Komm, süsser Tod

  • Als Valerius Tür und sogar Fenster verschloss ahnte Emilia bereits, dass sie in eine Falle getappt war. Es behagte ihr nicht, mit ihm im selben Raum eingesperrt zu sein. Sofort sträubte sich ihr getigertes Fell und die Augen beobachteten aufmerksam den Mann, welcher in aller Seelenruhe zu ihr sprach. Seine Lippen sprachen von einem auffälligen Zufall. Dies reichte Emilia bereits aus um zu begreifen, und ohne auf seine weiteren Worte zu achten, suchte sie das Zimmer nach einer Fluchtmöglichkeit ab. Doch es gab keine Ritzen zum Entkommen. Die einzige Sicherheit bot das schmale Bett, unter welchem sie womöglich Unterschlupf gefunden hätte.


    Er war stehen geblieben und sein unheimlich ruhiger Blick lag auf ihr. Verschreckt wich sie ihm aus, als er sich zur Kommode hinbewegte, und lugte dann argwöhnisch unter dem Tisch hervor, der ihr eine scheinbare Zuflucht bot. Dabei traute sie sich nicht, den Blick von ihm zu lassen, konnte sie seine Schritte doch nicht hören, falls er sich ihr näherte. Stattdessen jedoch nahm sie den Geruch im Raum wahr. Neben seinem Eigengeruch lag der intensive Duft von Farben in der Luft. Obwohl sie sich fürchtete, realisierte sie gleichzeitig, dass sie dies als angenehm empfand.
    Beim Betreten des Zimmers waren ihr die Gemälde aufgefallen und noch immer wunderte sie sich darüber, wie ein solch grausamer Mensch bloss durch seine Bilder die Gedanken anzuregen vermochte. Sie hatte eine Landschaft erkannt, welche in weiches Mondlicht getaucht wurde und musste wieder daran denken, wie sie ihm im schwachen Moment ihrer ersten folgeträchtigen Begegnung von ihrer Sehnsucht nach dem Wald geschrieben hatte.


    Und nun?
    Ihre Gedanken vermochten sich kaum zu fokussieren, so sehr hielt die Anspannung sie gefangen.
    Wollte er sie hier töten? Doch wäre das nicht allzu auffällig, sollte man sie hier auffinden?
    Und ihre Familie würde doch bestimmt nach ihr Suchen lassen und die Stadtwachen informieren. Nur läge sie bis dahin vielleicht schon tot in einer dunklen Gasse...


    Selbstsicher begann er Briefe und Schriftstücke auf dem Laken auszubreiten, zückte sogleich einen Stift und schrieb selbst einige Worte.
    Emilia war zwar neugierig, doch ausnahmsweise obsiegten sogar in ihrer Katzengestalt das Misstrauen und die Angst. Ihre Schweifspitze zuckte unruhig über den Boden, während sie sich zusammengekauert hatte. Sie würde nicht aus ihrem Versteck hervorkommen, und sollte er es wagen, sich zu ihr hinunter zu bücken, würde sie ihm die Augen auskratzen.

    Avatar: ©sharandula.deviantart.com

  • So wie es der junge Mann bereits geahnt hatte, so würde Emilia niemals auf seine Aufforderungen hören oder sich gar richtig zeigen. Natürlich hatte er gehofft, die junge Frau würde sich aus ihrer Gestalt wandeln und er könne richtig mit ihr reden, oder zumindest schriftlich kommunizieren, doch da kam sie ihm keinesfalls entgegen. Letzten Endes war dies aber auch nicht verwerflich, so war sie dcoh mit ihm in diesem Raum eingesperrt und er zwang sie dazu, seinen Worten Gehör zu schenken.


    Um es ihr jedoch leichter zu machen, so entschied er, hob er beschwichtigend seine Hände und deutete mehr als offensichtlich an, dass er noch immer unbewaffnet war. All die Stellen an denen er hätte Waffen verstecken können, offenbarte er ihr und somit war es eindeutig, dass die einzigen Waffen im Raum auf der Kommode lagen. Doch als nächstes blieb er nicht stehen, nein, ruhigen Schrittes bewegte sich Dimicus an dem Bett vorbei, direkt zur Tür und lehnte sich gegen diese.


    Seine Waffen waren für ihn so unerreichbar und Emilia hätte direkt sehen können, wenn er zu ihnen eilen und ihr somit Schaden zufügen wollen. Sie hatte nun mehr als genug Freiraum, um sich zum Bett zu bewegen und das Gefühl der Sicherheit umarmen zu können. Mit einer freundlichen und ansatzweise warmen Geste deutete er mit offener Hand auf die Papiere, die sich die Katze nun anschauen konnte. Mehr tat er nicht, er ruhte dort an der Tür und bewegte sich nicht.


    Doch plötzlich hörte er Schritte hinter sich, ein Klopfen durchbrach die plötzliche Stille des Raumes, als einer zögerliche Stimme durch die Tür sprach: "Herr, seid Ihr anwesend? Man hat einen weiteren Brief für Euch abgegeben." - "Schiebt Ihn unter der Tür durch." Wieder trat kurze Stille ein, eher ein rascheln gefolgt von sich knickendem Papier vernahm, als der Brief durch den Spalt unter der Tür geschoben wurde und die Schritte sich wieder zu entfernen begannen. Neugierig und doch etwas verwundert zugleich hob er den Brief auf, er war nur klein, doch versiegelt. Schwarzes Wachs, auf dem ein Dolch geprägt war. Dieses Symbol oder Siegel hatte er noch nie gesehen.


    Allerdings kümmerte ihn das im Moment wenig, denn die süße Stille zwischen Emilia und ihm bestand noch immer, diese Ruhe die in dem Raum lag war unheimlich und erfüllend zugleich. Langsam atmete der junge Mann, ihm schossen gerade die verschiedensten Ideen für seine Kunstwerke durch den Kopf, die Ruhe genoss er, so regte sie ihn immer zum Nachdenken an, inspirierte ihn gar. Diese Stille und doch so viele Worte, die ungesprochen im Raume umherirrten. So ging das Warten weiter, nichts passierte und er regte sich nicht. Irrte er sich?

    Vielen Dank an Bitte melde dich an, um diesen Link zu sehen. der Bitte melde dich an, um diesen Link zu sehen. für das schicke Profilbild!

  • Unbewaffnet oder nicht, Valerius stellte eine Gefahr dar.
    Im Gegensatz zu Emilia, der man die Anspannung an jeder Stelle ihres Körpers ablesen konnte, schien er die Ruhe in Person zu sein.
    Nicht einmal, als unter der Tür ein Brief durchgeschoben wurde, brachte es ihn aus dem Konzept. Nein, er stand nur weiter da und starrte Löcher in die Luft.
    Emilia ahnte bereits, dass sie hier Wurzeln schlagen würden.
    Leider konnte niemand wissen, wo sie sich befand und selbst wenn Gisela den zerrissenen Brief in ihrem Zimmer finden sollte, würde es kaum zu ihrer Rettung beitragen.
    Eine Weile noch wartete sie ab, dann hielt sie es nicht mehr länger aus. Gaaaanz langsam und behutsam, gerade so als ob sie über Scherben gehen würde, setzte sie in geduckter Haltung eine Pfote vor die nächste bis zum Tischbein, wagte sich jedoch nicht in den offenen Raum hinein, den sie zuerst teilweise durchqueren musste, um das Bett zu erreichen.


    Schliesslich schoss sie in einer fliessenden Bewegung los wie ein Pfeil und mit einem beherzten Sprung landete sie mitten in dem Papierhaufen. Mit einem drohenden Fauchen und gesträubtem Fell gab sie Valerius zu verstehen, sich bloss nicht zu nähern. Dabei wirkte sie mutiger, als sie es eigentlich war. Sie stakste unelegant auf der weichen Decke herum und platzierte sich so, dass sie ihren Entführer gut im Blick hatte. Was für ein Dilemma. Bestimmt wollte er nur, dass sie sich von den Schriften ablenken liesse, damit er sie zu fassen bekäme... und gleichzeitig wusste sie irgendwie, dass Valerius sie nicht gehen lassen würde, bevor sie dieses blöde Papier wenigstens scheinbar gelesen hatte!


    Unschlüssig huschte ihr Blick zwischen den Schriften und dem Gefängniswärter hin und her. Schliesslich setzte sie sich, und wartete auf seine Reaktion. Nichts.
    Sie seufzte und holte dann tief Luft, um sich den Papieren zuzuwenden – und erstarrte.
    Eigentlich hatte sie erwartet, dass es Fälschungen wären. Sie konnte sich zwar keinen Reim darauf machen, weshalb Valerius sich die Mühe geben sollte, ihr solche Lügen zu unterbreiten, doch etwas Anderes wollte sie nicht wahrhaben.
    Aber als nun der zwar schwache, doch unverkennbare Geruch ihres Herrn Papa den Weg in ihre Nase fand, vergass sie für einen kurzen Moment sogar seinen Mörder.
    Sie sah ihn vor sich, wie er über seinen Schreibtisch gebeugt war, und im fahlen Kerzenlicht in seiner unverkennbaren Schrift gerade einen Brief beendete. Als er das kleine Mädchen sah, hatte er gelächelt und sie war zu ihm gelaufen und auf seine Knie gekrabbelt, wo er ihr erlaubt hatte, den Siegelring in das warme Wachs zu drücken, mit dem er das Couvert sorgfältig verschlossen hatte.
    Sie zuckte zusammen, als sie eine Bewegung erahnte, doch Valerius hatte bloss eine Fliege verscheucht.


    Nun war die Neugier, ihrem Widerwillen zum Trotz, doch geweckt. Es war nicht leicht gleichzeitig aufmerksam zu bleiben und einen Tagebucheintrag entziffern zu wollen. Die Rede war von einem Schuldner, welcher offenbar auf einige deutliche Anregungen ihres Herrn Papas hin doch noch seine Zeche bezahlt hatte. Womit wurde nicht genannt.
    Emilia schaute zu Valerius hinüber. Und damit wollte er ihr was nochmals beweisen?
    Sie versuchte sich an die Worte aus seinem Brief zu erinnern, den sie wütend zerrissen hatte.
    Ach ja genau… dass sein Tod gerechtfertigt war!
    Augenblicklich wandte sie sich von dem Eintrag ab, und liess den Blick über den zusammengewürfelten Haufen gleiten. Eine Auflistung fiel ihr auf. Einige Namen darauf erkannte sie, es waren politische Grössen wie Gerold Mollersdorf, Lucius von Ebersdorf oder Hanibald Hugentob. Daneben standen hohe Summen geschrieben. Abfindungen? Bestechungsgelder?
    Die Annahme bestätigte sich, als sie in einem Briefwechsel die Drohung von Lucius von Ebersdorf entdeckte, Frederick nicht mehr zu unterstützen, wenn sein Lohn nicht grosszügiger ausfalle. Schliesslich hätte er sich ebenfalls für den besagten Posten bewerben können.
    Emilia war wütend darüber, dass Valerius offensichtlich nicht überall gelogen hatte.
    Aber war es nicht das Recht eines Familienoberhauptes, Geheimnisse vor seiner Familie zu haben? Und war es nicht seine Pflicht, für den Unterhalt der ihm anvertrauten Liebsten aufzukommen?


    Die junge Frau klammerte sich verzweifelt an der liebevollen Vorstellung ihres Herrn Papas fest, während sie versuchte, ihre Wut gegen den jungen Mann zu richten, der sich hier wie ein Advokat aufführte. Was auch gar nicht schwer war.
    Nachdem er ihr zuerst einen geliebten Menschen genommen hatte, wollte er nun auch ihre schönen Erinnerungen an ihn zerstören!
    Sie fauchte ihn zornig an und fühlte sich plötzlich unheimlich hilflos.
    Am liebsten hätte sie geweint.
    Warum sperrte er sie hier ein? Was wollte er von ihr? Sollte er sie doch endlich in Ruhe lassen!
    Plötzlich fühlte sie sich unheimlich eingeengt in dem Raum und hatte das Gefühl kaum noch Luft zu bekommen. Unruhig zuckte ihr Schweif. Ein Käfig, es ist wie in einem Käfig!
    Im selben Moment verspürte sie ein bekanntes Kribbeln in ihrem Körper, welches sie jedoch erleichtert willkommen hiess. Im selben Moment, als Emilia sich zu wandeln begann, schien auch die verängstigte Katze sich in ihrem Innern zurückzuziehen.
    Sie spürte eine neue Kraft in sich aufsteigen, ungezähmt und wild. Bereit, sie vor allem und jedem in Schutz zu nehmen. Alles um Emilia herum schien für einen Augenblick zu verschwimmen.
    Die dunklen Haare schienen gleichzeitig auszufallen und in einem sandfarbenen Ton neu zu spriessen, so als hätte sie einen Fellwechsel, während sich ihr Körper unterdessen ausdehnte, und die feinen Pfoten zu kräftigen Pranken heranwuchsen. Das Bett knarrte bereits unter dem zunehmenden Gewicht.


    Emilia bemerkte gar nicht, wie Flaverius neben ihr zur Kommode stürzte und sich blitzschnell einen langen Dolch griff, um sogleich wieder aus ihrer Reichweite zu verschwinden.
    Als ihre Wandlung beendet war, von einer Katzengestalt in die andere war es immer angenehmer, als in die Menschengestalt oder umgekehrt, schüttelte sie kurz ihr Haupt. Dann fixierten ihre smaragdgrünen Augen den Mann, welcher sich mutig vor der Tür positioniert hatte.
    Sie gab ein leises, tiefes Knurren von sich, forderte ihn eindeutig auf, ihr den Weg freizugeben. Mit einem legeren Sprung bewegte sie sich vom Bett hinunter und stand gleich darauf in der Mitte des Raumes, einen grossen Schritt von Valerius entfernt. Sie hob ihren Kopf und witterte in der Luft. Deutlich konnte sie seinen Schweiss riechen. Sein Atem ging schneller als gewöhnlich, ausnahmsweise einmal wirkte er nicht mehr ganz so entspannt, wie er sich zuvor gegeben hatte.
    Und nun geh aus dem Weg!, ein weiteres Grollen drang aus ihrer Kehle empor, die kräftigen Fangzähne waren zu erkennen und der Schweif mit der dunklen Quaste fegte ungeduldig durch die Luft. Obwohl sie nicht mehr dieselbe Angst empfand wie zuvor, verspürte sie noch immer eine Unruhe, welche sie dazu drängte, diesen Ort zu verlassen, und sie hatte nicht vor, dabei Rücksicht auf den Kerl zu nehmen, wenn er ihr dies verwehrte.

