu lassen. Jules war es Recht, so hatte die Bevölkerung in ihren Häusern verbleiben können und waren nicht noch zusätzlich auf ihrem eigenen Land vertrieben worden.


    Nach seiner Ankündigung Khawa etwas sagen zu wollen, war sein Freund doch tatsächlich eine Spur blasser geworden. Jedenfalls so blass, wie ein Rakshaner werden konnte. Der Chevalier schmunzelte bei der Unterstellung, er hätte Khawa erschrecken wollen. Das entsprach zwar nicht den Tatsachen, aber er ließ es einfach so stehen.


    "Das habe ich mir von meinem rakshanischen Freund abgeguckt", lachte Jules leise und musterte Khawa für einen Moment über die Schulter, ehe er sich wieder auf die Straße konzentrierte.


    Als sie auf den einstigen Regierungssitz zuhielten, erblickten sie die Schmach und Schande Roderichs - die Köpfe seiner ermordeten Familie war auf Pfähle aufgespießt worden.


    Jules unterdrückte den Drang auszuspucken. Hier in der Hohen Mark kannte niemand die verschiedenen Ausdrucksformen des Spuckens. Ebenso unbekannt war sie sicher auch den Rakshanern und Tieflingen. Ein Souvagner hätte sofort verstanden, dass Jules damit seine Verachtung für Roderich und den unnötigen Tod seiner Familie ausdrücken wollte.


    Alle Familienmitglieder waren hingerichtet worden und das obwohl es ein Ultimatum gegeben hatte!
    Alle... bis auf Roderich!


    Was für ein erbärmlicher "Mann" Roderich doch gewesen sein musste, wenn er seine Familie so einem grausamen Tod überließ. Er weder für die eigene Familie gesprochen oder gar verhandelt. Vermutlich hatte es dieser Feigling nicht mal eine Sekunde in Erwägung gezogen, sich als Austausch für seine Kinder anzubieten. Aber was verlangte Jules auch von einem Mann, der ohne mit der Wimper zu zucken seine eigenen Untertanen in einen sinnlosen Tod schickte? Der seine Leute in einen Krieg getrieben hatte, mit denen sie nichts zu tun hatten? Sie bluteten und starben für die Ehre der Zwerge und für Roderichs Größenwahn.


    Endlich kamen sie an einen Posten an und Khawa schnappte sich den erstbesten Mann. Er stellte sie beide vor und verkündete, dass er eine Nachricht von Tarrik Tarkan hatte. Zuerst zeigte sich der andere Rakshaner noch spröde und unwillig, aber der Name schien ihm Beine zu machen.


    Man führte sie zu einem Lexi der Hohen Mark, einem Tiefling der aussah als hätte er die Räude. Jules musste nun den Drang des Spuckens und des sich Kratzens unterdrücken. Aber so grauenvoll krank Lexi auch aussah, er hatte mehr Hirnschmalz zwischen seinen zerfledderten Ohren, als Roderich je besessen hatte. Und der Tiefling konnte lesen.


    Vermutlich war dass das Problem des bukolischen Bauernkönigs gewesen - er hatte das Ultimatum schlichtweg nicht lesen können! Innerlich grinste Jules über beide Ohren bei dem Gedanken, offiziell schob er ihn beiseite, so schnell wie er ihm gekommen war.


    Kaum dass Lexi das Schreiben in seinen Krallen hielt, wurden sie nach draußen gebeten - auf rakshanische Art.
    Es dauerte einen Moment, dann kehrte Lexi zu ihnen zurück.


    "Wir haben uns beraten. Wir werden uns ab morgen nach Festung Dunkelbruch zurückziehen", verkündete der Tiefling.


    Entgegen ihres vorherigen Verhaltens deutete Jules nun doch eine Verbeugung an.


    "Habt Dank für Euer schnelles und problemloses Handeln. Eurem Rückzug wird nichts im Wege stehen. Die Hohe Mark ist seit kurzem Teil Souvagnes. Unsere Völker haben keine Fehde miteinander, auch waren wir nicht am Krieg gegen Euch beteiligt. Ferner wird dies auch so bleiben, laut den Aussagen unseres Herrn.


    Solltet Ihr unterwegs auf eine einmarschierende Armee unter Souvagnischem Banner stoßen, dann seid versichert, dass dies nicht Euch gilt. Ein Heeresteil wird nach Neu-Souvagne abgeordnet um hier die öffentliche Sicherheit wieder herzustellen und aufrecht zu erhalten. Ich Danke Euch für Euer Entgegenkommen und Eure Mitarbeit im Namen unseres Duc Lexi. Gehabt Euch wohl und sichere Reise", erklärte Jules respektvoll.


