Einen Gehilfen für den Heiler

  • Als Kasimir in den Kellerräumen angekommen war, hörte er einen berstenden, matschigen Knall. Einen Moment später folgte Gepolter und Fluchen innerhalb einer der Schiebekammern.


    Der Krach endete für einen Augenblick, dann schoss die Tür des Faches mit ohrenbetäubendem Knall in den Raum hinein. Kasimir sah kurz ein Bein, ehe sich ein Körper wie ein Schlangenmensch verdrehte. Zwei blutige, krallenbewährte Hände klatschten an die Seite der Schiebekammer.


    Archibald wuchtete sich nach draußen und taxierte den Raum, wie ein Raubtier auf der Flucht. Er entspannte sich etwas, als er keinen Feind erblickte.


    "Meister? Meister, was bei den Ältesten machst Du hier?", fragte er leise.

  • "Das Gleiche könnte ich dich fragen", fragte die kleine weiße Fledermaus, die, kaum größer als ein Finger, mitten im Raum auf dem Fußboden saß und entgeistert an dem nackten, mit Blut und Innereien beschmierten Manne hinaufblickte. "Ich bin gekommen, um dich nach Hause zu holen. Ich hatte dich vermisst und mir Sorgen gemacht und durch Zufall erfuhr ich, dass du hier bist." Die Fledermaus blickte unglücklich. "Archibald, was ist mit deiner Diät? Du hattest mir dein Wort gegeben."

  • Archibald hockte sich auf den Boden und streichelte Kasimir.


    "Meister Ihr versteht mich völlig falsch! Ich hatte gute Absichten. Ich handelte um den Dunwin-Larve Linhard zu beschützen und um Brandur den Weg zu weisen. Passt auf. Ich dachte mir, wenn ich ein, zwei, drei oder auch vier von den Geistern töte, wird dies Davard und Anwolf vermutlich erschüttern.


    Da vorab die Friedensverhandlungen gewesen sind, steht der Friede noch auf tönernen Füßen. Wem würde ein Hohenfelde also den Mord in die Schuhe schieben? Richtig, einem anderen Hohenfelde. Folglich also Brandur und Linhard. Sie wären die Hauptverdächtigen. Oder die Drahtzieher die mich geschickt hätten.


    Davard und Anwolf würden sich von Brandur und Linhard abwenden.
    Brandur und Linhard würden sich von Davard und Anwolf abwenden.


    Logisch das sie sich zu unrecht beschuldigt fühlen würden. Was eine Tatsache ist, Davard und Anwolf aber nicht wissen. Folglich hätte ich damit alles auf Stand Null zurückgesetzt und niemand kann durch vermeintliche Friedfertigkeit Linhard zu nahe kommen und ihn ausschalten. Ich habe also nur Brandurs Job erledigt und ihn unterstützt. Sagen wir mal so Meister, ich habe ihm einen kleinen Schubs in die richtige Richtung gegeben. Ich tat es für Dunwin, Linhard und für die Familie - ich schwor Dunwin ewige Treue Kasimir. Und dies gedenke ich auch einzulösen. Gleichgültig wie er sich gewandelt hat. Dass darf nicht Linhards Schaden sein. Ich bewahre ihn vor schädlichem Einfluss. Wir können abreisen Meister, ich bin hier fertig", grinste Archibald und verwandelte sich in eine Fledermaus.


    "Nach Euch Gebieter", sagte Arch freundlich wie ergeben.

  • "Ich verstehe schon richtig", antwortete die weiße Fledermaus ihrer schwarzen Kollegin mit der silbernen Melierung im Fell. "Denn ich bin mit einem Intellekt gesegnet, den zu schärfen mir in der Klosterschule des Mondes über astrologischen Dissertationen, theologischen Kollektaneen, Traktaten, Monographien und Abstracten gestattet wurde. Man darf mir durchaus zugestehen, zu erkennen, dass du dein Wort gebrochen hast, ohne mit mir auch nur über mögliche Alternativen zu sprechen. Ich bin traurig, Archibald! Sehr traurig."


