Buch 1 Hohenfelde -- Kaptitel 01 - Der Hexenmeister

  • „Entenbraten ist nicht fettig, sondern nahrhaft“, belehrte Brandur, während er etwas sehnsüchtig die Stockenten betrachtete, die in dem Wasserbecken gründelten. „Dosiert genossen ist Fleisch nicht gesundheitsschädigend, sondern kräftigend.“ Brandur brachte das abgenagte Kerngehäuse, welches unter Rakshanern auch als 'Grieps' bekannt war, auf den Kompost, anstatt es irgendwo auf den Boden zu werfen und achtete darauf, dass auch Lin das tat. Schließlich war er ein alter Mann und musste bei Kräften bleiben. Erst nachdem er auch noch in Ruhe einige Beeren und Nüsse verzehrt hatte, führte Brandur seine beiden Gäste ins Innere der Burg. Er suchte sich zuerst seinen Ersatzgehstock, da ihm inzwischen der Rücken wieder weh tat von dem vielen Gelaufe.


    Er begann bei den oberen, freundlichen Etagen, von wo aus er Linhard und Dunwin immer weiter in die Tiefe führte bis zum Allerheiligsten. Oben gab es viel Licht, die Fenster und Türen waren weitestgehend intakt und in den meisten Räumen stand noch das verstaubte Mobiliar.


    „Hier trinke ich gern Tee. Ich schätze die wohnliche und freundliche Atmosphäre dieses Raums, auch wenn nach Kasimirs Meinung hier zu viele unterschiedliche Farben und Muster verwendet wurden. Auch gefällt mir die bemalte Tapete mit der Familie im Garten. Ich wüsste gern, ob dies die Familie des ehemaligen Burgherrn ist oder eine fiktive Familie. Ich stelle mir gern vor, dass sie hier einst lebten.“


    Im ersten Kellergeschoss zeigte er ihnen den Sezierkeller. Er war sauber und aufgeräumt, es lagen momentan keine Leichen oder Leichenteile hier. Die befanden sich im Lager oder waren bereits verbrannt worden.


    „Mein Arbeitszimmer“, sagte er nur und wartete, damit sie sich in Ruhe umschauen konnten. Er zeigte ihnen auch alle anderen Orte, die mir seinen nekromantischen Praktiken verbunden waren. Die Feuerstelle, die er sein Krematorium nannte, die Knochengrube für jene Überreste, die sich nicht verbrennen ließen, das Gerüst zum Trocknen von Fleisch, die Vorräte von Trockenblut für Kasimir.


    „Einen Vampir zu ernähren in so einer abgeschiedenen Gegend ist schwierig. Dennoch möchte ich auf Kasimirs Dienste nicht verzichten. Er kann nicht das Blut von Toten trinken, meine Probanden müssen noch leben, wenn sie zu mir kommen. Ich leite ihr Blut aus dem noch lebenden Körper und dies ist gleichzeitig meine Art, sie zu töten. Ich halte es für human, es ist nur ein kleiner Schnitt und sie werden immer müder, vielleicht ist es, als würden sie einschlafen. Trotz allem bevorzuge ich eine ethische Art Nekromantie, auch wenn das paradox klingen mag. Das getrocknete Fleisch spare ich für Ghule auf, als Tauschobjekt für die Rakshaner.“


    Nachdem er ihnen alles gezeigt hatte, all die verwinkelten Gänge und Nebenräume, blieb er vor dem einen der einzigen beiden Räume stehen, welchen sie noch nicht gesehen hatten. Der eine war hier, der andere am anderen Ende des Kellers. Diesen würde er ihnen nicht zeigen, denn darin wartete Viola auf seine Rückkehr.


    Doch diesen hier …


    „Linhard. Nimm die Kette zur Hand. Der Anhänger ist ein Schlüssel. Ich habe ihn und das Schloss dazu aus Knochenschmelz geformt, darum hat er diese ungewöhnliche Form und ist ohne Kenntnis kaum als Schlüssel zu identifizieren. Öffne diese Tür. Zuvor darf ich euch beide um Diskretion bitten. Wer sich dazu nicht im Stande sieht, seinen Humor draußen zu lassen oder unangebrachte Äußerungen zu verkneifen, sollte nun gehen.“


    Er sagte dies drohend, denn er war sehr nervös. Brandurs Herz klopfte ihm bis zum Halse. Dieser Raum war nie für andere Augen als die seinen bestimmt gewesen und lediglich Kasimir hatte sonst noch je von ihm wissen sollen.

  • Linhard aß wie üblich sein Obst komplett auf, das einzige was er wegzuwerfen hatte, war der Stiel der Birne. Während sie durch die Nachtburg schritten, hörte Linhard Brandur aufmerksam zu. Er widersprach seinem Großonkel nicht zu der These, dass Entenfleisch kräftigend sei, er kannte es nur als Dickmacher, also mied er es.


    Zwar hatte sein Vater seine Hand schützend über ihn gehalten, aber dennoch war Lin in eine Welt aufgewachsen, wo ein Gramm zu viel auf den Rippen den Tod bedeuten konnte.


    Entweder, da er dann zu unbeweglich war unter all den anderen Meuchlern, oder da er zu schwerfällig war um die nötige Flucht zu bewerkstelligen. Dass er über eine gute Kondition verfügte hatte er eindeutig bewiesen, ihm war es gelungen seinen Vater in Schach zu halten und sogar niederzuschlagen und die anschließende Flucht war ihm ebenso geglückt.


    Ging es also nach Linhard, würden die Enten höchstens an Altersschwäche sterben, aber nicht als Braten auf seinem Teller landen.


    Brandur führte sie durch die Burg, führte sie durch sonnengefluteten Räumen in denen verstaubte Möbel standen. Der Staub tanzte in der Luft und kitzelte in der Nase. Brandur erklärte ihnen, dass er hier gerne Tee trank und die bunten Farben ihn nicht störten. Lin sah es ebenso, etwas Farbe im meist trüben Alltag konnte nicht schaden. Sie hob die Stimmung.


    Auf den Hinweis Brandurs hin, musterte Linhard die Familie im Garten, welche die Tapete schmückte. Sie sahen glücklich aus, vielleicht hatten sie hier einst gelebt, bevor der Krieg sie vertrieben oder ihnen das Leben genommen hatte.


    Linhard hoffte, dass es die Familie tatsächlich gab, so glücklich wie sie aussah und dass sie ohne in die Wirren des Krieges zu geraten hatten fliehen können. Lautlos wünschte er ihnen wo immer sie waren unbekannterweise viel Glück.


    Sie blieben nicht lange in den oberen Etagen, sondern stiegen in der Burg hinab. Es war eine seltsame Marotte seiner Familie sich in dunkeln Gemäuern niederzulassen. Vielleicht wurden Nekromanten von düsteren Orten angezogen, Lin wusste es nicht mit Gewissheit zu sagen, aber sein Vater und sein Großonkel schienen genauso gerne in der Dunkelheit zu leben, wie der restliche Großteil ihrer sehr seltsamen Familie.


    Der vampirische Leibdiener war bei diesem Lebensstil schon fast eine Normalität.


    Ein gewaltiger Unterschied bestand allerdings zwischen Brandur und Ansgar, Brandurs Arbeitszimmer war sauber und aufgeräumt, während das Arbeitszimmer von Linhards Vater aussah wie ein Schlachhof.


    Brandur erklärte wofür die einzelnen Apparaturen nötig waren, aber Linhard wusste damit nichts anzufangen. Dunwin schien es ähnlich zu ergehen, er musterte die meisten Dinge interessiert aber er schien keine Ahnung zu haben, worum es sich dabei handelte.


    "Kann ein Vampir Blut von Tieren trinken? Dann solltet Ihr hier vielleicht Kaninchen züchten, die Kasimir als Nahrung dienen könnten. Das Fleisch wäre doch immer noch genießbar, dass vermute ich jedenfalls", erklärte Lin freundlich.


    Sie wanderten weiter, bis Brandur vor einem Raum stehen blieb und sie sehr gewichtig musterte. Lin schaute ebenso ernst zurück, denn Brandur würde nicht grundlos so eine ernste Miene aufsetzen. Sein Großonkel bat ihn darum die Tür mit dem Knochenschlüssel zu öffnen.


    "Wie Du wünscht Brandur", sagte Lin und zog den Schlüssel unter seinem Hemd hervor.


    Doch bevor er aufschloss, wies Brandur sie darauf hin, dass bezogen auf den Inhalt dieses Raumes diskret sein sollten. Nun was immer es war, Linhard würde ganz gewiss nicht darüber lachen. Jeder hatte so seine kleinen Geheimnisse, er hatte diese ebenso wie Brandur oder wie sie Dunwin zu Lebzeiten ebenfalls gehabt hatte.


    "Diskretion ist Dir gewiss Bruder... Wir wissen zu Schweigen Brandur...", antwortete Dunwin.
    "Du hast unser Wort Brandur, wir lachen nicht, wir schweigen", stimmte Linhard Dunwin zu.


    Der junge Naridier steckte den knöchernen Schlüssel ins Türschloss, schloss den Raum auf und öffnete die Tür.

  • Brandurs sonst sehr neutraler Gesichtsausdruck hatte sich geändert, als er das Geräusch des Schlüssels vernahm. Er entfachte mehrere Kerzen, keine Öllampe, um eine andächtige Atmosphäre zu schaffen. Danach verschränkte er die Hände hinter dem Rücken, damit man keine eventuellen nervösen Bewegungen seiner Finger sah.


    Dieser Raum war eingerichtet wie ein Wohnzimmer, sehr viel wohnlicher und üppiger ausgestattet, als man in diesem finsteren Keller erwartet hätte. Das Bemerkenswerte waren jedoch die Gestalten, welche auf mehreren Sofas und Sesseln um einen Tisch saßen. Darauf stand ein Teeservice. Auch ein Stubenwagen mit Himmelchen war in dem Raum.


    „Tretet ein“, sagte Brandur mit belegter Stimme. "Es gibt keinen Anlass zu schweigen. Ich spreche hier sehr oft.“


    Es waren aus Knochen geformte Puppen, so lebensecht, wie es nur ging. Man sah, dass er sehr viel Zeit für ihre Gesichter genommen hatte. „Darf ich vorstellen, meine Familie. Meine Frau Magdalena. Aster, meine Geliebte. Meine Kinder. Das hier ist Gerwolf, lieber Linhard. Nun siehst du, wie ähnlich du ihm siehst. Solveig, mein liebes Mädchen. Und Ragnvald.“ Er nahm vorsichtig die Puppe eines kleinen Kindes aus dem Stubenwagen, hielt sie so im Arm, als wäre sie lebendig und trug sie mit sich, während er langsam durch den Raum schritt. „Ragnvalds Amme, damit er nicht so allein ist. Und hier drüben, das sind Kunwolf und du, Dunwin.“


    Die beiden Brüder saßen nebeneinander, beide hatten so offene und freundliche Gesichtszüge, wie keiner von ihnen sie je als Erwachsener zur Schau getragen hatte. Ansonsten waren sie ausgesprochen lebensnah dargestellt. Ein dritter Platz auf ihrem Sofa war leer.


    Man sah Brandur an, dass er sehr um seine Beherrschung rang. In der Nähe von Dunwin und Kunwolf waren ihre Ehefrauen, soweit bekannt auch die Geliebten, und auch ihre Kinder. Brandur stellte sie der Reihe nach vor. „Ansgar. Davard. Anwolf. Linhard.“ Anwolf und Linhard waren als Kinder dargestellt.


