Bordheiler Azukita
Azukita hörte beiden ruhig zu. »Am besten ist es, wenn Jaques mit mir in die Heilerkajüte kommt. Dort habe ich alles und wir haben Ruhe. Kannst du gehen?«
Er wartete ab, ob Jaques allein aufstehen und laufen konnte und würde ihm im Notfall helfen. Marcello und Sacha hielt er für den Moment auf Abstand, er wollte sehen, in welchem Zustand sich Jaques befand. So brachte er ihn eigenhändig in seine Heilerkajüte und legte ihn vorsichtig auf der Pritsche ab. Anschließend schloss er die Tür ab, stellte sich alle vermutlich notwendigen Arbeitsmaterialien neben der Pritsche bereit und untersuchte Jaques malträtierten Körper, vom Kopf angefangen. Dabei ging er sehr behutsam vor, damit es nicht schmerzhafter war, als es sein musste und Jaques keine Panikattacke bekam. Er testete auch dessen Reflexe und fragte ihn aus, ob ihm übel war.
»Insgesamt hält sich der Schaden in Grenzen. Die Schmerzen lassen stärkere Verletzungen vermuten, als du hast. Das ist die gute Nachricht. Wenn es zu keinen Komplikationen kommt, sollten alle körperlichen Verletzungen ohne Folgen abheilen, auch wenn es dauern wird und dich eine etwas unangenehme Zeit erwartet«, schlussfolgerte Azukita aus allem zusammen. »Du hast eine schwere Gehirnerschütterung, Jaques. Für die nächsten Tage ist strenge Bettruhe angesagt. Dazu ist die Nackenmuskulatur überdehnt. An deiner Halswirbelsäule ist aber nach meiner Einschätzung so weit alles in Ordnung, es wird allerdings noch eine Weile schmerzen, wenn du den Kopf zu schnell drehst. Zudem hast du Prellungen überall und Verstauchungen von den Schlägen. Gerade Prellungen schmerzen häufig sogar stärker als Brüche. Leider hilft da nichts anderes, als nach Bedarf zu kühlen und dich zu schonen. Dreh dich bitte um, die Arme auf die Pritsche gestützt.«
Er nahm nun noch einmal die besonders in Mitleidenschaft gezogenen Stellen in Augenschein. »Ich desinfiziere jetzt, das kann zwicken.« Mit einer Pinzette nahm er einen Wattetupfer, tauchte ihn in Alkohol und tupfte damit die offenen Wunden ab. Zwicken war eine gewaltige Untertreibung, musste Jauqes feststellen, es brannte, dass ihm Hören und Sehen verging, aber da führte kein Weg dran vorbei.
»Erst Mal vorneweg, du bist nicht der Einzige mit solchen Beschwerden. Dergleichen habe ich schon oft gesehen, du brauchst dich also nicht zu schämen. Dein Schließmuskel ist wund, geschwollen und auch an einigen Stellen eingerissen«, erklärte Azukita, während er arbeitete. »Quetsch- und Rissverletzungen kommen hier zusammen. Ich könnte es nähen, aber das würde ich nur machen, wenn es nicht von selbst heilt, da die Komplikationsrate dabei an dieser Körperstelle hoch ist und die Wunde zudem schon einige Stunden alt ist. Hygiene nach dem Stuhlgang ist nun für dich das A und O, ich gebe dir eine pflanzliche Mischung für Sitzbäder mit. Die solltest du nach jedem Stuhlgang anwenden oder auch bei starken Schmerzen. Dazu kannst du einige Tropfen eines Medikaments ins Wasser geben, das ich dir auch mitgeben werde. Achte unbedingt darauf, mindestens zwei, besser drei Liter am Tag zu trinken, damit der Stuhl weich bleibt. Die Heilung wird lange dauern und es wird vermutlich lange noch nachbluten. Ich gebe dir eine Salbe mit, die deine Schmerzen lindert und die Wundheilung unterstützt. Die waren nicht sanft und du hast auch geprellte Hoden. Hier hilft leider nur das Gleiche, wie bei den anderen Prellungen: Ruhig halten und kühlen.
Momentan sieht es nicht aus, als ob du dir eine Geschlechtskrankheit eingefangen hast, aber manchmal dauert es, bis so was ausbricht. Wenn dich die Syphilis getroffen hat, muss ich dich und auch deinen Partner des Schiffes verweisen. Die Inkubationszeit ist lang, sie dauert ein Vierteljahr. Ich würde dir und deinem Mann empfehlen, so lange auf alle sexuellen Praktiken mit Schleimhautkontakt zu verzichten, auch wenn es schwer fällt. Leider schließt das auch Küssen mit ein. Versucht trotzdem, euch Alternativen zu überlegen.
Du kannst dich wieder anziehen.«
Azukita räumte seine Utensilien wieder zusammen und warf die Tupfer in den Mülleimer, den er ins Meer kippen würde. Dann setzte er sich noch einmal zu Jaques an die Pritsche und sah ihn ruhig an.
»Was die seelischen Schmerzen angeht, gibt es leider kein Kraut, was sie dir nehmen kann. Das eine oder andere könnte dazu verleiten, das Erlebte für einige Stunden zu vergessen, aber der Preis, den du für eine Sucht zahlst, wiegt den Nutzen nicht auf. Für die erste Zeit werde ich dir ein Beruhigungsmittel mitgeben, damit du schlafen kannst. Wenn es aufgebraucht ist, reden wir darüber, ob es dann ohne weitergehen wird oder ob ich dir noch eine zweite Phiole mitgebe.
Wenn du über das Erlebte reden möchtest, rede, mit deinem Mann oder mir oder einem anderen Menschen deines Vertrauens. Manchmal hilft reden, wo jedes Medikament versagen würde. Und wenn Worte nicht mehr helfen, tut es manchmal ein warmes Bad oder ein Spaziergang. Das mag sich banal anhören für das, was dir widerfahren ist. Aber die beste Medizin ist tatsächlich, das Leben zu umarmen, es fortzusetzen und sich nicht aufzugeben. Wenn du Ruhe brauchst, kannst du eine Einzelkajüte bekommen. Wenn die Ruhe dir Angst macht, bringen wir dich und deinen Mann zusammen unter. Sacha wird woanders unterkommen, damit ihr unter euch sein könnt, wenn du möchtest.
Hast du noch Fragen? Ansonsten bringe ich dich wieder zurück.«
Er stellte Jaques einen kleinen Beutel mit den versprochenen Kräutern, der Salbe, den Tropfen für das Bad und dem Schlafmittel hin, alles mit kleinen Zetteln beschriftet, auf denen die korrekte Dosierung vermerkt war.