Kapitel 7 - Als Jaques das Lachen verging

  • Bordheiler Azukita


    Azukita hörte beiden ruhig zu. »Am besten ist es, wenn Jaques mit mir in die Heilerkajüte kommt. Dort habe ich alles und wir haben Ruhe. Kannst du gehen?«


    Er wartete ab, ob Jaques allein aufstehen und laufen konnte und würde ihm im Notfall helfen. Marcello und Sacha hielt er für den Moment auf Abstand, er wollte sehen, in welchem Zustand sich Jaques befand. So brachte er ihn eigenhändig in seine Heilerkajüte und legte ihn vorsichtig auf der Pritsche ab. Anschließend schloss er die Tür ab, stellte sich alle vermutlich notwendigen Arbeitsmaterialien neben der Pritsche bereit und untersuchte Jaques malträtierten Körper, vom Kopf angefangen. Dabei ging er sehr behutsam vor, damit es nicht schmerzhafter war, als es sein musste und Jaques keine Panikattacke bekam. Er testete auch dessen Reflexe und fragte ihn aus, ob ihm übel war.


    »Insgesamt hält sich der Schaden in Grenzen. Die Schmerzen lassen stärkere Verletzungen vermuten, als du hast. Das ist die gute Nachricht. Wenn es zu keinen Komplikationen kommt, sollten alle körperlichen Verletzungen ohne Folgen abheilen, auch wenn es dauern wird und dich eine etwas unangenehme Zeit erwartet«, schlussfolgerte Azukita aus allem zusammen. »Du hast eine schwere Gehirnerschütterung, Jaques. Für die nächsten Tage ist strenge Bettruhe angesagt. Dazu ist die Nackenmuskulatur überdehnt. An deiner Halswirbelsäule ist aber nach meiner Einschätzung so weit alles in Ordnung, es wird allerdings noch eine Weile schmerzen, wenn du den Kopf zu schnell drehst. Zudem hast du Prellungen überall und Verstauchungen von den Schlägen. Gerade Prellungen schmerzen häufig sogar stärker als Brüche. Leider hilft da nichts anderes, als nach Bedarf zu kühlen und dich zu schonen. Dreh dich bitte um, die Arme auf die Pritsche gestützt.«


    Er nahm nun noch einmal die besonders in Mitleidenschaft gezogenen Stellen in Augenschein. »Ich desinfiziere jetzt, das kann zwicken.« Mit einer Pinzette nahm er einen Wattetupfer, tauchte ihn in Alkohol und tupfte damit die offenen Wunden ab. Zwicken war eine gewaltige Untertreibung, musste Jauqes feststellen, es brannte, dass ihm Hören und Sehen verging, aber da führte kein Weg dran vorbei.


    »Erst Mal vorneweg, du bist nicht der Einzige mit solchen Beschwerden. Dergleichen habe ich schon oft gesehen, du brauchst dich also nicht zu schämen. Dein Schließmuskel ist wund, geschwollen und auch an einigen Stellen eingerissen«, erklärte Azukita, während er arbeitete. »Quetsch- und Rissverletzungen kommen hier zusammen. Ich könnte es nähen, aber das würde ich nur machen, wenn es nicht von selbst heilt, da die Komplikationsrate dabei an dieser Körperstelle hoch ist und die Wunde zudem schon einige Stunden alt ist. Hygiene nach dem Stuhlgang ist nun für dich das A und O, ich gebe dir eine pflanzliche Mischung für Sitzbäder mit. Die solltest du nach jedem Stuhlgang anwenden oder auch bei starken Schmerzen. Dazu kannst du einige Tropfen eines Medikaments ins Wasser geben, das ich dir auch mitgeben werde. Achte unbedingt darauf, mindestens zwei, besser drei Liter am Tag zu trinken, damit der Stuhl weich bleibt. Die Heilung wird lange dauern und es wird vermutlich lange noch nachbluten. Ich gebe dir eine Salbe mit, die deine Schmerzen lindert und die Wundheilung unterstützt. Die waren nicht sanft und du hast auch geprellte Hoden. Hier hilft leider nur das Gleiche, wie bei den anderen Prellungen: Ruhig halten und kühlen.


