Die Hörner des Eishais - Juliettas Rettung

  • Die Hörner des Eishais - Juliettas Rettung



    Vor kurzem erst war der Duca di Ledvicco in seine Heimat Ledwick zurückgekehrt. Er hatte geheiratet und seine Ducachessa hatte einem Kind das Leben geschenkt. All dies erfüllte das gebeutelte Land mit Hoffnung. Ein Lichtblick der Ledwick ein bisschen des alten Glanzes zurückgebracht hatte und die Herzen der Bevölkerung wärmte.


    Nur Momarlino de Marlettis Herz konnte nicht erwärmt werden, denn seine kleine Tochter Julietta litt an einer unbekannten Krankheit. Tagtäglich wurde das Mädchen weniger und ihr Vater konnte nichts dagegen tun. Die Heiler versagten und wussten keinen Rat um das kleine blasse Mädchen zu retten.


    Vianello selbst hatte den Schmerz des Mannes in dessen Augen gesehen, als Duca Tazio di Ledvicco ihn zum Marchese ernannt hatte. Nello hatte den Ausdruck darin nicht vergessen. Zeitgleich mit der Ducachessa hatte die Lösung für Momarlinos Problem Einzug in Ledwick erhalten - Benito.


    Der Leibdiener des Duca war sofort zu dem mächtigsten Heilmagier Souvagnes geeilt und hatte ihm das Problem von Julietta de Marletti vorgetragen.


    Seine Diganose zog Vianello den Boden unter den Füßen weg, Julietta hatte nicht mehr viel Zeit. Sollte das kleine Mädchen Glück haben, würde sie noch den nächsten Winter sehen. Benito hatte auch den Namen der Krankheit genannt, aber das Rauschen in den Ohren von Vianello hatte es ihm unmöglich gemacht, etwas zu verstehen, er sah nur wie die Lippen des Magiers sich bewegten. Er musste sich setzten und durchatmen. Wie sollte man das einem Vater beibringen?


    Dann riss ihn ein einziges Wort aus seiner Starre - Heilmittel.


    Vianello hatte Benito an seiner Robe gepackt und ihn durchgeschüttelt, als wollte er das Heilmittel aus den Roben des Magiers schütteln. So ruhig und besonnen Nello sonst war, in solchen Momenten brach sich sein altes Ego, dass des Soldaten seinen Weg an die Oberfläche.


    Mit klappernden Zähnen erklärte der Magier, dass das einzige Heilmittel die Hörner eines Eishaies wären. Fermentiert und gerieben wären sie eines der mächtigsten Heilmittel. Vianello ließ von dem Magier ab, strich dessen Robe glatt und entschuldigte sich.


    Benito gab dem Leibdiener noch eine wichtige Information mit auf den Weg, Julietta würde sie bei der Suche nach den Eishaihörnern begleiten müssen, denn für die Kleine zählte jede Minute. Was nützten die Eishaihörner in dem Rucksack ihres Finders? Ehe jene wieder daheim bei Julietta wären, hätte die Krankheit das Kind vielleicht besiegt. Die Nokara waren Benitos erste Empfehlung, mächtige Jäger der fünf Weltmeere.


    Und so machte sich Vianello auf um seinen alten Freund Vittorio darum zu bitten, gemeinsam mit Marchese Maro di Georgo Momarlino aufzusuchen und dessen Tochter zu retten.


    Die Drei mussten den Eishai bei den Hörnern packen, nur dann würde Julietta überleben.



    ****



    Eishai


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    ****

  • Alejandro, während er seine Persona "Vittorio" abgelegt hat


    Über die Himmelsaugen erreichte Alejandro eine Nachricht von Vianello, dass ein Landsmann Hilfe brauchte. Mauro di Georgo, Marchese und ein Freund aus alten Tagen, sollte mit ihm gemeinsam dorthin reisen. Was genau sie erwartete, wusste er noch nicht, nur, dass sie dafür einen Eishai erbeuten sollten, was sich spannend anhörte und ihn zurück ans Meer bringen würde. Alejandro würde dem Ruf folgen. Nicht nur, um Vianello den Gefallen zu erweisen, sondern auch, da ihn seit einiger Zeit schon das Haus von Vendelin zu erdrücken schien. Immer öfter ertappte er sich dabei, wie er seine Spaziergänge weiter ausdehnte als notwendig und bei Gedankenspielen. Was wäre, wenn er in diese oder jene Richtung reiste, um zurück zum Dhunico zu gelangen, dessen türkisblaues Angesicht er vermisste, dessen salziges Wasser auf der Haut, die Lichtspiele auf den Wellen, den Geruch des Tangs am Strand? Er war stets wieder zum Haus zurückgekehrt, doch nach immer längerem Ausbleiben. So kam ihm die Botschaft, die das Himmelsauge ihm von Vianello überbrachte, gerade recht und noch am selben Tag informierte er Vendelin darüber, dass er morgen früh abreisen würde.


    Vendelin strafte ihn, indem er an dem Tag seiner Abreise nicht zum Frühstück erschien. Alejandro bedauerte das, aber solche Marotten musste man ertragen können, wenn man diesen Mann sein Eigen nennen wollte, er hatte davon viele, so unscheinbar und harmlos er auf den ersten Blick auch wirken mochte. Selbst Alejandro, der um das Schauspiel wusste, hatte unterschätzt, was für ein Biest unter der ruhigen Oberfläche lauerte. Dass Vendelin eingeschnappt war, war dabei noch der harmloseste Auswuchs, darunter lag ein Abgrund, den Alejandro nicht ergründen wollte. Die Pflege der Freundschaft mit dem Kinderfresser Archibald von Dornburg wirkte auf ihn nicht rein geschäftlich.


