Mission in My'shu

  • Terry metzelte sich durch seine Gegner, dass es eine wahre Freude war. Lange hatte er nicht solchen Spaß gehabt! Das Arashischwert, dass man ihm geschenkt hatte, war dünn und leicht, was dafür sorgte, dass er langsamer ermüdete als mit der Almanenwaffe, mit der er früher gekämpft hatte. Terry war bei weitem kein guter Techniker, aber er war furchtlos und brutal, was diesen Makel recht gut wettmachte. Seine imposante Gestalt tat ihr Übriges, um die meisten Gegner bereits von seinem bloßen Anblick einzuschüchtern. Kommandos gab er seinen Männern nur wenige. Sie hatten diese vorher erhalten und wussten, was ihre Aufgaben waren, den Rest mussten sie selber erledigen. Er war ja nicht das Kindermädchen hier.


    Während er im Kampfesrausch schwelgte, entdeckte er plötzlich den Arashi, der ihm den Rum mit einer Pipette in den Tee geträufelt hatte. Er hatte seinen Namen wieder vergessen, gedanklich nannte er das Kerlchen seither nur den Pipettenmann. Sein Gegner war ein anderer Arashi und es sah nicht gut aus. Terry wirbelte herum, rannte zu den beiden und noch im Rennen verpasste er dem Feind einen Tritt in die Hüfte, dass er in der Mitte einknickte und nach hinten wegflog. Terry war in zwei Schritten über ihm und rammte ihm das Schwert in die Brust. Er machte sich nicht die Mühe, zu überprüfen, ob der Mann sofort tot war, es spielte keine Rolle, ob er jetzt oder in ein paar Stunden krepierte. Hauptsache war, Shakuro war in Sicherheit. Ach ja, Shakuro, so war der Name des Arashi gewesen.


    "So sieht man sich wieder", sagte Terry mit breitem Grinsen, hob Shakuros Schwert auf und reichte es ihm zurück. Der Norkara keuchte schon ziemlich und irgendwo musste er bluten, aber er hatte keine Ahnung, an welcher Stelle, da er in diesem Zustand kaum Schmerzen verspürte. "Der Hafen ist gesichert. Ich schenke ihn dir, man kann den so schlecht mit nach Hause nehmen. Was jetzt?"

  • Ragosh‘ Frage war gut. Ja – wohin wollte er? Er hatte keinerlei Befehl in dieser Schlacht, war nicht in die Planung mit einbezogen worden. Aus dem Augenwinkel sah er, dass auch Mosoro ihn erwartungsvoll ansah, wann immer die Kämpfe lange genug pausierten. Eigentlich hatte Sasuke gehofft, dass man ihn nun über das weitere Vorgehen informierte und nicht umgekehrt. Schnell duckte er sich unter einem Eisschwert hinweg und durchbohrte den Alben, der ihn einen Kopf kürzer hatte machen wollen. Er zog seine Waffe zurück und blickte in die weit aufgerissenen Augen des Kämpfers – nein: der Kämpferin. Noch immer wartete der Ork auf eine Antwort und das zu Recht. Mitten in dieser Straße zu verharren brachte ihnen am Ende vermutlich nichts als den Tod. Sie mussten sehen, dass sie eine sinnvolle Aufgabe fanden, um zur Beschließung dieser Schlacht beizutragen. Sasuke grübelte. Es gab noch immer einen Auftrag… doch Dimulon Eisträumer konnte mittlerweile schon über alle Berge sein. Er blickte in die Richtung, in die der riesige Eisbär davon gestürmt war. Norden… Und fasste einen Entschluss.
    „Wir schlagen uns zum nördlichen Stadtrand durch und helfen die Stadt zu verriegeln“, sagte er bestimmt, als wäre das von Anfang an sein Plan gewesen. „Wenn ihr unterwegs den Eisbärreiter seht, sagt mir Bescheid.“

    Ein schwacher Körper schwächt die Seele

    Jean-Jaques Rousseau

  • Shakuro Aisako


    Der merkwürdige Wunsch, laut aufzulachen, kochte in Shakuro hoch, als die Anspannung abfiel und er erkannte, dass er noch nicht sterben musste. Gleichzeitig wäre er dem großen Norkara am liebsten um den Hals gefallen. Doch er beherrschte sich und nahm das Schwert entgegen.
    „Terry!“, rief er aus und versuchte sich in dem kurzen Moment, in dem keine neuen Angriffe folgten, zu sammeln. „Du hast mir das Leben gerettet!“
    Aus der Nähe betrachtet war dem Piraten die Anstrengung der Kämpfe anzusehen.
    „Im Norden wird die Stadt befestigt. Wir haben die Aufgabe, das Hafenviertel zu säubern. Ihr könnt uns gerne dabei helfen, wenn ihr möchtet, doch wenn nicht, seid ihr frei zu gehen. Die Abmachung wurde erfüllt.“
    Noch während er die Worte sprach, ärgerte sich Shakuro darüber. Er hätte sich die Unterstützung der wilden Männer aus dem Süden zu gerne noch ein wenig gesichert, doch seine Ehre verbot es. Den Rest von My’shu zu erobern war eine Sache, den Hafen dauerhaft zu halten eine andere. Die Pläne dafür standen, allerdings waren die Arashi per se keine Seefahrer, zumindest nicht im gleichen Maße wie die Norkara, und es gab einen Stamm dort draußen, der ihr Feind war. Auch die Frostalben verstanden sich besser mit Schiffen oder schwimmenden Reittieren. Deshalb hatte es sogar zur Debatte gestanden, den Hafen komplett zu zerstören und die Stadt vom Seeweg abzuschneiden. Da man sich dadurch allerdings selbst mehr schadete, als half, hatte man dagegen entschieden. So würden sie sich auf eine Barrikade bestehend aus der eigenen Flotte, ein in Shakuros Augen wenig verlässliches Warnsystem und einige schwere Geschütze an Land verlassen müssen, um einen möglichen Angriff über den Seeweg abwehren zu können. Wie auch immer – es war nicht an Shakuro sich darüber Gedanken zu machen. Er hatte seinen Anteil erbracht. Im Geiste legte er sich schon geeignete Worte für einen endgültigen Abschied zurecht, als ihm etwas einfiel.
    „Allerdings… wenn ihr nun geht, können wir gar nicht gemeinsam auf den Sieg anstoßen!“
    Zu spät wurde ihm klar, dass er diese Wort eventuell bereuen könnte.