    Momentan sieht es nicht aus, als ob du dir eine Geschlechtskrankheit eingefangen hast, aber manchmal dauert es, bis so was ausbricht. Wenn dich die Syphilis getroffen hat, muss ich dich und auch deinen Partner des Schiffes verweisen. Die Inkubationszeit ist lang, sie dauert ein Vierteljahr. Ich würde dir und deinem Mann empfehlen, so lange auf alle sexuellen Praktiken mit Schleimhautkontakt zu verzichten, auch wenn es schwer fällt. Leider schließt das auch Küssen mit ein. Versucht trotzdem, euch Alternativen zu überlegen.


    Du kannst dich wieder anziehen.«


    Azukita räumte seine Utensilien wieder zusammen und warf die Tupfer in den Mülleimer, den er ins Meer kippen würde. Dann setzte er sich noch einmal zu Jaques an die Pritsche und sah ihn ruhig an.


    »Was die seelischen Schmerzen angeht, gibt es leider kein Kraut, was sie dir nehmen kann. Das eine oder andere könnte dazu verleiten, das Erlebte für einige Stunden zu vergessen, aber der Preis, den du für eine Sucht zahlst, wiegt den Nutzen nicht auf. Für die erste Zeit werde ich dir ein Beruhigungsmittel mitgeben, damit du schlafen kannst. Wenn es aufgebraucht ist, reden wir darüber, ob es dann ohne weitergehen wird oder ob ich dir noch eine zweite Phiole mitgebe.


    Wenn du über das Erlebte reden möchtest, rede, mit deinem Mann oder mir oder einem anderen Menschen deines Vertrauens. Manchmal hilft reden, wo jedes Medikament versagen würde. Und wenn Worte nicht mehr helfen, tut es manchmal ein warmes Bad oder ein Spaziergang. Das mag sich banal anhören für das, was dir widerfahren ist. Aber die beste Medizin ist tatsächlich, das Leben zu umarmen, es fortzusetzen und sich nicht aufzugeben. Wenn du Ruhe brauchst, kannst du eine Einzelkajüte bekommen. Wenn die Ruhe dir Angst macht, bringen wir dich und deinen Mann zusammen unter. Sacha wird woanders unterkommen, damit ihr unter euch sein könnt, wenn du möchtest.


    Hast du noch Fragen? Ansonsten bringe ich dich wieder zurück.«


    Er stellte Jaques einen kleinen Beutel mit den versprochenen Kräutern, der Salbe, den Tropfen für das Bad und dem Schlafmittel hin, alles mit kleinen Zetteln beschriftet, auf denen die korrekte Dosierung vermerkt war.

  • Jaques folgte Azukita in seine Kabine, der Heiler war umsichtig genug extra für ihn langsam zu laufen, was Jaques ihm hoch anrechnete. Dort angekommen untersuchte ihn der Mann von Kopf bis Fuß und auch an seiner besonders maltretierten Stelle. Dabei redete er ununterbrochen auf ihn ein, erklärte was er tat, welche Verletzungen er sich zugezogen hatte und worauf er achten musste. Jaques hörte ihm selbstverständlich aufmerksam zu, aber auch wenn der Heiler in einer völlig unverständlichen Sprache gesprochen hätte, seine Stimme alleine hatte schon eine beruhigende Wirkung. Nicht nur das Gesagte, auch die Tonlage verriet, dass er wusste wovon er sprach und Jaques fühlte sich bei ihm sehr gut aufgehoben.


    Die Desinfektion seines Hinterns war kein Zwicken, das war ein Flächenbrand, aber danach ging es ein wenig besser. Vielleicht hatte der Schmerz auch nur seine Wahrnehmung betäubt. Sei es drum, dachte sich Jaques, Hauptsache es ging ihm ein klein wenig besser.


    Auch hier hatte der Heiler nicht nur die Medizin im Sinn, sondern auch gute Tipps, wie er sich das Leben und die Heilung erleichtern konnte. Drei Liter sollte er trinken. Jaques fragte sich, wie er das bewerkstelligen sollte. Vielleicht trank man über den Tag verteilt auch schon mehrere Liter, gemessen oder nachgehalten hatte er es nie. Dazu bestand bis dato auch kein Grund.


    Als Azukita ihn von einer möglichen eingefangenen Krankheitt warnte, wurde Jaques übel.


    `Bitte nicht das auch noch´, betete er stumm zu Ainuwar. Davy hatte seine Gebete eh nicht erhört, also versuchte er es einmal bei diesem Gott.


    Nachdem die Untersuchung abgeschlossen war, erläuterte ihm Azukita noch, was er gegen seine seelischen Wunden unternehmen konnte. Auch dafür, oder gerade dafür war er dem Heiler besonders dankbar.