    Die weiße Fledermaus schüttelte betrübt ihren Kopf. "Ich kam deinem Wunsche nach, Vampir zu werden, obwohl ich stets dagegen war, weitere Vampire in die Welt zu setzen. Ich tat es um den Preis, dass du mir den von dir fast zu Tode geschundenen Simon überlässt und mich als deinen Lehrer akzeptierst, damit ich dir helfen kann, auf den Weg des Oril zu finden. Ist das hier, was dir dein Wort mir gegenüber bedeutet?"


    Kasimir machte eine umfassende Geste mit dem Flügel.


    "Archibald, so kann ich dir nicht helfen! Komm erst einmal her." Auf Füßen und Flügeln krabbelte er zu seinem Problemschüler und putzte ihm mit dem Zünglein den Pelz sauber. "So, nun ist es besser. Bleib genau dort hocken, damit du nicht wieder schmutzig wirst."


    Kasimir flog kurz zu dem gesprengten Schieber und roch an dem Blut, doch es war leider schon recht alt, der Leichnam bereits einige Stunden tot. Er sollte nicht mehr allzu viel davon trinken, wenn er sich nicht den Magen verrenken wollte. Es gab Vampire, die vertrugen das, doch er gehörte nicht dazu. So schleckte er nur wenige Schlucke, damit sein Magen nicht ganz leer war. Vermutlich würde er sich wieder an Frischblut gewöhnen müssen, jetzt, wo ihm niemand mehr neues Instantblut zubereiten konnte. Eine Weile würde der Vorrat noch halten, doch nicht ewig und dann würde er auf dem Trockenen sitzen. Er musste Orils Willen im Gebet ergründen, um dieser Herausforderung zu begegnen, doch nicht jetzt. Nun musste er sich ersteinmal um das verirrte Schäflein kümmern.


    "Komm, Archibald", sagte Kasimir sanft. "Lass uns nach Hause fliegen."

  • Archibald musterte Kasimir betreten.


    "Nun wenn Ihr es so ausdrücken wollt Meister, dann habe ich mein Wort gebrochen. Aber ich schwöre Euch, ich kam nicht hierher um mein Wort zu brechen, sondern um Linhard zu beschützen. Da ich die Frau und den Kerl eh erledigt hatte, dachte ich mir, muss ihr Blut doch nicht verschwendet werden. Es wäre doch schade um die Mahlzeit gewesen.


    Ich hatte nicht vor Euch zu enttäuschen, Wortbrüchig zu werden oder Euch zu hintergehen.
    Aber was ich wollte ist bedeutungslos, denn ich habe es trotzdem getan.
    Meine Pflicht wäre es gewesen mit Euch zu reden.


    Mir ist durchaus bewusst, was Ihr für mich geleistet habt und womit Ihr mich gesegnet habt.
    Ich werde es wieder gut machen, versprochen",
    sagte Archibald betreten.


    Kasimir bat ihn nach der Schelte zu sich und putzte ihn sauber, reinige ihn vom Blut und anderen Gewebefetzen. Archibald wusste nicht, was er schlimmer fand. Die Enttäuschung in den dunklen Augen seines Meisters, oder die Tatsache, dass ihn dieser trotz allem noch mit Zuneigung begegnete. Arch blieb wie befohlen hocken wo er war und kratzte sich mit seiner Daumenkralle schuldbewusst an der schwarzen Nase.


    Er schaute dabei zu, wie der kleine weiße Kasimir etwas von dem rakshaner Blut trank, ehe er sich wieder zu ihm gesellte.


    "Nach Hause...?
    Du meinst....
    Nach Hause klingt gut...
    Danke... Meister ich... danke...
    Ja lass uns nach Hause fliegen...",
    antwortete Archibald freundlich.


    Er krabbelte auf Kasimir zu, leckte ihn ebenfalls sauber, ehe er seine Flügel ausbreitete und Richtung Heimat davon schoss.


    "Wer zuerst da ist!", lachte er gut gelaunt.