    Ein schwacher Körper schwächt die Seele

    Jean-Jaques Rousseau

  • "Wenn ich einen Eisbeer sehe hole ich mir sein Fell" sagte Ragosh sichtlich zufrieden und schlug sich zum Abschluss auf die Brust, so reservierten Orks sich irgendwelche Beute im voraus. Als Sasuke sagte sie sollten Richtung Norden war das wirklich sehr grob gesagt doch der Trupp machte sich auf in die Richtung. Überall sah man Tote hier und da waren es sogar ein paar Alben doch die Zahl der Menschenopfer war höher. Sie wurden kaum aufgehalten der Teil der Stadt war wohl bereits gesäubert worden und man merkte das die Kämpfe deutlich zunahmen. Das lag wohl daran das sie zum Tor der Stadt kamen.


    Die Zahl der Frostalben wurde höher, sie kämpften nun verbissen vermutlich wussten sie das sie. überrumpelt worden waren. Es schien auch keine Verstärkung für sie unterwegs zu sein oder derartiges, die Menschen kämpften oft in der Überzahl doch sobald sich die Frostalben formieren konnten mieden sie diese direkt anzugreifen. Viele wählten Pfeil und Bogen hier und da sah man auch Wurfmesser fliegen. Doch die letzten Frostalben kämpften mit dem Mut der Verzweiflung.


    Als sie noch eine Straße abbogen sahen sie das Tor und dort waren die Kämpfe noch am heftigsten. "Ich denke weiter nördlich wird kaum gehen, ich kann keinen Bären sehen ihr etwa?!" der Ork war angespannt überall waren Feuer ausgebrochen und man hörte wie Waffen aufeinander trafen und das Wehklagen der Verwundeten, diese Schlacht war eine wahre Orgie des Blutes das konnte man nicht anders sagen. Dem Ork begann diese Art der Schlacht zu gefallen, er grinste etwas und schaute Sasuke an "bald geht die Sonne auf, diese Spitzohren kämpfen wieso geben sie nicht auf?!".

  • "Richtig, unser Teil der Abmachung wurde erfüllt. So gern ich bleiben würde, Herr Pippetenmann, ich muss auch wirtschaftlich denken. Du hast bezahlt und hast deine Gegenleistung bekommen. Jetzt ist der Augenblick, Lebewohl zu sagen."


    Terry legte seine gewaltige Pranke auf das Schülterchen von Shakuro. Er merkte, dass der kleine Arashimann gar nicht so schwach war, wie er aussah, in seinem drahtigen Körper schlummerte immenses Potenzial.


    "Tu mir einen Gefallen und überlebe, ja? Du bist hier der Mann mit der Pipette. Auf deinen Schultern lastet eine große Verantwortung. Ohne dich sind die alle aufgeschmissen, denn ohne dich bliebe ihr Tee nur Tee und würde niemals zum Grog werden. Reißt den Frostalben ihre bleichen Hintern auf. Und wenn es so weit ist, schick mir eine Einladung und dann komme ich pünktlich, um eure Befreiung mit euch zu feiern. Aber nur, wenn es dann wieder Tee mit Schuss gibt."


    Er grinste und klopfte Shakuro exakt einmal, dann drehte er sich um und ging, ohne noch einmal zurückzublicken.


    "Verwundete auflesen!", befahl Terry seinen Leuten.


    Die Rabennorkara stachen wieder in See. Was von ihrer Flotte noch übrig war, drehte bei und langsam schoben sich die Boote mit den bemalten Segeln hinauf aufs Meer, um zurück zu den Rabeninseln zu kehren. Nun drehte Terry sich doch noch einmal um und betrachtete die Stadt. "Mögen die Götter dich schützen", murmelte er. Dann drehte er sich wieder in Richtung offene See.


    "Ab nach Hause, ihr Hurensöhne! Nach Hause!", brüllte er gut gelaunt, während der eisige Wind in sein karottenrotes Haar fuhr. Die Flotte wurde kleiner und verschwand am Horizont.