    „Danke für Deine Hilfe und Fürsorge. Sie waren zu fünft und so haben sie mich auch aufgemischt. Ich werde die Prellungen kühlen, gleich wo. Das ist eine gute Idee, normalerweise hat man höchstens mal ein Veilchen zu kühlen. Aber ich habe keine blauen Flecke, ich bin ein blauer Fleck. Ob ich es schaffe, drei Liter zu trinken, kann ich Dir nicht versprechen, aber ich werde es versuchen. Drei Liter klingt nach sehr viel, aber es ist möglich, dass man über den Tag verteilt schon mehrere Liter trinkt, ohne es zu bemerken. Ich kann Dir dazu also nichts sagen, wieviel ich trinke und ob es ausreicht. Aber ich versuche Deine Angaben einzuhalten.


    Dass die Heilung meines Hinterns lange dauern wird, glaube ich gerne. Er fühlt sich auch so an. Ich hoffe dass ich mir durch die Schweine nichts eingefangen habe. Aber wenn es so sein sollte, dann kommen nur die fünf Beißer in Betracht und nicht mein Mann. Das kann ich Dir versichern. Du kannst ihn zur Not ja gerne ebenfalls untersuchen. Sollte ich noch anderweitig erkranken, sag es mir und ich werde das Schiff freiwillig verlassen. Du musst mich nicht rauswerfen. Ihr habt mich aufgenommen, obwohl Ihr mit meinen Problemen nichts zu tun habt. Ihr habt mir selbstlos Unterschlupf gewährt und Hilfe. Ich werde Euch nicht in Gefahr bringen, auf keinen Fall.


    Was die Enthaltsamkeit angeht, darüber musst Du Dir keine Gedanken machen.


    Ich kann das im Moment eh nicht... und ich möchte auch nicht…, weil… ich habe Schmerzen, ich habe Angst, ich habe den ganzen Kopf voller Scheiße. Sobald mich wer berührt, fühle ich wieder ihn, dieses Schwein Bellamy und seine widerlichen Kumpane. Danke für das Beruhigungsmittel, das kann ich dringender gebrauchen als alles andere.


    Mit meinem Mann möchte ich da nicht weiter drüber reden. Er denkt, ich bin selbst schuld daran. Und weißt Du was? Bis zu einem Grad hat er sogar Recht. Ich habe Scheiße gebaut und jemandem einen Streich gespielt, der völlig aus dem Ruder lief. Tja hinterher weiß man immer mehr und so erging es mir auch. Dass ich eine Strafe dafür verdient habe, streite ich gar nicht ab. Dass es so eine Strafe sein musste… ich weiß nicht…

    Marcello hat mir erzählt, dass er mich heiraten wollte. Seine Familie ist mit der des Duc sehr nah verwandt. Die Mutter des Großherzogs war die Schwester von Marcellos Vater. Marcellos Vater ist also der Onkel des Duc, das heißt man Mann ist der Cousin unseres Großherzogs. Da der Sohn vom Duc meine Strafe befahl, wird auch der Großherzog gegen mich sein. Und der Vater von Marcello als Onkel des Ducs ebenso. Vermutlich wird Marcellos Vater nicht mehr erlauben, dass wir beide heiraten. Das Problem wären auch die Beißer, das ist die Gruppe der Schweine. Sie dienen Prince Ciel als Leibgarde, als Stab. Ich würde den Kerlen ständig über den Weg laufen und dann was? Mein Mann kann mich nicht vor ihnen beschützen, ich selbst konnte mich nicht einmal beschützen!


    Zudem habe ich durch die Scheiße meine Familie verloren. Keine Ahnung wie mein Vater darüber denken wird. Aber wenn er die ganze Geschichte hört, gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder hält er zu mir, da ich trotzdem sein Sohn bin. Oder er ist dermaßen enttäuscht, dass er mich aus der Familie schmeißt. Das wäre die Katastrophe schlechthin. Mein Vater genießt sehr hohes Ansehen bei der Krone, er ist einer der Admirale. Er könnte also seinen Ruf und den Ruf der Familie beschmutzt sehen und mich verstoßen. Gut, damit muss ich dann leben, ich kann meinen Scheiß nicht ungeschehen machen. Ich würde es, wenn ich könnte, dass kannst Du mir glauben.


