Buch 1 Hohenfelde -- Kaptitel 04 - Macht und Machtwechsel

  • Linhard dachte einen Moment lang nach, während Archibald zuerst Damir und dann Anwolf einen Blick zu warf. Lin folgte dem Blick, aber in dem Moment machte es sich Arch neben Damir gemütlich. Lin musterte nun seinerseits die beiden.


    "Gute Idee Paps, ich bin gleich wieder da", antwortete Linhard, stieg aus und ging seinem kleinen Bruder entgegen.
    Anwolf wartete ab, was nun kommen würde. Lin spähte in das Päckchen.


    "Wir sind gleich wieder weg, wir wollten nicht einfach vorbei fliegen. Das Geschenk ist eine nette Geste, eine nun sagen wir mal ich-hab-Dich-lieb-Geste. Ein Seelenpflaster, wenn Du so möchtest. Du kannst sie in Ruhe und ohne Sorge essen, wir essen die gleichen Kekse.


    Ich möchte mich nur von Dir verabschieden. Wir sollten einmal allein in Ruhe miteinander reden. Nicht heute oder so, ich denke heute war etwas viel für uns alle. Ein anderes mal. Wann immer Du Zeit und Lust hast können wir uns treffen am Ort Deiner Wahl, damit Du siehst dass ich es ehrlich mit Dir meine.


    Also falls Du Lust auf ein Treffen hast, melde Dich einfach. Wir wohnen zur Zeit bei Wolfram und dass wird sicher auch noch eine ganze Zeit so bleiben. Du kannst ihm ja bescheid geben. Wäre doch schön, wenn es zwischen uns klappt, melde Dich in Ordnung?", bat Linhard.


    "Mache ich Lin, versprochen. Ich kann mich aber auch bei Dir selbst melden, dann erhältst Du die Nachricht eben im Traum", erklärte Anwolf und steckte die Kekse in die Satteltasche von Tempestas.


    Linhard umarmte seinen kleinen Bruder und drückte ihn an sich.


    "Pass auf Dich auf Wolfi und reite erst los, wenn der Knochendrache abgeflogen und außer Sichtweite ist. Schau nicht zum Geisterhaus, schau uns hinterher. Die Bestie hat Dich beobachtet, er hat versucht zu erspähen woher Du kommst oder wohin Du Dich wendest. Mach nichts, schau uns nach und iss meinetwegen ein paar Kekse bis wir weg sind. Ich weiß, dass Ansgar Dich vor mir gewarnt hat, aber Du musst keine Angst vor mir oder Brandur haben. Ich hab Dich lieb", flüsterte Linhard.
    "Dito, ich Dich auch. Ich werde machen was Du sagst", flüsterte Wolfi zurück.


    Linhard ließ seinen kleinen Bruder los und ging zurück zu dem Knochendrache, als er Platz genommen hatte flog Dunwin wieder los Richtung Daijan. Wolfi schaute dem Knochendrachen hinterher und sah ihm dabei zu wie er am Himmel immer kleiner wurde, bis auch der Punkt verschwand. Erst da schwang er sich wieder in den Sattel von Tempestas und setzte seine Reise nach Grünbachthal fort.

  • Die Verhandlung war seltsam aber dennoch erfolgreich gewesen. Dave hatte sich zwar selbst eine friedliche Einigung gewünscht, mehr noch er hatte sich sogar vorher selbst mit Ansgar Frieden gewünscht aber nach den Ereignissen auf seiner Hochzeit hatte er nicht mehr damit gerechnet, dass es tatsächlich Frieden in ihrer Familie geben konnte.


    Aber der große Knall auf seiner Hochzeit schien trotz allem etwas Gutes bewirkt zu haben. Ihre Absichten betreffend hatte keiner der Anwesenden gelogen. Jeder von ihnen wollte aus seinen ganz persönlichen Gründen endlich in Frieden leben.