    Jede der Puppen trug standesgemäße Kleidung und hatte bewegliche Gelenke bis hin zu den Fingern. Die Körper waren weich und ausgestopft, nur die Gliedmaßen und freundlich lächelnden Gesichter aus weißem Knochenschmelz. Sie alle trugen Perücken, die ihre natürlichen Haare imitierten.


    Brandur setzte sich hin, mit Ragnvald auf dem Arm, auf den freien Platz neben Kunwolf und Dunwin.

  • Linhard betrat gemeinsam mit Dunwin den Raum. Zeitgleich hatte er das surreale Gefühl überhaupt nicht einen Raum zu betreten, sondern ein Gemälde oder eine uralte Erinnerung.


    Dabei handelte es sich nicht um die Spiegelung oder Wiedergabe einer tatsächlichen Begebenheit, sondern dieses Stillleben zeigte ein Abbild dessen, wie es hätte sein können... hätte sein sollen.


    Brandur sagte ihnen, dass sie hier durchaus sprechen durften, aber Lin hielt das im ersten Moment für unangemessen. Fast so, als könnte ein einziges falsches Wort die Szenerie zerstören, die er sich selbst stets für seine Familie gewünscht hatte.


    Alle waren im Einklang beisammen und sie sahen so glücklich aus, wie er die meisten nie zu Lebzeiten gesehen hatte. Als saßen hier in diesem Raum jene Teile der Seele der Personen, die man ihnen geraubt oder stets vorenthalten hatte.


    Linhard trat neben Brandur und lauschte den Namen und schaute sich jede einzelne Person ganz genau an. Er konnte sich an die meisten gar nicht erinnern, dabei musste er einige zu Lebzeiten gekannt haben, wenn auch als kleiner Junge.


    Er unterdrückte den irrationalen Drang die Abbilder seiner Verwandten zu grüßen. Linhards Blick blieb an Gerwolf hängen.


    Gerwolf sah ihm dermaßen ähnlich, dass sie gut als Brüder durchgegangen wären. Lin verstand warum Brandur seinen Sohn in ihm sah. Nun sie sahen sich alle recht ähnlich, aber dies war dem Umstand geschuldet, dass sich seine Familie stets in einem sehr eng begrenzten Personenkreis kreuzte.


    Sie konnten dabei von Glück sagen, dass weder in ihrer Familie noch Sippe anatomische oder optische Anomalien gab. Das Gegenteil war der Fall, ihre Angehörigen waren meist schlank und hochgewachsen. Man konnte die meisten durchaus als gutaussehend bezeichnen.


    So wie man bei einigen Sippen sofort an bestimmten deformierten Körpermerkmalen erkannte, welchem Adelsgeschlecht sie angehörten, so sah man dies ebenso bei den von Hohenfelde, von Wigbergs und von Eibenbergs. Sie ähnelten sich zu sehr, als dass dies einem Zufall hätte entspringen können.


    Die Anomalie ihrer Sippe war weitaus gravierender als jede optische Dysgenesie. Ihre Abnorm lauerte als tödliche Gefahr in ihrem Blut und zeichnete krankhaft ihren Geist.


    Lin fragte sich, wie diese Verwandten wirklich gewesen waren und ob sie diesen Zustand jemals würden erreichen können, den diese Puppenfamilie einem unerfüllten Traum gleich widerspiegelte.


    Linhard hoffte es sehr.


    Der Anblick dieser Familie, die die seine hätte sein sollen, schmerzte ihn sehr.
    Lin streckte die Hand nach dem Kleinen auf Brandurs Arm aus, hielt aber mitten in der Bewegung inne - dies war nicht sein Abbild oder sein Traum, die Berührung stand ihm nicht zu.


    Linhard musterte sie alle ganz genau und blieb einen Moment vor seinem Vater stehen. Er spürte einen Stich im Herzen, ihm hier gegenüber zu stehen.


    Es war eigentlich alles so einfach und dennoch war es so unsagbar schwer - wie sollten sie die Mauer aus Generationen von Schweigen, Hass und Morden durchbrechen?


    Er schenkte dem Abbild seines Vaters ein kurzes Schmunzeln, ebenso dem von Dave. Sein Onkel hatte sich auf seine Art stets um ihn bemüht, hatte sich letztendlich aber doch seinem Bruder gebeugt und ihn angegriffen.


    Unbewusst fiel Linhards Blick erneut auf Ansgar und er ballte ohne es zu merken eine Faust in der Tasche, ganz so als hätte er vor auch der Puppe einen Kinnhaken zu verpassen, der sie zu Boden schicken würde.


    Lin schüttelte den Kopf und war damit wieder im Hier und Jetzt, obwohl dieser Ort völlig aus der Zeit losgelöst zu sein schien.


    Er stellte sich neben Dunwin der stumm und mit starrem Blick seinen ältesten Bruder musterte. Linhard konnte den Blick nicht deuten, er versuchte Dun eine Hand auf die Schulter zu legen, aber sie glitt einfach durch den Geist hindurch.


    Dunwin wandte ihm das Gesicht zu, etwas Wehmütiges lag in seinem Blick. Entschuldigend zuckte Lin die Achseln.


    "So hätte es sein können nicht wahr?", flüsterte der Geist und machte eine allumfassende Geste.
    "Ja. So hätte es sein sollen", antwortete Linhard.


    Dunwin nickte zustimmend, wandte sich von Kunwolf ab und wandte sich seinen Kindern, seiner Frau und seiner Geliebten zu. Er strich Ansgar und Dave über die Wange und musterte Melisande eine Zeit lang.


    "Ich war ungerecht zu ihr... schlimmer noch als ihr eigener Vater...", sagte er tonlos.
    "Ich weiß, sie fürchtet Dich noch heute", gab Linhard zurück.


    "Diese Melisande nicht... was mich seltsam berührt...
    Sie wurde von ihrem Vater genauso verkauft wie ich es wurde...
    Sie trägt keine Schuld... sie trug meine Kinder aus...
    Meine Kinder... ich nannte sie nie so...
    Ich wünschte sie hätten die Gabe nicht besessen... es wäre anders gekommen...
    Seltsam... wo ich Euch als Kinder sehe... Anwolf war nie ein Enkel für mich...
    Aber Du Lin... schon immer... das weißt Du... Du hast es gefühlt... so wie ich...",
    erklärte Dunwin erstaunlich sachte.


    "Irgendwann wird es so sein, zwar werden wir nicht als Vorbild für diese Abbilder dienen, aber wir haben ihnen den Weg bereitet, dann wird dass nicht ein Abbild oder ein Gemälde sein, sondern es wird Tatsache sein... die Wahrheit.
    Wir können nur nach vorne schauen Dun, was bleibt uns anderes übrig?


    Keiner von uns wünscht sich die Dunkelheit in der wir leben und dennoch leben wir in ihr und leben sie aus. Das ist nicht nur verrückt, dass ist paradox. So wie hier gezeigt kann es doch werden, wenn wir nur wollen", antwortete Linhard und schaute sich Brandurs Familie an.


    "Nun deshalb bist Du hier...
    Damit es so wird und kein Traum bleibt...
    Gleichgültig ob dieser Wunsch in Form von Statuen Gestalt annahm...
    Oder von Zeichnungen... nicht wahr?",
    schmunzelte der Geist.


    "Richtig, aber die Zeichnungen sind verloren. Sie liegen Zuhau... bei Ansgar.
    Er hat sie vermutlich ohne es zu wissen in den Kamin geworfen. Sie lagen zwischen meinen Trainingsaufzeichnungen. Er wird vermutlich alles verbrannt haben, was mir gehörte, bis auf meine Pferde... Das hoffe ich für die Tiere. Es waren gute Wesen, treue Tiere. Sobald mein Geld für ein Pferd ausreicht, werde ich mir eines kaufen",
    flüsterte Linhard.


    "Unsere Finanzen mögen das nicht hergeben, aber die von Wolfram gewiss...
    Ich werde ihn darum bitten... für Dich...
    Ergeht es Dir auch so, dass Du Dich selbst nicht anschauen kannst? Irgendwie bin ich mir unheimlich... nicht zu fassen
    ", sagte Dun.


    Linhard musste trotz der Situation lachen. Das Lachen tat gut und befreite ihn von seiner inneren Anspannung. Er grinste seinen gespenstischen Großvater breit an.


    "Ja das ist komisch, aber dann lass es doch und hör auf Dich selbst anzustarren", gab Linhard gut gelaunt zurück und stellte sich neben Brandur, der mit dem Kleinen Platz genommen hatte.


    "Danke für Dein Vertrauen, es ist wunderschön...so hätte es sein sollen", sagte Lin ergriffen.
    "Ich schließe mich seiner Beurteilung an...", stimmte Dunwin zu.

  • Wolfram aß schweigend seinen Eintopf, während Marlo seine Gedanken mit Kasimir und ihm teilte. Kasimir verabschiedete sich und machte sich auf den Weg in den Keller.


    "Eine Liebesehe mag das Non-Plus-Ultra aller Beziehungen sein Marlo, aber ich werde mich dazu nicht äußern, geschweige denn mir Gedanken darum machen. Das ist ein Thema zu dem ich leider nichts dazu beitragen kann. Dir sei es von Herzen gewünscht und gegönnt.


    Da wir morgen nichts zu erledigen haben, kannst Du gerne ausschlafen. Ich werde mich wie immer um meinen Garten kümmern. Du kannst mir ja später dabei etwas Gesellschaft leisten, falls Du möchtest. Ich wünsche Dir eine angenehme Nachtruhe, bis morgen früh Marlo", sagte Wolfram freundlich.


    Wolf stand auf und begab sich an der kleinen Küche vorbei in sein angrenzendes Schlafzimmer. Müde und etwas verwirrt von dem Gespräch setzte er sich aufs Bett. Er hatte Kasimir versprochen seinem Herrn Bescheid zu geben, dass er sich in Sicherheit befand und diese Bitte würde Wolfram auch erfüllen.


    Wolfram machte es sich in seinem Bett gemütlich, mummelte sich in die Decken ein und ließ sich in den Nexus fallen. Er suchte Brandurs Farben und nach einiger Zeit hatte er sie auch gefunden.


    `Grüße Brandur, ich bin es Wolfram. Dein Leibdiener Kasimir befindet sich in meiner Obhut. Bei Deiner Flucht hast Du den guten Kasimir leider vergessen. Ich habe mich seiner angenommen und ihn gerettet, da er sich gerade an Ansgars Leibdiener gütlich tat.


    Wie dem auch sei, Kasimir ist bei mir in Sicherheit. Wir konnten gemeinsam fliehen, ich allerdings nur indem ich mir ein Pferd aus Ansgars Stall ausgeliehen habe. Keine Ahnung wem das Pferd gehörte, aber es ist ein gutes Tier. Vielleicht vergesse ich meine gute Kinderstube und dass ich es mir geborgt habe und behalte es.


    Marlo hat sich uns unterwegs angeschlossen. Wo Massimo abgeblieben ist, entzieht sich meiner Kenntnis. Die Einladung steht noch immer, Du kannst uns also gerne besuchen kommen. Pass auf Dich auf. Grüße von Kasi, Marlo und mir´, übermittelte Wolfram.