  • Das Grauen steigerte sich mit jedem Toten, den sie passierten und legte sich schwer wie Stahl in Sasukes Magen. Ragosh hatte Recht. Obwohl der Kampf so gut wie entschieden war, gaben die Alben nicht klein bei. Entweder sie hofften weiterhin auf Verstärkung oder sie wollten so viele Arashi mit in den Tod reißen, wie nur möglich. Immer wieder wurde die Gruppe in Gefechte verwickelt, die dichter wurden, je näher sie dem Tor kamen. Trotz der Kälte war Sasuke nass geschwitzt und sein Körper sehnte sich nach Erholung. Wieder und wieder riss er sein Schwert hoch, um einen Schlag abzuwehren, obwohl ihm die Arme brannten und seine Schnelligkeit nachließ. Ein Alb mit einer üblen Wunde an der Seite traf ihn mit dem Schaft seines Speers an der Schulter und Sasuke knickte unter der Wucht ein, hob blind seine Waffe und hörte Eis brechen. Er sah auf, gerade als das abgebrochene Ende des Speers in Richtung seines Gesichts schoss und duckte sich darunter hinweg. Nein. Sie gaben tatsächlich nicht auf. Aufgeschlitzte Leiber, zerbrochene Waffen, nichts hielt diese Alben davon ab, weiter zu kämpfen.
    „Zieht ab“, knurrte er. „Ihr werdet alle sterben.“
    Zu seiner Überraschung lachte der Alb. „Wir sind sowieso schon alle tot.“
    Sasuke parierte seinen Schwinger mit einem Fußtritt und versenkte das Schwert in der Kehle des Mannes. Er verstand. Immerhin hatte er die Frostalben lange genug beobachtet. Wenn die Stadt fiel, würde jeder einzelne Überlebende, geflohen oder freigelassen, für diese Schmach bezahlen. Und die Frostalben kannten nur eine Strafe.
    Keuchend zog Sasuke das Schwert aus dem Toten und bemerkte einen blutigen Tatzenabdruck auf dem Boden. Da! Noch einer und noch einer. Das Getümmel um sich herum ignorierend, folgte er den Spuren. Eisträumer war hier entlang geritten und er hatte eine Spur des Todes hinterlassen. Entsetzen lähmte Sasuke und er schnappte nach Luft. Er hatte versagt. Es war sein Auftrag gewesen, den Oberst zu beseitigen. Stattdessen war der Nekromant entkommen und sein Eisbär hatte alle, die sich ihm in den Weg gestellt hatten, in Stücke gerissen.
    Schnell schickte er ein Stoßgebet zu Segira und stürzte sich dann mit einem lauten Schrei wieder ins Getümmel. Die Reihen der Alben lichteten sich und sie erreichten das Tor.


    Außer Atem erklomm Sasukes Gruppe den Wehrgang, von wo sie einen guten Blick zu allen Seiten erhaschen konnten. My’shu war ein einziges Chaos. Der Kampfeslärm war zu einem allgegenwärtigen Hintergrundgeräusch angeschwollen, hie und da stiegen Rauchsäulen in die Höhe und wo man hinsah, färbte Blut den Boden. Auch vor der Stadt hatten Kämpfe stattgefunden, die dann entweder versiegt oder in das Innere der Stadt verlegt worden waren.
    „Segira sei uns gnädig…“
    Ein junger Arashi, der zwei Kurzschwerter führte, starrte mit weit aufgerissenen Augen auf die Ebene vor My’shu hinaus. Sasuke folgte seinem Blick. Reihe um Reihe standen sie am heller werdenden Horizont. Ihre eisigen Waffen funkelten und blitzten und beinahe konnte man meinen, die Luft um sie herum gefrieren zu sehen. Einige Hundert mochten es schon sein, schätzte Sasuke und sah zu seinen Kumpanen. Ragosh der Ork blickte grimmig hinaus und hatte seine Waffe fest gepackt. Seine Entschlossenheit war unverkennbar, doch Sasuke bezweifelte, dass Entschlossenheit alleine reichen würde.
    „Sichert das Tor“, murmelte er mehr zu sich selbst, obwohl alle verfügbaren Arashi bereits ihr bestes taten, genau das zu tun. Gleichzeitig wusste er, dass My’shus Befestigungen einer Belagerung in diesem Zustand nicht Stand halten würden.
    Vor den Reihen der Frostalben bewegte sich etwas. Sasuke kniff die Augen zusammen und beinahe hätte er bitter auflachen mögen. Das hätte er sich auch denken können…
    Der riesige Eisbär trottete vor den Kriegern entlang, auf seinem Rücken noch immer Eisträumer, der beide Arme hob und etwas zu rufen schien. Eine Weile geschah nichts. Dann drehte er sich um, hob abermals die Hände. Es begann… Vage nahm Sasuke wahr, wie unten Befehle gebrüllt wurden, obwohl es noch immer Kämpfe gab, versuchte jemand Formationen zu bilden, das Tor wurde verriegelt und auch auf dem Wehrgang wurden hektisch Waffen weitergereicht, alte Verteidigungsanlagen bemannt und Pfeile bereit gelegt.
    Anstelle zu stürmen, wandten die Alben My’shu allerdings zu Sasukes vollkommener Überraschung plötzlich den Rücken zu und marschierten ab. Eisträumer blieb stehen und Sasuke hätte schwören können, dass er ihn ansah, auch wenn es fast unmöglich sein musste, aus der Entfernung jemanden in dem Getümmel um das Tor herum zu erkennen. Dann, ganz langsam, setzte sich das große Tier in Bewegung und der Nekromant folgte den Kriegern in den Horizont hinein.
    „He, Sasuke“, Mosoro stieß ihn an. „Bist du taub? Ich sagte, wir müssen schnellsten Kyako finden! Jeder, der gehen kann, muss helfen die Stadt zu befestigen.“
    „Sie sind abgezogen“, murmelte Sasuke halb in Gedanken versunken, versuchte sich auszumalen, was Eisträumer planen könnte.
    „Und du glaubst, dass sie weg bleiben? Das war eine Machtdemonstration! Wir sollten schauen, dass wir diesen Ort hier dicht machen, sonst war alles umsonst.“

