Buch 1 Hohenfelde -- Kaptitel 01 - Der Hexenmeister

  • Linhard schüttelte kaum merklich in einer hilflosen Geste den Kopf.


    "Ach Brand, ich verkrafte die Information nicht erstaunlich gut. Um das Verkraften mache ich mir noch gar keine Gedanken. Ich habe keine Ahnung wie ich reagieren soll. Selbstverständlich habe ich gehört und erfasst was Dunwin mir erklärt hat, aber das tatsächliche Begreifen steht noch aus.


    Ich fühle mich wie betäubt und vor den Kopf geschlagen. Und ich habe Angst über die Information zu lange nachzudenken, weil dann... ja was dann? Ich weiß nicht einmal das.


    Mir kommt es so vor, als hat Dunwin über einen Fremden gesprochen, jemanden den ich hassen müsste. Aber in mir ist kein Hass, nicht einmal Wut Brandur. In mir ist nur Kälte, Leere und Angst.


    Angst davor zu versagen und all das zu verlieren, was ich gerade erst gewonnen habe zum ersten Mal im Leben.


    Deine Worte zweifele ich nicht an, Du sprichst die Wahrheit, wer ist Ansgar als ein weiterer Vater, der seinen Sohn nicht lieben kann, weil ihm die Gabe fehlt? Auch darauf habe ich keine Antwort, hätte ich sie gefunden, hätte dies aber für mich nichts geändert. Ich wäre trotzdem geblieben wer ich war, der Sohn ohne Gabe.


    Nein ich habe Dunwins Leiche nicht gesehen Brand, wie so vieles andere vorher ebenso wenig.
    Und auch da gleiche ich wohl meinem Großvater. Uns fehlt nicht nur die Gabe, wir laufen auch scheinbar mit Scheuklappen durch die Welt. Nur jeder lebte es anders aus. Er in Wut und ich in Hoffnungslosigkeit.


    Ebenso kann ich Dir die Frage nicht beantworten, ob Ansgar so weit gegangen wäre, mich jemanden zum Fraße vorzuwerfen. Das vermutlich nicht, nein.


    Auf der anderen Seite kann ich Dir sagen, als wir uns gegenüberstanden war er bereit mich zu töten. Das weiß ich, ich sah es in seinen Augen. Den gleichen Blick sah ich in seinen Augen, als er andere tötete. Und den Blick sah ich auch in den Augen von Männern wie Frauen, die bereit waren mich zu töten und durch meine Klinge fielen.


    In dem Moment war ich nicht mehr sein Sohn, ich war nur eines - sein Feind.
    Der Feind der seine Frau und sein Kind bedroht und ausgemerzt werden muss.
    Aber vielleicht war ich das für ihn schon immer.


    Wir wissen schließlich die Maske zu tragen und das Spiel zu spielen, nicht wahr?
    Und Vater spielt das Spiel schon wesentlich länger als ich.


    Ob Dunwin seinen Söhnen etwas schuldet? Keine Ahnung Brand, nach Deiner These schulden wir uns alle nichts und ich glaube das wäre auch besser so. Vielleicht sollten wir aufhören uns einander etwas vorzurechnen. Vielleicht sollten wir anfangen etwas zur Sprache zu bringen, wo wir doch bereits lernen zu schweigen, wo andere das Sprechen erst lernen.


    Nun Ihr beiden wart offen und ehrlich zu mir, was ich von anderen nicht behaupten kann. Zwar wurde ich nicht belogen, aber ist Verschweigen nicht auch eine Form von Lüge? Genauso wie Nichtbeachtung eine Strafe ist?


    Mein Weg hat mich noch nicht weit von Zuhause weggeführt, aber letztendlich wäre ich ihn wohl bis zum bitteren Ende alleine gegangen.


    Ich folge Dir nicht grundlos Brand, ebenso hat es einen Grund warum ich Dich mag. Du gibst den Weg vor und ich folge Dir, wohin Du auch gehen magst. Es ist mir gleichgültig. Für mich gibt es keinen Weg zurück, jedenfalls nicht in dieser Form.


    Ich hoffe Du hast Recht und ich schaffe es unseren Namen rein zu waschen und vor allem auch rein zu halten. Es ist nicht damit getan einige Familienmitglieder aus dem Weg zu räumen. Wir können sie nicht alle töten. Und ich möchte sie auch nicht alle töten. Einige bedeuten mir etwas. Wir müssen es schaffen einige davon zu überzeugen, von sich aus den dunklen Pfad zu verlassen und uns zu folgen", erklärte Linhard leise.


    Lin wusste die Geste von Brandur zu schätzen, als er seine Hand drückte, gleichgültig wie kurz die Geste war und wie sich die Hände von Brandur anfühlen. Er sagte nichts dazu, sondern schmunzelte heimlich in seine Decke hinein.


    "Zu Befehl, ich schlafe. Ich freue mich auf die Nachtburg. Schlaf gut Brand", gähnte Lin.


    Er wälzte sich noch einen Moment hin und her, bis er angenehm lag. Einige Minuten später war er eingeschlafen.

  • Marlo


    blieb die Spucke weg als sie aus den Höhlengang traten. Er hatte sich einen kleinen Talkessel vorgestellt, wo ein Haus rein gequetscht worden war. Aber das war fantastisch. Ein Tal mit Wasserfall und Bach. Mit einen Garten voller Blumen und Gemüse. Und sogar Bäume. Und alles geschützt von mächtigen Felsen. Der Ort war super zu verteidigen. Sollten Feinde durch den Tunnel kommen, ging das nur einzeln im Gänsemarsch und so würden die Feinde sterben.
    Das Wolf diesen Ort liebte war verständlich. Durch die Felsen fühlte sich Marlo nicht erdrückt sondern geschützt. Wie in eine steinerne Umarmung. Sein Blick fiel dabei auf Wolfram. Er schien sofort gute Laune zu haben. Kein Wunder, er war Zuhause. Und nun war das Tal ebenfalls das Zuhause von ihm. Marlo dachte über Wolfram nach. Er war nicht verheiratet und er hatte ihn eingeladen so lange zu bleiben wie er wollte. War das eine reine Einladung als Gast oder war das mehr?
    Marlo war kein Kostverächter und Wolfram war ein attraktiver Kerl. Die Verwandten schwatzten alles mögliche über Wolf und sein verrücktes Verhalten. Vermutlich stimmte nicht die Hälfte davon. Und falls doch, wurde die nächste Zeit ganz schön unterhaltsam. Wer wusste schon, was die Verwandten über ihn schwatzten. Marlo hätte zwar nie einen Kerl geheiratet wie Dave das getan hatte, aber er konnte einen hübschen Kerl mehr abgewinnen, als einer Frau. Dennoch würde er irgendwann eine passende Frau heiraten. Vermutlich, wenn er eine fand, die ihn nicht den letzten Nerv kostete. Aber nicht jetzt. Er war noch nicht bereit dazu. Wozu Wolf bereit war, wollte Marlo rausfinden. Das Tal war abgeschnitten von der Welt, vielleicht konnten sie hier den gröbsten Scheiss aussitzen.