  • Marlo


    schlang seine Suppe herunter, aber nicht weil er so hungrig war, sondern um sich selber das Maul zu stopfen. Die Worte und Wahl von Wolfram waren aus einer Einsamkeit geboren, die sich Marlo nicht vorstellen konnte. Alles was er ihn jetzt sagen würde, würde die Sache entweder viel schlimmer machen, oder ihre Freundschaft zerstören. Beides wollte Marlo nicht. Aber Marlo wusste, egal was er gleich tun würde, die Worte von Wolfram würden ihn verfolgen. Und wenn er sie zur Seite schob, dann sah er Wolf in den Zuber sitzen und fragte sich wie es sich anfühlte ihn in die Laken zu drücken und ihm zu zeigen was er verpasst hatte. Aber genau dass war die Lüge. Er würde eine Frau heiraten und eine Familie gründen damit seine Linie erhalten blieb. Genau dass hatte er bis vor kurzen noch vorgehabt. Bis zu den Tag, wo er auf die Hochzeit eingeladen worden war.
    Wolfram war die freundlichste Person die Marlo kannte. Er war friedlich, er war freundlich und er war alles andere als verrückt. Er war durch und durch ein guter Kerl, keinen den sich einer nebenbei halten sollte. Und das was Wolfram sagte, machte Marlo klar, dass Wolf das selber nicht dulden würde. Er entsagte lieber allen, anstatt sich mit Reste zufrieden zu geben, die ihm dann irgendwer noch wegnahm. Das war wahre Würde und Marlo kam sich schäbig dabei vor überhaupt an sowas gedacht zu haben. Er sollte sich eine Scheibe von Wolframs Stolz abschneiden.
    Marlo fühlte sich von Wolframs Worte nicht abgeschreckt. Er fühlte sich herausgefordert von Wolf. Einerseits selber völlig zu sich zu stehen und andererseits diesen Mann zu erobern und zu behalten. Marlo lag ein Fluch den Lippen, für den ihn Wolfram vermutlich über die Felsenabsperrung geworfen hätte. Aber das war gleichgültig, er würde kämpfen. Und kämpfen konnte Marlo, er war hartnäckig was das anging. Er musste es vorsichtig angehen wie bei einen scheuen Tier, da Wolfram vermutlich überhaupt nichts wusste. Zuerst musste er ihn dazu bringen seine Nähe zu dulden.
    Wenn das klappte, dann konnte Marlo weitersehen.
    Marlo dachte gerade nach, da stand Wolfram auf und ging. Weit lief er nicht. Er drehte sich um, ging links an den Küchenkamin vorbei und schon stand er in seinen winzigen Schlafzimmer. Marlo wartete geduldig, mindestens eine Viertelstunde wartete er ab. Dann folgte er Wolfram ins Schlafzimmer. Der Magier hatte es sich im Bett bequem gemacht.
    Da er sich mitten ins Bett gelegt hatte, schob Marlo Wolf einfach ein Stück zur Wand und legte sich neben ihn. Vorsichtig kroch er mit unter die Decke und zog sie dann über sie beide hoch. Wolfram rührte sich kein Stück, er tat gar nichts. Vorsichtig strich Marlo ihm über den Kopf und in dem Moment fing er an zu schnarchen. Super.
    Marlo sprang aus dem Bett, kramte ein dicken Überwurf aus seine Sachen, zog es an und schlüpfte wieder unter die Decke. Dann verbrachte er eine Ewigkeit damit, neben Wolfram zu liegen und an die Decke zu starren, ohne dass er einschlafen konnte. Seine Wärme machte es Marlo nicht leicht einfach einzuschlafen.


    "Ist nicht deine Schuld Wölfchen. Die Scheiss Kälte vom Herbst und die lange Reise hat uns fertig gemacht. dazu sagt man wohl unglückselige Verbindung. Ab Morgen wird alles besser für dich, du wirst es schon sehen. Es kann für immer halten. Versprochen. Schlaf schön."


    Marlo wälzte sich herum. Es gelang ihm ein Stückchen Platz im Bett zu finden, ohne an Wolfram gequetscht zu liegen, obwohl er dabei aus dem Bett herauszufallen drohte. Wolf sollte es bequem haben und sich nicht bedrängt fühlen.
    Wolf wälzte sich im Tiefschlaf herum, rammte Marlo dabei seinen Ellenbogen ins Brustbein und schmiegte sich dann sabbern an ihn. Marlo bracht der Schweiss aus. Er konnte es echt nicht glauben, nachdem er den grössten Teil vom Tag in Vorfreude auf so ein Augenblick gewartet hatte, passierte ihm sowas.
    Marlo wechselte die Position und rieb sein Brustbein. Einst fürchtete er Wolfram, bevor er ihn persönlich kennenlernte. Die Verwandten hatten viel Scheisse über Wolfram geschwatzt. Aber jetzt nachdem er ihn so persönlich kennengelernt hatte, wollte er ihn gerne zum Gefährten haben. Marlo war bereit für einen Kampf ohne Waffen nur mit Überzeugung. Und er hoffte inständig, dass Wolfram sich besiegen lassen würde und seinen Widerstand aufgab. Ein schmerzendes Brustbein war gar nicht so schlimm, wenn man an einen heißen dampfenden Zuber dachte.

  • Wolfram wachte mitten in der Nacht auf. Ihm war viel zu warm und er hatte überhaupt keinen Platz in seinem eigenen Bett. Grantig wälzte er sich mit Schwung herum und knallte mit dem Gesicht vor Marlos Brustmuskeln.


    Die erste Reaktion die ihm einfiel war, Marlo mit Schwung aus dem Bett zu stoßen, so dass der dreiste Kerl sehr unsanft auf dem Arsch oder Kreuz landen würde. Allerdings war Wolfram niemand, der anderen bewusst schadete. Und da Marlo schlief, war er momentan nicht nur wehrlos, sondern auch völlig arglos.


    Er musterte seinen Zaungast, der es sich in seinem Bett gemütlich gemacht hatte. Marlo hatte bewusst etwas Abstand zu ihm gelassen und lag so gerade noch auf der Bettkante. Zudem hatte er sich in einen Überwurf gehüllt um ihm genug Decke zu lassen, oder sogar um ihn mitzuwärmen. Wolfram konnte nur spekulieren, aber gleichgültig zu welchem Ergebnis er kam, Marlo hatte für ihn mitgedacht und sich gekümmert.


    Wolframs Ärger verflog bei dem Anblick des schlafenden Marlo. Er gähnte lautlos und presste sich eine Hand auf den Mund um Marlo nicht zu wecken. Die Gesellschaft von Marlo war nicht unangenehm, auf alle Fälle fror er nicht.


    Marlo hatte sich keine Dreistigkeit erlaubt, er war anständig und fürsorglich gewesen, es gab keinen Grund ihn aus dem Bett zu schmeißen, dachte sich Wolfram. Im Gegenteil, es sprach nichts dagegen, dass er die Wärme genoss. Wolfram gähnte erneut, schmatzte müde und legte sich wieder hin. Dabei deckte er Marlo mit zu.


    Er musterte noch einen Moment den anderen und fragte sich, weshalb dieser eine Hand auf sein Brustbein gepresst hielt. Einen weiteren Augenblick später war Wolfram wieder eingeschlafen.

  • Kasimir, dem mit seinem Fledermausgehör selbstredend nichts entging, flatterte durch die Gänge. Jemand hatte von außen das Schlafgemach des Herrn Wolfram geöffnet, schleichend. Er musste sofort nach dem Rechten sehen! Noch bevor Marlo die Tür hinter sich schloss, flutschte die Fledermaus hochkant durch den Spalt und klemmte sich über dem Schrank an die Zimmerdecke. Wenn Marlo den freundlichen Herrn bedrohte, würde er eingreifen! Marlo legte sich unverschämt in dessen Bett, aber er berührte ihn nicht. Trotzdem blieb Kasimir da hängen und wachte.


    Irgendwann öffnete Wolfram von selbst die Augen, bemerkte Marlo und es schien für ihn in Ordnung zu sein, dass er da lag. Nun gut, Kasimir konnte ja nicht wissen, was sie besprochen hatten.


    Waren die Vorhänge eigentlich zu? Das waren sie, aber sie waren nicht lichtdicht. Es war vohin schon spät gewesen, er musste zurück in den Keller! Er flog zur Tür und hängte sich an die Klinke. Er war zu leicht, nichts passierte. Er flatterte auf die Oberseite und hüpfte auf der Klinke herum, doch nichts geschah.


    Kasimir blieb nichts anderes übrig, als sich unhöflicher Weise in einen unbekleideten Lichtalben zu verwandeln, die Klinke mit der Hand herunterzudrücken, rasch aus der Tür zu treten und sie hinter sich wieder zu schließen, um sich erneut in eine Fledermaus zu verwandeln und zurück in den Keller zu fliegen. Leider lagen seine Kleider noch in Shohiro und man hatte ihm bislang keine neuen angeboten, so dass er die ganze Zeit in dieser tierischen Gestalt verweilen musste.


    Dem Diener von Wolfram jedenfalls würde er die Rüge seines Lebens erteilen, weil er nicht bemerkt hatte, dass jemand unbefugt ins Quartier seines Herrn eingedrungen war! Eigentlich gehörte er gebissen und ausgesaugt!


    Kasmir fiel fast zu Boden, als ihm bewusst wurde, wie schrecklich ihm seine Gedanken entglitten waren. Sein Bäuchlein knurrte. Aber es war zu spät, um das Haus zu verlassen. Es würde bals dämmern. Er würde nicht weit kommen. Die Fledermaus bekam vor lauter Hunger schlechte Laune. Die Fledermaus flatterte noch einige Male im Kreis, dann raste sie zum Quartier des Dieners. Sie nahm die Gestalt des Lichtalben an, dem inzwischen vor lauter Appetit der Speichel aus dem Mund lief. Er drückte leise die Klinke. Jeglicher Scham und Anstand waren verschwunden. Er sah nur noch den Diener dort liegen und friedlich schlummern. Kasimir schloss die Tür hinter sich, drehte den Schlüssel herum und trat auf leisen Sohlen näher. Der Mann lag auf der Seite. Seinen Namen hatte Kasimir vergessen und er interessierte ihn auch nicht mehr. Er trat von hinten an ihn heran, strich Haar und Kleidung von seinem Hals und biss kraftvoll zu.


    Seine Zähne fuhren wie zwei Dolche durch die Halsschlagader des Mannes, sofort schmeckte er Blut. Der Mann schrie auf und gebärdete sich, doch die Zähne hingen fest und der Vampir hatte mehr Kraft als er und spürte, außer was Sonnenlicht anbelangte, keine Schmerzen. Bald wurden die Bewegungen ruhiger. Kasimir saugte ihm das Leben bis auf den letzten Tropfen aus den Adern. Er würde keinen weiteren Vampir in seinem Jagdrevier dulden. Als der Körper blutleer war, warf Kasimir ihn aus dem Bett. Er schloss die Fensterläden, so dass kein Licht hereinfallen würde und legte sich selber in die Schlafstätte, die noch schön körperwarm war, wo er ruhte. Er hatte mehrere Liter Blut getrunken und war überfressen, sein Bauch verdickt und er träge und noch immer im Jagdfieber und nicht klar bei Verstand. Alles, was momentan für ihn zählte, war, dass er gejagt hatte und satt war. Ob Marlo bei Wolfram im Bett lag und sonstwas mit ihm anstellte, war völlig gleichgültig, genau wie der bleiche Leichnam.