    Ein schwacher Körper schwächt die Seele

    Jean-Jaques Rousseau

  • Shakuro Aisako


    Es wurde stiller im Hafen. Beinahe wehmütig blickte Shakuro hinaus auf das Meer, das vor kurzem Terry und seine Flotte geschluckt hatte. Wo zuvor noch die Schiffe der Norkara lagen, arbeiteten Arashi nun unermüdlich an der Absicherung des Hafens. Wie es in den Stadtteilen landeinwärts aussah, wusste Shakuro nicht. Überrannt worden konnte sie dort aber nicht sein, sonst wären schon lange weitere Alben ins Hafenviertel nachgerückt.
    Er seufzte. Wie ein Sieg fühlte es sich irgendwie nicht an. Überall lagen Tote, die Stadt brannte stellenweise und wirkte auf einmal so schutzlos auf Shakuro. Widerständler wie Städter hatten begonnen die Gefallenen aufzubahren, um sie zu verbrennen. Sie konnten das Risiko nicht eingehen, sich die Seuche hierher zu holen. Andere sammelten Waffen und Rüstungsteile ein, die noch von Nutzen sein konnten. Wieder andere kümmerten sich um Verwundete und dann gab es noch diejenigen, die die Toten betrauerten. Was wohl aus Sasuke geworden war? Hatte er es geschafft, den Kommandanten der Besatzer auszuschalten? Lebte er noch? Falls ja, nahm Shakuro sich fest vor, sich bei ihm dafür zu entschuldigen, dass er ihn im Unwissen gelassen hatte.
    „Shakuro Aisako?“
    Die Stimme eines Jungen durchbrach seine Gedanken.
    „Man sagte mir, Ihr seid Shakuro Aisako.“
    „Der bin ich.“
    „Ich habe ein Schreiben für Euch.“
    Stirnrunzelnd nahm Shakuro das versiegelte Schriftstück entgegen. Gelbes Wachs, eine Blüte. Das kam aus der Parteispitze.
    „Äh danke“, murmelte er, ohne aufzusehen und entrollte das Papier an Ort und Stelle.
    Er las es mehrfach, dann knüllte er es zusammen, steckte es ein und machte sich auf den Weg zu seinem Laden. In den Straßen wurde er mit noch mehr Leid, noch mehr Toten und Verwundeten konfrontiert. Ein kleines Mädchen schrie nach seiner Mutter, eine alte Frau beweinte einen jungen Mann, eine andere eine ganze Familie. Shakuro konnte sich der Schuldgefühle nicht verwehren. Trug er nicht die Verantwortung? Hatte er dem Vorhaben nicht zugestimmt, es gar empfohlen? Das letzte Stück rannte er fast, floh sich in sein Haus und tigerte darin auf und ab. My’shu war zurückerobert, doch es befand sich in chaotischen Zuständen. Viele junge Leute waren gestorben und nun noch das? Er fischte das Schriftstück hervor. Sasuke wurde aus My’shu verbannt… er hatte seinen letzten Auftrag, Eisträumer auszulöschen, wieder nicht erfüllt, wieder enttäuscht. Zur Strafe sollte er die Stadt verlassen und den Oberst jagen, im Feindesland spionieren. Und er, Shakuro, war ausersehen worden, ihm das nahe zu bringen. Partei hin oder her… Sasuke war sein Freund! Shakuro wusste, dass der junge Kerl nichts lieber wollte, als seine Familie wieder zu sehen und dieser Wunsch rückte gerade in weite Ferne. Wenn überhaupt… sie schicken ihn in den Tod, dachte er.
    Neben all dem Leid unter der Bevölkerung nun auch noch das… Shakuro ließ sich auf den Boden sinken und rieb sich die Stirn. Wie ein Häuflein Elend saß er da, schmutzig und stinkend, bis ihm etwas einfiel. Langsam ging er hinauf in seine Wohnräume und setzte Wasser auf. Der Geruch des Tees hauchte ihm neues Leben ein und dann tat Shakuro etwas Ungeheuerliches… Kurz blickte er nach oben, wie um zu prüfen, ob Segira ihn beobachtete, griff entschlossen zu der Pipette neben dem Fass und gab zwei volle Ladungen Rum in den Tee. Er atmete tief durch und trank.
    „Grog also... Auf dich, Terry.“

    Ein schwacher Körper schwächt die Seele

    Jean-Jaques Rousseau

  • Hier und dort schrien Verwundete überall war der Tod präsent. Die Waffe des Orks war überströmt mit dem Blut von Frostalben diese Schlacht war endlich zu ihren Gunsten entschieden. Die letzten Albe fielen unter ihren Waffen, der Widerstand war endlich gebrochen doch der Preis dafür war höher als gedacht. Das was von der Stadt noch übrig war brannte lichterloh, die Menschen hatten alle Hände voll zu tun diese Brände wieder in den Griff zu bekommen, doch schien es ihnen zu gelingen. Sasuke der die Gruppe anführte und offenbar hier das sagen hatte, erklomm den Wehrgang Ragosh sowie die anderen folgten ihm.


    Als sie oben angekommen waren, sahen sie auch hier noch einmal deutlich wie stark der Wille, der Besatzer gewesen sein musste. Es lagen viele Frostalben hier, man konnte meinen sie sahen die Mauer als letzte Rückzugslinie. Eine Bewegung am Horizont weckte seine Aufmerksamkeit es war eine Linie aus Soldaten?! Die Verstärkung war angekommen, das konnte doch nicht wahr sein! Es waren viele von den Spitzohren, zu viele es mussten Hunderte sein. In seinem Innern hatte Ragosh schon daran geglaubt das dies, seine letzte Schlacht werden würde. Den Griff seines Schwertes fest umklammert stand er da, er bleckte seine Zähne und schaute zu Sasuke um ihn zu signalisieren das er dabei war, sollte es dazu kommen das letzte Gefecht zu führen.