    Avatar: ©sharandula.deviantart.com

  • Mit aller Seelenruhe beobachtete er das Tun der Katze, während sie ihn beäugte und mit unsicheren Schritten zu dem Bett tapsen wollte. Ihr Fauchen, das Zeigen ihrer Zähne und anlegen ihrer Ohren. Diese animalische Seite faszinierte den Künstler ungemein, wie ein Mensch in dieser Gestalt sein konnte, sich wohl fühlte? Allgemein fand er das Wesen eines Gestaltwandlers sehr interessant, diese Katze hatte menschliche Züge in ihrem Verhalten und war doch durchweg Katze. Dieses Tier edlen Geblütes, welches er da erblickte und zu schätzen wusste. Der grazile Gang, das Haupt und die aufmerksamen grünen Augen, welche ihre Umgebung abzusuchen und schließlich noch die Menschlichkeit dieser Katze auszustrahlen wussten.


    Jede kleine Bewegung, wie sie dort auf dem Bett saß und aufmerksam die Papiere studierte, die die eindeutigen Beweise für Fredericks Schandtaten darstellen. Natürlich hätte Dimicus Emilias Vater auch ohne diese getötet und in etwas verwandelt, was viel schöner war, als es dieser Mann hätte je werden können. Schließlich war es doch die Verantwortung seines Genies und der Herrlichkeit seiner Kunst die es ihr überhaupt ermöglicht hatte, ihren Vater stets in diesem wundervollen, gar friedlichen Bilde als Abschied im Kopf zu behalten. Wäre er nicht gekommen – wären andere für seinen Tod verantwortlich gewesen. Sie wusste nicht, sie verstand nicht, was es bedeutete, dieser Ehre teil zu werden. Doch er hoffte, sie würde es eines Tages verstehen. Falls es soweit kommen würde und er sterben sollte, durch ihre Hand, so würde sie im Angesichte seines Todes mit großer Sicherheit die Schönheit und die süße Bitterkeit dessen entdecken. So weit musste es allerdings erst kommen und es war sehr unwahrscheinlich, dass sie ihn töten würde. Oder irrte er sich?


    Denn in diesem unachtsamen Moment seiner Gedanken bemerkte er anfangs nicht, wie die Wandlungen Emilia heimsuchten, vor seinen Augen geschah das Wunder der Gestaltwandlung, welches er kurz vollkommen erstaunt und fasziniert zugleich verfolgte. Wie aus klein groß und schließlich noch größer wurde, wie sich ihre gesamte Physis von einem Moment auf den anderen veränderte, vollkommen aus der Luft heraus scheinend und wunderschön zugleich. Doch noch im richtigen Moment bekam er mit, dass sie allmählich die Gestalt eines Löwen annahm, einem eleganten und zeitgleich tödlichen Raub. Er verfluchte sich dafür, noch kurz zuvor gedanklich diese Dinge über seinen Tod gesagt zu haben.


    Hechtend und ohne Umschweife eilte er zur Kommode, um zumindet noch die Chance auf eine Waffe bekommen zu können, welche ihm dank des andauernden Wandlungsprozesses noch gewährt wurde. Nur ungern kam er ihr dabei zu nahe, der Künstler wollte ihr erst gar nicht im Wege stehen, wenn sie mit ihren Pranken schlagen und ihre Reißzähne in sein Fleisch bohren konnte. Schnell brachte er sich zurück vor die Tür, zumindest mit einem Dolch bewaffnet ging er in Stellung, zum Kampfe gegen ein Tier bereit. Sein Herz klopfte, sein Atem beschleunigte sich, als er die immer größer werdende junge Löwin vor sich betrachtete. Er hatte seine Drohung gebrochen, sie töten zu wollen, wenn sie dies tun würde, doch wie konnte er dieser Schönheit etwas antun? Durchaus war sie in der Lage, mit nur einem Satz ihn umzuwerfen und ihm die Kehle aufzureißen, warum tat sie dies also nicht? Leichte Schweißperlen traten auf seiner Stirn hervor, Angst begann eiskalt seinen Rücken heraufzukriechen, während sich die Löwing vollständig vor ihm aufbaute.


    Nun hatte sie die Chance zur Rache, eine Tatsache die er nicht bedacht hatte, als er die junge Frau hier mit sich einsperrte. Welch törichter Zug von ihm, wie konnte ihm das nur passieren, dieses wichtige Detail zu vernachlässigen? Doch sie tat nichts, außer bedrohlich zu knurren. Es war eindeutig, dass sie nur hinaus wollte und keinen Kampf suchte. Ihre Löwengestalt schien sie zu beschützen, ihr zur Stärke zu verhelfen. Es war alos tatsächlich sie gewesen, die den Bettler tötete. Doch wenn sie diesen einfach töten konnte, wieso zögerte sie bei ihm? Er konnte sich vorstellen, dass sie einzuschätzen wusste, es mit einem Kämpfer der nicht so leicht kleinzukriegen war zu tun hatte, aber er hatte kaum Platz zum manövrieren.


    Sie standen also da, Auge in Auge und die Augenblicke schienen beinahe gar nicht zu vergehen, während das Knurren der Löwin immer bedrohlicher wurde, er wohl einfach Platz machen sollte, statt ihren Racheglüsten nachzugeben. Etwas was Dimicus nicht ganz zu begreifen wusste, doch hatte er eine andere Wahl? So konnte er froh sein, noch nicht tot zu sein und in diesem Moment gewann er einen riesigen Respekt vor dem innerem Wesen Emilias. Ihre majestätische Art, wie sie vor ihm thronte und einem unerschrockenen Geiste Angst einjagte. In diesem Moment wusste er, was er zu tun hatte, seine Kampfeshaltung anfang nicht aufgeben, so schloss er für einen Moment die Augen, atmete tief ein, als sich seine komplette Muskulatur entspannte.


    Doch nur mit einem plötzlich Ruck und einer immensen Kraft sauste der Dolch nach vorn, vor ihm auf den Boden, wo sich die Klinge in den Holzboden vergrub und stecken blieb. Darauf ließ seine Hand den Stahl seiner Waffe los, wobei er sich wieder aufrichtete, groß und wissend seiner Niederlage eingestehend. Mit einem anerkennenden Blick bedachte er sich, als er eine linke vor den Bauch hielt, die Rechte weit von sich streckte und sich schließlich tief verbeugte. Er demonstrierte und ergab sich des Sieges Emilias, eine Schmach die er sich wohl nie verzeihen würde, doch ihm blieb nichts anderes übrig. Sein eigener Tod war ihm dann doch nicht willkommen – noch nicht.


    Schließlich stand er wieder, aufrecht und stolz wie er es immer war in solch einer Situation, ehe er die Hände im Nacken verschränkte und mutig vorwärtslief, knapp vorbei an dem großen Leib der Löwin, welche ihn mehr als bedrohlich für diese Tat anknurrte und für einen Augenblick dachte er, sie würde ihm nun das Leben nehmen. Sein herz pochte wild und der Atem war mittlerweile unruhig dabei, Emilias geschärfte Sinne durften diesen Umstand ohne Probleme spüren können. Sein Weg führte ihn zu dem im Raum befindlichen Fenster, vor welchem er schließlich Halt machte, die Hände langsam nach vorn holte um das Schloss an jenem Rahmen zu öffnen und diesen zu öffnen. Weit öffnete sich das Portal nach draußen, die eisige Kälte des inzwischen hereingebrochenen Abends betrat das Zimmer und ließ den Almanen erschaudern, worauf er zur Seite trat und Emilia mit genügend Abstand die Möglichkeit der Heimkehr bot, seine Hände wieder hinter seinem Nacken verschränkt.

    Vielen Dank an Bitte melde dich an, um diesen Link zu sehen. der Bitte melde dich an, um diesen Link zu sehen. für das schicke Profilbild!

  • Noch immer besass Valerius den Wagemut, ihr nicht aus dem Weg zu gehen. Gerade als Emilias Geduld sich langsam dem Ende zuneigte und der Drang zu verschwinden zunahm, veränderte sich die Haltung des Mannes. Im nächsten Moment schnellte der Dolch in einer fliessenden Bewegung auf den Boden zu und blieb mit einem Nachschwingen dort stecken, während Valerius den Griff losliess und sich langsam aufrichtete. Die Löwin war zusammengezuckt und in einer Haltung grösster Anspannung. Sein rasches Handeln hatte sie zugegebenermassen überrascht und er hätte es durchaus vermocht, sie schwer zu verletzten.
    Gleichzeitig hatte er Glück gehabt, dass sie sich nicht instinktiv auf ihn geworfen hatte, was vielleicht auch damit zusammenhing, dass sie nicht gewohnt war, sich verteidigen oder gar angreifen zu müssen.


    Schliesslich verbeugte er sich vor ihr.
    In ihrem Innern versuchte der menschliche Verstand sein Tun misstrauisch nach möglichen Fallen und Beweggründen hin zu analysieren, während die Löwin Valerius selbstverständliche Unterwerfung mit erhabener Miene gleichmütig hinzunehmen gedachte, solange er ihr und der Tür fernbleiben sollte. Die ansonsten so neugierige und verspielte Katze hingegen kauerte sich ängstlich in einer Nische des Bewusstseins zusammen.
    Der Kompromiss ihres Innenlebens zeigte sich durch den achtsamen Blick, mit dem sie Valerius bedachte.
    Die Spannung im Raum war beinahe greifbar, als er es tatsächlich wagte, nicht etwa die Tür zu öffnen und beiseite zu treten, sondern sich ihr seitlich zu nähern, und sie knurrte ihn wütend an. Bald hätte er ihre Geduld überspannt. Sie verfolgte seine Bewegungen, als er jedoch bloss an ihr vorbeiging, zum Fenster hinüber.
    Emilia wandte sich zu ihm um, denn es behagte ihr nicht, ihn schräg hinter sich zu wissen, zumal ganz in der Nähe noch weitere Dolche herumlagen. Warnend ging sie ihm einen Schritt hinterher, bereit zum Sprung, sollte er einen Sprint zur Kommode versuchen.


    Valerius machte sich am Riegel zu schaffen und das Fenster öffnete sich.
    Ein frischer Lufthauch wehte der Löwin entgegen, welcher die Gerüche der anbrechenden Nacht und der Stadt in sich trug. Und in eben diesem Moment überkam Emilia ein Deja Vu.
    Sie konnte beinahe den rauen Boden der Gasse unter ihren Pranken spüren, so deutlich war ihre Erinnerung.
    Doch war es wirklich eine Erinnerung oder bloss ein Traum?
    Ihr Blick blieb an Valerius hängen und wiederum witterte sie seinen Geruch, welcher eindeutig von Angstschweiss geprägt war. Es kam ihr alles so vertraut vor. Wie er da an der Wand stand, keinen Ausweg sah. Ein Zittern durchlief seinen Körper, was sowohl der plötzlichen Kälte als auch seiner Unruhe zugeschrieben werden konnte.
    Unbewusst tat Emilia einen Schritt in seine Richtung, die minzgrünen Augen taxierten seine dunkle Gestalt. Er hatte die Hände hinter seinem Nacken verschränkt. Schon einmal war sie ihm so nah gekommen, schon einmal hatte sie ihn auf diese Weise in die Ecke gedrängt. Sie konnte sich nun verschwommen daran zu erinnern, wie er ihr in ängstlicher Ablehnung die Hände entgegengestreckt hatte. Und dann?
    Ihre Erinnerungen wurden wieder undeutlicher, hatte er seine Lippen bewegt?
    Sie meinte sich an Worte zu erinnern, die er ihr höhnisch zugeworfen hatte: «Du wirst dieses Werk niemals vollenden!»
    Und dann hatte er gelacht, ein verächtliches und bösartiges Lachen.
    Sein Angstgeruch gab schliesslich den Ausschlag, denn Emilias ganzes Wesen vertraute ihm mehr als ihren eigenen Augen.
    Die Erinnerung des Geruches lügte nie, es war kein Traum gewesen!


    Die Löwin sprang – und riss Valerius unversehens von den Füssen.
    Er kam unter ihr zu liegen und sie konnte den Angstschweiss nicht mehr nur riechen, sondern erkannte auch das nervöse Pulsieren seiner Halsschlagader, als er unter ihr zu liegen kam und sich instinktiv zu befreien versuchte.
    Die Löwin hatte die Führung übernommen, wusste bloss, dass dieser Mann ihre Beute war, die ihr kein zweites Mal durch die Lappen gehen sollte.
    Wie hatte es ihm damals bloss gelingen können?
    Von ihren Lefzen tropfte der Geifer auf seine Brust. Er versuchte sich ihr zu entwinden, doch von einem tiefen Grollen begleitet, setzte sie ihm ihre Pranke auf die Brust und beugte sich vor. Die Krallen bohrten sich oberflächlich in sein Fleisch und er konnte ihren warmen Atem spüren, als sie seinen Geruch in sich aufnahm, was sogleich die Bilder von ihrem verstorbenen Vater in ihr Gedächtnis beförderte.
    Ihr Blick glitt über sein Gesicht, wo sich einzelne Schweissperlen bildeten, und dann starrte sie in seine Augen. Die Pupillen waren weit aufgerissen, doch sie waren unverkennbar tiefblau. Wie von der Tarantel gestochen schnellte sie von Valerius weg.


    Heftig schnaufend kauerte sie vor der Tür, und obwohl sie den jungen Mann fixierte, schien sie ihn doch nicht wirklich wahrzunehmen.
    Der seelenlose Blick aus den braunen Augen des Bettlers brannte sich wie ein Feuereisen in ihren Geist und mit einem Schlag wusste Emilia, dass sie seinen Tod zu verschulden hatte. Plötzlich zitterte die Raubkatze am ganzen Leib und gab ein gequältes Geräusch von sich, als ob sie selbst gerade einen Angriff erlitten hätte.

    Avatar: ©sharandula.deviantart.com

  • Der leicht unruhige Blick Dimicus' ruhte auf die große Raubkatze, welche sich dem Fenster für ihre Flucht zu nähern schien. Sie konnte in die Freiheit, Emilia konnte sich das zurückholen, was sie sich in diesem Moment wohl gewünscht hatte. Doch hielt schon sehr bald inne, der Künstler hörte ihr Wittern, welches die Gerüche aufnahmen. Sowohl seinen als auch den von draußen, so wie er es zumindest vermuten konnte. So konnte er sich zumindest erklären, wie sie ihn hatte durch die Stadt verfolgen und finden können. Ihre Nase musste durch ihr inneres Wesen immens geschärft sein.


