Der Vampir und die Bestie

  • Jesper knuffte Arch und hielt ihm Schokolade hin.


    ”Nimm", sagte er gut gelaunt.
    "Nein Danke, ich glaube daher hatte ich oft Migräne. Ist ein Auslöser, ich verzichte mal eine Zeit lang drauf", antwortete Archibald.


    "Von mir aus, ein Versuch kann nicht schaden. Du siehst ein bisschen besser aus. Wie geht es Dir? Hunger gehabt in letzter Zeit?", hakte Jesper nach und ass selbst die Schokolade.
    "Geht mir auch wieder besser. Nein ich habe keinen Hunger gehabt, sondern Migräne. Hunger... manchmal muss ich dann an Derya denken. Komisch", erklärte Arch leise.


    "Inwieweit denkst Du an sie?", fragte Jesper freundlich.
    "Dass ich mir jedes Objekt gegriffen hätte, nur nicht sie. Im Rausch erkenne ich niemanden, aber ich erkenne Zeichen. Darum befahl ich damals Merna der Kleinen so früh wie möglich die Tätowierung stechen zu lassen.


    Sie bekam sie mit 3 Jahren. Für den extremen Wenn-Fall das ich meine eigene Tochter greifen würde. Ich hätte sie im Rausch nicht erkannt Jesper. Ich hätte sie gefressen. Aber ich hätte im Rausch das Zeichen erkannt, ich hätte vielleicht keinen Zusammenhang herstellen können, wer sie ist, aber ich hätte sie niemals verletzt.


    Denn sie trägt ein Zeichen der Ältesten. Ich wollte nicht irgendwann aus einem Rausch aufwachen und die Reste von Derya in Händen halten. Das hätte ich nicht ertragen. Also musste ich sie als unantastbar brandmarken und zwar so, dass ich es im Rausch noch begreife. Das ist die einzige Möglichkeit die ich hatte.


    Als Vater sorgt man sich eben immer, auch wenn meine Art der Sorge wohl sehr speziell ist. Anders konnte ich ihr meine Fürsorge nicht gefahrlos zu teil werden lassen", sagte Arch.


    Jesper musterte Arch.


    "Arch, andere möchten ihre Kinder auch nicht halb zerfressen im Arm halten. Wenn Du das begreifst, dann lass Dir endlich helfen! Ich verstehe Dich nicht", stöhnte Jesper.
    "Tun die wenigsten Jesper und ist nicht weiter schlimm", gab Arch zurück.


    "Doch es ist schlimm! Mein Problem mit Dir ist, ich weiß was Du für ein hochanständiger und lieber Kerl Du sein kannst. Ich weiß wie hilfsbereit Du sein kannst und man kann sich keinen besseren Kumpel als Dich wünschen. Du bist absolut loyal, Du sagst einem auch unbequeme Wahrheiten und Du lässt einen nie hängen.


    Ich mag Dich sehr Arch, Deine Freundschaft bedeutet mir viel. Aber Du hast auch eine andere Seite, die unbeschreiblich grausam ist. Mörderisch grausam und sadistisch. Kampf ist das eine, aber das was Du im "Rausch" tust ist Wahnsinn.


    Du bist krank im Kopf. Das meine ich nicht als Beleidigung, sondern Du bist da tatsächlich krank.


    Würde ich nur die dunkle Seite kennen, sprich die Bestie, würde ich sagen Du musst gehen. Aber ich kann nicht zulassen, dass Dich wer in den Abgrund schickt und Dich gehen lässt, denn Deine andere helle Seite hat das nicht verdient.
    Mich kotzt es allerdings an, dass Du kein bisschen bereit bist, der Bestie Einhalt zu gebieten. Hättest Du Dich für Derya behandeln lassen? Bestimmt. Aber für alle anderen nicht.


    All jene die Du holst und in Deinen Abgrund reißt Archibald von Dornburg sind für irgendwen da draußen eine Derya.


    Du bist zwar jünger als ich, aber nicht mehr der Jüngste. Denk wenigstens nun drüber nach, ob Du Dich nicht wenigstens auf Deine alten Tage behandeln lässt. Hänge den Job an den Nagel, nimm hin dass Du fett wirst und gestehe den anderen wie auch Dir Frieden zu.
    Du hattest es mit Merna versucht und bist gescheitert, aber Du warst ehrlich zu Dir. Sei es jetzt auch",
    bat Jesper.


    "Merna ist leider vor ein paar Jahren gestorben. Ich habe unserer Kurzen da etwas Geld geschickt. Naja so kurz ist sie nicht mehr. Und nein, ich lasse mir nichts abschneiden. Derya ist 37 Jahre alt, von mir geht für sie keine Gefahr mehr aus Jesper.


    Die Kurze hatte vor einigen Monaten gewaltige Scheiße gebaut Jes.
    Das war so... lass mich nicht lügen... am Jahresanfang...
    Dunwin lebte noch... ja... genau...
    Ich glaube sie hat... mein Problem...
    Sie wurde verurteilt und sollte hingerichtet werden... 46facher Mord...
    Wie bei den Ältesten kann man sich 46 mal erwischen lassen?",
    keuchte Archibald.


    "Derya?", hakte Jesper total baff nach.
    "Ja!", bestätigte Arch erschüttert.


    "46... die Zahl muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen", stöhnte Jesper.
    "Wenn ich es doch sage! Keine Ahnung wie viele Baby wirklich ausgeknipst hat, aber eigentlich sollte man sich überhaupt nicht erwischen lassen! Das hat mich total entsetzt. Was ist nur mit ihr los", erklärte Archibald mit Grabesstimme.


    "Du hast sie sehr geliebt oder?", flüsterte Jesper.
    "Ich liebe sie immer noch, unabhängig von ihren Fehlern", grinste Arch.


    "Du hast sie da rausgehauen?", fragte Jesper baff.
    "Sicher, sie ist mein Kind. Wenn sie mich braucht bin ich da", erklärte Arch freundlich.


    "Dann tue es für sie, lass Dir helfen. Oder mach es für uns, der alten Freundschaft Willen, oder für uns alle. Ja?", fragte Jesper und knuffte Arch.
    "Ich habe schon damit angefangen, ob Du es glaubst oder nicht, ich bekam Hilfe von einer anderen Seite und bis jetzt klappt es gut. Aber mehr wird noch nicht verraten. Ich muss einen Probelauf unternehmen. Mich quasi in Versuchung führen und widerstehen. Und ich werde widerstehen - ich schwöre es Dir", erklärte Arch vehement.

  • Nachdem Kasimir die Knochen ausgeladen hatte, wollte er Brandur rasieren. Dieser musterte ihn mit eisigem Blick. "Du warst geradezu rakshanisch Faul in den letzten Tagen! In seiner Not hat mein lieber Sohn sich selbst rasiert. Es kam, wie es kommen musste er hat sich dabei in die Haut geschnitten! Sein Kopf, sein Hals, sein Gesicht, er wird den Rest seines Lebens von ungezählten Narben entstellt sein, während du dich andauernd unverdient regenerierst, so oft es dir beliebt!"


    Kasimir machte ein entgeistertes Gesicht. "Mein Herr, das tut mir schrecklich leid! Ich werde umgehend -"


    "Nichts wirst du! Ich kann deine Entschuldigungen nicht mehr hören!" Brandur war nun laut geworden. "Ich stehe kurz davor, dich aus meinem Dienst zu entlassen und zwar auf eine Weise, die in meiner Familie üblich ist!"


    "Herr, ich -"


    "Ruhe!", brüllte Brandur und knallte ihm den Gehstock mit beiden Händen senkrecht auf den Schädel, als wolle er mit einem Beil einen Holzklotz spalten. Kasimir ging zu Boden. "Ich habe dir dein Unleben geschenkt! Ich habe dich mit meinem eigenen Blut gefüttert, um dich am Leben zu erhalten, zu einer Zeit, in der du hättest sterben sollen! Ich habe die Viper im eigenen Nest geduldet, die mir vorzischelte, dass sie sich beherrschen könne und ich habe ihr geglaubt! Jener Viper, die heuchelte, dass sie ihr ganzes Leben damit verbracht hätte, nichts anderes zu tun, als den Geist zu stählen und nichts als ein bedauernswertes Opfer schrecklicher Umstände sei! Ja, ich habe meine wertvolle verbleibende und absehbar kurze Lebenszeit damit verbracht, Nahrung für dich zu organisieren und an einer Rezeptur zu arbeiten, um dir dein Unleben zu retten! Des endgültigen Todes sterben wirst du durch meine Hand, wenn du dich dafür entscheidest, dich zu benehmen wie das, was du bist! Wieso bist du nicht bei dem geblieben, der dich verdorben hat, und nuckelst das Blut dieser Halbmenschen aus der Steppe, wenn du so gern als Vampir leben willst?! Wir haben einen Pakt, Kasimir LaVaney!"


