Buch 1 Hohenfelde -- Kaptitel 05 - Das verborgene Tal

  • Wolfram war gerade in ein äußerst angenehmes Gespräch mit Kasimir vertieft, als es gegen die Tür hämmerte als gäbe es keinen Morgen. Wolfram fuhr erschrocken zusammen. Die Miene des Kampfmagiers verfinsterte sich, er stand in einer fließenden Bewegung auf, ging schnurstracks zur Haustür und schnappte sich unterwegs seine Waffe.


    Für einen kurzen Moment bündelte er seine Gedanken um der Person auf der anderen Türseite zur Not einen Mentalschlag zu verpassen, als er eine bekannte Aura spürte. Wolfram steckte sein Schwert weg und öffnete die Tür.


    Der Magier schaute Brandur einen Moment tadelnd an, ehe er grinsen musste mit wem Brandur scheinbar alles angerückt war.


    "Schön Dich zu sehen Brandur, Dein Kasimir erwartet sehnsüchtig Deine Rückkehr. Hat es irgendeinen besonderen Grund, dass Du meine Haustür einschlagen möchtest? Ich erkläre Dir gerne die Funktion einer Türklinke.
    Spaß beiseite, kommt rein und fühlt Euch wie Zuhause.


    Es kam leider zu einem kleinen bedauerlichen Missgeschick, was Kasimir betrifft. Ich erkläre es Dir direkt vorab, bevor Du den Keller hinab steigst um ihn aufzusuchen. Dir ist sicher als Nekromant der Erdhügel aufgefallen. Mal etwas seicht umschrieben, Beaunois hat das gemeinsame Trinkgelage mit Kasimir nicht überlebt. Kasi hat meinen Diener... leider ausgetrunken.


    Er nimmt sich diesen Fauxpas sehr zu Herzen und ist extrem bekümmert über seine Unbeherrschtheit. Ich persönlich habe ihm verziehen Brandur und gleiches erwarte ich auch von Dir in meinem Haus.


    Du kannst und darfst Kasimir keinen Vorwurf machen, ich glaube es lag einfach nicht in seiner Gewalt, ob er dem Drang widerstehen kann oder nicht. Er hat sich selbst gegeisselt für sein Vergehen und es nagt noch immer an seiner Seele", erklärte Wolfram leise.


    Wolf gab den Weg frei, damit alle eintreten konnten und deutete dann Richtung Keller.


    "Folgt mir bitte", sagte er freundlich und ging vor.

  • "Das letzte Mal bin ich anders empfangen worden", beschwerte sich Brandur. "Heutzutage muss ich offenbar jedes Mal zuvor eine Moralpredigt gefallen lassen, ehe es mir gestattet ist, über die Schwelle zu treten. Wolfram, ich bin 62 Jahre alt, kenne Begriffe wie Gastrecht und mir wurde in der Kinderstube angemessenes Benimm beigebracht."


    Zu Tode beleidigt ob der Belehrung schob Brandur Wolfram mit dem Gehstock aus dem Weg. Dahinter stand auch schon Kasimir, der sich sogleich elegant verneigte. "Willkommen zurück, Herr von Hohenfelde! Eure Anwesenheit wurde schmerzlich Vermisst."


    Brandur musterte den Schleimer einen Augenblick mit nicht zu deutender Miene, während Kasimir vorsichtshalber in verneigter Haltung verharrte, auf das Donnerwetter wartend. Brandur schob das spitze Ende des Spazierstocks in dessen Kragen und hob das Hemd vom Rücken, so dass er hineinschauen konnte. Am Rücken war von der Haut nicht mehr viel Übrig.


    "So, du meinst also, wenn du die Strafe vornewegnimmst, entgehst du meinem Zorn?", sprach Brandur leise. "Wolfram hat mich vorhin ja so freundlich darum gebeten, dir zu vergeben. Gut. Ich vergebe dir."


    Damit drosch er Kasimir mehrmals auf den offenliegenden Rücken. Kasimir kreischte und brüllte immer wieder: "Ich habe es verdient! Ich habe es verdient!", wie um den Schmerz vor sich selbst und den anderen Anwesenden zu rechtfertigen während das Trommelgewitter auf ihn niederprasselte. Brandur schlug so hart zu, als wolle er Holz spalten. Er hatte einen seiner seltenen Wutausbrüche, zu denen scheinbar jeder von Hohenfelde fähig war, sogar ein so abgebrühtes Exemplar wie er.


    "Den guten Beaunois ermordet! Den tüchtigen und zuvorkommenden und obendrein Leibdiener meines Gastgebers! Und dann glaubst du, wenn du dich selbst geißelst, entgehst du der gerechten Strafe! Wir sind hier in Naridien und nicht in Almanien, aber wenn du glaubst, diese lächerlichen Gesetze zur Unversehrtheit von Leib und Leben würden dich schützen, hast du dich geirrt! Du bist mein Leibdiener und als solcher hast du dich meinem Wort zu beugen! Habe ich dir die Anweisung gegeben, Beaunois zu beseitigen? Hattest du einen Befehl von mir? Nein! Warum hast du es dann getan? Ich lass mir doch von dir nicht auf der Nase herumtanzen!"


    Brandur hielt erst wieder inne, nachdem er Kasimir zu einem wimmernden Häuflein Elend verarbeitet hatte. Er beachtete ihn nicht weiter und trat ins Innere des Hauses, um Wolfram in den Keller zu folgen. "Linhard, denk dann bitte an unser Gepäck."

  • Dunwin musterte das Schauspiel zwischen seinem Bruder und dessen Leibdiener. Das der Vampir Wolframs Leibdiener ausgesaugt hatte, war wirklich ein Fauxpas. Wenigstens hätte er vorher um Erlaubnis fragen können. Soweit Dunwin wusste, war Wolfram auch ein Magier und hätte Brandur für Kasimir fragen können.


    „Deine Rumheulerei ist widerwärtig… unwürdig… lächerlich…
    Stirb mit mehr Würde Du Wurm…“,
    zischte Duwin und schwebte durch Kasimir hindurch um Brandur zu folgen.

  • Linhard hörte Wolfram etwas irritiert zu und aß erstmal noch einen Pfefferkuchen. Ihm war nicht ganz bewusst, wieso Brandur Kasimir verzeihen sollte. Gut Lin war es von Zuhause nicht anders gewöhnt, Personal war ersetzbar, im Grunde war jeder ersetzbar, der seinen Posten nicht mit Klauen und Zähnen zu verteidigen wusste.


    Was Ansgar ja am eigenen Leib zu spüren bekommen hatte. Oder vielmehr noch spüren wird, dachte Lin und grinste über beide Ohren. Immerhin hatte er ihn nicht nur vor die Tür gesetzt, sondern ihm alles genommen, was er hatte. Von daher empfand Linhard kein Mitleid mit dem Kerl.


    Mit Kasimir allerdings genauso wenig und mit dem Leibdiener noch weniger. Kasimir hatte sich seine Tracht Prügel redlich verdient, da er Brandur bloßgestellt hatte. Und Wolframs Worte machten die ganze Sache noch schlimmer. Vermutlich hatte Kasimir Wolfram angebettelt, ein gutes Wort für ihn einzulegen. Im Grunde hatte er allein dafür schon eine weitere Tracht Prügel verdient. Aber es stand Lin nicht zu, darüber zu entscheiden.


    Mit absolut gleichgültigem Gesichtsausdruck schaute er der Bestrafung zu. Sein Geisterhafter Großvater Dunwin konnte sich einen Spruch nicht verkneifen, der mehr als passend für einen Hohenfelde war. Es war wirklich eine Schande wie Kasimir jammerte. Dabei hatte er selbst zugegeben Schuld zu sein.


    Lin zuckte mit den Schultern und kramte nach einem weiteren Pfefferkuchen, aber da war nichts mehr in seinen Taschen, außer Leere und Krümel. Wortlos folgte er Brandur. Jedes Wort war für Lin ein Wort zu viel und würde nur erneut Kasimir in seinem Ungehorsam bestätigten. Ihn etwas an der ausgestreckten Hand verhungern zu lassen, würde dem Vampir gut tun, nachdem er sich unerlaubt so vollgefressen hatte.


    Brandur hatte Recht gehabt, sie waren in Eile. Aber wer konnte schon ahnen, dass Kasimir es dermaßen schamlos ausnutzen würde, dass sein Herr nicht anwesend war? Das erst Beste was dem Vampir eingefallen war, war den Diener von Wolfram anzufallen. Und dieser Idiot schien zu blöde zu sein sich zu verteidigen. Beide hatten bekommen was sie verdient hatten. Der eine Senge und der andere den Tod.


    Lin knuffte Brandur als er neben ihn her schritt.


    „Was hast Du als nächstes vor Paps? Ich meine bezogen auf Ansgar?“, fragte Lin.


    Erstens da es ihn interessierte und zweitens um das Thema zu wechseln. Brandur sollte sich nicht dermaßen aufregen. Dafür war der Mann zu alt und Lin mochte ihn zu sehr.