    "Das Tal und dein Haus sind der Hammer Wolf. Abgeschottet und uneinnehmbar, dass Tal können wir beide allein halten. Vor allen wenn du eine Armbrust hast, oder besser noch zwei. Hier können wir alles aussitzen. Wir sind ein gutes Gespann und wenn sich Brandur uns noch anschliesst, kann uns kaum wer was. Ich nehm das Angebot an und bleibe. Mein Besuch wäre mit offenen Ende. Mindestens bis ich mit Dave reden konnte, falls das noch drin ist.
    Falls Dave mir einen Job gibt, könnte ich ihn für euch aushorchen. Er ist nicht dämlich, da müsste ich vorsichtig vorgehen. Und ich bräuchte einen guten Grund dafür Wolf. Warum soll ich meinen Kopf riskieren in eine Gilde voller Assassinen für dich und Brandur, wo ich einer von ihnen sein kann? Nur für den Familienfrieden? Gehts dir nur darum? Bist du sicher? Wenn das so ist, das das ein gutes Ziel, aber was haben wir zwei davon? Sind wir nicht sowieso immer aussen vor gewesen? Also gib mir einen Grund für euch beide zu kämpfen. Dave ist nicht so leicht auszuhorchen. Seine Familie ist der Kopf der Sippenschlange und seine Familie sind alle durchweg Assassinen. Ob die das leben oder nicht. Und wo er lebt, ist jeder einer. Ein falsches Wort oder eine falsche Bewegung und ich bin tot. Für was Wolf? Meine Waffe gehört dir Wolf, aber ich stürze mich nicht blindlings in eine Schlangengrube. Überleg dein Plan nochmal und lass uns später darüber reden."


    Die beiden Diener von Wolfram kamen und begrüssten sie. Beaunois nahm die Pferde und sollte Badewasser zubereiten. Margot wollte Kaffee aufsetzen und was kochen. Marlo war hungrig, er freute sich auf was zu essen.


    "Ich werd mir deine Worte merken Wolf. Viel Spass im Wasser."


    Wolfram klopfte ihn auf die Schulter und ging ins Haus. Marlo schaute hinterher und folgte Margot ins Haus. Das Haus war drinnen eng. Wie für eine Person zugeschnitten. Alles war auf kleinen Raum zusammengestellt aber es sah alles sauber und ordentlich aus. Sogar der Esstisch war für zwei Personen. Wolfram bekam vermutlich nicht oft Besuch. Aber wenn er den wollte, hätte er nicht dieses schräge und doch so geniale Grundstück gewählt. Wobei Wolf ein Ausgestossener war, dass wusste Marlo. Seine Familie und die ganze Sippschaft hielt ihn für verrückt. Drum war er schon lange fortgegangen. Marlo spazierte durch das Haus und schaute sich alles an. Überall waren Wolfs Zeichnungen und seine Pflanzen. Das in so ein kleines Haus soviel Pflanzen passten. Er ging an den kleinen Kamin vorbei der eine Kochstelle war. Sogar hier war alles genutzt. Jeder kleine Platz. Gerade durch ging es zu Wolfs Schlafzimmer. Gross war es nicht, aber ins Bett konnten zwei passen. Marlo grinste und hockte sich mal drauf. Es war gut gepolstert und gemütlich. Vielleicht würde doch alles anders laufen, als er dachte. Marlo hätte nach einen Blick ins Innere gewusst wem das Haus gehört. Es war liebevoll eingerichtet, er fühlte sich wohl. Marlo streckte sich auf Wolfs Bett aus.

  • Dave suchte mental nach den Farben von Brandur. Es dauerte eine Weile, aber dann hatte er sie gefunden. Die Farben Brandurs wurden von den Farben von Linhard und von Dunwin begleitet.


    Dunwins Farben waren die Bestätigung für Dave, dass der Begleiter tatsächlich Brandur war.


    Die Farben seines Peinigers erkannte Dave jederzeit, sie waren für ihn wie eine lodernde Flamme des Abgrunds. Dave schob seinen Hass aber vor allem seine Angst zur Seite.


    Er war froh darum, dass Brandur schlief, so konnte er ihm die Botschaft übermitteln, ohne mit ihm tatsächlich in Kontakt treten zu müssen. Auf eine Diskussion wollte sich Dave nicht einlassen und er wollte den Dunstkreis von Dunwins Farben schnellstmöglich wieder verlassen, auch wenn sie nur ein Beigeschmack von Brandurs Farben waren.


    Immerhin hatte dieser seinen Bruder beschworen und diese Seele an sich gebunden.



    'Eine Nachricht für Linhard von seiner Mutter!
    Ansgar wünscht Deinen Tod Linhard, hüte Dich vor ihm.


    Das ist die einzige Warnung die ich übermittele.
    Das letzte Geschenk dass Dir Deine Mutter erweisen kann.
    Das meine ebenso.


    Leb wohl Neffe', übermittelte Dave Brandur im Traum.



    Danach brach er die Verbindung sofort ab und kehrte in die Physis zurück.

  • Der knöcherne Drache flog seine schlafende Fracht weiter durch die Nacht. Brandur und Linhard schliefen in seinem Inneren. Was zeigte mehr Vertrauen zu ihm, als in seiner Nähe zu schlafen? Als ihm ihre Leben anzuvertrauen?


    Linhard kannte ihm nur vom Sehen und vermutlich von den Geschichten, die man sich in der Familie über Dunwin erzählte. Und Brandur kannte Dun so gut, dass er ihm eigentlich nicht vertrauen durfte.


    Und doch konnten sie ihm mehr vertrauen als sie es je für möglich halten würden. Dunwin hatte fest vor es diesmal besser zu machen. Lin war seine zweite Chance die ihm Brandur gewährte.


    Als die Nachtburg in Sicht kam, fühlte Dunwin Erleichterung in sich aufsteigen. Sie hatten endlich ihr Ziel erreicht und konnten ein neues Leben beginnen. Nun er nicht aber er konnte Lin und Brandur nach besten Wissen unterstützen.


    Dunwin landete im Hof der Burg so sanft wie möglich.


    "Bruder...
    Linhard...
    Wir sind da...
    Wir sind Zuhause",
    sagte Dunwin.