    Alejandro trank seinen Kaffee aus, erledigte den Abwasch und machte sich reisefertig. Mit dem Gepäck durchquerte er das enge, altmodische und vollkommen zugerümpelte Haus. Bald würde er wieder die Weite des Himmels über sich genießen können. Er hatte gehofft, dass Vendelin an der Tür wartete, um sich von ihm zu verabschieden, aber da war niemand. Alejandro blickte die Tür an und dann zurück in den engen, muffigen Korridor. Nach kurzem Nachdenken beschloss der alte Soldat, diesmal nicht einfach zu gehen. Sie waren nicht mehr die Männer von vor dreizehn Jahren. Heute würde er Vendelin nicht durchgehen lassen, dass er ihn nicht vernünftig verabschiedete. Er stellte sein Gepäck ab und ging zur Schreibstube.


    Vendelin arbeitete, das Fenster weit geöffnet, um die frische Morgenluft und das Licht hineinzulassen, tief über ein paar Pergamente gebeugt und die Feder in der Hand, oder tat zumindest so. Alejandro packte sich den störrischen Lotos kurzerhand, hob ihn mit beiden Händen hoch und schleppte ihn zum Sofa. Vendelin wog achzig Kilo, aber Alejandro trug ihn auch mit 62 Jahren noch ohne größere Anstrengung. Seine Intuition hatte ihn nicht getäuscht, Vendelin ließ es widerstandslos geschehen. Er ließ zu, dass der alte Soldat ihn auf dem Sofa ablegte, über ihn kroch und ihn küsste und liebte. Diesmal war Alejandro nicht so sanft wie sonst, sondern liebte ihn auf eine Weise, die ihm selbst gefiel. Heute würde es einmal nicht nach Vendelins störrischem Kopf gehen, sondern nach seinem, heute war sein Abschied und den würde er feiern. Nach einer sehr intensiven halben Stunde brachte Vendelin ihn nicht nur bis zur Tür, sondern bis zur Kutsche und trug ihm auch noch das Gepäck.


    »Wirst du diesmal sofort wiederkehren?«, fragte Vendelin, als sie sich ein letztes Mal umarmten.
    »Ach, darum warst du so abweisend. Du hast gemeint, ich lasse dich sitzen. Diesmal nicht. Diesmal kehre ich gleich zu dir zurück, ich schwöre es beim schwarzen Herz der See. Nicht erst nach dreizehn Jahren, ich wende meine Schritte postwendend in deine Richtung, sobald der Fisch in der Pfanne liegt. Und du, mein Süßer, du sorgst dafür, dass ich dich finde, wenn ich nach Hause komme. Halte in der Zwischenzeit die Füße still, gib seiner Majestät keinen Grund zur Klage.«
    »Ich warte auf dich«, versprach Vendelin zwischen zwei Küssen. »Pass auf dich auf.«
    Alejandro strich ihm über den Nacken. »Mach ich. Bis bald.«


    Sie lösten sich voneinander, Alejandro zwinkerte freundlich und stieg in die Kutsche. Der Kutscher schloss die Tür, die Peitsche knallte und die beiden Stählernen Lotos waren erneut voneinander getrennt. Alejandro spürte nur wenig Wehmut, den Ledvigiano rief die Ferne. Etwas war da, was ihn unaufhörlich lockte. Dass er obendrein Urlaub von Vendelin benötigte, hatte er ihm verschwiegen. Er liebte Vendelin, aber der Mann machte ihn auch fertig mit seinen ständigen Ansprüchen und seiner divenhaften Art. Vendelin behauptete zwar immer, ganz anders als sein Vater zu sein, doch in dem Punkt konnte er seine Abstammung nicht leugnen. Und wie Alejandro in der Kutsche reiste, ließ er den heimgekehrten Veteranen namens Alejandro zur Ruhe kommen und den fiktiven Soldaten Vittorio in sich erwachen. Die erwartungsvolle Freude auf die Zukunft fern von hier überlagerte allen Abschiedsschmerz.


    Die Kutsche kam nicht den gesamten Weg durch. Als die mit Steinplatten gelegten Straßen von Holzstegen abgelöst wurden, musste er absteigen. Er hätte nun auch die Wasserstraßen nutzen können. In Ledwick verwendete man Gondeln anstelle von Kutschen für den Personentransport und Lastenkähne anstelle von Ochsenkarren für den Transport von Waren. In den wenigen Gebieten mit festem Boden bildeten Wasserbüffel das Pendant zu Pferden. Doch Mauro wohnte mitten im Delta, es gab hier mehr Wasser als Land. Die letzten Kilometer legte Vittorio daher allein zu Fuß über die Holzstege zurück, was ihn nicht störte. Er war nicht mehr so flink wie früher und benötigte für lange Strecken eine Gehhilfe, aber er genoss die Zeit in der Wildnis, die ihn weiter Weg von dem Ort brachte, an dem er zuletzt gewesen war und der ihm zum Schluss wie eine Rattenfalle erschienen war. Die wilde Schönheit der ledwicker Sümpfe säumte seinen Weg, zwei grüne Wände rechts und links der Straße, das Gezwitscher hunderter Vögel gleichzeitig, das Schwirren großer bunter Libellen. Und pünktlich als die Nacht hereinbrach, kam das Anwesen von Mauro di Georgo in Sicht. Weiße Leuchtmotten umschwirrten die Laterne, die an seiner Gehhilfe hing. In der Finsternis des Sumpfes leuchteten sie wie mondbleiche Irrlichter. Ein bellender Hund kündigte den späten Besucher an.