    Zufrieden vor sich hinlächelnd starrte er an die Wand und wartete darauf, dass das heftige Druckgefühl in seinem Magen sich auflösen und das Blut von seinem Körper verdaut werden würde.

  • Wolfram wachte wie jeden Tag in aller Frühe auf. Meist wurde er von Beaunois gegen 05:00 Uhr geweckt, trank eine Tasse Kaffee und ging bereits zu so früher Stunde in den Garten.


    Heute allerdings wachte Wolfram von alleine auf. Beaunois schien verschlafen zu haben, oder hatte ihn schlichtweg vergessen. Beides konnte sich Wolfram eigentlich nicht vorstellen, denn Beaunois war ein zuverlässiger Diener.


    Müde schälte sich Wolf aus der Decke und warf einen Blick auf den schlafenden Marlo. Der Mann war wirklich dreist. Wolfram hatte ihm eindeutig gesagt, was er von einer Verbindung zwischen ihnen hielt. Aber scheinbar war er nicht deutlich genug geworden.


    Marlo verstand nicht, dass er jede Wahl hatte, während Wolf überhaupt keine besaß. Oder vielleicht hatte Marlo ihn auch sehr gut verstanden und einfach nur nicht auf dem Boden schlafen wollen. Vielleicht bildete er sich im Moment mehr ein, als tatsächlich los war.


    Aber darüber konnte er sich später immer noch Gedanken machen, nun hatte er erst einmal mit Beaunois ein ernstes Wort zu reden.


    Wolfram schmiss die Decke über Marlo und deckte den dreisten Kerl wieder richtig zu. Gähnend schlurfte er Richtung Beaunois Zimmer und trat ohne Anklopfen ein. Er hatte vor seinen Diener wider seiner sonstigen Art unsanft aus dem Schlaf zu reißen.


    Bei Wolf gab es zwar kaum Regeln und nicht sehr viel Arbeit, aber die Regeln, die er aufgestellt hatte, auf die bestand er auch und dazu gehörte seine Weckdienst. Als er das Zimmer von Beaunois betrat, lag allerdings nicht sein Diener im Bett, sondern ein vollgefressener Kasimir!


    Wolfram blinzelte erstaunt in der Hoffnung, dass er immer noch schlafen würde. Aber er schlief nicht, sondern das Bild war grausamer Fakt!


    Kasimir schlief in Beaunois Bett und so kugelrund wie sein Bauch war, konnte nur eins geschehen sein - Beaunois war Geschichte. Diesen Verdacht bestätigte auch der blutverschmierte Mund von Kasimir.


    Die Augen von Wolfram verengten sich zu schmalen Schlitzen.


    "Ich hoffe Du hast dafür eine gute Erklärung!", donnerte der Magier Kasimir an.

  • Marlo


    hörte Wolfram brüllen. Er sprang aus dem Bett, verhedderte sich in der Scheissdecke und kam gerade so auf die Füsse ohne sich langzulegen. Er fluchte, schnappte sich direkt seine Repetierarmbrust und rannte zu Wolfram. Marlo bremste ab um Wolf nicht über den Haufen zu rennen und riss ihn schützend hinter sich.


    "Was schreist du so rum Wölfchen? Was ist los?."


    Dann sah Marlo den zum Bersten aufgedunsenen Kasimir. Wie ein Ball war sein Bauch gewölbt, so als würde er jeden Moment laichen. Marlo musste loslachen. Er konnte es sich nicht verkneifen. Der edle Alb mit Hang zur Bevormundung hatte scheinbar den Diener von Wolfram das Licht ausgeknipst und sich einen Schluck zuviel gegönnt.


    "Sag mal Kasimir, was sagt das Buch denn über Masslosigkeit und Gier?."


    Marlo grinste wie eine fette Katze die gerade einen Fisch verputzt hatte und legte Wolfram einen Arm um die Schulter.


    "Sowas kommt von sowas sagte mir mal wer. Wir zwei müssen reden Wolf. Ich wollt eigentlich nicht mit dir in nächste Zeit über das Thema reden, aber wenn ich dich sehe muss ich ständig dran denken. Lass uns reden gehen, während Kasimir seinen Rausch ausschläft. Setzen wir uns draussen hin."


    Marlo ging nach draussen und hockte sich auf einen Stuhl in der Sitzecke.

  • Brandur hielt den kleinen Ragnvald fest im Arm und bemühte sich, geistig anwesend zu bleiben, während Dunwin und Linhard die Puppen betrachteten. Es fiel ihm schwer, denn eigentlich kam er genau deshalb hierher, um fortzugleiten und möglichst intensiv daran zu glauben, sie seien real. Es tat ihm weh, gegen diesen Traum zu kämpfen. Seine Augen wurden rot, als er die reglosen Körper um sich herum sitzen sah und Dunwin, der, scheinbar ohne recht zu begreifen, sein Abbild betrachtete. Der Hexenmeister stand auf und legte Ragnvald vorsichtig zurück in seine Wiege, deckte ihn zu.


    "Es war alles ein riesengroßer Fehler", sagte er dann, ohne dass man seiner Stimme irgendeine Emotion entnehmen konnte. "Und das ist es noch heute." Zu Tode betrübt und gerührt zugleich nahm er zur Kenntnis, dass auch zwischen Dunwin und Linhard das Band fester wurde. Doch diese Emotion fand nicht den Weg in sein Gesicht.


    In diesem Moment erhielt Brandur eine Nachricht von Wolfram. Kasimir war bei ihm. Er hob die Hand, damit sie ihm zuhörten.


    "Ich erhielt soeben Kunde von Wolfram. Mein guter Kasimir weilt bei ihm in Daijian. So was. Wir sollten ihn von dort abohlen, ehe Wolfram zu spüren bekommt, dass mein Leibdiener hungrig sehr viel weniger zuvorkommend ist als im satten Zustand. Linhard, bitte verschließe hinter uns wieder die Tür. Anschließend möchte ich, dass du vorgehst. Ich möchte sehen, ob dur dir den Weg eingeprägt hast. Bring uns anschließend zur Bibliothek."


    Nachdem Linhard ihnen den Weg gewiesen hatte, zeigte Brandur ihm, welche Bücher er alles hinunter zum Wyvern tragen sollte. Auch er selbst nahm möglichst viele mit.


    "Dunwin, wenn du die Güte hättest." Er wies auf den Knochendrachen, damit Dunwin ihn wieder in Besitz nahm. Sie stiegen samt der wertvollen Folianten ein, wickelten sich in die Decken und bald schon waren sie wieder im Luftraum."Bruder, du sprachst davon, dass du mit deinem jüngsten Sohn sprechen möchtest. Wenn dem noch so sein sollte, flieg uns zunächst nach Shohiro. Linhard und ich werden in der Zwischenzeit in die Stadt gehen und einige Einkäufe erledigen, ehe wir weiter nach Daijian reisen."

  • Dunwin musterte seinen Bruder.
    "Bruder? Was war ein Fehler?", fragte Dunwin nicht verstehend.


    Als Brandur auf den Knochendrachen deutete, nickte Dunwin knapp.


    "Nun wir sollten Deinen Leibdiener abholen....
    Bevor die anderen seine Leibspeise werden... nicht wahr?


    Ja, es ist immer noch mein Wunsch mit Davard zu sprechen...
    Ich muss es ihm erklären...
    Ich bin ihm die Erklärung schuldig...
    Und mir... verstehst Du?
    Ich kann das nicht so stehen lassen... ich möchte es auch nicht so stehen lassen...


    Ebenso wenig kann ich das zwischen uns so stehen lassen Brandur...
    Aber Du gewährst mir eine Chance... durch ihn... durch Linhard...


    Ich weiß nicht einmal ob er mir überhaupt zuhören wird...
    Aber sein Mann vielleicht...
    Das ist jedenfalls meine Hoffnung...
    Vielleicht ist es für ihn eine Zumutung mit mir zu sprechen...
    Es würde ausreichen, er hört nur zu... nur kurz...
    Mir zuzuhören würde ihm nicht schaden... es soll ihm helfen... und meine Bitte möchte ich vortragen... falls er mich lässt...",
    erklärte Dunwin auf seine eigene Art.


    "Ich werde uns sicher nach Shohiro bringen... danach reisen wir weiter nach Daijan...
    So wie Du es wünscht Brandur...
    Kauft auch etwas Nettes für unseren Gastgeber... dass wird ihn freuen...
    Jeder freut sich über Geschenke...",
    sagte Dun.


    Der Geist dematerialisierte sich und fuhr in den Körper des knöchernen Drachen.


    "Leichter... und angenehmer... als zu Anfang. Dieser Körper fühlt sich vertraut an... das gefällt mir.
    Und das Fliegen... mhm... das Fliegen ist grandios...",
    freute sich Dunwin.


    Der knöcherne Drache sprang in die Luft und schlug hart mit den Flügeln um an Höhe zu gewinnen, als er den Boden einige Meter unter sich gelassen hatte, glitt er voran und stürzte sich in die Tiefe des Gebirges um Geschwindigkeit aufzunehmen. Er fing ihren Sturz ab und segelte Richtung Shohiro davon.


    Ganz ohne ein Blick auf Linhard zu werfen, wusste Dunwin dass Linhard gerade über beide Ohren grinste.

  • Der Flug zurück nach Shohiro kam Linhard diesmal nicht annähernd so lange vor, wie der Flug von Shohiro zur Nachtburg. Dies mochte auch daran gelegen haben, dass auf der Flucht seine Nerven bis zum Äußersten angespannt waren.


    Im Moment waren sie dies nicht. Linhard freute sich auf den Besuch bei Wolfram, eines der wenigen stets freundlichen Familienmitglieder. Falls man mit Wolfram zu streiten gedachte, musste man sich dafür ganz schön anstrengen und vermutlich gelang es nicht einmal dann.


    Lin hatte vor den Tipp von Dunwin zu beherzigen und Wolfram etwas zu kaufen. Nur was, da war er sich noch nicht sicher. Vielleicht irgendeinen leckeren Schnaps, damit machte man nie etwas falsch.


    Die Zeit verging im Fluge, da sie ausreichend Lesestoff mitgenommen hatten. Zwar interessiere sich Linhard für die meisten Themen nicht sonderlich, aber trotzdem las er was er in die Finger bekam und entziffern konnte. Einige der Bücher waren in diesen seltsamen magischen Schriften verfasst, wie sie sein Vater, sein Bruder und sein Onkel sonst gelesen hatten.


    Nun Brandur war ebenfalls ein Magier, folglich konnte er die Bücher lesen, ebenso wie Wolfram. Für ihn waren sie nicht bestimmt und er legte sie sorgfältig zur Seite. Als Lin des Lesens müde wurde, legte er sich auf die Seite und schaute durch die Rippen des Wyveren. Er genoss die vorbeiziehende Landschaft. Stunde um Stunde verging so, bis endlich Shohiro in Sicht kam.


    Seine einstige Heimatstadt sah aus der Vogelperspektive schön und friedlich aus. Wie alles was man aus der Distanz beobachtete. Vielleicht griffen deshalb die Götter auch bei den meisten Ungerechtigkeiten nicht ein, sie sahen schließlich auch alles aus der Distanz.


    "Dunwin lande bitte am Vorplatz des Rathauses", bat Linhard.
    "Gewiss... ich verstehe...", gab Dun zurück.
    "Was verstehst Du?", hakte Linhard nach.
    "Dein ungutes Gefühl... ich teile es...", erwiderte Dunwin.
    "Danke", antwortete Lin leise.