    Doch noch während sie die Düfte aufnahm, veränderte sich ihr Blick, ihre Haltung schien für sie unbewusst angespannter zu werden und einer ihrer Pfoten bewegte sich nicht zum Fenster, sondern zu ihm. Im selben Moment noch stellte er leicht einen Fuß zurück, spannte seine Muskeln in seinem rechten Bein an, um im Notfall beiseite springen zu können. Etwas tat sich in ihr, die Ruhe die diesen Raum nun heimsuchte schien beinahe nun unheimlich und wenn sie nicht durch Laute von draußen unterbrochen wäre, hätte man sicherlich den Schlag seines eigenen Herzens hören können. Tief atmete er aus, als sich die Muskeln dieser Großkatze schlagartig anspannten und ihm vollkommen überraschend den Körper der Löwin entgegentrugen.


    Mit einem lauten Rumpeln und Fall auf seinen Hinterkopf, einzig abgefedert durch seine beiden Hände, stülpte sich ein riesiger Schatten über ihn. Seine Sicht war vollkommen verschwommen, er geriet in Panik, als Schmerzen seinen Kopf durchzuckten und seine Überlebensinstinkte für diesen Moment Überhand nahmen. Vollkommen betäubt und schwummrig versuchte er sich zu bewegen, doch statt der sonst grazilen Bewegungen brachte er nur unkoordinierte Zappeleien zustande, um sich aus den Fängen der Löwin zu befreien. Angst übermannte ihn einfach, doch mit neugewonnenen Mut hatte er sich beinahe unter ihr hervorgewandt, ehe eine schwere Pranke auf seiner Brust landete und die Luft aus ihm herauspresste.
    Mit größter Mühe und Not unterdrückte er einen Schrei, als sich die Krallen der Löwin in sein Fleisch bohrten und er rot sah. Vollkommen fixiert und wehrlos lag er nun dort, seine Hände gehorchten ihm vor Schock gar nicht erst. War es das nun? Getötet von einer Löwin, deren menschliche Seite nicht einmal zum Töten imstande war? Sein Herz pochte wild, was die Großkatze unter ihrer Pfote mit großer Sicherheit spüren konnte, die Luft wurde knapp, er konnte fast nicht atmen. Würde sie ihm also nicht die Kehle herausreißen, so würde sie ihn ersticken. Deutliche Schweißperlen traten aus ihm aus, doch seine Augen gaben keine Tränen her, wie es vielleicht bei dem Bettler war. Wenn es sein Tod war, so würde man sich dennoch an ihn erinnern. Wenn er doch nur sein letztes Bild selbst veredeln konnte.


    Der auf seine Brust tropfende Speichel brannte, da er mitunter in die Wunden kam, die die Krallen Emilias schlugen. Seine Augen zuckten wild, seine Sicht verschwamm immer weiter zu einem Tunnel der nahenden Bewusstlosigkeit, als er als letztes Bild vor seinen Augen keine Löwin und nicht das Zimmer sah, sondern jenen Wolf und das Blau des Himmels, als er eigentlich einst hätte sterben sollen. Doch dieses Bild wechselte schnell wieder, als sich der warme Atem der Katze über sein Gesicht legte, die minzgrünen Augen seine fest fixierten und ein intensiver Blickkontakt stattfand, der tief in die Seele des anderen reichte. Seine Sicht wurde immer enger und sein Körper taub, ehe plötzlich sich etwas im Gesicht der Löwin ändert, genauer in ihren Augen. Schrecken strafte diese und ehe er sich versah, wurde das Gewicht der Pfote von seiner Brust genommen, feine Fäden seines Blutes spritzten um ihn.


    Die plötzliche Möglichkeit wieder zu atmen, fühlte sich wie die süßliche Erlösung an, die er ersehnt hatte. Seine Lungen begrüßten die Luft voller Freude, doch vertrugen sie nicht plötzlich so viel auf einmal, eher er krampfhaft zu husten begann und sich auf den Bauch drehte, sich auf allen Vieren aufrichtete. Heftiger Husten strafte ihn, dass sich gar nicht erst beruhigen wollte und für einen Moment nicht zu kontrollieren war. Zu seinem Glück ließ es jedoch schnell wieder nach, als einer seiner Hände sich auf das Bett neben ihn legte und ihm aufhalf. Leicht wankend stand er schließlich wieder auf den Beinen, vor ihm seine Dolche. Zuerst wollte er danach greifen, seine Instinkte siegen lassen und Emilia für diesen Fehler büsen lassen. Seine Hand streckte sich aus, die Finger ragten danach, doch ... er hielt kurz davor inne und seine Hand lockerte sich wieder.


    Sein Blick wandte sich zu Emilia, über die Schulter blickte er sie an, als er mit seiner Hand an seine Brust fasste und sein Blut unter den Fingern spürte. Fein nahm er es auf seinen Zeigefinger, hielt es in das Licht der Kerzen des Raumes und verrieb es schließlich mit seinem Daumen. Wacklig drehte er sich um, betrachtete die Löwin die ihn zu beobachten und doch so weit weg mit ihren Gedanken zu sein. Dimicus ahnte, was sie durchmachte. Sie war keine Mörderin, sie hatte nicht die Mentalität dazu und doch hatte sie vor kurzem diesen Bettler getötet. Auf die selbe Art, wie sie sie ihn jetzt getötet hätte.


    Leicht humpelnd und kaum fähig, feinere Bewegungen zu tätigen, bewegte er sich langsam und ruhig auf die Löwin zu. Sein Blick fixierte den ihren, schaut ihr direkt in die Seele, genau so wie sie es konnte. Noch ein gutes Stück von ihr weg kniete er sich nieder, beobachtete sie. Darauf bewegten sich seine Lippen langsam, deutlich, auf der Hoffnung Emilia würde sie lesen können: "Du erinnerst dich an den Bettler, nicht wahr? Es ist ein schrecklicher Schmerz. Ich kann dich verstehen, Emilia." Seine Hand an dem noch ein wenig seines Blutes klebte, streckte sich der Großkatze entgegen, die Handfläche nach oben und sich anbietend – ihr zu helfen.

    Vielen Dank an Bitte melde dich an, um diesen Link zu sehen. der Bitte melde dich an, um diesen Link zu sehen. für das schicke Profilbild!

  • Bei Ainuwar, was habe ich getan?
    Für einen Moment ist dies der einzige Gedanke in meinem Kopf und ich kann nicht ganz beurteilen, ob sich die Frage auf die Szene gerade eben oder auf jene Erinnerung aus der Vergangenheit bezieht, welche allmählich Form annimmt.
    Ich habe einen Menschen getötet! Wie konnte das bloss geschehen? Und gerade eben… hätte ich beinahe dieselbe Tat noch einmal begangen.
    Die Gründe sind für mich in diesem Moment unerheblich, denn nichts auf der Welt kann solch ein Vergehen rechtfertigen. Ich spüre wie ein Zittern meinen kräftigen Körper durchläuft und auf einmal fühle ich mich klein und hilflos wie ein Welpe.
    Der Bettler… ich sehe seine braunen Augen nun ganz deutlich vor mir. Im Tod blickten sie beinahe vorwurfsvoll. Doch zuvor... Das Gesicht von Valerius schiebt sich vor das ältere und auch in seinen blauen Augen sehe ich einen Moment lang die Todesangst aufblitzen.


    Der plötzliche innere Aufschrei meines Selbst hat sowohl die Katze als auch die Löwin für eine Weile vertrieben. Mein Verstand arbeitet auf Hochtouren und versucht, das neu erlangte Wissen zu verarbeiten.
    Ich erinnere mich plötzlich an die Gerüchte des reissenden Hundes, welcher durch die Gassen streifte. Meine Tante Lucinda hat uns deswegen alle unter strenger Beobachtung gehalten.
    Ahnte sie vieleicht, dass sie das Monster unter ihrem eigenen Dach beherbergt?
    Mich schaudert bei dem Gedanken.
    Bin ich womöglich eine Gefahr für die Familie? Müssen die Menschen in der Stadt nun nicht mehr den Rosendämon fürchten, sondern eine blutrünstige Bestie – mich?


    Am Rande nehme ich wahr, wie Valerius sich hustend vom Boden hochkämpft. Ihm scheint es so weit gutzugehen, abgesehen vielleicht von einigen Quetschungen, blauen Flecken und einem ausserordentlichen Schreck.
    Seine Hand tastet nach den Dolchen, die noch immer auf der Kommode liegen. Bis jetzt hat er sich viel zu höflich verhalten für den Mörder, der er ist. Meine Gedanken stocken bei dem Wort, welches mich mit Abscheu und Zorn erfüllt.
    Nun bin auch ich nicht besser als diese Gestalt vor mir.
    Vielleicht würde er nun endlich sein wahres Gesicht zeigen und mir mit dem Dolch den Todesstoss versetzten. Mit einem Hauch der Ironie überlege ich, dass ich dann wenigstens in einem Beet voller Rosen ruhen werde.
    Zu meiner Verwunderung bleiben die Waffen jedoch unberührt liegen, stattdessen torkelt der junge Mann wacklig zu mir herüber, und lässt sich unweit zu Boden sinken.
    Sein Atem hat sich etwas beruhig, doch er sieht mitgenommen aus. Mein Angriff hat Spuren hinterlassen. Die Kleidung ist an der Brust eingerissen und ich kann Blutspuren darauf ausmachen. Sein Gesicht ist noch bleicher als sonst, was den starken Kontrast zu den dunklen Haaren und den tiefblauen Augen verstärkt.
    "Du erinnerst dich an den Bettler, nicht wahr? Es ist ein schrecklicher Schmerz. Ich kann dich verstehen, Emilia."
    Sofort wende ich den Blick ab. Ich will seine verständnisvollen Worte nicht sehen und diese tiefgründigen Augen, die mich an meinen eigenen, wiederholten Kontrollverlust erinnern.


    Am liebsten würde ich mich in Luft auflösen, doch dies geschieht natürlich nicht. Für einen Moment schliesse ich die Lieder und achte auf meinen pochenden Herzschlag, der regelmässig mein Blut durch den Körper pumpt und mich mit Energie versorgt.
    Als ich sie wieder öffne sehe ich, dass Valerius mir seine Handfläche entgegenhält. Ich bemerke das Blut, welches daran klebt und fühle ein Schwindelgefühl.
    Ich habe ihn angegriffen!... aber er lebt noch, schau doch, es geht ihm gut, versuche ich mich gleichzeitig selbst zu beruhigen.
    Ausserdem hat er es verdient, einmal selbst in diese Lage zu geraten, setzt eine fiese Stimme hinterher.


    Schliesslich erhebe ich mich langsam. Da er kniet, sind wir nun auf einer Augenhöhe, wobei ich seinem offenen Blick nicht standhalten kann. Sein Brustkorb hebt sich noch immer schwer und ich hoffe, dass keine Knochen gebrochen sind.
    Ich nähere mich ihm langsam, seine Geste ignorierend. Dann, als müsste ich mich davon überzeugen, dass er wirklich noch lebt, beschnuppere ich ihn unwillkürlich, nur eine Handbreit von einer Berührung entfernt. Eine Gänsehaut beginnt sich augenblicklich über seinen Körper auszubreiten und ich erkenne, wie sich die feinen Härchen aufstellen.
    Natürlich bin ich mir der Wirkung meines Verhaltens nicht wirklich bewusst. Wie sollte ich auch erahnen, wie es sein muss, wenn einen nur wenige Zentimeter von den Fängen einer ausgewachsenen Raubkatze trennen?
    Zu Hause spielte ich immer völlig gedankenlos mit meiner Zofe, die mich von klein an kennt und nur manchmal ihre Bedenken hatte, wenn die Löwin allzu ausgelassen auf sie zu rannte.


    Nur sein Geruch verstört mich immer wieder aufs Neue und löst Erinnerungen aus, so dass ich schliesslich etwas verschreckt zurückzucke.
    Er lebt, ist gesund und munter, das ist ja noch einmal gut gegangen!, beschwichtige ich mich sogleich.
    Seine Hände liegen inzwischen auf seinen Knien, er wirkt so viel ruhiger, als ich mich gerade fühle.
    Der Blutgeruch steigt mir wiederum in die Nase, lässt mich nervös werden. Die Löwin meldet sich interessiert zu Wort.
    Dann aus einer Eingebung heraus, senke ich mein Haupt und fahre mit meiner rauen Zunge über seine Hand. Zuerst vorsichtig, beinahe eine Geste der Entschuldigung, dann energischer, bis das Blut sauber weggeleckt ist.
    Ich meine eine zaghafte Berührung an meinem Fell zu spüren, bin mir dessen aber nicht sicher, denn meine Aufmerksamkeit wird anderweitig beansprucht.


    Denn meine Geschmacksnerven schreien gierig nach mehr und ich verspüre den animalischen Drang, meine Zähne in seinen Arm zu schlagen. Mit einem Schauder erinnere ich mich plötzlich an die unheimlich gute Empfindung zurück, als ich nachts über die Dächer gerannt war unter einem wolkenverhangenen Himmel. Und wie euphorisch ich mich fühlte, als ich meine vermeintliche Beute erlegt glaubte.
    Mit einer immensen Willensanstrengung zwinge ich mich schliesslich dazu, vor ihm zurückzuweichen.
    Ich bin noch immer eine Gefahr!
    Und es nützt niemandem etwas, mir etwas anderes beweisen zu wollen...

    Verzweiflung droht in mir aufzusteigen, ich dränge sie jedoch entschlossen nieder.
    Ich darf jetzt bloss nicht die Kontrolle verlieren. Ich muss von hier verschwinden.
    Meine Familie… ich darf nicht nach Hause zurückkehren.
    Die Löwin kratzt an der Oberfläche, ich habe noch immer den eisernen Geschmack des Blutes in meinem Maul.
    Als ich das Fenster erreiche, atme ich erleichtert die neuen Gerüche ein. Nach einem letzten Blick zurück, springe ich aus dem ersten Geschoss hinab. Eine Ratte rennt verängstigt davon und ich folge ihr, hinein in das Gassengewirr der Stadt, an einen Ort, der Sicherheit verspricht.

    Avatar: ©sharandula.deviantart.com

  • Ruhend auf seinen Knien betrachtete er die Löwin, welche sich mehr als offensichtlich unwohl fühlte. Die Flammen in ihren Augen, welche er für einen Moment betrachten durfte, zeugten von dem inneren Kampfe, den Emilia in diesem Moment ausfechtete. Trotz seiner Schmerzen und der blutenden Wunden, versuchte Dimicus so ruhig und konzentriert auf selbiges zu achten. Etwas passierte mit Emilia, es löste sich in ihr und der Künstler erkannte die Qualen dieses armen Wesens. Seine Empfindungen konnten ihr Leid nachvollziehen, dass was sie durchmachte war etwas, was wohl jeder nach seinem ersten Opfer verspürte. Ja, selbst seine Brillianz wurde anfänglich von dieser Hilflosigkeit benebelt, doch hatte er es akzeptiert. Vielleicht konnte er ihr helfen?