    Ebenso hatte jeder von ihnen sein eigenes Leid tief in der Seele verborgen. Keiner von ihnen war unschuldig an der Situation. Seit Generationen waren sie alle Opfer und Täter gleichermaßen. Mit Geburt in diese Familie hinein wurden sie zu Opfern ihrer Väter und wurden später dadurch selbst Täter an ihren eigenen Kindern. Drillten sie zu etwas, dass sie einst selbst nicht werden wollten und doch geworden waren. Denn nur so überlebte man in dieser Familie. Wer den Drill nicht annahm, starb. Wer nicht lernte zu hassen und zu kämpfen ging unter.


    Er selbst war trotz aller Widerwärtigkeiten weder ganz untergegangen noch gestorben, aber etwas hatte sein Vater doch in ihm getötet, oder es ihm besser gesagt gestohlen. Mit einer Waffe die an Abartigkeit kaum zu überbieten war. Und dieser Bestie hatte er heute gegenüber gesessen, der Waffe seines Vaters, Dunwins Vollstrecker seiner Grausamkeiten.


    Von seinem Vater hatte er die Antwort erhalten, auf jene Frage die er sich immer wieder gestellt hatte.
    Ich hasse Dich nicht selbst, ich hasse das was Du bist.
    Was sollte er anderes sein als er selbst?
    Die Antwort lautete ein Magier.


    Dave fühlte sich allein schon davon beschmutzt, geradezu kontaminiert, dass er der Bestie gegenüber gesessen hatte. Dieses... Vieh war dermaßen arrogant und selbstgerecht, dass ihm allein davon schon speiübel wurde. Dieses kranke Schwein wischte alle Grausamkeiten die er ihm über all die Jahre angetan hatte mit einem Lächeln beiseite und berief sich darauf dass er die Erlaubnis von Dunwin gehabt hatte!


    Die Erlaubnis! Von einem Schwein dass noch perverser und verdrehter im Kopf war als die Bestie selbst, oder warum nannte man dieses Ding namens Dunwin, dass täuschend echt einen Menschen heucheln konnte Monster?


    Hätte die Bestie ihn tatsächlich gemocht, dann hätte er ihn nicht über Jahre misshandelt und weiterverliehen an Freunde und Kameraden damit auch diese ihn nach Lust und Laune fertig machen konnten, sondern er hätte ihn beschützt.


    Wie konnte dieser Bastard es wagen von Zuneigung zu sprechen, wenn er nicht einmal wusste, was dieses Wort überhaupt bedeutete? Zuneigung, er selbst wusste was dieses Wort beinhaltete. Er selbst würde sich für seine Lieben in Stücke reißen lassen. Aber die Bestie riss andere in Stücke... und fraß sie dabei noch auf!


    Wenn dies seine Form von Zuneigung war, war es vielleicht gar nicht so schlecht von diesem Irren gehasst zu werden. Damit konnte es einem vermutlich nur besser gehen.


    Dave versuchte sich zu beruhigen und tauchte in dem großen, steinernen Zuber ganz unter. Den Zuber hatte ihm sein Ehemann zur Hochzeit geschenkt. Nicht nur das Bad, auch das Wissen darum worin er badete gab ihm das Gefühl seine Seele von dem Unrat zu reinigen, dem er heute ins Gesicht blicken musste.


    Er hatte es sich einfacher vorgestellt. Dave hatte nicht vermutet, dass er die Bestie noch dermaßen fürchten würde. Jede ihrer Bewegungen hatte er verfolgt, gleichgültig wie minimal sie waren. Dabei war dies unsinnig. Die Bestie würde sich ihn nicht mehr packen und sich mit ihm amüsieren. Sie hatte es selbst zugegeben, er war für ihn zu alt. Zu verbraucht, aus dem Beuteschema gefallen. Dave hätte alles dafür gegeben, wenn er niemals in dieses Schema gepasst hätte.


    Aber die Bestie hatte ihm auch widererwartend etwas offenbart. Vermutlich ohne es zu beabsichtigen. Die Offenbarung war ein derber Schlag ins Gesicht gewesen und zeitgleich eine Erläuterung die ihm die Kehle zuschnürte.