  • Als Brandur auf Kasimir einschlug, heulte Sklave auf, hockte sich neben Archibald und klammerte sich schutzsuchend an dessen Bein fest.


    "Araagraaa aa daaa daaa", jaulte Sklave.


    Arch legte ihm eine Hand auf den kahlen Schädel und das Wesen verstummte sofort. Es blinzelte nur ängstlich und zuckte bei jedem Hieb den Kasimir einstecken musste zusammen.


    Archibald konnte nicht die Worte Kasimirs unterschreiben. Wäre dieser besagte Beaunois so ein guter Leibdiener gewesen, wäre es vermutlich gar nicht möglich gewesen, dass er ausgesaugt worden wäre. Wo hatte sich der Bursche herum getrieben, dass er aus dem Blickfeld seines Herren verschwunden war? Nun was ging das Archi an. Ihn interessierte der tote Diener nicht im Geringsten.


    Als Brandur mit Kasimir fertig war, gab Dunwin einen Spruch zum Besten, der Arch an ihre guten, alten Zeiten erinnerte. Er schmunzelte für einen kurzen Moment wehmütig, ehe sein Gesicht wieder ausdrucklos wurde. Als Brandur mit seiner Delegation im Schlepptau Richtung Keller davon marschierte, blieb Arch zurück.


    Von Dornburg trat neben Kasimir und hielt ihm die krallenbewehrte Hand hin um den geschlagenen Vampir beim Aufstehen zu helfen.


    „Hier nimm, ich helfe Dir hoch. Du bist also ein Vampir… hochinteressant“, sagte Archibald freundlich, während Sklave Kasimirs Rücken befühlte.

  • Wolfram starrte Brandur wie vom Donner gerührt an. Was war an "schön Dich zu sehen" so falsch gewesen? Brandur hatte doch an der Tür gescheppert, als hatte er vor das Haus niederzureißen. Wolfram hatte gerade vor, zu einer Erwiderung anzusetzen, da wurde er mit dem Stock aus dem Weg geschoben. Keine zwei Sekunden später erklärte Brandur, er würde Kasimir vergeben und schlug zu.


    Wolf dachte in der gleichen Sekunde, der Schlag würde ihm gelten. Aber anstatt das er den Stock übergezogen bekam, für was auch immer, wurde nun Kasimir windelweich geprügelt!


    Kasimir kreischte dass er es verdient habe.
    Dunwin gab seinen Senf dazu.
    Und der komische, gelbe Kerl in Begleitung von Dornburg jaulte dass sich einem die Nackenhaare aufstellten.


    Brandur zog gemeinsam mit seinen Leuten ab, während nur von Dornburg zurückblieb und Kasimir die Hand zum Aufstehen anbot. Der gelbe Kerl hatte sein Gejaule eingestellt, als der Junker es berührte. Wolfram rieb sich den schmerzenden Schädel.


    Nach Marlo zu rufen, hielt Wolfram für eine überzogene Reaktion, aber irgendwie war ihm danach. Er schaute Brandur und seinen Leuten nach, ehe er Archibald musterte.


    "Danke. Kümmert Ihr Euch um Kasimir, ich werde die Koffer reinholen. Scheinbar hat das Linhard bewusst ignoriert. Und ich muss Brandur im Moment nicht sofort begegnen. Keine Ahnung, warum er dermaßen erbost war. Die Schelte habe ich mit einem Augenzwinkern gemeint und ich war doch freundlich zu ihm oder nicht?", fragte Wolf verunsichert.
    "Sklave, Koffer!", befahl Arch und deutete nach draußen.


    Das gelbe Wesen ließ sofort von Kasimir ab und huschte nach draußen, den Befehl seines Meisters umzusetzen. Ein Gepäckstück nach dem anderen wuchtete es ächzend ins Haus.


    "Brandur kann Sarkasmus nichts abgewinnen und der Gute leidet etwas unter... Stress", schmunzelte Arch. Er hakte Kasimir unter und zog ihn auf die Füße.


    "Geht es Dir gut? Dusslige Frage, natürlich geht es Dir nicht gut. Es tut mir leid Kasimir, ich hätte nicht gedacht, dass er dermaßen ausrastet. Vielleicht hätte ich in Ruhe mit ihm sprechen sollen. Dabei hatte ich nur vor Dir zu helfen", erklärte Wolfram und stützte Kasimir von der anderen Seite.


    "Ich kümmere mich um ihn, geht Euren Gästen nach. Wer weiß, wen Brandur sonst noch züchtigt. Habt Ihr einen dunklen Ort, an dem ich mich später ausruhen kann? Richtig dunkel, ohne Tageslicht, falls möglich", bat Arch.
    "Nutzt die Speisekammer hinter dem Haus. Es handelt sich dabei um eine natürliche Höhle, die mit einer Tür versehen ist. Dort dürfte es dunkel genug sein. Es tut mir wirklich von Herzen leid Kasimir, dass habe ich nicht gewollt. Das lag garantiert nicht in meiner Absicht", erklärte Wolfram erneut und wollte Kasimir die Hand auf den Rücken legen. Er führte die Geste aber nicht zu Ende, da ihm einfiel, dass er Kasi damit mehr schaden als trösten würde.


    Wolfram nickte knapp und folgte dann Brandur in den Keller.


    "Was hat Dich dermaßen aufgebracht Brandur? Meine Begrüßung war nicht despektierlich gemeint!", sagte Wolfram und zeigte die offenen Handflächen.

  • Kasimir ergriff die dargebotene Hand ließ sich von dem Freund seines Herrn auf die Beine ziehen. "Danke, Herr!" Er schielte und taumelte herum und hatte sichtlich Mühe, sich auf den Füßen zu halten. "Mein Name ist Kasimir LaVaney, ich bin der Leibdiener von Herrn Brandur von Hohenfelde. Mit wem habe ich die Ehre?"


    Er war dankbar, dass der Mann ihn unterhakte, denn es würde eine Weile dauern, bis er wieder sicher stehen konnte. Nach der wohlverdienten Tracht Prügel drehte sich alles. Der offenbar geistig behinderter Begleiter des Herrn mühte sich mit einem viel zu großen Gepäckstück ab.


    "Wenn ich eine Empfehlung aussprechen darf: Lasst es ruhig liegen, ich kümmere mich sofort darum, sobald ich wieder ohne Hilfe stehen kann. Die Herrschaften werden sich wohl erst einmal miteinander besprechen und das Gepäck nicht sofort benötigen. Und gestohlen werden kann hier nichts, dazu ist das Tal zu verborgen und zu abgelegen. Euer Begleiter sieht krank aus. Ich habe medizinische Kenntnisse, möchtet Ihr, dass ich ihn mir einmal ansehe?"


    Fragend und schielend versuchte Kasimir, dem Mann mit dem schwarzen Mantel ins Gesicht zu schauen, das Problem dabei war, dass er ihn doppelt sah und womöglich an ihm vorbeischaute. Da der Herr einen dunklen Aufenthaltsort gewünscht hatte, führte Kasimir ihn und seinen Begleiter zu der von Wolfram erwähnten Speisekammer. Kasimir taumelte tapfer durch die Gegend, machte alles finster und schob mühsam ein paar Kisten als Sitzgelegenheiten zusammen. Da der behinderte Begleiter offenbar gern auf dem Boden herumkroch oder vielleicht auch gar nicht aufrecht laufen konnte, legte Kasimir ihm eine mehrfach zusammengefaltete Decke neben seinen Herrn, so dass er es weich hatte.


    "Darf ich Euch etwas zu Essen oder zu Trinken holen oder kann ich sonst etwas für Euch tun?", fragte Kasimir freundlich und stellte fest, dass er inzwischen wieder ganz gut stehen konnte und aufgehört hatte, zu schielen, denn er sah den Herrn nur noch einmal.


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  • Marlo


    hörte es an der Tür scheppern. Als er aufstand hörte er schon Wolf. Er sagte Brandur seine Meinung. Danach wurde Kasimir geschlagen und dieser schrie vor Schmerzen. Marlo war verwirrt. Der Trubel klang nach einen Streit, aber Wolfram rief ihn nicht. Vielleicht war er der Meinung er müsste nicht. Marlo war das egal. Er packte sich seine Waffe und folgte Wolfram. Wolf fragte Brandur gerade, was ihn so wütend gemacht hatte. Marlo stellte sich schützend neben Wolfram und zog ihn ein Stück zu sich. Irgendwie schien Wölfchen total durcheinander zu sein. Am liebsten hätte er ihn weggezogen und in den Arm genommen, aber das ging jetzt nicht. Dafür war jetzt nicht die Zeit.


    "Ist alles gut bei dir Wolf? Was soll das Geschrei? Regt euch alle ab. Ihr wisst genau das er das nicht böse gemeint hat. Wenn es um das ging, was oben an der Tür passierte. Das hab ich bis zur Leseecke gehört. Oder war er jemals zu einen von euch schlecht? Ich glaub nicht. Wolf hat hier jeden von uns aufgenommen und war zu jeden freundlich."