    Doch was hatte er davon? Im Grunde nichts, doch die Verbindung zu ihr, welche er verspürte und als unbeschreiblich verstand, machte es ihm schwer dies nicht zu tun. Genau so wie diese Stimme ihm versagt hatte, Emilia für die Frevelei die sie seinem Körper angetan hatte zu bestrafen. Dieses Gefühl verstand er nicht, versteckte es aber dennoch gut. Vermutlich lag es nur daran, dass sie ihn an sich selbst erinnert, als er anfangs vollkommen hilflos durch die Wälder striff und auf sich allein gestellt das Überleben lernen musste. Ihr erging es nicht anders – nur in einem anderen Umfeld.


    Diese Hilflosigkeit und Unsicherheit ihrerseit jedoch führte schnell dazu, dass seine Hand sich wieder senkte, so kam keinerlei Reaktion anfangs von ihr und seine Verletzungen raubten ihm eine Menge Kraft. Da glaubte er auch, sie würde sich einfach aufrichten und gehen, doch statt an ihm vorbei näherte sie sich ihm. Sofort läuteten alle Alarmglocken bei ihm, Angst wollte ihn abermals übermannen, doch zumindest von einer Fluchtreaktion hielt er sich ab. Ganz im Gegenteil, er blieb so ruhig wie es nur möglich war sitzen, auch wenn er einen kalten Schauer über seinem kompletten Körper verspürte, als die Nase der Löwin seinen Duft abermals aufnahm und sie ihm somit sehr nahe kam.


    Im nächsten Moment jedoch, überraschte ihn die Geste der jungen Frau mehr als alles andere. Ihre Löwengestalt senkte den Kopf zu seiner Hand und begann zögerlich, sie mit ihrer Zunge vom Blute zu reinigen. Im ersten Moment spannte sich der komplette Körper Dimicus' an, so hatte Angst sie würde im wahrsten Sinne des Wortes nur Blut lecken. Mit aller Kraft hielt er aber seinen Fokus aufrecht und begann, seine Hand zu heben und sie ihr leichter zugänglich zu machen, was ihm ein gründlicheres und schließlich auch selbstsichereres Auftreten Emilias bescherte. Zuerst zögerlich hob er seine linke Hand an, führte sie zu ihrer Flanke als sich seine Finger in das weiche Fell vergruben und sie zaghaft zu streicheln begannen.


    Ein unglaubliches Gefühl machte sich in ihm breit, dieses majestätische Tier und diese zugleich zerbrechliche Frau berühren zu können, ohne dass sie ihn töten wollte. Jedenfalls machte sie im Moment nicht den Anschein. Leicht legte er den Kopf schief, als er die Löwin betrachtete und durch ihr gepflegtes Fell strich, was wohl kaum einem anderen gewährt wurde. Diese reine Eleganz die davon ausging, er fühlte sich wie ein Künstler der zum ersten Mal eine besonders wirkende Farbe ausprobierte, die mit dem Auge kostete und genoss.


    So unbegreiflich dieser Moment aber auf ihn wirkte, so währte er nun doch nur kurz. Mit einem plötzlichen Ruck setzte sie sich wieder von ihm ab, ein kurzer Blickkontakt entstand noch, in dem Dimicus Angst erkennen konnte, ehe sie an ihm vorbei zum Fenster schritt und mit einem Satz hinaus in die Nacht sprang. Mit einem Mal war es wieder still im Raum und der junge Mann war wieder allein. Die Erlebnisse der letzten Stunde waren mehr als aufregend gewesen, ein plötzlicher Blitz schoss in seine Gedanken und er hatte eine Inspiration. Seine Schmerzen und das Tropfen seines Blutes jedoch zogen ihn aus den Gedanken heraus, als er sein Gesicht verzog und von einem kurzen, stechenden Schmerzen wieder geweckt wurde.


    Es war ein Wunder, dass niemand von dem ganzen Tumult etwas mitbekommen hatte, doch das Bordell war um diese Uhrzeit mehr als belebt und diese Geräusche von stumpfen Schlägen, sowie Stöhnen war nicht unbedingt unüblich. Doch es wurde Zeit seine Wunden zu versorgen, weswegen er sich nur beschwerlich zu erheben begann und zu seinen Sachen herüber wankte. Mühsam kramte er eine Dosis schmerzlinderender Kräuter hervor, eine alchemische Salbe zum Desinfizieren der Wunden und schließlich einen Verband.


    Was zuerst das Wichtigste war, waren die Kräuter die er zerkaute und schließlich schluckte, seine Schmerzen wurden gehemmt, um schließlich seine Rüstung sowie die Kleidung ablegen zu können. Vorsicht säuberte er die Krallenspuren mit etwas Wasser, worauf er die stark brennende Salbe auftrug. Zu seinem Glück hatte er an die Kräuter gedacht, sonst würde er vor Schmerzen aufschreien. Mit zittrigen Händen schaffte er es, wenn auch ungeschickt, schließlich den Verband anzulegen. Seine Atmung war nicht beeinträchtigt, er war nur geschwächt aufgrund des Schocks und des leichten Blutverlustes. Nichts was sich nicht wieder legen sollte. Den Brief, welchen er zuvor in seiner Tasche gesteckt hatte, legte er auf den Tisch, sein Körper schrie nach Ruhe und als er in das Bett fiel, nahm dieser sie sich einfach...


    Am nächsten Morgen...

    Ruhig schlug der Künstler seine Augen auf, durch das Fenster seines Raumes schien die Sonne hinein, wärmte seine Nasenspitze als er sich aufzusetzen begann. Die vorherige Nacht war eine Probe für ihn und seinen Körper, in Ruhe versuchte er noch einmal zu refelektieren, was eigentlich geschehen war. Emilia, der Kampf zweier ungleicher Gegner und schließlich diese seltsam friedliche Begegnung. Kein Moment glich dem anderen und seine Neugierde wurde schnell erweckt, welche aber schnell von etwas anderem abgelöst wurde: Inspiration.


    Mit neuer und vollkommener Energie schoss ihm ein Bild in den Kopf, weswegen er aufsprang, zu seiner kleinen Malereiwerkstatt ging und sofort loslegte. Strich für Strich wurde auf die Leinwand getragen, Farben und Emotionen füllten das Bild um schließlich zu einem, einzigartigen Kunstwerk zu verschmelzen. Seine Visionen wurden mithilfe seiner Pinsel und der Vergänglichkeit der Zeit Realität, als sie schließlich zu ihrem krönenden Abschluss fanden. Seine Augen huschten über das Bild und betrachteten es zufrieden.


    Vor ihm saß eine Löwin, stolz und erhaben ruhte sie auf einem Vorsprung, der über einem Tal thronte. Gefüllt mit Bäumen, Grün und Gebirgen wirkte es friedlich, die Löwin schien die Königin dieser Ebenen zu sein und ihr edles Aussehen wurde nur von der Rüstung abgerundet, die sie trug. Platten über den Schultergelenken der Vorderpfoten, verziert mit Rosen, von welchen aus Ranken den Oberkörper des grazilen Tieres umfassten, sich zu einem schützenden Panzer formten. Sein Lächeln wurde nur noch breiter und die Züge zufriedener, als er dieses Gesamtbild betrachten durfte.


    Darauf folgte sein Blick auch schnell wieder in Richtung des Fensters, welchen ihn zurück in die Realität holte. Statt der morgendlichen Sonne, war bereits das Abendrot zu sehen und die Zeit hatte sich um ihn einfach aufgelöst. Nun merkte er auch, wie sein Körper ausgelaugt war, nach Wasser und Essen lechzte und endlich wieder gestärkt werden wollte. Womit er sich auch schon umdrehte und seiner Kleidung bemächtigte, wo ihm im selben Moment auffiel, dass er diese nähen, sowie seine Rüstung flicken lassen musste. Es würde also noch ein längerer Abend werden und er wurde noch länger, als er den längst vergessenen Brief zu betrachten bekam. Doch diesen Moment nahm er sich noch Zeit, als er das schwarze Siegel brach und zu lesen begann:


    An den Rosenliebhaber!


    Die Freude die Du während Deines künstlerischen Schaffens empfindest, ist unverkennbar.
    Die Passion, die Liebe zum Detail, Dein außergewöhnliches Geschick.
    Kunst kommt wirklich von Können, wie Du uns vortrefflich vor Augen führst.
    Deine Blumenmalerei macht für das Auge sichtbar, was Blumen in ihrer Essenz repräsentieren. Ein wundervoller Aspekt Deiner künstlerischer Darstellung.
    So sehr wir Deine Kunst auch schätzen und achten, Du bist leider im falschen Garten mein Freund.
    Dieser Garten ist in fester Hand, wird gehegt und gepflegt wie auch bewacht. Und so beobachten wir auch Dich.
    Solltest Du weiter in diesem Garten wandeln wollen, musst Du Dich unserer Gemeinschaft anschließen.
    Andernfalls musst Du diese grünen Gefilde verlassen um in anderen Gärten Deine Rosen zu finden und zu pflücken.


    Mit besten kollegialen Grüßen


    Noch während des Lesens weiteten sich die Augen Dimicus' und was er dort zu lesen bekam, machte ihn vollkommen sprachlos. Wie hatten ... wer hatte ... ? Vollkommen ungläubig blickte er darauf und wusste nichts damit anzufangen, er konnte sich keine Antwort zusammen reimen. Niemand außer Emilia wusste, wer er war und er bezweifelte, dass sie etwas verraten hatte. Für diesen einen Moment stockte sein Atem, doch er regulierte sich schnell wieder und seine Lippen verzogen sich zu einem Grinsen. Mich möchte jemand herausfordern, mir drohen? So sei es. Doch es gibt noch andere Dinge zu erledigen, ehe ich mich euch Uninspirierten widme. Mein Geist wird die Kunst schon noch zu euch tragen, primitive Barbaren. Ohne weitere Umschweife nahm er den Brief und hielt ihn in die Flamme einer nahestehenden Kerze, als er schließlich Feuer fing und er diesen durch das Fenster in die Gasse fallen ließ. Seine Stimmung hatte sich gewandelt, man hatte ihn herausgefordert, genau wie Wilfried, sie würden dafür bezahlen. Doch noch gab es so viel zu tun...

    Eine Woche verging...


    Es war nun schon einige Tage her, dass er diese schicksalhafte Begegnung mit Emilia hatte, worauf auch noch der Brief von dieser mysteriösen Gruppe aufgetaucht war. Natürlich war Dimicus nicht untätig gewesen und neben der Reparatur seiner Ausrüstung, hatte er sich seine Bestellung bei einem Maskenbildner des Untergrundes abgeholt. Die Kiste hielt er aber weiter verschlossen, magisch durchsetzt und einzigartig war dieses Stück und noch war nicht die Zeit, dieses neue Antlitz der Welt zu präsentieren. Man hatte ihn durchschaut und diesen Fehler durfte er nicht noch einmal machen, er musste größer werden, präsenter und doch verdeckter. Dieses Werkzeug würde ihm helfen, er war sich sicher.


    Denn bei den Nachforschungen die er zu Wilfried anstellte, zudem sein Auftritt den er ihm gegenüber plante, erforderte es mehr Eindruck zu schinden, im Gedächtnis zu bleiben, ehe es Dimicus auszulöschen vermochte. Denn Emilias zukünftiger Ehemann würde niemals den Bund eingehen, das war gewiss und niemand konnte es aufhalten. Jemand der sie als einen Spielball ansah, um an die Reichtümer ihrer Familie zu gelangen, einer Tochter seines wohl lukrativsten und einzigartigsten Mordes, hatte es nicht verdient Hand an sie zu legen. Der Künstler würde für das ewige Schweigen dieses Mannes sorgen, auf dass er allerdings für immer in den Erinnerungen seiner Familie, als auch der gesamten Stadt bleiben würde.


    Seine Informanten wussten viel über Wilfried, welcher sowohl in der Unterwelt als auch in der adligen Rige einen gewissen Ruf hatte, welcher ihm, wenn man genau fragte, schnell vorauseilte. Vielleicht hatte er sich nie etwas zu Schulden kommen lassen, dennoch pflegte er gute Kontakte in die Unterwelt und erst vor kurzem hatte er sich schließlich um eine Möglichkeit bemüht, Dimicus persönlich eine Nachricht zukommen zu lassen. Am nächsten Tage, so hatte sich es Dimicus vorgenommen, würde er das erste Mal seine neue Identität versuchen. Er würde mit Wilfried reden, doch auf eine neue Art und Weise.


    Am vorherigen Abend wandelte der Künstler, gerade wieder zurück von seinen Kontakten und Besorgungen, durch die Straßen, zurück zum Bordell. Um Malik und ihren Plänen war es allmählich ruhig geworden, dennoch wurde er mit dem Gegengift versorgt, was ihn weiterhin zu einem Sklaven ihrer macht. Doch hoffentlich nicht mehr lang, bis das Gift vollständig abgebaut war. Auch hier bedeutete es noch Geduld. Zu seiner Zeit würde er noch kommen, da war er sich absolut sicher.


    Ruhigen Schrittes ging er durch die abendlichen Straßen Drakensteins, es war nicht mehr weit bis zum Bordell und seinem vorübergehenden Zuhause, als er plötzlich einige Stimmen bemerkte, welche aus einer der dunklen Gassen drangen. Zwei offensichtliche Männer bedrängten eine kleinere, zierliche Person, eine Frau die scheinbar den beiden kaum etwas entgegenzusetzen hatte. Es wäre nicht die Angelegenheit Dimicus gewesen, so hätte er nicht im schwachen Licht die braunen Locken einer ihm bekannten Person erkennen können. Fraglich war es natürlich schon, ob sein Instinkt Recht behielt, doch er entschied sich schnell dort dazwischen zu gehen, den Eventualitäten zum Trotz.