    Du warst so schön... still...


    Das waren ihre Worte gewesen. Und die Erkenntnis aus dieser widerwärtigen Aussage?
    Die Bestie misshandelte Ansgar, bis er brüllte. Sie hatte ihn für Dunwin dressiert.
    Dunwin misshandelte ihn, bis er vor Angst nur noch schwieg. Er hatte ihn für die Bestie dressiert.
    Es gab eine Logik hinter ihrer Grausamkeit, was ihre Taten für Dave noch schwerwiegender machte.


    Dave tauchte auf und schaute Varmikan ins Gesicht. Erschrocken fuhr er zusammen und starrte seinen Mann an.


    "Varmi, meine Güte", stöhnte Dave und wischte sich das Wasser aus den Augen.
    "Du warst tapfer Davy, ich wollte nach Dir schauen. Soll ich Dich waschen?", bot Varmikan liebevoll an.


    "Nein ich bin fertig. Varmi?", fragte Dave und legte seinen Kopf auf den Zuberrand ab.
    "Was denn Sternchen?", hakte Varmikan nach und streichelte ihn.


    "Ich möchte meine Haare abschneiden und... ehm...", versuchte Dave zu erklären.
    "Wie Du magst Davy. Abschneiden und Dir einen Pelz gönnen hm?", grinste der Frostalb.


    "Genau", grinste Dave zurück.
    "Sehr gute Idee, habe ich Dir schon einmal gesagt. Wie kurz möchtest Du Deine Haare abschneiden?", fragte Varmi schaute sich Daves lange Haare an.


    "Ich würde sie bis zur Schulter abschneiden lassen. Aber was mir so richtig gut gefallen würde, wäre sie komplett abzuschneiden. So eine strubbelige Kurzhaarfrisur. Aber das wäre wider dem Stand oder?", grübelte Dave und zupfte Varmikan am Ohr.
    "Was interessiert mich der Stand? Dich macht die Strubbelfrisur glücklich? Dann bekommst Du auch eine. Und nun raus aus dem Wasser und ab ins Bett. Du schläfst heute in der Mitte, Puschel und ich behüten Dich", erklärte Varmikan und reichte Dave ein Handtuch.


    "Danke", flüsterte Dave.
    "Dafür sind wir da", gab Varmi zurück.

  • Damir erwiderte Archibalds Blick und als dieser den Blick abwandte, folgte Damir ihm mit den Augen und beide blickten auf Anwolf. Damir neigte das Knie etwas zur Seite, so dass er damit Holzis Bein berührte, ohne dass er zu diesem herüberblickte. Stattdessen sah er immer noch in die selbe Richtung wie Archibald, damit Holzi verstand. Sie hatten lange genug zusammen gelebt und gekämpft, um mit derart unauffälligen Gesten kommunizieren zu können.


    Damir hatte zwar keine Ahnung, was genau Archibald ihm sagen wollte, doch er war sicher, dass der Blick eine Botschaft enthielt und diese Botschaft betraf Anwolf. Archibald konnte nur darum nicht deutlicher werden, weil er von allen Seiten unter Beobachtung stand. Gerade Brandur schien Archibald regelrecht zu hassen. Damir fragte sich, was Archibald von dem Jungen wollte. Anwolf war noch sehr jung, womöglich fiel er gerade noch in Archibalds Beuteschema oder aber er glaubte, der Junge sei gefährlich und sei als ein Feind einzustufen. In jedem Fall prägte Damir sich genau Anwolfs Gesicht, Kleidung und sein Pferd ein.


    Als sie abflogen, sah der Junge ihnen nach.

  • Holzi


    Holzi reagierte sofort auf Damirs nonverbale Botschaft. Er gähnte und streckte sich, zufällig schaute er dabei in die Richtung, in die auch Damir und Archibald geschaut hatten. Holzi merkte sich das Gesicht des Jungen. Er hatte ihn vorhin nur kurz gesehen, als die Gruppe die Taverne verlassen hatte. Wer genau das war oder weshalb Arch ihn taxiert hatte, wusste Holzi nicht. Aber einen Grund musste es geben, denn ansonsten hätte er nicht seinen besten Kumpel Damir darauf aufmerksam gemacht.


