Von Blut, Sold und Liebe

  • Argwöhnische betrachtete Farael die Truppe vor sich, die unterschiedlicher nicht hätte sein können. Sie alle wirkten etwas verwahrlost, offensichtlich waren es, wie der Norkara sagte, überlebende des Feuers. Wobei der Norkara sicher schon mehr durchgemacht hatte, als das Feuer. Dessen war sich Farael auch absolut sicher, doch es war wohl besser, dies beiseite zu schieben. Vorerst zumindest, wenn die Fronten zwischen ihnen nicht ganz gerklärt waren.


    Für einen Moment schwieg Farael. Zunächst beäugte er ausschließlich ihr Tun, doch dann holte er einen Zettel vor, wie sie meist an Anschlagsbrettern hingen. Er faltete ihn auf und legte ihn vor die Nase der Söldner, ehe er sich mit seinen Händen auf den Tisch abstützte und jeden von ihnen abwechselnd anblickte.


    Sein erster Blick ging auf den Typen, der ihm die Lüge auf den Tisch gesetzt hatte. "Mich anzulügen ist so oder so keine gute Verhandlungsgrundlage. Eins vorweg: Ihr seid keine Südnaridischen Söldner. Keiner von euch trägt ein Wappen und eine Rüstung der dortigen Kompanien. Also spart euch Scheiße dieser Art und seid besser ehrlich." Faraels Blick bleib ernst und machte mehr als deutlich, dass er es nicht hinnehmen würde, wenn so etwa snoch einmal passieren sollte. "Um es kurz zu halten: Farael Dornenwind. Freiberufler."


    "Und nein, ich habe keine Arbeit für euch. Auch bin ich niemand, der nach einem Schuldigen für das abgefackelte Lager sucht. Das ist mir echt egal, wer's war. Worum es mir geht, ist mein Geld für den Auftrag." Farael tippte auf den Zettel, der vor den Nasen der Jungs lag. "Ich will mein Geld dafür haben, oder zumindest etwas im entsprechenden Gegenwert. Da ihr aber relativ - mittellos erscheint, frage ich besser nicht direkt nach einer Bezahlung. Irgendwelche Ideen, wie wir diesen kleinen Umstand bereinigen können? Ich habe keine Lust irgend etwas aus euch rausprügeln zu müssen, also gehen wir das ganz sachte an. Ich bin ganz Ohr."


    Noch immer stand Farael vor dem Tisch, stieß sich wieder von diesem ab. Die Linke auf den Griff seines Schwertes gelegt, die Rechte in die Hüfte gestemmt. Eines war er sich sicher: Er würde mit Geld, Wertgegenständen oder aber Informationen zur Geldbeschaffung heraus marschieren. Andere Dinge nahm er nicht hin.

  • Sodos Blick verdunkelte sich, als der Mann seine Hand in Richtung seiner Waffe bewegte. Er blieb ruhig sitzen, als würde er ganz entspannt bleiben, doch er war kampfbereit. Im Gegensatz zu dem, was die meisten anhand seines Aussehends vermuteten, kämpfte er keineswegs wie ein Ork, sondern wie sein menschliches Erbe. Er war nicht übermäßig stark, aber schnell, ausdauernd, hinterhältig und mit allerlei schmutzigen Wassern gewaschen. Noch war jedoch nicht entschieden, ob es überhaupt zu einem Kampf kommen würde. Er überließ in Anbetracht der kritischen Lage Cherax das Wort. So war es in Situationen wie diesen seit jeher am Besten gewesen und sie arbeiteten schon seit sehr vielen Jahren zusammen.


    "Sein Gegenüber zu bedrohen ist auch keine gute Verhandlungsgrundlage, Farael", antwortete der Troll ruhig. "Lass die Waffe wo sie ist. Lass uns einfach reden. Setz dich zu uns, trink was und zeig mir den Wisch." Er trat unter dem Tisch gegen einen Stuhl, der zu Farael herüberschlitterte und schob ihm seine Weißweinschorle rüber.


    "Es war `ne scheiß Idee, ins Shorty`s zu gehen", knurrte Sodo. "Nicht mal in `ner Homokneipe hat man seine Ruhe."
    "Die Preise sprechen für sich", erwiderte Cherax.
    "Ja und zum Ausgleich wird man von den Homos wegen irgendwelcher verpfuschter Aufträge bedroht!" Sodo wies mit dem Strohhalm in Faraels Richtung. Dann winkte er die Bedienung herbei, ließ sich Limo nachschenken und eine neue Zitronenscheibe ans Glas stecken. "Eiswürfel will ich auch noch, ich bezahl schließlich dafür! Und einen zweiten Strohhalm", rief er dem Kellner hinterher.

  • Natürlich nahm Farael die Hände von seiner Waffe und setzte sich auf dem von ihm dargebotenen Stuhl. Bedacht und mit hoher Achtsamkeit zugleich schaute er die Gruppe an, konzentrierte sich darauf Gebahren und Mimik seiner Gegenüber genau zu beobachten. Es würde eine Verhandlung anstehen, mit großer Sicherheit. Und wie es schien, waren die Jungs vor ihm nicht der übliche Geist eines rauen Söldners, den man sonst in den untersten Rängen fand. Im Gegenteil. Farael war überrascht - positiv.


    Nun etwas entspannter lehnte sich Farael in seinen Stuhl zurück. "Okay. Offensichtlich seid ihr nicht die Art von Söldner, die es auf die harte Tour braucht. Ist schon einmal ein Anfang", sprach er schließlich seine Gedanken aus. Behutsam reichte er dem Troll den Auftrag für das Töten von ein paar Banditen und die versprochene Belohnung von 200 Handelstalern. Gleichzeitig musterte er den Norkara, der mit am Tisch saß und die gesamte Zeit Farael anschaute. "Ist irgendwas?", fragte Farael ruppig, jedoch nicht feindselig.


    Nach einem kurzen Zögern schüttelte er den Kopf, sog dann aber Luft ein und sprach: "Du bist doch Farael Dornenwind, oder? Also DER Farael Dornenwind. Du hast doch den Außenposten nahe Shohiro angeführt. Klar, ich kenne dich! Ich habe unter dir gedient!" Na toll. Entweder ein Bewunderer oder jemand der Farael die Schuld für das Ganze geben wollte.


    "Ja, mag sein. Lang' her. Ich meinte dein Gesicht irgendwo schon einmal gesehen zu haben, jetzt weiß ich auch woher. Hast du ein Problem damit?", entgegnete Farael trocken.


    "Nein! Gar nich'! Ich dachte nur du wärst, naja, tot. Hab' gehört, dass du möglichst einigen Kameraden das Leben gerettet haben sollst." Offensichtlich haben sich Faraels "Heldentaten" unter den Überlebenden herumgesprochen. Die Wahrheit war wesentlich ernüchternder und die Zahl der Toten so immens, dass die Stimmen der Lebenden mit Leichtigkeit verstummten.


    Sachte schüttelte Farael mit dem Kopf und blickte Bolgur entgegen. "Dafür bin ich nicht hier. Um über alte Zeiten zu reden. Oder über das was passiert ist. Sondern deswegen." Eindringlich tippte Farael auf den Zettel, genauer auf die versprochene Summe. Der Norkara hingegen schaute betreten ins Glas. Sein Großes Vorbild war vermutlich doch nicht so toll. Sei's drum.


    "Also, wo waren wir?", orientierte sich Farael erneut und goss sich dabei ein Glas der Weißweinschorle hinter die Binde. "Ach ja. Also, ich sitze. Und bin ganz Ohr. Und nur um das klar zu stellen. Ich habe die gesamte Stadt auf den Kopf gestellt, um Leute wie euch zu finden. Nicht weil ich Spaß an der Kneipe hier habe." Farael gruselte es bei dem Gedanken, hier von einem Mann angemacht zu werden.

  • Ana träumte von den Rabeninseln. Warm kitzelte die Sonne sie auf der Haut und in ihren Ohren rauschte das Meer. Sie war glücklich. Wohlig schmiegte sie sich in das Geräuschbett um sich herum, das sie Stück für Stück aus dem Schlaf in die Realität holte, obwohl sie sich noch sehnsüchtig an den Traum klammerte. Dann wurde es still und Ana schlug kurz darauf die Augen auf. Im ersten Moment wusste sie nicht, wo sie war, wie so oft, bedingt durch den ständigen Schlafplatzwechsel und vor allem, wenn sie tief geträumt hatte. Am ungewöhnlichsten war, dass sie sich ausgeruht und gut fühlte, keine angeschwollenen Augen, keine Kopfschmerzen, kein fauliger Geschmack im Mund. Der letzte Schleier des Schlafes löste sich auf und sie wusste es: Sie war bei Farael zu Hause. Ana setzte sich auf und sah sich im Raum um, doch von dem Alben war nichts zu sehen. Zögerlich schwang sie die Beine aus dem Bett und stand auf, streckte sich ausgiebig und spähte aus dem Fenster. Helligkeit und Trubel nach zu urteilen, ging es bereits auf Mittag zu. Hatte Farael sie etwa alleine zurück gelassen? Sie dachte an den gestrigen Abend und ertappte sich dabei, wie sie lächelte. Wohl oder übel musste sie sich eingestehen, dass es ihr gefallen und sie sich aufgehoben gefühlt hatte. Trotzdem schwang noch immer das Schamgefühl darüber mit, dass sie sich ihm beinahe an den Hals geworfen und dann sanft und höflich zurückgewiesen worden war. Wenn er gewollt hätte, hätte er sie haben können. Er hätte nur den kleinen Finger ausstrecken müssen und sie hätte die ganze Hand genommen. Doch dazu war es nicht gekommen und Anas Gefühle diesbezüglich waren gespalten. Da war eine wohlige Wärme in ihr, denn Farael hatte ihr mit seinem Handeln etwas geschenkt, dessen Existenz sie beinahe schon vergessen hatte. Doch dunkel rankten sich Zweifel daneben und Furcht, dem Alben zu nahe zu kommen und entweder sich selbst oder ihn in Gefahr zu bringen. Eigentlich war sie ganz froh, dass Farael nicht hier war. So hatte sie Zeit, alles sacken zu lassen. Ana begann durch den Wohnraum zu gehen und sah sich um, falls der Alb doch irgendwo zugange war. Recht schnell entdeckte sie den Zettel auf dem Tisch und automatisch griff sie danach, obwohl sie kaum lesen konnte. Der Brief war von Farael, so viel verstand sie. Hatte er es sich anders überlegt? Nein. Das konnte Ana sich nicht vorstellen. Warum hätte er sie sonst alleine in seinem trauten Heim lassen sollen? Sie steckte den Brief ein. Möglicherweise traf sie später jemanden, der ihr den Text vorlesen konnte.

    Sie überlegte direkt zu gehen. Was sollte sie noch hier? Sie wusste nicht, wann Farael zurückkam und auch nicht, ob er sie dann überhaupt noch vor Ort wünschte. Und keinesfalls wollte sie ihm das Gefühl geben, dass sie den ganzen Tag hier wartete, nur um ihn wiederzusehen und auch nicht, dass sie abhängig von seiner Großzügigkeit war, sie hier aufzunehmen. Noch nicht. Am besten nie. Gerade wollte sie zur Tür hinaus, da kam ihr der Gedanke, dass Farael bestimmt über eine Waschmöglichkeit verfügte. Nach einer Zeit ohne feste Bleibe lernte man die Möglichkeit sich zu reinigen erst richtig als Privileg zu schätzen und den Alben würde es vermutlich nicht sonderlich stören. Schnell fand sie die Hintertür und draußen eine ordentliche Wasserpumpe. Der Boden war noch feucht, Farael musste vor nicht allzu langer Zeit ebenfalls hier zugange gewesen sein. Das Wasser war kalt, doch Ana mochte den Effekt, den es auf ihren Körper hatte. Augenblicklich zog sich eine Gänsehaut über ihre Glieder und straffte ihre Haut, färbte sie rosig ein. Sie sah an sich selbst hinab. „Abgemagert“, murmelte sie. Wie lange war es her, dass sie gegessen hatte? Stunden, Tage? Es wurde Zeit.


    Ana wrang ihr Haar aus, bevor sie wieder nach innen ging. Nun fröstelte sie und griff nach ihrem Lautenkasten, um den Umhang heraus zu holen, überlegte es sich dann aber anders. Vorsichtig und nicht ohne sich zur Sicherheit doch noch einmal umzusehen, zog sie eine Schublade von Faraels Kommode auf, dann noch eine und noch eine, bis sie ein dunkelgrünes Hemd fand, das sie sich kurzerhand über den nackten Körper zog. Es war weich und fiel ihr locker über die schmalen Schultern. „Ein kleiner Diebstahl muss sein“, sagte sie leise. „Wenn du lieb bist, gebe ich es dir zurück.“


    Mit gepackten Sachen, ausgeschlafen und erfrischt zog Ana schließlich die Tür von Faraels kleinem Reich hinter sich zu. Bevor sie fortging, sah sie sich noch einmal um, damit sie die Straße wieder fand. Nun hing es ganz von ihr ab, wann sie sich wieder sahen. Zumindest dachte Ana das und war überaus zufrieden mit dieser Begebenheit.



    Der Tag war wundervoll. Die Luft war noch recht kühl und wirkte damit um einiges reiner und frischer, als sie wirklich war und der blaue Himmel versprach viel Sonnenschein. Anas Stimmung war famos und genau das stimmte sie ein wenig skeptisch. Sie musste aufpassen.
    Als erstes machte sie sich auf den Weg zum Markt. Dort kaufte sie sich eine kleine Kruste Brot bei einem Bäcker, den sie mochte und stahl eine Pastete bei einem, den sich nicht mochte. Einen Augenblick kämpfte sie gegen die Versuchung an, dann wanderte auch eine Pulle Rum in ihren Besitz. Wieder zog es sie an den Hafen, dieses Mal jedoch an den Anlegeplatz der Skua. Ana kam häufig hierher, einfach nur, um das Schiff zu betrachten und manchmal traf sie Terry zufällig. Nun hatte sie ihn schon länger nicht gesehen, und wusste gar nicht, wie es ihm ging. Als sie am Kai ankam, fand sie diesen überraschend verwaist vor. Ana sah sich um, doch es gab keinen Zweifel. War Terry in See gestochen? Sie hoffte, dass dies der Grund für die Abwesenheit war, auch wenn sie schon ein wenig neidisch wäre. Sie seufzte. Gerne hätte sie ihren kleinen Riesen gesehen.
    Schließlich suchte sie sich trotzdem einen Platz in der Nähe. Sie lehnte sich an die Wand eines eingefallenen, leer stehenden Häuschens und aß die Pastete. Mehr aus Gewohnheit als aus Verlangen war auch der Rum recht schnell entkorkt und nach den ersten paar Schluck holte Ana die Laute heraus. Die Sonne wärmte sie von außen und der Rum von innen und Ana dachte klimpernd über die neuesten Ereignisse nach. Schnell entstand eine Melodie, die ihren Ursprung vor allem in dem Gefühl der Geborgenheit hatte, dass sie in Faraels Umarmung verspürt hatte. Ana spielte einige Minuten lang, dann stoppte sie abrupt. Nun, da sie den Moment in einem Lied gebannt hatte, hatte sie ihm endgültig Bedeutung verliehen und Ana vergaß nie eines ihrer Stücke. War sie zu weit gegangen? Hatte sie den Alben jetzt schon zu nah an sich heran gelassen? Das war doch kaum möglich, immerhin kannte sie ihn gerade einmal einen Tag. Möglicherweise war es besser, wenn sie Farael erst einmal nicht mehr sah… Gemeinsam mit dem Instrument sperrte Ana die Erinnerungen an die Nacht in den Kasten und beschloss, nach einer Taverne und Arbeit für den Abend zu suchen. Faraels Hemd aber behielt sie an.

    Whisk(e)y ist flüssiges Sonnenlicht
    ~ George Bernard Shaw ~

  • Sodo erhielt seine geforderten Eiswürfel. In jedem war ein Blatt Zitronenmelisse eingefroren. Damit war seine Limo komplettiert und er trank zufrieden aus dem Strohhalm. Wie immer saugte er zuerst den Rohrzucker vom Grund des Glases auf. Cherax betrachtete derweile den Zettel, während Bolgur und Farael ein paar Worte miteinander wechselten. Offenbar kannte man sich und Farael wurde als Kommandant der Konkurrenz aus Shohiro identifiziert. Cherax ergriff wieder das Wort.


    "Dir geht es also um die 200 Taler. Du wolltest einen Trupp Banditen ausheben und dir die 200 Taler verdienen, die dir nun entgangen sind. Wenn du von dem Lager bei Shohiro kommst, frage ich mich allerdings, was wir damit zu tun haben sollen. Das erschließt sich mir nicht. Ob das Lager hier in Obenza abgefackelt ist oder nicht, kann den Banditen und dir doch völlig egal sein. Oder suchst du einfach Männer? 200 Taler sind aber echt mager dafür, dass wir unseren Arsch riskieren und dann müsste man das Bisschen auch noch aufteilen. Du hast hier keine Amateure, sondern ausgebildete Profis vor dir. Wie stellst du dir die Aufteilung denn vor? Jeder zu gleichen Teilen oder willst du dir den Löwenanteil einheimsen?"


    "Der stellt der sich was ganz anderes vor", murrte Sodo. "Das ist bloß ne billige Anmache. Das nächste Mal gehen wir in den Alten Alfons. Das hier muss man sich echt nicht geben."

  • Mit einer hochgezogenen Augenbraue betrachtete Farael den Troll und Wortführer der kleinen Truppe. Er schien ihn misszuverstehen. Offen gestanden hat sich Farael wohl zu flach und zurückhaltend ausgerdrückt. Etwas, was er sofort zu beheben gedachte. "Nein, nein. Ich drückte mich falsch aus. Der Auftrag kam von eurem Lager bevor es abgefackelt wurde. Ich hab diesen Auftrag erledigt und will das Geld dafür sehen. Mir ist's egal von wem es stammt, Hauptsache ich werde dafür entlohnt. Mit ein paar schlecht ausgebildeten Banditen komme ich auch allein klar."


    Das Murren und Meckern des anderen Söldners musste Farael mit einem Grinsen quittieren. Die Zeit mit dem er mit der Gruppe sich unterhalten hatte, meckerte er nur über die kleinsten Dinge herum. Das er dachte, Farael wolle sie angraben, ist eine unterhaltsame Sache und für einen Moment überlegte Farael, ob er das nicht wirklich tun sollte. Schnell verwarf er den Gedanken wieder. So würde das Gespräch zu unseriös wirken und besonders bei der Verhandlung kontraproduktiv sein.


    Just in diesem Moment kam Farael ein anderer Gedanke. Das Gespräch mit Ana kam ihm wieder in den Sinn. Ihre Frage, was seine Ziele für die Welt wären. Seine Antwort war das Gründen eines erfolgreichen Söldnerlagers. Ein neuer Versuch, zudem die Wiedergutmachung für seine alten Fehler. "Obwohl, ich hätte noch eine andere Idee. Ihr seid Profis sagt ihr? Dann kennt ihr euch sicher im Geschäft aus und offensichtlich seid ihr auch knapp bei Kasse. Eure Schwerter als Bezahlung zu nehmen wäre Verschwendung", erklärte Farael und beugte sich ein Stück vor. Dabei wanderte eine weitere Portion des Schnapses in seine Kehle. "Ihr seid sicherlich an Arbeit interessiert und vielleicht kann man sich einigen. Das Söldnerlager nahe Shohiro gibt es nicht mehr. Schon lang nicht." Bulgor nickte, der Blick im Glas versenkt. "Ihr arbeitet die Schulden ab, müsst nichts bezahlen. Im Gegenzug will ich alles über das abgefackelte Söldnerlager wissen. Und wie es gelaufen ist. So wie ob es die Möglichkeit gibt, es wieder aufzubauen. Wenn ja, brauche ich Männer um dort aufzuräumen."

  • "Also noch mal langsam", sagte Sodo. "ICH soll dafür zahlen, das irgendein SPINNER das Söldnerlager abgefackelt hat, weshalb dir die Bezahlung für deinen letzten Auftrag entging? Verstehe ich das richtig? Sag mal, bist du lebensmüde? Weißt du, wen du hier vor dir hast?!"