  • Brandur war aus Gewohnheit sofort hellwach, als Dunwin sie weckte. Der Drache war zur Ruhe gekommen und durch den Brustkorb sah der Hexenmeister die vertrauten Mauern. Sie befanden sich in der Mitte des verwilderten Burghofes in der Nähe des Brunnens. Hinter den Zinnen der Wehrmauer ging die Sonne auf und färbte den Horizont großflächig rosa.


    Brandur erhob sich mühsam, indem er sich an dem großen Skelett abstützte und humpelte steifbeinig zur Burgmauer. Beiläufig kappte er die Verbindung zwischen Dunwins Geist und den Knochen, so dass sein Bruder frei umherschweben konnte, wie es ihm beliebte. Doch behielt Brandur die persönliche Verbindung zwischen ihnen beiden aufrecht, so dass er nicht zurück in den Nexus gleiten konnte.


    "Danke für den Herflug, Dunwin. Kommt her ihr beiden und seht euch das an."


    Einladend klopfte er auf die Zinne neben sich, damit Linhard und Dunwin zu ihm an die Mauer traten, die unten in einen steil abfallenden Felshang überging. Die Nachtburg zeigte sich in ihrer ganzen finsteren Schönheit. Das dunkle Gestein schimmerte feucht im Morgentau. Die leerstehenden Häuser ragten gespenstisch aus dem morgendlichen Dunst. Alkena erstreckte sich dahinter als Nebelmeer bis zum Horizont. Über der gesamten Welt schien schweigen zu liegen, nicht einmal die Vögel sangen, obwohl es ihrer viele gab, dank der Nähe des Sumpfes, in dem sie reichlich Nahrung fanden. Jetzt war von ihnen nichts zu spüren.


    Nur die bittere Botschaft in seinem Kopf lag da wie ein Stein. Er betrachtete aus den Augenwinkeln Linhard. Brandur stützte sich mit den Unterarmen auf die Zinne und sprach mental mit Dunwin, anstatt sich an seinen Neffen zu wenden.


    'Ich habe im Traum eine Warnung erhalten. Linhard soll sterben. Wer uns warnte, spielt keine Rolle und wer ihn tot sehen will, kannst du dir sicher denken. Es ist wichtig, dass du und ich uns diese Warnung zu Herzen nehmen. Linhard soll noch nicht erfahren, dass er gejagt wird. Erst zu gegebener Zeit. Vielleicht dann, wenn er Hoffnung auf eine friedliche Aussöhnung mit seinem sogenannten Vater schöpft oder andere Dummheiten begehen will. Ich bitte dich, ihm dies in so einem Fall mitzuteilen, sollte ich selbst nicht anwesend sein. Bis dahin aber, schweig bitte. Ich möchte nicht, dass sein Herz unnötig dunkel wird. Es gibt schon zu viele Hohenfeldes mit einem schwarzen Herzen.'


    Brandur betrachtete die einsame Schönheit, die unter ihnen lag. Langsam krochen die rosa beschienenen Nebel dahin, wie auf Grund gelaufene Wolken. Die Nachtburg ragte mit unsichtbarem Sockel daraus hervor, als würde sie schweben.


    "Wir haben ein Wolkenschloss", sprach er und lächelte dünn. "Das konnte noch kein von Hohenfelde von sich behaupten." Er streckte den Arm aus. "Dort liegt Alkena und dort Rakshanistan. In dieser Richtung, auf dem Bergkamm dort in der Ferne, befindet sich die Zwergenfestung Dunkelbruch, die zur Zeit einer Belagerung standhalten muss. Und hinter uns, weit über den Roten Bergen, Naridien."


    Brandurs Lächeln wurde breiter, bis es ein ehrliches Lächeln war. Er war erschöpft und ihm tat alles weh, aber er fühlte sich zum ersten Mal seit 14 Jahren glücklich.

  • Die Stimme von Brandur weckte Linhard. Sie waren in der Nachtburg angekommen und Brandur rief Dunwin und Lin zu sich. Linhard schälte sich aus dem Skelett des Drachen und folgte Dunwin zu Brandur auf die Zinnen der Burg.


    Die klamme Dunkelheit der Nacht wurde gerade von den ersten Sonnenstrahlen vertrieben. Seite an Seite standen sie dort und schauten gemeinsam zu, wie ein neuer Morgen über das Land und in ihre Leben einzog.


    Lin verschränkte die Arme vor Brust und schmunzelte. Selten hatte er jemals so etwas Erhabenes und Schönes gesehen.


    "Manche Luftschlösser kann man doch beziehen", flüsterte Linhard glücklich.

  • Dunwin folgte dem Ruf seines Bruders. Kurz glühte das Skelett des Drachen auf und ähnlich den Nebelschwaden unten im Tal zog ein hauchdünner, blassblauer Geisternebel über die Knochen des Drachen hinweg, ehe sich Dunwin wieder in seiner Geistergestalt materialisierte.


    Er trat an die Seite seines Bruder und folgte dessen Blick in das Tal. Linhard folgte ihm kurze Zeit später.


    "Keine Ursache, ich habe zu danken Bruder...
    Für diesen Körper und für weitaus mehr....
    Du wirst lachen, aber ich habe mich zu Lebzeiten selten so lebendig gefühlt wie heute...",
    sagte Dun freundlich.


    Seine Miene zeigte, dass er ebenso glücklich wie Brandur und Linhard war.


    "Die tote Stadt... tatsächlich nur noch ein Gerippe...
    Höre nur... man hört nichts...
    Wisst Ihr wie man diesen besonderen Moment der Stille nennt?
    Die blaue Stunde...
    Sie ist jener erhabene Moment... wo die Tiere der Nacht anfangen zu schweigen...
    ... und die des Tages noch nicht ihre Stimmen erheben...",
    flüsterte Dunwin.


    Der Geist schwieg eine Weile. Er genoss den Moment.
    Brandur riss Dunwin mit seiner mentalen Botschaft aus seinen Gedanken.


    Trotz das er ein Geistwesen war, war Dunwin immer noch Hohenfelde genug, dass man seinem geisterhaften Anlitz nicht ansah, das er gerade eine Botschaft erhielt und um was für eine Botschaft es sich dabei handelte. Und genau daraum hatte ihn sein Bruder gebeten, zu schweigen in jeglicher Art.


    `Ich werde schweigen, ganz so wie Du es verlangst Bruder...
    Und ich werde unser Mündel warnen, solltest Du nicht mehr in der Lage sein...
    Es gibt nur eine Person, die Linhard tatsächlich tot sehen möchte...
    Ansgar...
    Nicht nur Linhard sah es in seinen Augen als sie sich gegenüberstanden...
    Ich sah es ebenso Brandur... er war bereit Lin zu töten...
    Aus Hass... aus Verzweiflung... und aus Angst...
    Wer warnte uns Bruder?
    Das möchte ich gerne erfahren...
    Viele kommen nicht in Betracht...
    Anwolf... Dave... Veyd... wer von ihnen war es?´,
    fragte Dunwin gedanklich.


