Die redselige Kuh - 154 n.d.A.

  • Die redselige Kuh - 154 n.d.A.



    Manchmal rede ich zu viel, das ist mir durchaus bewusst. Als kleiner Junge hatte ich leider keine Gesprächspartner. Mein Onkel war nicht gerade eine Plaudertasche und wir arbeiteten meist wortlos nebeneinander her. Freunde hatte ich keine. Wie auch? Ich arbeitete den Großteil des Tages auf dem Feld und hatte nur selten Gelegenheit zu spielen.


    Zudem mieden mich die meisten anderen Kinder, weil ich keine Mutter hatte. Vermutlich hatten sie Angst, dass wäre ansteckend. Hörte man auf die anderen, stimmte irgendwas nicht mit mir und meine komischen Anwandlungen waren sicher daran schuld. Woran auch immer, so wurde jedenfalls hinter vorgehaltener Hand über mich geredet.


    Dabei war ich nichts weiter als ein kleiner Junge, der die magische Gabe von seinem Vater geerbt hatte. Aber Kinder hinterfragen selten, was ihre Mütter und Väter ihnen erzählen. Zudem sah ich stets aus wie ein gerupftes Huhn. Knochendürre, mit dicken Knien und einer struppigen Mähne. Ich sah aus wie ein Miniatur Waldschrat.


    Ergab sich mal die Möglichkeit für ein Spiel oder ein Schwatz freute mich das also doppelt.


    Meline Cossou mit ihrer Paulette waren so eine Ausnahme. Meline war eine laufende Händlerin die allerlei möglichen Krims-Krams von ihrer Kuh Paulette aus verkaufte. Mit dem alten, gutmütigen Rindvieh wanderte sie die einzelnen kleinen Orte und Dörfer ab, verkaufte ihre Waren und verbreitete den neusten Klatsch, wie auch wichtige Nachrichten. Meline war sozusagen der Ausrufer, der es mit der Wahrheit nicht so genau nahm, wie auch die Bauchladen Händler die ab und an durch die Dörfer zogen.


    Schon wenn ich Meline von weitem hörte, schnappte ich mir mein Erspartes und rannte los. Sie kündigte sich immer mit einer Ratsche und dem Gemuhe ihrer Kuh an. Ich war vermutlich der aufmerksamste Zuhörer den Meline hatte, denn ich hörte mir ihre Geschichten von A bis Z an, hakte nach und wollte manches erneut hören.


    Bei ihr kaufte ich mir gebrauchte Bücher, wenn sie eines im Angebot hatte, oder etwas Süßes. Damit meine ich echte Bonbons, also Klümpchen die waren etwas ganz Besonders.


    Meline war nicht mehr die Jüngste, sie wanderte in ihrer ureigenen Geschwindigkeit, und hatte einen langen Stab bei sich, der oben rund gebogen war, wie ein Hirtenstab. Darauf stützte sie sich ab oder gab ihrer Kuh den Weg vor.


    An einem Herbsttag waren Meline und Paulette wieder da. Die Dorffrauen hatten sich schon längst verzogen, sie hatten es eh immer eilig, denn jede wollte die Erste sein, die den neusten Klatsch unters Volk brachte. So stand ich allein bei Meline, bewunderte ihr Angebot und hörte mir ihre neusten Geschichten und Abenteuer an, während Paulette hier und da ein Muh einstreute.


    "Du und die redselige Kuh", blaffte es auf einmal hinter mir.


    Die Hand von Corentin schloss sich um meinen Nacken. Aber nur für einen Sekundenbruchteil, denn schon donnerte der Hirtenstab von Meline auf den Schädel meines Vaters herab. Sie zog ihm knallhart einen Scheitel und knockte ihn aus!


    Gefällt stürzte er zu Boden, dennoch bekam er noch zwei, drei drüber gezogen, was mich grinsen und Paulette zustimmend muhen ließ. An dem Tag bekam Corentin einmal etwas von seiner eigenen Medizin und dass von einer alten Frau.