  • Die Nacht brach herein und Mauro hatte sich gerade bettfertig gemacht, als der Hund anschlug. Alarmiert schälte sich der Marchese wieder aus dem Bett, schnappte sich seinen Degen und schaute nach weshalb der Hund so einen Radau veranstaltete.


    Eine einsame Gestalt kam den Steg entlang nach unten, gestützt auf einen Wanderstab an dem eine Laterne baumelte. Dank der Laterne konnte Mauro das Gesicht des Besuchers erkennen. In dem fahlen Licht der Laterne erkannte Mauro Vittorio einen alten Kameraden aus längst vergangenen Jugendtagen.


    Was trieb ihn zur so später Stunde noch über die Stege der Sümpfe? Mauro warf sich einen Morgenmantel über und ging dem alten Kameraden entgegen. Den Degen behielt er bei sich, es konnte durchaus möglich sein, dass Vittorio Schutz suchte. Seit dem Krieg war Ledwick nicht mehr dass, was es einst gewesen war.


    Während in der Hohen Mark die Chaostruppen gewütet hatten, hatte sich durch Ledwick eine Schlammlawine gerollt. Männer waren in einem Krieg gefallen, der nicht der ihre war und zurück blieben Witwen und Kriegswaisen. Zu den weiteren Hinterlassenschaften des Krieges gehörten Hungersnot und Seuchen. Und ganz so, als ob die Natur die Dummheit der Menschen zusätzlich bestrafen wollte, war es ein harter und unerbittlicher Winter gewesen der zusätzliche Opfer gefordert hatte.


    Langsam ging es aufwärts, vor allem seit dem der Duca in sein Land zurückgekehrt war. Die Counts welche die provisorische Leitung des Landes inne gehabt hatten, waren vertrieben worden. Scheinbar war es ihre Absicht gewesen, Ledwick an die Zwerge zu verkaufen. Schutz- und wehrlos wie das Land zu diesem Zeitpunkt gewesen war, hatten diese Vertreter des Ducs die Zwerge in ihrer eigenen Heimat hofiert, einer von ihnen war den Gerüchten zu Folge sogar vor einem Zwergenabgesandten auf die Knie gegangen! Und das auf eigener Scholle!


    Gesucht hatten sie den Duca nicht, sie hatten keine Zeit damit verschwendet, nach einem rechtmäßigen Erben zu suchen, wie es in Ehveros vereinbart worden war. Das zeigte umsomehr, woran diesen Männern tatsächlich gelegen war. Mauro war froh, dass dieses düstere Kapitel ihres Landes hinter ihnen lag. Langsam ging er Vittorio entgegen.


    "Sei gegrüßt Vittorio. Was treibt Dich zu so später Stunde noch auf die Stege? Ist alles in Ordnung mit Dir? Lass uns zusehen, dass wir ins Haus kommen, ehe wir von den Mücken gänzlich verschlungen werden", grüßte Mauro seinen alten Kameraden freundlich.

  • "Abend", grüßte Vittorio, packte Mauros Finger und zog ihn mit einer Hand zu einer kräftigen Umarmung an sich heran. Er klopfte ihm mit der gleichen Hand auf den Rücken - die andere hielt noch immer den Stab mit der Laterne - und gab ihn wieder frei.


    "Man hat mir die Nachricht zukommen lassen, dass jemand unsere Hilfe braucht, ein Momarlino di Marletti. Er wünscht sich das Filet eines Eishais. Marchese-Kollege von dir. Mensch, da bist du echt nobilitiert worden. Während wir hineingehen, kannst du mir erzählen, womit du dir diese Ehre verdient hast. Ich muss mich ja schämen, in meinem Aufzug bei dir aufzukreuzen. Nachträglich die besten Glückwünsche und ein stets folgsames Fußvolk wünsch ich dir."


    Gut gelaunt begleitete Vittorio seinen Kameraden ins Innere seines Hauses und hoffte, man würde ihm ein reichhaltiges Abendbrot kredenzen, am besten mit einem dunklen Bockbier. Es war die beste Jahreszeit dafür.

  • Mauro umarmte seinen alten Kameraden und führte ihn direkt ins Haus. Einer der Diener eilte mit einem Kerzennachtleuchter herbei um ihnen den Weg zu weisen. Er führte beide in die behagliche Wohnstube, wo sie vor dem großen Kamin Platz nahmen. Das Feuer war etwas heruntergebrannt, spendete aber immer noch genügend Licht und vor allem angenehme Wärme.


    Der Diener eilte erneut davon und versorgte sie einige Minuten später mit Brot, Wurst und einer Schale dampfenden Eintopf. Dazu gab es warmes Gewürzbier. Mauro wartete ab, bis sie allein waren, dann hob er grüßend den Humpen und lächelte Vittorio an.