    Aber was mir noch mehr Sorgen bereitet ist, dass ich James mit in die Sache hineingezogen habe.
    Wie soll der Kleine denn nun richtig reagieren?


    Kehrt er nach Souvagne zurück, machen sie ihm vielleicht den Prozess vor dem Militärgericht, wegen seinem unehrenhaften Verhalten als Kapitän.
    Kehrt er nicht nach Souvagne zurück, gilt das als Fahnenflucht und dann machen sie ihm garantiert den Prozess vor dem Militärgericht.


    Was soll James tun?


    Hier bei mir bleiben, damit sie ihn nicht aufknüpfen für unseren Streich?
    Oder nach Hause zurückkehren, damit sie ihn nicht aufknüpfen für Fahnenflucht?


    Ich habe Angst um meinen kleinen Bruder Azukita, er ist neben Marcello der Einzige der mir geblieben ist. Und er ist mein kleiner Bruder.


    Kai wollte sich für mich erkundigen, ob ich in die Heimat zurückkehren darf. Logischer wäre es, sie würde sich für James erkundigen. Mein Bruder hat wirklich was zu verlieren, er hatte ein eigenes Schiff, er hatte eine Karriere und er hatte sein Auskommen. Er ist ein guter Kapitän und ein guter kleiner Bruder. Vermutlich ein zu guter Bruder, weil ich ihn zu jedem Scheiß anstiften konnte. Da ist es doch meine Pflicht, ihn aus dem Mist wieder herauszuholen, den ich ihm eingebrockt habe. Und falls eine Heimkehr und sein altes Leben nicht mehr in Betracht kommen, hoffe ich das Kai ihm eine Chance gibt. Ich wollte gerne mit ihr reden. Sie könnte einen guten Navigator in Vertretung gebrauchen und wenn sie zwischen James und mir entscheiden müsste, bekommt er den Posten und ich verziehe mich. Das ist das Mindeste, was ich an Wiedergutmachung für den Kleinen leisten kann. Vielleicht findet sie ja trotzdem einen Platz für mich, als Matrose, dass würde mir dann ausreichen. Und falls nicht, wie gesagt, dann nehme ich meinen Hut und lasse dem Kurzen den Vortritt.


    Ein Spaziergang ist das Letzte was für mich in Betracht kommt. Wer weiß ob sich noch einer von denen hier herumtreibt. Sie sollten mich nicht nur fertig machen Azukita, sie sollten es beenden. Warum ich dermaßen hart bestraft wurde, obwohl der dämliche Fettsack nicht mal eine Schramme abbekommen hat, kann ich Dir nicht sagen. Es war ein Witz, ein Scherz. Ich habe den Tölpel belabert, dass er sich in den Weinkeller begeben soll. Weinkeller gibt es hier nicht, er hing also unter dem Palast über dem Meer und klammerte sich an einen Felsen wie diese Meeresechsen. Er hatte sich etwas den Arsch abgefroren, aber war sonst wohlauf. Welche Strafe verdient man für so einen blöden Scherz, der zwar wirklich mies war, aber mehr auch nicht? Welche? Mir fallen da einige ein, sogar das Tau zu schmecken, einmal die Daggen für die Dussligkeit grundlos einen anderen zu gefährden. Aber das, was der Prince mir antun ließ steht in keinem Verhältnis.


    Die Götter und Davy allein wissen, was ihn geritten hat so ein Exempel an mir statuieren zu wollen.


    Vermutlich ist er immer noch wütend gewesen auf meinen alten Kapitän, der ihm bei einer Tour die Stirn geboten hat. Und wer bekam es nun zwischen die Hörner? Silvano oder ich? Ich! Dieser kleine rachsüchtige Prince tat ja so, als hätte ich den Fettsack was antun wollen.


    Aber gut, wie ich selbst zu meinem Mann sagte, es ist nur ein Scherz, wenn beide darüber lachen und das war nicht der Fall. Und ich streite auch nicht ab, dass ich bestraft gehört hätte. Vanos Strafe wären vermutlich die Daggen gewesen, aber Prince Ciel musste jedem beweisen, zu was er fähig ist. Ich weiß nicht, warum der Mann mich dermaßen hasst und verabscheut. Darum werde ich garantiert nicht nach Souvagne zurückkehren können. Und sollte ich das tun, werde ich ganz sicher auf dem Block landen. Drum bleibe ich hier, es bleibt mir ja nichts anderes übrig.


