Kapitel 1 - Die Heimkehr des Duca

  • << Dunkelbruch nach der Eroberung - Das almanische Heer rückt ab in Richtung Heimat
    << Royaler Besuch - Durchreise durch Souvagne


    Die Heimkehr des Duca


    Tazio Ferdinando di Ledvicco betrat in vollem Ornat den Thronsaal des Palastes. Die Leibgarde nahm Haltung an und salutierte, indem die Männer sich die freie Faust an die Brust hämmerten. In der anderen hielten sie die Hellebarde. In Weiß und Türkis rauschten beim Gehen Unmengen von Stoff um Tazios Körper, der um die Hüfte von einer Schärpe zusammengerafft wurde. Kein Stück Haut war von Tazio zu sehen. Seine Hände steckten in feinen Handschuhen, das Gesicht verbarg eine beinerne Maske, eine enge Kapuze umschloss Haar und Hals. Die Person Tazio lag unter dem Ornat vergraben. Er war die Personifizierung des Amtes geworden, in dem Moment, als man ihm das Insignien seiner Würde angelegt hatte. Zügig durchschritt er die Reihen der Gardisten, noch das Marschieren im Feldeinsatz gewohnt. Fast lautlos waren seine Schritte auf dem dicken Stoff. Fremd fühlten sich die leichten und bequemen Schuhe an, ganz anders als seine Kampfstiefel. Der Wiedereintritt ins zivile Leben erschien Tazio unwirklich. Ein Teppich aus türkisfarbenem Samt teilte den Saal vor ihm in zwei Hälften und er folgte ihm ans andere Ende des Saals, wo der leere Thron auf ihn wartete. Weißes Walbein, mit türkisfarbenem Samt gepolstert, harrte darauf, dass sein rechtmäßiger Herr sich auf ihm niederließ. Nach einigen weiteren Schritten hatte er den Ort seiner Bestimmung erreicht. Er stieg die Stufen hinauf, die zum Thron führten, der erhaben auf einem Podest stand. Bevor Tazio sich niederließ, drehte er sich noch stehend zu den Anwesenden um. Hinter den Leibgardisten warteten Vertreter der nach dem Krieg noch verbliebenen Adelshäuser, namhafte Militärs, geistliche und weltliche Würdenträger. Er sah seine Hochwürden Cosimo di Casteziana in der schwarzen Robe der Ainuwarpriester und seine Exzellenz Giuliano Antomasco als Vertreter der Magier. Näher am Thron standen sein General Samuele di Devolone und Paladino Ezio Rizzoglia. Die Brüder Alessio und Agostino Vendivolone waren weder adlig noch Inhaber einer Würde, sondern als Ehrengäste geladen. Diese und viele andere sahen aufmerksam in seine Richtung, ohne den Blick bis auf Augenhöhe zu ihm zu heben.


    »Auf jede Ebbe folgt die Flut«, sprach Tazio mit fester Stimme zu den Anwesenden. In der Stille des Thronsaals hallte sie wieder. »Klar und einfach liegt die Wahrheit vor uns. Ainuwar gab uns dieses Gesetz und der weiße Seelöwe wacht zu allen Zeiten über Ledvicco. Wie weit die Wanderung ihn auch fortgeführt haben und wie viel Zeit verstrichen sein mag, der Leone di Marino kehrt stets an den Ort seiner Geburt zurück. Wer daran zweifelt, zweifelt an Ainuwars göttlichem Willen selbst und sein Leben ist verwirkt. Der Leone di Marino steht heute vor Euch als ein weiterer Beweis für die Wahrheit dieses Gesetzes. Unser gütiger Vater, Ernesto Sirio di Ledvicco, ist gefallen. Ainuwar habe ihn selig. Sein Körper ruht in einem Bett aus Sand in der rakshanischen Steppe, wo er im Kampf fiel. Erinnern wir uns seiner in der selben Liebe, in der er auch uns stets gedachte. Der Krieg ist nun vorbei und der weiße Thron steht nicht länger leer. Leer war er, doch nie verlassen. Die Zweifler an dieser Tatsache werden in diesem Augenblick von unseren Soldaten über die Grenze gejagt. Habt Hoffnung, Ledvigiani! Der Duca die Ledvicco ist heimgekehrt!«


    Tazio nahm die schwarze Korrallenkrone von einem Priester entgegen, der sie ihm auf einem Kissen reichte. Er hob sie über sich und senkte sie auf sein Haupt. Fest schloss sich der gepolsterte Reif um Stirn, Schläfen und Hinterkopf. Ihr Gewicht drückte ihn trotz der perfekten Passform und er stemmte seinen Kopf bewusst dagegen. Er nahm das Zepter und das Schwert in die Hände, die Insignien seiner weltlichen Macht. Dann nahm er auf dem Thron als neuer Großherzog von Ledwick platz. Der junge Duca blickte das erste Mal in seinem Leben von diesem Thron aus in die Runde. Mit dem Tod von Ernesto Sirio di Ledvicco war das Amt des Duca auf seinen ältesten Sohn übergegangen und nun war es kraft der Zeremonie auch formell besiegelt. Tazio erhob erneut das Wort, das erste Mal als Duca.


    »Habt Hoffnung, Ledvigiani«, sprach er noch einmal laut, nicht ahnend, dass dieser schlichte Ausruf enorme Wirkung unter seinem Volk entfaltete und später zu einem geflügelten Wort werden sollte, das einstmals sogar seine Grabinschrift zieren würde. Dies nicht wissend, fuhr er unbeirrt fort.