    "Schön dass Du da bist Vitto, wir haben uns ja eine Ewigkeit nicht mehr gesehen. Danke für die Glückwünsche. Ruhe Dich aus, iss Dich satt und wärme Dich am Feuer. Die Nächte sind immer noch lang, kalt und finster mein Freund. Wundere Dich nicht, aber momentan mangelt es uns allen, an vielen Dingen. Dazu gehören auch Kerzen, sie sind purer Luxus - teuer und wertvoll. Auch das Lampenöl ist in letzter Zeit sehr knapp geworden. Aus diesem Grund lassen wir Nachts lieber die Kamine mit heruntergebrannten Flammen brennen, anstatt Laternen zu entzünden.


    Meine Adelung beruht darauf, dass der Duca treue und zuverlässige Lehnsherrn benötigte. Und genau das bin ich, ganz ohne den Aufschneider zu geben. Mein Herz gehört Ledwick, ich war meinem Land und seinem Volk stets treu und loyal. Es sind unsere Leute Vitto und es ist unser Land, dass es zu schützen und zu retten gilt. Er verjagte die Counts aus unserem Land die nur auf ihren persönlichen Vorteil bedacht waren und so kamen wir, Momarlino und ich an unsere Nobilitierung.


    Marchese Momarlino di Marletti wurde am gleichen Tag wie ich nobilitiert. Seine Bitte muss mit seiner kranken Tochter zu tun haben, denn dies trug er vor. Stärke Dich Vittorio alter Freund und dann lass uns zu Momarlino aufbrechen. Wir werden ihm diesen Eishai besorgen. Viel weiß ich nicht über diese Geschöpfe. Der Eishai kommt ausschließlich in kalten Gewässern vor, wie dem Eismeer und der skallischen See. Wir werden also eine längere Reise einplanen müssen", erkärte Mauro.


    Der Marchese gab seinem Diener bescheid, damit dieser für Vittorio und ihn einen Reiserucksack samt dazugehörigen Utensilien schnürte. Ein kleines Boot wurde ebenfalls für die Abreise fertig gemacht. Nach ihrer Stärkung und Ausrüstung brachen Mauro und Vittorio gemeinsam per Boot zum Anwesen von Momarlino auf.


    Mit den ersten Sonnenstrahlen die das Haus des Marchese erwärmten, erreichten auch Mauro und Vittorio das Anwesen von Momarlino di Marletti.

  • Momarlino


    stand auf dem Balkon und blickte auf sein Land. Es war kalt, aber das beruhigte die Nerven von Momarlino. Seine Tochter schlief noch. Er war immer froh, wenn sie schlafen konnte. Sie sollte sich gesund schlafen. Jeder Schlaf schenkte ihr ein bisschen Kraft, die sonst Julietta fehlte. Aber er sah, dass seine Tochter kämpfte. Momarlino hatte Angst, dass sie den Kampf nicht gewinnen konnte.
    Die Heiler die er so teuer bezahlte, sagten nichts anderes. Er war am Ende. Er wusste nicht was er tun sollte und er hatte grosse Angst um seine Tochter. Sie war alles was er noch hatte. Der verfluchte Krieg hatte die Krankheiten in ihr Land gebracht. Es wurde keiner der Schuldigen krank, sondern seine kleine Tocher Julietta und andere unschuldige Leute. Momarlino fragte sich, ob der Schlamm daran schuld war. Es könnte der Dreck sein, den er mitgebracht hatte. Und niemand wusste, ob noch Leichen in dem Schlamm verborgen waren. Das würde zu noch mehr Krankheiten führen.
    Momarlino hatte Angst um Ledwick. Wie sollten sie das alles schaffen? Sie waren so wenig Leute geworden. Dem Land fehlten Männer. Ihre Männer waren im Krieg gestorben für die Zwerge. Was für Verbündete, die andere die Tür vor die Nase zuschlugen. Momarlino konnte es immer noch nicht fassen. Warum hatte sie den Zwergen bloss geholfen? Damit hatte das ganze Unheil angefangen.
    Er versuchte alles in seine Macht um den Leuten zu helfen. Aber alles war knapp geworden. Die ganz normalen Dinge vom Alltag fehlten oft. Es fehlten gute Heiler und es fehlte an Geld. Sie bauten alles mit eigene Hände wieder auf. Alle die da waren packten mit an. Alte und junge Leute, Frauen und Kinder. Alle hielten zusammen und bauten Ledwick wieder auf.
    Er hoffte die Sauberkeit würde helfen, damit die Krankheiten besiegt wurden. Ganz wichtig war, ihr Wasser wieder sauber zu bekommen. Er dachte über so vieles nach auf dem Balkon. Morgens hatte er Zeit um nachzudenken. Den Rest vom Tag war er fast nur für seine Tochter da. Er stellte sein Tee zur Seite und wollte wieder reingehen, als er ein Boot ankommen sah.
    Zwei Leute sassen drin. Einer war Mauro di Georgo, den anderen Mann kannte Momarlino nicht. Besuch hatte er schon ewig nicht mehr gehabt. Er ging schnell nach unten um die beiden zu empfangen. Momarlino hoffte auf guten Besuch und keine schlechte Neuigkeiten. Er würde zur Not helfen, aber er hatte selber kaum noch was, was er geben konnte. Als die beiden da waren winkte er ihnen zu.


    "Hallo und guten Morgen. Was macht ihr so früh hier? Wir haben uns schon kennengelernt Mauro. Wir noch nicht, ich bin Momarlino di Marletti."


    Momarlino gab Mauro und dem Fremden die Hand und half ihnen aus den Boot. Gemeinsam gingen sie ins Haus.