    Er rollte Kasimir wütend auf den Rücken. Kasimir half ihm unbemerkt dabei, damit Brandur sich nicht auch noch das Kreuz verrenkte und ließ ohne Gegenwehr zu, dass Brandur ihm mit seinem spitzen harten Schnallenschuh in die Leber trat. Er zuckte zusammen. Dann spürte Kasimir das Stilett über seinem Herzen. Der Vampir schloss die Augen, versenkte sich in ein Gebet an Oril, legte sein Schicksal in die Hände des Lichtgottes und wurde ganz ruhig.


    "Eine Chance, Kasimir", sagte Brandur leise, "eine letzte Chance gebe ich dir, um deiner Dienste Willen, da ich leider noch keinen Ersatz für dich gefunden habe. Glaube nicht, dass es aus Gutmütigkeit geschah. Diesen Fehler werde ich nicht begehen."


    Er schob das Stilett wieder in den Gehstock und ging steifbeinig von dannen.


    Kasimir blieb liegen, schwer atmend. Simon fand ihn nach einiger Zeit und kroch näher. Er gab verstörte Geräusche von sich und zupfte mit ausgestrecktem Arm an Kasimirs Kleidung. Als der sich bewegte und den Kopf hob, erschrak das Geschöpf und rannte auf allen vieren in ein Gebüsch. Kasmir fasste auf die Platzwunde, die er mitten auf dem Kopf hatte. Seine Fingerspitzen waren voll von seinem eigenen kalten Blut. Er bat Margot um eine Kompresse, damit er nicht alles volltropfte und endlich erlaubte Brandur ihm, ihn zu rasieren und ihm ein Bad vorzubereiten. Dabei wechselten sie kein einziges Wort.


    Anschließend suchte Kasimir nach Wolfram.


    "Bitte verzeiht meine Abwesenheit, mein Herr benötigte meine Dienste. Wir waren stehen geblieben, als Ihr mich darüber informiertet, dass meine Bissnarbe allein nicht ausreichen würde, um meinen Verderber Varod zu rufen. Doch ich habe diese Knochenkette. Er schenkte sie mir einst und meinte, es handele sich um einen alten rakshanischen Brauch. Zuvor soll sie einem rakshanischen Nekromanten gehört haben, mit dem er bekannt ist. Gegebenenfalls kann dieser Mann Herrn Varod darüber informieren, dass ich seinen Rat wünsche und momentan hier weile. Ich kann jedoch nicht zu ihm gelangen, da ich mich um meinen Herrn kümmern muss und Rakshanistan obendrein allzu malgorisch ist für meinen Geschmack. Es wäre freundlich von ihm, wenn er etwas von seiner Zeit erübrigen und mich besuchen könnte. Für eine dunkle Höhle und Getränke ist gesorgt."


    Man sah Kasimir deutlich an, dass er noch ziemlich durch den Wind war, aber sein Gesicht hatte nichts von seinem freundlichen Ausdruck verloren. Nur seine Lippen zitterten, während er lächelte.

  • Wolfram starrt Kasimir für einen Augenblick wie vom Donner gerührt an, ehe er ihn vorsichtig untersuchte. Umsichtig schaute er unter die Kompresse und legte sie dann wieder auf Kasimirs Wunde.


    "Wer war das? Das ist eine ziemlich tiefe Platzwunde, ich würde sie nähen lassen. Marlo oder Archibald könnten Dir als Schwertmeister helfen, Wundversorgung müssen sie beherrschen. Oder auch der Rakshaner, die wissen sicher auch wie sowas funktioniert. Sie haben angeblich keine Heiler, folglich müsste dort jeder selbst sein eigener Heiler sein.


    Ich könnte auch mein Glück versuchen, aber ob ich das so gut hinbekomme ist fraglich. Nützen Dir Heilkräuter, damit Deine Wunde besser heilt? Damit könnte ich dienen", sagte Wolfram.


    Der Magier hörte genau zu, was Kasimir über Varod zu erzählen hatte. Die Knochenkette war ein Medium - ein Bindeglied dass ihn vielleicht nicht mit Varod selbst, aber dem vorherigen Besitzer in Kontakt bringen konnte.


    Wolfram nahm die Knochenkette an sich, setzte sich im Schneidersitz auf den Boden und ließ sich in den Nexus fallen. Er suchte nicht nach einer bestimmten Person, sondern trieb im Nexus dahin, der Spur der Knochenkette folgend. Sie war durch einige Hände gewandert, aber Wolfram suchte nach magischen Händen. Er fand Nekromantenhände, die einst diese Knochenkette gehalten hatten, ebenso wie Untote Hände.


    Wolfram konzentrierte sich mit seiner ganzen Kraft auf den anderen Magier.


    `Grüße werter Kollege. Mein Name ist Wolfram von Wigberg und ich rufe Dich aus Naridien. Ein Freund von mir lieh mir eine Knochenkette die einst Dir gehörte. Dieser Freund benötigt ganz dringend Kontakt zu seinem Vampir-Meister Varod. Wer immer Du bist, bitte richte Varod diese Nachricht von Kasimir aus.


    Kasimir muss ganz dringend mit seinem Meister sprechen. Er lebt im Verborgenen Tal in Daijan. Zu Fuß wird Varod das Tal nicht finden, es ist verborgen in einem Gebirge. Aber da er vermutlich fliegen kann als alter Vampir, soll er von Daijan aus kommend einfach auf das Gebirge zuhalten dass er vor sich sieht. Dort wird er das Tal umgeben von Felsen entdecken´, übermittelte Wolfram.

  • "Ä-häää?", kam die geistige Antwort. "Kannst du nicht vorher anstupsen? Ich bin hier gerade bei einer Invasion! Ehrlich, das kommt grad total ungünstig! Jetzt musst du warten, ich muss das erstmal hier ... eh!


    Aksoy, nicht so schnell! Warte mal, ich hab hier eine Stimme im Kopf. Flieg mal rechts ran. Also, wer ist da? Wolfram? Das ist ja ein komischer Name, klingt wie Wolf-Rahm. So Quark aus Wolfsmilch. Nur Naridier können so eigenartige Namen haben, du solltest dich umbenennen, du machst dich damit total lächerlich.


    Oh, scheiße, das sieht grad GAR nicht gut aus, der Grenzstein da vorn macht Ärger! Aksi, da kommen gleich Trümmer geflogen, wenn die Sandmagier erstmal loslegen! Geh mal besser in Deckung. Also wen willst du? Varod? Also der war vorhin noch da drüben. Ach, du kannst ja gar nicht gucken, wohin ich zeige. Warte, ich ruf den mal. Varodi, VAROD ZUM GEIER! Pft, der hört nicht zu! Aksi, du musst näher ran. Diskutier nicht, vergiss die Deckung, da gibt es halt mal eine Beule, jetzt hab dich mal nicht so!


    Varod, Varoood! Ich hab hier jemanden im Kopf, der will dich sprechen, aber kann`s nicht, weil du tot bist! Also dich ruft einer für einen Kasimir an! Der mit der Knochenkette! Der ist in einem Tal, was im Gebirge ist, was bei Daijian ist, also wenn du da genau drauf zuhälst, auf das Tal, vom Gebirge aus, von Daijian aus. Alles klar so weit? Er will dich sehen! Sofort! Es scheint ein dringender Notfall zu sein! Ich glaube, er stirbt oder so!"

  • Aksoy guckte etwas verdattert über die Schulter, als Crize auf einmal zu sprechen anfing. Alles klang total verwirrt, da er einerseits mit ihm und andererseits mit irgendeinem imaginären Kontaktmann sprach. Bis Aksoy einfiel, dass sein Kumpel vermutlich magisch redete.


    Aksoy flog wie gewünscht langsamer und einen Moment später klärte Crize genau den seltsamen Umstand auf, er hatte eine Stimme im Kopf. Gut beruhigender als das vorherige Gespräch klang das für Aksoy irgendwie auch nicht. Der große Tiefling flog weiter nach rechts, was immer Crize dass im Gespräch bringen sollte, er zuckte die gewaltigen Schultern.


    Bei der Erläuterung des Namens seines Gesprächspartners musste Aksoy brummend loslachen, wer trug so einen Namen? Und was für Leute kannte Crize?


    Die Warnung hingegen war alles andere als witzig. Aksoy ging im Sturzflug runter und versuchte dann den angesprochenen Varod auf seiner Hyäne abzufangen. Warum auch immer, es schien wichtiger zu sein, als einen Stein vor die Rübe zu bekommen. Laut Crize ging es um Leben und Tod und scheinbar war Kasimir Varods Sohn.