    Während Marlo auf seine Antwort wartete faste er Wolfram kurz bei der Hand. Er wusste nicht worum es beim Streit ging, aber er würde Wolf beistehen. Marlo würde auf sein Mann aufpassen.

  • Wolfram atmete erleichtert auf, als Marlo sich zu ihm gesellte. Marlo war genauso erbost, wie der Rest der Gruppe. Allerdings galt Marlos Wut nicht ihm, sondern den Gästen und ihrem Benehmen. Wolfram fühlte sich geschmeichelt, wie Marlo über ihn sprach.


    Für ihn war es selbstverständlich, Leute die er mochte willkommen zu heißen und ihnen Unterschlupf zu gewähren. Aber was er für selbstverständlich oder normal erachtete, werteten andere Familienmitglieder als verrückt. Als Marlo kurz nach seiner Hand fasste, verschränkte Wolfram seine Finger mit denen von seinem Gefährten.


    Wolf war sich der Geste durchaus bewusst. Mit drei Hohenfelde im Raum, die jede noch so kleine und minimale Geste wie ein Raubvogel erspähten, hätte er auch aus vollem Hals herausbrüllen können Marlo und ich sind ein Paar. Die Geste war für andere kaum merklich, da sie dicht beieinander standen. Aber keinem Hohenfelde würde so eine Geste entgehen.


    Und Brandur, wie auch Dunwin waren alt, sie hatten mehr noch als Linhard gelernt in Personen wie in offenen Büchern zu lesen. Wolfram war sich der damit verbundenen Botschaft durchaus bewusst, er hatte ihre Partnerschaft damit öffentlich gemacht. Er ging sogar bewusst noch ein Stück weiter, indem er die Finger von Marlo streichelte.


    "Mir geht es gut, Danke der Nachfrage. Mit meinem Hinweis, hatte ich nicht vor einen Streit anzufangen", antwortete Wolfram auf Marlos Frage.


    `Danke für Deinen Beistand Marlo, ich hatte eigentlich vor nach Dir zu rufen, aber dann kam ich mir albern vor Dich um Hilfe zu bitten. Aber ich bin froh dass Du hier bist. Ich habe wirklich keine Ahnung, was ich verbrochen habe, ich möchte mich doch gar nicht streiten.


    Ich habe vorhin mit Kasimir gesprochen, leider wurden wir unterbrochen. Unser Thema waren Beziehungen und wie man es seinem Gegenüber gesteht, dass man mit ihm zusammenbleiben möchte. Und wie man ihm sagen könnte, dass man unheimlich gerne noch einmal mit ihm so eine schöne Zeit verbringen möchte. Ich möchte beides´, übermittelte Wolf liebevoll und massierte Marlos Finger.

  • Wohlwollend registrierte Brandur, wie Dunwin seinen Teil dazu beitrug, Kasimir in seine Schranken zu verweisen. Er vermochte zwar nicht mehr, jemanden physisch züchtigen, ohne dass Brandur ihn dazu anwies, aber er konnte nach wie vor psychisch sehr effektiv agieren. Stolz erfüllte Brandur. Das war sein kleiner Bruder!


    Sie gingen ins Innere des Hauses. Brandur bekam nicht mehr mit, wie Archibald dem niedergeschlagenen Kasimir auf die Füße half und sie gemeinsam in der Speisekammer verschwanden. Er glaubte, Kasimi würde sich nun um das Gepäck kümmern und Archibald sich in ein Kellerloch verkriechen um in seinem Hass auf die "Diebe" zu schwelen und den Verlust seiner menschlichen Sammlung zu bedauern. Im Gehen plauderte er mit seinem Sohn.


    "Bezüglich Ansgar - nun, der Mann wird selbstredend aus der Familie verstoßen. Wir sind in der Nähe von Daijian. Sobald wir ein wenig Luft haben, werde ich ein entsprechendes Schreiben anfertigen lassen. Doch jetzt brauche ich ersteinmal Pause. Wir haben die Auseinandersetzung auf der Hochzeit von Shohiro überlebt. Ich habe euch die Nachtburg gezeigt und das Geheimnis, das sie birgt. Wir haben Anwolf aufgefordert, mein Erbe herauszurücken und die von Archibald entführten Kinder befreit. Ich bin alt, Linhard. Und ich merke die Anstrengung mittlerweile sehr deutlich. Das Schreiben für Ansgar hat noch zwei oder drei Tage Zeit."


    Er blickte sich um, ob Archibald zufällig in Hörweite aufgetaucht war. Als das nicht der Fall war, sagte er:


    "Beim Sturz damals vom Dach des Herrenhauses ist etwas in meinem Rücken kaputtgegangen. Darum das Korsett, das Archibald so verspottet. Mag er es ruhig auf Eitelkeiten schieben, meine Gebrechen gehen ihn nichts an. Wegen diesem unsäglichen Kasimir, der eine Züchtigung von mir abverlangt hat, habe ich mir das Kreuz verrenkt. Ich hoffe, Kasimir beeilt sich mit dem Gepäck, ich benötige dringend eine Massage."


    In der Tat sah man Brandur an, dass er noch langsamer ging als sonst und Mühe hatte, eine normale Körperhaltung zu wahren. Wolfram schloss zu der kleinen Prozession auf und fragte, was denn los war. Brandur ließ sich erst zu einer Antwort herab, nachdem er eine Sitzgruppe gefunden und sich dort niedergelassen hatte.


    "Nun, wie ich sagte, die letzte Begrüßung war sehr viel herzlicher und beinhaltete keine unaufgeforderten Ratschläge, wie ich über meinen Leibdiener zu verfügen habe. Wie gut du mit jemandem wie Kasimir umzugehen vermagst, ja, das habe ich in der Tat an dem Erdhügel gesehen, unter dem der arme Beaunois nun ruht! Ich lebe mit Kasimir seit einigen Jahren zusammen und mich hat er bislang nicht ausgesaugt. Bei dir bin ich mir nicht sicher, inwieweit das lange zugetroffen hätte. In einem Monat wäre Kasimir vermutlich der einzige Bewohner dieses Hauses hier gewesen."


    Brandur klopfte mit dem Gehstock zwischen seinen Füßen auf den Boden.


    "Mein lieber Wolfram, nun bin ich an der Reihe, dir einen unaufgeforderten Rat erteilen. Wir Magier sind es gewohnt, große Macht innezuhaben und die meisten unserer Gegner bequem mit einem Fingerzeig kampfunfähig machen oder ausschalten zu können. Nur sind wir alle beide, du als Geistmagier und ich als Nekromant, mit unseren gewohnten Waffen jedoch machtlos gegen jemanden wie Kasimir! Hüte dich vor ihm, Wolfram, und sei er noch so freundlich. kasimir ist ein Wolf im Schafspelz, der sich vergebens darum bemüht, das Schaf zu werden, dessen Gewandt er trägt wie einen Mantel und unter dem eine Bestie lauert, die er selbst fürchtet. Aber ein Wolf kann kein Schaf werden, wie sehr er es sich auch wünscht. Und so sehr wir dies alle bedauern. Vampirismus in diesem Stadium ist nicht heilbar. Es nützt niemandem etwas, wenn Kasimir den Tod seiner Opfer hinterher bedauert. Nicht umsonst werden Vampire üblicher Weise ohne viel Federlesen beseitigt, sobald man ihrer habhaft werden kann. Dass ich Kasimir als Leibdiener akzeptiere, ist ein großes Entgegenkommen. Aber erwarte nicht von mir, dass ich ihm seine Triebe ungestraft durchgehen lasse, nur, weil er sich zwischendurch charmant verhält. Kasimir ist zum Glück unausgebildet, da er früh von seinem vampirischen Meister getrennt wurde. Wenn ihm erst bewusst wird, dass sein naturgegebener Charme und seine zuvorkommende Freundlichkeit ausgerechnet seine tödlichsten Waffen werden könnten, wenn er sie noch mit einer Portion Intriganz und Verschlagenheit würzt, dann gute Nacht. Sollte es je so weit kommen, werde ich daher die notwendigen Konsequenzen ziehen."


    Ohne die Miene zu verziehen betrachtete Brandur die verschränkten Hände von Wolfram und dessen Gast. Diese neumodischen Sitten machten offenbar gerade die Runde. Wahrscheinlich war es gerade modern, sich als Mann mit einem Mann einzulassen. Besorgt dachte Brandur an seinen Sohn, der die verschränkten Hände natürlich ebenfalls bemerken würde und hoffte, dass dieser sich das nicht abschaute. Doch Brandur war zu gut erzogen, um irgendeinen negativen Kommentar dazu im Hause seines Gastgebers von sich zu geben. Er fragte stattdessen:


    "Dürfen wir bald zu einer weiteren Hochzeit gratulieren?"


    Marlo begrüßte er nicht. Da er der Ältere von beiden war, durfte er doch wohl erwarten, von diesem begrüßt zu werden!

  • Der Kampfmagier musterte Brandur einen Moment abschätzend.