    »Das Kaisho-Abkommen ist zerbrochen und unsere Verpflichtungen, Evalon im Kampf gegen die Naridier zu unterstützen, haben damit ein Ende gefunden. Almanien ist wieder unabhängig und somit auch Ledvicco. Es ist ein teuer erkaufter Frieden und er stellt uns vor neue Herausforderungen. Niemand von uns weiß, wie es ist, in Friedenszeiten zu leben, denn wir alle sind während des Krieges geboren. Seit 82 Jahren sind unsere Wirtschaft und unsere Politik auf Krieg ausgerichtet. Werden wir dem Frieden gewachsen sein? Glauben wir gemeinsam daran, dass wir Ledvigiani das können! Unsere Altvorderen haben es gekonnt und wir werden es erneut lernen. Wir haben schon ganz andere Probleme überstanden. Wir sind zäh, wir haben fleißige und kluge Menschen in unserem Volk und Ainuwar ist mit uns. Wir halten zusammen und wenn die Welt auch gegen uns ist, haben wir doch stets einander gehabt. Jene, die Zwist in unsere Reihen brachten, wurden des Landes verwiesen und nichts soll unser Volk mehr trennen. Gemeinsam bauen wir unser geliebtes Land wieder auf. Und in nur wenigen Jahren wird Ledvicco bereits in altem Glanz erstrahlen. Die Erinnerung an den Krieg wird nichts weiter mehr als ein flüchtiger Schatten sein und Ledvicco erneut erblühen.«


    Es geschah etwas, das nicht oft geschah - Beifall brach im Thronsaal aus. Damit hatte Tazio nicht gerechnet. Hinter der ausdruckslosen, weißen Maske lief eine Träne seine Wange hinab, als sich fragte, was sein Vater wohl zu seinen Worten gesagt hätte, der sonst an dieser Stelle saß. Wäre er stolz auf seinen Sohn gewesen oder hätte er ihn der Feigheit bezichtigt, da Tazio die Truppen heimgeführt hatte, anstatt sein Werk an der Front zu vollenden? Kalt und gefroren ruhte Ernesto in der windgepeitschten Steppe, zusammen mit vielen anderen Ledvigiani, Kriegern aus der Hohen Mark und aus Ehveros. Tazio schluckte den Kloß in seinem Hals herunter. Sein Vater war tot, doch der Duca war nicht gestorben, denn er lebte in seinem Sohn weiter. Der Duca war ewig und so lange es den Duca gab, so lange würde es Ledvicco geben.

  • Mauro di Georgo
    »Ich bin bereit, meinen Platz einzunehmen, Majestät.«


    Tazio Ferdinando di Ledvicco
    Der Duca betrachtete den Mann vor sich. Er sah aus wie ein typischer adliger Ledvigiano, mit braunem Haar. Er trug eine aus Kupfer gefertigte und im Laufe der Jahre grünlich angelaufene Halbmaske. Diese Maske, die von einer Krone aus Kupfermuscheln geziert wurde, hatte in seiner Familie eine lange Tradition, das sah man ihr an. Seine Kleidung mutete für einen Adligen hingegen bescheiden und zurückhaltend an, was in gedeckten Farben gehalten und schlicht und sparsam geschnitten. Tazio merkte, dass seine Nervosität es ihm schwer machte, sich zu konzentrieren.
    »Vianello, was muss ich korrekt antworten?«, fragte er seinen alten Leibdiener ganz leise, der bei ihm schräg hinter dem Thron stand.


    Vianello Leonardo
    »Wir sind erfreut, dass Ihr Eure Aufgabe derart ernst nehmt«, tuschelte er zurück. »Das reicht schon und klingt gut und freundlich.«


    Tazio Ferdinando di Ledvicco
    Der Duca wiederholte die Worte laut. »Wir sind erfreut, dass Ihr Eure Aufgabe derart ernst nehmt.« Würdevoll und wohlwollend blickte er auf seinen Untertan, ehe er erneut von Unsicherheit übermannt wurde. »Wieso muss ich ihn ihrzen?«, zischte er seinem Leibdiener hilfesuchend zu.


    Vianello Leonardo
    »Weil das sehr höflich ist und er ist auch ein Adeliger. Dann macht man das aus Respekt so. Nur Gemeine duzt Ihr und nur Höhergestellte Freie siezt Ihr. Das ist ein Zeichen dafür, dass dieser Adlige direkt einer der Euch Unterstehenden ist, darum ist er von Adel Herr.«


    Tazio Ferdinando di Ledvicco
    Es hörte sich an, als würde Vianello es einem kleinen Jungen erklären, doch Tazio fühlte sich kaum anders. Er war allein auf diesem Thron. Sein Vater war gefallen, seine Familie hatte während des Krieges das Land verlassen. Jene, die ihn sonst noch hätten unterstützen sollen, die ranghöchsten Adelshäuser, hatten ihn verraten. Alle, die im Verdacht standen, mit ihnen zu paktieren, waren so wie sie gewaltsam des Landes verweisen worden. Die Spitze von Ledwick war leer - bis auf ihn. Er war froh, dass Vianello ihm geblieben war, der weitaus mehr war als ein einfacher Diener - der Mann war ein erfahrener Krieger, ein Veteran mit unendlich viel Weisheit und noch mehr Geduld. Aber wenn es nötig war, konnte er auch sehr deutlich werden. »Danke« flüsterte Tazio. »Was würde ich nur ohne dich tun. Welchen Stand hat deine Familie überhaupt?«


    Vianello Leonardo
    »Leibeigene Herr, ich bin doch Euer Leibdiener, ich gehöre Euch«, flüsterte Vianello.


    Tazio Ferdinando di Ledvicco
    »Oh«, sagte Tazio mit peinlich berührtem Tonfall.


    Vianello Leonardo
    »Das ist nicht schlimm Herr, was Ihr Euch alles merken müsst. Seid nicht verlegen. Wir gehören zusammen und was Ihr nicht wisst, weißt ich für Euch. Und selbstverständlich erinnere ich Euch. Es war Euch doch nur entfallen, das wissen wir beide.«

    Tazio Ferdinando di Ledvicco
    »Im Krieg waren andere Dinge wichtiger zu lernen ... und ich bin ein Kind des Krieges. Nun muss ich all jene nachholen, die in Friedenszeiten von Bedeutung sind. Zum Beispiel den Namen des Mannes da vor mir. Ich weiß nur, dass er mir sehr positiv aufgefallen ist in all den Jahren. Ihn zu fragen wäre peinlich.«


    Vianello Leonardo
    »Das ist Mauro di Georgo, einer Eurer treuen Untertanen Herr.«


    Tazio Ferdinando di Ledvicco
    »Ah, ich erinnere mich! Ich weiß, dass er gut ist, aber wie kann man seine Verdienste offiziell gut umschreiben? Loyalität und so weiter gehören zu den Tugenden eines jeden der Marchesi, die ich ernennen werde. Ich möchte gern zu jedem ein paar persönliche Worte verlieren. Was sollte bei ihm besonders hervorgehoben werden?«