    Aksoy fing Varod ab, indem er den Rakshaner mit seiner Hyäne überholte und sich genau vor ihr zu Boden plumpsen ließ. Crize wurde dabei ganz schön durchgeschüttelt, Aksoy ebenso, aber Varod war abgefangen. Seine Hyäne legte mit lautem Gemeckere eine Vollbremsung hin und fletschte ihr eindrucksvolles Gebiss.


    Der Rakshaner musterte sie vom Rücken seines stattlichen Tieres aus mit einem extrem besorgten Gesichtsausdruck.

  • Crize rückte seinen Turban zurecht, da er ihm über die Augen gerutscht war bei Aksoys Flugkünsten.


    "Astrein und ohne Beule! Da bist du ja endlich, Varodischnodi! Kannst du mal kurz Pause machen mit deinem Ansturm? Ich glaub, ich hab grad mit der Luft geredet, so wie du guckst. Also noch mal von vorn.


    Ich hab hier jemanden im Kopf, der dich ruft einer für einen Kasimir an! Dem du mal deine Knochenkette geborgt hast! ich möchte dazu anmerken, dass ich das total bescheuert finde, endweder man ist veheiratet oder man lässt es bleiben, aber Eheleute zu verborgen ist echt schräg. Das ist echt unmoralisch, nimmst du dafür auch Geld und was sagt deine Frau dazu, dass dauernd der Ehemann wechselt? Moment, das ist ja auch meine Frau, also meine Ex! Kenn ich diesen Kasimir? Mann, so hätte ich dich echt nicht eingeschätzt und ich denk nicht, dass es im Chaoticum eine Stelle gibt, die sagt, dass man das soll. Du sollst jedenfalls mal eben fix als Fledermaus nach Daijian in Naridien fliegen und von dort aus auf das Gebirge zu. Dann findest du ein verstecktes Tal, in dem Kasimir auf dich wartet.


    Der Anrufer war üüübelst aufgeregt und nervös, Kasimir muss kurz vorm Abkratzen sein. Ach ja, und nen blöden Namen hatte er auch noch, Wolfram hieß der, so wie Wolf-Rahm. Verstehst du? Wolf-Rahm! Haha! Der hieß wirklich so, ohne Scheiß."


    Crize pulte beim Sprechen an Aksoys Kopfhaut rum und schnippte irgendwelche Krümel weg.

  • Varod musterte Crize, zog fragend eine Augenbraue hoch und hörte sich genau an was er zu sagen hatte.


    "Langsam, langsam ich habe meinem Bisssohn diese Kette geschenkt, damit er stets ein Andenken an mich hat. Nunja und zeitgleich war ich damit meine Frau los. Gibt es nicht ein schöneres Geschenk von seinem Bissvater als eine bleibende Erinnerung und eine gute Ehefrau? Unmoralisch ist sowas nicht. Bücher? Bücher sind eine Erfindung der Sesshaften. Echte Rakshaner lesen keine Bücher.


    Das Chaoticum ist nur eine grobe Richtlinie und wahre Brüder teilen alles Crize.
    Du hast mir ja auch Deine Frau überlassen und da ich nicht geizig bin, habe ich ebenfalls geteilt.
    Zudem habe ich meine Frau doch gar nicht verliehen, ich habe sie samt Kette verschenkt. Das spielt jetzt alles keine Rolle Crize, wer eventuell wen verliehen haben könnte oder wer nun mit wem verheiratet ist. Du sagst Kasimir ist in Gefahr?",
    fragte Varod nervös und sprang von Klecks seiner Hyäne.


    Varod trat ganz nah an Crize heran, schüttelte den Nekromanten eindringlich und drückte ihm dann die Zügel von Klecks in die Hand.


    "Naridien, Daijan, Gebirge, Tal, bei Wolf-Rahm. Dort ist Kasimir. Ich eile sofort meinem Sohn zur Hilfe. Du passt auf meine Hyäne auf. Sie bedeutet mir viel, hüte sie wie Deine eigene.


    Über die Ehefrau können wir immer noch sprechen, es geht um das Leben meines Bisssohnes. Ich fliege sofort. Wir sehen uns, wünsche mir Glück, dass ich nicht zu spät komme. Sage diesem Wolf-Rahm ich bin unterwegs", erklärte Varod ernst.


    Der Vampir ließ Crize los, nickte knapp, griff auf seine Gabe zu und verwandelte sich in eine Fledermaus. Varod schoss wie ein kleiner Pelzball in die Nacht davon.

  • Wolfram kämpfte sich zurück in die Physis und schaute sich einen Moment desorientiert um. Er befand sich in der Vorratshöhle und saß Kasimir gegenüber. Der Kampfmagier reichte Kasimir die Knochenkette zurück.


    "Über die Knochenkette war es mir möglich Verbindung zu einem Nekromanten aufzunehmen Kasimir. Dieser Nekromant befand sich ganz in der Nähe Deines Meisters. Noch während wir verbunden waren, hat er mit ihm gesprochen, so dass ich das Gespräch mental verfolgen konnte. Natürlich nur einseitig, da ich die Antwort nicht gehört habe.


    Aber wie ich den Gedanken des Nekromanten entnehmen konnte, hatte er Deinem Meister mitgeteilt, dass Du in großer Not bist und dieser schien darüber sehr schockiert zu sein. Soweit ich es richtig vermute, ist Dein Meister auf direktem Wege hierher. Dieser Nekromant befand sich gerade bei irgendeiner Invasion und sein Kollege der ihn begleitete hieß Aksoy.


    Jedenfalls hat dieser Nekro Deinem Meister den Weg beschrieben, wie er zu uns gelangen kann. Deshalb gehe ich fest davon aus, dass Du schon bald mit dem Erscheinen Deines Meisters rechnen kannst Kasimir. Sollte er widererwartend doch nicht in der nächsten Zeit hier ankommen, dann kann ich gerne noch einmal über die Kette mit dem freundlichen und leicht schussligen Nekromanten Kontakt aufnehmen. Er fand meinen Namen witzig, ich kann mich gar nicht erinnern ob er mir seinen genannt hat. Ich glaube nicht, jedenfalls kann ich mich nicht daran erinnern. Naja mein Namensgedächtnis ist eh nicht sonderlich gut.


    Es freut mich, dass ich Dir helfen konnte Kasimir, hoffentlich ist Dein Meister bald hier. Jetzt solltest Du Dich aber verarzten lassen. Soll ich Marlo oder Archibald bitten Dir zu helfen? Oder soll ich Dich verbinden? Ich meine Du verstehst Dich ja hier mit allen Recht gut, ich würde die Platzwunde lieber nähen lassen", sagte Wolfram freundlich.

  • "Vielen Dank, Herr", sagte Kasimir. "Rakshaner haben eine seltsame Art von Humor, den ich nicht teile, sie sind ein durchweg albernes Volk. Der Nekromant wird Crize gewesen sein. Er ist ein guter bekannter meines Verderbers. Eine Invasion? Nicht schon wieder! Sie haben doch erst Dunkelbruch überfallen!" Kasimir stöhnte. Er konnte das kriegslüsterne Treiben dieses Volkes nicht gut heißen, wie oft Varod auch versucht hatte, ihn von den Vorzügen dessen zu überzeugen.


    "Die Platzwunde tut nicht weiter weh, mach dir bitte keine Umstände deswegen. Ich habe mir lediglich den Kopf gestoßen. Es ist nicht nötig, sie zu nähen, da ich mit einer außerordentlichen Regenerationsfähigkeit gesegnet bin. Es wäre sehr freundlich, wenn du Archibald und Simon zu mir bitten könntest oder mir sagen könntest, wo ich sie finde. Simon ist Archibalds Begleiter, der dünne, gelbliche Mann.


    Oh, und wenn mir der Hinweis gestattet ist, der rakshanische Freund von Archibald schaut deiner Dienstmagt auf ungebührliche Weise auf Körperregionen, auf die man nicht schauen sollte, es sei denn, man ist Arzt und hegt ein medizinisches Interesse oder ist mit der betreffenden Person verheiratet. Du solltest ihn ermahnen."

  • Wolfram nickte knapp.


    "Nicht dafür, ich hatte Dir meine Hilfe zugesagt und ich stehe zu meinem Wort. Zudem bist Du mein Gast und plaudere sehr gerne mit Dir. Also wenn Du schon Deine Zeit mit mir verbringst und mir Ratschläge erteilst um mir zu helfen, dann ist es wohl das Mindeste, dass ich Dir ebenso helfe", antwortete Wolfram freundlich.


    "Ob Rakshaner besonders albern sind, kann ich nicht beantworten. Aber kriegslüstern sind sie, dass ist richtig. Sie nutzen jede Gelegenheit um Krieg zu führen. Auf der anderen Seite gilt dies garantiert nicht für jeden Rakshaner Kasimir. Unserer Sippe sagt man allen samt auch Brutalität nach. Auch wenn es bei uns nicht viele Ausnahmen gibt, aber es gibt sie.