    Cherax warf ihm einen Blick zu. Sie beide wussten sehr genau, wer Schuld war an dem abgebrannten Söldnerlager und sie waren nicht die Einzigen. Von der Sache her brauchte es sie nicht zu scheren, wenn sie sich einfach vom Acker machen wollten. Aber das wollten sie nicht, sie gedachten, vorerst in Obenza zu bleiben. Da war es besser, die Anzahl seiner Feinde in Grenzen zu halten und sich vielleicht sogar Freunde zu machen.


    "Also SCHÖN", schnauzte Sodo und nahm die Hände in die Luft. "Ihr habt mich weichgeklopft und das verdankt ihr nur meinem großmütigen Herzen! Siebzig Kröten pro Kopf sind ja überschaubar. Dafür wollen wir noch Unterkunft und Verpflegung, klar? Dann gehört unsere Muskelkraft dir."

  • Auf die Antwort des Söldners vor sich, lehnte sich Farael ganz entspannt in seinen Stuhl zurück. Offensichtlich wussten sie, was sie wert waren und wie sie verhandelten. Das musste ihnen Farael lassen und er repsektierte das auch. Was es aber nicht leichter für seine geschundene Brieftasche machte.


    Einen Moment lang ließ er die Stille zwischen ihnen und sich wirken. Er dachte über einen Kompromiss nach. Einen Gegenvorschlag, der ihn nicht in den Ruin treiben und dennoch die Unterstützung dieser Söldner sichern würde. Eigentlich war es vorgesehen, dass sie seine Bezahlung abarbeiten. Nicht, dass er ihnen etwas zahlte, damit sie arbeiteten. Doch Farael wollte nicht so engstirnig sein. Die Männer vor ihn hatten Potential und die Chance verdient. Nach reiflicher Überlegung antwortete er: "Wie ich merke bist du jemand, der gern feilscht und entsprechend seinen eigenen Wert kennt. Doch darfst du eines nicht vergessen: Wir reden nicht von einem Auftrag mit Gefahrenzulage. Ihr werdet nicht kämpfen. Ihr werdet nicht töten. Das Einzige was getan werden muss, ist es aufzuräumen und euch ein neues Zuhause zu beschaffen.


    Mit einer Geste orderte Farael je ein Glas Birnenschnaps für jeden am Tisch, den er natürlich entsprechend bezahlte. "Ich mache mal einen Gegenvorschlag", fuhr er schließlich fort. Wir können gern bei den siebzig Talern pro Kopf bleiben. Davon kauft ihr euch aber selbst Unterkunft und Verpflegung. Im Gegenzug erhaltet ihr die eine Hälfte im Vorraus, die Andere nach getaner Arbeit. Vergesst nicht, dass wir gemeinsam den Grundstein für etwas Neues legen können. Ein neues Zuhause und eine neue Arbeit für euch.

  • Sodos abweisendes Gesicht verwandelte sich in ein Abbild der fleischgewordenen Selbstzufriedenheit, als Farael ihm gekonnt Honig ums Maul schmierte. So grantig der Halbork werden konnte - gegenüber Schmeicheleien war er so anfällig wie Apfelbäume für Gitterrost. Er sonnte sich im fortschreitenden Lob. Seinen Birnenschnaps schob er allerdings Cherax herüber. Wenn er einmal anfing, konnte er nicht mehr stoppen, der Troll hatte sich da besser im Griff.


    "Tja, man muss schon sagen dass du verdammtes Glück hast, ausgerechnet uns hier getroffen zu haben, insbesondere meine Prächtigkeit", erklärte er Farael. "Aufräumen ist mal was anderes, als den eigenen Arsch riskieren, hätte ich nix dagegen. Ist doch entspannend!"


    Er blickte zu seinen beiden Gefährten, die zustimmend dreinblickten, was er auch als Zustimmung nahm.


    "Einverstanden, wir sind im Geschäft. Siebzig Kröten für jeden von uns fürs Aufräumen und wir kümmern uns selber um Kost und Logis. Wenn dir danach sein sollte, habe keine Hemmungen, meine Stiefel für diesen Handel zu küssen. Wann geht es los?"

  • Abwechselnd schaute Farael zwischen den drei Söldnern hin und her. Er suchte nach einem Funken der Missgunst oder gar der Ablehnung nach den zustimmenden Worten. Doch nichts davon war zu erblicken und in den Gesichtern der Anwesenden zeichnete sich stumme Zustimmung ab. Damit war die Verhandlung entsprechend abgeschlossen. Zugegeben, Farael hätte nicht gedacht diese Söldner für solch eine geringe Summe zu bekommen. Im Normalfall, hätte er ein größeres Budget und eine feste Schar an Söldner, wären die drei mit einem wesentlich höheren Sold herausgegangen. Allerdings mussten sie das nicht unbedingt wissen. Im Gegenteil.


    Stattdessen lächelte Farael so aufrichtig wie nur möglich und nickte dem Halbork zu. „Du bist ein wirklich zäher Verhandlungspartner, da gebe ich dir Recht. Mein Glück, dass ich dich an einem guten Tag erwischt habe.“ Damit erhob sich Farael von seinem Stuhl und streckte sich. „Es geht morgen Mittag los. Wir treffen uns am Söldnerlager. Da bekommt ihr die erste Hälfte eurer Bezahlung. Ob ihr gefundene Wertsachen die ihr aus den Trümmern zieht selbst nehmt oder mir zur Verfügung stellt, ist euch überlassen. Schätzt einfach nur ab, was euch lieber ist. Investition in die Zukunft oder kurzweiliges Vergnügen.“ Die Sache mit dem Stiefelküssen überhörte Farael bewusst. Darauf einzugehen, hätte den kompletten Handel gefährdet.


    Farael bedachte die Truppe schließlich noch mit einem fragenden Blick: „Habt ihr noch irgendwelche Fragen? Ansonsten sehen wir uns morgen.“

  • Sodo musterte ihn einen Moment. "Hat dir irgendwer irgendwas über mich erzählt, kann das sein?"
    Er wartete, ob irgendwer von seinen zwei Leuten noch eine Frage hatte, doch das war nicht der Fall.
    "Wir sind hier fertig. Also du. Wir bleiben noch und trinken aus. Also dann bis morgen an den Ruinen."

  • Ein wenig störte sich Farael an der Selbstgefälligkeit des Halborks. Offensichtlich war dieser von sich sehr überzeugt und war mehr als stolz darauf, wenn ihn jemand hervorhob. Überheblichkeit war der erste Schritt in Übermut. Natürlich sah Farael in dem Mann einen durchaus fähigen Söldner, doch seine Übermaß an Selbstvertrauen konnte ihm schnell ins Kreuz fallen.


    Doch vorerst beließ Farael es dabei und grinste zusichernd, als ob jedem Wort zustimmen würde. Um dem Ganzen noch einen drauf zu setzen, erwiderte er: „Von dir muss man nicht hören. Man sieht dir dein Geschick an. Drum bin ich auch froh, auf euch drei gestoßen zu sein.“ Bolgur blickte auf und schien sich ein Lächeln abzuringen, während Sodo wohl gerade im Narzissmus baden musste.


    „Gut, wir sehen uns morgen. Bleibt heil. Verletzt nützt ihr mir nichts“, erklärte er und nickte den Männern zum Abschied zu. Noch aus dem Augenwinkel erkannte Farael, wie Bolgur wieder in sein Glas starrte. Etwas schien ihm ganz und gar nicht zu schmecken. Oder abzustoßen. Farael konnte es nicht einordnen. Doch vermutlich hatte er schlichtweg mit seiner Arbeitslosigkeit zu kämpfen. Ohne sich einen weiteren Gedanken dazu zu machen, steuerte er an den Gästen und der Bedienung der Kneipe vorbei. Dabei fing er sich den ein oder anderen Blick von Männern ein, die wohl mehr als nur eine Art des Kennenlernens mit Farael bevorzugen würden. Zum Glück stand er im nächsten Moment bereits vor der Tür und schnappte die frische Luft. Zumindest so frisch, wie es in Obenza möglich war.

  • Farael:
    Der Tag hätte nicht besser beginnen können. Durch Faraels Geschick in der Verhandlung sowie der Bereitwilligkeit der Söldnergruppe haben sie einen gemeinsamen Nenner finden und auf eine für alle Seiten gute Lösung kommen können. Mehr kann man nicht wollen, zu mal für Farael ein neues Kapitel ansteht. Mit der Zusage der Söldner konnte sich schon bald einer seiner Träume erneut erfüllen und er der Kommandant einer eigenen Garnison von Söldner werden. Doch musste er auf dem Boden bleiben, letztendlich galt es, die Treue mit Vorsicht zu genießen und die ersten Fundamente zu legen. Ohne diese würden seine Pläne im Keim erstickt werden, ohne dass er eine Chance der Umsetzung gehabt haben könnte.


    Dennoch hatte der erfolgreiche Start in den Tag einen spürbaren Einfluss auf ihn. Seit langem wieder sah er die Straßen Obenzas nicht vor Schmutz starren, sondern als eine Möglichkeit für seine persönlichen Ziele. Dinge die er hat lange zurückstellen müssen, da er keine Möglichkeit gehabt hatte oder aber seine Schuldgefühle die alten Erinnerungen hochkochen ließen. Mit aller Kraft wehrte Farael sich dagegen. Von diesen Gedanken wollte er sich den Tag nicht versauen lassen.


    Seine ersten Gedanken galten jedoch nicht dem weiteren Planen und Taktieren. Stattdessen musste er wie ein normaler Bürger dieser Stadt wieder einkaufen. Lebensmittel besorgen, lagern und die Vorräte Zuhause aufstocken. Besonders von dem Tee, welchen er am Abend zuvor mit Ana genossen hatte, müsste er sich mehr besorgen. Im gleichen Moment erschien ihm die Norkara vor dem inneren Auge. Eine junge Frau. Bildhübsch. Viel Potential. Augenblicklich breitete sich eine Wärme in seinem Körper aus, die er nicht ganz zu begreifen vermochte. Sie hatte ihre Reize, die weit über eine Körperlichkeit hinaus gingen.


    Sofort schlug er sich das Bild aus dem Kopf. Farael durfte nicht zu nachgiebig werden. Etwas in seinem Inneren riet zur Vorsicht, auch wenn ein anderer Teil sagte, dass er sie nicht vergraulen und besser annehmen sollte. Man konnte in diesen Zeiten niemanden trauen und doch verspürte er ihr gegenüber ein tiefgreifendes Interesse und Vertrauen. Es spiegelt sich nicht mit seinen Erfahrungen, dass er das bei einem Menschen in dieser gottverlassenen Stadt tun konnte.


    Schnell widmete sich Farael den wesentlichen Dingen, die anstanden. Zu wenig Zeit hatte der Tag. Die Sonne hatte bereits ihren Höhepunkt erreicht und es ging auf den Nachmittag zu. Also verschlug es ihn auf den Marktplatz. Der Ort, an dem Händler ihre Waren zu überteuerten Preisen feilboten, Kinder die findigsten Taschendiebe waren und Halsabschneider einem das Geld abknöpften. Zu Faraels Glück wirkte er nicht wie jemand, mit dem man es sich verscherzen sollte. Das brachte ihm so einige respektvolle Blicke und kleinlaute Worte ein.


    Mit einem vollen Korb bestehend aus Trockenfleisch, Teemischung, Milch und Honig, dazu noch ein Laib Brot, machte sich Farael auf den Weg nach Hause. Sein Spaziergang über den Markt und das ruhige Stöbern hatten ihn den gesamten Nachtmittag gekostet. Zudem hatte eine äußerst teure Flasche Wein, Cognac und noch einen Whiskey dazu. Lang hatte sich Farael diese Dinge nicht mehr gegönnt. Wenn, war es nur ein Glas, aber nie mehr. Allerdings hatte das auch sein Erspartes stark angegriffen und selbst wenn er noch Rücklagen hatte, er brauchte dringend wieder ein Einkommen.


    Zuhause angekommen, fühlte Farael eine Leere, als er sein Haus betrat. Das Bett war noch immer zerwühlt und der Duft Anas hing in der Luft. In gewisser Hinsicht fehlte sie, auch wenn sie hier nicht wohnte oder regulär zu Gast war. Beim Einräumen der Lebensmittel fiel ihm auf, dass jemand in seiner Kommode gewühlt hatte. Sie war nicht richtig verschlossen, wobei er sich absolut sicher war, diese entsprechend geschlossen zu haben. Ein Blick hinein offenbarte auch sogleich, dass eines seiner Hemden fehlte. Kein großer Verlust und zugegeben eine doch etwas niedliche Geste von einer Frau, die gern die Zügel in der Hand hielt. Mit einem Grinsen verschloss Farael die Kommode schließlich ganz und widmete sich seinem Heim. Hier und dort Aufräumen, schmutzige Kleidung reinigen und ein Gebet für Ardemia. Mehr brauchte es nicht, da war es schon dunkel draußen und die Straßen Obenzas tauchten sich in das Licht der Straßenlaternen.


    Jedoch war dies für Farael keinerlei Grund, drinnen zu versauern und den Abend daheim zu verbringen. Im Gegenteil. Die Suche nach angenehmer Gesellschaft oder vielleicht der wilden Nacht mit einer Frau, die ihres Schicksals noch gar nicht bewusst war, trieb ihn hinaus auf die Straßen. Um diese Zeit war das Gesocks der Unterwelt besonders aktiv. Diebe, Mörder, Vergewaltiger trieben zu diesen Zeiten ihr Unwesen. Keine schöne Zeit um herauszugehen, sofern man nicht zu ihnen gehörte. Doch Farael störte sich nicht daran. Im Gegenteil. Leute dieser Kategorie die er erblickte, wurden von ihm zurecht gestutzt, wenn es sein Eingreifen erforderte. Fast jeder in Obenza konnte sich auf vielschichtige Art und Weise verteidigen – aber ebenso Schaden zufügen.


    Auf jeden Fall setzte Farael sein Ziel auf das Gasthaus „Alter Alfons“. Ein durchaus angenehmes Lokal, in welchen Mann jedem Bedürfnis frönen konnte, wenn es einem danach beliebte. Meist waren dort gute Musik und vorzügliches Essen an der Tagesordnung, mit welchen die Gäste stets bei Laune gehalten wurden. So auch Farael, der trotz des hohen Preises in dem Lokal gern ein und aus ging. Der Wirt kannte ihn mittlerweile gut und zahlte auch gut für frisches Fleisch oder Felle.


    Plötzlich fielen Farael allerdings drei Männer auf, als er durch den Rotlichtbezirk lief, um zum Hafenviertel zu gelangen. Sie standen in einer Seitengasse, offensichtlich angetrunken. Sie reichten eine Flasche herum. Sie nahmen abwechselnd einen Schluck daraus, unterhielten sich lautstark und freuten sich über ihren Feierabend. Nichts Ungewöhnliches in diesem Bezirk und erst recht nicht in der Stadt. Doch die Männer sahen nicht gewöhnlich aus. Ihre Rüstungen waren schwarz wie die Nacht. Augenscheinlich aus Leder geformt. An ihren Seiten hingen beachtliche Langschwerter, die jedoch nicht wie gewöhnlich in Scheiden steckten, sondern nur über einen Riemen an ihren Gürtel befestigt waren. Sie spiegelten das Licht der Straße wieder.


    Diese Aufmachung und Ausrüstung. Farael hatte sie schon einmal gesehen. Er war sich nicht ganz sicher. Bilder vor seinem inneren Auge tauchten auf. Der Außenposten nahe Shohiro. Seine Männer. Und dann die Angreifer. In schwarzen Rüstungen gehüllt. Stolz hatten sie gerufen: „Für die schwarze Kompanie!“ Nach diesem Ruf hatten sie seine Söldner wie Vieh abgeschlachtet. Faraels Soldaten in den Boden übermannt und in den Boden getreten. Es floss viel Blut. Schreie ertönten. Flammen verzehrten die Bauten.


    „Hey du Wichser, was glotzt du so?!“, brüllte plötzlich einer der Männer zu Farael, der so aus seinen Gedanken gerissen wurde. Er hatte gar nicht mitbekommen, wie er diese Männer angestarrt hatte. Doch es hatte gereicht, um sich zu vergewissern. Söldner der schwarzen Kompanie. Jene Männer, die die Träume Faraels in einem Blutbad ertränkt hatten. Faraels Herz schlug plötzlich wild. „Scheiße, ich glaub' der ist taub. Zu viel gesoffen oder warum so mutig?“, ertönte es wieder. Die Söldner kamen näher.


    Farael spannte sich an. Seine rechte Hand legte sich auf seinen Schwertknauf. Die Söldner taten es ihm gleich. Personen die du dich die Straßen torkelten, machten einen Bogen um die Szene. „Moment, ich kenne dich doch“, stellte einer der Söldner fest, kurz bevor sie vor Farael zum Stillstand kamen. In der Luft lag Hitze. Sie blickten ihn an. Ihr Frontmann riss die Augen auf. „Es ist der beschissene Anführer!“, brüllte er auf. Ein metallisches Reiben, gefolgt von einem Surren durch die Luft.


    Blut spritzte Farael entgegen, als seine Klinge den Hals des Söldners vor sich durchtrennte. Die anderen Beiden schrien auf. Der Kopf ihres Kameraden flog davon, sein Körper sackte zusammen. Sie zogen ihre Schwerter. „Dafür wirst du bezahlen!“, schrie einer. Er nahm seine Kampfstellung ein. Der Andere tat es ihm gleich und darauf war Farael vorbereitet.


    Er ließ seine Gegner nicht zu einem Schlag ansetzen. Mit einem Satz sprang er nach vorn. Sein Schwert von unten geführt, traf die Klinge auf das Stahl seines Gegners. Er drückte Faraels Waffe nach unten weg. Farael konterte mit einem Tritt aus einer halben Umdrehung. Der Söldner wankte zurück. Sein Kumpane holte aus und Farael sah es im letzten Moment, die Klinge traf jedoch ins Ziel. Farael spürte, wie eine Klinge den Stoff seiner Rüstung zerschnitt und durch sein Fleisch ging. Doch Schmerz war nicht zu spüren – nur Kälte und unsäglicher Hass.


    Farael machte einen Satz nach hinten, entging dem darauffolgenden Angriff von vorn. Der Zweite wollte nachsetzen. Der Klinge entging er mit einem Seitenschritt. Schnell preschte Farael hervor, rammte dem Kontrahenten den Ellenbogen ins Gesicht. Sofort schrie er auf, doch hatte keine Chance zur Erholung. Farael drehte sich, schwang seine Klinge und durchschnitt die Wade des Mannes. Augenblicklich fiel er unter einem schmerzerfüllten Schrei nach hinten weg. Da kam der zweite Feind. Sein Schlag war ein hoher Schwung von rechts. Farael duckte sich und sprang aus der Hocke seinem gegenüber entgegen. Mit seiner Kraft riss er den Mann zu Boden. Er verpasste ihm eine Kopfnuss. Ein lautes Knacken ertönte. Der Mann schrie. Seine Nase war schief.


    Farael rollte sich von dem armen Geschöpf herunter, das völlig benommen am Boden wimmerte. Zu spät bemerkte er die herannahende Klinge, die vom Anderen geführt wurde. Kalter Stahl drang über seiner Brust ein. Heißer Schmerz durchzuckte seinen Körper. Sein Gegenüber grinste siegessicher. Dann kam jedoch pures Entsetzen zum Vorschein, als Faraels unter lautem Aufschrei sich auf die Klinge zog und sein eigenes Schwert durch den Magen des Mannes trieb. Blutiges Röcheln ertönte. Der Mann spuckte Blut, keuchte und sackte zusammen. Sein Schwert noch immer in Faraels Schulter steckend.