    Doch dazu kam es nicht, der Bär den Sasuke vergeblich nachgejagt war stolzierte vor der Armee auf und ab. Direkt danach drehte sich die Streitmacht um und rückte ab, der Mann der ihnen etwas zu rief hatte recht es war eine reine Machtdemonstration gewesen. Dem Ork fiel eine Bewegung auf der Mauer ins Auge, es war eine Albin die schwer verwundet auf dem Boden lag, in ihrer Brust steckten zwei Pfeile und sie schaute voller Hass zu ihm empor. Sie versuchte ihre Waffe zu greifen doch der Ork stellte sich, auf ihr Handgelenk und schaute sie höhnisch grinsend an. "He Sasuke!" rief er grimmig "hier lebt noch eine, von denen die macht es nicht mehr lange, wir könnten sie doch befragen vielleicht weiß sie irgendwas!". Falls der Mann kein Interesse daran hatte, sie zum singen zu bringen hatte der Ork die Spitze seines Schwertes auf ihren Hals gelegt, sie sollte nicht die Möglichkeit bekommen auf dumme Gedanken zu kommen.

  • Nur mühevoll wandte Sasuke sich vom Horizont ab und versuchte zu verstehen, was gerade passiert war. Bis Ragosh‘ Worte in seinem Verstand ankamen, brauchte es einen Moment. Er trat neben den großen Ork.
    „Auf jeden Fall“, sagte er leise. „Gute Arbeit. Die behalten wir.“
    Würde sie ein wenig Licht ins Dunkel bringen können? Hatte sie Information über Dimulon Eisträumer und dessen Pläne? Irgendetwas sagte Sasuke, dass der Oberst am liebsten in Eigeninteresse handelte, doch ab einem gewissen Punkt musste auch er sich dem Willen des Regenten fügen und damit den Absichten der Frostalben insgesamt.
    „Moroso“, setzte Sasuke an. „Ich brauche einen ungestörten Ort. Ragosh und ich werden die hier so weit wie nötig aufpäppeln und befragen.“
    Der Mann nickte und wies nach unten. „Das Quartier für die Wachablösung scheint recht unversehrt zu sein. Ihr könnt dort hinein gehen. Ich schließe mich mit meinen Männern den Befestigungsarbeiten an. He!“, rief er dem nächsten Krieger zu. „Hat hier jetzt endlich mal jemand Kyako ausfindig gemacht?!“ Er ließ Sasuke und Ragosh stehen und eilte weiter.


    „Kannst du sie tragen?“ Die Frage war im Prinzip Blödsinn, denn es war offensichtlich, dass Ragosh die Albenfrau wahrscheinlich mit nur zwei Fingern hochheben konnte. Doch Sasuke wollte sicherstellen, dass es dem Ork nichts ausmachte. Wenn die Kriegerin Schmerzen hatte, dann kaschierte sie es recht gut durch den blanken Hass in ihrem Blick.


    Obwohl die Kämpfe mittlerweile versiegt waren, spähte Sasuke zunächst vorsichtig durch eines der zerbrochenen Fenster der Wachstube, stieß dann mit dem Fuß die Holztüre auf und ging langsam mit erhobener Waffe hinein. Das Quartier war verwaist. Schnell nahm Sasuke einige Tonkrüge und Teller vom Tisch, damit Ragosh die Frau dort ablegen konnte. In jedem Wachhaus gab es einen Arzneischrank, doch Sasuke wollte der Albin nicht zu leichtfertig entgegenkommen. Sie brauchten Informationen. Falls die Frau Hilfe brauchte, musste sie sich diese erkaufen.