    Und nicht jeder Wigberg ist ein arroganter Kotzbrocken, jedenfalls halte ich mich persönlich für keinen. Allerdings gingen die mir jene aus meiner eigenen Familie gewaltig auf die Nerven und das ist schon eine Leistung die erst einmal jemand hinbekommen muss.


    Gut, wenn Du meinst die Wunde heilt so, lass sie ohne Nähen abheilen. Ich bin da zwar völlig anderer Meinung, aber dass musst Du selbst wissen. Solltest Du doch noch Deine Meinung ändern, melde Dich einfach kurz bei mir. Von Archibald der gelbe Diener spielt draußen im Garten. Er sucht irgendwas im Gras oder tobt einfach aus purer Lebensfreude. Er sieht verdammt krank aus, Archibald sollte ihn zu einem Heiler bringen.


    Ich werde Archibald und seinen Diener zu Dir schicken. Bleib hier und erhole Dich von Deiner Verletzung. Sieh die Höhle als Deinen Unterschlupf an. Du kannst ihn Dir ja mit Archibald teilen, er scheint die Dunkelheit genauso zu benötigen bei seiner Migräne. Ihr beiden versteht Euch ja ziemlich gut, da dürfte es keine Schwierigkeiten geben.


    Sag mir Bescheid, wenn Dein Meister angekommen ist, ich würde ihn gerne kennenlernen. So ich mache mich mal wieder auf den Weg ins Haus, sonst vermisst mich Marlo noch und ich kann mir eine Standpauke von ihm anhören. Oder ich bekomme Tannenverbot, wer weiß.


    Keine Ahnung was Du mit dem Hinweis meinst Kasimir, aber der Rakshaner sieht nicht wie ein Arzt aus. Und ich glaube nicht, dass er irgendwie medizinische Interessen hat. Ich schicke Dir Archibald und Simon", antwortete Wolfram freundlich.


    Der Magier verließ die Vorratshöhle und sah Jesper und Archibald direkt hinter dem Haus sitzen. Die beiden hatten es sich auf der Mauer hinter dem Haus gemütlich gemacht. Wolfram gesellte sich kurz dazu.


    "Hallo, Archibald Du sollst bitte einmal zu Kasimir kommen. Und nebenbei erwähnt, schau Dir seine Verletzung an. Er hat eine gewaltige Platzwunde auf dem Schädel und behauptet, diese würde von alleine heilen. Ich vermute, er möchte nur niemanden Umstände machen, aber Du könntest ihn vielleicht überzeugen Hilfe anzunehmen. Oder ihm sogar selbst die Wunde nähen. Vor mir tat er so, dass er keine Hilfe benötigte. Aber ich sah ihm eindeutig an, wie es ihm geht. Ach und Du sollst bitte Simon mitbringen. Simon sollte vielleicht auch mal einen Heiler sehen. Das nur mal so am Rande. Bis später", erklärte Wolfram und machte sich zurück auf den Weg ins Haus.


    Dort gesellte er sich wieder zu Marlo.


    "Nun habe ich so viel Zeit für Dich wie Du möchtest, alle Aufgaben erledigt. Hast Du was bestimmtes vor?", fragte Wolfram freundlich und machte es sich neben Marlo gemütlich.

  • Archibald schluckte und bellte "SIMON". Im gleichen Moment sprang er auch schon auf und rannte zu Kasimir. Simon kam aus dem Garten auf allen vieren angeflitzt und folgte Archibald so schnell er konnte. Jesper folgte ihnen mit etwas Abstand, weder war er so schnell noch war er so flink.


    Arch riss die Tür zur Vorratshöhle auf und war direkt an Kasimirs Seite. Ohne lange groß zu fragen untersuchte er dessen Platzwunde. So brutal wie der Schwertmeister sonst auch vorgehen konnte, so behutsam ging er nun vor.


    "Wer war das Meister?", fragte er Kasimir und schaute ihm genau in die Augen.
    "Ich werde die Wunde nähen", fügte Archibald an und hockte sich vor Kasimir hin. Er kramte sein kleinen Notfallsäckchen hervor, entnahm eine Nadel, einen scheinbar dünnen Faden, der in Wahrheit ein Katzendarm war und einen winzigen Flachmann.


    "Bereit wenn Du es bist", erklärte Arch fürsorglich.


    Simon schlich um die beiden herum und warf immer wieder einen Blick auf Kasimirs Wunde. Ab und an hockte er sich auf den Hintern, presste seine Hände an seine Schläfen und wimmerte "Nai nai nai", ehe er wieder seinen schleichenden Rundgang aufnahm.


    Archibald warf ihm einen mahnenden Blick zu, in dem Moment kam Jesper herein und setzte sich neben Arch und Kasi.

    "Kann ich irgendwie helfen?",
    fragte er die Beiden.
    "Nimm den Flachmann, desinfiziere Kasimirs Wunde und dann Nadel und Faden samt meiner Hände. Ich muss die Wunde nähen. Du könntest Kasi festhalten, während ich ihn zusammenflicke. Dann ist es für ihn leichter Jesper", bat Archibald.


    "Mache ich, alles klar. Wir bekommen das hin", munterte van Verling Kasimir auf und schüttete ihm vorsichtig etwas von dem Alkohol über die Platzwunde, ehe er einiges davon über Archibalds Hände, samt der Nadel und den Faden goss.


    "Gut?", hakte Jesper besorgt nach.
    "Gut, ich bin soweit, halt ihn fest Jesper", erklärte von Dornburg.


    Jesper setzte sich hinter Kasimir und umarmte ihn so, dass dieser nicht mehr zappeln konnte, während Archibald so vorsichtig wie möglich dessen Platzwunde nähte. Als er fertig war betrachtete er zufrieden sein Werk.

    "Saubere Arbeit Arch, gut gemacht",
    freute sich Jesper für Kasimir. Simon schlich vorsichtig näher und schaute sich die verschlossene Wunde an.
    "Dank Dir Jes. So sieht das schon besser aus und so heilt es auch besser. Bleib mit den Fingern von der Wunde weg Simon. Wie fühlst Du Dich Kasi?", hakte Archibald besorgt nach, während er die Nadel und den kleinen Flachmann wieder im Beutel verstaute.

  • "Ich habe mich lediglich an etwas gestoßen", erwiderte Kasimir, während er die Behandlung über sich ergehen ließ. Das Pieksen der Nadel merkte er kaum, da ihm der Kopf noch von dem Schlag dröhnte, doch er jammerte nicht. Er freute sich, dass sein Schützling sich an seiner Hilfsbereitschaft ein Beispiel nahm, auch wenn er nicht fand, dass die Wunde behandelt werden musste. Jesper, der ihn fixierte, hatte sehr viel Kraft und war riesig, doch er musste diese nicht zum Einsatz bringen. Kasimir hielt die ganze Zeit still und zuckte nicht einmal mit der Wimper. Der arme Simon jedoch schien sehr verstört zu sein. Kasimir lächelte und blinzelte ihm freundlich zu, um ihm zu zeigen, dass alles halb so wild war.


    "Mir geht es sehr gut, Archibald, danke der Nachfrage.


    Herr Wolfram scheint nicht ernstzunehmen, dass ich ihn bat deinen rakshanischen Begleiter zu ermahnen, der ein allzu offenkundiges Interesse an seiner Dienstmagd hegt", erklärte Kasmir, der sich um die guten Sitten des Hauses sorgte. "Als Hausherr sollte er sein Personal vor derlei Zudringlichkeiten schützen."


    Er beobachtete beim Sprechen Simon. Der Ärmste sah nach wie vor todkrank aus, auch wenn er lebhaft herumwuselte, weil er sich so über seine neu erlangte Freiheit freute. Doch lange würde er sie nicht genießen können, wenn sie nicht eingriffen, er konnte einfach beim Toben umfallen und es war aus. Es wurde Zeit.


    "Archibald, ich würde mich gern mit dir um Simon kümmern, bevor es vielleicht zu spät ist. Er erscheint mir sehr, sehr krank." Besorgt runzelte Kasimir die Stirn, nachdem man ihn fertig genäht hatte, während er den misshandelten Mann beim Herumkriechen beobachtete. Dann warf er einen ebenso besorgten Seitenblick auf Jesper.

  • Archibald schnalzte kurz mit der Zunge.


    "Das wollen wir beide erst gar nicht anfangen Kasimir, dass hast Du auch gar nicht nötig. Es muss Dir nicht peinlich sein. Jeder hat schon mal einen Kampf verloren und jeder Mann musste schon mal eine Tracht einstecken. Und Du vergisst mit wem Du sprichst, ich weiß wie stumpfe Gewalteinwirkungen aussehen... ich weiß wie verdammt viele Gewaltwirkungen aussehen...