    "Wir bekommen in letzte Zeit sehr selten Besuch. Weshalb seid ihr hier? Wir frühstücken zusammen. Viel haben wir nicht, aber es wird reichen und satt macht es aus. Es gibt Getreidebrei mit Speck. Nicht das leckerste Frühstück, aber besser als nichts. Bald kommt der Frühling und hoffentlich die ersten Fänge aus dem Meer. Es wird Zeit. Nur Brei und Getrocknetes hält keiner lange aus. Aber was will man machen. Bitte seid leise meine Tochter schläft noch. Sie ist sehr krank."


    Momarlino brachte seine Gäste in die Küche.

  • Auf dem Weg zur Küche schaute der Soldat sich um. Vittorio gefiel das Anwesen der Familie, jedoch sah er nur eine einzige Person auf den ersten Blick. Vielleicht waren die Bediensteten mit den Booten unterwegs oder arbeiteten in einer anderen Etage? Die Küche wirkte leer, von allem schien es zu wenig zu geben. Zu wenig Einrichtung, zu wenig Essen. Entweder war der Marchese di Marletto völlig verarmt, oder die Cholera hatte ihre unbarmherzige Schneise auch durch sein Lehen geschlagen.


    Vittorio hielt sich zunächst zurück, auch wenn er sonst nicht durch Schüchternheit glänzte. Er war nicht von Stand und wollte den beiden Herren nicht dazwischenreden. Da Mauro jedoch eine Pause machte, so als ob er Vittorio Gelegenheit geben wollte, etwas zu sagen, ließ es dieser drauf ankommen und ergriff das Wort. Dabei sprach er leise, um die kranke Tochter nicht zu wecken.


    »Ergebene Grüße, Herr. Uns ereilte Euer Hilferuf. Wir sollten Eurer Tochter helfen und Euch das Fleisch eines Eishais organisieren, wenn ich das richtig verstanden habe. Hängt das Eine mit dem anderen zusammen? Und wenn die Frage erlaubt ist, wo sind alle? Ihr könnt doch unmöglich allein mit Eurer Tochter hier wohnen.«


    Er aß einen Löffel Getreidebrei, den er sehr langsam verzehrte und den Löffel danach wieder in die Schüssel legte. Er wollte dem Gastgeber nicht das Gefühl geben, seine Gäste mehr als nötig bewirten zu müssen.

  • Momarlino


    ass genauso Brei wie die anderen. Er hatte nichts besseres was er servieren konnte. Das war schade, dass er nichts anderes anbieten konnte. Doch Brei war besser als nichts und machte satt. Er freute sich, dass sie seine Tochter helfen wollten. Mauro hatte ein Gast mitgebracht und beide waren freundlich. Das sie leise waren um Julietta nicht zu wecken war gut. Sie brauchte ihren Schlaf und sie brauchte jeden Biss zu Essen.


    "Danke für die Rücksicht. Meine Tochter ist sehr krank, sie braucht jeden Schlaf. Die Diener sind fast alle tot. Gestorben an Cholera und Ruhr. Und dann wurde meine Tochter von einer Krankheit befallen. Was das für eine Krankheit ist, kann ich nicht sagen. Kein Heiler kann mir das sagen. Helfen konnte keiner meine Julietta. Die Krankheit interessiert nicht, ob jemand Diener oder Adliger ist. Hier sind nur noch wenige übrig. Wir haben die Toten verbrannt. Meine Tochter, ich und vier Diener, dass sind alle die noch leben. Die Cholera und die Ruhr sind zurückgegangen.
    Aber die Dörfer sind wie leergefegt. Geisterdörfer wo die Toten neue Krankheiten anlocken. Ich hab allen befohlen die Toten zu verbrennen. Doch dafür fehlen uns auch die Leute. Die Kranken schaffen das nicht. Das wird alles schlimm für uns enden. Es sind keine Männer mehr da, die anpacken können zu arbeiten. Sie starben im Krieg. Die anderen sterben an den Seuchen.
    Mein Hilferuf habe ich für meine Scholle geschickt. Wir brauchen Hilfe um die Krankheiten aufzuhalten.
    Meine Tochter braucht einen Heiler.
    Einen richtigen Arzt, der ihr helfen kann. Ich habe alle Heiler hier bezahlt. Keiner konnte ihr helfen, aber mein Geld haben sie genommen. Ich kann nichts mehr bezahlen. Wenn ihr einen Heiler kennt, der helfen kann muss ich ihm etwas von meinen Besitz anbieten. Oder den Duca um Hilfe fragen.
    Wozu soll das Eishaifleisch gut sein? Davon hab ich noch nichts gehört. Wo das Fleisch zu kaufen ist, kann ich nicht sagen. Wir müssen die Fischer fragen. Oder die Fischerfrauen. Viele Frauen haben angefangen selber zu fischen. Wir müssen uns irgendwie helfen.
    Andere haben mir gesagt, der Duc aus Souvagne ist hier. Er hat Alkena geholfen. Wird er uns auch helfen? Ich hoffe das. Wir müssen zuerst die Krankheiten los werden. Wir können keine Dörfer wieder aufbauen wenn alle gestorben sind. Der Duca muss was dagegen tun. Die Leute sind verzweifelt. Je mehr Leichen sie sehen, je schlimmer wird das. Viele Frauen packen schon an. Andere können nicht mehr, bei den Elend was sie sehen. Ihre Männer sind gestorben nun sterben ihre Kinder. Wo soll das aufhören?
    Ich hätte euch anderes Essen angeboten, aber das ist alles was ich hab. Wir essen hier alle das selbe."