    Dieser griff nun mit seiner Linken an dessen Klinge und zog es sich langsam heraus. Sein kompletter Körper verkrampfte. Farael presste die Zähne aufeinander und stöhnte. Für Farael verging eine gequälte Ewigkeit, ehe das Schwert seinen Körper verließ und klirrend zu Boden fiel. Hinter ihm wimmerte es. Sein Atem ging schwer, als er sich umdrehte. Der letzte Überlebende krümmte sich auf dem Boden, noch immer hielt er seine gebrochene Nase und wimmerte. Farael schritt auf ihn zu, seine Hand verkrampft um den Griff seines Schwertes. Der Blick des verwunderten ging nach oben, seine Augen voller Angst und Schmerz. „Bitte … bitte nicht ...“, wimmerte er. Doch so wie diese Männer keine Gnaden bei Faraels Söldner gekannt hatten, kannte Farael keine Gnade mit ihnen. Er nahm sein Schwert in beide Hände, hob es über den sich zu seinen Füßen krümmenden Körper und trieb es durch den Leib. Ein weiterer Schrei ertönte. Dann Stille.


    Langsam taumelte Farael zurück, sein Körper erhitzt von dem Kampf und völlig erschöpft. Sein Rücken gelangte schließlich an eine Wand, an der er sich im nächsten Moment sinken ließ. Sein Schwert lehnte er gegen die Wand, ehe er an sich herunter blickte. Zwei klaffende Wunden zeichneten seinen Oberkörper. Eine Wunde die an seinem Bauch entlanglief, zum Glück nur oberflächlich. Dann ein klaffendes Loch in seiner Schulter. Der Großteil des Schadens wurde durch seine Rüstung verhindert, doch waren die Verletzungen mehr als bloße Kratzer.


    Das Adrenalin des Kampfes ließ nach, worauf Schmerz seinen Körper durchzuckte. Mit der Linken presste er auf die Wunde in seiner Schulter, während die Rechte nach seinem Flachmann griff. Nach mehreren ungelenken Versuchte schaffte er es, den Flachmann aus seiner Tasche zu befreien. Kaum aufgeschraubt, nahm er einen tiefen Schluck des Schwarzgebrannten, der brennend seine Kehle hinunterkroch. Tief atmete Farael darauf durch, seine Hände zitterten, als er das metallene Gefäß über seine Bauchwunde hielt und schließlich darüber kippte. Sein kompletter Körper verkrampfte, er gab einen unterdrückten Schrei von sich. Einige Sekunden vergingen, dann entspannte er. Die Wunde pochte. Schließlich das Gleiche Spiel bei seiner Schulterwunde.


    Als nächstes stellte Farael den Flachmann beiseite, nahm eine Bandage aus seiner Tasche und presste sie gegen seine Schulterwunde. Scharf sog er die Luft dabei ein, je fester er drückte. Farael lehnte seinen Kopf gegen die Wand hinter sich. Rache ist nicht süß. Rache ist ein unbändiger Durst, der umso durstiger macht, je mehr man sich ihm hingibt. Und doch sitzt er hier und hat diese Männer aus purem Hass getötet. Abgeschlachtet, wie sie es einst mit seinen Männern getan hatten.


    Ana:
    Ana torkelte durch den Rotlichtbezirk. Arbeit hatte sie zwar keine gefunden, dafür aber mittlerweile die ganze Flasche Rum vernichtet oder vielleicht verloren, jedenfalls war sie nicht länger in ihrem Besitz. Die bittere Erkenntnis, dass sie den tollen Verdienst von vorgestern komplett verprasst hatte, drang nur vage durch den dichten Nebel des Rausches in ihren Verstand vor und würde erst am nächsten Morgen in voller Gänze zuschlagen. So schnell schlug man nach einem Höhenflug wieder hart auf Obenzas schmutzigem Pflaster auf, dachte sie abwesend und stieß gegen eine Hauswand. Sie hatte gehofft im Alten Alfons spielen zu können, doch der Wirt hatte für den Abend bereits Programm und auch all die anderen Tavernen und Spelunken, die sie aufgesucht hatte, waren entweder schon versorgt oder wünschten keine musikalische Unterhaltung für ihr Publikum. Im letzten Gasthaus war sie schließlich einfach sitzen geblieben und hatte ein paar Bier gekippt, da sie nicht wusste, was sie sonst machen sollte. "Geh zu Farael", hatte ein Teil von ihr mehrfach gedrängt, doch Ana wollte nicht, dass er sie so sah, wollte nicht wie eine Bedürftige um Hilfe bitten. Dann aber war ihr der Brief eingefallen und sie hatte ihn aus der Tasche gefummelt. Sie hatte den Wirt heran gewunken, doch der hatte nur heiser gelacht. "Ich kann doch nicht lesen, dummes Ding! Aber Erna kann es. ERNA!" Laut hatte er den Namen seiner Frau in Richtung Küche gebrüllt, die darauf hin den geröteten Kopf hinaus gestreckt hatte. "Was plerrst du denn so? Ich bin doch nicht taub!" Der Wirt Bruno hatte mit einem Seitenblick zu Ana verlegen gegrinst. Sie kannte die beiden schon länger und kam häufig hierher. "Kannst du Ana das hier vorlesen, Schatz?", sagte er leiser, wobei er das "Schatz" besonders betont und Erna daraufhin mit den Augen gerollt hatte. Sie hatte sich die Hände an der Schürze sauber gewischt und nach dem Pergament gegriffen. "Oh! So, so!" Sie hatte Ana verwegen zugezwinkert, die überhaupt nicht verstanden hatte, was los war. "Ein neuer Liebhaber, Kind?" "Wasss?", hatte sie gelallt. "Wasss scheht da?" Erna hatte vorgelesen und Anas Augen sich geweitet. "Oh", hatte sie nur gesagt und hätte sich am liebsten selbst geohrfeigt, dass sie nicht eher an den Brief gedacht hatte. Anstelle sich wieder den Verstand wegzusaufen, hätte sie Farael irgendeine Freude bereiten und auf ihn warten können, denn offensichtlich war sie mehr als willkommen bei ihm. "Wer ist der Glückliche?", hatte Erna neugierig gefragt, doch Ana war schon von ihrem Barhocker gerutscht gewesen. "Annermal", hatte sie gemurmelt und war in die Kühle der Nacht gestolpert.


    Nun war sie hier, noch immer ziellos. Die Straßen waren belebt und Ana wurde angerempelt und beschimpft, doch sie ging immer weiter und es war mehr Glück als Verstand, das keiner sie einfach entführte. So konnte sie auf keinen Fall zu Farael gehen. Sie stank nach Schnaps und fremdem Schweiß aus überfüllten Kneipen und sein Hemd war versaut von Bier und anderen Gesöffen. Vielleicht sollte sie es einfach machen wie der Typ ein Stück weiter vorne, sich an Ort und Stelle niederlassen und warten, bis der Rausch nachließ oder sie soweit ummantelte, dass sie einschlief. Die Passanten machten einen großen Bogen um ihn und wenn sie Glück hatte, würde das bei ihr ähnlich sein und es würde sie schon einmal niemand vergewaltigen. Als sie näher kam, bemerkte sie trotz ihres verklärten Blickes, dass mit dem Mann etwas nicht stimmte. Der Mann war nicht alleine. Drei regungslose Körper lagen um ihn herum und er hatte den Kopf angestrengt nach hinten an die Wand gedrückt und fasste sich an die Schulter. Das schummrige Licht war gerade hell genug, dass Ana die Farbe der Flüssigkeit auf seinen Fingern deuten konnte. Rot. Ihre trüben Augen bewegten sich wieder zu seinem Gesicht. Verletzte und tote Männer gehörten in Obenzas Straßen fast schon zum Mobiliar, doch es war etwas anderes, dass ihr Herz plötzlich wild klopfen ließ - es war Erkennen. Abrupt blieb Ana stehen. Sie rieb sich die Augen, doch als sie wieder hinsah, hatte sich an dem Bild nichts geändert. Farael... Zögerlich ging sie weiter auf ihn zu, obwohl sie nicht den blassesten Schimmer hatte, was sie tun sollte.


    Farael:
    Mit geschlossenen Augen verharrte Farael an Ort und Stelle. Er musste unter allen Umständen ruhig bleiben und die Blutung stoppen. Der Schmerz der seinen Körper durchzog, war nur noch pochend und zu kontrollieren. Doch er musste dringend die Wunden richtig verbinden und sich ausruhen. Das ging schlecht, wenn er liegen bleib und die Stadtwache bald anrückte – oder Verstärkung der schwarzen Kompanie.


    Plötzlich hörte Farael taumelnde Schritte, die auf ihn zukamen. Er öffnete seine Augen und blickte in ein bekanntes aber völlig verwahrlostes Gesicht. Ohne Probleme erkannte er Ana, welche offensichtlich mehr als besoffen war. „Was machst du hier Ana?“, sagte er, dabei musste er kurz aufstöhnen. Sie war völlig betrunken und stank selbst auf diese wenigen Meter die sie von ihm weg war fürchterlich nach Alkohol. Das Hemd welches sie trug, kam ihm sehr bekannt vor, mit der Ausnahme, dass es völlig verklebt und schmutzig schien. Zumindest wusste er, wo es abgeblieben war.


    Farael griff nach seinem Flachmann und verstaute ihn wieder in seiner Tasche. Mit der Linken presste er weiter auf die tiefe Wunde, während er sich schließlich mit Hilfe seiner rechten Hand aufraffte. Sein Stand war etwas wacklig, dennoch konnte er sich oben halten. Er verstaute sein Schwert zurück in die Scheide und betrachtete die immer noch auf ihn zutaumelnde Ana. „Du bist völlig besoffen Ana. Was hast du getrieben?“ Im selben Moment wurde ihm die Ironie dieser Frage bewusst, so stand er doch selbst wie ein Schwein blutend vor Ana, das Ganze zwischen übel zugerichteten Leichen.


    Ana:
    Farael erkannte sie, bevor sie zu ihm aufgeschlossen hatte und mühevoll hievte er sich auf die Beine. "War was trinken", sagte Ana kleinlaut und nahm die Hände vor den Körper, um möglichst viel von dem dreckigen Hemd zu verdecken. Nun konnte sie das volle Ausmaß dessen erkennen, was sich hier abgespielt haben musste. Die drei Männer, die ihrer Rüstungen zufolge offensichtlich irgendeiner Organisation angehörten, lagen in den Lachen ihres eigenen Blutes und hatten alle mehr als eine Wunde an ihrem Körper. Hatte Farael ganz alleine gegen diese Typen gekämpft und vor allem: warum? Ana streckte eine Hand nach dem Alben aus, um ihn zu stützen, verlor dabei aber selbst das Gleichgewicht und musste sich an der Wand festhalten. "Schuldigung", sagte sie und ärgerte sich mehr denn je, dass sie so viel getrunken hatte. Zwar hatte der Schock ihren Geist schon ein wenig geklärt, doch noch immer saß der Alkohol schwer auf ihrer Zunge und in ihrem Blick. "Du bist verletzt", sagte sie unnötigerweise. "Wassis passiert? Ist es schlimm?" Erneut reckte sie eine Hand nach Farael. Unklar war allerdings wer hier wen stabilisieren musste.


    Farael:
    Da Farael es vorzog, lieber das Weite zu suchen bevor noch mehr Leute kamen, musste er handeln. Zumal wollte er Ana nicht in der Nähe der Leichen und des Geschehens wissen. Sie sollte nicht in diese Sachen hineingezogen werden. Das war allein die Last, die Farael zu tragen hatte. Das sie jedoch betrunken war, machte den Weg zu seinem sicheren Ort ungemein schwer. „Kein Grund dich zu entschuldigen. Wir sollten hier wegkommen“, erklärte er ihr ruhig und leise. Sie schien zumindest zurechnungsfähig zu sein und allein durch das Bild ein wenig geklärter, als noch vor dem Eintreten in die Gasse.


    „Pass auf, wir müssen hier weg. Wir können beide nicht sonderlich gerade laufen, also müssen wir uns gegenseitig stützen.“ Damit nahm er auch schon ihre Hand und führte Ana langsam an seine rechte Seite. Er hatte keine andere Wahl, als sich eng an sie zu schmiegen. Mit seiner Rechten umfasste er ihre Taille, damit er sie stütze, während er ein Stück seines Körpergewichtes auf ihren Oberkörper auslastete. „Mach' dir um mich keine Sorgen. Ich komme klar. Eine Nacht Ruhe sollte das wieder gerade biegen. Und was hier passiert ist – vergesse es schnell wieder. Es zu wissen bringt dich nur in Schwierigkeiten.“ Mit diesen Worten marschierte Farael mit Ana bereits in die andere Richtung der Gasse. Es würde ein langer Weg werden.


    Ana:
    "Was", setzte Ana an, da zog Farael sie auch schon an sich. Wie ferngesteuert setzte sie einen Fuß vor den anderen und versuchte irgendwie zu verdauen, was gerade passierte. Ein paar Leichen zu sehen machte Ana nichts aus, immerhin hatte sie selbst in ihrer Zeit auf See schon einige Leben genommen und noch viel mehr Leute sterben sehen. Dass Farael verletzt war, sorgte sie schon eher, doch was sie wirklich wurmte war die Art und Weise wie er sprach. Das war mehr als eine zufällige Begegnung gewesen, mehr als ein Auftrag oder ein Überfall... Selbst in ihrem Zustand konnte sie das deutlich fühlen. Farael hatte irgendeine Verbindung zu diesen schwarzen Kerlen. Am liebsten hätte sie sich aus seinem Griff gewunden und ihn zur Rede gestellt, doch sie spürte die Dringlichkeit und wagte es nicht. Stattdessen versuchte sie durch pure Willenskraft den Rausch aus ihrem Körper zu verdrängen, doch noch immer waren ihre Schritte unstet und ihr Kopf schwirrte. "Deine Wunde muss versorgt werden", presste sie schließlich hervor, während sie das Gehen mit Faraels Gewicht auf der Schulter langsam anzustrengen begann, obwohl er sie fest umfasste. "Und tut mir leid wegen dem Hemd."


    Farael:
    Mit einem knappen Nicken bestätigte Farael Anas Sorge und auch ihre Aussagen. Um das Hemd kümmerte sich in diesem Moment gar nicht, es war wichtig, dass sie beide heil zurückkommen würden. Möglichst bevor er verblutete, auch wenn er fühlte, wie die Blutungen zumindest zurückgegangen waren. Farael gönnte Ana und sich mehrere Pausen, die sie in einer dunkleren Gasse verbrachten, damit niemand zu sehr auf ihren Zustand achten konnte. Allgemein schauten die Leute die in der Nacht unterwegs waren, eher doof drein, als die Beiden wirklich zu behelligen. Das war ihr Glück, letztendlich hätten sie ungewollte Fragen oder gar eine Störung ihres Weges nicht gut gebrauchen können. Es dauerte durch ihre gemeinsame Arbeit auch nicht mehr lang, dass sie an der Grenze zu den Slums ankamen und entsprechend Faraels Heim nicht mehr weit war. Völlig erschöpft öffnete Farael schließlich die Tür zu ihrer Rettung. Ana sah nicht viel besser aus, so hatte sie sein Gewicht die gesamte Zeit tragen müssen, er aber auch ihres. „Danke dir“, sagte er möglichst warm, auch wenn sein Zusammenzucken durch die Schmerzen immer wieder die Worte verzerrte. „Kannst du mir helfen? Ich brauche dich. Ich schaffe es nicht allein, die Wunden zu verbinden.“


    Ana:
    Den Rest des Weges schwieg Ana, obwohl ihr Fragen über Fragen auf den Lippen brannten. Eine gefühlte Ewigkeit taumelten sie gemeinsam weiter und irgendwann blickte Ana nur noch auf das Pflaster hinab und verlor jegliche Orientierung. Es überraschte sie umso mehr, als sie sich schließlich vor Faraels Haus wieder fanden. "Ja... ja natürlich", stammelte sie. Faraels biss vor Schmerzen die Zähne zusammen, als sie ihn gemeinsam aus seiner Rüstung und seinen Kleidern befreiten. Ana zog hörbar Luft ein, als endlich die letzte Schicht entfernt war und den Blick auf die Verletzungen frei gab. Vor allem die Wunde an der Schulter sah böse aus. "Farael", flüsterte Ana und sah ihm sorgenvoll in die Augen, legte ihre Hand auf seine heiße Wange. Einen Moment blieb sie so, unfähig sich zu regen. Von wegen, nach einer Nacht wäre das wieder in Ordnung! Das war eine bösartige Wunde! Ein Stöhnen Faraels rief sie zurück in die Realität und eilig sprang sie auf die Beine. "Wo hast du Verbandszeug?", fragte sie nervös und war dabei schon auf dem Weg nach außen, um Wasser zu holen. Kaum hatte sie die Tür geöffnet, rebellierte ihr Körper endgültig gegen die Kombination aus übermaßigem Alkoholkonsum, körperlicher Anstrengung und blutigen Bildern und sie übergab sich in den Hinterhof.


    Farael:
    Mit größtmöglicher Geduld und Schmerztoleranz ertrug Farael das Ablegen seiner Rüstung und Kleidung. Auch ihm wurde bewusst, dass diese Wunde nicht mal eben verheilen würde. Es musste ein Heiler darüber schauen, ob er es wollte oder nicht. Doch vorerst galt es, die Blutung vollständig zu stoppen und Ruhe zu finden. In diesem angeschlagenen Zustand konnte er nicht zu einem Heiler. Mindestens die Nacht musste vergehen, so dass er sich erholen konnte. Jedoch spürte Farael in der Anwesenheit Anas etwas gänzlich Anderes. Als sie ihre Hand auf seine Wange legte und er ihr in die Augen blickte, war es für einen Moment um ihn geschehen. Farael verlor sich in ihren braunen Augen, in denen Sorge und Zuneigung zugleich lag. In diesem Moment vergaß er, wie es um ihn stand oder in welcher Situation sie sich befanden. In diesen Blick von ihr zu schauen, über die Augen in die Tiefe ihrer Seele zu blicken, es machte jede Negativität wieder wett. Doch dieser Moment endetet schneller, als es sich Farael herbeigesehnt hätte. Ana stürmte kurz darauf heraus, aufgescheucht wie eine Biene und fragte nach dem Verbandszeug. Jedoch war sie im selben schon zur Tür hinaus, welche einen frischen Windzug in die Räumlichkeiten beförderte. Noch während die Tür offen stand, hörte Farael von draußen ein Würgen und schließlich ein schweres Keuchen. Es schien so, als wäre das eigene Blut nicht das Einzige, was Farael in den nächsten Tagen beseitigen musste. Während Ana sich draußen übergab und scheinbar Wasser holte, sammelte Farael Faden und Nadel zusammen, genau so wie frische Verbände. Das dürfte für den ersten Moment reichen.


    Ana:
    In der Hoffnung, Farael habe nichts gehört, trat Ana zurück in den Wohnraum, einen Eimer Wasser in der Hand. Sie fand einen Lappen und tauchte ihn in das kühle Nass, doch Farael winkte ab. Er hatte die Wunde bereits mit Schnaps ausgebrannt. Ana sah ein, dass dies vermutlich die beste Möglichkeit war, doch sie bestand darauf, wenigsten den Bereich um die Verletzung herum sauber zu machen und das verkrustete Blut wegzuwaschen. Vorsichtig und so geschickt ihr Zustand es erlaubte, führte sie den Lappen über Faraels muskulöse Brust, über das Schlüsselbein und die Schulter hinab auf den Oberarm. Sie versuchte dabei nicht zu bemerken, wie ebenmäßig und wohlgeformt sein Körper war, denn Gefühle dieser Art waren nun wirklich fehl am Platz. Als sie geendet hatte, hielt der Alb ihr Nadel und Faden hin und Ana klappte der Mund auf. "I-ich soll die Wunde nähen? Ich bin froh, dass ich dein Gesicht nicht länger zwei Mal sehe!", protestierte sie, doch Farael fasste ihre zitternden Hände und hielt sie fest. Dann sah er sie eindringlich an und sprach ihr Mut zu. Ana schluckte und griff zu. Sie setzte die Nadel an, doch wagte es nicht, einzustechen. Irgendwann vor einer Ewigkeit hatte sie einmal gelernt, Wunden zu nähen und zu verbinden, doch das war lange bevor sie geheiratet hatte. Was, wenn sie nun etwas falsch machte? Angestrengt versuchte sie sich an das zu erinnern, was ihre Mutter ihr gesagt hatte und schließlich bohrte sie das spitze Metall in Faraels Haut. Falls es ihn schmerzte, und das musste es gewiss, so zeigte er es nicht und mit zunehmender Sicherheit setzte Ana einen Stich nach dem nächsten und schloss die böse Verletzung notdürftig. Dann nahm sie das Verbandszeug entgegen. Um die Binden um seine breite Brust zu wickeln, musste Ana sich nahe an ihn heran beugen und spürte, wie ein Kribbeln durch ihren Körper ging. Erneut schalt sie sich für ihre unangebrachten Gefühle und versorgte stattdessen auch noch die zweite Wunde, die zum Glück nicht gar so schlimm war. "So", sagte sie schließlich mit dem Mut des Restrausches, "und nun sagst du mir, wer diese Typen waren."