    Ein schwacher Körper schwächt die Seele

    Jean-Jaques Rousseau

  • Mit verschränkten Armen stand Sasuke vor dem Tisch und wartete. Ragosh stand seitlich hinter ihm und Sasuke musste sich nicht umdrehen, um zu wissen, dass die Hand des Orks auf dem Heft seiner Waffe ruhte. Die Albin starrte ihn aus ihren bleichen Augen hasserfüllt an ohne zu blinzeln.
    „Wie sind eure Befehle bezüglich der Stadt?“, wiederholte Sasuke seine Frage, obwohl er keine Antwort erwartete. Eile half nicht weiter. Er musste Zeit investieren, die er nicht hatte, um die entscheidende Schwachstelle zu finden. Sofort war ihm aufgefallen, dass die Frostalbin eine schmerzhafte Wunde an der Seite hatte, auch wenn sie offensichtlich nicht stark blutete. Trotz ihrer Bemühungen konnte sie die Schonhaltung nicht verbergen.
    Sasuke spürte Ragosh‘ Ungeduld, doch der Ork hielt sich im Hintergrund, bereit das Verhör auf seine Art fortzuführen, sollte Sasuke ihm einen Wink geben. Noch war es aber nicht so weit. Frostalben offen zu bedrohen schürte ihren Trotz und verstärkte ihren Willen. Unter Androhung von Gewalt werden sie mehr und mehr wie das Eis, das sie verehren, dachte Sasuke.
    „Du fürchtest den Tod nicht, denn du weißt, dass er dich sowieso ereilt, durch die Hand des Feindes oder durch die deiner eigenen Leute. Wahrscheinlich wünscht du dir sogar, hier zu sterben.“
    Weiter funkelte sie ihn an. Ihre Mimik veränderte sich nicht, doch Sasuke wusste, dass sie sich über seine Worte ärgerte. Weil sie der Wahrheit entsprachen.
    „Ich werde dafür sorgen, dass du nicht hier stirbst. Wie sind eure Befehle bezüglich der Stadt?“
    Er trat näher an den Tisch heran. Sie hatten die Frau nicht fixiert, doch Sasuke fürchtete sich nicht vor einem Angriff. Beinahe sanft legte er seine Hand auf ihre Seite, ohne sie aus den Augen zu lassen. Sie versteifte sich etwas, ansonsten regte sie sich nicht. Wie erwartet. Sie wollte die Wunde kaschieren, doch zu spät. Sasukes Finger glitten unter das lose Rüstungsteil und er drückte mit dem Knöchel des Zeigefingers zwischen die Rippenbögen. Ein Keuchen entfuhr der Kriegerin und Sasuke bohrte weiter, drehte die Hand von einer auf die andere Seite. Sein Verdacht bestätigte sich. Mehrere Rippen waren gebrochen. Mühevoll rang die Albin um Beherrschung, fletschte mit den Zähnen und knurrte. Dann griff sie an. Während Sasuke seinen Arm hochriss, um ihren Schwinger abzuwehren, trat Ragosh vor und der Knauf seines Schwerts traf die Albin übel am Kinn. Ihr Kopf wurde zurück geschleudert und Blut spritzte. Gleichzeitig verstärkte Sasuke den Druck auf ihre Rippen. Reste eines unterdrückten Schmerzensschreis entwichen ihrer Kehle, doch als sie den Kopf wieder nach vorne nahm, hatte sich die Entschlossenheit in ihrem Blick nicht verändert.
    „Ich sterbe hier.“
    Ihre Stimme war heller als erwartet und erinnerte viel mehr als ihr Aussehen daran, dass sie weiblich war. Tief in seinem Innern wusste Sasuke, dass dies die einzigen Worte waren, die er von ihr zu hören kriegen würde und er wusste auch, dass sie seine Frage beantworteten. Dies war der Befehl. Dies war alles, was die Kriegerin wusste.
    Einen Augenblick lang stand er regungslos da und musterte sie. Dann zog er in einer blitzschnellen Bewegung seinen Dolch und eine helle rote Linie erschien auf der weißen Kehle der Albin. Überraschung blitzte durch ihre Augen. Ihre Finger tasteten nach der Wunde, fanden Blut und ein Röcheln entfuhr ihr.
    „Sie weiß nichts. Und es widerspricht Segiras Willen, einen Gegner unnötig leiden zu lassen“, erklärte er leise, obwohl Ragosh nicht gefragt hatte.

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    Jean-Jaques Rousseau

  • Shakuro Aisako


    Ruckartig fuhr Shakuro nach oben und bereute es so gleich. Eine Hand fuhr zu seiner Stirn, die andere tastete nach der Wand, um sich abzustützen. Woher kamen diese Kopfschmerzen? Verwirrt blickte er sich um, hielt sich vorsichthalber aber weiter fest. Dies war definitiv seine Wohnung und offenbar hatte er in dem alten Korbstuhl geschlafen. An der Decke flackerte die Öllampe munter vor sich hin, doch Shakuros Schläfen schmerzten zu sehr, als dass er sich wegen des verschwendeten Brennstoffes hätte ärgern können. Was beim ewigen Eis war passiert? Vorsichtig blickte er an sich hinab und erschrak, als er die blutigen, zerrissenen Fetzen sah, die einmal sein Wams gewesen waren. Die Schlacht. Da war eine Schlacht gewesen. Er hatte gekämpft, er war beinahe gestorben, aber offensichtlich nur beinahe. Immerhin war er lebendig genug gewesen, um nach Hause zu gehen. Zögerlich untersuchte er seinen Körper, tastete die Brust entlang, bewegte die Beine. Bis auf ein paar Prellungen und höllischen Muskelkater schien alles heil zu sein. Hatte er bloß eine auf den Deckel gekriegt?
    Shakuro beschloss, sich wieder hinzusetzen. Stück für Stück fügte er die Teile seiner Erinnerung zusammen, die, wann immer er meinte sie greifen zu können, wieder entschwanden, wie dünne Blätter, die der Wind erfasste. Es kostete Shakuro unfassbare Mühe konzentriert zu bleiben, während er sich eigentlich nur danach sehnte, die Augen wieder zu schließen. Terry. Er erinnerte sich an den Abschied von dem großen Mann, der ihm kurz zuvor das Leben gerettet hatte. Fast im selben Moment, in dem er Terrys Gesicht vor seinem inneren Auge sah, wanderte sein wirklicher Blick langsam und unwillkürlich zum Tresen.
    Die Unschuld mit der es da stand kam fast schon einer Provokation gleich. Shakuro brauchte weder die Pipette neben dem Rumfass, noch die umgestürzte Tasse auf dem Boden als weitere Indizien. Nun wusste er, was geschehen war. Seufzend ließ er sich tiefer in den Sessel sinken und rieb sich die Augen. „Zum ewigen Abgrund mit deinem Grog, Terry!“ Woher sonst sollten Kopfschmerz und Schwindel kommen? Natürlich hatte Shakuro es selbst noch nie erlebt, doch er kannte die Nebenwirkungen des verbotenen Stoffs sehr wohl. Mühevoll hievte er sich wieder auf die Beine und setzte Wasser für Tee auf. Immer wieder musste er sich an der Wand und am Tresen abstützen und ein paar tiefe Atemzüge nehmen. Jetzt, da er wusste, dass er getrunken hatte, fiel ihm auch der Grund dafür wieder ein. My’shu lag in Trümmern und Sasuke Mokiri wurde verbannt. Mit einer Tasse Fenchel-Anistee für seinen angeschlagenen Magen stieg er die Stufen hinab in den Ladenbereich. Das Schriftstück lag zusammengeknüllt auf dem Boden. Shakuro hob es auf, strich es glatt, las es erneut und legte es neben die Kasse. Dann ging er zur Türe und schob den Vorhang ein Stück zur Seite. Zu seiner Überraschung schien die Sonne. Er hatte trübes, düsteres Wetter erwartet, den Rauch schwelender Restbrände, Trümmer und Chaos. Stattdessen tauchte eine junge Wintersonne die Straße vor seinem Haus in weiches Licht und alles herum wirkte friedlich, wenn die Zerstörung freilich überall erkennbar war.
    Hoffnung. Das Licht des kalten Morgens bedeutete Hoffnung.
    Eilig wusch sich Shakuro und kleidete sich neu, dann ging er hinaus. Während er geschlafen hatte, hatten seine Nachbarn bereits ganze Arbeit geleistet. Tote und Verwundete waren fortgeschafft worden, Brandherde gelöscht, sogar die meisten Trümmer schon zur Seite geräumt und aufgeschlichtet. Überall wuselten Arashi umher, trugen Waffen oder sonstige Ausrüstung zusammen, sammelten Holzreste und spülten Blut und Dreck von der Straße. Shakuro nahm einen tiefen Atemzug und die kalte Morgenluft füllte seine Lungen und hauchte ihm neues Leben ein. Zwar roch er noch verkohltes Holz und Stahl und Leder, doch vor allem war da die Frische des Winters. Die Kälte konnte auch ein Segen sein, dachte er. Sie nahm den Gestank des Todes mit sich, anders als Hitze, die ihm erst so richtig Substanz verlieh.
    Shakuro wusste, dass er auf schnellstem Wege zu Sasuke gehen sollte, doch ehe er sich versah, packte er bei einer Gruppe Arashi mit an, die versuchten eine beschädigte Veranda zu stabilisieren. Den halben Vormittag schleppte, hämmerte und schrubbte er. Dass dies nicht allein dem Drang entsprang, zu helfen, sondern vor allem dem Aufschieben seiner undankbaren Aufgabe geschuldet war, war ihm die ganze Zeit über vollkommen klar. Er nahm es in Kauf. Irgendwann war das Gröbste in seiner Straße allerdings erledigt und er hätte sich aktiv eine neue Arbeit suchen müssen, also nahm er sich zusammen und machte sich auf den Weg ins Stadtzentrum. Er hatte nicht den blassesten Schimmer, wo Sasuke sich befand, doch er wusste, wo er Hinweise bekommen konnte.
    In der provisorischen Verwaltungszentrale herrschte ein heilloses Durcheinander. Jeder, der ein Familienmitglied oder einen Freund vermisste, versuchte hier Auskunft zu erhalten. Shakuro musste sich durch eine Menge wartender Arashi quetschen, bevor er ein anderes Parteimitglied fand, das ihn zu den diensthabenden Offizieren führte. Nach einigem Herumfragen, erfuhr Shakuro, dass Sasuke zuletzt am Nordtor gesichtet worden war.
    Eine wahre Flut anderer Arashi spülte Shakuro schließlich zurück auf die Straße. Wieder atmete er tief durch. Dann machte er sich auf den Weg, seinen Freund in den Tod zu schicken.