    Drum lüge mich nicht an Meister. Dir hat jemand eins übergezogen und das ist eine Tatsache. Du möchtest nicht darüber reden, dann reden wir nicht darüber. Das ist legitim, aber lüge nicht. Das hast Du mir gegenüber nicht nötig, merke Dir das einfach", antwortete Archibald freundlich.


    "Nun ich glaube was die gute Margot betrifft, da verstehst Du etwas falsch. Es ist nicht ausschließlich Damir, der Margot hinterher läuft. Sie läuft ihm ebenso hinterher, wie Damir ihr. Ich glaube das Interesse ist auf beiden Seiten ziemlich stark. Aber ich kann ja einmal mit Damir sprechen zu Deiner Beruhigung", bot Arch an.


    Kasimir beobachtete Simon und kam auf die vereinbarte Hilfe zu sprechen. Zeitgleich warf Kasimir einen Seitenblick auf Jesper. Archibald schaute Kasimir ernst an.


    "Wir kümmern uns gemeinsam um Simon, ganz so wie ich es Dir versprochen habe. Ich werde versuchen wieder gut zu machen, was ich ihm angetan habe. Wegen Jesper musst Du Dich nicht sorgen. Er würde Dich eher verstehen als ich Kasimir.


    Jesper weiß was ich bin, dass wusste er schon immer...
    Er ist mein Vertrauter... ich liebe ihn... ich habe ihm von Deinem Geschenk erzählt...
    Ich habe ihm offenbart dass Du mich gesegnet hast...
    Und dass ich mich bemühe... nach Deinen Vorgaben Meister...


    Erlaube ihm anwesend zu sein. Wir planen nichts Schlechtes, sondern wir werden Simon helfen, so wie Du es gefordert hast. So dass er noch etwas vom Leben hat. Und zur Not kann Jesper mich von ihm trennen, falls ich nicht aufhören kann zu trinken. Er hat einmal in den Abgrund geblickt, als er mich sah wie ich dem Hunger nachgab. Er soll auch einmal etwas Gutes von mir zu Gesicht bekommen", antwortete Archibald.


    "Beide Seiten habe ich öfter gesehen als Du glaubst Archi. Wir müssen nachher mal alleine miteinander reden und zwar privat. Kasimir Arch sagt die Wahrheit, er hat mir gestanden dass er ein Vampir ist und von Dir ernährt wird. Falls Ihr Simon tatsächlich helfen möchtet, unterstützte ich Euch", sagte Jesper.

  • Kasimir senkte beschämt die Lider.


    "Was du sagst ist richtig, Archibald", sagte er traurig. "Ich hätte dich nicht belügen dürfen. Es war die Sorge, jemandem Ärger zu bereiten, der es doch gut mit mir meint. Sei gewiss, dass ich den Schlag verdient habe, so wie ich auch jetzt eine Strafe verdiene für meine Lüge. Mein Verstand ist noch nicht scharf genug, um gegen alle malgorischen Einflüsse immun zu sein. Ich muss härter an mir arbeiten und häufiger beten, um Oril in mein Herz zu lassen. Dunkel wird es manchmal darin in letzter Zeit.


    Ob Fräulein Margot wirklich gleichermaßen für Damir ein Interesse hegt, muss unter der Prämisse betrachtet werden, dass sie völlig allein als junge, unerfahrene Frau unter einer Gruppe älterer Männer leben muss, denen sie weder körperlich, noch geistig, noch vom Stande her etwas entgegensetzen kann. Natürlich wird sie sich einen davon als Bezugsperson heraussuchen, um das Gefühl des Ausgeliefertseins zu lindern, einen Beschützer. Diese uralten malgorische Mechanismen waren völlig vorhersehbar. Das Selbe wird sich in jeder Gruppe dieser Konstellation abspielen. Von Freiwilligkeit ist in solch einem Falle jedoch nicht auszugehen, es sind innere Zwänge, welche sie dazu treiben.


    Wenn du davon sprichst, dass du Herrn Jesper vertraust, Archibald, dann tue ich das auch. Wer wäre ich, an deinem Einschätzungsvermögen Zweifel zu hegen, nachdem ihr beide euch länger kennt als ich euch? Simon wird es dank Archibald gleich besser gehen, Herr Jesper. Archibald wird von vielen Menschen kritisiert, doch er ist ein guter Mann, der Böses tat. Er wird wieder gut machen, was er an Simon einst verbrach und ihm das Leben zurück schenken, das er ihm nahm."

  • Archibald machte eine wegwerfende Handbewegung.


    "Geschenkt Kasimir, ich habe Dich lediglich aufgeklärt und nicht belehrt Meister. Falls Du Sorge um das Wohl einer Person hast, sagst Du mir dies. Solltest Du eine Bestrafung für jene Person wünschen, die Dich verletzt hat, reicht ein einziges Wort und ich kümmere mich darum. Bist Du der Auffassung Du hast die Strafe von dieser Person verdient oder möchtest aus einem anderen Grund nicht, dass ihr ein Leid zugefügt wird, akzeptiere ich diese Entscheidung ebenso. Kurzum ich hänge mich in Deine Entscheidungen nicht rein Meister und ich werde sie nicht umgehen. Ich werde Dir höchstens ab und an ehrlich sagen, ob ich diese Entscheidung gut heiße oder nicht. Du wünscht keine Bestrafung für jenen der Dich verletzte... verstanden Meister.



    Drum Du kannst mir immer die Wahrheit sagen, gleichgültig worum es sich handelt. Es gibt nichts womit Du mich schockieren könntest oder womit Du mich vertreiben könntest Kasimir. Und falls Du einmal sehr großen Mist baust, werde ich eine Möglichkeit der Bereinigung finden. Bis jetzt habe ich immer eine gefunden. Aber falls ich je eine Grundreinigung für Dich durchführen muss, kurzum wenn ich für Dich alles auf Stand Null herunter schrauben muss, wirst Du mir freie Hand lassen. Ich werde alles bereinigen so als wäre Dein Unglück nie geschehen, niemand wird je davon wissen oder sich erinnern. Je nachdem wie weit dieser Fauxpas vorgeschritten war. Und danach werden wir nie wieder darüber sprechen. Keine Fragen Kasimir.


    Aber immer die offene und schonungslose Wahrheit in der Familie und Du bist nun ein Familienmitglied für mich.


    Zum Thema Margot. Nun Deine Ausführungen sind logisch, aber sie beinhalten doch zeitgleich die Antwort. Sie hat sich ihren Beschützer selbst gesucht, da sie schwach ist. Damit ist doch alles in Butter. Nebenbei scheint sie daran genauso viel Spaß zu haben wie ihr Beschützer Damir. Eine Gewinnsituation für beide Seiten. Ich sehe da ehrlich gesagt keinen Handlungsbedarf.


    Vielleicht solltest Du mal zu den Ältesten beten, statt zu Oril? Ich kann Dir meine Bücher leihen, aber ich kann sie Dir nicht überlassen. Leider kann ich sie nicht komplett lesen. Vielleicht kannst Du es ja übersetzen.


    Zu Simon, ich habe begriffen was ich da getan habe...
    Hätte ich meine Finger von ihm gelassen... nun dann hätte er jetzt keine Heilung nötig...
    Drum bin ich sie ihm schuldig, richtig? Richtig... genau... so ist dass...",
    grübelte Arch.


    Jesper musterte Arch und Kasi und nickte bedächtig.


    "Genauso ist es Arch, Du hast es ihm unrechtmäßig weggenommen und nun gibst Du es ihm zurück. Es geht doch", freute sich Jesper.
    "Ein Fall von 3.976 Fällen, aber irgendwann fängt man an. Was wolltest Du mit mir privat besprechen Jes?", hakte Arch nach und gab Simon ein Zeichen, sich zu ihnen zu gesellen.


    Simon hockte sich vor Arch und schaute ihn an.


    "Bitte was?", fragte Jesper geschockt.
    "Das war nur eine Beispielzahl, ganz ruhig", grinste Archi.


    "Ich habe zwei schöne Häuschen in Daijan gefunden. Wir könnten uns eines gönnen und vielleicht haben Damir und Holzi auch Interesse. Wäre doch schön so zu wohnen", schlug Jesper vorsichtig vor.
    "Als Wohngemeinschaft? Ich bin dabei, Brandur hat mir eh das Heimatgefühl in meinem alten Häuschen geraubt. Ich fühle mich da nicht mehr sicher und wohl auch nicht.
    Er war in meiner Vorratskammer...
    er war im Keller...
    er war da! Das reicht schon!
    Und bestohlen hat er mich, dieser... ruhig bleiben...