    Vianello Leonardo
    »Seine treue zu Eurer Krone, zu den Traditionen und zu unserem Land. Er war keiner der schmutzigen Fünfe, die danach trachteten Euren Platz einzunehmen. Er unterstützte sie nicht, sondern verhielt sich unkooperativ. Zumal ihm auffiel, dass diese Herren doch alle fremdländische Namen trugen. Aber allein war er zu schwach um dieser Bedrohung Herr zu werden. Da unser Land schon auf den Knien hockte, wollte er keinen Bürgerkrieg riskieren, indem er diese Mannen zur Rechenschaft zog. Es wäre weiteres unschuldiges Blut vergossen worden. So nahm er sich derer an, die Zuflucht zu seiner Scholle suchten um sich dort der Ledvigiani anzunehmen, Herr. Vor allem jenen Waisen, Witwen und Greisen. Der Winter wird hart werden und sie alle bekamen Unterschlupf in seinem Hause. Es war das Mindeste aber leider auch das Einzige, was er tun konnte. Er mag kein großer Kämpfer sein Herr, aber er ist sehr barmherzig.«


    Tazio Ferdinando di Ledvicco
    Er erinnerte sich tatsächlich sehr gut an den Mann, der vor ihn kniete, auch wenn ihm dessen Namen entfallen war, da er ihn nicht in den Krieg begleitet hatte. Er hatte ihn das letzte Mal vor ungezählten Monden gesehen, kurz bevor er an der Seite seines Vaters nach Norden geritten war, in einen Krieg, der ihnen so wenig gebracht hatte wie das jahrzehntelange Abkommen. All dies war nun vorbei. Heute war der Beginn einer neuen Ära. »Tretet vor Euren Duca, Mauro di Georgo«, sprach Tazio laut und deutlich. Er wartete, bis Mauro der Aufforderung gefolgt war. »Auch im Krieg ist nicht allein die Waffe, die über Sieg oder Niederlage entscheidet, über Glück oder Verderben eines Menschen. Auch jene Dinge, die sich fernab in der Heimat abspielen, tragen dazu bei, dass es unserem Land und seinem Volk an nichts mangelt. Eure selbstlosen Gesten der Menschlichkeit haben vielen Ledvigiani das Leben gerettet oder leichter gemacht. In finsteren Zeiten habt Ihr über unser Volk gewacht und es behütet, als jene, die dafür zuständig gewesen wären, Ledvicco und seine Bewohner verrieten. Ihr seid jemand, dem Euer Duca ebenso vertrauen kann wie auch das Volk. Wir vertrauen Euch daher die Aufgabe an, als Marchese über eine der freigewordenen Schollen zu wachen. Legt Eure Hände in die unseren und leistet den Eid, wenn Ihr dazu bereit seid«, verkündete Tazio. Er musste sich einen rückversichernden Blick zu seinem Leibdiener verkneifen, dankbar für die beinerne Maske, die seine Nervosität verbarg.


    Mauro di Georgo
    Der Visconte trat sichtlich gerührt näher und legte seine wie zum Gebet gefalteten Hände in die seines Duca. »Habt Dank für diese edlen Worte Herr. Ich Mauro di Georgo legte mein Leib und Leben in Eure Hände. Ich schwöre Euch Treue, Loyalität und ewige Folgschaft auf dass unser Land wieder erstarken und erblühen möge unter Eurer weisen Führung Majestät«.


    Tazio Ferdinando di Ledvicco
    Tazio umschloss die Hände des neuen Marchese mit der spürbaren Kraft, die das monatelange Leben an der Front in seine Finger gebracht hatte. Durch die Handschuhe konnte Mauro die Wärme spüren. »Wir gewähren Euch Schutz und Schirm, Marchese Mauro de Georgo.« Er griff nach dem Reichsschwert mit dem Griff aus Narwalhorn und hielt es mit beiden Händen vor sich, die flache Seite nach oben gekehrt.


    Mauro di Georgo
    Mauro verneigte sich nach diesen Worten des Schwures huldvoll vor seinem Duca und küsste die Klinge des Reichsschwertes, um den Handgang zu besiegeln. Der Schwur sollte nicht nur die Bindung der Partnerschaft herstellen, sondern betonen, dass der Lehnsmann seinen Status als Freier nicht verliert, denn nur Freie können sich durch Eid binden. Der Kuss des Schwertes war die Huldigung an seinen Duca und zeitgleich Mauros Willenserklärung, diesem treu nach seinem geleisteten Schwur auf ewig zu dienen. »Ich Danke Euch Eure Majestät«, erklärte Mauro di Georgo glücklich.


    Tazio Ferdinando di Ledvicco
    »Ihr dürft Euch erheben und Eure Urkunde beim Maresciallo di corte abholen«, sprach Tazio, dem in diesem Moment einfiel, dass er eben jene noch gar nicht in Auftrag gegeben hatte. Es gab so unwahrscheinlich viel zu beachten und er hatte das Gefühl, an alles gleichzeitig denken zu müssen. Er hoffte, der frischgebackene Marchese bemerkte den Patzer nicht. »Am besten, Ihr geht vorher noch einmal in der Küche vorbei, der Maresciallo wird noch ein wenig Zeit benötigen, da er heute viel beschäftigt ist.«