    Ein schwacher Körper schwächt die Seele

    Jean-Jaques Rousseau

  • Shakuro Aisako


    Je näher er dem Nordtor kam, desto größer war die Verwüstung. Hier hatten die Kämpfe wohl am längsten angedauert. Shakuro bahnte sich einen Weg zwischen den unzähligen leblosen Körpern hindurch und konnte sich dem Stich der Schuld in seinem Innern erneut nicht verwehren. Einige Arashi hatten auch hier mit Aufräumarbeiten begonnen, doch der Großteil der Truppen war an den Palisaden und dem Tor zugange. Erstaunt entdeckte Shakuro einen Ork unter ihnen, der die riesigen Holzpfähle ganz alleine aufrichtete. Möglicherweise waren die Arashi doch nicht so alleine in ihrem Kampf, wie er gedacht hatte. Könnten Bündnisse zu anderen Völkern möglicherweise der Schlüssel sein, um dem eisigen Griff der Frostalben endgültig zu entkommen?


    Von Sasuke war nichts zu sehen. Shakuro schritt die Palisade auf und ab und fragte die arbeitenden Männer und Frauen nach dem Verbleib seines Freundes, doch es dauerte eine ganze Weile bis er endlich Auskunft erhielt.
    Er wusste nicht, ob er lachen oder weinen sollte. „Sasuke, du Teufelskerl“, flüsterte er, legte den Kopf in den Nacken und starrte in den blassen Himmel.