    Farael:
    Sehnsüchtiger als er es sollte, erwartete Farael die Rückkehr Anas. Er gab es nicht gern zu, doch er war in diesem Moment auf ihre Hilfe angewiesen, egal wie gut er sich hätte selbst behandeln können. Drum bestand er auch darauf, dass sie die Sache durchzog und trotz ihrer Unsicherheiten die Wunden ausgiebig versorgte. Auch wenn er ihre Versuche seine Wunde penibel zu behandeln anfangs ausschlug, so ließ er sie letzten Ende doch gewähren. Wen er schon auf sie angewiesen war, sollte sie die Möglichkeit der Behandlung bestimmen. Schließlich reichte er ihr Nadel und Faden. Ihr entsetzter Gesichtsausdruck sagte mehr, als tausend Worte. Ihre Bedenken amüsierten ihn sogar ein wenig. „Seien wir ehrlich, du würdest es genießen, mein Gesicht zwei Mal zu sehen“, stichelte er ein wenig, zwinkerte Ana schließlich aber zu. „Du schaffst das. Da steckte ein ganzes Schwert drin, da macht es die kleine Nadel auch nicht mehr. Versuche es, es kann nichts passieren.“ Tatsächlich war der Schmerz der Wunden durch die Versorgung Anas gemindert worden. Farael selbst hätte das Ganze wesentlich mehr Zeit gekostet und auch wenn er bedacht, wie oft er selbst mit der Nadel daneben gestochen hatte. Doch Ana schlug sich ausgezeichnet. Wenn auch sie manchmal die Nadel etwas zu grob einfuhr, riss Farael sich zusammen. Die kleinen Stiche die durch sein empfindliches Fleisch glitten waren schmerzhaft, aber erträglich. Letztlich leistete sie gute Arbeit bei Beiden Wunden, wobei sie ihm half, die Verbände um seinen Körper zu wickeln. Auf diese Art und Weise versorgt, hatte Farael nun deutlich mehr Bewegungsspielraum, aber auch Grund zur Entspannung. Ana hingegen roch mittlerweile nicht nur nach Alkohol, sondern auch nach Erbrochenem. „Komm her, setz dich. Lass mich erzählen“, begann Farael und lud Ana neben sich auf das Bett ein. „Eigentlich will ich dich nicht involvieren, aber du hast heute so viel für mich getan, dass du meinen Respekt und mein vertrauen verdienst. Ohne Bedingung und Aber.“ Damit erhob sich Farael vom Bett, noch etwas unsicher aber fest. Er holte ein frisches Hemd aus seiner Kommode, so wie die Decke von der Couch, die Ana dort hatte liegen lassen. Beides legte er ihr zur Seite. „Du kannst dich doch noch erinnern, wie ich dir erzählte, dass ich selbst einmal ein Kommandant war, oder? Oder zumindest von meinen Fehlern, die ich damals machte. Zumindest, dass ich welche gemacht hatte.“


    Ana:
    Spätestens als Farael ein frisches Hemd aus der Kommode holte, wurde Ana ihr eigener Zustand schlagartig und schmerzhaft bewusst. Das Hemd, das noch nicht einmal ihr eigenes war, war schmutzig und verklebt, ihre Haare waren durcheinander und ihr Atem mochte mittlerweile den Geruch von Obenzas Rinnstein angenommen haben. Hinzu kam, dass sie nun nüchtern genug war, um sich zu schämen. Umso dankbarer war sie, als Farael ihr das Hemd hinlegte, anstatt es sich selbst überzuziehen. Schüchtern griff sie die Decke und legte sie um ihre Schultern, sodass sie das Hemd wechseln konnte, ohne komplett nackt vor Farael zu sitzen. Sie vermutete zwar, dass er ohnehin höflich weggesehen hätte, doch sie fürchtete, es würde wie eine schlechte Anmache rüber kommen. In dem frischen Hemd fühlte sie sich schon viel besser, auch wenn sie sich nun zu gern noch die Zähne geputzt hätte. Außerdem nahm sie sich fest vor, das alte Hemd für Farael zu waschen. "Ja", bestätigte Ana, "das weiß ich noch." Was für ein Glück, dass sie bei diesem Gespräch nüchtern gewesen war. "Gehörten diese Männer zu deinen Leuten?"


    Farael:
    Sanft schüttelte Farael mit seinem Kopf, als Ana diese Frage stellte. Nebenbei setzte er einen tee auf, wie er ihn schon am Abend zuvor für Ana zubereitet hatte. „Im Gegenteil. Diese Männer waren dafür verantwortlich, dass meine Leute abgeschlachtet worden waren.“ Gedankenverloren starrte Farael in das Feuer, er dachte gar nicht daran Ana zu beobachten während sie sich umzog. Stattdessen machten sich die Bilder des vergangenen Kampfes vor seinem inneren Auge breit. Und auch alte Erinnerungen. „Sie gehörten einer Söldnergruppe an, die sich 'Schwarze Kompanie' nennt und damals mein Lager mit einer Übermacht niedergewalzt hatte.“ Er merkte, wie seine Stimme brüchig wurde, jedoch erzählte er weiter: „Ich wollte vorhin durch die Stadt gehen. Zum alten Alfons wenn du es kennst. Da fielen mir die beiden Typen auf. Ich erkannte sie. Sie erkannten mich. Ich hätte gehen sollen, sie nicht beachten.“ Farael richtete seinen Blick auf Ana, die noch immer auf dem Bett sah. „Als ich diese Söldner gesehen habe, da...“ Für einen Moment schloss Farael die Augen. Sein Herz klopfte wild. Niemandem hatte er das erzählt. „Da habe ich meine Männer gesehen. Oder besser ihre Leichen, ersoffen in ihrem eigenen Blut. Abgeschlachtet wie Vieh. Ich wurde sauer. Hass kam in mir auf.“ Der Tee über dem Feuer begann zu pfeifen. Farael nahm ihn vom Feuer und bereitet ihn mit Honig zu, ehe er ihn in zwei Becher goss und schließlich einen an Ana reichte. „Ich griff an“, sagte er nach einem Moment der Ruhe. „Hass und der Sinn nach Rache hatten mich übermannt. Doch wofür? Es war dumm.“ Nun ließ sich Farael neben Ana auf dem Bett nieder, er sackte in sich zusammen, wurde aber von seinen Schmerzen aufrecht gehalten. Vorsichtig nippte er an seinem heißen Tee.


    Ana:
    Stumm folgte Ana Faraels Worten. Diese Geschichte ging ihm wirklich nahe und er versuchte es auch nicht zu verbergen. Ana nickte kurz, um zu zeigen, dass die den Alfons kannte, dann hielt sie wieder den Atem an. Die Anspannung Faraels war greifbar und Ana wurde bewusst, was für ein großer Vertrauensbeweis es war, dass er dies mit ihr teilte. Dankbar nahm sie den Tee entgegen und hoffte, er würde den bitteren Geschmack aus ihrem Mund verbannen. Sie meinte zu verstehen was Farael beschäftigte. Natürlich trauerte er noch dem dem Tod seiner Leute nach und dem Verlust seines Lagers, doch vor allem machte ihm zu schaffen, dass er aus Rache gehandelt hatte und nun dachte, er sei nicht besser als sie. Ana schluckte und überlegte, was sie am besten sagen konnte, das nach Faraels Ansprache nicht lächerlich klang. Sie legte eine Hand auf seinen Rücken. "Es tut mir sehr leid um deine Männer Farael", begann sie. "Du musst dir keine Vorwürfe machen. Es ist doch nur menschlich", sie zögerte, "oder... albisch, was du empfunden hast, als du diese Männer sahst. Wenn sie eines verdient hatten, dann den Tod. Und wenn einer das Recht hatte, sie zu richten, dann du. Das macht dich trotzdem nicht zu einem der ihren; nicht, solange du ein warmes Herz hast und dir treu bleibst." Ana verstummte und hoffte, die richtigen Worte gefunden zu haben.


    Farael:
    Die Hand auf Faraels Rücken und die Nähe zu Ana machten es ihm möglich, besser zu entspannen und die kümmerlichen Gedanken zu verdauen. Ihre Worte waren dazu noch aufrichtig und ein ebenso ehrlicher Versuch in aufzumuntern. Natürlich nahmen sie ihm nicht den Schmerz den er verspürte oder die Reue, in diesen Kampf gegangen zu sein. Doch sie gaben ihm eine humanistische Denkweise, welche es einfacher machte. „Rache ist etwas, wonach man nie streben sollte. Verbrecher müssen bezahlen, doch nach Vergeltung zu suchen, macht einem selbst zum Verbrecher. Wenn man sich diesem Verlangen hingibt, nährt es das Bedürfnis, statt es wirklich zu stillen. Ich spüre, wie ich es bereue in diesen Kampf gegangen zu sein und doch sehe ich meine Tat, wie du sagtest, als gerechtfertigt.“ Er nahm einen entspannten Schluck seines Tees. „Rache ist wie Alkohol. Übertreibt es mit diesem Gefühl, bereut man es schnell. Doch sobald man wieder nüchtern ist, will man mehr. Das gute Gefühl welches es einem anfangs gibt, ist nichts weiter als eines Illusion, die den eigentlichen Schaden überdeckt.“ Farael erhob seinen Blick und blickte Ana an. Für ihn stand fest, dass er diese Informationen niemals an Ana hätte geben sollen. Die Männer der Schwarzen Kompanie würden alles dafür geben, Farael endgültig tot zu sehen. Und im Umkehrschluss damit auch jeden in seiner Nähe in den Tod reißen. „Danke, dass du mir geholfen hast Ana. Ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung, ob ich es ohne dich zurückgeschafft hätte. Deine Fürsorge hat darüber entschieden, dass ich nun weiterleben darf. Doch ich muss ich dich aus Sorge zu seiner Person fragen: Warum warst du so betrunken und vor allem allein unterwegs?“


    Ana:
    "Es ist gut, dass du diese geteilten Gefühle hast", sagte Ana, dann erbleichte sie. Was Farael über Alkohol sagte... es stimmte. In genau diesem Pendel steckte sie schon seit Monaten fest, mal mehr mal weniger schlimm. Wollte er ihr damit gar einen Seitenhieb verpassen? Nein, seine nächsten Worte sprachen eine andere Sprache. Trotzdem nagte es an ihr. "Gerne doch. Das ist doch selbstverständlich, wo du mir so großzügig dein Heim angeboten hast." Bevor sie die weitere Frage beantwortete, hielt sie kurz inne. Was sollte sie sagen? Sollte sie antworten, dass sie eigentlich gar keinen Grund brauchte, sich zu betrinken? Sollte sie sagen, dass es einfach passierte? Und war es denn so? Gab es keinen Grund in ihr, der sie dazu verleitet hatte? "Ich habe keinen Ort zum spielen gefunden", begann sie, doch verstummte wieder. Das war eine lausige Begründung. "Es geschieht immer wieder", sagte sie dann. "dass ich zu viel trinke. Das ist ganz normal und nichts, dass dich zu sorgen braucht, wirklich. Ich komme damit zurecht. Und auch alleine bin ich häufig. Manchmal ist es besser für sich zu sein. Dann ist man selbst wenigstens der einzige, an dem man Schaden anrichtet." Die letzten bitteren Worte waren ihr einfach so heraus gerutscht und sie bereute es sofort.


    Farael:
    Ein spürbares Zögern ließ Ana vor ihrer Antwort halt machen. Hatte Farael einen wunden Punkt getroffen, den er lieber nicht getroffen hätte? Offensichtlich war er bei einer größeren Sachen, wenn es bei ihr um Alkohol geht. Jedoch wollte er sie nicht weiter verschrecken und bohren, was es damit auf sich hatte. Schließlich klangen ihre Antworten vage und kaum wirklich nach etwas Greifbarem. Stattdessen druckste sie herum, doch ihre letzten Worte weckten die Aufmerksamkeit Faraels – und nur noch mehr seine Sorge. Seine Stirn legte sich in Falten, als er Ana betrachtete. Ihm missfielen diese Worte extrem. Er konnte nicht einmal wirklich erklären warum, so war er meist von starken Trinkern und Leuten umgeben, die jeden Tag ihr Lebens auf's Spiel setzten. Doch bei Ana wollte er das nicht hören. Sanft aber bestimmt legte er seine Hand auf ihre Wange und drehte ihren Blick in den seinen. „Versprich mir Ana, dass du das nicht tust. Weder dich auf diese Art zu besaufen wenn niemand da ist, der auf dich Acht gibt, noch dir in irgend einer Weise selbst zu schaden. Das wäre das Letzte, was ich von dir sehen wollte. Bevor du aber denkst, dass ich enttäuscht sei, muss ich das gleich klar stellen. In dir steckt so viel Potential und … „ Farael hielt inne und plötzlich spürte er, wie Hitze in seinen Kopf stieg. „Ich … ähm ...“ Für einen Moment mied er den Blick, ehe er den Mut fasste wieder in Anas Augen zu schauen. „Ich mag dich zu sehr, als dass ich es zulassen könnte, dass dir etwas geschieht.“


    Ana:
    Dass Farael errötete, schmeichelte Ana und verunsicherte sie zugleich. Auch deshalb griff sie zunächst ein anderes Thema auf. "Ich fürchte, das kann ich nicht versprechen," sagte sie und nahm den Worten mit einem Lächeln die Härte, "es gibt da einen Moment, in dem ich entweder aufhöre zur trinken oder richtig in Fahrt komme. Wenn ich diese Grenze überschreite, schaltet sich meine Vernunft aus und überlässt den Rest sich selbst. Da gibt es nur eine Lösung: ich brauche zukünftig einen Aufpasser beim Trinken!" Sie grinste, sah dann aber wie ernst und eindringlich Farael ihr in die Augen blickte und schluckte. "Weißt du", setzte sie an, weil sie spürte, dass sie auf die lieben Worte des Alben reagieren musste, "es gibt nicht viele, die sich darum scheren und diejenigen, die es taten, sind nicht gut damit gefahren." Woher diese bitteren Worte kamen, konnte sie nicht sagen, vielleicht waren es die letzten Überbleibsel des Rausches, das übliche Paket von Selbstzweifeln und Melancholie, das folgte. "Wir kennen uns erst so kurz und... auch ich mag dich sehr gern, Farael. Und deshalb möchte ich nicht, dass du dich zu sehr um mich sorgst, bevor ich dich am Ende auch enttäusche."


    Farael:
    Augenblicklich schwand sowohl die Hitze aus seinem Kopf, als auch das Gefühl der Sorge. Fragend blickte Farael Ana an, dabei senkte er seine Hand und legte sie auf seinem Bein ab. „Ich kann dich verstehen, weißt du?“, antwortete er mit einem schiefen Grinsen. Er richtete seinen Blick auf das Feuer. „Kurz nachdem mein Lager ausradiert wurde, kehrte ich nach Obenza zurück. Die ersten Tage danach waren furchtbar. Alkohol hat mir geholfen. Über ein paar Tage hinweg gab es selten einen Moment, in dem ich nüchtern war. Der Fusel hat geholfen, die Scheiße in meinen Kopf zu betäuben. Doch zeitgleich entzog mir jeder Schluck meinen Verstand, machte mich dem Schmerz gefügig. Als ob er dich zwingt zu trinken, damit du dich selbst zerstörst. Als Strafe für das, was du getan, nicht getan oder verpasst hast. Das war eine beschissene Zeit.“ Farael blickte zu Ana hinauf. „Ich weiß bis heute nicht, wie viele Kinder ich durch diese Zeit in die Welt gesetzt haben könnte. Ich hoffe nicht, dass irgendwann eine Heerschar an Müttern vor meiner Tür steht und Geld verlangt. Zum Glück waren die meistens genau so besoffen wie ich.“ Ein für die Situation völlig unpassendes Lachen entglitt Faraels Kehle. Eine Zeit für die er sich schämte. „Alkohol kann Gift und Heilmittel zugleich sein. Doch wenn es überwiegt, sollte man sich selbst unter Kontrolle bringen – oder sich jemanden anvertrauen der einem dabei hilft. Mir half keiner. Ich habe gerade so die Kurve gekriegt. Dir diese Art der Hilfe zu verwehren, würde mir nie in den Sinn kommen.“ Farael atmete schwer, seine Schulter brannte. Genau wie die Schnittwunde an seinem Bauch. Er musste am nächsten Tag dringend zu einem Heiler. „Jedenfalls“, fing er sich wieder. „Du wirst mich nicht enttäuschen. Wenn ich mich täusche, dann würde ich mich selbst enttäuschen. Das, was hinter deinen Augen verborgen ist, deine Seele, sie kann mich nicht enttäuschen. Ich sah es in deinen Augen.“


    Ana:
    Erneut spürte Ana diesen merkwürdigen Stich, als Farael von seinem Zusammensein mit einer ganzen Reihe von Frauen berichtete. Unbewusst verschränkte sie die Arme vor dem Körper und hörte ihm still zu. "Ich war keine davon", dachte sie bei sich, "an dich könnte ich mich erinnern." Seine Worte waren so wahr wie unangenehm. Ana ertappte sich dabei, dass sie nicht hören wollte, was er sagte. Sie war nicht bereit, damit aufzuhören, das sagte sie sich immer wieder. Die Zeit war nicht gekommen. Vielleicht morgen, vielleicht nächste Woche. Waren das nicht immer ihre eigenen Worte? Momentan gab es nur diese eine Konstante in ihrem Leben. Sie konnte die unbarmherzige Wahrheit nicht ertragen, so gut es Farael auch meinte. Anas Blick lag ohne Fokus auf seiner Brust, während sie mit sich kämpfte. Erst, als der Alb stoppte und sie sein Atmen vernahm, klärte sich ihr Blick und sie löste die Arme aus der Verschränkung. Beinahe hätte sie vergessen, dass Farael schwer verwundet war, doch das Reden strengte ihn offensichtlich an und seine Körperhaltung war ein wenig krumm. Sie hätte ihm Ruhe gewähren sollen und war schon drauf und dran, dies vorzuschlagen. Doch die Neugierde siegte. Ana legte den Kopf leicht schief und sah Farael skeptisch an. "Was hast du dort gesehen?", flüsterte sie.