    Ehm also zurück zur Wohngemeinschaft. Wir beide in einem Haus korrekt? Du hast von zwei Häusern gesprochen, ich gehe davon aus, dass Du mit mir zusammenwohnen möchtest und Damir sich ein Haus mit Holzi teilen soll. Du und ich Jesper... fast wie in alten Zeiten hm? Nur ohne Merna...


    Klingt gut... klingt verdammt gut. Möchtest Du das tatsächlich? Ich meine wir haben nie dauerhaft zusammengewohnt, sprich nicht permanent ohne Ausweichmöglichkeit.


    Und den Keller benötige ich diesmal nicht nur für mein Hobby, sondern zum Überleben. Mit Hobby meine ich meine Spielzeugsammlung und nichts anderes Jes. Du musst mir komplett den Keller überlassen, tagsüber werde ich dort leben. Nachts teilen wir uns das Haus. Ich werde mir dann dort meine Wohnung einrichten. Simon wird dort ebenso leben, aber unter völlig anderen Bedingungen diesmal. So wie ich es Kasimir versprochen habe. Wie steht es mit Dir Kasi? Begleitest Du uns? Dann können wir uns gemeinsam um Simon kümmern", antwortete Arch.


    "Das Haus ist zweistöckig, Du hättest bei uns Platz Kasimir. So war es gedacht von mir und sicher möchte ich das Archi, sonst hätte ich Dich doch nicht gefragt. Die beiden würden im roten Häuschen gegenüber wohnen und wir im weißen Haus, direkt wenn man die Treppe hochgeht. Ich zeige es Dir Arch, es wird Dir gefallen", freute sich Jesper.
    "Also überlege es Dir Kasmir ob Du zu uns ziehen möchtest. Lass uns beginnen Simon zu behandeln. Fang an, oder sag mir was ich mit Simon tun soll", bat Archibald.

  • Kasimir blickte Archibald ernst an.


    "Mein Platz ist bei Herrn Brandur, Archibald. Er ist alt und krank und unter diesen Umständen noch einmal Vater geworden. Ich muss ihm zur Seite stehen. Ich kann nicht einfach umziehen. Dennoch weiß ich das Angebot und das Vertrauen in mich zu schätzen. Ich kann dich besuchen, so oft es meine Arbeit zulässt."


    Da Archibald sagte, dass Jesper vertrauenswürdig sei, machte Kasimir sich keine weiteren Sorgen. Er spürte bereits, wie sein Speichelfluss einsetzte und zwar in einem Maße, dass er Mühe hatte, es nicht aus dem Mund laufen zu lassen beim Sprechen.


    "Simon soll keine Angst haben. Wird er umklammert, wird er sich fürchten. Er sollte sich auf den Rücken legen, damit er nicht stürzen kann und dann trinken wir. Du zuerst, damit es deine Rettung ist, dann schließe ich mich an, damit er unser gemeinsamer Bisssohn wird. Du vermagst ihn zu beruhigen. Er soll sich nicht fürchten, nicht mehr als nötig."


    Er erschrak vor sich selber, welche Gier er verspürte, als er die arme, geschundene und völlig wehrlose Kreatur dort hocken sah wie auf dem Silbertablett. Aber es war wichtig, dass er mittrank. Es war vielleicht Simons Lebensversicherung, wenn auch ein Stück von Kasimir in ihm wohnte. Es würde ihn für Archibald unantastbar machen, so lange sie Freunde waren.

  • Archibald legte den Kopf schräg, dabei hörte er seinem Meister aufmerksam zu.


    "Es ist Deine Entscheidung Kasimir. Mein Haus steht Dir jederzeit offen, gleichgültig wann oder unter welchen Bedingungen Du einen Unterschlupf benötigst, ich bin immer für Dich da. Deine Treue und Loyalität mag Brandur gelten, ob er sie wert ist oder sie Dir zurückzahlt, kann ich nicht beantworten. Ich kenne seine Familie über vier Jahrzehnte, Verrat, Intrige und auch Mord fließt durch ihre Adern wie ihr blaues Blut.


    Nun vielleicht erstaunt es Dich, dass ausgerechnet ich Dir das sage. Meine Familie war auf andere Art und Weise den Hohenfeldes nicht unähnlich. Unterschieden haben sich nur die Formen der Grausamkeit und die Ziele wofür sie dermaßen grausam waren. Aber das liegt lange zurück und ich habe das Buch dieser Familie samt ihren Untaten geschlossen.


    Aber nicht ich bin hier das Thema, oder Brandur, sondern Du Kasimir.
    Es geht mir ausschließlich darum Dich zu warnen und Dein Wohlergehen zu sichern. Ich habe es nicht oft im Leben gesagt, denn ich hatte nicht oft einen Grund dazu. Und wenn ich es sage, klingt es aus meinem Mund wie Hohn - dennoch sind die Worte aufrichtig. Ich liebe Dich wie einen Vater den ich nie hatte.


    Du hast mir ein neues Leben geschenkt, Du hast mich gesegnet. Du hast mir beigestanden und für mich Partei ergriffen. Dabei ging es Dir um nichts anderes als um mich. Danke dafür. Ich weiß dieses Geschenk zu schätzen.


    Bleibe von mir aus so lange bei Brandur wie Du möchtest, aber eines Tages kommt der Tag, da wird er Dich vor die Tür setzen, weil Du Deinen Nutzen für ihn verloren hast. Du siehst es nicht, aber er nutzt Dich aus. Du kettest Dich an diesen Mann durch Deinen Großmut Kasimir. Du möchtest frei von Mord leben, Du möchtest für Dein Blut nicht töten. Und genau damit hat er Dich am Haken Kasimir. Der Preis für die Ernährung ohne Mord durch Brandur ist Sklaverei.


    Die ungeschminkte Wahrheit ist, Du bist Brandurs Simon. Du bist von ihm abhängig, dass weiß er und aus diesem Grund kann er mit Dir umspringen wie er möchte. Er war es der Dich geschlagen und verletzt hat. Wer sonst trägt hier noch einen Spazierstock? Leugnen zwecklos Kasimir.


    Du musst nicht mal auf Deine Prinzipien verzichten, ich habe Dir einen Ausweg genannt. Du benötigst dieses Instantblut von Brandur nicht. Streif das verdammte Joch ab, dass Du Dir mir Freude selbst um den Hals gelegt hast. Du benötigst diesen Nekromanten nicht. Alles was Du benötigst, ist eine Spritze, Kenntnisse wie man Blut abnimmt und Jagderfahrung. Alles was Du benötigst, würde ich Dir mit Freude beibringen. Zudem wie bereits einmal erläutert, weiß ich wo man speisen kann, ohne das Du morden musst. Du bekommst das Essen, sprich das Blut einfach serviert. Dort ist es ein Abfallprodukt, die meisten wissen damit nichts anzufangen. Und selten kommt ein Gesegneter wie Du oder nun auch ich vorbei um es zu erbitten.


    Wie gesagt, Du bist bei mir, oder besser gesagt bei uns, jederzeit willkommen. Gleichgültig wo Du bist oder was geschieht, solltest Du jemals in Schwierigkeiten geraten, bin ich für Dich da. Lass Dir meine Worte durch den Kopf gehen und denk in Ruhe darüber nach wer und was Du bist. Dann wähle Joch oder Freiheit. Ich selbst diene Dunwin von Hohenfelde seit 46 Jahren Kasimir, ich weiß also wovon ich spreche. Nur im Gegensatz zu Brandur, hat er mich nicht versklavt oder benutzt, an Dunwins Seite war ich frei", erklärte Archibald freundlich.


    Mit einem Fingerzeig befahl er Simon zu sich. Der schmächtige Mann kam sofort herbei geeilt und hockte sich erwartungsvoll aber auch ängstlich vor Archibald. Arch strich Sklave über den kahlen, gelben Schädel.


    "Brav gemacht, braver Sklave. Sitzen bleiben", befahl Arch und Sklave verharrte wo er war.


    Von Dornburg hockte sich hinter Simon und legte ihm beruhigend eine Hand auf die Schulter. Mit der anderen drückte er behutsam Simons Kopf zur Seite. Arch schnupperte kurz an dessen Halsbeuge. In dem Moment wo er mit der Schnelligkeit einer Viper zubiss, packte er Simons Schulter und fixierte ihn. Seine messerscharfen Eckzähne gruben sich tief in Simons Hals, während sich seine Reißzähne in dessen Haut gruben. Blut floß Simons Hals hinab während Archibald genussvoll trank.


    Es war ein berauschendes Gefühl, besser noch als die Befriedigung des alten Hungers. Es war ein Rausch, ein Fest, pure, flüssige Sinnesfreunden. Arch packte sich Simon mit beiden Händen und zog ihn in seine Klauenbewehrte Umarmung. Er biss fester zu, trank gieriger, leckte Simon das austretende Blut vom Hals, ehe er erneut schnappartig zubiss und seine gewaltigen Eckzähne in dem dünnen, gelben Hals versenkte.