    Momarlino hoffte die beiden Gäste hätten gute Nachrichten.

  • Mauro räusperte sich, legte den Löffel zur Seite und schaute Momarlino ernst an.


    "Dass Du die knappe Nahrung mit uns teilst, ehrt uns sehr Momarlino. Überall ist es knapp, bei uns sieht es nicht besser aus. Drum vielen Dank. Aber deshalb sind wir heute nicht hier. Wie Vittorio schon richtig sagte, sind wir aufgrund Deines Hilferufes hier. Nicht wegen der Scholle, da kann ich Dir leider selbst nicht aushelfen, sondern wegen Deiner Tochter Julietta.


    Es ist richtig, der Duc de Souvagne ist zu Gast bei unserem Duca. Mitgebracht hat er Benito Brassac, den besten Heiler Souvagnes. Vianello hatte sofort geschaltet, als er hörte wer ebenfalls mit angereist ist. Der gute Leibdiener des Duca hatte dem Heiler Juliettas Problem geschildert.


    Jetzt das Wichtigste Momarlino, es gibt ein Heilmittel für Deine Tochter!
    Dass einzige Heilmittel für Julietta sind die Hörner eines Eishaies. Fermentiert und gerieben wären sie eines der mächtigsten Heilmittel, laut Benito.


    Julietta wird uns bei der Suche nach den Eishaihörnern begleiten müssen, denn für die Kleine zählte jede Minute. Was nützten die Eishaihörner in dem Rucksack ihres Finders? Ehe wir wieder daheim bei Julietta sind, hat die Krankheit das Kind vielleicht besiegt.


    Die Nokara waren Benitos erste Empfehlung, mächtige Jäger der fünf Weltmeere.
    Deine Empfehlung sind die Fischer und die Fischerfrauen.


    Das heißt wir drei müssen uns gemeinsam mit Deiner Tochter auf den Weg machen um fermentierte Eishaihörner zu fangen. Ob die Hörner eines Ledvico Hornhais ebenfalls helfen könnten, hat Vianello beziehungsweise Benito nicht gesagt. Aber keine Experimente in so einer heiklen Situation. Wir müssen unbedingt die Eishaihörner besorgen.


    Deshalb sind wir hier Momarlino, um gemeinsam mit Dir Deine Tochter zu retten.


    Unser Duca wird dem Duc de Souvagne garantiert den Ernst unserer Lage schildern. Der Krieg brachte nicht nur auf dem Schlachtfeld Tod und Verderben. Wie eine Seuche trug er sie in unser Land, er selbst war die Pestilenz die tausende neue Krankheiten nach sich zog.


    Wer kann den Frauen verdenken, dass sie das Leid nicht mehr ertragen können? Wie viel Grauen kann ein Mensch überhaupt ertragen? Das sind Fragen, von denen ich mir wünsche, dass sie eines Tages nicht mehr beantwortet werden können. Und ginge es nach mir Momarlino, dann sollten auch Leid, Grauen und Krankheit in Vergessenheit geraten. Ein Übel aus einer längst vergangenen Zeit. Aber dieser Wunsch ist Utopie, er wird wahrscheinlich niemals in Erfüllung gehen. Dennoch ist der Weg dahin, das eigentliche Ziel.


    Ich vertraue fest auf unseren Duca und sein Wirken. Er wird seinen Schwiegervater überzeugen. Der Duc de Souvagne wird seine Familie und somit ein Brudervolk nicht im Stich lassen. Niemals. Und so wie er Alkena geholfen hat, jene die Freunde Souvagnes sind, so wird er auch uns helfen.


    Aber all dies liegt in den Händen unserer Majestät Tazio Ferdinando di Ledvicco.
    In unseren Händen liegt die Rettung Deiner Tochter.


    Bereite alles für die Abreise vor und denke daran, Julietta muss uns begleiten Momarlino", erklärte Mauro freundlich und aß den Rest von seinem Brei auf.

  • Momarlino


    traute seine Ohren nicht. Die beiden hatten ein Heilmittel für seine Tochter. Momarlino war so gerührt, dass er nicht sprechen konnte. Er trank einen Schluck Wasser um sich zu beruhigen.


    "Danke dass ihr sofort zu mir gekommen seid um mir zu helfen. Julietta ist alles was mir von meine Familie geblieben ist. Alle anderen sind tot. Die Diener sind tot, die Dörfer sind tot ich hatte jede Hoffnung aufgegeben. Heute kommt ihr zu Besuch und bringt mir eine so gute Nachricht.
    Ob das die Hörner oder das Fleisch von einen Eishai sein muss, kann ich nicht sagen. Ich werde beides für Julietta kaufen. Der Heiler vom Duc soll hier Kollegen ausbilden.
    Nehmt was ihr findet und steckt das für unterwegs ein. Ich hole Julietta und wir machen uns auf den Weg. Danke dass ihr mir helft. Das werde ich euch nie vergessen."


    Momarlino machte sich sofort abreisefertig und holte seine Tochter Julietta.

  • Während Momarlino sich und seine Tochter umzog, plauderte Vittorio noch ein wenig mit Mauro. So entspannten sie noch ein wenig, bevor sie die lange und anstrengende, womöglich gefährliche Reise antreten würden. Die Jagd auf den Eishai hätte er als angenehmes Freizeitvergnügen empfunden, wenn es hier nicht um viel mehr gegangen wäre als um die persönliche Freude.