    „Brandur... müssen wir uns streiten, weil ich Deinen Leibdiener vor Ansgar gerettet habe?
    Sicher ist manchmal das Gegenteil von gut, gut gemeint, aber ich hätte Kasimir trotzdem nicht zurückgelassen. Gleichgültig, wie gefährlich er ist. Es ist zutreffend, dass ich keine Ahnung im Umgang mit Vampiren habe. Woher auch? Bis auf Kasimir kenne ich keinen. Oder mir ist nicht bewusst, dass diese Person ein Vampir ist.


    Und natürlich ist es Deine Wahl, wie Du mit Deinem Leibdiener umgehst.
    Aber Du bist hier nicht in Almanien. Kasimir ist zwar Dein Leibdiener, aber nicht Dein Leibeigener!


    Das wir es gewöhnt sind über Mächte zu gebieten, die anderen verwehrt bleiben, ist eine Tatsache. Aber leider ist es ebenso eine Tatsache, dass diese uns manchmal nicht nur im Stich lassen, sondern auch zu unserer Schwäche werden. Oder besser ausgedrückt, diese Macht hat einen hohen Preis.


    Eigentlich nützt unsere Ausbildung als Kampfmagier nur insoweit, dass man sich über gewaltige Entfernungen mit den Kollegen verständigen kann. Weder kann ich im Kampf auf meine magischen Fähigkeiten zugreifen, noch kann ich während des Wirkens von Magie kämpfen. Beides schließt sich aus, beides steht sich im Weg.

    Ich kann leider niemanden im Kampf beeinflussen die Waffe zu senken, noch kann ich während ich Magie ausübe selbst die Waffe heben und sei es auch nur zur Verteidigung.


    Aus dem Grund bin ich schon vor Jahren dazu übergegangen, Magie meist nur noch zu friedlichen Zwecken zu gebrauchen. Um mich mit einer Person zu verbinden, um sie zu beruhigen oder ähnliches. Was sich die meisten Menschen weitläufig unter der Kombination von Schwert und Magie vorstellen bieten wir nicht Brandur, das bietest Du nur in Kooperation mit Linhard an Deiner Seite oder mit Archibald. Grundlos wirst Du von ihnen nicht begleitet.


    Damit möchte ich nur sagen, niemand ist wirklich dass, was er zu sein scheint, nicht mal wir beide Brandur.


    Sollten Deine Ausführungen bezüglich Vampire stimmen, meinst Du dann allen Ernstes, man könnte ihm seine Triebe aus dem Schädel prügeln?


    Wäre dem so, dann sähe es in Deiner Familie, in meiner und in unserer gesamten Sippe wohl etwas anders aus. Ich denke mit Vernunft erreicht man bei ihm mehr, als wenn man ihn züchtigt. Durch Schläge wird er kein Begreifen erlangen.


    Vor der Beherrschung, steht das Begreifen. Er muss sich seiner Taten bewusst werden. Nur wenn sich jemand seiner Taten bewusst ist und begreift, dass diese falsch sind, dann wird er auch die Beherrschung dafür aufbringen davon abzulassen.


    Was hat er denn durch Deine Schläge gelernt? Von meiner Warte aus, dass er Schmerzen erleidet, wenn er sich erwischen lässt. Oder jemand wie ich so dämlich ist und sein Mund nicht halten kann. Sicher mag Kasimir hochgefährlich sein, und sicher hat er meinen Leibdiener getötet.


    Und ich stimme Dir voll und ganz zu, dass dieser nicht wieder lebendig wird, nur weil Kasimir seinen Tod bedauert. Aber wir beide entstammen einer Sippe, wo sagen wir mal „tragische Unfälle“ an der Tagesordnung sind. Und dort wird einer dieser „Unfälle“ nicht mal bedauert Brandur.


    Du verstehst nicht worum es mir ging!


    Es war nicht Kasimirs Schuld, dass mein Leibdiener starb, sondern meine. Ich hätte beide trennen oder besser aufpassen müssen. Der Vergleich mit dem Wolf passt. Ich hab den Wolf leider im Gänsestall untergebracht, in der Hoffnung da er satt aussah, würde er nicht fressen.


    Und mal ganz nebenbei bemerkt, ich hätte Dir gar nicht vom Tod meines Leibdieners erzählen müssen. Gut im Nachhinein könnte ich mich dafür immer noch auf die Zunge beißen.


    Keine Ahnung warum Du so schlecht von Kasimir denkst, dass er uns grundlos alle ermorden würde. Wenn Du so wenig von dem Mann hältst, warum ist er dann Dein Leibdiener? Er ist höflich und zuvorkommend, er hat Dich sogar die ganze Zeit vermisst. Und Du zahlst es ihm so zurück. Meinetwegen hättest Du ihn züchtigen können, aber da wäre eine Ohrfeige doch wohl ausreichend gewesen und wohl auch zeigender, als dieses… Ausrasten von Dir. Du brauchst es nicht abstreiten, Du hast Hass auf irgendwen, vermutlich Ansgar und hast es an Kasimir ausgelassen.


    Natürlich habe ich Dich letztens anders begrüßt, da hast Du auch nicht an meiner Tür geklopft, als hättest Du vor mein Haus niederzureißen.


    Du warst und bist immer willkommen, aber in meinen Augen hat Kasimir diese Behandlung nicht verdient. Gut da mögen wir beide anderer Meinung sein, dies bedeutet aber nicht, dass wir uns unsere Meinung erstens nicht sagen dürften und zweitens uns deshalb anfeinden müssen“, erklärte Wolfram.


    Das er bereits mit Kasimir darüber gesprochen hatte, dessen Meister zu rufen, da Kasimir lernen wollte mit seiner Gabe umzugehen, dass verschwieg Wolfram nun. Er hatte nicht vor den guten Kasimir noch tiefer in die Scheiße zu reiten, als er es dummerweise schon getan hatte.


    Wolfram fühlte sich gerade wie der letzte Trampel in seinem Haus.


    „Oh ich würde mich sehr über eine Gratulation freuen. Sollte ich je das Glück haben, das Marlo mich tatsächlich heiraten möchte, werde ich Euch umgehend davon in Kenntnis setzen sobald wir geheiratet haben. Ich konnte schließlich nicht ahnen, dass ich jemals eine Beziehung führen würde.


    Wie dem auch, sei fühlt Euch wie zu Hause. Margot wird Euch etwas zu Essen zubereiten. Falls mich wer sucht, ich bin im Garten“, erklärte Wolfram freundlich, machte auf dem Absatz kehrt und verließ mit Marlo gemeinsam den Keller da er diesen einfach mitschleifte.

  • Der junge Naridier schritt neben Brandur und behielt die Umgebung im Auge. Als sie in den Keller gingen, schaute Lin kurz über die Schulter. Er war es gewöhnt, stets einen wachsamen Blick auch nach hinten zu werfen. Archibald war ihnen nicht gefolgt, er blieb zurück, warum auch immer. Lin vermisste von Dornburg nicht, der Mann war ihm unheimlich. Vor allem nachdem was sie in dessen Haus erlebt hatten.


    Trotzdem gefiel Lin der Gedanke nicht, dass Archibald irgendwo im Haus herum streunerte, und sich irgendwo so etwas wie ein Nest einrichtete. Vielleicht war er auch schon gar nicht mehr im Haus. Welche Stadt lag hier in der Nähe? Daijan?


    Brandur riss ihn aus seinen grüblerischen Gedanken, als er sich an Linhard wandte.


    „Daijan, ich dachte eben auch an die Stadt, da sich unser unheimlicher Begleiter von uns abgesetzt hat Paps. Nun ich bin nicht traurig drum. Das Du erstmal eine Pause benötigst, kann ich gut nachvollziehen. An keinem sind die Ereignisse der letzten Zeit spurlos vorüber gegangen. Sie haben von jedem ihren Tribut gefordert. Es tut mir leid, dass ich in diesem Haus des Abgrunds so die Nerven verloren habe.


    Ja die Hochzeit haben wir knapp überlebt und ich hoffe, dass wir dies auch weiterhin tun werden. Du kennst Ansgar nicht, oder vielleicht kennst Du ihn sogar besser als ich. Wer weiß? Jedenfalls wird er sich an uns rächen wollen, allein schon dafür, dass Fin uns gewarnt hat. Wir haben in seinen Augen eine lange Liste auf dem Kerbholz, dass wir eine eigene Liste mit Verfehlungen haben, die ihn betreffen, scheint er nicht zu begreifen.


    Aber ehrlich, was der Mann noch begreift oder nicht, interessiert mich nicht mehr. Er soll uns einfach in Ruhe lassen und aus unserem Leben verschwinden. Er hätte es anders haben können. Aber er hat den Fehdehandschuh geworfen, also bekommt er ihn auch um die Ohren geschlagen. Und falls er dazu nicht in der Lage ist und uns tatsächlich beseitigen lassen will, nun dann bekommt er mehr als nur meine Faust ins Gesicht.