    Wegen der Unterbringung, ich weiß nicht was ich Dir sagen soll. Einerseits möchte ich alleine sein und mich einigeln, kaum bin ich alleine habe ich Angst. Die Nähe von Sacha und James hat mir sehr geholfen. Also eine kleine Ecke für mich wäre schon schön, muss aber nicht sein. Ich möchte nicht von meinen Leuten getrennt sein. Was wird eigentlich aus Sacha? Darüber habe ich mir noch keine Gedanken gemacht, aber er war zum Glück auch nicht an dem Scherz beteiligt. Er ist ein guter Kerl, verdammt gut. Er hat mir sofort geholfen, dass muss man ihm lassen, das Wort Maat hat für ihn noch Bedeutung.


    Lass uns langsam zurückgehen und Danke für alles was Du für mich getan hast“, sagte Jaques.

  • Marcello


    war Jaques und Azukita nachgegangen. Lauschen war unhöflich, aber es ging um sein Mann. Marcello wartete ab. Als Jaques und Azukita vor der Tür waren hielt er Jaques fest, so dass er in Ruhe gehen konnte.


    "Ich hab zugehört was du gesagt hast. Die Schweine werden ihre Abreibung bekommen, ich muss mir was ausdenken. Das darf nicht auf uns zurückfallen. Du musst Geduld haben. Das du enthaltsam bleiben muss und das willst, verstehe ich. Ich würde nichts von dir verlangen wo du Schmerzen hast. Dann wäre ich nicht besser als die Schweine Jaques.
    Das du nicht mit mir darüber reden willst geht nicht. Du musst mit mir reden. Ich muss verstehen, was du denkst sonst kann ich dir nicht helfen. Ich hab nicht nur gesagt, dass ich dich heiraten will. Das ist so. Denkst du ich hab da gelogen? Du weisst wer mein Vater ist. Der wird nicht begeistert sein, von deine Taten.
    Dein Vater bleibt immer dein Vater Jaques. Sein Beruf ist Admiral und nicht Vater. Ich kenne ihn nicht gut genug. Ob er dich verstossen würde, kann ich dir nicht sagen. Du hast dich ganz schön tief in die Scheisse geritten. James noch dazu. Ich werde nachher für euch beide mit Kai reden.
    Von hier nach Naridien ist es nicht weit. Ihr könntet euch in Naridien ein neues Leben aufbauen. Nur dann könnt ihr nie mehr zurück befürchte ich. Ihr seid Soldaten und wärt im Dienst geflohen. James hat mehr zu verlieren als du. War ihm aber bekannt und er macht so ein Kack mit.
    Für Rüffel ist das zu spät, es ist passiert. Wir müssen überlegen, wie wir das wieder hinbiegen können Jaques. Das der Prinz dich umbringen wollte verstehe ich nicht. Warum hat er so hart entschieden? Kann sein, dass er wütend auf deinen alten Captain war. Dafür kannst du nichts. Er soll dich für deine Dummheiten bestrafen, nicht für die von andere.
    James könnte versuchen wieder nach Souvagne einzureisen. Er wird an der Grenze sehen, ob sie ihn reinlassen oder ihn verhaften wollen. Du solltest das besser nicht versuchen, dich würden sie vermutlich an der Grenze töten. Wenn der Prinz deinen Tod befohlen hat, wissen das auch die Wächter an der Grenze und die Himmelsaugen.
    Wenn Kai keinen Platz für dich hat, geh nach Naridien Jaques. Was anderes kann ich dir nicht raten. Hier in Ledwick werden sie dich immer suchen. Sonst bleibt dir noch Skille und Obenza. Du könntest auch nach Ehveros ziehen. Aber in Ledwick und Ehveros herrscht das gleiche System wie in Souvagne. Du hast hier niemand der dich aufnimmt und als Herr beschützt. Der Duca ist mit Prinz Ciel verwandt. Er wird nicht gegen ihn sprechen. Oder jemand beschützen, den sein Verwandter tot sehen will. Am besten wäre also Naridien. Damit hast du alles verloren, du kannst aber auch ganz neu starten.
    Überleg dir das Jaques, ich versuche dir zu helfen."

  • Jaques blieb stehen und hörte sich die Erklärungen von seinem Gefährten an. Mit vielen Dingen hatte er Recht, aber einige Informationen warfen für Jaques eher neue Fragen auf, anstatt alte zu beantworten. Er sollte nach Naridien ziehen?