    Mauro
    Der frisch ernannte Marchese verneigte sich tief und verließ rückwärts den Thronsaal seines jungen Duca. Draußen erst erhob er sich, seine Maske verbarg seine Rührung. Wie ihm der Duca geraten hatte, ließ er sich in der Küche einen Tee aushändigen, den er in aller Ruhe trank, da er den Maresciallo di corte nicht über Gebühr strapazieren wollte. Tazio Ferdinando di Ledvicco hatte am heutigen Amtstag mehr zu leisten, als auf so jungen Schultern lasten sollte. Und ebenso erging es dem Maresciallo di corte, der all dies in Wort und Schrift festhalten musste. Di Georgo hoffte, dass sich bald alles im Lande stabilisieren würde unter der Hand seiner Majestät. Die fünf Vertreter hatten viel zu sehr mit Fremdlingen geliebäugelt. Sie hatten mit den Zwergen paktiert, diese ins Land regelrecht eingeladen. Selbstverständlich legte auch er Wert auf gute Beziehungen. Dies war wichtig für den Im- und Export ihrer Güter. Auch wenn sie nicht viel zu verkaufen hatten im Moment, war das doch eine ihrer Möglichkeiten, wieder an Taler zu kommen und das Land aufzubauen. Aber wie er gehört hatte, hatte sich einer dieser Counts den Besuchern förmlich angebiedert. Das ging zu weit. Besucher waren willkommen und wurden Gäste. Aber jene Zwerge waren doch letztendlich mit einer der Gründe warum es in Ledvicco jetzt aussah wie es aussah. Diesen Männern Tür und Tor mit einer Verbeugung zu öffnen, war purer Hohn für Mauro den Gefallenen gegenüber. Diese würden sich nicht nur in den trockenen Wüstengräbern umdrehen, sie würden darin rotieren! Dessen war er sich sicher. Ein Ledvicco gehörte in die ewige Umarmung des Sumpfes, niemand sollte im Wüstensand mumifizieren müssen. Das war schändlich. Und wieviele gute Männer hatte dieses Schicksal ereilt? Männer, die nun an allen Ecken und Enden fehlten. Frauen, Alte ja sogar Kinder arbeiteten hart, um das Land mit ihren eigenen Händen wieder aufzubauen. Und dann beugten diese Counts das Knie vor den Verursachern? Mauro verstand urplötzlich diese seltsame Sitte der Souvagner, denn ihm war auch nach Ausspucken zu Mute. Den faden Geschmack, den die Counts hinterlassen hatten, spülte er mit einem weiteren Schluck guten Sumpfgrastees hinunter, bedankte sich bei dem Küchenpersonal für die freundliche Bewirtung und machte sich auf den Weg zum Maresciallo di corte. Er klopfte und wartete auf eine Eintrittsaufforderung.


    Simone Cosmogadri
    Der Maresciallo die corte wischte sich mit einem Taschentuch den Schweiß von der Stirn. »Bitte tretet ein«, rief er. Simone hatte sich sehr beeilt, aber nur so weit, wie es seine Sorgfalt zuließ. Aus diesem Grunde hatte der neue Marchese eine ganze Weile ausharren müssen, doch nun war es so weit. »Es wurde bereits alles in die Wege geleitet. Ich hoffe, die Wartezeit war erträglich. Bittesehr, Marchese«, sagte er freundlich und überreichte seinem Gast seine Urkunde:
    Bitte melde dich an, um diesen Link zu sehen.


    Mauro
    Der Marchese nahm die Urkunde entgegen, rollte sie auf und schaute sie sich lange an. »Vielen Dank für diese wundervolle, kunstvolle Ausfertigung. Das Wort Urkunde wird Ihrer Optik bei weitem nicht gerecht, Signor Cosmogadri. Ich bedanke mich bei Ihnen für dieses Kleinod«, antwortete Marchese di Georgo. Er rollte die Urkunde wieder vorsichtig zusammen, deutete eine leichte Verbeugung an und verließ beschwingten Schrittes wohlgemut die Amtsstube.


    Tazio Ferdinando di Ledvicco
    Tazio derweil musste erst einmal durchatmen. Er war bei diesem Ereignis nervöser gewesen als während der letzten Kriegstage. Er lehnte sich in dem Thron zurück und rollten den Kopf etwas zu Seite, um seinen Leibdiener anzusehen. »War alles richtig?«, fragte er ihn leise.


    Vianello Leonardo
    Vianello legte seinem Duca beruhigend die Hand auf die Schulter. Da niemand vor dem Thron stand, erlaubte er sich die väterliche Geste. »Ihr habt völlig richtig gehandelt Herr. Und nicht nur dass, Ihr wart edel und huldvoll, so wie man sich seine Erhebung wünscht. Ihr habt einen besonderen Moment für den neuen Marchese geschaffen und das adelt nicht nur ihn, sondern auch Euch Eure Majestät. Euer Vater wäre mit Recht sehr stolz auf Euch. Geht es Euch gut Herr?«, fragte Vianello fürsorglich.


    Tazio Ferdinando di Ledvicco
    »Mir geht es gut, ich muss mich nur an die neue Situation gewöhnen. Den Amtsantritt damit zu beginnen, den alten Hochadel des Landes zu verweisen, hätte ich mir gern erspart. Aber Männer wie Mauro machen dies wieder wett. Erfahren zu haben, wie er sich um alles gekümmert hat, während andere uns verrieten, ist ein schönes und beruhigendes Gefühl. Seine Nobilitierung ist mehr als verdient.« Er setzte sich wieder auf. »Stehen noch weitere Amtshandlungen an?«


    Vianello Leonardo
    Vianello schaute in seine Unterlagen und schüttelte den Kopf. »Nein Herr, das wäre es was die Amtshandlungen im Thronsaal anbelangt. Alles weitere ist Papierkram den Ihr in Eurer Amtsstube erledigen solltet. Aber vorher solltet Ihr Euch einen Moment der Ruhe gönnen, um Kraft zu schöpfen. Möchtet Ihr vielleicht die Sitzung beenden und Euch zurückziehen Herr? Dann könntet Ihr das Ornat ablegen, ich würde Euch etwas frisch machen und Euch eine Kleinigkeit zu Speisen servieren lassen, falls es Euch Recht ist. Eure Entscheidung war weise und voraussichtig Herr. Menschen wie der Marchese sind jene, die unser Land zusammenhalten und ihm die Werte geben, auf denen wir alle stehen. Männer, Frauen, Alte und Junge wie er. Vielleicht sollten wir einmal über eine Ehrung all jener nachdenken, die mit ihrer pure Hände Arbeit so fleißig daran werken, dass unser Land neu erblüht. Ein Feiertag zu ihren Ehren vielleicht Herr?«, schlug der Leibdiener vor.