  • "Danke für deine Worte, Archibald", sagte Kasimir gerürt. Dass dieser ihn einen Vater nannte, bewegte ihn sehr, auch wenn er es etwas befremdlich fand. Nun war er, obwohl er Mönch war, Vater geworden und hatte sich dafür nicht einmal der körperlichen Begierde hingegeben. Andererseits ... doch, das hatte er. Wennauch auf anderem Wege.


    "Wäre ein jeder hier so ein teuer Freund und einsichtig im Hinblick auf sein Verhalten wie du, wäre die Welt ein besserer Ort. Das Buch deiner Vergangenheit wurde geschlossen, so wie das deiner Familie und du hast ein neues begonnen zu schreiben. Ich für meinen Teil bin stolz auf dich. Das Buch der Ältesten kannst du mir gern bei Gelegenheit zeigen. Schon aus akademischem Interesse würde ich gern einen Blick hineinwerfen."


    Simon gehorchte dem Befehl, still sitzen zu bleiben. Archibald begann zu trinken und Kasimirs Augen verdunkelten sich, als er das Blut von der dürren, gelblichen Brust Simons hinabrinnen sah. "Bezüglich Brandur", fuhr er mit belegter Stimme fort, "werde ich ..." Mitten im Satz brach er ab und kniete sich zu Archibald, der Simon von hinten umklammert hielt und leidenschaftlich trank. Wenn man nicht wusste, was er da tat, hätte man es auch anders deuten können.


    Kasimir kniete sich so, dass er an Simons Halsschlagader auf der anderen Seite herankam. Einen Augenblick später hing auch er in Simons Hals und genoss das heiße Blut, dass in seinen leichenkalten Mund strömte. Er spürte die bei ihm mit jedem Biss einhergehende Erregung einsetzen, doch er beherrschte sich. Er berührte Simon mit nichts als seinem Mund und trank nur wenige, aber sehr langsame und genussvolle Schlucke. Zeitiger als sonst ließ Kasimir von ihm ab. Zu zeitig, wenn es nach seinem Körper ginge, doch um den ging es hier nicht, es ging um die Erlösung Simons von der Qual, die sein Leben war. Kasimir verschloss die Bisswunde so gut es ging mit den Lippen und ignorierte, wie es ihm selber gerade ging. Ja, er konnte Archibalds früheren Hunger nachvollziehen, das schier unerträgliche und anderen gegenüber rücksichtslose Sehnen, das vor sich selbst immer neue Rechtfertigungen fand, es zuzulassen.


    "Lebe, Simon", sagte er und strich ihm mit dem Handrücken über die hagere Wange, ohne ihm noch länger auf die Blutreste um die Wunder herum zu starren. Simon hatte weiße Lippen bekommen. Kasimir tippte Archibald, der ganz im Rausch versunken war, mit den Fingerspitzen an.

  • Jesper lauschte dem Gespräch zwischen Archibald und Kasimir. Das Arch Kasimir vor Brandur warnte, war nicht nur ein reiner Liebes- oder Freundschaftsdienst, wie van Verling nur zu gut wusste. Natürlich sorgte sich Archibald um Kasimir. Aber so rein und positiv wie von Dornburg es darstellte, waren seine Beweggründe nicht. Dafür kannte Jesper seinen Freund schon zu lange und zu gut um den Köder noch zu schlucken.


    Jesper glaubte Archibald, dass er Kasimir beschützen wollte. Aber nicht nur, damit es Kasimir gut ging und dieser nicht mehr zu leiden hatte. Arch war besitzergreifend, er war eifersüchtig und Brandur war eine Konkurrenz die er nicht dulden würde. Also versuchte er die Konkurrenz um die Zuneigung von Kasimir zuerst am schwächeren Ende zu kappen. Er versuchte Kasimir davon zu überzeugen, dass Brandur für ihn nicht nur eine Last, sondern auch gefährlich war.


    Archibald hätte eine Zusage von Kasimir alleine nicht ausgereicht. Die Warnung bezüglich Brandur wäre nur später erfolgt. Nicht sofort, denn dies wäre nach einer Zusage viel zu offensichtlich gewesen. Nein Arch beabsichtigte einen Keil zwischen Kasimir und Brandur treiben, so wie er auch einen Keil zwischen Linhard und Brandur treiben wollte.


    Kasimir sollte sich Arch nicht nur zuwenden, er sollte sich auch von der Konkurrenz abwenden. Und da diese Konkurrenz ein Verseuchter war, ein Magier, sogar ein Nekromant sollte Kasimir lernen ihn zu verabscheuen, ihn zu hassen. Ginge es nach Archibalds persönlichen Empfinden würde Kasimir die Beziehung zu Brandur auf die Art beenden, wie Arch selbst die Bande zu seiner Familie gekappt hatte und zwar durch Mord.


    Nur ein toter Feind war ein guter Feind. Ein uralter Spruch den Archibald einmal rezitiert hatte und der Jesper nie aus dem Kopf gegangen war, lautete - ehre einen guten Feind, aber vergewissere Dich vorher, dass er auch tatsächlich tot ist.


    Besser konnte von Dornburg seine Weltsicht nicht auf den Punkt bringen. Seine gesamte Wahrnehmung war ein Zerrbild, eine Mischung aus Verständnis, Unverständnis, brillanter Logik und absolutem Nichtbegreifen.


    Jesper kannte wie kein anderer das Paradoxon dass in Archibalds Kopf stattfand. Ab und an gestand von Dornburg seine Ambivalenz sogar offen ein. Nicht bewusst, denn ihm selbst war der Umstand nicht bekannt oder er konnte ihn aufgrund seiner Krankheit geistig nicht erfassen.


    Das beste Beispiel war der Schutz Deryas, seiner eigenen Tochter. Archibald behauptete einzusehen, dass er krank war, dass er anders war und dass er eine Gefahr für seine Tochter darstellte. Die Erkenntnis war absolut richtig. Nur Jahre später erklärte er im gleichen Atemzug, dass von ihm für Derya keine Gefahr mehr ausgehen würde, sie wäre alt genug.


    Archibald begriff nicht, dass er für alle Kinder eine Gefahr darstellte. Das es nicht nur Derya und sein Sohn waren, auf die er Rücksicht zu nehmen hatte. Man hätte von Dornburg unterstellen können, dass er nur seine eigenen Kinder als schützenswert wahrnahm und die anderen nicht als wertvoll erachtete.


    Aber dem war nicht so, denn dann hätte es hinter dem Raubsüchtigen eine Selektion, eine Logik geben müssen und die gab es nicht. Die Bestie unterschied nicht Freund und Feind, denn in ihrer Welt gab es so etwas nicht. die Welt der Bestie unterteilte sich nur in essbar und nicht essbar.


    Jesper hatte einst in die Augen der Bestie geschaut.
    Die Bestie kannte in ihrem Fressrausch weder Freund noch Feind, sie fraß was sie in den Klauen hielt, sie hätte ebenso ihre eigenen Kinder verschlungen.


    Nur der Mann in dem die Bestie schlummerte, konnte vorab selektieren, jedenfalls bis zu einem gewissen Punkt. Aus dem Grund hatte er seine eigenen Kinder gebrandmarkt um sie in seinem anderen Zustand zwar nicht erkennen, aber noch verschonen zu können. Denn scheinbar beugte sich sogar die Bestie in ihm den Ältesten. Was immer diese eingebildeten Kreaturen auch darstellten.


    Jesper hatte eine Vermutung was sie waren. Manche Personen schufen sich aus Einsamkeit unsichtbare Freunde, von Dornburg hatte sich unsichtbare, übermächtige Eltern geschaffen. Jene die genauso herzlos, widerwärtig und eiskalt waren wie seine eigenen - aber die man mit dem richtigen Verhalten und dem einhalten von Dogmen und Opfern milde stimmen konnte. Denen man durch Gehorsam Aufmerksamkeit abringen konnte. Und gleichgültig was positiv im Leben von Archibald geschah, er rechnete es diesen Wesenheiten zu. Er nahm sogar an, dass einige der Götter in Wahrheit Älteste waren.


    Van Verling wusste es besser. Die Ältesten waren die Ausgeburt eines zerstörten und vereinsamten Verstandes um nicht ganz zu zerbrechen.


    Und genau aus diesem Umstand ergab sich ein weiteres Problem, von dem Kasimir bis jetzt noch nicht die geringste Ahnung hatte. So freundlich das Angebot von Archibald auch klang, sich jederzeit bei ihm einfinden zu können, so gefährlich war es, dem Angebot nachzukommen, wenn man die Spielregeln nicht kannte.