    Als er im Schatten näher kam, seine Kapuze tief ins Gesicht gezogen, erkannte er tatsächlich Emilia in ihrer menschlichen Form. Warum war sie so unterwegs, wo sie sich doch als Katze unbehelligter bewegen konnte? "- wehre dich nicht so!", ertöhnte einer der Stimmen zum Abschluss, als schließlich beide Männer in ein gemeinsames, dreckiges Lachen übergingen. Dabei packten beide wohl nicht das erste Mal plötzlich zu, um sie zu fixieren. War es wirklich Emilia? Warum verwandelte sie sich nicht? Wehrte sich? "Hey!", ertönte es lautstark aus Dimicus Kehle, die Beiden hielten sofort inne und starrten den in Schatten gehüllten Künstler an. "Verschwinde, hier gibt es nichts für dich!", rief einer zurück, doch Dimicus schritt einfach weiter auf sie zu, reichte bereits unter seinen Mantel. Die beiden schienen aber von der typischen Schlägersorte zu stammen, denn statt noch einmal etwas zu sagen, stieß einer der beiden Emilia sofort zu Boden, während sie auf ihn zuzutrotten begannen.


    "Das war dein letzter Fehler, Großkotz.", spuckten sie große Töne, doch hielten sie plötzlich inne, als etwas in der Dunkelheit unter Dimicus Mantel hervorblitzte, durch die Luft surrte und schließlich im Fleisch des Oberschenkels einer der Beiden versenkte. Ein lauter Schmerzensschrei ertönte, als der Getroffene zurücktaumelte und sein Kollege nur ängstlich drein schaute. Wie der Feigling der er war, ergriff der Unversehrte sofort die Flucht, ließ seinen Kameraden im Stich, als ein zweiter Wurfdolch diesen zu Fall brachte. Mit Keuchen und Flehen kroch er weiter, wollte seinem Schicksal entrinnen, während er für einen Moment mit weinerlichen Augen Emilia anstarrte.


    All das half aber nichts, als sich Dimicus schon bei ihm befand, einen Stiefel auf den Oberkörper des Getroffenen stellte und ihn auf dem Boden fixierte. Dimicus' näherte sich mit dem unerkenntlichen Kopf dem angsterfüllten Gesicht des Schlägers. "Du hast Glück mein Freund, dass ich im Moment andere Proritäten habe, deswegen wird es schnell gehen." Schon war ein Dolch am Halse des Mannes, der Druck verstärkte sich und doch – das Keuchen und Atmen des Mannes erstarb nicht, sein Gesicht verzog sich nur vor Schmerz, als Dimicus seine Haut am Halse aufschnitt, aber nicht tief genug um ihn ernsthaft zu verletzen. Es blieb dem Triebtäter jedoch nicht verwehrt, in den Genuss der Wurfdolche zu kommen, die aus seinem Fleisch gezogen und an seiner Kleidung abgewischt wurden. Die Schmerzen die der Mann haben musste, schienen unerträglich und noch bevor Dimicus fertig war, driftete sein Opfer in die Bewusstlosigkeit.


    Er sollte es überleben, die Wunden waren nicht lebensbedrohlich und eher eine Lektion. Das allerdings kümmerte den Künstler nicht länger, als er sich Emilia näherte, ihr einfach nur stumm aber zunickend die Hand reichte, um sie aus der Gasse wegzubringen und schließlich zumindest in die Sicherheit seiner Räumlichkeit zu bringen...

    Vielen Dank an Bitte melde dich an, um diesen Link zu sehen. der Bitte melde dich an, um diesen Link zu sehen. für das schicke Profilbild!

  • Emilia verbrachte die letzten Tage in ihrer Katzengestalt, wodurch sie für die meisten Stadtbewohner unsichtbar war. Sie konnte sich unauffällig durch die Gassen bewegen und erhielt wenig Beachtung. Die meiste Zeit jedoch verkroch sie sich in dunklen Nischen, und focht schwere innere Kämpfe aus.
    Anfangs hatte sie es in Erwägung gezogen, einfach nach Hause zu gehen und ihr altes Leben fortzuführen. Doch die Angst, abermals die Kontrolle zu verlieren, hielt sie davon ab. Ausserdem bemerkte sie, dass sie ihre Verwandten doch nicht so sehr vermisste, wie sie bisher geglaubt hatte. Am Meisten sehnte sie sich nach der blossen Sicherheit und Stabilität, welche der Familienalltag ihr geboten hatte, den Annehmlichkeiten eines reichen Haushaltes – und nach ihrem Herrn Papa.


    Zudem musste sie feststellen, dass Mäuse um einiges schwieriger zu fangen waren, wenn es tausend Möglichkeiten für die flinken Tierchen gab, in letzter Sekunde in einer Ritze zu verschwinden. Und obwohl ihre Sinne geschärft waren, begann sie sich vor den nächtlichen Stunden zu fürchten, wenn weder Mond und Sterne, noch die flackernden Laternen die dunklen Ecken und ihre Bewohner auszuleuchten vermochten. Stattdessen schreckte sie bei jeder Bewegung auf und brachte nachts fast kein Auge zu, weil sie sich nicht wie gewöhnliche Katzen auf ihre Ohren verlassen konnte.


    Nach einer Woche in diesem Zustand erkannte man die hübsche Tigerkatze kaum wieder. Ihr Fell war schmutzig und zerzaust, ihre weissen Pfötchen nicht mehr vom dunklen Braun zu unterscheiden. Der neugierige Glanz war aus ihren Augen verschwunden, und hatte einem schreckhaften Argwohn Platz gemacht. Emilia war noch nie dicklich gewesen, doch nun hätte man ihre Rippen erspüren können, wenn sie dies denn zugelassen hätte.
    Ausserdem war sie in einem Zustand ständigen Misstrauens gefangen und der Hunger nagte an ihren sowieso schon strapazierten Nerven. Ihre innere Löwin wollte sie beschützen und knurrte unwillig im Gleichtakt mit ihrem Bauch.
    Emilia fürchtete sich davor, die Kontrolle über ihre Wandlungen zu verlieren und unberechenbar durch Drakenstein zu streunern.


    Gleichzeitig suchte sie verzweifelt nach einer Lösung.
    Wenn nur ihr Herr Papa noch am Leben wäre…
    Emilia fühlte eine immer grössere Loyalität zu ihrem Vater in sich heranwachsen. Er hatte auf sie aufgepasst. Und natürlich ergab es für sie nun auch einen Sinn, dass er sie versteckt gehalten hatte und niemand von ihrer wahren Natur erfahren durfte. Er hatte damit sie und die Menschen in ihrem Umfeld beschützt!
    Obwohl sie seinen Geruch beim Lesen der Briefe in der Nase hatte, begann sie wiederum an ihrer Echtheit zu zweifeln oder versuchte sein Handeln zu rechtfertigen.
    Stattdessen schürte sich ihre Wut auf Valerius.
    Ihm hatte sie es zu verdanken, dass sie nun alleine durch Drakenstein irrte und sich niemandem mehr anvertrauen konnte. Nur seinetwegen war sie von zu Hause verschwunden.


    Sie hatte auch lange über das Geschehnis mit dem Bettler nachgedacht und sich verschwommen daran erinnert, dass sie ihn wohl für den Mörder ihres Vaters gehalten hatte. Die Puzzleteile setzten sich langsam zu einem Bild zusammen. Und sie begann dem jungen Mann die ganze Schuld für ihr Unglück in die Schuhe zu schieben. Ihr bisheriges Leben wurde immer mehr zu einer rosaroten Wunschvorstellung, während das Auftauchen von Valerius den Anfang vom Ende darstellte. Sie machte ihn dafür verantwortlich, dass sie die Kontrolle über ihren Körper und ihren Geist verloren hatte. Er hatte etwas in ihr ausgelöst, was niemals aus dem Schlaf hätte erwachen dürfen.


    Und so wusste sie plötzlich, was sie zu tun hatte. Valerius war der Ursprung ihres Leids. Wenn die blosse Halluzination von ihm einen Menschen das Leben gekostet hatte, musste sie das Problem bei der Wurzel packen. Er sollte es auch wieder beenden.
    Er löste das wilde Tier in ihr aus… also musste sie ihn entweder töten… oder lernen, damit umzugehen. Und wie könnte sie das besser tun, als in seiner Nähe zu bleiben und diese Herausforderung Tag für Tag anzunehmen?
    Entweder gewöhnte sie sich an seine Gegenwart, oder einer von ihnen beiden würde dabei sterben. Was zwar eindeutig gegen ihre Prinzipien und Werte verstiess, aber womöglich ebenfalls eine Lösung für ihr Problem darstellte. Sollte er sich also mit ihr herumplagen…


    Am folgenden Tag stahl sie die Kleider einer Magd von der Wäscheleine und machte sich kurz darauf in der neuen Gewandung auf den Weg zu Valerius Wohnstätte. Dabei fühlte sie sich äusserst unwohl, während sie durch die Gassen streifte. Als sie merkte, dass ihr die Häuserfassaden gar nicht bekannt vorkamen, war es bereits zu spät und sie hatte sich verlaufen.
    Sie bemerkte die beiden Männer erst, als sie um eine Ecke bogen und sie beinahe ineinander hineingelaufen wären. Die beiden schienen sie für eine Dienstmagd zu halten, und begannen mit ihr zu schäkern. Emilia verstand ihre Worte nicht und als sie die Männer scheinbar ignorierte, wurden sie wütend.
    „Hältst dich wohl für was Besseres, hä?“, knurrte der eine und eine Alkoholfahne schwappte der verängstigten Frau ins Gesicht.
    Als sich die beiden näherten und sie schliesslich sogar grob anfassten, schnürte ihr die Angst die Kehle zu. Sie spürte ein Prickeln an ihrem Körper, konzentrierte sich jedoch mit aller Macht darauf, die Verwandlung zurück zu halten. Keinesfalls wollte sie die Kontrolle verlieren!


    Sie wich zurück, bis sie mit dem Rücken an die Wand stiess.
    Die Kerle grinsten inzwischen süffisant. Der eine umfasste plötzlich ihr Kinn und versuchte ihr seinen Mund auf die Lippen zu pressen, während der andere ihr lüsterne Blicke zuwarf.
    Emilia schloss verzweifelt die Augen. Bleib ein Mensch, bleib stark, bleib ein Mensch.
    Im nächsten Moment wurde sie von den Füssen gerissen, als ihr der Mann einen Stoss verpasste und sie unsanft zu Boden stürzte. Verschreckt rutschte sie zurück, um ihren Peinigern zu entgehen und bemerkte dabei eine weitere Gestalt, welche zügigen Schrittes auf die Szene zueilte.


    Dann ging alles sehr schnell. Emilia konnte beobachten, wie Valerius, denn inzwischen erkannte sie sowohl seine Bewegungen, seine Haltung als auch seinen Geruch, die beiden Protze ausser Gefecht setzte, ohne selbst auch nur einen Kratzer davonzutragen.
    Ausnahmsweise war sie sogar froh über sein Erscheinen, obwohl seine Methoden nicht so ganz ihrem Geschmack entsprachen. Sie war so naiv zu glauben, dass auch auf den Strassen, sowie im Büro ihres Vaters, Gefechte mit Worten gewonnen werden konnten.
    Doch sie wollte sich nicht beklagen.
    Als sie das Blut sah, wandte sie deshalb schnell den Blick ab, um ihr Gewissen auszutricksen und die Löwin nicht auf dumme Gedanken zu bringen.


    Dann kam er auf sie zu und eine Hand reckte sich ihr entgegen. Emilia liess sich aufhelfen, nur um ihn dann wie verbrannt wieder loszulassen und ihren gestohlenen Rock auszuklopfen. Er war jedoch das Einzige an ihr, das noch einigermassen frisch wirkte. Ihre schokoladenbraunen Locken waren verklebt und voller Knoten, das Gesicht von einer Staubschicht bedeckt. Schuhe hatte sie keine gefunden, weswegen sie barfuss ging.
    Als sein prüfender Blick sie traf, formten ihre Lippen ein lautloses Danke, dann verschränkte sie ihre Arme schützend vor dem Körper und folgte ihm zögerlich durch die Strassen zurück zum Bordell.
    Am liebsten hätte sie rechts um kehrt gemacht, doch wohin hätte sie gehen sollen?
    In der Stadt lauerten Gefahren, und sie selbst war eine davon. Doch die Stadt zu verlassen kam für die junge Frau nicht in Frage, denn sie kannte die Welt bloss aus Büchern und von Gemälden. Wie hätte sie da Draussen überleben sollen?


    Als sie das Haus erreichten, wurde sie von missbilligenden und eifersüchtigen Blicken zugleich durchbohrt. Da Valerius sie an der Hand griff und zur Treppe zog, vermuteten die Hübschlerinnen bereits, sie hätte ihnen den jungen Mann ausgespannt, der alle anderen unter ihnen doch keines richtigen Blickes würdigte. Emilia hingegen verstand die Abweisung der Frauen nicht, hatte sie doch keine wenig Ahnung von deren Geschäften. Woher sollte sie auch wissen, wie sie ihr Geld verdienten?
    Sie hielt jedoch beschämt ihre Augen auf den Boden gerichtet, ab der leichten Bekleidung der Mädchen und den Männern, welche schamlos glotzten.
    Erst als sie die Treppe überwunden hatten, holte sie tief Luft, denn unwillkürlich hatte sie vor Anspannung den Atem angehalten. Sie hatte wieder genügend Abstand zwischen sich und Valerius gebracht und versuchte sich darauf zu konzentrieren, die Holzfliesen zu zählen, während er seine Tür aufschloss.
    Er bot ihr den Vortritt und Emilia huschte schnell ins Zimmer, nur um sich dort an die Wand zu pressen, den Raum und Valerius im Blick.


    Es wirkte alles noch wie beim letzten Mal. Der Tisch mit den Stühlen links neben ihr, das Bett und die Kommode, dieses Mal ohne Pergamente und Dolche. Sie vermutete voller Unbehagen, dass er sein Sammelsurium bei sich trug, konnte es ihm aber nach dem letzten Debakel auch nicht verübeln. Valerius setzte sich in Bewegung und durchforstete eine Schublade nach Stift und Notizblock.
    Emilias Überlegungen waren plötzlich wie weggefegt.
    Was sollte sie ihm erzählen? Konnte es überhaupt einen Grund geben, der gut genug war, sich in die Nähe dieses Mörders zu begeben?
    Unstet huschte ihr Blick durchs Zimmer und blieb unwillkürlich an der Staffelei hängen. Verblüfft starrte sie auf das Gemälde – das war neu.