    "Wohl gesprochen mein Bruder...
    Kein Hohenfelde konnte je von sich behaupten ein Wolkenschloss zu besitzen...
    Oder mit zwei Verwandten einmütig auf den Zinnen einer Burg zu stehen und ehrlichen Herzens zu lächen... nicht wahr?",
    gab Dunwin freundlich zurück.

  • "Das wird dein Schloss über den Wolken, Linhard. Das Schloss und auch die Ländereien, die du von hier aus siehst. De facto gehören sie einem anderen, doch erhebt seit Jahren niemand mehr festen Anspruch darauf. Es ist eine Geisterstadt. Wir können hier schalten und walten, wie es uns beliebt. Die Rakshaner glauben, ich wäre der Herr dieses Landstriches, der hier allein ausharrt, während seine Untergebenen geflohen sind und bringen mir für ihre Verhältnisse viel Respekt entgegen. Sie kommunizieren über Diplomaten mit mir und versuchen, über dies und jenes zu verhandeln. Meist betrifft das den Umgang mit den Leichen von der Front, wie viele mir zustehen, um für das Chaos Rüstungen und Waffen herzustellen. Sie ahnen, dass ich etwas großzügig rechne, da ich auch Material für meine privaten Projekte benötige, wie den Wyvern. Das passt ihnen gar nicht, da sie lieber Ghule daraus machen würden, um sie im Krieg zu verwenden."


    Brandur genoss es, wie glücklich Linhard und Dunwin waren, als sie ihn in seiner Nachtburg besuchten. Er hätte nie geglaubt, jemals Gäste aus der Familie hier zu empfangen und dass diese sich obendrein so darüber freuten, mit ihm hier sein zu dürfen.


    "Die Blaue Stunde ... das klingt poetisch. Es gefällt mir, Bruder. Ich wusste nicht, dass du eine poetische Ader hast. Du hast sie gut geheim gehalten."


    Er wandte sich noch einmal mental an Dunwin.


    'Es ist nicht wichtig, wer uns warnte. Wir haben keine Freunde. Linhard hat keine Freunde. Denn keiner von jenen, die uns die Warnung zukommen ließen, wird uns je darüber hinaus helfen, dass hat man mir deutlich zu verstehen gegeben. Sie alle sind unsere Feinde, Dunwin, jeder Einzelne von ihnen. Die einzigen, von denen wir vielleicht, aber nur vielleicht, Hilfe erwarten könnten, sind mein Leibdiener, Wolfram, Marlo und mein Schwager Massimo. Und keiner von ihnen war es, der uns warnte. Gehen wir also davon aus, dass wir allein sind, Bruder, so wie wir es immer waren. Nur, dass wir diesmal zu dritt allein stehen gegen den Rest der Welt. Das ist doch ein Fortschritt, möchte ich meinen.'


    Er lächelte immer noch. Dann sprach er laut:


    "Es gab eine Zeit, da war es denkbar, zu Dritt als Familie ehrlichen Herzens Freude zu zeigen, sie liegt ein halbes Jahrhundert zurück. Erinnerst du dich, Dunwin? Ich erinnere mich nur noch vage, die Gegenwart hat viel von den Erinnerungen ausgelöscht. Vielleicht werde ich auch vergesslich im Alter. Darum habe ich mir einige Gedächtnisstützen angefertigt. Folgt mir und ich zeige euch die Nachtburg und am Ende ein Geheimnis, von dem niemand außer euch beiden und Kasimir erfahren soll."


    Er ging voran und begann mit der Außenanlage, dem wunderschönen verwilderten Innenhof und Burggarten. Überall lag feuchtes Laub und die Wiesen standen hüfthoch und voller Wildblumen, deren Blüten noch geschlossen waren. Die Nachtburg war groß genug, als dass man eine Stunde zu Fuß brauchte, um sie, wenn man innen an der Mauer entlang ging, einmal zu umrunden. Aller fünfundzwanzig Meter standen mechanische Geschütze, mit Laub und Spinnweben bedeckt. Zwischen den aus Naturstein gemauerten Gebäuden gab es ausreichend Platz für Pflanzen. Dies war möglich, weil ein großer Teil der Wohnanlage sich unterirdisch darunter befand, die Fenster in Richtung Land gerichtet, und man auf ihrem begrünten Dächern herumspazierte, ohne es zu merken. Auch einige wilde Enten spazierten herum und schwammen in einem Regenwasserbecken, wo sie sich von Teichlinsen und Entengrütze ernährten.


    "Hier baut Kasimir Obst und Gemüse für mich an. Er hat von den Pflanzen genommen, was noch vorhanden war und sie durch Stecklinge und Samen vermehrt. Es sieht alles etwas wild aus, weil Kasimir nicht hinterherkommt mit der Arbeit, aber es schmeckt. Wir haben hier um diese Jahreszeit Topinambur, Kürbisse, Äpfel, Birnen, Haselnüsse und Walnüsse und noch einige Himbeeren und Brombeeren. Bedient euch ruhig, wenn ihr Hunger habt, Kasimir kann uns heute leider kein Frühstück zubereiten. Mit Entenbraten kann ich daher leider nicht dienen."


    Er pflückte sich einen Apfel und verzehrte ihn im stehen.

  • Dunwin folgte seinem Bruder und schaute sich in der Burg um. Mit so einer Unterkunft hatte er nicht gerechnet. Aber sie gefiel im außerordentlich gut. Als Brandur von seiner poethischen Ader sprach, musste Dunwin schmunzeln.


    "Meine poethische Ader habe ich nicht versteckt Bruder...
    Nur nutzte ich anstatt einer Schreibfeder einen Degen...


    Aber so etwas Schöngeistiges wie die Blaue Stunde....
    ...wusste auch ich zu schätzen in einer stillen Stunde...",
    antwortete Dun.


    "Die Rakshaner... nun mit uns an Deiner Seite werden sie Deine Macht nicht anzweifeln Bruder...
    Der knöcherne Drache ist ein Meisterwerk...
    Es hat Spaß gemacht ihn zu nutzen...
    Zu fliegen... persönlich zu fliegen... ist... unvergleichlich...",
    grinste Dunwin.


    "Sicher erinnere ich mich an unsere Kindheit Bruder...
    Manchmal waren es nur diese Erinnerungen...
    die mir sagten einst gab es auch eine schöne Zeit...
    längst vergangen, verstaubt und begraben... aber es gab sie...
    Jene Gedanken hielten mich davon ab... völlig wahnsinnig zu werden...
    So viele Personen um einen herum...
    Und dennoch war unsereins einsamer als auf einem Berggipfel...