    »In Zeiten wie diesen ist jedes einzelne Leben noch wertvoller als sonst, andernfalls sterben wir irgendwann aus oder unser Blut verdünnt sich derart mit dem Blut anderer Völker, dass es bald keine Ledvigiani mehr geben wird, wie man sie heute kennt«, sinnierte Vittorio düster. »Gewiss, Durchmischungen hat es schon immer gegeben - im besten Fall Almanen oder Norkara, die eng mit den Almanen verwandt sind. Im ungünstigeren Fall mit Rakshanern, was während der Ära des Chaos gar nicht so selten vorkam und uns zu dieser Zeit vermehrt recht stark gebräunte Haut und schwarzes Haar beschert hat. Sogar in Souvagne, zumindest vermute ich das, wenn ich mir die Familie Dupont so ansehe. Irgendwoher muss das ganze schwarze Haar bei denen ja auch kommen.«


    Auch Vittorio entstammte einer Familie, die das Erbe der Wüstensöhne nicht leugnen konnte. Bevor sein Haar in Würde ergraut war, war es so schwarz gewesen wie seine Augen, auch wenn er ansonsten so almanisch wirkte wie jeder andere.


    »Um das Jahr der Asche herum hatten die Ledvigiani sich sogar mit dem Blut aus Caltharnae vermischt, weil die Sklaven nicht konsequent an den Galeeren festgekettet wurden. Manche durften herumlaufen und streuten ihre Saat. Und spätestens seit dem Abkommen von Kaisho fanden auch wieder vermehrt Hochzeiten zwischen den Großherzogtümern statt. Das schwarze Haar war zurückgedrängt worden und gilt heute in Kombination mit braunen Augen als Zeichen alten ledwicker Blutes. Heute sind die meisten Ledvigiani braunhaarig. Wer weiß, wie wir in weiteren hundert oder tausend Jahren aussehen werden? Letztendlich ist das unwichtig, auch wenn es aus demografischer Sicht ganz interessant ist. Auf die Seele kommt es an, Mauro. Nichts von all dem, was geschah, hat uns bisher geschadet. Ein gewisses Ausmaß an Durchmischung kann ein Volk verkraften, ohne sich zu verlieren, bisweilen ist frisches Blut sogar nützlich. Doch irgendwann wird es zuviel und das Urvolk verblasst. Und während des letzten Krieges haben wir zu viele Leute verloren. Auf dem Spiel steht nichts Geringeres als das Leben von Momarlinos Tochter und damit auch ein weiteres Stück der Zukunft unseres Landes. Kinder sind heute wertvoller als je zuvor.«


    Als ihr Gastgeber samt seinem Kind zurückkehrte, wandte Vittorio sich diesem freundlich zu. Er war in einem anderen Leben selbst Vater einer Tochter. »Führt uns zu Eurem Boot«, bat er Momarlino. »Kümmert Euch dort ganz in Ruhe um die Kleine, während Mauro und ich den Kahn beladen. Wir angeln uns unterwegs etwas oder fangen ein paar Frösche für die Suppe, das schont den Reiseproviant und den Geldbeutel.«

  • Am Steg, wo das Schiff vertäut lag, standen Vittorio und Momarlino sich schon eine Ewigkeit die Beine in den Bauch. Eigentlich hatte er sich vorgenommen, nur noch ausnahmsweise zu rauchen, aber das war jetzt schon seine wievielte Pfeife? Er klopfte die Glut in das Wasser und verstaute die Pfeife in seiner Tabaktasche, die er im Gepäck verschwinden ließ. Als Fast-Nichtraucher sollte man so etwas nicht am Mann tragen.


    "Ich geh mal nach Mauro schauen", meinte er zu Momarlino und ging zurück zum Haus. "Mauro", rief er. "Wir sind reisefertig." Suchend schaute er sich nach dem Marchesi um.

  • Mauro nickte zu Vittorios Ausführungen, er selbst war ebenso gegen eine Vermischung der Völker. Almanen sollten Almanen bleiben.


    "Da bin ich mit Dir einer Meinung Vittorio, eine Vermischung hat noch keinem Volk gut getan. Das Blut wird dünn, man verliert sein Gesicht, seine Gestalt und am Ende die eigene Kultur und ihre Werte. Zudem leidet auch nicht nur ein Volk unter der Vermischung, sondern auch die Mischlinge selbst.


    Stell Dir einen Almanen-Arashi-Mischling vor. Hier in Almanien in der Fremde wird die Person immer der Fremdländer, das Schlitzauge sein. Und reist sie dann nach Arashima, ist sie dort der Fremdländer die Langnase. Die Person ist wurzellos, kein Volk sieht in ihr den eigenen Anteil. Alle sehen nur das Fremde und weisen sie ab.


    Ist das die Schuld der Person selbst? Nein, niemand kann etwas für seine Geburt. Es ist die Schuld der sorglosen und gedankenlosen Eltern.


    Eine Arashi und ein Almane mögen sich finden und lieben. Aber sie erweisen ihrem Kind einen Bärendienst, wenn sie es zeugen. Sie mögen sich ja ein Kind wünschen, ein sichtbares Zeichen ihrer Liebe. Aber das Kind ist nicht das Zeichen sichtbarer Liebe, es ist das Zeichen purer Egozentrik. Wir wollten ein Kind und uns ist völlig gleichgültig, wie das Kind mit seiner Mischlingsherkunft klar kommt.