    Farael:
    „Was ich darin sah?“, stellte Farael als rhetorische Gegenfrage. Die Frage hatte ihn überrascht. Wenn er ehrlich war, hatte er gehofft sie würde diese Art von Frage nicht stellen. Abermals erwiderte Farael den Blick Anas und vergewisserte sich seiner Antwort. Nichts wäre peinlicher oder noch schlimmer, als etwas völlig Falsches zu sagen. Einige Sekunden vergingen, in denen er sich in den Augen der Norkara verlor. Ihr Blick war trotz der Skepsis tief und ihre Persönlichkeit brannte in ihren Pupillen. „Um ehrlich zu sein, kann ich kaum in Worte fassen, was ich darin sah oder in diesem Moment sehe“, antwortete er wahrheitsgemäß. „Aber ich will es versuchen.“ Eine kurze Pause herrschte. Das Knistern des Raumes war zu hören, genau so wie das Atmen Anas. Aber auch sein eigener Atem. „Doch hinter dieser Fassade steckt mehr als nur eine Säuferin und Piratin. Jedes Mal wenn ich dir in die Augen blicke, erkenne ich die Tiefen deiner Person. Schemenhaft. Du schleppst auch dein Paket mit dir herum. Du verbirgst es. Sehr gut sogar.“ Vorsichtig erhob Farael seine linke Hand und strich mit ihr Ana ein paar wüste Haarsträhnen hinter das Ohr. „Du willst niemanden enttäuschen – erst recht nicht mich. Das bist nicht du. Zumindest bist du das nicht mehr. Das Feuer welches in deinen Augen brennt, spricht eine andere Sprache. Und erzählt die Geschichte eines Konfliktes.“


    Ana:
    Gespannt wartete Ana auf Faraels Antwort. Ihre Brust hob und senkte sich deutlich, denn Herzschlag und Atem waren unwillkürlich stärker geworden. Teils aus Erstaunen, teils aus Aufregung öffneten sich ihre Lippen ein Stück, als er sie berührte. In diesem Augenblick fühlte sie sich Farael sehr nahe und konzentrierte sich ganz auf dieses Gefühl, in dem Versuch, es ohne Zweifel und Furcht zu genießen. "Du beobachtest viel, nicht?", sagte sie leise. "Und du bist aufrichtig und überlegt. Tut mir leid für die unangenehme Frage. Du hast mit Bravour bestanden." Ein herzliches Lächeln spannte sich über ihr Gesicht. "Es gibt Dinge, die ich getan habe und die mich verfolgen. Und am meisten beunruhigt mich, dass ich nichts davon bereue. Wenn ich die Wahl hätte, würde ich wieder genauso handeln, über dieselben Leichen gehen, nur um einer undefinierbaren Sehnsucht hinterher zu eilen, die ich nicht stillen kann. Deshalb habe ich dieses Paket fest verschnürt. Spuren davon finden sich nur in meinen Liedern." Geistesabwesend glitt ihr Blick zum Lautenkasten. "Und du hast Recht, ich möchte niemanden mehr enttäuschen. Das ist der Grund weswegen ich die Nähe zu anderen meide." Ana stoppte ihren Redeschwall, unsicher, ob sie bereits zu viel gesagt hatte. "Es ist auch gar nicht schlecht, solche Persönlichkeiten in sich zu tragen", wechselte sie ein wenig die Richtung. "Ohne die Piratin wäre ich schon längst nicht mehr am Leben. Die kann man gut gebrauchen." Sie zwinkerte und ihre Augen blitzten. "Und die Säuferin... nun ja. Sie sorgt dafür, dass das verdiente Geld auch wieder ausgegeben wird." Wieder verstummte Ana. Dann legte sie ein wenig schüchtern ihre Hand auf Faraels. "Soll ich dir sagen, was ich in deinen Augen sehe?"


    Farael:
    Ohne zur zögern erwiderte Farael das Lächeln Anas. „Es gibt nichts zu entschuldigen Ana. Du hast recht. In meinen Beruf muss ich aber auch beobachten können. Ansonsten würde ich nicht hier sitzen können. Mit dir. Und mir deine wohl gewählten Worte anhören.“ Innerlich war Farael zufrieden mit sich selbst und der Situation. Die Angst falsch zu liegen, verblasste augenblicklich. Ihm war es wichtig, das Ana ihn nicht für einen großen Idioten hielt. Augenblicklich schoss ihm bei den Gedanken Röte ins Gesicht, die als nächstes von Anas Frage nur noch weiter verstärkt wurde. Er spürte ihre Hand, wie sie sich vorsichtig an die Seine tastete. Doch er konnte es dabei nicht belassen. Ehe er auf die Frage Anas antwortete, umfasste er ihre Hand behutsam und verschränkte die Finger mit ihren. Die Nervosität der Situation schlug durch seinen Körper, als sein Herz schneller schlug und sein Atem unruhiger wurde. Diese einzigartige Nähe die er mit Ana teilte – die sie offensichtlich ablehnte – gab ihm ein beruhigendes Gefühl. Ein Gefühl der Geborgenheit, welches er seit Langem nicht mehr kannte. Wärme, die seinen Körper durchflutete und jedes seiner Glieder zur Entspannung trieb. „Ich würde sehr gern hören, was du in meinen Augen siehst“, antwortete Farael sanft und blickte Ana aufrichtig in die Augen.


    Ana:
    Ana atmete noch einmal tief durch. Noch immer steckte ihr der Rausch in den Gliedern, auch wenn sie mittlerweile klar denken und sprechen konnte. Ihre Zunge war weiterhin gelockert und sie war wagemutig. "Ich erkenne in deinen Augen, dass du mir die Wahrheit sagst und dass du es ernst meinst und keine Masche abspielst. Du bist ein Lebemann und trägst das Herz auf der Zunge. Jetzt gerade genießt du meine Anwesenheit und könntest dabei beinahe vergessen, dass du zuvor in die Vergangenheit zurück geworfen wurdest, die dir ebenso zusetzt wie mir die meine." Etwas verlegen grinste Ana. Sie hatte Leuten schon öfter gesagt, was sie meinte, dass sie dachten, doch bei Farael war sie das erste Mal nervös gewesen. Dabei hatte sie es ja selbst vorgeschlagen. Ana hatte immer geglaubt, die meisten seien leicht zu durchschauen. Noch nie hatte sie falsch gelegen. Doch nun, in diesem Moment, den sie mit Farael teilte, seine Hand hielt und ihn aufmerksam musterte, wurde ihr schlagartig klar, dass alle anderen Gespräche dieser Art stets im Bett geendet hatten und ihr der jeweilige Gegenspieler vermutlich alles abgenickt hätte, um dies zu erreichen. Bei Farael war das anders. Es blieb Ana nichts, als zu hoffen, dass sie einigermaßen richtig lag.


    Farael:
    Das Rot war an diesem Abend Farael wohl förmlich ins Gesicht gemeißelt. Nicht anders hätte er sich erklären können, dass die Hitze um seinen Kopf stieg und er das Blut förmlich durch seinen Kopf zu rauschen schien. Sein kräftiger Herzschlag und sein nervöses Herumrutschen auf dem Bett machten es schließlich nicht besser. Ein Grinsen breitete sich auf Faraels Lippen aus. Für einen Moment schloss er die Augen, ehe er sanft nickte und Ana wieder anschaute. „Dabei dachte ich, ich wäre schwer zu durchschauen. Ein Mann der Mysterien, der sich in Geheimnisse einhüllen könnte. Doch offensichtlich habe ich mich geirrt. Du liegst richtig. Außer in einem Punkt.“ Herausfordernd blickte Farael Ana an und suchte nach der Panik oder der Scham, die durch diese vage Antwort entstehen könnte. Doch er wollte die Norkara nicht warten lassen. „Ich habe vergessen, dass ich in die Vergangenheit zurückgeworfen wurde. Dies habe ich dir zu verdanken.“ Seine letzten Worte waren kaum geflüstert. Nur ein Hauch, der zwischen ihnen verweilte. Darauf formte Farael das Grinsen zum einem warmen, gar zartem Lächeln. Herausfordernd suchten seine Augen den Blick Anas.


    Ana:
    Beinahe hatte sie damit gerechnet, dass ihre Beobachtungen einen Fehler bargen. Trotzdem hielt Ana die Luft an. Was konnte es sein? Dass er ihre Anwesenheit genoß, war sie sich sicher. Zu ehrlich waren sein Ausdruck und seine Worte. Als er schließlich auflöste, konnte Ana nicht anders, als zu schüchtern zu lächeln. Es war die Sorte, die man versuchte zu verhindern, doch unweigerlich baute sich Spannung in den Lippen auf und zog sie auseinander, sodass man fürchtete, eine Grimasse zu ziehen, wenn man nicht nachgab. "Die wohl durchdachten Worte eines Frauenheldes", sagte sie grinsend. "Dabei habe ich mir heute solche Mühe gegeben, unattraktiv zu wirken." Noch immer hielt sie seine Hand. Die Berührung war mittlerweile kaum spürbar. Erst als sie die Finger ein wenig bewegte, nahm sie seine Wärme wieder wahr. "Wie geht es dir?", fragte sie schließlich.


    Farael:
    Natürlich spürte Farael die Bewegung in seiner Hand, die er instinktiv erwiderte. Dabei begann er sanft mit dem Daumen über die Hand Anas zu streicheln. Eine Bewegung die ihn beruhigte und ihm mehr von der Wärme, die er sich wünschte. Für einen Moment kam es ihn den Sinn, dieser unbändige Drang als Antwort auf Anas Frage ihre Lippen zu schmecken und ihr zu zeigen, wie es ihm ging. Dennoch unterdrückte er dies, zu falsch und zu früh war der Moment, oder? Doch verdrängte er die Frage schnell, Ana wartete auf eine Antwort. „Erst einmal vorweg: Würde ich der typische Frauenheld sein, lägest du bereits flach in meinem Bett und wir hätte einen ganz anderen Spaß. Ein bisschen Alkohol macht dich noch lang nicht unattraktiv.“ Provokativ streckte Farael die Zunge entgegen und zwinkerte ihr schließlich zu. „Jedenfalls geht es mir gut. Die beiden Kratzer sind nichts, worum man sich sorgen müsste.“ Natürlich waren die Wunden ernst zu nehmen und Farael wusste dies auch. Doch Ana sollte sich nicht mehr sorgen, als es nötig war. „Ich habe schon schlimmere Sachen erlitten. Dieses Mal hatte ich jedoch einen Schutzengel in Form einer betrunkenen Norkara, die über die Leichen von drei Söldner stolperte und mich schließlich fand. Apropos betrunken. Du wirkst nüchterner. Wie schaut es denn bei dir aus? Für morgen muss ich dir wohl zum Frühstück einen Tee und Kräuter gegen Kopfschmerzen besorgen.“


    Ana:
    Ana lachte hell auf. "Ich fürchte, da kann ich gar nichts entgegen setzen. Betrunken bin ich besonders leicht zu haben." Scheinbar hatte die lockerere Stimmung ihre draufgängerische Seite endgültig geweckt. Urplötzlich verspürte sie Lust, Farael ein wenig zu necken, auch wenn sie ihm keineswegs abnahm, dass die Verletzungen vernachlässigbar waren. "Du wirst es aber anschauen lassen, oder?", wand sie ein und musste dann erneut lachen. "Also das erklärt natürlich den Zustand der Welt! Wenn so alle Schutzengel aussehen..." Sie drückte Faraels Hand, um ihm zu zeigen, wie froh sie war, dass er wohl zumindest nicht in Lebensgefahr schwebte. "Oh, achso. Ich dachte schon, du möchtest mir etwas Neues zu trinken anbieten, um das zu verhindern. Allerdings muss ich sagen, die Einladung über Nacht zu bleiben, ist auch sehr verlockend." Ana erhob sich und löste den Handgriff, ohne zu wissen, was sie eigentlich vorhatte. "Ich... ich hole etwas Wasser. Brauchst du etwas?", fragte sie unbeholfen im Ton einer Ausrede.


    Farael:
    „So so, leicht zu haben“, merkte Farael an und erwiderte das Necken mit einem Grinsen, kommentierte aber nicht weiter. Zu schmutzig und direkt wäre es geworden, wenn er die Worte ausgesprochen hätte, die sich in seinem Kopf geformt hatten. Besonders bei der Aussicht darauf, wieder die Nacht mit Ana verbringen zu können. „Mach' dir keine Sorgen, ich lasse es anschauen“, beruhigte er sie schließlich. Offensichtlich war er nicht überzeugend genug gewesen, als das er hätte Ana davon bewegen können, dass alles in Ordnung sei. Schließlich schwang die Stimmung noch weiter zur Gelassenheit um und scheinbar hatte Ana den ein oder anderen Kommentar auf den Lippen. „Du, wenn es nach mir ginge, würde ich jede Nacht das Bett mit einer wunderschönen Frau wie dir teilen. Auch wenn das gerade schmierig klang und ich das nicht sagte, um dich herumzukriegen oder zu überreden.“ Schließlich erhob sich Ana vom Bett, ließ dabei Faraels Hand los, deren Wärme er sofort zu vermissen begann. Etwas verwirrt obgleich des seltsamen Tones ihrer Frage, schüttelte Farael sanft mit Kopf. „Nein danke, ich bin erst einmal versorgt. Du wirst mir doch nicht weglaufen, oder?“


    Ana:
    "Jetzt wo du es sagt", überlegte Ana und tat so, als würde sie losstürmen. "Solange das Raubtier angeschlagen ist, habe ich vielleicht eine Chance." Sie zwinkerte und ging wirklich Wasser holen, um nicht unnötigerweise aufgestanden zu sein. Tatsächlich tat die kalte Flüssigkeit ihr auch recht gut, belebte und reinigte sie. Zurück im Raum, setzte sich Ana dieses Mal direkt neben Farael. "Ist es denn nicht so, dass die schönen Frauen sich die Türklinke sozusagen in die Hand geben? Ich meinte so etwas herauszuhören."


    Farael:
    Zu gut verstand Farael die Andeutung Anas. Kurz dachte er darüber nach, aufzuspringen und ihr nachzusetzen, doch seine Verletzungen hätten dies nicht zugelassen. Stattdessen zwinkerte er zurück und wartete ab. Draußen hörte er die Wasserpumpe, wie sich Ana dort frisches Wasser abschöpfte und es hoffentlich genoss. Während dieser Zeit fühlte sich sein Wohnraum so leer an. Etwas, was ihm vorher nie aufgefallen war. Doch mit der Vorstellung, dass Ana öfter ein und aus gehen könnte, verstärkte sich dieses Gefühl wenn sie nicht zugegen war. Ein seltsames Gefühl. Zum Glück wurde es schnell vertrieben, als die Norkara zurückkehrte und es sich neben ihm gemütlich machte. „Höre ich da etwa Eifersucht aus deiner Stimme?“, feixte Farael, als Ana die Frage stellte. „Du magst recht haben, dass hier schon die ein oder andere schöne Frau hinein und wieder hinaus gegangen ist. Jedoch waren sie alle in keinster Weise einzigartig. Keinen von ihnen konnte ich in die Augen blicken und die einmaligen Dinge sehen, die ich in deinem Blick vernommen habe. Du bist nicht irgendeine schöne Frau Ana. Schreibe dir das direkt hinter die Ohren. Du säßest nicht hier, hätte ich das am letzten Abend nicht bemerkt.“


    Ana:
    "Möglicherweise", entgegnete Ana verschmitzt. "Piraten teilen nicht gern, wenn sie einen Schatz gefunden haben." Faraels Worte gingen runter wie Öl. Er mochte sie wirklich und sie wusste das. Und obwohl das und die Tatsache, dass sie ihn ebenfalls mochte, das war, was sie fürchtete, fühlte sie sich zusehends wohler mit der Vorstellung. Farael hatte es geschafft, sie zu beruhigen. Konnte er vielleicht eine neue Konstante in ihrem Leben werden? Ein Rückzugsort und eine schützende Hand, deren Anwesenheit man immer sicher sein konnte, wenn auch manchmal nur im Geiste? "Das heißt doch nicht, dass du dich gleich binden musst", dachte sie. "Geh es doch einfach locker an, dann brauchst du auch keine Angst haben." Ana wusste zu gut, was passierte, wenn man das Raubtier in ihr einsperrte und in Ketten legte. Es währte nicht lange und wenn es frei kam, dann war es nicht zu bändigen. Wenn man seine Stalltüre aber offen ließ und ihm einen Gefährten an die Seite gab, würde es sich möglicherweise zufrieden und friedlich zusammen rollen. Ana ließ den Kopf sachte auf Faraels unverletzte Schulter sinken. "Es ist schon seltsam, dass wir uns begegnet sind, oder? Wie wahrscheinlich ist das schon in so einer großen Stadt? Und dass es erst gestern war, kann ich kaum glauben..."


    Farael:
    Die schmeichelnden Worte Anas waren genug, um Farael ein Lächeln auf die Lippen zu zaubern und das Gefühl der Verbundenheit mit ihr zu stärken. Auch wenn er dies bewusst gar nicht wollte. Eine Bindung die aufgrund Anas Angst beiden schaden konnte. Und er selbst … er selbst war sich nicht ganz sicher, wie er mit diesem Gefühl umgehen sollte. Es wärmte Farael von innen und gab ihm Sicherheit. Doch zu welchem Preis? „Vielleicht hat es Ardemia so gewollt. Wer weiß, was es bringen wird? Offensichtlich nur Gutes.“ Ana durfte auf keinen Fall in diese Sache mit der schwarzen Kompanie hineingezogen werden. Oder generell in sein Handwerk. Farael hätte es sich niemals verzeihen können, wenn ihr aufgrund dessen etwas zustieß. Er lehnte seinen Kopf an Anas Schopf an. Dabei roch er noch immer den Alkohol, doch auch ihren ganz eigenen Duft. Ihr durfte auf keinen Fall etwas zustoßen. Plötzlich begann sein Herz schneller zu schlagen. Vor einigen Augenblicken hatte er über einen Kuss nachgedacht und jene Gedanken kehrten zurück. Scheiß auf Vernunft und Verstand. Farael hatte die Möglichkeit das Gefühl zu genießen. „Ich werde jetzt etwas machen. Du kannst dir aussuchen, ob du mich dafür schlagen möchtest oder nicht“, flüsterte er. Darauf hob er seinen Kopf an und nahm mit seiner Rechten behutsam Anas Kinn, ehe er seine Lippen zu die Ihren führte. Behutsam berührte er sie und schloss die Augen. So musste sich ein perfekter Moment anfühlen. Es steckten weder Lust noch Leidenschaft in dem Kuss. Mit der Ruhe des Moments zeigte er ihr seine Zuneigung auf besondere Art und Weise.


    Ana:
    Als Ana den Kopf abgelegt hatte, merkte sie erst, dass er noch immer dröhnte und kreiste. Es tat gut, das Gewicht einen Moment lang nicht selbst halten zu müssen. Von den Göttern hielt Ana nichts, Nyel war der einzige, dem sie huldigte und den sie respektierte. Irgendwie fand sie es aber schön, dass Farael der Mutter so verbunden war und ihre
    Begegnung für gottgegeben hielt, deshalb sagte sie nichts. Viel Zeit wäre dazu sowieso nicht gewesen, denn kurz darauf verließen sie alle Worte. Ana küsste nicht oft. Ein Kuss hatte immer etwas Persönliches, etwas Liebevolles bei sich, ganz anders als das bloße Befriedigen ursprünglicher Triebe beim Sex. Nur wenn sie einen Liebhaber oder eine Liebhaberin wirklich mochte oder sich ihm oder ihr in dem Moment sehr nahe fühlte, ließ sie zu, sich auf diese Weise zu vereinen. Deshalb riss sie überrascht die Augen auf, als Farael seine schloss. Die Alarmglocken schrien in ihrem Bewusstsein, doch gleichzeitig breitete sich explosionsartig ein
    elektrisierendes Kribbeln in ihrem Bauch aus und ihr Herz galoppierte. Ana beschloss, auf ihr Gefühl zu hören. War es nicht das ursprünglichste aller Empfindungen? Viel, viel älter, als der Verstand, viel weiser und unvoreingenommener? Langsam schloss sie die Augen und legte Farael eine Hand auf die Wange, um ihn ein wenig fester an sich heranzuziehen.


    Farael:
    Der Moment wurde festgehalten in einem gemeißelten Stück Erinnerung. Das Gefühl, welches Farael durchflutete, war kaum vergleichbar mit Wärme oder Hitze. Es durchzog jede Faser seines Körper, die sich entspannten und zugleich dem liebevollen Kuss hingaben, welchen er mit Ana austauschte. Die Gedanken in Faraels Kopf rasten umher. Sie begannen zwischen gut und böse abzuwägen, doch war das wirklich notwendig? Sein Herz schlug wild und Kribbeln durchzog seine Adern. Normalerweise verspürte er das nicht, wenn er mit jemanden einen Kuss austauschte. War Ana etwa zu nah gekommen? Doch das alles spielte keine Rolle. Willentlich ließ er sich weiter von ihr heranziehen, seine Augen geschlossen und allein auf die Empfindung seiner Lippen konzentriert. Der Atem Anas, der Farael entgegenschlug. Am liebsten wäre er auf Dauer in diesem Moment gefangen geblieben. Dieses unbeschreibliche Gefühl, welches Angst und alte Erinnerungen von Misstrauen hervorrief, aber ebenso beruhigend und liebend war. Dieser Augenblick musste jedoch enden. Farael löste seine Lippen und öffnete die Augen. Erst jetzt spürte er, wie heiß sein Kopf war. Warum fühlte er sich wie ein verdammter Schuljunge? Sein Blick suchte den von Ana, ehe sich ein warmes Lächeln aus seine Lippen legte. Er schwieg und wartete auf eine Antwort Anas. Ob er zu weit gegangen war.