    Genau jene Erinnerungen und Gedanken werden wir uns zum Vorbild nehmen Brandur...
    Gute Gedanken...
    Reine Gedanken... vielleicht gewürzt mit einem Augenzwinkern... und etwas Ironie...",
    sinnierte Dun gut gelaunt.


    "Auf Deine Gedächtnisstütze bin ich gespannt Bruder...
    Wir werden schweigen, was diese Stütze anbelangt...
    Wir sind eine verschworene Gemeinschaft...",
    antwortete der Geist.


    Als Brandur erläuterte was alles auf der Burg wuchs und wie sehr sich Kasimir bemühte, hörte Dunwin aufmerksam zu.


    "Hunger Bruder?...
    Du bedienst Dich gleich dem Augenzwinkern hm?
    Geh voran und wir folgen...",
    lachte Dunwin.

  • Marlo

    fuhr hoch, rieb seine Augen und schaute sich um. Er musste nachdenken wo er war. Marlo war bei Wolfram Zuhause und hatte es sich bequem gemacht. Er gähnte, stand auf und ging durch das Haus. Es roch lecker nach was zu essen und nach Kaffee. Marlo fiel ein, dass Wolf drausen im Zuber war. Leise ging er hinten aus dem Haus. Wolfram lag im warmen Zuber und schlief. Marlo grinste heimlich. Er schlich auf Wolf zu und gönnte sich kurz einen Blick auf ihn. Wolfram sah wirklich gut aus, warum er keine Frau oder keinen Mann an der Seite hatte, verstand Marlo nicht. Nur sein sonderbares Verhalten konnte nicht schuld sein. Für andere verhielt er sich genauso verrückt. Vielleicht war er schüchtern, aber dazu gabs keinen Grund, bei dem was Marlo sah. Marlo strich Wolf einmal über die Haare und tauchte ihn dann im Zuber unter. Einen Moment später zog er ihn wieder hoch, da er ihn nicht angreifen, sondern ärgern wollte.

    „Na bist du nun wach? Ich hab auf dich gewartet und bin dabei eingeschlafen. Lust auf Besuch Wolf?“

    Marlo verkniff sich ein Grinsen.

  • Von dem lauten Geplätscher wurde Kasimir geweckt, der noch immer in der Manteltasche von Wolfram schlief. Erschrocken fuhr er hoch, sein zerzauster Fledermauskopf schnellte aus der Tasche. Zum Glück war es nach wie vor Nacht. Was er sah, war entsetzlich! Der freundliche Herr wurde von dem anderen mit beiden Händen untergetaucht!


    Kasimir flog durch die Luft wie ein winziger Bomber, krallte mit den Füßchen eine Seife und ließ sie dann im Sturzflug auf Marlos Kopf fallen, von dem sie mit einem Plock! abprallte.


    "Unerhört!", ereiferte er sich. Er krallte mit seinen Füßchen Marlos Haare und zog sie mit wildem Flattern lang, bis es ziepste."Hat man im Hause von Falkenberg denn keine Manieren?" Während er an Marlos Haarpracht zerrte und einzelne Haare sich bereits aus der Kopfhaut lösten, betrachtete er unglücklich den armen, freundlichen, bedauernswerten, untergetauchten Wolfram. Erst legte dieser ungehobelte Kerl sich in sein Bett, so dass er in der Wanne nächtigen musste und dann tunkte er ihn im Schlaf unter Wasser!


    "Geht es Euch gut, Herr? Soll ich den Medicus rufen?", fragte er besorgt. Er ließ die Haarsträhnen los und landete auf Marlos Kopf, wo er begann, zu randalieren und ihm alle Haare zu verfitzen, um ihn von der Wanne zu verjagen.

  • Wolfram war gerade in der herrlich heißen Wanne eingedöst, als er spürte wie ihm jemand über den Kopf strich und keine Sekunde später unter Wasser drückte! Gerade als er ansetzte sich zu verteidigen und seinen Widersacher notfalls über die Schulter und in den Zuber zu werfen, wurde er wieder aus dem Wasser gezogen.


    Prustend schnappte er nach Luft, während Marlo ihn angriste und fragte, ob er Lust auf einen Besuch hätte. Wolfram blinzelte sich das Wasser aus den Augen. Just in dem Augenblick wurde Marlo mit einer Seife bombardiert, der kleine vampirische Pelzball stürzte sich auf Marlo und schimpfte dabei wie ein Rohrspatz.


    Bei Kasimirs Auftritt konnte sich Wolfram ein Grinsen nicht verkneifen. Warum Brandur ihn dermaßen als Leibdiener schätze, war klar. Kasimir war treu, zuverlässig und sehr loyal. Und selbst in einer so winzigen Gestalt, war er immer noch bereit seinen Herrn oder Gastgeber zu verteidigen.


    Wolf packte Marlo blitzartig an der Kehle und drückte so fest zu, dass Marlo begriff dass hier der Spaß zu Ende war. Vorsichtig geradezu behutsam pflückte Wolfram mit der anderen Hand Kasimir aus Marlos Haare und setzte ihn sich auf die Schulter. Er starrte Marlo noch einen langen Augenblick in die Augen, ehe er ihn losließ.


    "Danke der Nachfrage Kasimir, mir geht es gut, ich benötige keinen Medicus. Und vielen Dank für Deinen Beistand. Marlo scheint seine gute Kinderstube vergessen zu haben", antwortete Wolf der kleinen Fledermaus.


    "Und nun zu Dir Marlo. Bist Du verrückt mich so zu erschrecken? Was soll der Unsinn? Ich bin Schabernack nicht abgeneigt, aber sowas verkneift Dir! Zumal was hast Du hier zu suchen, wenn ich bade?


    Die nächste Frage, was hast Du in meinem Bett zu suchen? Ich habe Dir gesagt, dass Du Dir Bettzeug von Margot geben lassen sollst. Du bist mein Gast, aber ich schlafe für Dich garantiert nicht auf Bettzeug.


    Und was soll die Frage mit dem Besuch? Erkläre Dich! Das ist mein Haus, ob und wen ich als Besuch empfange bestimme immer noch ich und nicht Du. Und nun geh zurück ins Haus, ich möchte mich abtrocknen und anziehen. Zudem essen wir gleich. Ich erwarte von Dir zu Tisch eine vernünftige Antwort. Wobei ich stark bezweifele, dass Du mir diese geben wirst", murrte Wolfram.


    Behutsam setzte der Kampfmagier Kasimir auf den Zuberrand. Er hockte sich noch einmal ins heiße Wasser, tauchte ganz unter um sich den Schreck und den Ärger von der Seele zu waschen und tauchte wieder auf. Wolf wusch sich ab, strich mit einem nassen Finger behutsam Kasimir über den kleinen Kopf und stieg aus der Wanne.