    Nacheinander kontaktierte der Chevalier mental seine Magier-Kollegen Magistral-Percival Urbain de Deveraux, Ciel Felicien de Souvagne, Maurice de la Cantillion, Massimo de la Cantillion um Rapport über den aktuellen Stand in der Hohen Mark abzuliefern.


    `Werte Kollegen, die Hohe Mark ist in Souvagnischer Hand. Die rakshanische Luftstreitkraft zieht sich nach Dunkelbruch zurück. Die Verhandlung mit der Luftstreitkraft verlief einwandfrei und problemlos! Komandant Lex - ein Tiefling, zeigte sich als Ehrenmann, er kam dem schriftlichen Befehl seines Herrn umgehend nach. Ein Heerteil sollte sich unmittelbar auf den Weg nach Neu-Souvagne machen um die öffentliche Sicherheit und Ordnung wieder herzustellen und aufrecht zu erhalten.


    Die Besatzer haben keine Häuser, Burger und ähnliches geschliffen. Sie hatten sich Zeltunterkünfte aus Stoffen gefertigt. Den Einheimischen war es somit möglich, in ihren Häusern zu verbleiben. Es hat keine innerliche größere Landflucht gegeben, bis auf jene betroffene Gebiete, die von der Überschwemmung heimgesucht wurden.


    Ferner sollte Neu-Souvagne direkt in souvagnische Hand genommen werden, so dass mit dem Wiederaufbau und der Intregation begonnen werden kann. Rapport Chevalier Jules de Mireault Ende´, erstattete der Chevalier Bericht.


    Jules musterte Khawa freundlich.


    "Unsere Aufgabe ist erledigt, den Rapport habe ich an alle zuständigen Kollegen soeben mental übermittelt, bleiben nur wir beide übrig. Wir haben zwar den Abzug der Luftstreitkräfte zu überwachen, aber für diese Frage hast Du sicher Zeit Khawa", erklärte Jules gut gelaunt.


    Der Chevalier ging vor Khawa auf ein Knie, so das Gufo auf seiner Schulter erschrocken aufkreischte. Jules zückte sein Schwert und stützte sich darauf ab.


    "Monsieur Khawa Laurent Rousseau - hiermit halte ich um Eure Hand an. Würdet Ihr mir die Ehre gewähren und mein Mann werden?", fragte Jules liebevoll.

  • Khawa blieb fast die Spucke weg, als July auf sein Schwert gestützt vor ihm niederkniete und, ganz entgegen seiner sonst zur Schau getragenen Art, mitten in dem verwüsteten Land um Khawas Hand anhielt. Ganz ohne Blumen und Firlefanz, staubig und verschwitzt wie sie waren und so wie Khawa es liebte. Khawa drängelte sich an dem Schwert, was zwischen ihnen stand, vorbei und nahm seinen Chevalier fest in die Arme. Die Kettenhemdringe bohrten sich in seine Arme und in seine Brust. Khawa war schwer aus der Fassung zu bringen, doch jetzt war er es - im guten Sinne. Er küsste Jules lange und ausgiebig. Er legte nicht nur all seine Liebe, sondern auch all seine Leidenschaft in diesen Kuss und davon hatte er reichlich. Der einzige andere Kuss, der damit vergleichbar war, war der erste, den sie überhaupt getauscht hatten. Erst danach antwortete Khawa auch verbal.


    "Von Herzen gern, July, aus ganzem Herzen Ja!" Khawa drückte ihn auf den Rücken, so dass Jules im Dreck lag, das Schwert lag irgendwo kreuz und quer. Er legte sich auf ihn und küsste ihn ein weiteres Mal mit Lippen und Zunge ab. Dabei hielt er ihn mit aller Kraft fest. "Ich liebe Euch so dermaßen, July. Normalerweise müsste ich Euch hier und jetzt gleich zeigen, wie sehr, weil ich es kaum in Worte fassen kann." Er presste seine Hüfte fest gegen ihn. "Ich habe Euch schon immer geliebt, das wisst Ihr, aber Ihr wisst nicht, wie stark meine Liebe geworden ist, seit Ihr mein Sehnen erwidert. Werden wir dann zusammen wohnen? Und wo? Und wem gehöre ich dann, irgendeinem Comte oder nur Euch? Ich will Euch gehören, July ... ich wäre von Anfang an am liebsten Euer Diener gewesen." Khawa musste sich gerade extrem zusammenreißen. Er war emotional und körperlich auf Anschlag gespannt.