    Ana:
    Viele Gefühle hatte Ana nach dem Kuss erwartet. Verlangen. Begierde. Möglicherweise aber auch ganz anders, Verlegenheit, Unsicherheit, gar ein wenig Scham. Nichts davon hätte sie so erstaunt, wie das, das warm in ihrem Innern verblieb, als sie sich voneinander lösten. Es waren die weichen Kissen der Geborgenheit, in die sich Geist und Körper gleichermaßen sinken ließen und die keinen Platz für Zweifel ließen, alle Gedanken vetrieben und sie voll und ganz umfingen. Sie erwiderte Faraels Lächeln und es war das wirklichste Lächeln, das sie seit langem Zustande gebracht hatte. Tief aus ihrer Seele strahlte es, dankbar für den Moment, den er ihr gerade bereitet hatte. Ana meinte leichte Verunsicherung durch Faraels Augen blitzen zu sehen und fühlte, dass eine Reaktion von ihr erwartet wurde, die über das stumme Lächeln hinaus ging. "Das war unerwartet", sagte sie etwas heiser und räusperte sich unbeholfen, ehe sie weiter sprach. "Und mutig. Es hätte gut sein können, dass ich dir die Lippe rasiere." In einer fließenden Bewegung fischte sie einen der Dolche aus dem Gürtel, ließ ihn um die Hand kreisen und richtete ihn spielerisch auf Faraels Gesicht. "Aber ich mochte es." Der lockeren Art, die sie aufgesetzt hatte, zum Trotz, spürte Ana, wie sie errötete. "Sehr."


    Farael:
    Es war, als ob tausende von Steinen von Faraels Herzen fielen. Zuerst hatte er gedacht, zu weit gegangen zu sein und Ana in diesem Moment zu vertreiben, doch das genaue Gegenteil war der Fall. Stattdessen erntete er das wärmste Lächeln, welches er seit seiner Mutter bei einer Frau hatte sehen können. Für einen Moment glaubte er, Ardemia persönlich würde ihm zulächeln. Ein seltsames Gefühl, welches jedoch die Wärme gut erklären konnte, die Farael in diesen Moment durchströmte. Und auch wenn Ana es mit ihren Neckereien aufzulockern versuchte, so veränderte sich bei Farael nicht mehr, als das er sich immer sicherer wurde. Zugleich aber auch ängstlicher. Jeden Schritt den er unternahm, barg ein Risiko. Ana es jedoch spüren zu lassen, wollte Farael so gut es geht verhindern. Stattdessen grinste er ihr entgegen und streichelte behutsam ihre Wange, obgleich sie gerade mit einem Dolch vor seinem Gesicht herumfuchtelte. Mit charmanten Lächeln und hochgezogener Augenbraue erwiderte er schließlich: „Seien wir ehrlich. Als ob du dieses schicke Gesicht verunstalten könntest.“ Er küsste sie nochmals. Zwar kürzer, aber mindestens genau so liebevoll wie auch zuvor. „Deine Lippen schmecken gut“, merkte er schließlich noch mit einem verschmitzten Grinsen an, ehe er sich ganz von Ana löste. Stattdessen erhob er sich noch einmal einen Moment und streckte sich vorsichtig. Dabei machte sich das schmerzhafte Ziehen in seiner Schulter bemerkbar, welches ihn kurz zusammenzucken ließ. „Möchtest du auch noch eine Tasse Tee?“, fragte er, während er die beiden Becher nahm und seinen mit dem heißen Trunk füllte.


    Ana:
    "An Selbstvertrauen mangelt es ihm nicht", dachte Ana. Laut sagte sie: "Wäre auch schade drum", und setzte zu einem erneuten Lächeln an, das von einem kurzen Kuss unterbunden wurde. Misstrauisch, ob der Kommentar ernst gemeint war oder ironisch auf ihren Alkoholkonsum anspielte, sah Ana Farael an und kam zu keiner Lösung. "Sehr gern", antwortete sie stattdessen. Tatsächlich war sie sehr durstig, kein Wunder... Während sie langsam von dem heißen Tee schlürfte, beobachtete sie den Alben weiterhin und versuchte zu verstehen, was all das zu bedeuten hatte. Sie kannte ihn gerade einmal einen Tag lang und schon hatten sie sich geküsst. Hinzu kam, dass, obwohl sie ihn höchst ansprechend fand und gestern ohne Weiteres mit ihm ins Bett gegangen wäre, die Berührung ihrer Lippen kein wildes Verlangen in ihr ausgelöst hatte, sondern diese seltsame Art von Geborgenheit. All dies einzuordnen fiel Ana sehr schwer und sie versuchte sich weiter auf das zu besinnen, was sie sich zuvor schon vorgenommen hatte. Sie musste es einfach geschehen lassen, ganz ohne Zwang und Bedenken. Plötzlich fiel ihr Faraels Brief wieder ein. "Ich wollte mich noch bedanken, für den Brief", sagte sie und ließ außen vor, dass sie ihn nicht selber hatte lesen können. "Wie lief es denn heute morgen? Konntest du etwas erreichen, bevor...", sie zeigte auf seine Verletzung. "Bevor du angegriffen wurdest?"


    Farael:
    Mit Anas Antwort füllte Farael auch ihren Becher und reichte ihr diesen. Die gesamte Zeit spürte er ihren Blick auf sich. Auch als er ihren Blick erwiderte, wich sie nicht aus und schien über etwas nachzudenken. Beobachtete sie ihn etwa? Schätzte sie ihn ein? Mit Sicherheit konnte Farael dies nicht beantworten, doch es störte ihn auch nicht weiter. Vielleicht sah sie sich nicht ganz satt an ihm, was er mit einem inneren Grinsen als äußerst angenehmen Gedanken aufgriff. Schließlich machte er es sich neben ihr wieder gemütlich und hörte ihre Frage, lauschte ihrem Dank. „Ich kann dich schlecht allein lassen, ohne dir ein Wort zu sagen, oder? Ich hoffe, dass du alles gefunden hast, was du brauchtest. Offensichtlich gehören meine Klamotten dazu“, neckte er Ana und streckte ihr die Zunge heraus. Doch dann wurde sein Gesicht wieder ernster. Die Frage, ob er am Tage etwas erreicht habe, zielte doch auf etwas Größeres ab. „Ich bin noch nicht ganz sicher“, antwortete er. „Zwar habe ich Söldner des Lagers gefunden und mit ihnen auch ein Angebot ausgehandelt. Jedoch kann ich die Typen noch nicht richtig einschätzen.“ Plötzlich schoss Farael in die Höhe und fasste sich an die Stirn. „Mist, ich wollte morgen Mittag mich mit ihnen treffen und ihnen bei der Arbeit helfen. Großartig, das wird jetzt wohl nichts mehr. Dennoch muss ich da morgen hin, um ihnen wenigstens ihre Bezahlung zu geben.“ Die Worte richtete Farael eher an sich selbst, als wirklich an Ana. Doch die Ernüchterung brachte schließlich mehr Entspannung. Was sollte er schon dagegen tun? Tod würden ihm seine Pläne auch nichts mehr bringen. „Jedenfalls sieht es bisher ganz solide aus, aber was daraus wird, steht vollkommen in den Sternen. Was hast du eigentlich getrieben? Außer zu saufen.“


    Ana:
    Ein verschüchtertes Kichern entfuhr Ana. Das geliehene Hemd hatte sie beinahe wieder vergessen. Ob sie ihm sagen sollte, dass sie es nach dem Duschen über den nackten Körper gezogen hatte? Eilig verwarf sie den Gedanken. Hatte sie nicht beschlossen, dass Farael mehr war, als jemand, den man billig verführte? "Hauptsache, du hast Zeit, deine Verletzung anschauen zu lassen", mahnte Ana. Farael ging es nicht so gut, wie er vorgab, das meinte sie ganz deutlich in seinen Bewegungen zu sehen. "Ach", setzte Ana an. "Erst habe ich etwas gegessen. Und dann habe ich eigentlich wirklich nur nach Arbeit gesucht. Nur deshalb bin ich überhaupt in eine Taverne gegangen und dann noch eine und dann noch eine. Ich dachte, ich könnte wieder irgendwo auftreten, doch es gab einfach nichts für mich. Tja und dann hat eines zum anderen geführt." Sie grinste verlegen. Den Rum zum Frühstück ließ sie wissentlich aus. Irgendwie war es ihr auf einmal peinlich, dass sie am hellichten Tag alleine getrunken hatte. "Weißt du", sprach sie eine plötzliche Eingebung aus, "ich könnte dich morgen begleiten und ebenfalls ein bisschen helfen. Vermutlich wird es sowieso eher Aufräumarbeiten geben? Ich meine, als Dankeschön, dass ich die Nächte hier verbringen darf. Was meinst du?"


    Farael:
    „Von Arbeit ins plötzliche Vergnügen. So so. Ein Arbeitstier bist du also nicht“, antwortete Farael breit grinsend. Doch sein Grinsen verschwand im selben Moment, als sie die Frage stellte, ob sie zum Aufräumen mitkommen könne. Mehr als gewollt, stimmte Farael diese Frage Anas nachdenklich. Er wusste nicht zur Gänze warum, doch aus irgend einem Grund hatte er ein wenig Angst Ana in der Nähe von Söldner zu sehen, besonders wenn er sie nicht einschätzen konnte. Nicht das er Ana nicht zutrauen würde, auf sich selbst aufzupassen, doch ausgebildete Söldner, die obendrein bewaffnet sind, können schnell gefährlich werden. „Nunja...“, begann er, kratzte sich dabei im Nacken. „Prinzipiell habe ich nichts dagegen. Doch weiß ich nicht ganz, ob ich dich mit diesen Männern zusammen arbeiten lassen sollte. Versteh' mich nicht falsch. Ich will einfach nur nicht … ähm … das die irgendwas Dummes anstellen. Wenn du aber darauf bestehst, wer bin ich, der dich daran hindert? Ist ja nicht gerade so, als würdest du mir gar nichts zurückgeben.“ Farael zuckte mit den Schultern, wobei sich dabei seine Verletzung mal wieder bemerkbar machte.


    Ana:
    "Hey! Das war Schwerstarbeit", entgegnete Ana schnell, während Farael noch über ihre Frage grübelte. Sie konnte nicht anders, als sich insgeheim darüber zu freuen, dass der Gedanke, sie mitzunehmen, ihm Unbehagen bereitete. "Ich werde mir auch etwas anziehen zum Arbeiten", grinste sie keck. "Und ich habe die hier." Erst jetzt steckte sie den Dolch wieder zu seinem Pendant in den Gürtel. Dann stand sie auf und ging auf Farael zu. "Wenn dort keine Frauen erwünscht sind, verstehe ich das natürlich. Aber nachdem du nicht arbeiten kannst, wäre ein weiteres Paar Hände vielleicht ganz hilfreich? Und du kannst den Kerlen ja sagen, ich gehöre zu dir." Woher das nun wieder gekommen war, wusste sie nicht, als sie ihn gewichtig ansah und ihre Hand sich urplötzlich an seiner Hüfte befand. Schnell zog sie sie zurück, etwas beschämt.


    Farael:
    Mit ihrer kecken und doch zugleich selbstsicheren Art hatte Ana etwas an sich, was Farael überzeugen konnte. Selbst wenn er sich Sorgen machte, vermittelte sie nicht den Eindruck, dass seine Sorgen berechtigt waren. Natürlich waren sie es in gewisser Weise schon, doch Ana sollte ihre Chance bekommen. Als sie sich schließlich erhob und tatsächlich sehr bedeutende Worte zu ihm sprach, wurde Farael völlig überrumpelt. Ob sie die Tiefe und Bedeutung ihrer Worte richtig verstand? Jedoch war es nichts, was er nicht hätte verhindern sollen. Im Gegenteil. Sie schien es zu genießen und ein Blick in ihre Augen verriet ihm die Wichtigkeit, dessen, was sie gesagt hatte. Bevor Farael jedoch zu einer Antwort kam, näherte sie sich ihm. Sein Blick blieb fixiert auf ihre Augen, in denen er Mut zu erkennen glaubte. Dann Wärme an seiner Hüfte. Schließlich erkannte er Röte in ihrem Gesicht. Scham? Nein, das war nicht richtig. „Ich habe dir gestern Abend etwas gesagt Ana“, erwiderte er sanft, als er sich aus seiner Überraschung befreit hatte. „Habe weder Angst, noch schäme dich für das, wonach du dich sehnst.“ Völlig entspannt saß Farael dort, sein Körper locker und aufrichtig. Genau das Gleiche, was er mit seinem Blick auszudrücken versuchte.


    Ana:
    Dies ist nur ein Teil von mir, wollte Ana sagen. Und er ist gefährlich. Doch sie blieb still. Sie hatten das Thema bereits durch. Im selben Augenblick wurde ihr bewusst, warum sie sich schämte und warum diese Situationen ihr Unbehagen bereiteten. Farael schien sich nach nichts davon zu sehnen und das war Ana nicht gewohnt. Normalerweise war sie diejenige, die gesetzt und ausbalanciert war und beliebig mit dem Begehren ihres Gegenübers spielen konnte. Und wie sie das genoss! Der Gedanke, dass nun Farael auf dieser überlegenen Position saß und es ebenso genoss, dass er sie recht schnell herum kriegen könnte, beschämte sie und verärgerte sie sogar ein wenig. Wieso kam es auch immer wieder in ihr hoch? Wo sie nach dem Kuss doch vollkommen Herrin ihrer Selbst gewesen war? "Sehnst du dich denn nach nichts?" Nach einigem Abwägen stellte sie die ketzerische Frage.


    Farael:
    Für nur einen Moment meinte Farael einen inneren Kampf zu erblicken. Ana schien hin- und hergerissen. Sie zögerte. Die Entscheidung blieb aus. Stattdessen kam eine Frage, mit der selbst Farael nie im Leben gerechnet hätte. „Ähm...“, stammelte er, völlig von der Frage überfahren. Es vergingen einige Sekunden der unangenehmen Stille. Doch wollte Farael das nicht so stehen und erst recht nicht die Frage unbeantwortet lassen. Mit aller Ruhe erhob er sich und stellte sich vor Ana. Etwas schwankte er, sein Zustand war nicht der Beste. Doch das war ihm in diesem Moment egal. „Natürlich tue ich das. Ana, du bist eine wunderschöne und attraktive Frau. Obendrein hast du in deinem Kopf viel mehr Sinn und Bedeutung, als das restliche Weibsvolk dieser Stadt. Ich würde nicht zögern, mit dir zu schlafen. Deine Lippen zu schmecken und deine Haut an meiner zu spüren. Doch weiß ich auch, dass wir mehr als das sind. Viel mehr als pure Lust. Uns verbindet viel mehr. Auch wenn ich die Lust nicht abstreiten könnte, dich an mich zu ziehen. Mir ist jedoch eines wichtig: Das Wissen darum, dass ich mit dir schlafen würde, nicht weil ich einfach nur Lust auf deinen Körper habe – sondern auch deinen Geist spüren möchte. Ich will nicht aus purer Lust handeln – sondern aus Leidenschaft und Zuneigung.“ Woher diese Worte kamen, konnte sich selbst Farael nicht erklären.


    Ana:
    Nervös wartete Ana. Dabei wagte sie erst einmal nicht mehr, Farael anzublicken, aus Angst, sie könnte Wut über die indiskrete Frage in seinem Ausdruck entdecken.
    Erst als er sich vor sie stellte, nahm sie den Kopf hoch und sah ihm ins Gesicht. Ruhig ließ sie ihn aussprechen und sog jedes Wort in sich auf. Was er sagte, weckte erneut ambivalente Gefühle in ihr. Doch hatte sie nicht genau so etwas hören wollen? Langsam stand auch sie auf, dass sie ihm besser in die Augen sehen konnte. Sie wollte ihn Vieles fragen. Ob er das jeder Frau erzählte, wie er das nach so kurzer Zeit wissen konnte und warum er verdammt noch mal immer genau wusste, was er sagen musste, um sie weichzukochen. Doch sie sprach nichts davon aus. Kannte sie die Antwort auf diese Fragen nicht sowieso alle schon? Stattdessen hob sie zögerlich eine Hand und berührte mit den Fingerspitzen die unverletzte Seite seines harten Bauchs. "Schade, dass du verletzt bist", hauchte sie. "Sonst hätten wir testen können, wie es sich anfühlt auf diese Weise zu lieben."


    Farael:
    Das ruhige Schlagen Faraels Herzens wandelte sich in ein unsicheres Galoppieren. Für ihn sind die Dinge wie Misstrauen und Angst in diesem Moment vergessen. Mehr noch, wurden sie ersetzt durch ein warmes Gefühl, welches durch seine Adern strömte und darauf brannte, mit Ana geteilt zu werden. Als Herausforderung und Einladung zugleich verstand Farael Anas Berührung und Worte. „Wir werden noch genug Zeit dafür haben. Wenn der Moment kommt, kannst du mir ja einmal zeigen, wie du es schaffst als Reiterin ein Pferd zu zähmen“, erwiderte Farael zwinkernd. Doch dann entschied er sich, dass die Situation keiner weiteren Worte mehr Bedarf. Behutsam schmiegte Farael seinen Körper an Ana. Sein rechter Arm fasste sie bestimmt, aber liebevoll an der Hüfte. Mit der Linken fasste er ihre Wange und streichelte sie. Er gab sich voll in diese zärtliche Umarmung hin, auch wenn er Ana den nächsten Schritt überlassen wollte.


    Ana:
    Verwegen grinste Ana, als Farael ihre gemeinsame Metapher des letzten Abends wieder aufnahm. Hitze stieg in ihr hoch und sie ließ sich gerne in die Umarmung sinken, obwohl sie Sorge hatte, sie könnte Farael ausversehen an einer verletzten Stelle berühren. Er fühlte sich einfach gut an. Er war ein Stück größer als sie, jedoch nicht zu sehr, sodass sie seine Lippen erreichen konnte ohne sich zu sehr strecken zu müssen. Noch verharrte sie aber mit etwas Abstand und sah ihm in die freundlichen Augen. Ganz deutlich spürte sie die Hand an der Hüfte und ihr Unterleib zog sich automatisch zusammen. Ihre eigene Hand lag noch immer auf seinem Oberkörper und sie tastete sich mit den Finger ein Stück über seine Muskeln. Immer wieder fiel ihr Blick hinab auf seinen Mund und schließlich überbrückte sie das letzte Stück, küsste ihn und griff dabei mit der zweiten Hand in seinen Nacken.


    Farael:
    Ohne zu zögern oder auch nur einen Moment der Reue ließ sich Farael in den Kuss fallen und zeigte Ana, wie sehr er diesen genoss. Für diesen Augenblick schienen sie beide zu einem zu verschmelzen. Weder Lust noch Begierde spielten eine Rolle. Viel mehr das tiefe Gefühl der Zuneigung machte es möglich, dass Farael den Kuss mit geschlossenen Augen genießen konnte. Man könnte meinen, er wäre nichts Besonderes, so hatten sie ihren ersten Kuss bereits ausgetauscht. Doch die Lippen der Norkara zu spüren und auch zu schmecken, stellte ein wahrlich schönes Gefühl dar. Nichts sehnlicher wünschte sich Farael, als das dieser Moment niemals enden würde. Auch sein Körper schmiegte sich mit seiner angeschlagenen Kraft an Anas Leib, um die Nähe zu ihr zu spüren und absolut zu genießen.


    Ana:
    Alle Sinne schärften sich aufs Äußerste und waren gleichwohl besonders empfindlich. Ana nahm Faraels heißen Atem wahr, spürte den warmen Druck seiner Lippen auf den ihren und seiner Hände auf ihrer Hüfte. Sie spürte seinen Bauch an ihren Brüsten und die kräftigen Muskelstränge seines unteren Rückens unter ihrer Hand. Unter seiner Berührung knisterte ihre Haut und ihre Nackenhaare stellten sich auf. Ana gab sich ganz diesem Gefühl hin und kostete gierig von Farael. Warm drang die Wärme seiner Haut durch das Hemd, das sie trug und sie umfasste ihn mit beiden Armen, schob die Hände nach oben auf seine Schulterblätter und drückte ihn sanft an sich heran, um noch tiefer einzutauchen.