    Ein schwacher Körper schwächt die Seele

    Jean-Jaques Rousseau

  • Der Schnee knirschte unter Sasukes Stiefeln, als er die Ebene verließ und nach Norden in die Ausläufer des Gebirges marschierte. Wo der Himmel ansonsten klar war, hingen Dunstschleier zwischen den schneeigen Gipfeln des Woshangebirges und zogen sich bis hinab in die Wipfel der Fichten und Kiefern, unter denen Sasuke für die nächsten Tage Schutz zu finden hoffte. Wenn es keinen definierten Ort zum Ziel gab, war es das Beste, sich auf das eigene Überleben zu besinnen. Auf offener Fläche war er nicht nur Wind und Wetter ausgeliefert, sondern auch den Augen von Spähern und hungrigen Raubtieren. Im Wald gab es Nahrung und Feuerholz und die Chance, jeden Abend einen Unterschlupf für die Nacht zu finden.
    Es fiel Sasuke nicht schwer, My’shu hinter sich zu lassen. Die Stadt war in guten Händen und er konnte dort nichts Besonderes mehr beitragen. Im Gegenteil: vielleicht war My’shu ohne ihn besser dran und noch immer hatte er einen Auftrag zu erfüllen. Damit du überhaupt einmal einen Auftrag zu Ende bringst. Bislang war sein Einsatz alles andere als löblich verlaufen. Doch noch war es nicht zu spät, seinen Wert für die Partei unter Beweis zu stellen. Er würde Dimulon Eisträumer jagen, würde ihn finden und zur Strecke bringen, koste es, was es wolle.
    Das einzige Problem an der Sache war, dass Sasuke nicht wusste, wo er seine Suche beginnen sollte. Einzig die Spuren des frostalbischen Heeres dienten ihm als Orientierung und das setzte voraus, dass Eisträumer weiterhin unter ihnen weilte. Zunächst hatte Sasuke vermutet, die Truppen würden auf direktem Wege nach Kagohiro marschieren, doch wenn das ihr Ziel war, nahmen sie zumindest nicht den direkten Weg. Oder auch sie suchen die Nähe zum Wald. So unwahrscheinlich es manchmal schien, auch Frostalben brauchten mehr als Schnee und Eis, um zu überleben.
    Langsam frischte der Wind auf, doch er fand keinen Weg durch Sasukes dicken Fellmantel. Sein Bündel mit Wechselkleidung, etwas Verpflegung sowie einem Topf und Essgeschirr, den Feuersteinen, ein wenig Arznei und zwei Landkarten lag ordentlich verschnürt auf seinem Rücken, Schwert und Dolche hingen griffbereit an Sasukes Hüfte. Die wertvollsten Habe aber trug Sasuke in einer versteckten Brusttasche am Leib. Die Talismane Segiras und Infiniatus‘. Alles andere hatte er in der kleinen Wohnung zurückgelassen. Er wünschte, er hätte Aisikas Briefe bei sich, doch er wusste, Shakuro hätte sie ihm niemals zurück gegeben, selbst wenn er Gelegenheit gefunden hätte, ihn danach zu fragen.


    Dem klaren Himmel nach würde es eine kalte Nacht werden und Sasuke war dankbar, als er endlich zwischen die ersten Bäume schlüpfte. Sofort wurden Wind und Geräusche gedämpft. Der würzige Geruch der Nadelhölzer umfing Sasuke und verstärkte das Gefühl von Geborgenheit. Vielerorts hatte der Wind die Äste frei geblasen, doch andere ächzten noch unter der Last des alten Schnees. Obwohl es noch nicht dämmerte, machte Sasuke sich sofort auf die Suche nach einem Unterschlupf. Damit, das wusste jeder Arashi schon im Kindesalter, konnte man nie früh genug beginnen. Es dauerte auch noch eine ganze Weile, bis Sasuke fündig wurde. Schließlich ließ er sich unter einer Fichte nieder, deren unterste Zweige ein dichtes Dach bildeten, sodass der Boden frei von Schnee und Eis war. Sasuke löste das Bündel und breitete die Decke, mit der er alles verschnürte, auf dem Nadelbett aus. Danach sammelte er Feuerholz und schlichtete es auf, dass er es nur noch entzünden musste. Zunächst aber brauchte er ein Abendessen. Ein Stück abseits vermutete er einen Bach, denn das stete Plätschern von Wasser hatte ihn die letzten Minuten begleitet. „Mal sehen, was du noch so drauf hast“, murmelte er sich selbst zu und ging los, um im letzten Licht des Tages noch den ein oder anderen Fisch zu fangen.


    Die folgenden Tage war Sasuke eins mit der Natur. All seine Instinkte waren zurück, als hätte er niemals in einer Stadt gelebt. Er folgte den Fährten von Tieren, jagte und sammelte genug Nahrung, dass er sich Vorräte anlegen konnte und fand jede Nacht einen sicheren und trockenen Unterschlupf. Sein Weg führte ihn nach Nordwesten, wobei er stets nahe am Waldrand blieb, um die Spuren der Alben nicht aus den Augen zu verlieren. Leider machte ihm am fünften Tag seiner einsamen Reise das Wetter einen Strich durch die Rechnung.
    Sasuke spürte den Sturm lange bevor er über die Welt hereinbrach. Die Luft brodelte, die Bäume wiegten sich unruhig im aufkeimenden Wind. Alles Getier zog sich zurück in die Sicherheit ihrer Höhlen und Nester und Sasuke eilte sich, es ihnen nachzutun. Obwohl die Sonne kaum ihren höchsten Punkt passiert hatte, war es bereits düster wie am Abend. Sasuke war gezwungen, tiefer in den Wald vorzudringen. Bäume alleine würden ihn nicht schützen können. Als er endlich eine kleine, unbewohnte Höhle fand, schneite es bereits heftig und der Wind zerrte wütend an den Baumkronen und pfiff mit hohen Tönen in die Ausläufer des Gebirges hinein. An Jagd und die Suche nach Feuerholz war nicht zu denken, also begnügte sich Sasuke mit ein paar trockenen Wurzeln und Pilzen, die er zuvor mit der eigenen Körperwärme auftaute. Nach dem kargen Mahl holte er die gekreuzten Schwerter und den schwarz weißen Stein hervor und ging auf die Knie. Wie jeden Abend bat er Segira um Kraft und Rat bei all seinen Entscheidungen und Infiniatus um Balance und innere Ruhe. Mit beiden Gegenständen in der Hand legte sich Sasuke früh schlafen. Während außen der Sturm tobte, träumte er von zu Hause.

    Ein schwacher Körper schwächt die Seele

    Jean-Jaques Rousseau