    Tazio Ferdinando di Ledvicco
    Tazio war erleichtert, dass heute nichts weiter anstand. Das Wenige war schon sehr viel, wenn man es nicht gewohnt war. »Ja, eine kurze Pause wäre für die Konzentration förderlich. Ich erwarte dich in der Amtsstube. Die Sitzung ist beendet, ich ziehe mich zurück«, verkündete er und erhob sich. Seine Berge von Stoff raschelten. Er verließ den Thronsaal, während Vianello noch die Staatsinsignien verwahrte. Wie angekündigt erwartete er ihn in der Amtsstube, wo er die Maske ablegte, um einen heißen Tee trinken zu können. Die Maske lag mit ausdruckslosem Gesicht auf dem Schreibtisch. Es war nicht die Maske seines Vaters, da sie ans Gesicht angepasst wurde, aber sie war in der selben Machart gehalten und die Krone aus schwarzer Koralle war jene, welche der Duca seit Anbeginn trug. Er vermisste seinen Vater und musste sich jeden Tag aufs Neue zwingen, nicht an ihn zu denken. Er fehlte nicht nur als Mensch, sondern auch als Berater. Sehnsuchtsvoll blickte Tazio auf die Tür, hinter der Vianellos Schritte nahten.


    Vianello Leonardo
    Vianello betrat die Amtsstube. Auf einem großen Tablett balancierte er einen Tee, leichtes Gebäck, ein gut belegtes Brot und eine Schüssel mit warmen Wasser, das angenehm nach pflegenden Ölen duftete. »Herr hier bin ich schon«, sagte Vianello freundlich und plazierte die Mahlzeit vor seinem Herrn. Vorher allerdings wusch er ihm das Gesicht und die Hände. Tazio spürte, wie er sich auch innerlich entspannte, als der Leibdiener sein Gesicht mit dem warmen Wasser reinigte. Der Duft war beruhigend udn wohltuend. »Hat Euch der Aufenthalt in Souvagne geholfen Herr? Ihr solltet Euch eine ähnliche Bibliothek einrichten. Euer Gesprächspartner, Prince Gregoire de Souvagne war von Euch angetan. Möglicherweise könntet Ihr mit ihm in Kontakt bleiben und er könnte Euch zur Hand gehen. Er machte einen sehr kompetenten Eindruck. Ihr könntet natürlich auch mit dem Duc selbst oder dem Archi-Duc in schriftlichen oder magischen Kontakt treten. Das könnte eine große Last von Euren Schultern nehmen. Ich habe selbstredend nicht im Thronsaal gesagt. In der Öffentlichkeit geziemt es sich nicht, über die Schwäche seines Herrn zu sprechen. Aber Ihr wirkt sehr abgespannt, Ihr benötigt etwas Unterstützung. Auch wenn diese nur seelischer Beistand ist. Zu wissen, dass jemand Eure Meinung teilt, kann schon sehr heilsam sein Herr«, sagte Vianello und rieb Tazio die Hände mit dem Wasser sauber, so dass er essen konnte. »Ihr benötigt mehr Leute auf die Ihr Euch blind verlassen könnt Herr. Bestenfalls sind alle Adligen so. Aber vergesst nicht, was hier fünf Männer versucht haben. Manchmal muss eine Hand auch Härte vermitteln, reine Güte wird oft leider für Schwäche gehalten«, erklärte Nello und reichte seinem Herrn den Tee.


    Tazio Ferdinando di Ledvicco
    Tazio genoss die Minuten der Entspannung, als ihm das Gesicht gewaschen wurde. Nach dem Tragen der Vollmaske war es eine Wohltat. »Gregoire ist freundlich, klug und von sanftem Gemüt. Ich wäre gern länger bei seiner Familie zu Gast geblieben. Es war schön zu sehen, wie sie alle zusammenhielten und einander ergänzten.« Als er fertig gewaschen war, nahm er das Brot und biss davon ab. Ein Schluck Tee half beim Runterspülen. »Die Idee von dem Feiertag hat mir übrigens sehr gut gefallen. Das setzen wir um. Er braucht nur einen schönen Namen und ein gutes Datum. Ich hoffe, doch sehr, dass ich mich auf die fünf neuen Marchesi blind verlassen kann. Ich habe sie sehr sorgfältig ausgewählt, auch wenn mir der eine oder andere Name entfallen ist. Danke für deinen Beistand im Thronsaal. Wenn man das noch nie gemacht hat, erscheinen diese Abläufe, die sonst Routine waren, plötzlich so unsagbar kompliziert.« Er blickte seinen Leibdiener müde an. »Der Palast ist so leer ... ich habe alle, die im Verdacht standen, mit diesen Counts zu paktieren, herausgeworfen. Meine Familie ist noch immer irgendwo untergetaucht. Wie viel Leben herrschte dagegen in Beaufort. Ich sollte erfragen, ob ich einen der Drachenhähne erwerben kann, dann könnte ich die Familie Souvagne ab und zu besuchen«; überlegte er. »Nicht nur zwecks Austausch, sondern auch, weil sie eine nette Gesellschaft waren.«