    Das Geheimnis der Nachtburg, es hätte Realität sein können. Vielleicht wird es das eines Tages, aber dann mit anderen Darstellern. Mit jenen die wir dort sahen, wird es möglicherweise gar nicht möglich sein. Jedenfalls mit einigen davon nicht.


    Wie Anwolf auf das Schreiben reagiert, kann ich Dir nicht sagen, aber die Aufforderung war hieb- und stichfest. Folglich müsste er sich der Aufforderung fügen. Wolfi ist eigentlich kein Sturkopf oder Querulant wie Ansgar. Es könnte durchaus sein, dass er Dir ohne zu murren, das Erbe aushändigt, um seine Ruhe zu haben. Und er wird uns als Gruppe fürchten. Er ist manchmal noch ein ziemlicher Kindskopf, aber er ist trotzdem ein von Hohenfelde. Er weiß wann ihm Gefahr droht und wann er besser die Füße still zu halten hat.


    Kurzum ich glaube kaum, dass er sich wagen wird, Dich zu verprellen und heraus zu fordern. Davon hätte er nichts. Allerdings wird er sich zu Dave verziehen. Wolfi ist jemand der Beistand benötigt, er ist nicht wie Ansgar, der absolut allein handelt oder sich verdrückt und aus dem Schatten seiner Ghul-Gruft agiert.


    Ich möchte den Kurzen nicht tot sehen und ich möchte dass Fin nichts geschieht. Ich meine, ich bin nicht sonderlich gut auf sie zu sprechen. Schließlich hat sie auch nie für mich gesprochen. Eine Mutter sollte schon ihrem Kind beistehen, für sie war Ansgar immer wichtiger als ich. Ich meine das sachlich, nicht polemisch. Denn sie hätte auf ihn Einfluss nehmen können, sie tat es aber nicht. Sie hatte keine Lust es sich mit ihm zu verscherzen. Vielleicht dachte sie auch, Lin ist irgendwann aus dem Haus und mit Ansgar bleibt sie ein Leben lang zusammen. Vielleicht hatte sie ihn auch gefürchtet? Wobei das ist unsinnig, er hat ihr jeden Wunsch von den Augen abgelesen. Keine Ahnung, was in ihrem Kopf wirklich vor sich ging. Aber trotz allem hat sie mich gewarnt und so etwas wie Liebe gezeigt. Drum möchte ich nicht, dass ihr etwas geschieht.


    Das Schreiben an Ansgar hat so lange Zeit, wie Du benötigst Paps. Mir ist nicht wichtig wann Du es aufsetzen lässt, nur dass Du es aufsetzen lässt. Ich habe 18 Jahre auf einen Vater gewartet und er hat mich ohne mit der Wimper zu zucken verstoßen. Glaube mir, ich kann warten. Je länger er im Ungewissen ist, je länger ärgert ihn das Paps“, antwortete Linhard flüsternd.


    „Du kannst offen sprechen, aber sprich sicherheitshalber trotzdem leise. Unser liebenswürdiger Begleiter hat sich verdrückt, er ist uns nicht gefolgt. Also entweder sucht er die nächstgelegene Stadt auf, oder er sucht sich einen stillen Ort wo so einer wie er tut, was er gerne tut. Was genau das ist, darüber möchte ich mir keine Gedanken machen. Kurzum Archi hat sich verdrückt“, raunte Linhard Brandur zu.


    Er hörte Brandur aufmerksam zu und strich ihm beruhigend über den Arm, als dieser von seiner Verletzung erzählte.


    „Es geht Archibald gar nichts an, weshalb Du ein Korsett trägst. Seinem Schönheitsideal wird sicher auch kaum jemand folgen, der Kerl ist durch und durch verkorkst. Er mag gefährlich sein, aber er mag Opa und wird Dir vermutlich nur verbal in den Rücken fallen, solange unser Bündnis besteht. Und ich bin an Deiner Seite und ganz so unbedarft, was den Umgang mit Waffen angeht bin ich auch nicht. Ich werde lernen, was ich von dem Kerl lernen kann und dann… nun werde ich es gegen ihn anwenden, sobald Du ihn abschreiben möchtest.


    Vielleicht hat er Dir gegenüber auch einfach nur ein dermaßen großes Maul, da er Angst vor Dir hat. Überleg doch mal logisch Paps.
    Sicher kann er behaupten, Du solltest tot sein. Warum macht er sich genau darüber lächerlich? Weil es ihm unheimlich ist. Du stürzt vom Dach unseres Hauses, was jeden umbringen würde.


    Aber Du bist nicht tot, Du lebst. Er weiß dass Du ein Nekromant bist, folgt wird auch Arch eins und eins zusammen zählen. Das heißt, in seinen Augen bist Du derart mächtig, dass Du so einen Sturz überleben kannst. Oder dass Du derart mächtig bist, Deine Verletzungen zu heilen und den Tod zu umgehen. Achte doch mal drauf.


    Sobald er merkt, er kommt bei Dir an eine Grenze, hält er den Mund, oder entschuldigt sich Zähne knirschend, er lenkt ein sobald Du ihm damit drohst ihn zu besetzen. Er fürchtet Dich.


    Zudem hast Du Dunwin beschworen und aus dem Tod zurückgeholt. Seinen besten Freund. Also hast Du die Macht den Tod zu umgehen. Alle Dinge haben zwei Seiten, wer den Tod umgehen kann, kann ihn vielleicht auch herbeirufen.


    Keine Ahnung wie gut Arch auf seinem Gebiet ist, aber rein von der Optik und wie er sich bewegt ist der Kerl ein uralter Panther mit sehr scharfen Krallen und Zähnen. Er hätte Dich im Haus angreifen können. Jeder Millimeter der Bude ist ihm bekannt. Er hätte Dich mit geschlossenen Augen oder in völliger Dunkelheit bekämpfen können. Ich könnte das in meinem Zimmer. Ich weiß wo was steht, ich weiß wie ich mich wo bewegen kann. Meist Du die alte Natter, weiß das nicht?


    Warum hat er um seine Sammlung gebettelt und nicht darum gekämpft? Weil er Dich fürchtet, denk mal genau drüber nach. Der Kerl darf so etwas wie den Grund für das Korsett niemals erfahren. Er denkt da vermutlich wie ich denken würde, oder wie Opa. Er führt gedanklich eine Strichliste über Deine Schwächen. Und er testet Dich aus, nur hast Du keine Schwachstelle offenbart. Drum ist er so dauergereizt, eigentlich solltest Du Dich geschmeichelt fühlen. Ich bin jedenfalls stolz auf Dich“, grinste Linhard flüsternd.


    Während des Gesprächs zwischen Wolfram und Brandur wartete Lin einfach stumm ab. Als Wolfram sich gemeinsam mit Marlo verzog, schaute er auch den beiden noch einen Moment hinterher, ehe er sich an Brandur wandte.


    „Paps, Wolfram war immer alleine. Er wollte Dich mit der Geste was Marlo angeht nicht provozieren. Er ist stolz und glücklich, jemanden an seiner Seite zu haben. Und was Kasimir angeht, ich glaube er sieht da, was er gerne sehen möchte. Wolf ist in solchen Dinge etwas blauäugig, so hilfsbereit er auch ist, die Gefahr erkennt er nicht. Du kennst ihn doch, er mag Dich“, erklärte Lin leise und aufmunternd.

  • "Oh, der Verlust von Beaunoise ist nicht der springende Punkt", wandte Brandur ein. "Sondern Kasimirs Ungehorsam. Die Schläge mögen dir übertrieben vorkommen, doch dergleichen hat mich und ihn über mehrere Jahre vor Schaden bewahrt. In all der Zeit, seit er bei mir war, hat Kasimir keinen einzigen Menschen getötet, keinen einzigen, wie hungrig er auch war - bis gestern, zum Zeitpunkt meiner Abwesenheit. Eine Ohrfeige für ein genommenes Leben ist eine lächerliche Strafe! Machst du dich über deinen Leibdiener lustig? In Almanien landet man für so etwas auf dem Block und selbst hier im liberalen Naridien mindestens in den Eisenminen."


    Brandur war reizbar, nicht zuletzt wegen den Schmerzen in seinem Rücken. Der Stress machte es nicht besser. Er riss sich sehr zusammen, als er mit Wolfram redete, doch als dieser ihn ohne viel Federlesen von der Hochzeit auslud, war das Maß voll. Wolfram verwies sie auf Margot und verschwand. Brandur blieb zurück auf seinem Stuhl und kochte. Wäre er allein hier, wäre er nun gegangen. Linhards freundlichte Stimme sorgte dafür, dass er vorerst sitzen blieb und nicht wutentbrannt hinausmarschierte.


    "Ich nehme deine Entschuldigung an, aber mach dir um so etwas keinen Kopf, Linhard. Wir alle sind zur Zeit etwas angespannt." Brandurs Finger schlossen sich fester um den Knauf seines Gehstocks und die Knöchel traten weiß hervor. "Dass Anwolf sich an Daves Robenzipfel hängen wird, ist zu erwarten. Er ist nur ein groß aussehendes Kind. Der Junge bräuchte seinen Vater in dieser Zeit so sehr wie du deinen. Ich möchte Anwolf so wenig tot sehen wie du, Linhard. Ich möchte am liebsten überhaupt niemanden mehr tot sehen müssen."