    "Wo wohnt Dave?", fragte Dunwin.
    "Sobald Du das Südtor passierst, gehst Du auf eine Häuserzeile zu. Direkt das Haus mit dem Tor auf das Du zugehst. Du weißt Du bist richtig, wenn Du links eine Anschlagtafel neben der Häusermauer siehst. Hinter den Häusern liegt ein kleiner Bach. Du kannst es nicht verfehlen.


    An der linken Seite des Hauses, wo sich ein weiterer Eingang befindet, steht ein gewaltiger Baum. Läufst Du dort weiter, kommst Du an einem Wachtum vorbei und läufst genau auf den Bach zu. Nicht zu verfehlen. Am Abend sitzt Dave dort öfter mit seinem Kumpel hinten auf der Treppe und sie schauen auf den Bach. Du musst dann nur rechts um die Ecke gehen und den Bach entlang. Du findest es Dun, keine Sorge", erklärte Linhard.
    "Danke für die Information", antwortete Dunwin.


    Der knöcherne Drache landete versteckt hinter dem Rathaus, so dass Linhard und Brandur nur noch um die Ecke gehen mussten um zu den Anschlagtafeln zu gelangen. Linhard sprang aus dem Leib des knöchernen Drachen und wandte sich kurz Brandur zu.


    "Wir treffen uns vorne, bis gleich Brandur", sagte er nervös und flitzte um die Ecke.
    "Du solltest ihm nachgehen Bruder... Ansgar wird nicht untätig gewesen sein... befürchte ich...", warnte Dunwin seinen Bruder.


    Als Brandur ebenfalls den knöchernen Leib verlassen hatte, wandte der Drache seinem Bruder den Kopf zu.


    "Wir treffen uns sobald Ihr fertig seid vor dem Südtor Brandur... pass auf Dich auf...", sagte Dunwin. Der Wyvern nahm ein kurzes Stück Anlauf und sprang in die Luft.


    Linhard stand vor der Anschlagtafel des Rathauses und starrte wutentbrannt auf den Aushang.


    Bitte melde dich an, um diesen Link zu sehen.


    Er hatte ja mit einigem gerechnet, aber dass sein Vater dermaßen schnell, hart und rigoros handelte war selbst für Linhard ein Schlag ins Gesicht. Lin riss den Aushang ab, faltete ihn zusammen und stopfte ihn sich in die Tasche.


    Einen Moment später kam einer der Beamten heraus und musterte Linhard mit nicht zu deutendem Blick.


    "WAS?!?", fuhr Linhard den Mann an.
    "Ihr steht vor der Anschlagtafel guter Mann! Es wäre hilfreich Ihr würdet ein Stück beiseite treten", sagte der Beamte und half mit einem Stoß nach.


    Linhard setzte dazu an, dem Kerl eine zu verpassen, ließ aber sofort die Hand wieder sinken, als er den Aushang mit seinem Familienwappen erkannte.


    "Ungehobelter Bengel", zischte der Beamte und ging zurück ins Rathaus.


    Linhard schenkte dem Beamten keinerlei Beachtung, sondern starrte den neuen Aushang an. Seine Wut schnürte ihm regelrecht die Kehle zu. Sein Vater hatte ihn nicht nur enterbt und aus der Familie geworfen! Nein er ließ es sich auch nicht nehmen seinen kleinen Bruder auf den Familiethron zu erheben. Linhard riss den Aushang ab und seine Hand krallte sich dermaßen um das Stück Papier, dass er es in der Mitte zerknüllte.


    Bitte melde dich an, um diesen Link zu sehen.


    Nur mit größter Selbstbeherrschung konnte er die Hand wieder öffnen und es glattstreichen.


    "Das hättest Du nicht tun sollen Va... Ansgar...", knurrte Linhard und stampfte zurück Richtung Dunwin und Brandur, wobei er seinen Großonkel fast über den Haufen rannte.


    Er konnte Brandur so gerade noch am Ärmel packen, damit dieser nicht stürzte.


    "Du kannst Dir nicht vorstellen was er getan hat! Er ist verrückt geworden! Völlig verrückt! Hier lies dass! Ich glaube das alles nicht!", stöhnte Linhard und drückte Brandur beide Aushänge in die Hand.

  • Es hatte an der Tür geklopft und Dave hatte diese geöffnet. Varmikan starrte auf Daves Kreuz. Der Frostalb wusste sofort das etwas nicht stimmte, denn sein Mann stand absolut aufrecht und jeder Muskel in Daves Körper war angespannt.


    Varmikan trat sofort an die Seite von Dave und als er sah, wer vor der Tür stand, zog er sofort seinen Mann schützend hinter sich.

    „Geh ins Haus Schatz, sofort“, bat Varmikan unmissverständlich.


    Dave musterte seinen Mann und schien einen Moment mit sich zu kämpfen, ob er Varmikan dem Feind allein überlassen sollte. Varmi nahm ihm die Entscheidung ab, indem er ihn küsste und liebevoll einen Schubs verpasste.

    „Ins Haus Sternchen, geh bitte, ich kläre das“, wies Varmi seinen Mann an.


    Dave nickte knapp, strich Varmi übers Kreuz und ging ins Haus. Allerdings nur soweit, dass er seinen Mann noch im Blick hatte. Varmikan stupste seinen Mann mental an. Er wusste die Geste zu schätzen, denn er wusste das Dave trotz aller Angst wegen ihm blieb.


    Der Frostalb musterte frostig die Geisterhafte Präsenz vor der Tür.

    Höflichkeitsfloskeln sind unnötig Dunwin. Du hast meinem Mann schon genug zu Deinen Lebzeiten angetan. Weshalb quälst Du ihn mit Deiner geisterhaften Anwesenheit?


    Reicht Dir das Maß an Zerstörung nicht aus, dass Du angerichtet hast?


    Falls Du nie Kinder haben wolltest, hättest Du das auf andere Art verhindern können. Es ist nicht nur widerwärtig, sondern auch erbärmlich sich als Mann dermaßen an seinen Kindern zu vergehen.


    Sie hätten es leichter gehabt, hättest Du sie tatsächlich umgebracht oder nie gezeugt. Aber Du hast sie gezeugt und Du hättest sie einfach in Frieden leben lassen können.


    Du hättest Dein eigenes Leben leben können, ohne das von Dave Stück für Stück zu zerstören.


    Also weshalb bist Du hier?
    Du hast hier nichts verloren und Du bist nicht willkommen!
    Was immer Du auch geplant hast, mir ist klar dass Du körperlich keine Gefahr bist.


    Du kannst niemanden körperlichen Schaden zufügen, da Du keinen Körper besitzt. Deine Macht ist einzig und allein Daves Angst.


    Und ich werde dafür sorgen, dass er sie verliert, einzig und allein die Verachtung und den Hass den er für Dich empfindet wird übrig bleiben.


    Niemand wird sich an Dich in Angst erinnern, sondern als einen erbärmlichen, feigen, dreckigen, Kinder misshandelnden Versager der Du warst.


    Du bist ein Stück Scheiße, dass solche Kinder niemals verdient hatte, fahr zum Abgrund Dunwin. Da gehörst Du hin und verschone die Welt endlich mit Deiner Anwesenheit“, zischte Varmikan drohend.

    „Mit dem was Du über mich sagst, hast Du Recht Frostalb…
    Aber entgegen Deiner Vermutung möchte ich Dave nicht schaden… ich möchte mit ihm sprechen…
    Ich möchte mich erklären… damit er versteht…
    Und ich möchte ihn um etwas bitten…
    Euer Haus werde ich nicht ohne Euer Einverständnis betreten…
    Bitte gewähre mir eine Aussprache mit Deinem Mann… es wird ihm nicht schaden… vielleicht wird es ihm sogar helfen…
    Und ich möchte eine Bitte an ihn herantragen… nicht mich betreffend… ich erwarte weder Verständnis noch Absolution von ihm…
    Aber ich muss mit Dave sprechen… bitte…“,
    erklärte Dunwin höflich.

    Varmikan musterte den Geist dermaßen eisig, wie Dunwin zuvor noch nie eine Person starren sah. Der Frostalb dachte eine ganze Weile nach, bevor er knapp nickte.

    „Gut, aber nur in meinem Beisein. Ein Ton, ein einziger Ton der meinen Mann bedroht oder beleidigt und Du wirst leiden, ich schwöre es Dir. Nicht Du persönlich, dass dürfte Dir ja klar sein. Ich handhabe es dann wie Du, ich lasse jemanden an Deiner Stelle leiden, jemanden der Dir was bedeutet, jemanden den Du magst.


    Viele Personen stehen da ja nicht zu Auswahl, aber zwei sind besser als keiner. Aus dem Grund rate ich Dir, Dich an Dein Wort zu halten, dann halte ich mich an meines. Du bekommst Dein Gespräch und wir bleiben friedlich. Und hattest Du Dein Gespräch, wirst Du Dave für immer in Ruhe lassen. Sonst kannst Du die Abmachung sofort streichen. Verstanden?“, hakte Varmikan nach.

    „Verstanden Varmikan und abgemacht, ich werde Dave nach dem Gespräch nicht mehr behelligen….
    Deine Drohung gegen meinen Bruder und Linhard ist unnötig…
    Sie haben nicht vor Dir zu schaden… sie haben nichts mit meinem Gesprächswunsch zu tun…
    Vielmehr hat Brandur mir dies ermöglich und mir gestattet…“,
    erläuterte Dunwin.

    „Sicher nicht aus Nächstenliebe meinem Mann gegenüber. Falls Du wirklich glaubst, was Du da von Dir gibst Dunwin, bist Du dämlicher als ich dachte. Er hat Dir das nicht aus Selbstlosigkeit erlaubt, denn sollte Dir das Gespräch tatsächlich wichtig sein, hat Brandur zwei Gletscherwürmer mit einem Hieb erschlagen.


    Du hast was Du Dir gewünscht hast und bist Deinem Bruder was schuldig und Dave hat er nebenbei seine Macht demonstriert, ihn selbst Zuhause noch seinen ärgsten Feind auf den Hals hetzen zu können. Und dies sogar nach dessen Tod. Also sprich nicht davon, dass Brandur Dave nicht schaden möchte.


    Wäre dem so, wärst Du gar nicht beschworen worden. Das nur zur Info. Ich rede mit meinem Mann, Du wartest hier draußen. Du wirst unser Haus überhaupt nicht betreten oder mit Deiner Präsenz verseuchen. Das Gespräch findet vor der Tür statt. Bis gleich“, antwortete Varmikan und knallte die Tür zu.

    Der Frostalb lehnte sich innen kurz mit dem Rücken gegen die Tür und atmete durch, dann wandte er sich an seinen Mann. Dave musterte Varmikan fragend.

    „Soll ich wirklich mit ihm reden?“, fragte Dave sichtlich nervös.
    „Ja Sternchen. Nicht für ihn, sondern für Dich. Das könnte Dir einiges erleichtern und Fragen beantworten, die Deine Gedanken heute noch quälen. Zudem ist Dein Vater ein getriebener Geist vermute ich.


    Er muss Dir etwas sagen, sonst kann er nicht ruhen. Das heißt, er wird solange versuchen mit Dir Kontakt aufzunehmen, bis er loswerden konnte was er Dir sagen möchte.