    Vianello Leonardo
    »Ich verstehe Euch nur zu gut Herr. Jeder Mensch benötigt Rückhalt, auch Ihr oder gerade Ihr in Eurer Position. Die Luft oben wird stets dünner so sagt man. Und Ihr seid ganz oben auf der Spitze des Berges. Ihr könnt Euch nur auf Euer Gespür verlassen ob Ihr einer Person traut oder nicht. Im ersten Moment jedenfalls. Ansonsten wählt einfach nach den Taten, ein aufrichtiger Charakter zeichent sich durch aufrichtige Taten aus Herr. Ich weiß es ist nicht viel, aber Ihr habt mich stets an Eurer Seite, wenn Euch dies etwas Trost sein mag in dieser finsteren Zeit. Beaufort war nicht nur bevölkerter, es war auch bunter als Ledvicco Herr. Manchmal erscheint es mir, als hätte der Krieg uns nicht nur die guten Menschen geraubt und Unrat zurückgelassen, sondern als hätte er unserem Land auch all die prächtigen Farben gestohlen und sie mit einer Schicht grauen Schlammes ertränkt. Aber wir beide wissen werter Herr, dass tief unter all diesem Morast die wahren Farben Ledviccos noch vorhanden sind. Wir müssen sie nur wieder ausgraben und zurück ans Tageslicht befördern. Was Euren Wunsch nach Kontakt zum Souvagnischen Hofe angeht, da kann ich Euch nur zustimmen. Fragt doch Gregoire ob er Euch ein Drachenhuhn zur Verfügung stellt. Ich denke so wie wir den jungen Mann kennenlernen durften, wir er Euch keinen Taler dafür abknöpfen. Es ist eine Staatshilfe, von einem Hof an den anderen. Eine Wiederaufbauhilfe, versteht Ihr? Macht Euch da keine Sorgen. Man mag den Souvagnern Sturheit nachsagen und eine scharfe Zunge, aber Geiz Herr - geizig waren sie nie. Ihr solltet auch einen Magier Eures Vertrauens mit dem Kontakt beauftragen. Eventuell könntet Ihr eines Ihrer Himmelsaugen anfordern? So könntet Ihr im Notfall auch sehr schnell darüber kommunizieren. Und wie wir aus den Berichten wissen, bot der souvagnische Hof Unterstützung in Richtung Ehveros an. Diese blieb ungehört. Seid nicht so stolz und schlagt so ein Angebot aus Herr. Man mag einiges durch Fehler lernen können, aber wir haben schon zu viele Fehler hinter uns und der Winter steht vor der Tür. Es könnte unser letzter Fehler sein, deshalb wäre ich dafür die gereichte Hand Souvagnes zu ergreifen, auch wenn sie nach Ehveros ausgestreckt war. Ihr habt doch gelesen, was sie sogar Alkena anboten und umsetzten. Eine Frau auf dem Thron muss sich doppelt beweisen, dass wird das Problem in Ehveros sein Herr. Die junge Großherzogin möchte nicht nur der Welt, sondern vor allem sich beweisen, dass sie wunderbar ohne jede Hilfe auskommt. Ich sage Euch dies unter der Hand - ich glaube nicht daran, dass sie es schafft. Eine Frau auf dem Thron, welche unsinnige, neudmodische, fast naridisch klingende Narretei ist dies Herr? Niemand sprich den Frauen ihre Fähgikeiten ab, aber sie haben die ihren und wir die unseren. Felipe hat Ehveros damit keinen Gefallen erwiesen, seine Tochter auf den Thron zu setzen. Er hätte dann lieber nach einem guten Manne aus zweiter oder dritter Nebenlinie schauen sollen. Es wird genug geeignete Kanidaten gegeben haben, glaubt Ihr nicht auch? Eine Frau, die sich in Bogenschießen übt, Männerkleidung trägt und ein Land regiert. Wie klingt das für Euch? Für mich nach einem Märchen an einem Lagerfeuer, tief in einer lauen Sommernacht nach einer guten Sumpfwanderung bei gebratenen Knusperfröschen, Fischspießen und drei oder vier Starkbier zu viel Herr«, sagte Nello und massierte seinem Herrn ganz leicht die verspannten Schultern, dass er dabei ohne Probleme noch essen und trinken konnte.


    Tazio Ferdinando di Ledvicco
    Tazio trank seinen Tee und aß dann ganz langsam mit halb geschlossenen Augen sein Brot. »Nicht viel? Nello, keine falsche Bescheidenheit. Du weißt, dass du momentan einer der ganz wenigen bist, denen mein uneingeschränktes Vertrauen gilt. Ohne deinen Rat und deinen Beistand wöge die Last noch mehr, die mein Vater mir vererbt hat. Er war ein guter Mann, auch wenn ich nicht in allen Dingen einer Meinung mit ihm war, aber sein Erbe wiegt schwer wie eine Tonne. Im Norden hat die Cholera ganze Landstriche entvölkert und der Krieg hat uns die besten Männer genommen. Ricarda von Ehveros übt Bogenschießen? Wozu, möchte sie in den Krieg ziehen oder übt sie für die Jagd? Ersteres wäre für eine Frau, welche die Linie der Krone erhalten soll, ein nicht zu Ende gedachter Gedanke. Bei zweiterem möchte ich neidisch sein, dass sie Zeit für Müßiggang findet so kurz nach dem Amtsantritt.« Er schloss die Augen ganz und genoss eine Weile die Massage. »Ich werde Souvagne um Hilfe bitten«, sagte er dann. »Sicher würden wir es auch allein schaffen über kurz oder lang. Aber du hast Recht, wir hatten heute die erste Frostnacht und Ledvicco ist noch vom Krieg gezeichnet. Um welchen Preis würden wir uns erholen, würden wir es ganz allein versuchen, wie viele Menschen sollen noch sterben, nachdem der Krieg bereits beendet wurde? Vielleicht schlagen sie die Bitte aus, aber dann können wir vielleicht immer noch einen Tausch gegen Hilfe anbieten. Natürlich würden wir uns auch erkenntlich zeigen, wenn sie keine Gegenleistung verlangen würden.«