    Bei diesen Worten musste er eine kurze Pause einlegen.


    "Jedoch verschließe ich meine Augen auch nicht vor der Notwendigkeit, Linhard. Man nannte mich einen Träumer und ich habe den Preis für mein Zögern bezahlt. Das habe ich hinter mir gelassen, das kannst du mir glauben. Ich werde sowohl Anwolf als auch den anderen, mit Ausnahme von Ansgar, eine friedliche Lösung anbieten. Aber ich werde das nur einmal tun. Deine Mutter ... nun, sie hat das getan, wozu ich nicht in der Lage war: Sie hat ihr Kind mit ihrem Leben beschützt. Ich habe große Achtung vor ihr. Ansgar hingegen ist ein Feigling. Drückte dem viel zu jungen Anwolf die Bürde des Familienkrieges auf und machte sich flugs bequem aus dem Staub. Anwolf führt nun seinen Krieg."


    Als Linhard ihn darauf hinwies, fiel auch Brandur auf, dass Archibald nicht mehr zugegen war.


    "Nun, Kasimir ist auch verschwunden. Vielleicht hatte er Appetit auf einen Nachtisch, was zu begrüßen wäre. Mich allein fürchtet Archibald nicht. Er fürchtet mich höchstens in Kombination mit Duwnin und dir. Es ist die Gemeinschaft, die uns stark macht. Jeder kann etwas, das der andere nicht kann und man gleicht sich gegenseitig aus. Ich würde mir wünschen, dass unsere Familie sich dessen bewusst wird und, wenn wir diesen Konflikt auf die eine oder andere Weise gelöst haben, dass wir in Zukunft gemeinsam an einem Strang ziehen."


    Brandur versuchte, auf die Beine zu kommen und stützte sich mit aller Kraft auf seinen Gestock. Sein Rücken fühlte sich an, als würde man ihm einen Speer hindurchtreiben, der sich aufspaltete und durch beide Beine bis zu den Knöcheln zog.


    "Hilf mir, Linhard", zischte er zwischen zusammengebissenen Zähnen. Ihm war schlecht vor Schmerz und er spürte die Innenseiten seiner Beine nicht mehr. "Bring mich zum Wyvern. Dann geh wieder ins Haus."


    Es wäre nun an der Zeit, sich in den Keller der Nachtburg zu begeben. Brandur musste allein sein mit seiner Qual. Als er am Wyvern angelangt war, legte er sich unter enormen Schmerzen auf die Decken. Er warf Dreispitz und Gestock nach hinten, streckte sich lang, schloss die Augen und atmete schwer. Seine Stirn war nass von Schweiß.


    "Dunwin, flieg", ächzte er. Es war der einzige Weg, allein zu sein. Als sie in luftiger Höhe waren, presste Brandur sich die Decke aufs Gesicht und schrie vor Schmerzen. Wimmern und Verwünschungen mischten sich gleichermaßen in das gequälte Geschrei. Dass Dunwin alles mitbekam, machte ihn noch wütender. Er befahl ihm irgendwo auf einem Felsen zu landen, dann riss er den Geist, dem er all dies verdankte, wutentbrannt aus dem Knochenkorpus heraus.


    "Du Scheißkerl", brüllte er. "Mörder! Du hast keinen Körper mehr, aber das wird dir nichts nützen. Komm her und fühle! Mein Schmerz soll der deine sein!"


    Damit sog er Dunwin mit seinem eigenen Körper auf. Dunwin spürte nun all die körperliche und seelische Qual seines Bruders, als wäre es seine eigene. Den Schmerz des gebrochenen Rückgrates ebenso wie die Gedanken an den Sturz, den er weckte und den Tod seiner Familie. Die unerträgliche Einsamkeit, die er vierzehn Jahre durchlebt hatte und über allem die allgegenwärtige Glocke einer unerträglichen körperlichen Pein. Dunwin fühlte und erinnerte sich an alles, was Brandur je erlebt hatte und spürte die tiefe Verzweiflung, die gerade in ihm tobte, die völlige Hoffnungslosigkeit, je wieder ein schmerzfreies Leben führen zu können, das er nur noch für Linhard bereit war zu ertragen. Das Martyrium dauerte für sie beide mehrere Stunden, ehe Brandur völlig erschöpft und verkrampft in eine Mischung aus Schlaf und Bewusstlosigkeit fiel und Dunwin frei war, den geschundenen Körper wieder zu verlassen. Brandurs Puls hatte sich auf ein ungesundes Maß beschleunigt und er sah fünf Jahre gealtert aus, als er da in den Decken lag und schlief.

  • Marlo

    wollte gerade was sagen, da schwatzte schon Wolfram los. Wolf war ganz schön wütend, dabei hatte Brandur nichts falsches über Vampire gesagt. Warum Wolfram da so empfindlich war, wusste Marlo nicht. Brandur und Wolfram zankten noch eine Weile, dann packte ihn Wolf und schleifte ihn mit nach draussen. Marlo hatte drinne nichts gesagt, da Wolfram sein Partner war und er ihn nicht vor ander bloss stellen wollte. Im Garten packte Marlo Wolfram und drehte ihn zu sich rum.

    „Wolf was ist los? Warum zankst du selber mit Brandur? Was er über Vampire gesagt hat ist die Wahrheit. Ich hab dir genauso gesagt, dass Kasimir gefährlich ist und dass wir aufpassen müssen. Brandur lebt mit dem schon lange zusammen. Der hat Ahnung davon, wie gefährlich der Vampir ist. Warum kannst du nicht zuhören? Denkst du echt, du brauchst nur mit dem Blutsauger reden und der sagt, danke für den tollen Tipp Wölfchen, ich werde nie wieder Blut trinken. Ab morgen trink ich Wein, oder Wasser oder Saft. Was denkst du denn sag mal, bist du verrückt? Ich hab dir gesagt, pass auf. Und du warst noch sauer auf dein Diener, falls wer nachts in dein Schlafzimmer schleicht. Vor wem hattest du Angst? Vor mir, dass ich dich anfalle oder vor dem Blutsauger?
    Brandur hat dir ganz genau erklärt, wo die Gefahr liegt bei dem Blutsauger. Manchmal denke ich, du willst nichts begreifen. Das liegt nicht an Brandur oder Kasimir, sondern an dir Wölfchen. Das Beispiel vom Wolf hast du von Brandur aufgegriffen. Dann nehm ich das mal genauso. Ein Wolf wird die Gans immer töten. Nicht sofort, wenn er kein Hunger hat. Aber irgendwann hat er Hunger und er tötet sie. Weder du noch sonstwer kann einem Wolf davon überzeugen ab morgen Gemüse zu nuckeln. Ist das klar? Das hat Brandur dir gesagt und du führst dich auf wie ein bockiges Kind. Nein der Kasi ist ein Lieber! Ist er, aber er ist trotzdem ein Wolf, ein Blutsauger, ein Raubtier. Begreif das.
    Sind Orks genauso ungefährlich für dich Wolf? Oder willst du genauso mit den reden, dass die keine Frauen stehlen und Kinder fressen? Vielleicht hat denen das nur keiner gesagt, dass das keiner hier leiden mag. Könntest du nachholen. Geh in eine Orköhle und erklär den Bastarden, dass sie keine Frauen und Kinder mehr fressen sollen. Mit Ironie kommen wir nicht weiter. Und nachher verstehst du das noch falsch und gehst wirklich mit denen schwatzen du Verrückter. Wolf Brandur hat zu fest an die Tür geklopft und das muss nicht sein. Aber dass du so die Ohren auf Durchzug stellst und keine Vernunft annehmen willst, dass geht nicht.
    Und was sollte die Beleidigung mit der Hochzeit? Ich hab deine Hand genommen, damit du dich beruhigst und nicht das du um dich trittst wie ein alter Gaul. Ich finds ja knuffig, dass du meine Hand genommen hast und mich gestreichelt hast. Das war mutig und eine Aussage. Aber jetzt sag ich dir was dazu. Die meisten anderen begreifen das nicht. Die wissen nicht, das Liebe Liebe ist. Sie verstehen nicht, dass du als Mann einen anderen Mann begehren kannst. Oder warum meinst du, hab ich all die Jahre die Fresse gehalten? Weils lügen soviel Spass macht sicher nicht. Wenn du Glück hast, nehmen die das hin. Wenn du richtig Pech hast, wirst du dafür angegriffen. Sogar von fremde Personen. Dabei gehts niemand was an, wen du liebst oder was du in dein Bett treibst. Aber darüber haben sie Macht verstehst du? Deshalb stülpen sie dir ein Dogma auf.
    Machst du es mit einem Mann ist es nicht richtig. Machst du es mit einer zu jungen oder zu alten Frau, ist es nicht richtig. Machst du es mit wem nicht von dein Stand, ist es nicht richtig. Und lebst du ganz allein nur für dich, ist es nicht richtig. Wölfchen mach was du willst mit wem du willst. Wenn du glücklich sein willst, musst du dich für ein Weg entscheiden. Entweder hälst du die Klappe Schatz oder du tust es und scheisst drauf, was die anderen davon denken. Kein Mensch interessiert sich für dich, oder was du wirklich willst. Die erwarten was von dir und in die Schublade haben die dich schon vor lange Zeit gestopft. Mich doch genauso. Es gibt kein Grund böse zu sein auf die anderen. Ob die unsere Beziehung akzeptieren oder nicht, ist scheissegal. Wichtig ist nur, dass es zwischen uns passt. Dein Fehler ist, du denkst die gönnen dir das nicht. Aber davon ist eine Beziehung nicht abhängig. Erwartest du, dass sich andere für dich mit freuen oder was Schatz? Falsche Familie Wölfchen. Vielleicht ändert sich das mal, aber deine Gäste sind alte Garde. Die kennen es nicht anders.“

    Marlo umarmte Wolfram und drückte ihn.

