Buch und Unkraut - 154 n.d.A.

  • Buch und Unkraut - 154 n.d.A.



    Sommer, eine gnadenlose Hitze die viel Arbeit auf dem Feld verlangte. Mein Onkel war krank und ich hatte die ganze Arbeit allein auf dem Feld zu erledigen. In der Frühe und am Abend schleppte ich Wasser auf das Feld um die Pflanzen zu gießen. Sehr früh und sehr spät, damit die Sonne die Pflanzen nicht verbrannte. Dabei passte ich auch auf, dass ich nur am Boden goss und dass nichts auf ihre Blätter kam, denn sonst wurden die Wassertropfen zu Brenngläser und unsere Rüben waren dahin.


    In der Zwischenzeit jätete ich das Unkraut, dass bei solchen Temperaturen regelrecht aus dem Boden schoss. Reihe um Reihe, Stunde und Stunde war ich damit beschäftigt. Im Grunde konnte ich am Anfang des Feldes wieder anfangen, sobald ich am Ende angelangt war. Aber allein schaffte ich es nicht ein ganzes Feld zu jäten. Normalerweise arbeiteten wir auch zu zweit, mein Onkel und ich.


    Endlich war es Abend, der Tag neigte sich dem Ende zu und die Temperaturen sanken. Ich hatte mit Unterbrechung bestimmt 12 Stunden auf dem Feld gearbeitet und freute mich auf meine Matte. Geschafft ging ich zum Wasserfass, wusch mich, betrat das Haus und machte es mir in meiner Ecke gemütlich.


    Ich nahm mir ein Stück Brot, eines meiner Bücher und legte mich auf meine Matte. So aß und las ich noch etwas, bevor ich schlafen gehen wollte.


    Gerade als ich mein Brot aufgegessen hatte, kam er zur Tür herein gepoltert. Corentin. Er starrte seinen Bruder an, redete kurz mit ihm und hockte sich dann vor meine Matte. Wie immer kein Wort des Grußes, aber er grüßte mich nie.


    Stattdessen nahm er mir das Buch ab und klappte es zu. Ich dachte er würde mich damit schlagen, aber er warf es einfach achtlos in eine Ecke.


    "Wie lange hast Du gelesen?", fragte er in seinem harschen Tonfall.
    "Eine halbe Stunde", antwortete ich meinem Vater.


    "Du weigerst Dich zu lernen, aber liest diesen Schund. Ein Bauer muss nicht lesen können. Und wenn er dafür schon seine Zeit vergeudet, dann liest er nicht sowas. Er liest etwas, dass ihm nützt. Da Du nicht lernen möchtest und nichts Nützliches liest, wirst Du gar nicht mehr lesen. Es sei denn Du entscheidest Dich um", erklärte Corentin.
    Ich nickte nur stumm, weil ich nicht seinen Unmut auf mich ziehen wollte.


    "Ja, nein, vielleicht, was?", blaffte er sofort.
    "Ja verstanden, nein ich entscheide mich nicht um", sagte ich leise.


    "Du musst mir nicht jedes Mal Deine Nutzlosigkeit beweisen Davet. Verkneif es Dir mal einen Tag. Feld fertig gejätet?", fragte Corentin.
    "Fast, den Rest mache ich morgen früh", antwortete ich müde.


    "Fast? Den Rest machst Du morgen früh? Den Rest machst Du jetzt! Wen Du Zeit zum Lesen hast, hast Du Zeit zum Arbeiten. Zieh Dich an, zurück an die Arbeit Du faules Stück Scheiße! Dein Onkel liegt krank im Bett und Du liest und lässt das Feld verlottern!", donnerte er mich an und verpasste mir eine schallende Ohrfeige.


    Ich sagte keinen Ton, ich weinte nicht, ich rieb mir nur kurz die Wange und zog mich wieder an. Mein Onkel schaute uns beiden nur zu, sagte aber wie üblich keinen Ton. Ich weiß nicht, wen ich in dem Moment mehr gehasst habe, Corentin oder Enrico meinen Onkel.
    Ich trat hinaus in die Dunkelheit, einen Atemzug später stand mein Vater hinter mir und drückte mir eine Laterne in die Hand.


    "Ohne die wirst Du wohl nichts sehen Du Hornochse!", schnauzte er und schlug hinter mir die Tür zu.


    Mit der Laterne in der Hand stand ich noch einen Augenblick da, starrte die Tür an und marschierte dann aufs Feld. Die ganze Nacht verbrachte ich dort und riss das Unkraut heraus. Als der Morgen dämmerte, kehrte ich ins Haus zurück. Mein Vater war verschwunden, so als wäre alles nur ein böser Traum gewesen. Das Einzige was an seine nächtliche Anwesenheit erinnerte, war mein verbranntes Buch im Kamin.