    Arch war ihnen allen wohlgesonnen, Damir ebenso wie ihm, aber auf einer langen Reise oder generell wenn er müde wurde, fand man ihn früher an Jespers und Mernas Seite. Er machte es sich gerade nicht grundlos neben Damir behaglich.


    Holzi legte seinen schweren Arm um Damir und zeigte damit deutlich, wer es sich hier neben wem üblicherweise gemütlich machte. Irgendwie konnte er sich die kleine, eifersüchtige Geste nicht verkneifen.


    Er wusste ebenso wenig wie Damir, was Arch von dem Jungen wollte. Seine Vorlieben waren Damir und Holzi bekannt, jedem aus dem Stab waren sie bekannt. Aber der Blick von Arch hatte nicht das geringste Begehren wiedergespiegelt und Holzi wusste wie ein begehrlicher Blick aussah. Meist schmachteten die Frauen seinen besten Kumpel Damir so an. Einen ganz ähnlich verzückten Blick hatte Arch, wenn er auf jemanden Appetit bekam.


    Holzi streckte sich lang aus und zuckte mit den Schultern. Dabei vergaß er, dass er Damir im Arm hielt und verpasste diesem einen deftigen Stoß.


    "Tut mir leid Damir", lachte Holzi.


    "Arch, Jesper vermisst Dich bestimmt schon", grinste Holzi entwaffnend und schob Arch vorsorglich in Jespers Richtung. Für Holzi war die richtige Richtung erst einmal von Damir weg und dann auf Jesper zu. Archibald antwortete mit einem Grinsen, kroch zu Jesper rüber und machte es sich dort gemütlich.

  • Damir machte es sich an Holzis massiger Flanke gemütlich, während der Arm schwer wie ein Sack Mehl über seinen Schultern lag und die Stelle malträtierte, an der er grad den Stoß von dem Grobmotoriker kassiert hatte. Nichts hätte Damir weniger stören können. Er freute sich nach zwei Jahren Haft in einer Einzelzelle mehr darüber, dass ein Teil des alten Stabes wieder vereint war, als dass er wieder auf freiem Fuß war. Hätten sie alle gemeinsam in einer riesigen Gefängniszelle gehockt, wäre das für Damir auch in Ordnung gewesen, Hauptsache, es waren alle da. Da fiel ihm etwas ein.


    "Leute, wir haben was vergessen ... Archi, hast du deine Geldkatze dabei? Und ist da zufällig eine große Menge drin?"


    Dass Holzi sein Revier absteckte, fand er gut und unterstützte ihn auch sogleich. "Genau, grab Klopsi an, Arch." Schließlich wurde er selbst auch eifersüchtig, wenn Holzi fremdkartenspielte oder fremdknuffte oder sonstwie irgendwie fremdkumpelte. Kumpel und Kumpel war schon zwei was Verschiedenes, stellte Damir weise fest. Er beschloss, dass zurück im Tal gleich erstmal Margot fällig war, um Holzi was Gutes zu tun. Immerhin musste die Magd sich noch bei Holzi für ihr rüdes Benehmen entschuldigen und Damir würde dafür sorgen, dass sie diese Entschuldigung auch körperlich unter Beweis stellte. Nur labern konnte schließlich jeder.


    Nach einer Weile schien Brandur eingeschlafen zu sein. Sie alle waren um die 60, von Linhard und Kasimir abgesehen, und Jesper war sogar um die 70, aber in ihrer Verfassung unterschieden sie sich grundlegend. Brandur machte schon bei der kleinsten Anstrengung schlapp. Fehlte nur noch, dass er schnarchte.

  • Davard von Hohenfelde

    Hat den Titel des Themas von „Macht und Machtwechsel“ zu „Buch 1 Hohenfelde -- Kaptitel 04 - Macht und Machtwechsel“ geändert.