    Vianello Leonardo
    Vianello setzte sich seinem Gebieter gegenüber. »Herr, natürlich kann jeder eine an ihn herangetragene Bitte ausschlagen. Wer fragt, der muss auch mit einer Ablehnung leben können, sonst dürfte er nicht fragen. Aber Herr, falscher Stolz hat schon so manchen zu Grabe getragen. Echter Stolz erlaubt es einem auch Schwäche zuzugeben, sie zu zeigen, um Hilfe zu bitten. Das ist wahre Größe Herr. Zu sagen, dies schaffe ich nicht allein, ich benötige Deine Hilfe. Gewährst Du sie mir? Wer würde da ablehnen? Nein ich denke nicht das Souvagne ablehnen wird. Sie haben uns aufgenommen wie Gäste, sie haben uns verpflegt, versorgt und haben uns sogar durch ihr Land reisen lassen. Ihr habt mit Prince Gregoire gesprochen. Er verstand Euren Standpunkt und Ihr den seinen. Dieser Mann möchte Euch nicht schaden, er wollte Euch beraten. Ja der erste Frost dieses Jahr, reichlich früh Herr. Meist lässt er sich noch einen guten Monat Zeit. Wir benötigen neben Winterhilfe ganz dringend Leute die mit anpacken und etwas aufbauen. So dass wir genug Winterquartiere haben. Und Herr erbittet Heiler! Falls Souvagne so großzügig ist, erbittet einige Heilmagier, damit das Sterben ein Ende hat. Die Cholera muss aufgehalten werden. Wir müssen sauberes Trinkwasser erhalten. Wir müssen die Leute aus der klammen Feuchtigkeit herausbekommen, damit sie sich erholen und genesen können. All dies müsst Ihr leisten und glaubt mir Herr, der Duc wird noch mehr wissen denn ich bin kein Staatsmann. Er wird wissen was ein Volk benötigt, dass dem Hungertod ins Auge blickt. Denn sind wir ehrlich, dass tun wir. Und bald, wenn wir den Winter überleben sollten wird der Frühling ins Land ziehen Herr. Sümpfe und die kleinen Felder die wir haben, werden unbestellt bleiben oder aber erneut werden unsere Frauen, Kinder und Alten den beschwerlichen Weg gehen müssen. Und um ihn zu gehen fehlt uns Saatgut! Eine Handvoll kann schon viel bewirken. Eventuell wäre Souvagne bereit Saatgut aus Alkena zur Verfügung zu stellen? Sumpfpflanzen die uns ebenfalls helfen könnten und hier gedeihen Herr. Es fehlt an Männern. Habt Ihr darüber nachgedacht, ein Bündnis mit Souvagne zu schließen? Möglicherweise wäre der Duc sogar bereit einige Männer abzutreten. Dann könntet Ihr dafür werben, welcher Mann sich hier niederlassen mag. Das mag am Anfang hart sein, aber jener der bereit ist als Freier Mann hart zu arbeiten, dem würde ich eine kleine Scholle zuteilen, ein Ritterstand. Das könnte so manchen locken, der gerne bereit ist hart zu arbeiten und eine Familie zu gründen. Denn unser Land ist zwar arm, gebeutelt und am Boden, aber es ist dennoch ein wunderschönes Land und mit Hilfe wird es das auch wieder. Ein Mann der dabei mitgewirkt hat, wird der Scholle doppelt und dreifach die Treue halten, also Euch Herr. Was die Großherzogin in Ehveros angeht, ich vermute sie ist eine verzogene Tochter die der Vater gerne als Sohn gesehen hätte. Bogenschießen, Lederkleidung, was einem so zugetragen wird. Ihr wisst ja, der Hof hat Ohren gleich wo. Und wie man mir über zig Ecken am Hofe Souvagnes zutrug - Ihr versteht von Leibdiener zu Leibdiener ein Plausch, hörte ich dass die Großherzogin nicht an einer Hochzeit mit einem der Princen interessiert war. Sie hatte überhaupt kein Interesse an einer Hochzeit. Sie wollte weder werben lassen durch einen Hochzeiter, noch umworben werden. Aber sie schien dafür ein reges Interesse an der Tochter des Duc zu haben, eine kleine Schönheit wie ich hörte. Damit steht sie ihren Brüdern wohl in nichts nach oder ihrem Vater. Aber nichts destotrotz, sollte die erste Wahl einer Großherzogin der Erhalt der Blutlinie sein. Auch wenn es in Souvagne üblich ist heiraten zu dürfen wen man möchte, was ich gutheiße Herr, wird sie wohl kaum mit einer Frau Kinder zeugen können. Ich vermute das die Großherzogin von Ehveros ihre Linie ins Leere führen wird. Sie wird eine verhärmte, alleinstehende Frau auf dem Throne ohne jedweden Nachkommen. Ein vertrockneter Schoß wie man so sagt. Mag es sein, dass Felipe aufgrund dessen an Gram erkrankte und dem Wahnsinn anheim fiel wie viele vermuten. Aber dies sind Hofgerüchte Hoheit«, sagte Vianello und musterte seinen Herr freundlich.


    Tazio Ferdinando di Ledvicco
    »Ricarda hätte eine Frau ehelichen können - an zweiter Stelle. Und an erster stünde ein Mann, den sie zum Erhalt der Linie erwählt hat. Sie müsste nicht einmal mit ihm verkehren, eine Heilerin könnte den Samen in ihren Leib verbringen«, antwortete Tazio etwas verwundert. »Wenn die Gerüchte stimmen, dann ist verständlich, dass Felipe in Gram versinkt. Der Hochadel von Ehveros wartete vermutlich schon händereibend, um die eigene Linie auf den Thron zu bringen. Da sollte man als Vater ein Machtwort sprechen, aber vielleicht ist er müde. Ich selbst muss da wohl ganz leise sein, ich habe selbst noch niemanden im Blick. Deine Vorschläge gefallen mir, Nello. Wir haben nur wenige Männer im zeugungsfähigen und arbeitsfähigen Alter. Ich werde das Angebot an Souvagne bis ins Detail durchdenken und mir die Lehen noch einmal anschauen, um zu sehen, wie viele Männer wir aufnehmen sollten. Vielleicht möchten auch die Ehveroser einige Männer loswerden, wenn ihre Führung neuerdings weiblich strukturiert werden soll. Und frisches Blut kann nicht schaden. Wir waren nie sehr viele.« Tazio aß noch einige Kekse, stand auf und streckte sich. »Gönn dir drei Stunden Pause, Nello. Ich werde mir die Bevölkerungstatistik der Lehen zu Gemüte führen und eine Aufstellung machen, wie viele Männer benötigt werden. Vielleicht auch schon einen Entwurf für das Schreiben. Danach treffen wir uns in meinen Gemächern. Danke für alles.« Er setzte sich an seinen Schreibtisch und nahm die Unterlagen aus dem Regal.

  • Tazio war noch nicht fertig geworden mit seinem Brief, da klopfte es. Sein Leibdiener ging zur Tür und sprach leise mit jemandem. Der Duca legte seine Schreibfeder beiseite und betrachtete Vianello aufmerksam, zum Zeichen, dass dieser ihn ansprechen durfte. So wurde Tazio sanft daran erinnert, dass ein zweiter Marchese in spe soeben eingetroffen sei. Also erhob er sich und erneut legte Vianello ihm die Maske an, arrangierte seine Robe und hielt ihm die Tür auf, so dass er voranschreiten und in den Thronsaal treten konnte. Zum zweiten Mal saß er auf dem Thron, als der Mann in den Saal gebeten wurde, der zweite von jenen, die er zu den obersten Hütern des Landes auserkoren hatte. Diesmal hätte man Tazio nicht zu erinnern brauchen, wen er vor sich hatte, denn Momarlino de Marletti war jemand, der im Krieg gefochten hatte. Solche Leute konnte er sich am leichtesten merken. Er schämte sich, dass er bei der ersten Nobilitierung den Namen des stillen und bescheidenen Mauro di Georgi vergessen hatte, doch er hoffte, dieser würde es ihm nachsehen.