    Inzwischen hatte er sich an den Tisch gesetzt und schrieb sorgfältig etwas auf den Block. Vorsichtig, um ihn nicht aufzuschrecken, schritt sie zu seinen Werken hinüber und kam direkt davor zum Stehen.
    Emilia musste sich zusammenreissen, das Fell der Löwin nicht zu berühren, so lebendig wirkte das majestätische Tier. Und selbst den Wind in den Bäumen meinte sie zu erkennen, hingezaubert mit einigen wohlgesetzten Pinselstrichen. Spontan überkam sie die Sehnsucht nach diesem Ort. Ob er seiner blossen Fantasie entsprang?
    Ihr Blick ruhte wiederum auf der Löwin. War sie auch eine Gestaltwandlerin?
    Dann erst fielen ihr die Rosen ins Auge, welche sich schützend um ihren Oberkörper legten. Sie waren liebevoll herausgearbeitet und sie konnte sogar die feinen Dornen ausmachen, welche sich auf den Rüstungsplatten abzeichneten. Sofort musste sie wieder an ihren Herrn Papa denken, doch sie schüttelte den Gedanken rasch ab. Dies war nicht der richtige Augenblick, um um ihn zu trauern.


    Sie überlegte gerade, weshalb Valerius wohl eine solche Affinität zu diesen Blumen hatte, als sie einen feinen Luftzug spürte und herumwirbelte. Er stand direkt hinter ihr und beobachtete sie bei ihren Betrachtungen. Schnell trat sie einen Schritt von ihm zurück.

    Avatar: ©sharandula.deviantart.com

  • Dimicus
    Schon als Emilia an ihm vorbei- und zu seiner Staffelei schritt, hatte der junge Mann ein Auge auf die junge Frau geworfen. Sie sah jetzt so im Lichte betrachtet, sogar noch mitgenommener aus, als er sie noch auf der Straße betrachtete. Tatsächlich legte sich für nur einen Moment etwas sorgenvolles in seinen Blick, nur für den Hauch einer Sekunde, so hätte Emilia ihn angesehen, hätte sie es erkennen können.
    Doch sie stand schließlich nur dort und betrachtete sein neustes Werk, für dessen Inspiration schließlich auch war. Sie wirkte vollkommen unschuldig, neugierig und dennoch auf eine gewisse Weise edel zugleich.
    Doch nur für einen weiteren Moment betrachtete er sie, bevor seine Feder die Tinte auf das Notizbuch brachte und die Worte auf dem Papier entstanden: "Hallo Emilia, wie ich sehe hat es dich zu mir zurück gebracht. Ich weiß, dass du meine Wenigkeit nicht sonderlich zu schätzen weißt und gerade einen starken, inneren Kampf ausfechtest. Du siehst auch recht mitgenommen aus und hast wohl einige harte Tage hinter dir, so erzähle mir, wie ist es dir ergangen. Wie geht es dir? Ich werde dir rasch etwas zu essen und zu trinken holen, fühle dich wie in deinem eigene Zuhause."


    Damit erhob sich und ging leisen Ganges zu ihr, noch immer betrachtete sie das Bild, doch ehe er sich versah und hinter ihr ankam, drehte sie sich um, schreckte zurück. Beinahe stieß sie sogar an seine Staffelei, doch noch eine Handbreite trennte sie zum Glück davon. Mit einem zarten Lächeln und einer sanften Verbeugung reichte er ihr das Notizbuch, ehe er sich seines Mantels und seiner Waffen entledigte, diese ordentlich auf das Bett ablegte, ehe er schließlich den Raum verließ. Türen und Fenster blieben unverschlossen, seine Ausrüstung offen liegen, aus gutem Grund.


    Emilia
    Emilia war dankbar darüber, dass er nicht versuchte mit ihr zu sprechen, sondern über Stift und Papier mit ihr kommunizierte. Sie fürchtete, dass wenn sie in diese blauen Augen blickte, damit ihre Löwin wieder reizen würde. Deshalb wich sie ihm auch schnell aus und betrachtete stattdessen ihre eigenen schmutzigen Füsse. Er schob ihr schliesslich das Notizbuch zu, welches sie entgegennahm. Als er dann sowohl Mantel und Waffen ablegte, war sie dieses Mal in der beobachtenden Position. Ihr fiel auf, dass seiner Kleidung nichts mehr von ihrem Angriff anzusehen war. Sofort machte sich ein ungutes Gefühl in ihr breit, als sie an den Anblick und den Geschmack des Blutes zurückerinnert wurde.
    Als er sich zur Tür wandte, riss sie erschrocken die Augen auf aus Angst, er wolle sie einsperren. Stattdessen zeigte seine Handbewegung auf den Zettel, dann zog er die Tür sanft hinter sich ins Schloss.
    Schnell las die junge Frau seine Worte und liess sich dann auf einen Stuhl sinken. Der Stift lag ungewohnt in ihrer Hand und zitterte leicht, was sowohl auf ihre Nervosität als auch ihre Entkräftigung zurückzuführen war.
    Valerius,
    ich bin mir selbst im Unklaren darüber, warum ich ausgerechnet zu Dir zurückgefunden habe. Du hast einen Teil meines Selbst zerstört und mein Leben mit.
    Da ich nicht in mein altes Leben zurückkann, werde ich bei Dir bleiben. Ich will lernen, in dieser Welt zu überleben, ohne eine Gefahr für mich oder andere zu sein. Und indem Du mir dabei hilfst, kannst Du einen winzigen Teil deiner Schuld begleichen.
    Ich werde mich nie wieder einsperren lassen.

    Dabei dache sie nicht etwa an ihre Kindheit zurück, sondern an die Hilflosigkeit, die sie verspürt hatte, als Valerius sie in dem engen Raum gefangen gehalten hatte.


    Dann folgte ein kleiner letzter Satz, den sie vier Mal durchgestrichen und schliesslich doch stehen gelassen hatte: Gibt es diesen Ort wirklich?
    Nachdenklich starrte sie auf ihre krakelige Schrift. Dann erhob sie sich plötzlich und ging zielstrebig zum Bett hinüber. Obwohl es ihr widerstrebte, griff sie schliesslich nach einem etwas kleineren Dolch. Das kühle Metall in ihrer Hand fühlte sich falsch an, und gleichzeitig gab es ihr trotzdem etwas von der Sicherheit zurück, die sie auf dem Weg hierher verloren hatte.


    Dimicus
    Bewusst hatte Dimicus Essen und Trank aus einem nahegelegenen Gasthaus gekauft und sich transportabel einpacken lassen. Den Fraß des Bordells wollte er Emilia nicht zumuten, so bestand es aus Kost der niedrigsten Qualität. Vermutlich spuckten die Mädchen sogar noch herein, um ihren Spaß mit den Freiern zu haben. Aus diesem Grunde brauchte der Künstler auch ein wenig mehr Zeit, um zurück zu der jungen Frau zurückzukehren. Insgeheim fragte er sich, ob sie etwas mit seiner Ausrüstung angestellt hatte, ob sie wirklich die Gelegenheit nutzen wollte. Er wusste, dass er es jeden Augenblick herausfinden würde, wenn er sein Zimmer wieder betrat.


    So war es dann auch, als die Tür aufschwang und er den Raum wieder betrat. Über all um ihn herum duftet es aufgrund des Essens in seiner Hand nach einer köstlichen Mahlzeit, als er Emilia am Tisch sitzend vorfand. Er näherte sich ihr behutsam, dabei glitt ein kurzer Seitenblick auf das Bett, zu seinen eigentlichen Dolchen, wo einer der Wurfdolche fehlte. Leider hatte sie ihn wohl genommen und gestohlen, man konnte es ihr nicht verübeln. Das Notizbuch mit ihrer Antwort lag bereits offen auf dem Tisch, welche Dimicus las, während er den Korb mit dem Essen auf dem Tisch abstellte.


    Sie wollte bei ihm bleiben?!
    Mit großen Augen und doch sehr überrumpelt blickte er auf die Zeilen, die sich vor ihm erstreckten. Um SEINE Schuld zu begleichen? Wie konnte seine Kunst etwas schuldiges sein, wo sie doch die höchste Form des Endes darzustellen vermochte?
    Für sich fasste er es zusammen, dass sie bei ihm bleiben wollte, einen Dolch von ihm stahl und noch vor einer Woche ihn in Löwengestalt beinahe getötet hätte.
    Er nahm seine Feder und schrieb etwas in das Notizbuch, geschützt vor dem Blicke Emilias. Seine Konzentration und Spannung verriet seinen Unmut, die junge Frau konnte sicherlich erahnen, dass sie ihn damit in Schwierigkeiten brachte. Allein des Vertrauensproblems das er zu ihr hatte, sie konnte ihn schließlich jederzeit verraten oder verkaufen. Ihn töten. Eine Lektion würde ihr sicherlich gut tun.


    So klappte er das Notizbuch zu, schritt zum Bett hinüber und schnappte sich einen Dolch. Ehe sich Emilia überhaupt versehen konnte, war Dimicus an ihr herangetreten, hatte sie an einem Arm gekonnt hinauf in den Stand gerissen und blickte ihr fest in die Augen. Doch im selben Atemzug spürte er, wie kaltes Stahl an seine Kehle drückte, stammend von dem Dolch, den er ihr in die Hand gelegt und an seinen Hals geführt hatte. Seine Hand hielt nicht die ihre fest, sie hatte freie Wahl. Ein Stich, ein Schnitt und sie konnte alles beenden.
    Mit der freien Hand erhob er das Notizbuch, aufgeschlagen mit seinen Worten, neben seinen Kopf: "Wenn du das möchtest, muss ich dir vertrauen und doch hast du schon einer meiner Waffen gestohlen. Bist du dir dessen wirklich sicher, senke den Dolch, reiche mir meinen anderen und versprich mir, dass ich dir vertrauen kann. Wenn du dir nicht sicher bist und mich hintergehen wirst, töte mich, hier, auf der Stelle. Deine Rache wirst du dadurch haben. Wähle."
    Mit festem Blick schaute er in ihre minzgrünen Augen und strahlte Sicherheit aus, keine Angst. Zudem strahlten sie Wärme aus - etwas sehr ungewöhnliches für seine Augen.


    Emilia
    Emilias Aufmerksamkeit lastete auf dem Korb, aus dem die leckeren Gerüche in ihre Nase flossen, so dass sie Valerius Reaktion nicht kommen sah.
    Ein verirrter Ton drang über ihre Lippen, als er sie in den Stand zwang und dazu, ihm direkt in die kühlen blauen Augen zu sehen. Sie versuchte ihm den Arm zu entreissen, doch dann spürte sie bereits das kalte Heft in ihrer Hand und sah den Dolch an seiner Kehle. Sein Griff lockerte sich, nachdem sie seine Aufforderung gelesen hatte.
    Dieser Mann war verrückt!
    Emilia war sich dessen nun sicher.
    Ausserdem konnte sie seine unterdrückte Wut erkennen, ob der Tatsache, dass sie ihn bestohlen hatte. Doch was glaubte er denn? Dass sie sich ihm schutzlos ausliefern wollte?
    Er war noch immer ein Mörder und offensichtlich konnte er sie auch ohne Waffe im Handumdrehen überwältigen. Dann jedoch wurde sie sich wieder der Tatsache bewusst, dass sie nicht wusste, wohin sie sonst gehen sollte.


    Ihr Blick verriet Angst und ihre Hand begann zu zittern. Ein roter Strich bildete sich an seinem Hals, wo die scharfe Klinge die weiche Haut eingeritzt hatte. Einen Augenblick starrte sie zugleich fasziniert und verschreckt auf das blutende Rinnsal, dann zog sie ihren Arm zurück und liess den Dolch seitlich zu Boden fallen, wo er klappernd liegen blieb. Ihre Augen funkelten Valerius wütend an, dann entriss sie ihm ungestüm den Block.
    Fass mich nie mehr an! Ich werde wegen Dir keinen Menschen mehr töten!


    Emilia starrte ihn herausfordernd an, schliesslich musste sie jedoch trotzdem als Erste den Blick abwenden, wobei die innere Löwin unwillig knurrte. Im Moment war sie nicht in der Position zu verhandeln.
    Mit einem Seufzen ging sie in die Knie und fasste vorsichtig unter den Tisch. Dort hatte sie die schmale Schneide geschickt zwischen Tischplatte und Unterbau hineingeklemmt, so dass der Dolch waagrecht zu schweben schien. Der Stahl wog leicht in ihrer Hand. Dann hielt sie ihm seine Waffe hoch und lehnte sich dann erschöpft an das Tischbein.
    Sie hatte keine Kraft mit ihm zu streiten. Ihr Bauch grummelte unwillig, als ihr wiederum die Gerüche in die Nase stiegen und sie hätte alles für ein Stück Brot und einige Stunden Schlaf gegeben in dem Wissen, in Sicherheit zu sein.
    Von Vertrauen hatte er gesprochen…
    Emilia griff nach dem Notizblock:
    Solange ich in Deiner Nähe bin, solltest Du besser achtsam bleiben.
    Sie meinte dies nicht unbedingt als Drohung, obwohl es durchaus so aufgefasst werden konnte.

    Avatar: ©sharandula.deviantart.com

  • Das erste was dem Künstler auffiel, als der intensive Kontakt zwischen ihm und Emilia stattfand, war die schiere Angst in ihren Augen. Befürchtungen, die keinen wirklich Bestand ihm gegenüber hatten, Dinge um die sich umsonst fürchtete - würde sie keine Dummheiten anstellen wollen. Doch schon im darauffolgenden Moment spürte er einen leichten Schmerz, er brannte und dennoch verzog er kaum einen Muskel im Gesicht, auch wenn es ihm sehr schwer fiel.
    Jedoch löste sich im nächsten Augenblick bereits die Situation auf, sie schien sehr wütend und er musste weiter ehrlich mit sich sein, dass er es ihr nicht verdenken konnte. Sie musste sich wie er fühlen, als ihn Malik unter Zwang in dieses Zimmer quartierte und zu ihrem Sklaven machte. Emilia war in diesem Moment nichts anderes, eine Sklavin ihrer zerrütteten Welt, in der er der Meister war. Einerseits ein ihm wohlgefallender Gedanke, dieser würde ihm aber nicht im Weitesten mit ihr weiterhelfen.
    Nach und nach las er ihre Nachrichten, betrachtete ihre Blicke, besonders die Wut und Herausforderung in ihren Augen, jenen Gefühle die er nicht erwiderte und es gar wagte, sie nicht ernst zu nehmen. Es gab ihm jedoch keinen Anlass, unvorsichtig zu sein oder ihr blind zu vertrauen. Vertrauen war aber die Sache, welche ihn und sie nur weiterbringen konnte, so wollte sie von ihm lernen.
    Achtsam nahm er den Dolch von Boden und schließlich den Wurfdolch von Emilia entgegen. Mit einem Nicken schließlich bestätigte er nur ihren letzten Satz, wobei einer seiner Finger das Rinnsal seines Blutes auffing und im Licht für seine Augen betrachtbar machte. Wundervolle Farbe, er wusste weswegen er dieses Rot so liebte. Diese Ausdruckskraft, die Stärke des Blutes, die Wärme die von ihm ausging. Schließlich machte er kehrt und legte die beiden Waffen säuberlich zurück, ehe er sie in der Kommode, samt seines Mantels, verstaute.
    Alsbald kehrte er wieder zu Emilia an den Tisch zurück, nahm sich das Notizbuch und schrieb: Du sagtest ich solle dich nicht berühren, aber dich lehren zu überleben. Du willst in meiner Nähe bleiben, ich soll aber wachsam bleiben. Wenn ich dich lehren und wachsam bleiben soll, so musst du mir vertrauen und meine Augen und Ohren werden. Genau so, wie ich das tun muss und sein werde. Darauf legte er das Notizbuch zur Seite, damit sie es lesen konnte.
    Dabei räumte er den Korb aus und holte mehrere Keramikgefäße heraus, dazu Besteck und einen Krug samt Glas. Fein säuberlich richtete er es her, eine Gemüsesuppe, Braten mit Kartoffeln, Milch und frisches Brot. Genug, damit sich Emilia stärken konnte. Als er kurz herüber schielte und schaute, ob sie alles gelesen hatte, nahm er sich wieder das Buch und führte fort: Du solltest etwas essen, bevor es kalt wird. Um dir zudem einer deiner Fragen zu beantworten: Die Landschaft auf dem Bild, ich weiß nicht ob es sie wirklich gibt, aber unserem Geist sind keine Grenzen gesetzt. So kannst du sie dir vorstellen, so gibt es sie auch.
    Mit diesen abschließenden Worten schob er ihr das Buch wieder zu, als er von ihr wegtrat und schließlich zur Kommode schritt, wo er sich in aller Ruhe seiner Rüstung entledigte.