    Farael:
    die Welt um Farael verdunkelte sich immer mehr und der einzige Lichtschein war nur seinen Gefühlen des Momentes gewidmet. Die Hingabe, mit der er Anas Lippen kostete, oder aber das enorme Vertrauen, welches er ihr in diesem Moment schenkte. Er spürte jeder ihrer Berührungen mit größter Intensität, wie ihre Hände seinen Rücken hinauf wanderten und sich schließlich auf seinen Schultern ablegten. Dann der Druck, der ihn noch näher an sie heranzog. Es war, als ob es die Welt nicht mehr gäbe. Oder die Welt nur noch aus ihrem Kuss bestünde. Normalerweise hätte er sie bereits genommen und zum Bett geleitet, doch das war anders. Und würde es auch bleiben. Ana war anders. Und hatte eine Behandlung einer Königin würdig verdient. Die Hitze ihres Körpers strahlte auf ihn hinaus und fütterte das warme Kriseln in seinem Bauch. Nichts und niemand hätte ihm diesen Moment nehmen können. Selbst als sie langsam den Kuss lösten, spürte Farael Anas Lippen auf den Seinen, als ob sie noch immer den Geschmack ihres Vertrauensbeweises austauschten. Vorsichtig legte Farael seinen Kopf auf Anas ab, wärmte und umfasste sie, als ob sie der größte Schatz wäre, den er jemals beschützen müsste.

  • Am nächsten Tag, pünktlich zum morgendlichen Gedröhn des Tempelgongs, ganz so, wie es sich für Söldner gehörte, stand das kleine Trüppchen dort, wo früher sein zu Hause gewesen war. Verkohlte Holzgerippen mit eingestürzten Dächern kennzeichneten den früheren Standort der Mannschaftsquartiere, des Badehauses und der meisten übrigen Häuser.


    »Diese Latrine braucht niemand mehr zu schrubben«, stellte Sodo fest und stieß mit dem Fuß an einen schwarzen Balken. Eine Ecke brach ab. »Ehrlich, hier ist nichts mehr aufzuräumen oder zu durchwühlen. Das Durchwühlen haben die Penner erledigt und was will man an einem Haufen Holzkohle aufräumen?«


    »Die Offiziersbaracken stehen zum größten Teil noch«, sprach Cherax das Offensichtliche aus. »Sie sind nur etwas angeschmort. Und die Verwaltung ist auch noch halbwegs intakt.«


    Sodo zuckte mit den Schultern. »Wenn ihr meint, dass sich das lohnt. So lange man mich dafür bezahlt, soll es mir Recht sein. Wo bleibt nun dieser Farael?«

  • Ana:
    Er war einer dieser Morgen, an denen man von ganz alleine aufwachte. Es war kein störendes Geräusch, keine fremde Bewegung, kein aufwühlender Traum oder dergleichen, das einen in die bewusste Welt zurückholte, es waren Körper und Geist selbst, die ausgeruht und entspannt einem neuen Tag entgegen strebten. Eine Weile hielt Ana die Augen noch geschlossen und spürte in sich hinein. Das Gefühl der Decke auf der Haut verriet ihr, dass sie nackt war und langsam rekonstruierte sie den vergangenen Abend. Sie lächelte. Dann drehte sie sich noch einmal auf die Seite und berührte Faraels warmen Körper, von dem sie sich im Schlaf wohl gelöst hatte oder er von ihr. Das unterschwellige Pochen in ihrem Kopf war das einzige Indiz dafür, dass sie noch immer sie selbst war, denn alles andere fühlte sich merkwürdig an. Sie war ausgeschlafen und lag in einem bequemen Bett, gemeinsam mit einem Mann, ohne sich aber in irgendeiner Form schmutzig zu fühlen und ohne den Drang, schnellst möglich das Weite zu suchen. Mit einem wohligen Seufzen öffnete sie nun doch die Augen. Es war bereits hell und von außen drangen verschiedene Geräusche hinein, die sie zuvor gar nicht wahr genommen hatte, denn sie verschwammen zu einem steten Brummen, in dem Stimmen, Schritte oder das Klappern eines Wagens eins zu werden schienen. Farael hatte ihr den Rücken zugekehrt. Vorsichtig hob Ana eine Hand und strich ihm gedankenverloren die Wirbelsäule entlang.


    Farael:
    In der Regel wurden Faraels Träume von den Dingen verfolgt, die er in der Vergangenheit getan hatte. Seien es verprellte Frauen oder aber die schrecklichen Bilder seines einstigen Söldnerlagers, die ihn gern des Nachts heimsuchten und ihm die Entspannung aus dem Schlaf raubten. Doch stattdessen war diese Nacht ruhig gewesen. Voller Geborgenheit und ein warmes Kribbeln, welches sich durch seinen Bauch schlängelte. Dabei hatte er doch gar nichts anders gemacht, oder? Seine Frage beantwortete sich schnell, als er aus der Ruhe seines Schlafes geweckt wurde. Etwas kitzelte ihn fürchterlich am Rücken und er kam nicht drum herum, unter dieser Berührung zu lachen. Natürlich völlig unbeabsichtigt und sein Lachen war voller Männlichkeit. Definitiv. Kein Kichern, dass eines Weibes gehören konnte. Drum würde er sicherlich auch nicht sagen, dass diese gehauchte Berührung an seinem Rücken sich die Empfindlichkeit dessen zu Nutzen machte. Doch die Hand welche zur Berührung gehörte, zeigte Farael deutlich warum er gut geschlafen hatte. Mehrere Male ließ das Farael noch mit sich machen, ehe er sich trotzig auf den Rücken legte und die Augen aufschlug. Bei dem Anblick der sich ihm bot, huschte ihn sofort ein warmes Lächeln über die Lippen. „Guten Morgen stolze Reiterin“, flüsterte Farael leise zu Ana, wobei er ihren Blick suchte. Er erhob seine Hand und berührte Anas Wange, strich einige Male sanft über sie, ehe er sie in einen kurzen aber liebevollen Kuss zog. Noch immer fühlte es sich richtig an. Vielleicht ungewohnt, aber dennoch richtig. „Wie hast du denn geschlafen?“, fragte er neugierig und streichelte dabei sanft Anas Wange.


    Ana:
    Faraels Empfindlichkeit amüsierte Ana. Aus irgendeinem Grund hatte es ihr schon immer gefallen, wenn sie andere auf diese Weise necken konnte. Es gab ihr das Gefühl, über einen fremden Körper bestimmen zu können. Sie schmunzelte ihrerseits. "Wie ein Stein", entgegnete sie wahrheitsgemäß. Dann rollte sie sich ebenfalls auf den Rücken und streckte erst einmal ausgiebig die Glieder. "Ich fühle mich wie neu geboren. Bereit für eine wenig körperliche Arbeit in deinem Söldnerlager", sprach sie mit gedehnter Stimme inmitten des Räkelns. "Wie geht es dir? Schmerzt es noch sehr?"


    Farael:
    „Schmerzen? Was ist das?“, fragte Farael neckisch und streckte Ana die Zunge entgegen. Natürlich spürte er noch Schmerz und es würde auch nicht besser werden. Im Gegenteil. „Nichts, was mich umbringt. Mach' dir keine Sorgen, okay?“ Farael drehte seinen Kopf zu Ana und schaute sie nachdenklich an. Nicht nur, dass ihm der Gedanke doch missfiel, dass Ana im Lager mit anpacken wollte, sondern auch diese Situation, zwischen ihnen selbst stand im Raum. Doch war es einer Frage wert, mit der er den angenehmen Morgen hätte ruinieren sollen? Nein, definitiv nicht. Stattdessen blieb er entspannt liegen und betrachtete Ana. Für einen Moment merkte er, wie sein Blick wohl verträumt gewirkt haben musste. Jedoch spielte das letzten Endes keine Rolle. Ana konnte er schließlich vertrauen. „Was denkst du? Über uns?“, rutschte es ihm schließlich doch heraus. Eine Frage für die er sich im selben Moment hätte ohrfeigen können.


    Ana:
    Ana glaubte ihm kein Wort. Fast grenzte es an Komik, dass gestandene Männer im Falle einer ernstzunehmenden Verletzung beinahe dieselbe Wortwahl verwendeten, um das Gewicht der Lage abzutun. Sie würde ihn nicht einfach so davon kommen lassen. Er musste zu einem Heiler. Schon war sie drauf und dran dies anzusprechen, da veränderte sich sein Blick und sie hielt inne. Eigentlich war es ein sehr schöner Blick gewesen, doch es war die Frage, die Ana einen Stich versetzte. Aus irgendeinem Grund traf sie sie vollkommen unvorbereitet und plötzlich flutete wieder Furcht durch Anas Adern, wo sie sich doch vorgenommen hatte, den Dingen einfach ihren Lauf zu lassen. Ihre Kehle schnürte sich zusammen und sie schluckte schwer, suchte panisch nach einer guten Antwort und versuchte gleichzeitig verzweifelt sich nichts anmerken zu lassen. "Uns"... Es war so ein harmloses Wort, das war es doch, oder nicht? Warum machte es ihr so zu schaffen? Sie war gerne in Faraels Nähe, die kurze Zeit, die sie sich kannten, hatte sie sich sehr wohl gefühlt und wunderbar losgelöst vom unsteten Alltag. Doch trotzdem war sie noch Ana und er war noch Farael, sie waren kein "wir", oder doch? Interpretierte sie zu viel hinein? "Ich", begann sie schließlich nach einer viel zu langen Pause. "Ich denke wir haben zwei sehr schöne Abende verbracht." Was für leere Worte. Doch wie sollte sie Farael sagen, dass sie ihn mochte, ohne sich dem gefährlichen Wort zu nähern, das mit seinem gierigen Schlund und den engen Fesseln für ihr Wesen nur darauf wartete, sie zu verschlingen? "Ich fühle mich wohl bei dir", fügte sie noch leise an.


    Farael:
    Augenblick spürte Farael, dass etwas nicht stimmte. Ana wirkte plötzlich gänzlich anders, sie sprach nicht zusammenhängend und schien nach Worten zu ringen. Aus irgend einem Grund kroch Farael ein drückendes Gefühl die Kehle empor. Nur wenige Momente mussten vergehen, um zu verstehen, dass er Enttäuschung verspürte. Doch aus welchem Grund? Letztendlich hatte er nicht das Anrecht darauf, eine solche Frage an Ana zu richten. Letztendlich kannten sie sich gerade einmal nur zwei Tage. Doch er versuchte so gut es ging, sich davon nichts anmerken zu lassen. „Zwei wahrlich schöne Abende, da hast du Recht. Apropos, ich schulde dir noch einen Wein und ein Bier. Erinnere mich mal dran, wenn wir wieder in der Stadt einkaufen gehen sollten“, erklärte er lachend und mit einem Augenzwinkern. Das er eigentlich nur von dem Thema ablenken wollte, welches er eröffnet hatte, würde Ana nicht mit bekommen, so hoffte er. Schließlich schälte er sich unter der Decke hervor und setzte sich auf den Bettrand. „Weißt du Ana“, begann er schließlich, die Stimme warm und doch zugleich ernst. „Du bist ein freies Vögelchen und niemand sollte dir die Flügel stutzen. Doch selbst die freisten und edelsten Vögel haben ein Nest, in das sie gern zurückkehren. Ob sie es sich bauen oder lieber ziellos umherirren, obliegt ganz ihrer Macht.“ Woher auch immer die Worte stammten, Farael konnte es nicht richtig deuten. In einem Moment wollte er noch vom Thema ablenken, jetzt ging er doch wieder darauf ein. Hatte er sich in so kurzer Zeit in Ana verliebt und war deswegen verletzt über ihre Antwort? Es hätte es zumindest auf den Punkt gebracht, doch war sehr gewagt. Dennoch sollte er nicht verlangen. „Entschuldige. Du sollst wissen, dass ich für dich nur das Beste will. Auch wenn ich manchmal wie ein Idiot klinge“, sagte er schließlich lachen und streckte sich vorsichtig auf dem Bettrand. Dabei zuckten seine Muskeln, die auf den wiedererweckten Schmerz reagierten.


    Ana:
    Dankbar, dass das Thema eine heitere Wendung nahm, atmete Ana schwerer aus, als ihr lieb war. "Auch wenn das wirklich verlockend ist, kann ich das nicht annehmen. Immerhin durfte ich dafür hier schlafen. Zwei Mal." Ein Lächeln kämpfte sich zurück und Ana schämte sich fast ein wenig für ihre heftige Reaktion auf Faraels Frage. Ohne es zu wollen hatte sie damit wohl auch Einiges von sich preisgegeben, denn wie so oft, verstand Farael es, ihre Sorgen und Gedanken am Schopf aus dem Sumpf ihres Innenlebens ans Licht zu ziehen. Offensichtlich hatte er ihr Naturell schon wesentlich besser verstanden, als die meisten vor ihm, vielleicht gar besser als sie selbst. "Das weißt ich", raunte sie, "auch wenn ich nicht weiß woher. Und ich bin dir sehr dankbar dafür, du süßer Idiot." Sie zwinkerte, doch zugleich suchte sie in seiner Stimme und der Art wie er sprach nach Anzeichen für seine eigene Gefühlswelt. Dass sie nichts fand, verunsicherte sie ein wenig, da sich normalerweise gut darauf verstand andere zu lesen. Entweder gab es nichts zu finden oder Farael wusste es zu verbergen. "Wirst du heute zu einem Heiler gehen?", fragte sie stattdessen, auch wenn sie wusste, wie dämlich die Frage in diesem Augenblick war.


    Farael:
    Nachdenklich verharrte Farael für einen Moment, doch Anas verstecktes Kompliment ließ ihn schließlich wieder lächeln. Er konnte ihr schlichtweg nicht böse sein, auch wenn ihre Antwort sich als sehr ausweichend angefühlt hatte. Doch er konnte sie schlecht darauf festnageln und nachhaken. Stattdessen nahm er sich seine eigenen Worte in den Sinn und beantwortete seine Enttäuschung selbst. Ana musste ihren eigenen Weg finden und er konnte sie nicht leiten – sondern ihr nur ein Licht geben, in welches sie gehen konnte. „Naja, kommt ganz darauf an“, erwiderte er schließlich auf ihre letzte Frage, ehe er sich erhoben und seine Hose vom Boden aufgehoben hatte. Nebenbei bekleidete sich Farael, dabei sein Blick auf Ana gerichtet. „Du wirst mich glaube nicht mit dem Thema in Ruhe lassen, wenn ich nicht tatsächlich zum Heiler gehe, oder?“, fragte er schließlich, als er zu seiner Kommode ging und zwei Hemden herauszog. Eines für sich und eines für Ana, welches er ihr reichte.


    Ana:
    Ana hatte sich aufgesetzt, die Beine angezogen und sich noch einmal in die Decke gewickelt. Während sie das Gefühl des weichen Stoffes auf der Haut genoß, sah sie Farael beim Ankleiden zu. "Ich fürchte nein", seufzte sie. "Wenn die Wunden dich am Ende dahinraffen, hat dir die ganze Tapferkeit nichts genutzt." Mit einer Hand fixierte sie die Decke über ihren Brüsten, mit der anderen griff sie nach dem Hemd und musterte Farael. "Gefalle ich dir gut in deinen Hemden oder willst du nicht, dass ich mit einer freizügigen Bluse losmarschiere?" fragte sie frech.


    Farael:
    Ein breites Grinsen zeichnete sich auf Faraels Lippen ab, als er Anas Frage hörte und für einen Moment darüber nachdenken musste. Für den Augenblick war der Ernst der eigentlichen Situation vergessen, während sie sich anblickten und beide ihre Münder zu einem Grinsen verzogen hatten. Doch Farael konnte schließlich nicht anders, als die gestrigen Worte Anas aufzugreifen: „Du hast gestern noch selbst gesagt, dass man einen Schatz nicht teilen sollte. Und wie symbolisiert man das besser, in dem man den über den Schatz die eigene Flagge hisst?“


    Ana:
    Lachend nahm Ana die Hand nach oben und salutierte. "Aye, mein Kapitän!" Erneut ein gekonnter Kniff, nicht nur ihre eigenen Worte, sondern auch ihre Leidenschaft aufzugreifen. Mit beiden Händen spannte sie das Hemd auf und betrachtete es. "Doch ist deine Flagge recht einfarbig und trägt ja gar kein Symbol. Woher soll einer da wissen, dass es deine ist?" Noch immer breit grinsend zog sie das Hemd über und erhob sich nun ihrerseits aus dem Bett, um in die Hose zu schlüpfen.


    Farael:
    Erneut musste Farael herzlich auflachen und knuffte Ana gegen die Schulter, als sie sich erhob. „Ganz einfach“, erklärte er, sich kaum aus dem Lachen winden könnend. „Du wirst schön in meiner Nähe bleiben und in Kombination mit meiner Rüstung wird jeder wissen, wessen Flagge das ist.“ In diesem Sinne begann sich Farael, auch den Rest seiner Bekleidung und anschließend seine Rüstung überzuziehen. Dabei warf er einen erneuten Blick auf Ana. Wie sich ihr dunkles Haar um ihr Gesicht rahmt und die braunen Augen neugierig in die Welt blickten, doch zugleich selbst weite Ozeane einer tiefen Seele darstellten. Jedes Mal auf's Neue konnte er sich in diesen Anblick verlieren. „Hat dir eigentlich schon einmal jemand aufrichtig gesagt, wie schön du eigentlich bist?“, fragte Farael und suchte den Blickkontakt zu Ana. „Nicht nur das, sondern auch die innere Schönheit, die deine Augen ausdrücken?“ Im selben Moment wurde Farael ein wenig rot, während er sich dabei erwischt hatte, dass er starrte.


    Ana:
    "So so, werde ich das?", feixte sie weiter, doch ihr Lächeln war warm. Sie öffnete den Lautenkasten, nicht zum ersten Mal dankbar dafür, dass er so stabil war und das kostbare Instrument trotz des Vollrausches heil und unversehrt darin schlummerte. Nase rümpfend rollte sie die alte Hose eng zusammen und zog eine frische heraus. Bald würde sie wieder waschen müssen. Dass Farael sie beobachte, wurde ihr erst bewusst, als seine Stimme ertönte und das Kompliment traf Ana ebenso eiskalt wie die vorherige Frage, wenn auch mit anderer Wirkung. Dieses Mal war es Verlegenheit, die ihr heiß durch den Körper raste. Langsam richtete sie sich auf und sah Farael an, wie er da stand, mit voller Rüstung, groß und stark, doch mit einem warmen, selbst leicht verlegenen Gesichtsausdruck und mit jener Aufrichtigkeit, die Ana von Anfang an fasziniert hatte. In diesem kurzen Moment tat es ihr furchtbar leid, wie sie auf seine Frage reagiert hatte. Der Drang zu ihm zu gehen und sich in seine Arme zu werfen war überwältigend, doch gleichzeitig war sie wie festgewachsen, wie gelähmt. "Normalerweise hört man Komplimente nur, wenn einen jemand ins Bett kriegen will", entgegnete sie. "Also: nein. Vermutlich hat das noch niemand...", sie hielt inne und dachte an Valdrad, ihren verstorbenen Mann. Ewig hatte sie nicht an ihn gedacht, doch seit sie mit Farael unterwegs war, ständig. "Es passiert nicht oft." Schüchtern lächelte sie. "Ich mag deine Augen auch sehr gern." Gerne hätte sie etwas Besonderes gesagt, doch wusste sie nicht was. Sagte man einem Mann denn, dass man ihn hübsch fand, attraktiv?