    Wolfram wrang seine Haare aus, band sie zusammen und wickelte sich in ein großes Handtuch. Er trocknete sich kurz ab und zog sich bequeme Hauskleidung an, bevor er Kasimir behutsam vom Zuberrand pflückte und sich erneut auf die Schulter setzte. Müde, sauber und einigermaßen beruhigt marschierte er zurück ins Haus.


    "Was manche Leute für witzig halten, wir sind die einzigen normalen Personen Kasimir. Nun weiß ich warum Brandur Dich so sehr schätzt. Falls Du jemals frei sein solltest, sprich keinen Job mehr hast und Brandur Dich nun sagen wir mal nicht mehr benötigt, ich stelle Dich ein.


    Bei mir hast Du vielleicht nicht so viel zu tun, aber Du bist ein erstklassiger Gesellschafter und eine wahre treue loyale Seele. Danke für Deinen Beistand Kasimir, ich schulde Dir was.


    Ich vermute Marlo meinte das nicht mal böse, aber der Mann hat einen Humor, nicht zu fassen. Na ich hoffe er ist gleich wieder vernünftig, so dass wir alle in Ruhe essen können. Was machen wir mit Dir Kasi? Bist Du noch satt?", erkundigte sich Wolfram.


    Wolf begab sich in die kleine Küche, wo Margot am Zweiertisch bereits zwei gefüllte, dampfende Eintopfschalen samt Kaffeebecher bereitgestellt hatte.


    "Das sieht gut aus", freute sich Wolfram.


    Er nahm Platz, setzte Kasimir neben seinem Teller ab und ließ es sich gut gelaunt schmecken.

  • Marlo


    wartete etwas, dann ging er Wolfram hinterher. Im Haus setzte er sich an den kleinen Tisch Wolfram gegenüber. Er schaute ihn genau an, aber dann senkte er den Blick als Zeichen, dass er Wolf nicht verärgern wollte.


    "Das mit dem Untertauchen war ein blöder Scherz und tut mir leid Wolf. Eine Erklärung wolltest du und du bekommst sie. Ich wollte mir dein Bett nicht unter den Nagel reissen, ich wollte es mit dir teilen. Das hast du falsch verstanden vorhin. Die Frage mit dem Besuch hast du genauso falsch verstanden. Ich wollte hier kein fremdes Pack einladen. Ich wollte von dir wissen, ob ich bei dir im Bett willkommen bin. Möchtest du Besuch von mir? Wir können offen darüber reden, du bist allein, genau wie ich. Warum bist du alleine? Dafür gibts keinen Grund Wolf, du siehst gut aus, bist nett, hast was drauf und hast sogar Geld. Warum bist du solo? Sag nicht wegen deinen Verhalten. Daran hab ich schon gedacht. Die Verwandten sagen du bist verrückt. Die schwatzen viel Dreck wenn der Tag lang ist. Und die reden genauso einen Scheiss über mich. Ich mag dich und eine Frage ist nicht verwerflich. Was sagst du?."


    Marlo kämmte mit seinen Fingern seine Haare ordentlich. Die kleine weisse Fledermaus sass auf dem Tisch. Marlo hoffte, dass Kasimir nicht wieder meinte Wolf verteidigen zu müssen und ihm nachher noch die glühende Suppe in den Schritt kippte.

  • Wolfram erwiderte den Blick von Marlo, bis dieser seinen Blick senkte. Er bekam seine Erklärung, womit er eigentlich nicht gerechnet hatte. Aber die Erklärung lief in eine ganz andere Richtung, als Wolfram erwartet hatte.


    Wolfram leckte seinen Löffel ab und legte ihn neben seine Suppenschale auf die Serviette. Er musterte nun seinerseits Marlo lang. Er wusste nicht ob er einfach schroff reagieren sollte. Aber das war nicht seine Art. Allerdings war Marlo vermutlich ohne es überhaupt zu ahnen auf seinen wunden Punkt gestoßen.


    "Entschuldigung angenommen, allerdings wird so etwas nie wieder vorkommen.
    Eine offene Frage ist erlaubt. Dazu gehört eine offene Antwort und dass Du meine Antwort akzeptierst. Ich teile mit niemandem dass Bett Marlo. Weder mit Dir noch mit jemand anderem. Das habe ich nie und das werde ich nie. Diese Form der Zuneigung, Lust oder Befriedigung lebe ich nicht und vollziehe ich nicht.


    Meine Familie hält nicht sehr viel von mir. Und ich halte ebenso wenig von ihnen. Unsere Auffassung von einem guten Leben sind zu unterschiedlich.


    Ich verrate Dir etwas, da Du trotz der Dreistigkeit sehr nett über mich gesprochen hast. Falls Du Dich über mein Bekenntnis lustig machen solltest, wirst Du dieses Haus und diesen Ort sofort für immer verlassen.


    Warum ich keine Frau oder keinen Partner habe hat nichts mit meiner Familie zu tun, sondern mit mir. Ich war als Kind oft krank... ich kann nicht... bei mir funktioniert es da unten nicht. Warum das so ist, entzieht sich meiner Kenntnis. Ich kann niemandem geben, was sich jede normale Person in einer Partnerschaft wünscht. Aus dem Grund habe ich keine.


    Ich suche auch keinen Heiler auf, ich habe genug Heiler für zehn weitere Leben in diesem hier gesehen. Ich möchte einfach nur in Frieden mein Leben leben Marlo", erklärte Wolfram ruhig und sachte.


    Er überlegte einen Moment, fügte aber dann nichts weiter seiner Erklärung hinzu, sondern nahm seinen Löffel wieder zur Hand und aß weiter.

  • Linhard folgte Brandur und hörte ihm genau zu. Dies hier sollte einst alles ihm gehören. Linhard wusste gar nicht wo ihm der Kopf stand. Er war froh, erleichtert und zeitgleich besorgt, ob er dem auch gewachsen war.


    Aber die Sorge schob er als unbegründet beiseite, Brandur hatte mehr Erfahrung als er. Da Brandur davon ausging, dass er das packen konnte, war dem sicher auch so. Immerhin hatte sein Großonkel nicht gesagt, dass dies schon morgen der Fall sein würde. Er hatte vor ihn gemeinsam mit Dunwin auszubilden.


    Als sie weitergingen und Brandur von Essen und Kasimirs Frühstück sprach, bekam Linhard ebenfalls Hunger. Ihm fiel nun auf, wie hungrig er eigentlich war. Linhard nahm sich eine Birne und aß sie genüsslich auf.


    "Entenbraten ist nicht nötig und zudem viel zu fettig. Falls ich für Euch kämpfen soll, muss ich ihn Form bleiben.