    Vielen Dank an Bitte melde dich an, um diesen Link zu sehen. der Bitte melde dich an, um diesen Link zu sehen. für das schicke Profilbild!

  • Emilia beobachtete ihn, wie er seine Dolche und Habseligkeiten in der Kommode neben dem Bett verstaute. Er machte keine Anstalten, sie vor ihr zu verbergen oder sie mit einem Schlüssel zu verriegeln.
    „Du sagtest ich solle dich nicht berühren, aber dich lehren zu überleben. Du willst in meiner Nähe bleiben, ich soll aber wachsam bleiben. Wenn ich dich lehren und wachsam bleiben soll, so musst du mir vertrauen und meine Augen und Ohren werden. Genauso, wie ich das tun muss und sein werde.“
    Inzwischen sass die junge Frau auf einem der beiden Stühle und baumelte mit den nackten Füssen, während sie über die Worte nachdachte.
    Ich mag Dich nicht gerade. Ich wollte Dir nicht drohen, Dich bloss warnen. Ich habe jetzt mehr als einmal die Kontrolle über… mich verloren.
    Ihre Finger krampften sich um den Stift, als sie die Worte schrieb und sie legte ihn zur Seite, als sie es bemerkte.
    Milch!, schnell griff sie nach dem Krug und füllte sich ein Glas voll, nur um es in einem Zuge leer zu trinken. Ein weisser Rand blieb um ihren Mund zurück, den sie jedoch mit ihrer Zunge sauber leckte. Nun war sie nicht mehr zu zügeln. Ausgehungert fiel sie über die Mahlzeit her, bis sie das Gefühl hatte, gleich platzen zu müssen.
    Ihr kam es vor wie eine Ewigkeit, seit sie das letzte Mal etwas so Leckeres zu sich genommen hatte.


    «Die Landschaft auf dem Bild, ich weiß nicht ob es sie wirklich gibt, aber unserem Geist sind keine Grenzen gesetzt. So kannst du sie dir vorstellen, so gibt es sie auch.»
    Die junge Frau runzelte die Stirn, während sie noch auf einer Scheibe Brot herumkaute. Das klang wie aus einem der Gedichtsbücher, welches ihr Herr Papa ihr manchmal geschenkt hatte.
    Sie existiert also nur in deiner Fantasie, stellte sie während zwei Bissen fest.
    Schade eigentlich. Das Bild mag ich.


    Während sie so in sich hinein futterte, begann er sich in eine bequemere Gewandung zu werfen. Verstohlen blinzelte sie zu ihm hinüber, doch das Leinenhemd verdeckte seine Brust, so dass sie ihre «Kratzspuren» nicht erkennen konnte.
    Was hat es mit den Rosen auf sich, schrieb sie ins Notizbuch, bereute die Frage aber sogleich wieder. Sie selbst assoziierte sie inzwischen nicht mehr mit Liebe und Zuneigung, sondern mit dem Tod, den sie in ihre Familie gebracht hatten.
    Das Bild in der gegenüberliegenden Ecke des Zimmers fiel ihr wieder ins Auge. Auch dort hatte er Rosen hingemalt. Vielleicht ein böses Omen für die Zukunft?

    Doch inzwischen war sie gesättigt, was das schläfrige Gefühl in ihr verstärkte und sie etwas beruhigt hatte. Ein Gähnen kam über ihre Lippen. Eine gemeinsame Mahlzeit konnte ja so einiges bewirken.
    Ich habe keine saubere Kleidung und ich bin müde, kritzelte sie schliesslich überflüssigerweise ins Buch hinein.
    Valerius überlegte noch, woher er ihr um diese Uhrzeit anständige Kleidung besorgen sollte, da stand Emilia auf und tapste zu seinen Bildern hinüber. Einen Moment betrachtete sie die Mondlandschaft, welche sie schon bei ihrem letzten Besuch gesehen hatte.
    Sie war sich seines Blickes bewusst, als sie sich zu Boden gleiten liess, ihm jedoch den Rücken zukehrte.


    Dann verwandelte sie sich ganz bewusst das erste Mal in seiner Gegenwart. Der zierliche Körper wurde noch kleiner, veränderte seine Gestalt. Die Ohren wurden spitz, und das dunkle Fell begann ihren Leib zuerst als Flaum und schliesslich als wärmender Pelz zu überziehen. Es dauerte länger als beim letzten Mal, bis sie schliesslich das Dienstmädchengewand hinter sich lassen und als Katze daraus hervor tapsen konnte. Sie beobachtete ihn aufmerksam aus den hervorstechenden smaragdgrün wirkenden Augen und fragte sich ein wenig belustigt, ob er wohl auch einen Moment der Furcht verspürt hatte.
    Dann setzte sie sich hin und begann ihr dreckiges Fell zu säubern. Als er einige Zeit später wieder nach ihr schaute, lag sie schutzsuchend in dem Kleiderknäuel vergraben, direkt unter der Staffelei und schlief, während ihre Schweifspitze im Schlaf unruhig zuckte.

    Avatar: ©sharandula.deviantart.com

  • Es war mehr als erfrischend, aus der Lederrüstung heraus zu kommen und wieder nur die leichte Kleidung am Leibe zu tragen. Zwar fehlte jetzt der schützende Aspekt seiner Rüstung, doch war er sich sicher, dass er keiner Gefahr ausgesetzt war. Vor Emilia hatte er nichts zu befürchten, so würde sie ihn als werrtvollen Partner verlieren, der ihr viel zeigen und zu verstehen geben kann. Auch wenn sie naiv und manchmal leichtsinnig schien, so traute er ihr genug Verstand zu, eben dies abzuwägen.


    Kaum drehte er sich wieder zu ihr um, war sie schon fleißig dabei, ihre Mahlzeit zu verspeisen, der Großteil war schon in ihrem Bauch verschwunden. Offensichtlich hatte sie nicht zu Hause gewohnt, wohl kaum wäre sie in solch einem Zustand gelangt, wenn sie die Umsorge ihres Hauses erfahren hätte. Wobei Dimicus immer noch unsicher war, ob man es Fürsorge oder eher ein Am-Leben-Erhalten nennen konnte, so wie sie als Spielball der Familien verwendet wurde. Nachdenklich schaute er sie bei diesen Gedanken an, während sie noch speiste und er wunderte sich in diesem Augenblick, was aus ihr geworden wäre, wenn ihr Vater nicht seiner Kunst zum Opfer gefallen wäre. Zum Opfer gefallen? Was denkst du da, du hast ihn in ein Kunstwerk verwandelt, es gab nichts Schöneres! Der Künstler haderte mit sich selbst, was sollte das? Für nur diesen kurzen Augenblick hatte er daran gezweifelt, dass sein Werk nicht perfekt, sondern ungerechtfertigt war. Absoluter Schwachsinn, nimm dich zusammen. Sie macht dich schwach. Bewusst nahm er für einen Moment den Blick von ihr, um sich zu sammeln und diese frevelhaften Gedanken zu vertreiben. Ab da war ihm mehr als bewusst, dass er in mehrlerlei Hinsicht achtsam sein musste.


    Schließlich endete auch das Mahl Emilias, als sie die letzten Reste verspeiste und wieder Dinge in das Notizbuch schrieb. Während dieses Augenblickes, las er sich einmal die Dinge durch, die sie geschrieben hatte und vor allem ihre letzte Aussage stimmte ihn nachdenklich. Wo sollte er noch um diese Zeit frische Kleider besorgen? Die einzigen Dinge die erreichbar waren, waren die der Prostituierten und solche würde er niemals Emilia geben, so würde noch jeder Mann sie als etwas anderes sehen, als ihre eigentliche Schönheit es wert wäre. Sie schien das aber doch nicht weiter zu kümmern, als sie einfach an ihm vorbeischritt und sich entschied, aus andere Weise zu schlafen. Ein Problem, welches er auch nicht ganz durchdacht hatte und sie war die erste, die die einfachste Lösung dafür fand.


    Denn als sie zu seiner Staffelei schritt und augenscheinlich eines seiner Bilder betrachtete, kauerte sie sich plötzlich auf dem Boden zusammen. Zuerst wunderte sich Dimicus, was sie da trieb, ehe ihn der faszinierende Akt der Verwandlung von ihrem menschlichen Wesen in ihr inneres Tier erfasste. Beinahe mit großem Interesse und Neugier betrachtete er diesen Vorgang, wie aus einer jungen Frau eine Katze wurde. Zu keinem Zeitpunkt zeigte er entsprechend Angst oder Abeneigung, so wusste er, hätte sie sich in eine Löwin verwandelt, hätte es anders ausgesehen. Das war ihm mittlerweile mehr als bewusst und so dachte er, es abschätzen zu können, wenn der Moment jemals wieder kommen würde.


    Für wenige Sekunden, als sie die Verwandlung vollzogen hatte, trafen sich ihre Blicke abermals, in ihren grünen Augen konnte er Emilia erkennen, jene Frau die noch wenige Minuten vor ihm gestanden hatte. Er war völlig erstaunt darüber, wie diese Wandlung vonstatten ging. Wenn man den Menschen nicht kannte und nicht wusste, wie die Tierform aussah, so konnte man sie wirklich für eine vollkommen normale Straßenkatze halten. Eine sehr interessante Fähigkeit, die, wie seine Studien mit sich brachten, wohl auch ihre Schattenseiten hatten. Doch Emilia schien von diesen, in ihren jungen Jahren, noch nichts zu merken.


    Als sie sich jedoch zu säubern begann, widmete sich auch Dimicus anderen Dingen. Er öffnete die Kommode und sortierte sich bereits neue Kleidung zurecht, die er am nächsten Tage tragen würde, nachdem er ein Bad mit dem wundervollen Duft der Rosen genommen hatte. Sauberkeit und Hygiene waren für ihn oberstes Gebot, teilweise legte er so viel Wert darauf, wie ein höherer Adliger, so wusste er aber auch, sich wie einer zu benehmen. Auf das heiße Bad freute er sich zunehmends, zumal es schon mehr als drei Tage her war, dass er sich rasierte und allmählich ein wenig verbraucht aussah. Also schaute er noch einmal nach Emilia, die es sich inzwischen im Haufen ihrer eigenen Kleidung gemütlich gemacht hatte und schon mehr oder minder friedlich schlief. Dem tat Dimicus es gleich, als er es sich auf seinem Bett gemütlich machte und erst einmal zu schlafen begann, er war sich sicher, dass der darauffolgende Tag anstrengend genug werden würde.


    Am nächsten Morgen...


    Nicht einmal die Sonne erweckte Dimicus am nächsten morgen zu leben, denn als er seine müden und noch immer trägen Augen aufgeschlagen hatte, so war es dem Licht draußen nach zu urteilen, gerade kurz vor Sonnenaufgang. Mühsam erhob er sich in eine sitzende Position, nur um zu sehen, wie zerwühlt sein Bett war. Emilia schien noch immer zu schlafen, bedeckt unter dem Kleiderhaufen, sie schien zumindest nicht wach zu sein. Ganz im Gegensatz zum jungen Mann, schien sie auch tief und fest zu schlafen, ihre Träume waren wohl ruhiger und gemächlicher, als die seinen. Die gesamte Nacht, so hatte er das Gefühl, hat er in einem sehr unruhigen Zustand verbracht und er fragte sich, ob die Katze davon etwas mitbekommen hatte. Albträume wohl, er konnte es nicht sagen. Er hatte geschlafen, war aber erschöpft von dem, was er wohl in seinen Träumen erlebt hatte.


    So brachte es ihm auch nichts, noch weiter zu schlafen, weswegen er sich auch sogleich erhob und zur Kommode griff, welche er leise und vorsichtig öffnete. Wobei ihm in dem Moment auffiel, dass er Emilia sicher nicht durch Geräusche wecken würde, was ihn aber dafür mehr wunderte, war wieviel Rücksicht er auf sie zu nehmen versuchte. Ein leises Seufzen drang aus seiner Kehle, ehe er leicht den Kopf schüttelte und fortfuhr. Seine Hände nahmen sich das nach Rosen duftende Parfüm, dazu einen samtigen Lappen, sowie ein Stück wohlriechende Seife. Nur provisorisch zog er sich die Stiefel und etwas Kleidung an, so würde er sie nach dem Bad dennoch wechseln.


    Das Zimmer verlassen und im Baderaum des Bordells angekommen, in dem um diese Uhrzeit zum Glück nichts los war, legte er dort seine Sachen neben der Badezuber ab. Unter diesem Zuber war eine kleine Feuerstelle aufgebaut, mit deren Hilfe der Zuber, dessen untere Seite aus Eisen bestand, erhitzt werden konnte. Dieses Feuer entzündete er, wonach er sich zwei Eimer nahm und mit diesen die mehreren Gänge durchschritt die es brauchte, um das Wasser aus dem Brunnen vor dem Bordell abzuschöpfen und zur Zuber zu bringen.