    Was sollte er in Naridien?


    Gut Marcello hatte es erläutert, dort sollte er sich ein neues Leben aufbauen. Ob das allerdings möglich war, wagte Jaques zu bezweifeln. Er sprach kein rakshanisch, alles was er beruflich konnte hatte mit der Marine zu tun. Würde man ihn trotz aller Sprachschwierigkeiten bei der naridischen Marine aufnehmen? Sollte es zu einem Kampf mit einem Souvagnischen Schiff kommen, wäre er damit ein Hochverräter. Aber darüber musste er sich keine Gedanken mehr machen. Er war schon zum Tode verurteilt worden. Und zweimal hinrichten konnten sie ihn schließlich nicht.


    Wobei, wo Jaques genau darüber nachdachte, dass konnten sie sehr wohl. Die Beißer waren dazu im Stande, sie würden ihn bei jeder Begegnung erneut töten. Und er hatte niemanden, der ihn vor dieser Bande beschützte. Wer war auch so wahnsinnig und riskierte sein eigenes Leben für das eines anderen, den er nicht einmal kannte?


    Im Grunde war es vielleicht wirklich seine einzige Möglichkeit mit dem ehemaligen Feind zu packtieren. Der Feind meines Feindes ist mein Freund. Eine alte Weisheit.


    Marcello hatte von vornherein klargestellt, dass er Souvagne nicht verlassen würde. Das wäre das Ende ihrer Beziehung. Jaques schmerzte der Gedanke, aber er konnte ihn auch verstehen. Weshalb sollte Marcello auf seinen Titel, sein Amt, sein Lehen, seine Familie, seine Firma und all das verzichten, nur weil sein schwachsinniger Freund Jaques einen Leibdiener ärgern musste?


    Das er hier war, war schon mehr als die meisten getan hätten.
    Hätte er selbst Marcello auf diese Art beigestanden im umgekehrten Fall?


    Jaques dachte über die Frage nach und kam zu dem Schluss, dass er dies sehr wohl getan hätte. Er war wie die meisten seiner Familie loyal der Familie und Freunden gegenüber. Und Marcello war beides für ihn.


    Die andere näherliegende Lösung statt Naridien war Kai.


    Die Kapitänin der Tricheco, das Walross konnte ihn vielleicht als Seemann gebrauchen. Er war sich für keine Arbeit zu schade. Allerdings würde er für seinen kleinen Bruder zurückstecken, falls Kai nur einen der beiden auf ihrem Schiff aufnehmen würde. Falls sie keinen von ihnen aufnehmen wollte, würde er mit James gemeinsam nach Naridien ziehen.


    Naridien...
    Das Wort hatte für jeden Almanen einen üblen Beigeschmack, es fühlte sich an, als hätte er beschlossen in den Abgrund zu ziehen und dort nach einer Arbeit zu suchen. Aber wieviel von den Informationen die ihm vorlagen waren wahr und wieviel waren Seemannsgarn?


    Jaques schreckte aus seinen Gedanken auf und musterte Marcello. Sein Freund musste auch denken, dass er nicht mehr alle Segel am Mast hatte, so lange wie er geschwiegen hatte.


    "Die Schweine werden keine Abreibung bekommen Marcello. Das Du sie für mich aufknüpfen lassen möchtest, ehrt mich, aber sie haben Rückendeckung von Prince Ciel. Du packtierst damit mit einem Feind der Krone, sollte das auffliegen, landest Du auf dem Block. Letztendlich würdest Du sterben, für einen blöden Streich dem ich einem Leibdiener gespielt habe. Lass es gut sein, Du hast mehr zu verlieren als ich.


    Ich werde Deinen Rat beherzigen. Meine erste Wahl ist Kai samt der Walross, sollte ein Anheuern auf ihrem Schiff nicht möglich sein, werde ich nach Naridien ziehen. Ob mit oder ohne James, ist abhängig davon, ob er auf der Walross willkommen ist. Nun vermutlich James eher als ich, Kai und ihn verbindet mehr.


    Ehveros wäre vielleicht eine Alternative, aber ich denke auch dort ist niemand bereit einen von der Souvagnischen Krone zum Tode Verurteilten aufzunehmen. Es sei denn ich reise unter falscher Identität und baue mir so ein ganz neues Leben auf. Neuer Name, neues Glück sozusagen. Skille oder Obenza wäre meine aller letzte Wahl, damit hätte ich mich selbst abgeschrieben. Danke für Deinen Beistand Marcello.