    Wir folgen Dir Brandur. Was für ein Geheimnis verbirgt die Nachtburg? Du kannst sicher sein, es ist wie Dunwin sagt. Wir werden schweigen", grinste Lin und wischte sich den Obstsaft vom Kinn.

  • Marlo


    legte seine Hand auf Wolframs und drückte sie.


    "Über sowas würde ich mich niemals lustig machen Wolf. In einer Beziehung geht es um mehr als um Sex. Und Sex selbst eine verdammt schöne Sache. Es tut mir leid für dich, dass du es nicht erfahren kannst. Jedenfalls nicht auf die Art wie ein Mann sonst Sex erfährt. Grösstenteils jedenfalls. Aber deshalb musst du nicht auf eine Partnerschaft verzichten. Es gibt andere Wege, wenn du es zulässt. Und wenn du es nicht zulässt, brauchst du doch genauso Nähe wie jeder andere von uns. Ich will dich zu nichts überreden oder von was überzeugen, was du sowieso nicht willst.
    Falls du es dir anders überlegst, zeige ich dir wie es nicht aktiver Part funktioniert. Sei über das Angebot nicht böse, denk drüber nach. Antworte wann immer du willst, aber nicht sofort. Du bist noch wütend auf mich und das Thema ist schwere Kost. Das ich dich bedrängt habe tut mir sehr leid Wolf. Ich hab doch nicht gewusst, was hinter deiner Art steckt. Woher auch, keiner trägt das auf der Zunge. Und das Geständnis muss dir sehr schwer gefallen sein. Du warst grosszügig, freundlich und hast mir das anvertraut. Danke dafür. Ich bin an deiner Seite, wie immer du das möchtest. Guten Hunger Wolf."


    Marlo nahm die Hand weg und lächelte Wolfram kurz an, obwohl er einen Kloss im Hals hatte.

  • Kasimir freute sich sehr über das Lob des Wolfram und verneigte sich vor ihm so elegant, wie er das als auf dem Tisch sitzende Fledermaus nur vermochte.


    "Nichts schuldet Ihr mir, es ist meine Pflicht, meine Freude und mir eine Ehre, meinem Herrn und bei Bedarf auch seinen Freunden dienen zu dürfen."


    Als der unhöfliche Gast eben jenem Freund seines Herrn ein eindeutiges Angebot unterbreitete und obendrein behauptete, dass eine solche Frage nicht verwerflich sei, klappte Kasmimir die winzige Kinnlade auf. In seinem Inneren kämpften der Diener, der sich fügsam und unaufdringlich zu verhalten hatte und der Mönch, dessen Aufgabe es war, vom Weg abgekommenen Individuen mittels Aufklärung die Rückkehr auf den rechten Pfad zu ermöglichen.


    Während Kasimir mit sich selber focht, erklärte Wolfram sich gegenüber seinem Gast in einer sehr persönlichen Sache. Kasimir schwieg höflich. Marlo aber quasselte weiter und aus der Sicht des ehemaligen Mönches machte er es mit dem zweiten Angebot nur noch schlimmer. Er revidierte seine Meinung. Dieser Mann da war nicht nur unhöflich, sondern sehr weit abgekommen! So gewann der Mönch den inneren Kampf, der Lichtreiter des Oril, der Kasimir lange Zeit aus tiefster Überzeugung gewesen war. Immerhin ging es hier um das Seelenheil des verirrten Marlo von Falkenberg und auch um das des freundlichen Herrn Wolfram.


    Die Fledermaus mischte sich also in das Gespräch der beiden Herren ein, um ihrer Aufgabe als Geistlichem nachzukommen. Sie spazierte über den Tisch, setzte sich neben Marlos Hand und nahm einen Finger zwischen ihre Pfötchen und tätschelte diesen behutsam.


    "Mein Sohn", sprach Kasimir freundlich. "Das Regularium des Infiniatus zu Ehe und Familie, Band 14, ebenso wie die Lebensweisheiten für den Weg des Lichts von Pater Calistus sprechen eindeutig davon, dass Geschlechtsakt und Ehe untrennbar aneinander gebunden sind wie Sonne und Himmel. Da Herr Wolfram bislang nicht den Bund der Ehe mit Euch vollzogen hat, ist die Sachlage doch eindeutig.


    Ihr habt ihm ein höchst unmoralisches Angebot unterbreitet, das keinesfalls gutgeheißen werden kann und ihn ihn Versuchung geführt, den dunklen Pfad des Malgorion zu beschreiten. Dem Heil des Astralkörpers ist das sehr abträglich und kann zum vollständigen Auflösen der seelischen Substanz führen! Wenn Herr Wolfram Euch tatsächlich etwas bedeutet, dann werdet Ihr ihn nicht weiter vom Pfad des Lichtes abzubringen versuchen.


    Zu Lebzeiten war ich bekannt als Frater Kasimir, Mönch, Geweihter des Mondtempels und Lichtreiter und kenne mich mit derlei Dingen daher sehr gut aus. Ich biete euch gern eine persönliche Unterredung, Herr von Falkenberg und empfehle euch bei Bedarf auch gern einem kompetenten Pater weiter."


    Noch immer lächelte die Fledermaus freundlich, jedoch konnte sie sich nicht verkneifen, einen Blick auf die Adern zu werfen, welche über den Handrücken des Marlo verliefen.

  • Wolfram legte erneut seinen Löffel beiseite und musterte sein Gegenüber, während Marlo seine Hand drückte. Wolfram wusste das es der andere gut mit ihm meinte, vermutlich auch mit sich selbst, aber das störte Wolfram nicht. Bevor er das Wort ergriff, war schon Kasimir zur Stelle.


    "Über Eure Worte werde ich nachdenken Marlo und Kasimir. Das Ehe und Sexualität nach Infiniatus untrennbar miteinander verbunden sind, hat etwas Romantisches. Aber ich habe nicht vor irgend eine Form von Sexualität einzugehen, rein zur Befriedigung.


    Denkst Du, ich habe nicht über meine Situation nachgedacht Marlo? Selbstverständlich habe ich das und dies weitaus länger und gründlicher aus Du vermutest. Deine Sorge ehrt Dich, aber sie ist nicht angebracht. Es ist durchaus möglich, dass es für mich eine andere Art zu leben gäbe. Eine Lebensart, in der ich eine Partnerschaft führen könnte und ein Liebesleben hätte. Wie lange?


    Was glaubst Du wie lange würde diese doch sehr einseitige Partnerschaft halten? Eine Woche, ein Monat, vielleicht sogar ein Jahr? Und dann?


    Dann ist es vorbei. Du wärst meiner überdrüssig. Du gehst Deiner Wege und findest jemand neues. Und ich?