    Das machen Deine Nerven nicht mit Sternchen. Darum rede bitte mit ihm für Dich und für mich. Wir beide machen das gemeinsam Davy, ich bin die ganze Zeit an Deiner Seite und stehe Dir bei. Das werde ich immer Davy, das schwöre ich Dir“, sagte Varmikan liebevoll.

    Dave ging auf seinen Mann zu, nahm ihn fest in die Arme und drückte ihn an sich.

    „Keine Ahnung warum ich solche Angst hatte mich Dir anzuvertrauen“, flüsterte Dave.
    „Nana, dass weißt Du sehr wohl Schätzchen. Das kommt davon, da Du mir nicht zuhörst, mein Mann hat keine Angst vor mir. Gleichgültig wie schwach Du bist oder was Du angestellt hast, ich helfe Dir und beschütz Dich.


    Dass ist meine Aufgabe. Du bist doch auch für mich da, oder hast Du mir je gesagt, naja das bisschen Wärme, reiß Dich mal zusammen? Nein Du hast sogar dran gedacht, was ich benötige bei unseren Eheringen, die sind nicht ohne Grund aus Dunkelstein. Komm wir reden mit Deinem Vater“, flüsterte Varmikan zurück.
    „Machen wir“, stimmte Dave zu.


    Dave trat an der Seite seines Mannes aus dem Haus. Dunwin musterte die beiden sich nähernden Gestalten.

    „Es freut mich, dass Du meinem Ruf gefolgt bist Dave...“, eröffnete Dunwin das Gespräch, während sein Sohn und sein Ehemann im ausreichenden Sicherheitsabstand zu Dunwin stehen blieben.
    „Diese „Freude“ verdankt Ihr meinem Mann. Sprecht Vater!“, forderte Dave unmissverständlich.

    „Nun ich möchte mich erklären, entschuldigen und um etwas bitten…“, setzte Dunwin an, wurde aber sofort von Dave unterbrochen.
    „Bitte abgelehnt. Eure Erklärungen waren seit jeher fragwürdig, Eure Entschuldigungen sind nichts weiter Hohn. War es das?“, fragte Dave eisig.

    „Dave… ich bat Dich nicht um eine Aussprache um mit Dir zu streiten...
    Höre Dir doch wenigstens an, was ich zu sagen habe....
    Dafür bist Du doch hergekommen oder nicht?“,
    fragte Dunwin etwas verzweifelt.


    „Nicht so vertraulich, Ihr habt zu Lebzeiten doch auch stets auf das liebevolle IHR bestanden, da möchte ich mich nicht minder verhalten. Euch wurde weder das SIE noch das DU angeboten!


    Wahrt den Stand Toter! Dave gebührt Euch nicht, mein Name lautet Freiherr von Hohenfelde-Eisseher. Euch sei erlaubt meine Person rein mit Titel anzusprechen, zwecks Würdigung…“, erklärte Dave und machte eine wegwerfende Handbewegung.

    „Nun, ich kann Dich selbstverständlich mit Deinem vollen Namen samt Titel ansprechen…
    Aber dies wäre der Sache abträglich Sohn...
    Ich schlage vor, wir treffen uns erneut sobald Du selbst bereit bist mir zuzuhören... Deinen Groll auf meine Person verstehe ich nur zu gut...
    Aber ich bat Dich nicht grundlos her...
    Das wird Dein Mann verstanden haben...
    Wünscht Du überhaupt zuzuhören?“,
    fragte Dunwin.
    „Nein wünsche ich nicht…“, zischte Dave.

    „Sekunde mal bitte“, mischte sich Varmikan ein.


    `Dave, Sternchen ich verstehe Deine Reaktion. Aber das hier machst Du nicht für ihn, sondern für Dich. Höre ihm zu und stelle ihm Deine Fragen. Wird Dir seine Erklärung zu dumm, dann können wir immer noch gehen.


    Aber so wirst Du Dir die ganze Zeit weiterhin die gleichen Fragen stellen. Warum hat er mich dermaßen gehasst? Was hat er damit gemeint er hasst nicht mich, sondern das was ich bin? Das ist vielleicht die letzte Chance auf eine Antwort – nutze sie. Und falls sie Dir nicht passen, lass ihn zum Abgrund fahren´, übermittelte Varmikan.

    Dave nickte knapp und musterte Dunwin, er starrte seinem Vater in die Augen ohne mit der Wimper zu zucken.

    „Gut… sprecht, ich bin bereit zuzuhören. Aber vorher werdet Ihr etwas beantworten. Was meintet Ihr mit der Aussage, Ihr hasst nicht mich, sondern dass was ich bin? Was sollte ich anderes sein als ich? Und weshalb der Hass? Euer Leben war wohlmöglich der Abgrund, aber das gab Euch verdammt noch mal nicht das Recht unseres in einen zu verwandeln.


    Und nebenbei bemerkt, Ihr wart nie ein Vater!
    Wisst Ihr wer mein Vater war, so krank sich das für andere anhören mag?
    Hä?
    Mein HUND!


    Er mochte mich, er schützte mich, er freute sich und litt mit mir!
    Es grenzte ja schon an ein Wunder, dass Ihr nicht in Erwägung gezogen habt ihn mir ausgeweidet ins Bett zu legen, als „Überraschung!“


    Den Rest von Eurem kläglichen Dasein als Vater ersetzte Ansgar, sobald sich die Gelegenheit bot. Er ließ mir väterliche Fürsorge zuteilwerden, aber Ihr?


    Ich finde keine Worte für das was Ihr seid! Ihr seid nichts weiter als niederträchtige, geistig missgebildete Missgeburt“, schnauzte Dave so wutentbrannt, dass sich seine Stimme überschlug.


    „Dave reg Dich bitte ab“, flüsterte Varmikan und hielt seinen Mann vorsorglich am Arm fest, da er befürchtete, er würde gleich auf Dunwin losgehen, was überhaupt nichts bringen würde.

    „Damit hast Du wohlmöglich Recht, mit dem was ich bin...
    Zu Deiner Frage – ich habe nicht Dich persönlich gehasst Dave...
    Ich habe Deine Gabe gehasst und den Umstand, dass Du von Alastair gewünscht warst...


    Ich habe versucht ihn damit zu bestrafen, dass ich Dich bestrafte...
    Ich dachte, wenn ich Dir und Ansgar die Gabe nehmen kann, dann würde er auf Euch verzichten...


    Dann würde er mich vielleicht wahrnehmen, anstatt mich zu ignorieren...
    Und irgendwo in meiner verqueren Logik dachte ich vielleicht sogar, dass wir anders zueinander stehen würden, gäbe es die Gabe nicht in unserer Familie...

    Was ich Dir angetan habe war äußerst grausam und es ist nicht wieder gut zu machen...


    Ich erbitte keine Absolution...
    Ich erhoffe sie mir nicht einmal...
    Ich habe Deinen Hass verdient, ebenso die Art wie Du mich gerichtet hast...

    Kein Kind hat das verdient was ich Dir antat...
    Ich war nicht nur als Vater abwesend...


    Ich habe weitaus schlimmeres getan...
    Ich war als Dein Foltermeister anwesend und manchmal nicht einmal das...
    Ich war als Dein Verräter abwesend, wenn ich Dich ihnen schutzlos zum Spielen überließ...


    Die Tortur hätte Alastair verdient und nicht Du Dave...
    Aber ich habe es weder begriffen, noch begreifen wollen und ja…
    Irgendwann empfand ich dabei sogar Freude...

    Es mag krank und widerwärtig sein, aber es war Macht – und die ist nicht immer sauber zu erwerben...


    Nach dem Verlust alles Weltlichem habe ich einen anderen Blick auf die Dinge erhalten und vieles wurde klarer was mir vorher verborgen blieb...


    Ich möchte Dir nur sagen, heute würde ich anders handeln...
    Vielleicht würde ich Dich genauso wenig in meiner Nähe ertragen können...
    Aber die Wahl meiner Mittel wäre keine Gewalt mehr gegen meine Kinder...
    Zur Not würde ich einfach gehen...

    Vor meiner Bitte, eine Erläuterung...
    Und ich knüpfte sogar eine Bitte an meine Bitte…
    Bitte höre mir zu und gewähre sie mir…
    Die Bitte ist selbstlos und bezieht sich auf Deine Kinder…

    Du und Ansgar Ihr wolltet es besser machen…
    Nur zu… das ist ebenfalls mein Wunsch...
    Verlasst den Weg der Finsternis Dave...

    Nur war Ansgar leider Linhards Alastair...
    Er hat ihn genauso wenig gesehen, wie Alastair mich...


    Folge Ansgar nicht weiter Dave...
    Gehe Deinen eigenen Weg...

    Meine Bitte Dave, wähle weise....
    Solltest Du Dir Kinder wünschen, dann schenk ihnen alle Aufmerksamkeit die Du geben kannst und liebe sie von ganzem Herzen...


    Gleichgültig ob sie die Gabe in sich tragen oder nicht...
    Ob es ein Junge wird oder ein Mädchen...
    Hinterfrage Dich selbstkritisch ob Du das tatsächlich kannst und dazu bereit bist, selbst wenn es schwierig wird.
    Und dann entscheide...

    Falls Du merkst, Du schaffst das nicht Dave, verzichte auf Kinder...
    Für die Kinder und Dich selbst...


    Kannst Du Deinem Kind all die Liebe und Zuneigung geben, dann schaff es Dir an und behandele es so, wie Du es Dir selbst gewünscht hättest für Dich.
    Das ist meine Bitte...“,
    erklärte Dunwin.

    Dave schaute seinen Vater mit nicht zu deutendem Blick an, ehe er knapp nickte, sich wortlos umdrehte und zurück ins Haus ging.


    Varmikan starrte Dunwin ohne zu blinzeln an und deutete auf den Ausgang.
    "Du hast was Du wolltest. Geh!", befahl der Frostalb Dunwin knapp.

  • Der Flug war schöner als der Erste, denn nun waren sie nicht auf der Flucht, sondern auf der Reise zu einem Freund. Wohlwollend registrierte Brandur, wie Linhard sich mit seiner magischen Fachliteratur abmühte. Der Junge sah rundum glücklich aus inmitten des Bücherberges, obwohl er vermutlich kaum ein Wort verstand. Brandur freute sich, dass er es diesmal scheinbar richtig machte, dass sein Ziehsohn es nicht nur mit ihm aushielt, sondern das Leben unter seiner Obhut aus vollen Zügen genoss. Brandur selbst schlief viel während des Fluges. Für ihn war die ganze Aufregung sehr anstrengend und manches war ihm auch zu viel, wie das Fehlen seines Leibdieners, wegen dem er sich ungepflegt fühlte und obendrein hungrig war, aber sie waren ja unterwegs, um eben diese Missstände zu beheben.


    In Shohiro angelant verließ Dunwin den Wyvern und machte sich auf den Weg zu Dave. Brandur war nicht wohl dabei, er hatte Sorge, dass Ansgar bei Dave sein könnte und der war als Nekromantenkollege im schlimmsten Fall eine ernste Bedrohung für seinen geisterhaften Bruder. Sicherheitshalber blieb Brandur auf allen ihm zugänglichen Ebenen mit Dunwin verbunden, damit er ihn notfalls rasch zurückreißen konnte, bevor Ansgar die Kontrolle über ihn an sich riss. Linhard verabschiedete sich eilig, um die Anschlagstafel des Rathauses zu inspizieren. Das war Brandur nur Recht, er kaufte in der Zwischenzeit drei belegte Brötchen samt Kaffee beim Bäcker, wo man gemütlich draußen sitzen konnte, bis ihm einfiel, dass er nur zwei gebraucht hätte. Diesmal war es kein schlechter Witz gewesen, sondern er hatte schlichtweg vergessen, dass Dunwin tot war. Brandur schüttelte über sich selbst den Kopf. Er wurde alt und wirr.


