Varmi versuchte, möglichst unbeschwert zu klingen, als er Urako ausmalte, wie wenig schlimm sein baldiges Ableben doch war. Urako fragte sich, ob Varmi das wirklich so leicht nahm, oder ob er nur nicht wollte, dass sein Freund und Seelenbruder sich mehr als nötig sorgte.
"Wir müssen das Haus oder am besten beide Häuser so dunkel und kühl wie möglich gestalten", bestimmte Urako, nachdem Varmi geendet hatte. "Du Pflaume hättest mal eher sagen können, wie sehr die Witterung hier an dir zehrt! Gasmi dürfte ein dunkles kaltes Haus auch entgegenkommen und Dave und ich werden davon nicht sterben, im Gegesatz zu dir, wenn es zu warm und zu hell ist. Schwere, schwarze Samtvorhänge und Fensterläden, die komplett abdichten. Wir werden so viele von den verdammten Dunkelsteinen organisieren, wie wir rankriegen und die ganze Bude damit auskleiden! Wo kriegt man die her und was kosten die? Im Winter musst du regelmäßig ein Schneebad nehmen. Des Weiteren müssen wir einen Wassermagier organisieren, der am besten auch noch Eis beherrschen kann und dich im Sommer runterkühlt."
Wie der Zufall oder ein gehässiger Gott es so wollte, kannte Urako einen Wassermagier. Es war ebenjener, der ihn auch Aalglatt gelehrt hatte. Nur diesen Wassermagier hatte er in der Vergangenheit verdammt schlecht behandelt und nun trieb er sich weiß Rakshor wo herum, wenn er sich inzwischen nicht totgefressen oder totgesoffen hatte. Urako glaubte nicht, dass er Nein sagen würde, wenn er ihn um Hilfe bat. Aber er hatte keine Ahnung, wo der Kerl steckte.
"Kannst du Personen aus meinem Gedächtnis aufspüren?", fragte er Varmi. "Geht das irgendwie?"
In dem Moment wurden sie unterbrochen, weil Dave zurückkehrte. Varmi begrüßte ihn freudig und auch Urako grinste wieder, auch, wenn sein Grinsen heute noch schiefer aussah als sonst. Als Daves und sein Blick sich kurz trafen, wusste Urako sofort, dass Dave erkannte, dass er geheult hatte. Und auch er selbst sah innerhalb dieses kurzen Augenblickes, dass irgendetwas ganz und gar nicht bei Dave in Ordnung war. Und sogleich offenbarte er auch, was das war.
Urakos Herz hörte für einen Moment auf zu schlagen, er spürte es ganz deutlich als einen dumpfen Schmerz, ehe es holpernd wieder in die Gänge kam. Er fasste sich mit einem kurzen Ächzen an die Brust, doch er hatte noch einmal Schwein. Hätte die Info Gasmi betroffen, wäre er vermutlich jetzt mit einem Herzinfarkt von der Mauer gefallen. Sein ungesunder Lebensstil und der viele Stress, den er sich selber machte, begannen sich bemerkbar zu machen. Er wurde nicht jünger und sein Körper verzieh schon längst nicht mehr all seine Eskapaden. Er nahm noch einen weiteren Schluck aus der Flasche.
Aber da er nun doch nicht tot umfiel, konnte er auch das tun, wofür er hier auf Tasmeron war und seine Arbeit als schwarzer Rachegott erfüllen, als Henker, als Vollstrecker! Mo war zu weit gegangen. Viel zu weit! Das konnte Urako auch. Dave war nicht sein Mann, aber der Mann seines besten Freundes und Seelenbruders und somit Mitglied seines engsten Kreises, den er bewachte wie ein Schießhund. Und obendrein war Dave ein Geliebter, den er inzwischen langsam, aber sehr tief zu mögen begann. Er reichte Varmi die Flasche.
"Halt das mal", sagte Urako leicht lallend und ging davon.
Er ging in die Küche und bat Mauli heraus. Der vollgefressene Ghul folgte ihm unwillig und blickte sich suchend um, ob Mo bereits zurück war, doch der war nirgends zu sehen. Urako schaffte es, ihn dazu zu überreden, auf seinen Rücken zu klettern, um ihm den Friedhof zu zeigen. Stattdessen flog er ihn in die verlassene Scheune, wo er und Gasmi sich geliebt hatten. Berauscht und stinksauer und verzweifelt prügelte er den Ghul derart, dass dessen Gesicht eine einzige Ruine wurde. Er ließ all die Emotionen raus, die sich innerhalb des Gesprächs angestaut hatten und Mauli war sein Opfer. Nase und Jochbeine waren mehrfach gebrochen und die meisten Zähne fehlten. Das ganze Antlitz war völlig deformiert. So sperrte Urako ihn in das Joch, das noch immer an der Wand hing und befestigte dies mit einem seiner Fußlappen an der Halterung. Schlaff wie eine Marionette hing Mauli herunter. Dann flog er zurück zu Varmi und Dave, mit nur einem Fußlappen.
Mauli war nun seine Geißel und er würde ihn so lange quälen und hungern und faulen lassen, bis Mo das tat, was er von ihm verlangen würde, sobald der Kerl zurück war.
"Also, äh, um Dave zu informieren ..." Urako musste erstmal überlegen, welches von den vielen wichtigen Themen er nun eigentlich erklären sollte. Das mit den Kindern? Dass er sich um Dave kümmern sollte nach Varmis Ableben? Dass er dem Kind einen Namen geben sollte? Hilfsuchend blickte er rüber zu Varmi. Keinesfalls wollte er den Tag noch mehr verderben, indem er jetzt das Falsche zur Sprache brach. Nebenbei knetete er seine schmerzenden Finger, die zu dicken rosa Würsten geschwollen waren.