    Gleich wird es den Eltern nicht sein, denn dann hätten sie vorher darüber nachgedacht. Es ist wesentlich schlimmer, sie denken nicht einmal so weit, dass sie sich der Konseqenzen für ihr Kind bewusst sind.


    Woher meinst Du kommt der Hass auf andere, von dem gerade Mischlinge oder die gesamte Mischnation Naridien befallen ist? Sie wissen, dass keiner von ihnen eine richtige Herkunft hat. Wir sind Almanen, wir sind Ledwicker. Sie sind ein bunt zusammengewürfelter Haufen und sie selbst als Personen sind genauso ein bunter Mix aus was auch immer.


    Auch daher könnten die schwarzen Haare stammen, möge es Ainuwar verhüten. Ob Naridier, Rakshaner, Arashi oder anderes Fremdblut, es hat nichts in unserem zu suchen. Ich wäre auch dafür, dass man solche bedauernswerte Personen isoliert oder aus Almanien entfernt. Ein Arashi Almanen Mix sollte sein Glück in Arashima suchen. Hier hat er keinen Platz, schlimmstenfalls gibt er sein Mischblut weiter und trägt damit zum Untergang Almaniens bei.


    Almanien stand für sich, um einst die Traditionen zu wahren, wurde das Kaishoabkommen geschaffen. Jedenfalls war dies der offizielle Grund. Wenn man nun genau das lockert, wo kommen wir dann hin? Herrschen hier in einigen Jahren naridische Verhältnisse?


    Meinst Du wirklich dass es rein auf die Seele ankommt?

    Seele und Körper bilden eine feste Einheit Vittorio, Du siehst es doch daran, auch ein Rakshaner der hier aufgewachsen ist, ist immer noch ein Rakshaner. Er denkt in ganz anderen Bahnen, weil dies sein Körper vorgibt. Schon allein bei den körperlichen Empfindlichkeiten, zu warm, zu kalt fängt es an. Dann die Denkweise, die auch dem Körper geschuldet ist. Wo wir nicht mal einen Knopf zuknöpfen, mummeln sie sich ein. Auch dieses Verhalten trägt dazu bei, dass sich so ein Fremdling niemals ganz in die bestehende Kultur einfügen kann. Dafür kann er nichts, dennoch wird er misstrauisch beäugt.


    Das ist weder etwas für den Fremdländer, den Mischling noch den Einheimischen, weil jeder möchte in Ruhe und Frieden leben. Müssen so unterschiedliche Personen aber miteinander auskommen, kommt es unweigerlich zu Spannungen, oder Schlimmeren.


    Wir haben zu viele Almanen für ein nutzloses Fremdvolk verloren. Aber dies soll keine Kritik an unserer Majestät sein. Sondern eine Mahnung, keinem Fremdländer zu vertrauen. Wir sollten es wie in alten Zeiten halten, als Kaisho noch ein Bund war, der für Abschottung und Tradition stand.


    Natürlich kann man dann sagen, wovon sollen wir leben?

    Aber ich frage, wollen wir nicht erst einmal überleben?


    Kinder sind wertvoll da gebe ich Dir Recht, sie sind unsere Zukunft. Aber auch hier muss ich einhaken. Kinder stehen nicht an erster Stelle, sondern jene die die Zukunft also Kinder schaffen können, Männer und Frauen im zeugungs- und gebärfähigem Alter. Es nützen uns nichts 100 Kinder, sie sind so nützlich wie 100 Greise. Der wahre Kern der Gesellschaft sind Mann und Frau im Vermehrungsalter Vittorio.


    Und auch da müssen wir auf unsere almanischen Brüder und Schwestern hoffen. Zu viele Almanen starben vor Dunkelbruch. Man könnte meinen, der Feldzug habe sich gegen uns gerichtet und nicht gegen die Rakshaner. Wieviele von denen sind gefallen? Wie viele Wüstensöhne stehen jetzt vor unseren Problemen? Soweit mir bekannt ist, keiner. Sie haben ja sogar noch unsere Überlebenden versorgt!", erklärte Mauro.


    Als Momarlino samt seiner Tochter zu ihnen zurückkehrten, machte sich Vitto mit ihm auf den Weg. Mauro packte alles an Proviant zusammen, was er finden konnte. Sie hatten nicht viel, aber jeder Apfel, jede alte Rübe, jeder Kanten Brot zähle, wenn man nichts besaß. Und wer wusste schon, wie lang ihre Reise werden würde?


    Zeit hatten sie keine, sie war Mangelware und trotzdem mussten sie mit der Zeit rechnen. Denn es galt Julietta die ganze Zeit versorgt zu halten, während sie auf der Suche nach dem Heilmittel waren. Auch Mauro hoffte, dass der Heiler des Duc Heilerkollegen in Ledwick anlernen würde. Und während er so vor sich hinpackte, merkte er gar nicht, wie die Zeit verflog.


    Da rief schon Vittorio nach ihm!


    "Ich komme!", rief Mauro zurück, schulterte die Rucksäcke und Säcke mit Proviant und eilte nach unten.

    "Alles was ich an Proviant für die Kleine und uns finden konnte, habe ich eingepackt. Gemüse, Obst, Getreide, einfach alles. Wir können aufbrechen", sagte er freundlich.