    Er arrangierte die drei Brötchen und die drei Kaffeebechern auf dem Tisch einer Sitzgruppe. Kaum wollte er sich setzen, kam auch schon Linhard herbeigerauscht und rannte seinen alten Großonkel fast über den Haufen. Der Junge schäumte regelrecht vor Wut! Er drückte dem ob des Stimmungswechsels etwas verstörten Brandur zwei zerknitterte Papiere in die Hand. Der steckte sie erstmal in seine Tasche. Bevor Brandur sie lesen wollte, nahm er sich die Zeit, sich würdevoll niederszusetzen, was wegen seines Rückens und dem fehlenden Gehstock sehr umständlich und langwierig erfolgte, da er sich an Tisch und Stuhllehne abstützen musste, ohne irgendwas davon umzureißen.


    "Setz dich bitte", forderte er anschließend Linhard auf, auch, wenn diesem wohl gerade nicht zum Essen zumute war. "Ich esse nicht gern allein und habe es zu oft tun müssen. Kasimir war mir keine große Hilfe in dieser Hinsicht. Bitte leiste mir Gesellschaft und iss etwas." Er trank einen Schluck des heißen Kaffees, der nicht halb so gut schmeckte, wie jener, den ein Rakshaner gekocht hatte, aber den er trotzdem genoss und biss von seinem Brötchen ab. Das Letzte, was er tun würde, wäre sich von irgendeinem Papier das erste richtige gemeinsame Frühstück mit seinem Großneffen verderben zu lassen. Er kaute in Ruhe den Bissen herunter, ehe er sich die Hände mit einem Tuch abwischte, Frühstück und Kaffee etwas beiseiteschob und die Papiere auf dem Tisch glatt strich. Er las langsam, ohne eine sichtbare Regung.


    Der arme Junge hingegen war völlig außer sich, dabei war mit so etwas doch zu rechnen gewesen. Aber ihm das auf die Nase zu binden, war wenig hilfreich. Also bestellte Brandur ihm stattdessen ein Stück süßen Pflaumenkuchen, da er nicht wusste, wie er ihn sonst aufmuntern oder trösten sollte. Dazu einen Kakao mit extra viel frisch geschlagener Sahne. Er wartete, bis das Gewünschte hingestellt worden und die Bedienung wieder verschwunden war, dann fragte er Linhard: "Wie fühlst du dich? Und was möchtest du nun tun?"


    Gedanklich tastete er derweile nach Dunwin. Er war kein Geistmagier, doch als untotes, unter seiner Kontrolle stehendes Geschöpf war Dunwins Präsenz für Brandur kein Geheimnis. Nach einem Lebenden hätte er in dieser Form freilich nur sehr bedingt tasten können.


    'Dunwin, kleiner Bruder, du musst sofort zu uns zurückkehren, wenn du deine Angelegenheiten erledigt hast. Linhard braucht uns jetzt beide. Wir müssen an seiner Seite sein. Kurzfassung: Ansgar hat ihn aus der Familie verstoßen mit allen Konsequenzen und Anwolf via Abdikation zum neuen Familienoberhaupt der von Hohenfeldes ernannt. So glaubt er wohl, allen Erbstreitigkeiten zwischen seinen Söhnen vorzubeugen beziehungsweise deren Ergebnis nach seinem Wunsche zu formen. Er wähnt sich schlau, Linhard zu entmachten und aller Rechte zu entheben und natürlich will er ihn auch verletzen mit dieser Geste.


    Ich aber sehe hier eine einmalige Chance. Der Junge ist nun mehr oder weniger eine Waise. Er braucht eine Familie, nicht nur pro forma, sondern eine wirkliche, in deren Geschicke er verwoben ist, sonst ist er wie ein entwurzelter Baum. Dunwin, ich möchte Linhard adoptieren. Ich möchte, dass er wirklich mein Sohn wird und nicht nur mein Ziehsohn.


    Bisher habe ich mich mit derlei nicht auseinandergesetzt, doch entsprechend der Logik müsste Linhard durch diesen Akt nicht nur seinen Stand und seinen vollen Namen zurückerhalten, sondern auch alle Rechte, die damit einhergehen. Liege ich damit richtig?'

  • Linhard gehorchte umgehend, als sein Großonkel ihn bat, sich zu setzen. Brandur hatte Recht. Was nützte es, dass er herumstand und wetterte wie ein altes Waschweib? Davon wurde weder die Verstoßung rückgängig gemacht, noch die Abdikation.


    Brandur aß in aller Ruhe einige Bissen und Linhard tat es ihm gleich. Allerdings stürzte er als erstes den Kaffee herunter, in der Hoffnung sich damit etwas zu beruhigen. Die Hoffnung war vergebens. Während Brandur die beiden Aushänge zur Hand nahm und las, aß Linhard sein Brötchen.


    Den für ihn eigens bestellten Pflaumenkuchen aß Lin dann schon mit wesentlich besserer Laune. Heute war ihm völlig gleichgültig ob er mehr nach dem Kuchenstück mehr auf die Waage brachte. Der Kakao beruhigte seine Nerven. Er war warm, süß und mit Sahne gekrönt. Er gönnte sich sogar die Sahne, obwohl er sie sonst verschämt hätte.


    "Wie ich mich fühle? Bis vor einigen Minuten war ich wütend und hätte Ansgar am liebsten den Hals umgedreht. Aber nun, fühle ich mich von ihm nur noch verraten und verstoßen. Und benutzt, genau... ich fühle mich benutzt. Jahrelang war ich für die Drecksarbeit gut genug. Wie heißt es? Das Pferd das den Hafer verdient hat, wird ihn niemals fressen.


    Was ich tun möchte, sage ich besser nicht.
    Was ich tun kann ist schnell erläutert - nichts.
    Ich kann nichts gegen seine Entscheidung tun.


    Dave könnte auf Wolfi einwirken, aber warum sollte er das tun? Wobei Dave oft für mich gesprochen hat. Wolfi selbst könnte etwas gegen Ansgars Entscheidung unternehmen.


    Er könnte mich wieder in die Familie aufnehmen, aber er wäre wohl kaum bereit, selbst eine Abdikation zu unterschreiben und mir das Amt zu überlassen. Das kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. Zumal Ansgar ihn dann vom Gegenteil überzeugen wird.


    Vielleicht könnten wir Dave oder Wolfi trotzdem überzeugen mir eine Apanage zu zahlen? Sprich die die Abfindung der nichtregierenden Mitglieder eines Adelsgeschlechts mit Landbesitz, Einkünften aus Liegenschaften oder Geldzahlungen zur Ermöglichung eines standesgemäßen Lebenswandels?


    Aber die Apanage hat Ansgar mit der Verstoßung ausgeschlossen. Keine Mittel aus Ländereien, dem Titel und so weiter. Unsere einzige Chance wäre mit Dave oder mit Wolfi zu reden. Ansgar hat sich selbst vom Spielbrett genommen, indem er seinen Verzicht propagierte und Anwolf einsetzte.


    Mit solchen Spielchen kenne ich mich leider nicht aus, dass war eher das Metier von Ansgar, Dave und Wolfi.


    Das sind die Geschäftsmänner in unse... in Anwolfs Familie.


    Ich war unter der Hand der Vollstrecker. Marlo hat einen das gleiche Arbeitsfeld in seiner Familie und für die von Wigbergs, er ist das Schwert in der Dunkelheit. Wir führten Aufträge aus, wir erteilten keine und wir führten keine Geschäfte.


    Nicht dass mir die Befähigung dazu fehlen würde, aber Ansgar hat sich in dieser Sache nur Wolfi angenommen. Und auch nur Wolfi war es, der von Dave in Buchhaltung und sagen wir mal geschäftlichen Gaunereien ausgebildet wurde.


    Wolfi kann Dir alles schön rechnen, oder Dir eine Rechnung schreiben, die Dich auf Generationen verschuldet - und irgendwie kommt er damit durch.
    Vermutlich hat Ansgar es bewusst so gehalten. Anders ist es nicht zu erklären",
    erklärte Linhard.


    Schlagartig fühlte er sich müde und träge. Von der Erkenntnis, wie auch von den warmen Getränken die seinen Magen und seine Nerven beruhigten.


    Gedankenverloren rührte er mit dem Löffel im Kakao und naschte Löffelweise die Sahne herunter.

  • Dunwin lauschte seinen Bruder und machte sich umgehend auf den Weg.


    `Nun ich hatte es befürchtet... ich kehre zu Euch zurück Bruder...
    Der Fall ist etwas anders geartet...


    Es erbt bei uns der Bruder... der überlebt...
    Überleben mehrere... siehe Ansgar und Dave... so erbt der Erstgeborene...
    Der Ältere zahlt dem jüngeren Bruder samt Anhang eine Apanage...
    Ebenso würde es sich mit Schwestern verhalten... sie erhalten immer eine Apanage...
    Kurzum damit die Geschwister und deren Kinder standesgemäß leben können...


    Dein ältester Bruder Kunwolf - ist tot...
    Dein jüngster Bruder Dunwin - ist tot...
    Folglich gehört Dir der Familienthron, samt Deinen Nachkommen Brandur...


    Deine Kinder sind tot...
    Ist Linhard Dein Kind, erbt er alles...


    Da meine Kinder, Ansgar und Dave noch leben, würde ihnen eine Apanage zustehen...
    Du kannst Ansgar selbstverständlich aus der Familie verstoßen...
    Und auch Dave...
    Aber ihr eigenes, privates Vermögen werden sie behalten...


    Dave folglich sowieso, da er niemals Thronfolger war, sondern stets eine Apanage erhielt...
    Alles was er sich bis zum heutigen Tage angeschafft hat, bleibt sein Eigentum...


    Alles was sich Ansgar als Privateigentum angeschafft hat, bleibt sein Eigentum...


    Sämtlicher Familienbesitz würde in Deine Hände fallen, solltest Du auf Amtsübernahme pochen...
    Von Alastair geerbt, Eltern und deren Abkömmlinge....
    Du bist Alastairs Sohn... älter als ich... folglich vor mir in der Erbfolge...
    Ich habe nur geerbt, da Du tot warst...
    Du bist nicht tot...


    Du würdest den Familienbesitz beanspruchen können, aber wie gesagt auch nur diesen...
    Kein Privatvermögen...
    Adoptierst Du Linhard als Deinen rechtmäßigen Sohn, so wird er nach Deinem Tod alles erben...´,
    erläuterte Dunwin.


    Es dauerte eine Weile, dann gesellte sich die blaue, schemenhafte Gestalt zu ihnen an den Tisch. Obwohl es nicht nötig war, nahm Dunwin Platz und setzte sich zu Brandur und Linhard dazu. Mit wehmütigen Blick schaute er auf den Kaffee.


    "Ich vermisse den Geschmack von gutem Kaffee...
    Und Schnaps... was vermisse ich den Geschmack von Obstbrand...",
    seufzte Dunwin.


    Der Geist machte es sich am Tisch gemütlich und schaute Brandur an.