    Farael:
    Zufrieden mit sich selbst als auch Anas Reaktion sog er ihre Antwort auf seine Worte auf. Letzten Endes war es ihm wichtig, dass sie ihn sehen und als jemanden sehen konnte, der es ernst mit ihr meinte. Sie war nicht irgend eine Magd, die er mal eben abschleppte um seine niederen Gelüste zu befriedigen. Ana war mehr als das. Und auch wenn er es ihr mehr als einmal gesagt und sie auch ihren Dank dafür ausgesprochen hatte, so konnte er nicht anders, als ihr immer wieder dieses gefühl vermitteln zu wollen. Schließlich antwortete sie auch ehrlich und zum Schluss auch mit einigen Worten ihrer Zuneigung. Nicht, dass er sich selbst nicht hübsch fände oder gar attraktiv. Doch die wenigsten wussten zu schätzen, was sich in den Augen eines Wesens verbergen konnte. So freute es ihn umso mehr, dass Ana mit Aufrichtigkeit erwidert hatte. „Ich danke dir“, meinte er schließlich, ehe er eine Verbeugung andeutet und zufrieden lächelte. Nebenbei beobachtete er ihr Gefecht mit der Kleidung und ihrem Naserümpfen zu urteilen, war diese mehr als überfällig. Doch es war nicht mehr genug Zeit. Dem Sonnenstand nach zu urteilen, musste es bald Mittag sein und Farael wollte sich bei der Truppe nicht verspäten. „Leg' deine schmutzigen Klamotten hinten in die leere Waschzuber. Bei Gelegenheit waschen wir die entsprechend. Da du mich vermutlich zum Heiler prügeln willst, dürfen wir uns leider keine Zeit mehr lassen. Auch wenn ich sie zu gern hätte. Also, kommst du?“, erklärte Farael schließlich. Fast instinktiv bot er ihr seine Hand dar. Wirklich darüber nachzudenken tat er nicht.


    Ana:
    Schon wieder verblüffte er sie. Eigentlich hatte sie die dreckige Hose in ein Eck des Kastens stopfen wollen, bis sie eine Waschmöglichkeit gefunden hatte. Doch nun bot Farael ihr eine solche großzügig und ohne, dass sie danach gefragt hatte. Sie starrte einen Moment. "D-danke", brachte sie dann zustande und nahm das Kleidungsstück wieder auf. Mit der zweiten Hand griff sie Faraels und ließ sich nach oben geleiten. Nachdem sie die Hose wie angeboten abgelegt hatte, legte sie noch den Gürtel an und blickte einen Moment fragend zu ihrem Instrument. "Du... meinst du, ich könnte meinen Kasten hier lassen? Ich meine... ich möchte mich dadurch nicht selbst hierher einladen, doch bei der Arbeit würde er mich nur stören und ich könnte es nicht ertragen, wenn er mir gestohlen wird. Ist es hier einigermaßen sicher?" Mit großen Augen sah sie Farael an, wie ein Kind, das sein Lieblingsspielzeug abgeben muss.


    Farael:
    Kurz nur zeigte Farael Ana, wo die Waschzuber ist und sie entsprechend ihre schmutzige Kleidung ablegen konnte. Kaum zurück im Haus stellte sie eine zögerliche Frage. Für den ersten Augenblick wirkte Ana so, als ob es um ein von Ardemia selbst geheiligtes Artefakt wäre, welches sich in dem Koffer befand. Umso mehr amüsierte es Farael, wie Ana schlichtweg vor ihm stand und große Augen machte. Mit Mühe musste er sich ein breites Grinsen unterdrücken und versuchte sein warmes Lächeln beizubehalten. „Keine Sorge, du lädst dich hier nicht selbst ein. Schließlich habe ich das für dich schon vor zwei Tagen erledigt, als du das erste Mal hier warst. Du bist hier jederzeit willkommen. Damit ist dir auch die Sicherheit dieses Heimes garantiert. Vielleicht habe ich nicht die besten Schlösser, aber glaube mir, niemand würde es sich trauen bei mir einzubrechen. Die Leute kennen mich und sie wissen, was es bedeutet. Von daher lass ruhig deine Sachen hier, die du nicht brauchst. Wenn du magst, kannst du sie gern noch in einem der Schränke verstauen. Ich glaube in meiner Kommode ist das unterste Fach noch leer. Da sollte genug Stauraum für deine Sachen sein.“ Nach diesem doch längeren Monolog schritt Farael langsam zur Tür und lehnte sich gegen diese, darauf wartend, dass Ana ihre Sachen sicher verstaute. Seltsam war es dennoch. Schließlich kam das Angebot fast schon einer Einladung gleich, bei ihm einzuziehen. Diesen Gedanken verdrängte er aber recht schnell wieder.


    Ana:
    Selbstbewusst ist er ja, dachte Ana. Doch das sollte sie nicht weiter stören. Sie war mehr als dankbar, dass sie ihr Heiligtum sicher verstauen konnte, auch wenn sie sich ohne das Gewicht auf dem Rücken seltsam nackt fühlte. "Also gut", sagte sie und ging an Farael vorbei zu Türe hinaus. "Stürzen wir uns zurück in die schmutzige Realität." Die Helligkeit stach ihr kurz in den Augen, doch dann hatte sie sich daran gewöhnt und erblickte Obenza, allerdings anders als noch gestern oder vor einigen Tagen. Sie war... entspannter und trug die Lebendigkeit und Frische am Leib, die nur nach einer befriedigenden Verbindung zu Tage trat. Nach ein paar Schritten blieb sie stehen und wartete auf Farael. "Zuerst zum Heiler?"


    Farael:
    Auch Farael hatte die triste Atmosphäre vergessen, die in Obenza Alltag waren. Die unterschiedlichsten Personen der verschiedensten Völkern liefen auf den Straßen umher und besonders in dem Viertel, in der er lebte, zeigte sich die Schicht der unteren Mittelschicht. Es war nicht sonderlich angenehm anzuschauen, dennoch alle Mal besser als die Slums. „Zuerst zum Heiler zu gehen klingt gut. Wie schaut es aus, willst du mit in die Behandlung gehen oder passt du lieber?“, fragte Farael neugierig. Irgendwie erwartete er es bereits, dass Ana darauf bestehen würde, dass sie mitkäme. So wie sie sich verhalten hatte, besonders im Zuge seiner Verletzung, wollte sie scheinbar ein genaues Augenmerk darauf legen. Ihre Zustimmung darauf kam also entsprechend wenig überraschend. Also machten sie sich gemeinsam auf den Weg zum Heiler, bei dessen Behandlung Ana auf unbedingte Anwesenheit bestand. Als ob der Fachkundige etwas falsch machen würde. Jedenfalls trafen sie ein und wurden von einem älteren Herrn empfangen, in dessen Stübchen die verschiedensten Kräuter, Salben, aber auch medizinische Geräte anwesend waren. Nach einer schnellen Untersuchung und Diagnose war es klar, was bei Farael verletzt worden war. Auch wenn der Heiler die Naht Anas lobte, so musste er sie dennoch durch eine andere ersetzen. Dabei stellte er fest, dass die Wunde am Bauch unbedenklich sei. Jedoch sei die Verletzung an der Schulter um so schlimmer. Die Klinge hatte seine gesamte Schulter und somit auch sein Schulterblatt durchdrungen. An sich war nichts gebrochen, dennoch war der Knochen durchstoßen und Fleisch durchschnitten worden. Bis Farael seinen Arm wieder richtig benutzen konnte, sollte mindestens ein Monat vergehen. Zudem riet der Heiler zur Ruhe und geringsten Belastung, gab nach einer Diskussion zu Faraels Aufgaben jedoch nach und gab ihm einige Tränke mit, die seine Schmerzen linderten. Dennoch sollte er ruhen, so weit es möglich war. Mit der Verletzung schien nicht zu spaßen zu sein. So verließen Ana und Farael gemeinsam die Heilerstube wieder und standen auf den Straßen Obenzas. „Ich hoffe, du hast deine Antwort vom Heiler die du hören wolltest“, ließ Farael daraufhin etwas genervt ab. Es war nicht gegen Ana gerichtet. Ihn störte der Fakt, dass er seinen Arm nicht richtig nutzen konnte, am meisten. Am liebsten wollte er den Kampf des Vortages ungeschehen machen.


    Ana:
    Von Minute zu Minute und von Wort zu Wort des Heilers vergrößerte sich der Schrecken in Ana und sie musste allen Willen zusammen nehmen, damit ihre Kinnlade nicht nach unten klappte. War ihr Blick vom Alkohol so verklärt gewesen, dass sie die Schwere der Verletzung beim Verarzten nicht selbst hatte erkennen können? Wie hatte sie ihn nur zum Sex verführen können? Jede Muskelanspannung musste ihm geschmerzt haben, doch er hatte nichts gesagt, ja nicht einmal das Gesicht verzogen oder sie war im Rausch der eigenen Ekstase zu blind gewesen, es zu merken. Am liebsten hätte sie eine Entschuldigung gemurmelt, doch im Beisein des Heilers wagte sie es nicht. Sie fürchtete dessen anklagenden Blick, möglicherweise gar eine Standpauke. Stattdessen wisperte sie nur ein schwaches "Oh, Farael", während dieser untersucht und für die weitere Pflege angeleitet wurde. Neben all die Scham drängte sich allerdings noch ein anderes Gefühl, dass Ana weit mehr irritierte. Es sprach sie an. Die Tatsache, dass Farael verwundet und verletzlich war, sich nicht wehren oder die Zügel an sich reißen konnte, erregte sie selbst jetzt und sie war entsetzt darüber. Erst Faraels harte Worte auf der Straße holten sie aus dem Kampf mit dem eigenen Selbst zurück und unwillkürlich kräuselte sie die Lippen. "Ich habe die Bestätigung, dass alles andere, als ihn aufzusuchen, reine Dummheit gewesen wäre, ja", gab sie pampiger zurück als beabsichtigt, doch dann sah Farael sie wieder mit seinen warmen Augen an und sie laß darin die Verzweiflung eines Mannes der Tat, dem man eines wichtigen Bestandteils beraubt hatte. "Entschuldige, Ana," sagte er viel sanfter und tat seinen Ärger über die Verletzung Kund. Verständnisvoll sah Ana ihn an. "Ich verstehe dich. Weißt du, einmal habe ich mir zwei Finger gebrochen und konnte Wochen lang keine Musik machen. Es war furchtbar." Sie wusste, dass das ein schwaches Beispiel war, doch es war das einzige, das ihr einfiel. Farael schenkte ihr ein schwaches Lächeln und sie machten sich auf den Weg durch den Dschungel obenzas. Das nachdenkliche Schweigen, dass sich zwischen ihnen ausgebreitet hatte, brachen sie nur beim Kauf eines kleinen Frühstücks. Das Gebäck war noch herrlich warm, ebenso der würzige Kaffee, den Ana so selten trank, da er recht teuer war. Jeder Schluck pumpte Leben in ihre Glieder. "Spätestens jetzt hast du mir die Getränke von vorgestern zurück gezahlt", sagte Ana kleinlaut. Guter Kaffee hatte eben seinen Preis.
    Gestärkt erreichten sie die große Eisenbrücke, um die Meerenge zu überqueren. Der Ausblick war fantastisch und Ana hielt das Gesicht in den lauen Wind, der von Sonne und Meer sang. Hoch oben über den Fluten vermochte er sogar den Gestank der Stadt zu verdrängen und Ana sog seinen Duft ein, einen Duft, den sie am liebsten immer am Körper getragen hätte, wenn es jemandem gelungen wäre, ihn einzufangen und in ein Parfum zu bannen.Selig lächelte Ana Farael an. "Jedes Mal, wenn ich es eine Weile nicht gesehen habe, auch wenn es nur ein paar Stunden sind, bin ich aufs Neue von seiner Schönheit überrascht. Selbst hier." Fragend runzelte Farael die Stirn. "Das Meer natürlich", lachte Ana daraufhin und erstrahlte regelrecht, steckte den Alben damit an, der ihr den heilen Arm um die Taille legte und sie an sich zog. Ana ließ es geschehen und den Kopf an seine Schulter sinken. Erst in der Oberstadt lösten sie sich von einander und Ana spürte Faraels Nervosität. "Wir sind etwas spät", sagte er mit Blick zur Sonne und so blieb es Ana verwehrt, sich in diesem Teil Obenzas ein wenig genauer umzusehen. Obwohl sie nun doch schon einige Zeit in der Stadt lebte, war sie noch nie hier gewesen, stellte sie erstaunt fest. Vielleicht würde nach der Arbeit noch Zeit sein, auf Erkundungstour zu gehen. Sie eilte Faraels schnellen Schritten hinterher, bis die Häuserreihen lichter wurden und die Luft reiner, auch wenn sich der Geruch von Verbranntem verstärkt hinein mischte. Sie näherten sich den Ruinen des Söldnerlagers und seinem abrupten Stoppen und den weit aufgerissenen Augen zu Folge, hatte Farael nicht mit einer derartigen Zerstörung gerechnet. Hier lag kein Stein mehr auf dem anderen und so konnte Ana in der Ferne schon ein paar Gestalten erkennen, die lustlos herum lungerten.

    Whisk(e)y ist flüssiges Sonnenlicht
    ~ George Bernard Shaw ~

  • Nach einer gefühlten Ewigkeit bequemte sich ENDLICH ihr Auftraggeber zu ihnen. Er hatte irgendwen im Schlepptau. Die drei angeheuerten Söldner sprudelten nicht gerade vor arbeitsbezogenem Tatendrang über. Cherax hielt auf der Wiese einen Mittagsschlaf, den Kopf auf seinen Rucksack gebettet, und Sodo nahm ein paar Fische aus, die er in der nur hundert Meter unter ihnen liegenden Tangobucht für sie zum Mittagessen geangelt hatte. Der dritte Mann, der Mensch Bulgor, fütterte ihr Lagerfeuer mit Trümmerstücken.


    "Pech für euch", begrüßte Sodo Farael und seine Begleitung, ohne von seinem Treiben aufzuschauen. "Ihr kommt genau zur Mittagspause. Und ich habe nur drei Fische geangelt."

  • Noch bevor Ana und Farael bei den Söldnern ankamen, beschloss Farael zwei der Tränke zu nehmen. Einerseits um die Schmerzen der Verletzung zu unterdrücken, aber auch seine Energie für den Tag aufrecht erhalten zu können. Wer wollte schon einen verletzten und schwachen Anführer sehen? Doch während er trank, blickte ihn Ana vorwurfsvoll an. Ihr schien es nicht zu gefallen, wie er handelte. Für einen Moment meinte er, in ihrem Blick Sorge zu erkennen. Mit einem warmen Lächeln und Nicken versuchte Farael, seine Begleitung zu beruhigen. Auch wenn es nicht so aussah, nahm er sich vor, sich zu schonen. Zumindest so weit, wie es sich verstecken ließ.


    Als sie schließlich näher kamen, erkannte Farael die drei Gestalten, die sich auf den Trümmern ein Lagerfeuer gebaut hatten und darauf offenbar Fisch braten wollten. Zuerst dachte sich Farael, dass er nicht richtig sah und tat es vorerst als Beschäftigung ab, um auf seine Ankunft zu warten. Doch dann riss Sodo sein Maul auf und daraus entfleuchten respektlose Worte, die das Bild festigten. Na ganz große Klasse. Scheinen doch nicht so fähig zu sein, wie ich erwartet habe. Oder einfach nur dumm. Oder faul. Vielleicht auch alle drei Dinge.


    Jedoch entschied sich Farael vorerst ruhig zu verhalten und die Truppe, allem voran Sodo, nicht sofort zurechtzustutzen. Mit ruhiger aber ernster Stimme erwiderte er schließlich: "Mittagspause also, ja? Nun gut. Bolgur, du weißt wie es läuft." Augenblicklich erhob sich Bolgur und stellte sich vor Farael auf.


    "Ja, Kommandant!", antwortete dieser in einem gehorsamen Ton. Worauf er direkt die erste Hälfte des Soldes von Farael erhielt. Bolgur wusste noch, wie es laufen konnte und laufen würde. Einerseits konnte man die Disziplin unter Farael zeigen und würde entsprechend entlohnt. Oder aber man verhielt sich wie ein Arsch und bekam die Quittung dafür. Sodo und Cherax hatten die Wahl. Für Farael standen die Konsequenzen bereits fest, wenn sie nicht folgten und sich an ihre Abmachung hielten. Zudem noch respektlos ihm gegenüber waren.


    Für den Moment ließ Farael Ana außen vor und beachtete sie nicht. Zugleich tat es ihm ein wenig leid, doch noch war nicht der richtige Zeitpunkt sie mit einzubeziehen.

  • Sodo legte den Fisch sorgfältig auf einem Holzbrett ab und lutschte sich die Finger sauber. Nebenbei trat er Cherax etwas, so dass der aufwachte, und wies mit dem Kopf zu Farael, der Bolgur gerade den Sold aushändigte. Cherax stand auf und sie stellten sich in einer perfekten Reihe neben Bolgur. Sodo hatte keine Ahnung, wie der Kommandant gegrüßt werden wollte, jeder hatte da seine persönlichen Marotten. Sein Kamerad wusste es auch nicht, also stellten sie sich einfach stramm und salutierten, wobei sie es sich verkniffen, Farael auf seine Geldbörse zu schauen.

  • Mit argwöhnischen Blicken betrachtete Farael sowohl Sodo als auch Cherax, wie sie in Reihe fielen und die ihnen antrainierte Disziplin sprechen ließen. Ihren anfänglichen Eindruck einer undisziplinierten Art machten sie somit wieder wett, auch wenn es in diesem Moment ein wenig zu viel des Guten war. Vermutlich war Bolgur der Auslöser dafür gewesen, als er Farael Kommandant nannte. Letzten Endes war das Farael nicht - noch nicht. Ob es sich ändern würde, sollte sich bald zeigen. Seine Vision war klar und Ana hatte diese in ihm wacher gerufen, als sie zuvor schon war.


    Ohne ein anfängliches Wort zog Farael zwei Stoffbeutel hervor, welche auffällig klimperten und warf diese den anderen Söldnern zu. Sicherlich freuten sie sich über diese kleine Finanzspritze, da es Söldner zur aktuellen Zeit in Obenza nicht leicht hatten, sofern sie nicht in die Verbrechersyndikate der Stadt mit hineingezogen werden wollten.


    "Geht doch. War es so schwer?", fragte Farael rethorisch und erwartete keine Antwort auf diese Frage. Stattdessen beschaute er sich die stramme und militärische Haltung der beiden Söldner, während Bolgur neben ihnen zwar in Reih und Glied stand, dabei sogar recht diszpliniert wirkte, aber durchaus eine entspannte Körperhaltung aufwies. "Jetzt zieht euch den Stock aus'm Arsch und nehmt eure Hand runter. Entspannt euch. Wir sind Söldner, nicht das Militär. Ich möchte nur das ihr euch merkt, dass ihr die Hand die euch bezahlt respektiert, denn ich respektiere euch für eure Fähigkeiten und Arbeitskraft. So lang ihr euren Job erledigt, werdet ihr bezahlt. So lang ihr mich respektiert, respektiere ich euch. Dann können wir uns Dinge wie militärischen Drill sparen, sofern es gerade nicht ums Training oder einen Apell geht."


    Für einen Moment besah sich Farael den Trümmerhaufen, in dem sie standen. Es war wirklich kaum etwas vom Feuer verschont geblieben. Wenn man aus diesem Ort etwas machen wollte, musste man sehr viel Arbeit, Zeit und Geld hineinstecken. "Okay, damit wäre das geklärt. Wozu ich euch brauche, ist ganz simpel. Ich möchte hier aufräumen. Die letzten verschütteten Wertsachen bergen und den Platz räumen. Es geht erst einmal nur um das generelle Aufräumen, nicht um's Entsorgen. Das sollte uns vier bis fünf Tage beschäftigen. Je nachdem, wie gut wir vorankommen. Ana", Farael deutete auf die Norkara hinter sich,"wird uns bei dem Aufräumen helfen. Alles was ihr noch an Wertsachen findet, sammeln wir auf einen Haufen und entscheiden dann, was wir damit tun. Wen ich dabei erwische, der sich irgendwas einfach so einsteckt, bekommt die zweite Hälfte seines Soldes nicht."


    "Bevor wir allerdings anfangen, habe ich noch eine Frage.", merkte Farael an und betrachtete alle Anwesenden. "Wisst ihr etwas darüber, wie das hier passiert ist?" Dass das Söldnerlager einfach so abgefackelt worden war, konnte sich Farael nicht vorstellen. Entweder muss ein verheerender Unfall passiert sein, oder aber jemand hat das Lager sabotiert. Beides waren Möglichkeiten, die in und um Obenza nicht auszuschließen waren.