    Ich werde dann so leben wie bisher, nur mit dem einen Unterschied, dass ich weiß was ich verloren habe und aller Voraussicht nie wieder erhalten werde. Wofür soll ich mir das antun? Ich bin zufrieden und glücklich, ich habe nicht vor daran etwas zu ändern Marlo.


    Versuche nie etwas zu besitzen, dessen Verlust Du Dir nicht leisten kannst.


    Ich könnte mir diesen Verlust nicht leisten. Und Du möchtest mich nicht als Partner. Du sprachst von einer Frau die Du irgendwann heiraten möchtest. Du suchst Kurzweil, Unterhaltung, intime Gesellschaft Marlo. Das ist in meinen Augen legitim, aber ich suche nicht und ich finde nicht. Ebenso wenig möchte ich gefunden werden.


    Du bist an meiner Seite auf die Art und Weise, die ich mir wünsche? Dann sei mein Kumpel und mein Beschützer. Mehr kann ich Dir nicht bieten Marlo, der Preis ist mir zu hoch", erklärte Wolfram betrübt.


    Wolf entging nicht der hungrige kleine Blick der Fledermaus. Er musste sich ein Schmunzeln verkneifen.


    "Danke Kasimir. Ob Marlo eine Unterredung diesbezüglich wünscht oder nicht, entzieht sich meiner Kenntnis, aber ich hätte sehr gerne eine Unterredung mit Dir Kasimir. Sobald Du Dich vom Stress der Reise erholt hast", schlug Wolfram vor.


    "Nochmals guten Hunger", schmunzelte Wolfram und aß weiter.

  • Marlo

    wusste nicht was er sagen sollte, als die kleine Fledermaus zu schwatzen begann. Irgendwie war das völlig verrückt. Eine sprechende Fledermaus stauchte ihn zusammen und hielt ihn einen Vortrag über sein schlechtes Benehmen. Aber das war besser, als wenn sie die Suppe auf ihn verschüttet hätte. Seine Krallen hielten Marlos Finger fest, während die Fledermaus etwas aus einem Glaubensbuch vortrug.
    So wie Kasimir das sagte, bedeutete ihm das Geschwätz was, Marlo hätte am liebsten geschnaubt. Wenn er sich auflösen sollte weil er Sex ausserhalb der Ehe gehabt hat, dann hätte er sich schon längst in seine Bestandteile aufgelöst und wär verschwunden. Aber jeder konnte glauben was er wollte.
    Im körperlichen Vergnügen sah er keine Sünde und den Pfad zu Dunkelheit sowieso nicht. Wolfram erklärte, dass er kein Interesse daran hatte. Das war scheinbar so aus Angst vor Enttäuschung und Einsamkeit. Was Wolf erklärte stimmte Marlo traurig, der Kloss in seine Kehle blieb. Er hatte nicht vor, Wolf zu verärgern. Er wollte sich mit ihm vergnügen, aber die Worte trafen Marlo. Sicher wollte er später eine Frau heiraten, aber nicht aus Liebe sondern weil das verlangt wurde. Jeder Adlige hielt es so. Selten wurde aus Liebe geheiratet sondern aus Berechnung. Macht und Geld waren der Punkt worum es ging. Und sobald er verheiratet war, würde sich bis auf seinen Status nichts ändern. Er würde sich genauso weiter vergnügen. Jedenfalls war das sein Plan, bis vor ein paar Minuten. Jetzt sah das anders aus. Marlo dachte über Wolframs Worte nach und über die Hochzeit von Dave und Varmikan. Es musste nicht so laufen, dass er eine Frau heiratete, die er nicht kannte. Es war keine schlechte Idee die Frau oder den Mann zu heiraten die er liebte.
    Vielleicht hatte das Kasimir damit gemeint. Sex war mit einer Person die er liebte was anderes, dass wusste Marlo. Aber es gab zwei Formen von Vereinigung, zur reinen Befriedigung und zur Liebe. Dann hatte Kasimir und sein komisches Buch Recht.
    Falls Wolfram ihn mit den Worten verscheuchen wollte, hatte das nicht funktioniert. Marlo wollte eigentlich nur Spaß, da er Wolf gutaussehend fand. Aber jetzt wollte er ihm beweisen, dass es länger halten konnte als Wolf dachte. Aber wie er das anstellen sollte, wusste er nicht. Er musste Wolf von sich überzeugen. Wenn er jetzt nochmal das Thema ansprechen würde, dann wäre Wolfram ganz sicher wütend. Marlo entschied sich, das Thema ruhen zu lassen und statt zu reden später zu handeln. Wolfram war ein anständiger Kerl, ein Versuch war es wert. Er sollte nicht allein und in Einsamkeit versauern. Sie würden gut zusammenpassen fand Marlo.
    Er befreite seinen Finger aus den Krallen von der Feldermaus und ass seinen Eintopf.

    „Wenn für dich die Ehe mehr ist als eine Zweckgemeinschaft für die Sicherung von Macht, Ansehen und Geld und wenn für dich Sex mehr ist als reine Befriedigung, dann hast du Recht Kasimir. Dann gehören Ehe und Sex zusammen in Einheit mit Liebe. Ich denke dass so eine Ehe wohl die beste ist die jeder eingehen kann.
    Aber wenn du nur Sex zu Befriedigung brauchst, dafür musst du nicht heiraten, dafür gibt es Dirnen die dir zur Not helfen. Und davon hat sich noch keiner in seine Bestandteile aufgelöst. Wobei bei dem was man sich da einfangen kann, vielleicht löst man sich doch in seine Bestandteile auf.
    Ich würde genauso gerne mit dir reden Kasimir. Rede zuerst mit Wolf und dann reden wir.“

    Marlo tippte die Fledermaus freundlich an.

  • Kasimir war erleichert. Es war doch noch nicht aller Tage Abend, Marlo von Falkenberg war trotz seiner verschrobenen Art und malgorischer Verirrungen für eine Unterredung offen!


    Kasimir bedankte sich höflich bei Herrn Wolfram dafür, dass er hatte sein Wort an Marlo richten dürfen, beglückwünschte Marlo zu seiner Entscheidung, mit ihm als Fachkundigem für seelische und moralische Unzulänglichkeiten, die aber zu korrigieren sind zu sprechen und verabschiedete sich vorerst. Die Sonne ging bald auf und für Kasimir würde der Aufenthalt in diesem Raum bald lebensgefährlich sein.


    So flatterte die Fledermaus durch die Flure hinab in den Keller und in den finstersten Raum, wo sie sich kopfüber an die Decke festklammerte und ruhte, bis das die Nacht erneut hereinbrechen würde. Kasimir war gespannt, was Herr Wolfram mit ihm besprechen wollte und ob es ihm selbst gelingen würde, den armen Herrn von Falkenberg von seinen schädlichen Lastern zu berfreien oder deren Einfluss zumindest zu mildern.