    „Komm beruhig dich wieder. Wenn dir was an denen liegt, vertrag dich wieder mit Brandur. Mit der Blutsaugersache hat er Recht. Von unsere Hochzeit wirst du ihn nicht ausladen Wolf. Da hab ich auch noch ein Wort mit zu reden. Und bevor du wen einladen kannst oder ausladen wirst, solltest du meinen Antrag bekommen haben. Du musst nicht zanken, weil du denkst, der hat was gegen uns. Er hat seine Meinung und du deine zu solchen Beziehungen. Und nur weil er eine andere Meinung hat, musst du nicht streiten. Das hast du selbst gesagt.
    Aber ich will nicht nur meckern. Mich freut, was du gesagt hast. Ich hab auf dich gewartet und dachte ich begrüsse dich mit einer neuen Spielrunde. Also ich will genauso mit dir zusammenbleiben und unsere Spielstunde wiederholen. Wir reden nachher nochmal mit Brandur und seine Leute.“

  • Wolfram befreite sich von Marlo und machte einige Schritte zurück. Er verschränkte die Arme vor der Brust und musterte sein Gegenüber irritiert.


    "Daher weht der Wind, ich habe nicht vergessen wer Deine Nummer zwei war Marlo. Nun da Ihr beiden ja der gleichen Meinung seid in sehr vielen Dingen, wirst Du Brandur bei seiner Abreise begleiten. Es lag mir fern, Dich mit meiner unbedachten Äußerung uns betreffend in Bedrängnis zu bringen.


    Meine Aussage bedauere ich und ich nehme sie zurück. Es war töricht von mir, auf Dein Angebot einzugehen und nicht Kasimirs Rat zu folgen. Der Preis dafür ist für mich hoch, trotzdem war es schön mit Dir. Und ich Danke Dir für das Geschenk. Pass auf Dich auf.


    Und nun geh bitte, ich möchte alleine sein", antwortete Wolfram.

  • Marlo

    starrte Wolfram an. Er fühlte sich, als hätte ihn Wolf geschlagen. Er hatte das überhaupt nicht böse gemeint und nun drehte Wölfchen völlig ab. Der Kerl war eifersüchtiger als er gedacht hatte. Und er war sturer als ein Esel. Das durfte doch nicht die Wahrheit sein, dass er ihn rauswarf, nur weil er eine andere Meinung hatte. Und weil er sich gesorgt hatte, dass er von Kasimir nicht ausgesaugt wurde. Marlo würde Wolfram niemals verlassen, da konnte sich der sture Bock auf den Kopf stellen. Das Wolfram keine Ahnung von eine Beziehung hatte, bekam Marlo wieder mal zu spüren. Und zwar von der unangenehmen Seite. Wölfchen war eifersüchtig wie Sau und liess seine Wut an ihm aus. Und dann beschuldigte er ihn noch, er hätte was mit Brandur. Nur weil er den attraktiv fand, hatte er noch lange nichts mit ihm. Das durfte nicht wahr sein.
    Marlo musste sich beherrschen Wolfram nicht paar zu scheuern, so wie der sich aufführte. Aber das würde er vermutlich nicht übers Herz bringen. Dafür war ihm dieser Verrückte viel zu wichtig. Marlo hoffte dass er vor Wut nicht losflennen musste, aber so vor den Koffer geschissen bekam er selten für etwas nettes. Wolfram verstand ihn völlig falsch.

    „Warst du nicht lange genug allein? Jetzt benimmst du dich noch schlimmer als vorher Wolfram. Wenn wir ein Paar sind, muss ich nicht deine Meinung haben. Und ich werde ganz sicher nicht gehen. Und ich lass mich von dir nicht wegschicken. Solche Worte kannst du nicht zurücknehmen. Das lass ich mir nicht von dir gefallen. Ich werd dich nicht aufgeben, du bist mein Mann und das bleibt so. Reiss dich gefälligst zusammen und hör jetzt auf mit der Scheisse. Wenn du an meine Worte zweifelst, stell ein Band zwischen uns her. Wobei ich kann das genauso.“

    Marlo packte Wolfram und küsste ihn so hart er konnte.

    „Beweis genug? Wölfchen bitte hör auf und sei wieder vernünftig. Ich hab dich lieb, nur dich keinen anderen.“

  • Dunwin kam der Bitte seines Bruder nach und flog. Da er nicht wusste, welches Ziel sein Bruder hatte, steuerte Dunwin die Nachtburg an. Der Flug war die reinste Qual für Brandur und er schrie sich die Seele aus dem Leib. Zu seinen verdrehten Lebzeiten hätte Dunwin das Geschrei gleichzeitig erfreut wie angewidert. Allerdings hätte es ihn auch irgendwo tief in seiner Seele geschmerzt, nur hätte er dies damals weder vor sich noch jemand anderes zugegeben.


    Heute gab er es vor sich zu. Brandurs Schreie und seine Qual schmerzten ihn. Das Schlimmste daran war, dass Dunwin genau wusste, dass er für das Leid verantwortlich war. Er hatte nicht nur Brandur unsägliches Leid gebracht, er war für das Leid vieler Menschen verantwortlich.


    Als Brandur ihm befahl auf einem Felsen zu landen, gehorchte Dunwin. Gerade als er sich erkundigen wollte, wie er ihm denn helfen könne und wie schlimm die Schmerzen sind, riss ihn Brandur aus dem knöchernen Drachen und zog ihn in seinen eigenen Körper.


    Dunwins Seele war schlagartig paralysiert vor Schmerzen. Jede weitere Frage dahingehend erübrigte sich. Die Schmerzen waren grauenvoll und steigerten sich, in einem kaum erträglichen Maße. Die Beschimpfung ertrug Dunwin klaglos, ebenso ertrug er die Schmerzen von Brandur mit. Dun hofft inständig, dass geteiltes Leid, wirklich halbes Leid wäre. Die Worte wie den Schmerz hatte er verdient. Er hatte sie verursacht, so war es Brandurs Recht ihm diese aufzuerlegen.


    Als Brandur endlich von ihm abließ und ihn wieder freigab, fühlte sich Dunwin trotz dass er körperlos war erschöpft und geschunden. Diese Schmerzen, wie jene die ihm Dave zugefügt hatte, waren die Konsequenz dessen was er angerichtet hatte.


    Dunwin selbst hatte seinen eigenen Schmerz die ganze Zeit verborgen gehalten. Die seelische Einsamkeit teilte er mit Brandur. Aber vermutlich nicht nur mit ihm, sondern vermutlich trug sie jeder Hohenfelde tief in sich. Sie waren eine große Familie und dennoch waren sie jeder für sich einsamer, als wären sie tatsächlich allein.


    Dun schämte sich für das was er seinem Bruder angetan hatte. Er fragte sich, warum er all die Jahre dermaßen blind gewesen war und eine so sadistische Freude dabei empfunden hatte, seinem eigen Fleisch und Blut, denn nichts anderes war Brandur, zu schaden. Brandur, Kunwolf, Ansgar, Dave… sogar seiner Frau hatte er grenzenlos geschadet. Er hatte sie verachtet, er hatte sie bewusst ignoriert, nur weil man ihn ignorierte.


    Ja er hatte den Schmerz verdient, den Brandur litt.


    Hätte er nur etwas von dem Rückgrat besessen, dass er stets so stolz zur Schau getragen hatte, dann hätte er sich selbst vom Dach gestürzt, anstatt nur einen seiner Brüder anzurühren und Alastairs Wahnsinn zu vollenden. Am besten hätte er seinen Vater in einer Umarmung mit in den Tod gerissen. Dann wäre es vorbei gewesen. Endgültig.