    »Tretet vor Euren Duca, Momarlino de Marletti«, bat Tazio seinen jetzigen Gast. Er wartete, bis der Mann vor ihm kniete, dann fuhr er fort. »Zwischen Sumpf und Wüste liegt das Lehen Eurer Familie. Gebeutelt von der Cholera und der Flut zum Trotz, die Eure Burg beschädigte, bliebet ihr standhaft. Selbst der schmerzliche Verlust Eurer Kinder vermochte nicht, Euren Lebenswillen und Euren Kampfgeist ins Wanken zu bringen. Selten erlebt man Menschen von so großer Zähigkeit, Ausdauer und Widerstandskraft. Der Fels in der Brandung ist das passende Sinnbild für Euch und Eure Familie, Momarlino. Männer wie Euch braucht Ledvicco heute mehr denn je. Daher wird Euch am heutigen Tage die Aufgabe anvertraut, als Marchese unser Volk und Land zu behüten. Euer Lehen soll dem traditionellen Schema nach Nummer Zwei sein, wiederum zwischen Sumpf und Wüste gelegen, denn dieses Stück Land kennt und liebt Ihr bereits und ein Umzug bleibt Euch erspart. Die große Festung Arx Sirio, die unser Vater errichten ließ, liegt gleichsam in Eurer Obhut und damit die Obhut über den Aufenthaltsort der meisten unserer Landstreitkräfte. Ansprechpartner, um Euch dabei zu unterstützen, sind Generale Samuele di Devolone und Paladino Ezio Rizzoglia. Legt Eure Hände in die unseren und leistet den Eid, wenn Ihr dazu bereit seid«, verkündete Tazio.

  • Momarlino de Marletti


    legte seine Hände in die von seinen Duca. Er war bereit zu schwören. Der Duca war jung und war wie er in der Schlacht gewesen. Sie wollten den Zwergen helfen und wurden dafür elendig verraten. Zwerge hatten keine Ehre in den Knochen.
    Ihr Land war am Boden und von seine Familie waren fast alle tot, bis auf seine kleine Tochter Julietta. Aber sie war krank und dünn und ganz blass. Momarlino konnte kaum die Rechnungen für Saliami den Heiler bezahlen. Seine Tochter wurde nicht gesund. Momarlino gelaubte, dass es das Sumpffieber war oder die Kolera. Sein Land brauchte einen Heiler. Nicht so einen Dorfpfuscher. Aber es gab keine. Sie waren mit in den Krieg gezogen und genauso tot wie die Krieger. De Marletti hörte seinen Duca zu. Er war jung aber hart. Die Zwerge hatten sie um Hilfe gerufen und dann sterben lassen. Momar wusste nicht ob sie so verräterisch waren oder ob das sogar eine Falle war. Die Zwerge waren gierig und wollten sie ausnutzen. Kaum war der Krieg aus und der Duca noch nicht zuhause, kamen die Zwerge schon angeschissen. Die Counts wollten mit denen klüngeln. Aber der Duca kehrte heim und schmiss die raus.
    Momarlino de Marletti klärte seine Gedanken. Mit der Rückkehr vom Duca würde alles gut werden.


    "Ich Momarlino de Marletti schwöre euch Treue mein Duca."


    Momarlino wartete auf die Antwort von seinen Herrn.

  • Tazio freute sich, dass auch der zweite Marchese die Ehre annahm. Es war mehr als nur eine Ehre, es war auch eine Herausforderung. Nach dem Duca waren die Marchesi die höchsten Adligen und ihnen oblag eine große Verantwortung. Er war froh, dass ihm nach der Katastrophe eine handvoll verlässlicher und fähiger Familien verblieben waren.


    »Wir gewähren Euch Schutz und Schirm, Marchese Momarlino di Marletti.«


    Er griff nach dem Reichsschwert mit dem Griff und hielt es mit beiden Händen vor sich, die flache Seite nach oben gekehrt.

  • Momarlino


    nahm das Schwert vom Duca und küsste es. Seine Tochter wäre stolz gewesen. Aber sie war zu krank, so konnte sie nicht mitkommen und zu gucken. Momar wollte ihr alles ganz genau erzählen. Wie der Thronsaal aussah und der Duca selber auch. Was für eine schöne Maske er hatte und wie wertvoll seine Kleider waren.
    Momarlino dachte das alles besser werden wird, mit dem neuen Duca. Der Titel klang so gut und nach Hoffnung für alle. Momar wollte gleich in seine Katze gucken.
    Reichten seine Taler, dann kaufte er seine Tochter ein neues Kleid.
    Er blieb auf die Knie und wartete was der Duca befahl.

  • »Ihr dürft Euch erheben«, sprach Tazio freundlich. »Maresciallo die corte Simone Cosmogadri hat Eure Urkunde bereits vorbereitet.« Er gab Vianello einen Wink, damit der neue Marchese seine Urkunde erhielt.


    Bitte melde dich an, um diesen Link zu sehen.


    Trotz der freudigen Umstände hatte Tazio das Gefühl, dass stets ein Schatten der Sorge Momarlinos Gesicht verdunkelte. »Ihr wirkt besorgt«, stellte der Duca fest. »Möchtet Ihr noch etwas loswerden?«

  • Momarlino


    nahm die Urkunde vom Duca. Er war glücklich und stolz. Der Duca fragte nach seinen Sorgen.


    "Herr meine Tochter ist krank. Sie wäre stolz gewesen hier zu sein. Aber sie ist zu schwach. Jeden Tag wird sie weniger und ich kann nichts tun. Die Heiler sind teuer und helfen nichts. Zuerst die Kolera. Was sie hat kann kein Heiler sagen. Sie ist alles was ich noch habe Herr. Wir brauchen neue Heiler. Solche die mit Magie heilen und nicht nur mit Pflanzenmedizin. Das hilft alles nichts. Ich habe Angst um meine Tochter Herr. Meine ganze Familie starb im Krieg. Ich werde ihr ein neues Kleid kaufen. Ich schaue was meine Geld Katze sagt. Ein kleines Andenken an heute. Kennt ihr einen Heiler der meine Tochter helfen kann?".


    Momar hoffte sehr, dass der Duca einen Rat wusste.



    1



    Weiter geht es hier:


    Momarlino & Mauro: Die Hörner des Eishais - Juliettas Rettung
    Tazio: Ein Prachtadler für Tazio