    Lass uns zu Kai gehen, je eher ich sie fragen kann umso besser", bat Jaques und schlich im Schneckentempo los. Der Weg war ihm bekannt, jede Kapitänskajütte lag gleich.

  • Marcello


    stützte Jaques beim laufen. Er wollte zum Captain Marcello verstand das. Jaques wollte sofort klären wo sein Leben weiterging.


    "Ganz wie du willst, ich werde sie in Ruhe lassen. Ich hab mehr zu verlieren als du? Wieso dass denn? Du hast dein ganzes Leben verloren und deinen Beruf. Wir beide haben uns verloren. Bezeichne deine Scheisse nicht als Streich. Der Streich ging nach hinten los. Den hast du uns gespielt, nicht dem Leibdiener. Frag den Capitain ob du bleiben kannst. Ich werde dir etwas Geld dalassen. So hast du ein Startkapital. Viel habe ich nicht dabei, geh sparsam damit um. Wenn du mit Kai geredet hast reise ich ab.
    Dein Bruder steht dir bei und Sascha genauso. Ich muss zurück nach Hause und mich um das Geschäft kümmern. Solange kann ich ohne Grund nicht wegbleiben. Schade der Besuch in Ledwick hätte anders enden sollen. Ich begleite dich noch zu Kai und dann reise ich ab. Wo immer du hingehst, pass auf dich auf. Ich lieb dich Jaques, es war schön mit dir."


    Marcello steckte Jaques sein Geldbeutel in die Hosentasche und ging mit ihm zu Kais Kabine.

  • Sie kamen an der Tür der Kapitänskajüte an und Jaques löste sich behutsam von Marcello. Der ehemalige 1. Offizier der Choucas blieb stehen und starrte auf die schwere Holztür. Der Zeitpunkt des Abschieds war gekommen, dabei hätte er seinen Freund am liebsten angefleht zu bleiben.


    Das dies nicht möglich war, war Jaques bewusst. Er konnte von Marcello nicht verlangen mit ihm gemeinsam im Exil zu leben. Die Konsequenzen und die Verluste waren zu hoch, gleich was Marcello sagte. Zudem hatte Marcello an der ganzen Situation keine Schuld. Er selbst war es gewesen, der alles mit einer dummen Handlung zerstört hatte und dennoch stand Marcello ihm bei, wollte ihn rächen und steckte ihm sogar noch Geld zu.


    Jaques hätte gerne etwas Liebes zum Abschied gesagt, irgendwas dass seinen Freund tröstete. Worte, die eine letzte liebevolle Erinnerung bleiben würden, wenn sie sonst schon nichts mehr voneinander hatten. Aber wie so oft, fehlten ihm die Worte.


    So strich er Marcello zärtlich über den Arm ohne ihn anzusehen und öffnete die Tür.
    Er verharrte einen Moment.


    "Pass auf Dich auf Cello", sagte er leise, dann war er in der Kajüte von Kai verschwunden.

  • Im Inneren der Kapitänskajüte war es warm. James lag dick eingepackt in Kais Koje. Vor ihm stand eine lange Sitzbank als Beistelltisch, der eher wie ein Buffet anmutete. Darauf standen eine Schüssel heiße Fischsuppe mit extra vielen Stücken, heißer Tee, heißer Kaffee, heißer Rum, ein Teller mit Keksen und ein weiterer Teller mit herzhaften Wurst- und Käsestücken. Auch ein Glas Honig mit Löffel war zu finden. Kai überlegte gerade, ob sie ihm den bordeigenen Barbier anbieten sollte oder ob das klang, als würde sie ihn widerlich finden, während sie eine Liste der noch ausstehenden Besorgungen durchging, die Djamahl ihr zur Durchsicht gegeben hatte. Als Jaques klopfte ließ sie ihn rasch hinein, sie sah keinen Sinn darin, Leute vor der Tür herumstehen zu lassen, wie andere Kapitäne das taten, um wichtig und viel beschäftigt zu wirken.


    "Komm rein, Jaques. Was kann ich für dich tun?"


    Hinter Jaques drängelte sich noch Sacha hinein, der aufgelöst wirkte und Kai ansah, als würde er dringend etwas sagen wollen, doch sie gab ihm ein Zeichen, zu schweigen. Zuerst war Jaques an der Reihe und sein Anliegen würde dringlicher sein.