    Aber was hatte er erreicht? Er hatte das Grauen weitergereicht. Sein Bruder hätte nicht dermaßen leiden müssen, hätten sie nur einmal an einem Strang gezogen, so wie es sich Brandur wünschte. Dunwin strich dem schlafenden Brandur mit seiner geisterhaften Hand über den Kopf. Sie beide würden es gemeinsam besser machen. Das was Brandur für Linhard ertrug, würde Dunwin ebenso ertragen und seinen Anteil leisten. Vielleicht kam seine Reue spät, aber zu spät war es noch nicht. Und sollte je der Tag kommen, wo Brandur selbst die Sphäre wechselte, dann wäre er auch dort für ihn da.


    Es war nicht viel, aber mit der Gewissheit zu gehen, dass jemand auf einen wartete, war ein winzig kleiner Lichtblick, der dem ganzen seinen Schrecken nahm. Dunwin war Brandur für die auferlegten Qualen nicht böse. Im Gegenteil, er hatte sie verdient und er hatte damit aufgezeigt bekommen, was er seinem Bruder angetan hatte. Er hatte ihm einen Spiegel vorgehalten, hatte ihn in seine Welt der Schmerzen gezogen. Er hatte nur einen Augenblick ertragen müssen, was Brandur täglich ertrug.


    „Verzeih mir…
    Das habe ich nicht gewollt…


    Schlaf… ich wache über Dich Bruder…
    Wir werden es besser machen… ich schwöre es Dir…


    Das Leid in unserer Familie wird enden…
    Lin wird unser Markstein sein…


    Nie wieder wird ein Hohenfelde seinen Bruder angehen… oder töten…
    Wir machen es besser… für Linhard und jeden der folgt…
    Ich verspreche es Dir Brand… ich schwöre es Dir… großer Bruder…“,
    flüsterte Dunwin.


    Erneut ergriff er Besitz von dem knöchernen Drachen. So wachte Dunwin über seinen schlafenden Bruder.

  • Wolfram drückte Marlo an sich. Er führte sich wirklich unmöglich auf. Was war nur los mit ihm?


    "Beweis genug, ich hab Dich auch unheimlich lieb Marlo. Ja ich war lange genug allein. Eigentlich war ich immer alleine, das habe ich Dir doch erzählt. Ich weiß nicht, wo mir im Moment der Kopf steht. Aber ich habe mich wieder im Griff. Schön dass Du nicht gehst und Dich von meinen Launen nicht vertreiben lässt.


    Wegen dem was Ihr über Kasimir gesagt habt, darüber werde ich später noch einmal in Ruhe nachdenken. Im Moment lassen wir das Thema bitte. Zum Thema Hochzeit, falls je akut werden sollte, fertigen wir die Gästeliste gemeinsam. Oder beschließen gemeinsam alleine zu feiern. Aber sich heute schon drum zu streiten, war von mir nicht nötig. Du hast Recht, ich hab mich irgendwie angegriffen gefühlt. Ich kann Dir nicht mal sagen warum Marlo. Sonst ist das nicht meine Art.


    Die Spielstunde muss nicht nur im Haus stattfinden. Da haben wir ja auch gerade einige Gäste. Hier gibt es zwar nicht viele Versteckmöglichkeiten, aber zwischen den Bäumen oder hinter den Wasserfällen schon. Einige verwinkelte Felsen und lauschige Plätze, komm mit ich zeige sie Dir", antwortete Wolfram grinsend und gab den Weg vor.

  • Marlo


    hielt Wolfram fest. Der Kerl war ständig in Bewegung oder musste arbeiten. Wolf konnte scheinbar nicht stillsitzen.


    "Wenn du mir zugehört hättest, wüsstest du warum du so gereizt bist. Ich wiederhole es Wölfchen, du bist unsicher. Darum bist du so wütend geworden. Ich hab dir erklärt, dass es unwichtig ist, was andere von deine Beziehung halten. Wichtig ist, dass du glücklich bist. Manchmal muss du dafür aber leider lügen oder sogar deine Beziehung verschweigen. Wie ich dir gesagt habe Wölfchen, das war mutig meine Hand zu streicheln.
    Die meisten anderen begreifen nicht, das Liebe Liebe ist. Sie verstehen nicht, dass du als Mann einen anderen Mann begehren kannst. Oder vielleicht eine Person von einen anderen Volk. Ob du mit einen Alb oder einen Ork zusammen bist, ist deine Wahl. Wenn du Glück hast, nehmen die anderen das hin und akzeptieren das. Wenn du richtig Pech hast, wirst du dafür angegriffen. Nicht nur von deine Familie, sogar von fremden Personen. Die greifen dich körperlich an, weil du liebst wen du liebst. Was geht das an? Gar nichts. Aber wenn du keine Anfeindungen und Schläge riskieren willst, schweigst du besser.
    Es geht denen nicht darum, mit wem du zusammen bist Wölfchen. Die interessieren sich genauso wenig dafür wen du liebst. Das sind nur erbärmliche Würstchen, die sehen, dass du glücklich bist und sie sind das nicht. Und schon suchen sie einen Grund warum sie dir auf die Fresse hauen können. Sich als Moralprediger aufspielen können um das zu zerstören was die selber nicht haben. Und dabei fühlen die sich noch gut, weil sie die Welt vor solchen Unrecht bewahrt haben. Aber sie haben damit Macht und sie zerstören damit dein Leben, wenn du es zulässt.
    Wenn du glücklich sein willst, musst du dich für ein Weg entscheiden. Das hab ich dir vorhin schon gesagt. Entweder hälst du die Klappe Schatz oder du tust es und scheisst drauf, was die anderen davon denken. ich denke wir beide haben beschlossen wir scheissen gemeinsam drauf. Dann mach das aber richtig und ärgere dich nicht über ein Kommentar. Vielleicht hast du Sarkasmus gehört wo keiner war. Vielleicht hat Brandur das sogar nett gemeint? Wissen wir doch gar nicht. Und wenn er fies sein wollte? Ist das genauso egal. Ob er das gut oder schlecht findet, darf nichts an unsere Partnerschaft ändern Wolfram. Aber sobald du dich über so ein Kommentar ärgerst, tust du das. Du hast schlechte Laune und unterstellst mir auf einmal, ich hätte mit Brandur was. Und alles nur, weil du andere in unsere Beziehung lässt. Nur weil du andere ihre Meinung für voll nimmst.
    Pass auf, ich mag dich unheimlich und ich weiss dass du keine Ahnung hast. Aber das weisst du genauso. Und das heisst für dich, dass du dein Maul nicht soweit aufreisst, sondern zuhörst was ich zu sagen habe. Hier hab ich die Ahnung, nicht du. Ich will nicht nur dass du zuhörst, ich will dass du meiner Meinung vertraust. Du bist meiner, ich schade dir nicht. Ich kämpf dafür, dass es dir gut geht. Blöde ist nur, wenn ich dafür gegen dich antreten muss.
    Das du unsicher bist, ist normal Wölfchen. Aber du kannst doch ein Band herstellen. Dann machst du das demnächst, wenn du so einen Scheiss denkst und dann liest du die Wahrheit. Und du kannst dir immer sagen, dass ich auf deine Seite bin. Sogar wenn ich eine andere Meinung habe. Ich habe eine andere Meinung über den Blutsauger. Aber nicht, damit Kasimir bestraft wird. Sondern damit er keine anderen Leute umbringt. Damit er vor allem dich nicht umbringt Wölfchen. Drum lass mir meine Meinung. Und deine eigene musst du überdenken. Das ist kein Spass und Brandur lebte lange mit ihm zusammen. Er kennt die Gefahr. Er hat nur versucht dich zu warnen und du hast die Warnung nicht hören wollen. Da werden andere irgendwann stinkig Wolf. Du wirst genauso wütend, wenn ich deine Warnungen einfach zu Seite schieben würde. Ja ja der ist gefährlich, ich finde den aber total nett.
    Danach hat dich keiner gefragt. Ob der nett ist interessiert doch keine Sau Wölfchen. Er ist nett und er ist gefährlich, beides stimmt. Und weil er so nett ist, ist er noch gefährlicher. Guck doch, du hast keine Angst vor ihm. Wenn er dich beissen will, bist du noch so blöde und schnallst das erst, wenn es zu spät ist. Das hat Brandur dir die ganze Zeit gesagt. Sei vorsichtig, er kann dich verletzten oder schlimmer. Und du fängst an rumzuzanken. Du entschuldigst dich nachher, denn er hat bis auf sein Klopfen wie ein Irrer nichts falsches getan Wolf."


    Marlo gab Wolf frei und streichelte ihn.


    "Spielstunde hinter dem Wasserfall klingt geil. Oder zwischen den dunklen Bäumen. Wir können auch in die Speisekammer gehen. Wobei ich würde zwischen den Bäumen bevorzugen. Das sind Nadelbäume und darunter ist immer ein weicher Boden. Wir hätten das da schön gemütlich. Ein Nadelkissen sozusagen. Da liegst du schön weich und bequem, oder ich. Ganz wie du spielen möchtest. Und Nadelbäume riechen gut. Ist dir das mal aufgefallen? Die riechen irgendwie männlich. Also lass uns zwischen die Bäume verschwinden Wölfchen komm. Versuch leise zu sein, sonst halt ich dir den Mund zu."