    Jesper kannte Archibald seit 46 Jahren, er hatte ausreichend Zeit gehabt diesen Mann in und auswendig kennenzulernen. Er liebte Archibald und er wusste, dass Arch ihn ebenfalls liebte. Vielleicht nicht auf die übliche Art, aber er tat es. Dennoch war es extrem gefährlich, Archibald eine Zeit lang nicht zu sehen und dann bei ihm ungefragt aufzuschlagen.


    Von Dornburg kannte kein Urvertrauen. Jedes Vertrauen dass er anderen Personen entgegenbrachte stand auf spröden, tönernen Füßen. Musste man Archibald für einige Zeit allein lassen, aus welchen Gründen auch immer, fremdelte er sobald er die Zeit für zu lang empfand. Arch unterstellte einem ihn verlassen zu haben oder schlimmer sogar noch Verrat. Ab dato hatte man sich sein Vertrauen neu zu erarbeiten.


    Jesper hatte es oft genug erlebt. Letztmalig als er Archibald bei einer Jagd gestellt hatte. Ein falsches Wort, ein zu ängstlicher Blick und statt des Burschen den er mit der Armbrust niedergemäht hatte, wäre er selbst niedergemacht worden. Und weshalb? Einfach aus Archibalds Bauchgefühl heraus, ihm nicht mehr vertrauen zu können.


    Kasimir war scheinbar nicht im Mindesten bewusst, mit wem er sich dort eingelassen hatte und welche gigantische Aufgabe eine Person wie Archibald war. Er selbst hatte, wenn er ehrlich war, dauerversagt. Eine Person wie Archibald gehörte gut verwahrt in einen der Tempel, die sich solcher Kranken annahmen. Dort dienten sie wie andere Brüder, waren unter sich und schadeten niemanden. Und wurde ihr Verlangen zu groß, hatten sie passende Ansprechpartner, suchten Halt im Gebet oder wurden schlimmstenfalls mit Medikamenten oder vielleicht auch mit Magie ruhig gestellt. Aber sie liefen nicht mehr draußen frei herum und schadeten ihren Mitmenschen.


    Wobei im Tempel vermutlich nur jene aufgenommen wurden, die noch keine Verbrechen begangen hatten. Wie die Verurteilung von Archibald aussehen würde, sollte man all seine Verbrechen zusammentragen, war Jesper durchaus bewusst.


    Und van Verling war ebenso bewusst, dass er einen großen Teil dazu beigetragen hatte, dass Archibald sie überhaupt begehen konnte. Es war schon ausreichend dafür zu sorgen, dass Arch sorglos durch die Nacht schlendern konnte.


    Jesper schaute von Simon zu Kasimir. Nun eines musste er zugeben, seit dem Kasimir Archibald "gesegnet" hatte, hatte sich dessen Verhalten gewandelt. Er versuchte scheinbar tatsächlich dem Weg seines Meisters zu folgen. Jesper betete inständig darum, dass Arch den Weg annehmen würde, den Kasimir bot. Zeitgleich war er dankbar, dass Kasimir es gewesen war, der Arch gebissen hatte. Wer wusste, was ein anderer "Meister" Archibald beigebracht hätte?


    Für die entsprechende Anleitung und Führung tat Archibald alles, er kannte keine Limits, keine Tabus, Dunwin konnte seinerzeit alles von ihm verlangen und er führte es mit Freuden aus.


    Auch hier schien Kasimir nicht zu begreifen, welche Waffe ihm Archibald an die Hand gegeben hatte - sich selbst. Ein einziges Wort von dem Lichtalbischen Vampir und Archibald hätte Brandur in einer Form bestraft, dass sich der alte Mann seinen Tod herbeiwünschen würde. Denn wenn er ehrlich war, wen gab es denn noch, der Arch hier aufhalten konnte?


    Dunwin war ein blaues Lichtlein, Linhard war gut - dennoch nur ein großer Junge, Damir und Holzi waren auf Archibalds Seite, Wolfram und Marlo hatten nur Augen für sich und konnten es vermutlich nicht mit den Fähigkeiten von Dornburg aufnehmen, er selbst konnte Arch zwar aufhalten - aber er tat es nie aus Angst ihn zu verletzen, es blieb also nur Kasimir!


    Alles stand und fiel von nun an durch das Wort dieses Vampirs und der Kerl wusste nicht einmal etwas davon!


    Jesper war so in seinen Gedanken versunken, dass er zuerst gar nicht mitbekam, wie die beiden begonnen hatten, Simon auszusaugen. Archibald hatte Simon umklammert und trank aus dessen Hals, während Kasimir sich an Simons andere Halsseite heftete und ebenfalls zu saugen anfing. Wie eine medizinische Behandlung sah das Ganze nicht aus. Im Gegenteil, Simon wurde blass und Kasimir ließ von ihm ab.


    Archibald hingegen war in einem ganz ähnlichen Fressrausch wie früher. Er hielt sein Opfer felsenfest gepackt und trank mit wollüstiger, animalischer Gier. Simon wurde kreidebleich in Archibalds Krallen. Seine Augen wurden stumpf und er öffnete den Mund zu einem lautlosen Schrei absoluten Grauens, während sich nun nicht mehr allein die Zähne von Archibald in sein Fleisch gruben, sondern auch dessen scharfe Klauen.


    "Verdammte Scheiße!", keuchte Jesper.


    Er war hier um aufzupassen und zur Not einzugreifen. Van Verling schloss seine große Pranke um die Kehle von Archibald, mit der anderen Hand packte er ihn am Kiefer und drückte ihm den Mund gewaltsam auf. Allein die langen Eckzähne von Arch waren gewaltige, messerscharfe Waffen, aber der Rest des Gebisses war nicht weniger gefährlich. Das hatte Jesper einst am eigenen Leib erfahren.


    So behutsam wie möglich, aber so stark wie nötig zerrte er Archibald von seinem Opfer weg. Jesper schüttelte seinen Kumpel durch, hielt ihn aber weiter an der Kehle gepackt. Nicht dass dieser noch auf die Idee kam, ihn aus lauter Dankbarkeit für die Unterbrechung zu beißen. Irgendwie fühlte sich Jesper, als hielt er eine große, menschliche schwarze Mamba in den Händen. Die vampirischen Fangzähne unterstrichen den Eindruck noch.


    "Beruhige Dich Arch!", befahl Jesper unmissverständlich.


    Er warf einen rückversichernden Blick auf Simon. Der dünne Kerl war weiß wie eine Wand und hatte zwei Bisswunden im Hals. Eine davon sehr tief und ausgefranst.

  • Kasimir war selbst noch nicht wieder ganz bei Sinnen und beobachtete mit einer Mischung aus Erstaunen und Amusement, wie Jesper sich mit dem vor Gier überschäumenden Archibald abmühte, ohne dass Kasimir eingriff, um ihm zu helfen. Der ehemalige Mönch lächelte breiter, als es üblich für ihn war, aber fiel auch nicht erneut über Simon her. Kasimir hatte sein Leben in Askese, Meditation und Gebet verbracht, so dass er auch als Vampir sehr viel beherrschter war als andere seinesgleichen, so lange er nicht ausgehungert war. Und das war er nicht, er war pappesatt noch von Archibalds Blut und hätte diese Mahlzeit nicht unbedingt benötigt.


    Während Jesper noch immer den tobenden Archibald bändigte, kümmerte Kasimir sich um Simon. Der Mann würde bald sterben. Eine Weile kämpfte Simon noch und Kasimir tat nichts als zu warten, bis dessen Muskeln schlaff zu werden begannen. Er legte ihm eine Decke um die Schultern und half ihm, sich langsam hinzulegen, als die Kräfte ihn verließen. Das Entsetzen war noch immer in Simons Gesicht gebrannt. "Gute Nacht Simon", sagte Kasimir sanft. "Wenn du aufwachst, wirst du endlich Mensch sein dürfen." Er blieb bei ihm, bis es zu Ende war. Dann zog er ihm die Decke über das Gesicht und kniete in Gebetshaltung bei ihm.


    "So wie der Mond voll wird am Himmel, möge sich auch dein Herz mit Licht füllen.
    So wie die Sterne die Finsternis mit Diamanten schmücken,
    so möge das Dunkel deiner Seele erhellt werden von Funken aus Licht.


    Der Silberblütige wache über deinen Astralleib
    so wie ich über deinen physischen Körper wachen werde,
    bis du erneut ins Leben trittst.


    Schlafe wohl, Simon.
    Und kehre wohlbehalten zu uns zurück."


    Kasimir wischte sich die Tränen ab, die ihm aus seinen Augen perlten.
    Der Blutrausch klang ab und Begreifen breitete sich aus in seinem Geist.