    "Die Aussprache... fand statt...
    Dave hat mit mir gesprochen...
    Er war zuerst überhaupt nicht zugänglich... er war sehr stur... und voller Hass...
    Was ich nur zu gut verstehen kann...
    Sein Mann hat mir beigestanden... nicht für mich... sondern für Dave...
    Aber nach anfänglichem Zögern, hörte er mich tatsächlich an...
    Und gen Ende, nahm er sogar meine Bitte an...
    Er war konsterniert über meine Bitte... und dennoch irgendwie... positiv überrascht...
    So schien es mir...
    Danke für die Gelegenheit Brandur...",
    sagte Dunwin erleichtert.

  • Auf Dunwins Dank hin nickte Brandur nur knapp. Für ihn war das nicht der Rede wert und fast war es ihm unangenehm, dafür ein Danke zu erhalten. Es war, wie sein Bruder sagte: Sie hatten sehr viel nachzuholen. Und das würden sie tun.


    "Dave und sein ... Mann scheinen der Vernunft zugänglich. Wenngleich mich die Tatsache ihrer Hochzeit noch immer mit Skepsis erfüllt, bin ich positiv gestimmt zu hören, dass der Alb, ich habe seinen Namen vergessen, ihm beisteht, wenn es erforderlich ist. Davard verhielt sich bei unserem Wiedersehen vorbildlich und weitaus weniger feindselig als sein unglückseliger Bruder. Jedoch nehme ich es Davard nach wie vor übel, wie er mit Linhard umgegangen ist. Sollte er sich allerdings entschuldigen und Linhard eine würdige Entschädigung zukommen lassen, werde ich in Erwägung ziehen, sein Handeln einmalig zu vergeben und ihn nicht in den Kreis unserer Feinde aufzunehmen."


    Brandur hatte fertig gespeist und wischte seine Finger mit dem Tuch sauber, dass er anschließend ordentlich zusammenlege und in seiner Manteltasche verwahrte. Danach schwieg er und sammelte sich. Vermied es, Linhard oder Dunwin anzusehen. Legte die Finger übereinander. Betrachtete das Haus gegenüber, damit sein Blick nach vorn gewandt blieb, während er überlegte.


    "Linhard", sagte er dann. "Wir sind gerade am richtigen Ort. Begib dich mit mir ins Rathaus und sei mir als Zeuge dabei behilflich, mein formales Ableben rückgängig zu machen. Ich lebe und gedenke, von diesem Umstand Gebrauch zu machen und meinen rechtmäßigen Platz als Oberhaupt dieser Familie einzufordern. Es ist lange überfällig, dass ich mit eigener Hand für Ordnung sorge. Ich fordere zudem beglaubigte Duplikate all meiner Dokumente an, ebenso der meiner Frau und meiner Kinder, damit ich alles beisammen habe, ohne Ansgar anbetteln zu müssen. Ich werde ein neues Stammbuch anlegen. Es wird eine Neuerung im Vergleich zu seinem Vorgänger aufweisen, ein viertes Kind wird darin aufgeführt sein, ein dritter Sohn, der lebt. Er trägt den Namen Linhard von Hohenfelde."


    Damit war es ausgesprochen und entschieden. Brandur hatte nicht vor, Linhard nach seiner Meinung zur Adoption zu fragen. Er erhob sich genau so langsam und umständlich, wie er sich zuvor hingesetzt hatte und brauchte eine Weile, sich gerade hinzustellen.


    "Einen Gehstock werde ich ebenfalls kaufen. Linhard, pack Dunwins Brötchen für später ein."

  • Linhard musterte Brandur erstaunt und steckte das Brötchen ein.


    "Sein Mann heißt Varmikan und zu mir war er bei unseren wenigen Begegnungen immer freundlich. Er bemüht sich um Dave und die Familie. Viel ist nicht mehr davon übrig, aber er hatte ja auch auf der Hochzeit versucht uns zu versöhnen Brandur. Natürlich leistet er das vorrangig für Dave, trotzdem hatte er es nicht versuchen müssen.


    Dave ist weitaus weniger stur als Ansgar. Du hast es selbst erlebt, Ansgar brüllt und später überlegt er. Dave sagt meist nichts, hört Dir zu, überlegt und falls er etwas gegen Dich hat, wird er Dir das in den seltensten Fällen mitteilen.


    Aber gegen mich hatte er bis dato nichts, ich wette immer noch, dass Ansgar ihm sagte greif Lin an. Ansgar und Dave sind wie Feuer und Wasser, unterschiedlicher geht es kaum. Aber sobald sie Seite an Seite kämpfen, ergänzen sie sich deshalb sehr gut. Das ist gefährlich.


    Wobei Du und Dunwin Ihr seid auch Feuer und Wasser und Eure Ergänzung ist ebenso gefährlich. Zudem sind Ansgar und Dave zwei Magier, im Nahkampf können sie nichts ausrichten und dafür habt Ihr beiden mich. Allerdings hoffe ich, dass wir Dave nicht bekämpfen müssen, sondern ihn für uns gewinnen können.


    Ansgar würde ich gerne die Quittung präsentieren.
    Und ihn zur Rede stellen, was die ganze Scheiße überhaupt sollte und warum er so reagiert hat. Seine Reaktion war völlig überzogen! Wie immer, er muss immer seinen Willen durchsetzen und das mit dem Kopf durch die Wand!


    Bezogen auf Dave, eventuell könnte er für uns arbeiten oder wir ihn von unserer Seite überzeugen? Das wäre praktisch, vor allem was das Geschäftliche angeht. Und es wräe eine gute Wiedergutmachung. Ich hätte trotzdem nichts gegen eine weitere Wiedergutmachung einzuwenden. Er hätte ja nicht auf Ansgar hören müssen.


    Wir könnten mit ihm verhandeln, sobald Du Familienoberhaupt bist Brandur.


    Er wäre dumm würde er Deine Hand ausschlagen. Jedenfalls würde er begreifen, welche Bedeutung dahinter steckt. Wie Ansgar sagte für oder gegen uns. Für uns wäre für uns alle von Vorteil, auch für ihn. Gegen uns, davon haben wir alle nichts und Du könntest ihn sogar aus der Familie werfen.


    Das könntest Du ebenso mit Ansgar, Fingard und Anwolf. Falls Du das möchtest.


    Ich bezeuge Dir was immer Du möchtest. Und nichts bezeugt meine Aussage mehr als meine Verstoßung. Wäre ich nicht blutsverwandt, hätte man mich nicht verstoßen. Den Wisch habe ich noch in der Tasche, oder habe ich ihn Dir gegeben? Ich meine schon", antwortete Linhard und tastete seine Taschen ab.


    "Korrekt und die Schreiben haben sie hier im Rathaus ganz sicher vorliegen...
    Alle Urkunden müssen sie vorliegen haben....
    Sie werden Dir Ausfertigungen aushändigen...


    Beantrage die Aufhebung der Todesfeststellung, samt Eintritt der gesetzlichen Erbfolge Bruder...


    Ich, wie auch meine Kinder erbten unrechtmäßig...
    Du erbst von Alastair den Familienbesitz....


    Dave schwieg nicht immer dermaßen...
    Er erlernte es von Archibald... und mir...
    Wie einiges andere...


    Allerdings könnte Dir Archibald auch einiges beibringen...
    Auf andere Weise selbstverständlich...
    Wir sollten ihn aufsuchen Lin... Du und ich...
    Für Dich geht von ihm keine Gefahr aus... das versichere ich Dir...",
    warf Dunwin ein.


    "Gut machen wir. Kenne ich ihn?", hakte Lin nach, packte das Brötchen von Dunwin wieder aus und ließ es sich schmecken.


    Dunwin musterte Lin kurz irritiert.


    "Du solltest Dich nicht so vollstopfen Linhard...
    Völlerei und Maßlosigkeit sind für den Körper schädlich... merke Dir dass....
    Nein ich glaube Du kennst Archibald nicht...


    Junker Archibald von Dornburg...
    Ein Mann von Stand... absolut loyal...
    Von gleicher Befähigung wie wir... Du wirst ihn mögen...
    Allerdings musst Du ihn in meinem Beisein kennenlernen...
    Ansonsten könnte er dies missverstehen... Linhard...
    Und dies wäre äußerst gefährlich für Dich...


    Ich stelle ihn Dir vor...


    Sollte Ansgar oder Dave beabsichtigen Dich anzugreifen...
    Nun... seine Präsenz hätte die gleiche Wirkung wie meine...
    Nur Archi lebt und ist handlungsfähig...


    Er war mein Wahlbruder... wir waren uns nahe...
    Er hat... nun... nennen wir es Anfälle...
    In einem seiner Anfälle... verfügt er über keinerlei Kontrolle über sich...


    Archi soll Dir beistehen, wie er mir einst beistand...
    Nur schwöre mir... falls Du je eine Familie gründest...
    Wirf ihn sofort aus dem Haus... oder... Du verstehst schon...",
    erklärte Dunwin.


    Linhard musterte Dunwin völlig perplex und überfordert.


    "Das klingt nicht gerade nach einer vertrauensvollen Person. Im Gegenteil, dass klingt als wäre er ein Vampir oder Menschenfresser", warf Lin besorgt ein.
    "Nein... er ist kein Vampir...", gab Dunwin zurück und versuchte die Kaffeetasse umzustoßen.


    "Falls Brandur mitkommt, ja, ansonsten verzichte ich auf die illustre Gesellschaft dieses Edelmannes. Irgendwie, nimm es mir nicht übel, verschweigst Du mehr als dass Du über ihn preisgeben würdest. Und dass ist mir unheimlich", antwortete Lin.


    "Archi wird Dich vor Ort selbst aufklären...
    Sein Zuhause wird Dich aufklären...
    Er ist ein Sammler...",
    warf Dunwin ein.


    "Brandur und ich regeln zuerst seine... unsere Familienangelegenheiten. Du kannst gerne hier solange warten und weiter mit der Tasse spielen. War nur Spaß. Wir brauchen hoffentlich nicht so lange, Behördengänge sind nicht meine Stärke. Das mit Archibald überlegen wir uns nachher.


    Und wir müssen für Brandur auch noch den Gehstock organisieren. Ich hätte vorgeschlagen, dass Du das so lange übernimmst, während wir im Rathaus sind, aber das wird vermutlich nicht gehen", erklärte Linhard und zuckte die Schultern.


    Der junge Naridier wandte sich Brandur zu und hakte ihn unter. Umsonst hatte sein Großonkel nicht davon gesprochen, einen neuen Gehstock kaufen zu wollen. Gemeinsam ging er mit Brandur gemächlichen Schrittes ins Rathaus, so dass sein Adoptiv-Vater in Spee auch mühelos Schritt halten konnte.


    Linhard freute sich sehr über die Geste. Gleichgültig was andere davon halten würden, ob er etwas erbte oder nicht, all das interessierte Lin im Moment überhaupt nicht mehr. Denn die Geste von Brandur zeigte ihm eins, er wurde nicht nur von ihm akzeptiert, sondern er war auch gewollt. Mehr Wunschkind konnte man nicht sein.


    Als sie längst außer Hörweite von Dunwin waren, wie Linhard hoffte, wandte er sich an seinen Onkel.


    "Brandur wie soll ich Dich nach der Adoption ansprechen? Also wie darf ich Dich nennen?", fragte Linhard freundlich.


    "Wer oder was ist dieser Archibald wirklich?", schob Lin so leise flüsternd nach, dass ihn Brandur so gerade noch verstehen konnte.