    Eine gute halbe Stunde verbrachte er mit dieser doch anstrengenden Arbeit, ehe er sich zufrieden entkleiden und in das Badewasser niederlassen konnte. Es tat auch mehr als gut, sich diesem Gefühl der Entspannung hinzugeben, weswegen es für ihn ein angenehmes war, die Augen zu schließen und einfach die Wärme des Wassers um ihn herum zu spüren. Er ließ einfach für diesen Moment los, schien zu schweben und sein Kopf war völlig frei von Gedanken oder Bildern. Nur langsam begann er, sich mit der Seife un dem Lappen zu säubern, den Schmutz und Schweiß abzuwaschen, der sich über die letzten Tage angesammelt hatte. Er nahm sich die Zeit die es dafür brauchte, um schließlich erfrischt und mit einem gewissen Wohlgefühl aus dem Zuber zu steigen. Darauf trocknete er sich mit einem Handtuch ab und sprühte eine leichte Nuance des Duftes der Rosen auf seinen Hals. Mit frischer Kleidung und gewaschen kehrte er schließlich wieder in sein Zimmer zurück.


    Ein vorsichtiger Blick und auf leisen Sohlen trat er durch die Tür und schloss sie hinter sich, ehe er erneut zur Kommode ging. Dort brachte er seine schmutzige Wäsche unter, ehe er seine Ausrüstung herausnahm und zum Tisch im Raum brachte, auf dem er eine Kerze entzündete. Jetzt im Licht zog er sich das Hemd noch einmal aus, um die Wunden von Emilias Angriff genauer zu betrachten. Sie waren gut verheilt, auch wenn sich wohl oberflächliche Narben zu den bereits vorhandenen gesellten. Sie hatte ihn gut erwischt, er musste ihr eindeutig Respekt zollen. Was ihn dazu brachte, sich dem auf dem Tisch liegenden Notizbuch zu widmen.


    Die einzige Frage die er ihr nicht beantwortet hatte, jene mit den Rosen, diese ließ er auch weiter offen. Den Rest verstand er und er dachte, dass seine Taten wohl Antwort genug darauf waren. All ihre Fragen musste und wollte er noch nicht beantworten, er würde sie lehren wollen, dass war ihm mittlerweile bewusst geworden. So würde alles nach und nach kommen, genug Zeit würde er für sie haben. Stattdessen nahm er die Feder und Tinte in die Hand, begann etwas anderes zu schreiben: "Guten Morgen Emilia. Hoffentlich konntest du trotz der widrigen Umstände schlafen und es tut mir leid dich so früh wecken zu müssen. Doch auf dich wartet ein heißes Bad, wenn du Interesse hast. Ich würde dir ein Stück Seife überlassen und dir Kleider besorgen, zudem noch Frühstück holen. Ich werde bald wieder zurück sein und wenn dich jemand in irgend einer Weise belästigt – erzähle mir davon oder wehre dich." Damit legte er die Feder und Tinte beiseite, draußen wurdes es bereits hell, weswegen sich Dimicus nach draußen begeben und einkaufen konnte.


    Langsamen Schrittes ging er zu der noch immer im Klamottenberg verborgenen Katze, statt sie aber direkt zu berühren, zog er vorsichtig an den Sachen in denen sie lag, um sie zu wecken. Es dauerte auch nicht lang, da schauten ihm schon zwei minzgrüne Augen entgegen, beinahe schon bedrohlich, wie sie da aus der Stoffhöhle hervorlugten. Dimicus hielt ganz unschuldig und etwas grinsend das Buch nach oben, zeigte seinen Text und legte diesem ihr vor die Nase. Er machte auch keine weiteren Anstalten, vor ihr hocken zu bleiben, als er sich schließlich wieder erhob, nur um sich schließlich seine Ausrüstung anzulegen und nach draußen zu gehen.


    Dort sollte er nämlich die angesprochenen Besorgungen machen und als erstes standen definitiv die Kleider für Emilia auf den Plan. Nachdenklich was sie wohl am liebsten tragen würde, und er zum Schluss kam das er dies eigentlich gar nicht wusste, wanderte er zielstrebig zum Schneider, der ihm immer seine Kleidung nähte und herstellte. Da es üblich war, dass so früh die Arbeiter und Läden öffneten, war es für ihn kein Problem in den großen Ladenbereich einzutreten, der vollgestopft mit menschenähnlichen Puppen waren, die die verschiedensten Kleiderarten trugen. Ohne überhaupt etwas gesagt zu haben, erkannte ihn der Händler des Geschäftes und begrüßte ihn. "Was ist Euer Wunsch?", fragte er und Dimicus antwortete relativ gelassen: "Ich suche Bekleidung für eine Frau, allerdings kein Kleid oder Rock. Durchaus etwas ansehnliches, es muss aber auch praktikabel sein. Komfortabel idealerweise auch." Der Händler nickte nur und führte Dimicus in Richtung von Damenbekleidung. Nach einigen Blicken, Mustern und Beispielen hatte sich der Künstler auf eine schwarze Lederhose aus Hirschleder festgelegt, dazu eine Bluse aus Leinen, die jedoch sehr hochwertig wirkte, nicht zu viel zeigte und wohl auch vom Gefühl her sehr angenehm war. Dazu einen Mantel, gefertigt aus dickerem, dunklen Stoff, um zu wärmen, natürlich mit einer Kapuze.


    Dies waren jedoch die einfachsten Dinge, die es zu wissen galt, denn das verhängnisvolle und überfordernde Gespräch für Dimicus begann:
    "Wie groß ist sie?"
    "Ungefähr drei bis vier Fingerbreiten kleiner als ich."
    "Wie breit gebaut?"
    "Schlanker als ich, also nicht zu viel."
    "Welche Oberweite hat sie?"
    "Öhm ... bitte was? Wozu wollt Ihr das wissen?" Dimicus Augen schauten den Händler ungläubig an.
    "Natürlich um die Bluse anzupassen." Der Mann vor ihm blieb vollkommen ruhig und gelassen.
    "Ähm ... ungefähr so?" Der Künstler stellte mit seinen Händen eine Breite da, die er zumindest abzuschätzen wusste. Der Schneider nahm maß und fuhr fort.
    "Breite der Taillie?"
    Wieder deutete Dimicus etwas, dieses Mal wortlos.
    "Breite der Hüfte? Hüftumfang?"
    Einen unterdrückten genervten Blick später, stellte er dies auch wortlos dar, er wurde sichtlich etwas rot dabei, der Händler fuhr einfach fort.
    "Die Beine?"
    Dimicus unteres Augenlid zuckte. Er hätte Emilia mitnehmen sollen. Abermals stellte er seine abgeschätzen Maße per Geste dar.
    "Damit habe ich alles, gebt mir einen Moment. Ich werde die gewünschten Sachen eben anpassen und Ihr könnt sie mitnehmen."


    Einige Minuten vergingen und tatsächlich schien es nicht viel gewesen zu sein, was der Schneider an der von Dimicus ausgesuchten Ware anpassen musste. Der Künstler war wiederum schnell froh, die vom Händler genannte Summe, welche ein kleines Vermögen darstellte, überreichen und endlich den Laden verlassen zu können. Diese Fragen waren ... seltsam und hatten eine gewisse Komik, so hatte er darauf bei Emilia nicht geachtet, warum sollte er auch?


    Als nächstes führte ihn sein Weg zu einem Schuster, welcher allerhand Waren anbot. Zum Glück fiel die Wahl hier schnell und nur seinem guten Einschätzungsvermögen für Maße war es zu verdanken, dass er die passenden Größen wohl schnell fand. Also ging er hier mit einem Paar fester Lederstiefel aus dem Geschäft, die warm hielten, schützten und dennoch möglichst leicht waren. Sein letzter Weg führte ihn schließlich zurück in das Gasthaus, in dem er schon am vorherigen Abend die Mahlzeit für Emilia besorgt hatte. Dort orderte er Rührei mit Speck, ein wenig Dörrfleisch, frisches Brot und Butter, zusammengpeackt als Frühstück für Emilia und ihn.


    Damit war er für den Morgen auch fertig, der inzwischen schon in den Vormittag überging, da die Sonne breits schon voll schien und schließlich die Straßen belebter waren. Sein Weg führte ihn aber nirgendwo anders hin, als zurück zum Bordell, in dem auch schon das Leben erwacht war. Die Mädchen begannen sich um den Wirtsraum zu kümmern, die Türsteher passten auf alles auf, wie die Sklaventreiber auf ihre Sklaven Acht gaben. Mit den ganzen Habseligkeiten schritt Dimicus nach oben, die Frauen des Bordells drehten sich nach ihm um, tuschelten und wenn er es richtig heraushörte, mutmaßten sogar über Emilia. Hoffentlich ließ an sie in Ruhe. Schon kam Dimicus auch wieder in seinem Zimmer an und würde dort die Sachen gut sichtbar für Emilia abstellen.

    Vielen Dank an Bitte melde dich an, um diesen Link zu sehen. der Bitte melde dich an, um diesen Link zu sehen. für das schicke Profilbild!

  • Emilia wurde von einem sanften Zupfen unter ihrem Körper geweckt und wusste ihm ersten Moment nicht, wo sie sich befand. Es war nicht die Dunkelheit und Kälte der Strassen Drakensteins, die sie erwartete, sondern eine angenehme Wärme und das weiche Licht, welches sich seinen Weg zum Fenster herein bahnte.
    Verschlafen blinzelte sie aus ihrem Kleiderbündel hoch und begriff erst, dass sie nicht zu Hause war, als sie Valerius Grinsen erblickte. Einen Moment funkelten ihre Augen ihn empört an.
    Wie lange hockte er schon da? Hatte er sie beim Schlafen beobachtet?
    Er gab ihr jedoch keine Gelegenheit sich weiter zu entrüsten, sondern legte ihr das Notizbuch hin und erhob sich dann, um sich aufzurüsten und durch die Tür zu verschwinden.
    Erst nachdem die Tür hinter ihm ins Schloss gefallen war, kam sie aus ihrem Nest hervor und schüttelte zuerst einmal gründlich den Schlaf aus ihrem Fell. Zuerst las sie wohlweislich seine Worte. Aha, er wollte also Frühstück holen und Kleidung für sie besorgen. Dies würde wohl einiges seiner Zeit in Anspruch nehmen, so vermutete Emilia.
    Das Bad konnte noch einige Minuten warten, stattdessen begann sie sich neugierig im Zimmer umzublicken. Jetzt, wo sie alleine hier war, gab es viel zu entdecken!


    Interessiert tapste sie zuerst einmal über die bunt gefleckte Decke, welche sich in der Malerecke erstreckte und beäugte dann die unterschiedlichen Pinsel, welche zum Trocknen noch auf dem kleinen Nachttischchen herumlagen. Einige waren grösser als ihre Handfläche, während andere wiederum fein waren wie die Spitze eines gewöhnlichen Stiftes. Damit hatte er bestimmt die Rosen auf der Löwin gezeichnet, mutmasste sie.
    Ein Glas war gefüllt mit unterschiedlich dicken Kohle- und Kreidestiften. Ausser dem Teppich wirkte alles unglaublich sauber, und ordentlich. Der Geruch der Farben lag in der Luft, doch in ihrer Gestalt schaffte sie es nicht, die Schubladen zu öffnen.
    So trottete sie schliesslich an seinen Werken vorbei in die Richtung seines Bettes. Hier schien sein Körpergeruch deutlicher zu werden und anstatt es einfach zu überqueren, umrundete sie es lieber, nachdem sie einen kurzen Blick darunter geworfen hatte.
    Dann sprang sie behände auf die Kommode, was ihr weitaus ergiebiger erschien.


    Ein kleines Gemälde stand in einer Ecke, darauf war ein einfaches Haus abgebildet, inmitten einer grünen Landschaft. Etwas entfernt konnte sie ein Dorf erahnen und auf einem Hügel thronte eine Burg. Graue Berge rundeten den Horizont ab. Sie blickte etwas genauer hin, war das eine Frau, die in der Tür stand und jemandem zuwinkte, der vom nahen Walde auf das Häuschen zuschritt? Und da, fast nicht zu erkennen, spielende Kinder?
    Einen Moment versank die Katze in der Betrachtung des Bildes, dann riss sie sich davon los.
    Eine Phiole stand daneben. Emilia schnupperte daran, nur um sogleich zurückzuzucken. Ihr Näschen krauste sich und dann musste sie abrupt niesen. Der Rosendurft war so stark, als wäre sie mitten in einem Rosengarten gestrandet. Sie erinnerte sich daran, dass er ihre Frage nicht beantwortet hatte – bestimmt mit Absicht!
    Einen Augenblick musste sie den Drang niederkämpfen, das Fläschchen über den Rand der Kommode zu schmeissen, doch der Gedanke, dass danach das ganze Zimmer so exzentrisch riechen könnte, hielt sie davon ab.


    Eine zweite etwas grössere Flasche lockte die Tigerkatze weiter. Dieses Mal schnupperte sie etwas zaghafter daran, konnte den Geruch jedoch nicht einordnen. Irgendwie bitter und doch interessant. Irgendeine seltsame Medizin?
    Leider war nicht viel mehr auf der Kommode zu entdecken, Valerius war wohl ein sehr ordnungsliebender Mensch im Gegensatz zu ihr selbst, die gerne Wollknäuel oder Kleidungsstücke im Zimmer verteilt herumliegen hatte.


    Schliesslich sprang sie wieder herunter und wandelte sich in ihre menschliche Gestalt. Sie fühlte sich schutzlos dabei, und schlüpfte schnell in die schmutzigen Kleider hinein, obwohl ihr dies widerstrebte. Doch sie wollte unbedingt noch einen Blick in die Schubladen der Kommode werfen, bevor sie sich auf die Suche nach dem Bad begeben würde.
    So ging sie wieder zur Kommode hinüber und durchstöberte vorne zu die Schubladen. Sie fand sowohl frische als auch gebrauchte Kleidung in den unteren Fächern, sowie Dokumente im obersten. Sofort schnappte sie sich einige davon und setzte sich damit auf den Boden, um sie kurzerhand durchzublättern. Tatsächlich waren auch die Beweisstücke gegen ihren Herrn Papa dabei, welche sie jedoch beiseitelegte. Davon hatte sie für den Augenblick genug gesehen.
    Weiter waren Rechnungsbelege dabei und alte Briefe, deren Inhalt jedoch nicht von Bedeutung zu sein schien.
    Enttäuscht legte sie die Dinge wieder sorgfältig zurück. Offensichtlich war er darauf vorbereitet, dass jemand Interesse für sein Leben aufbringen könnte. Sie entdeckte eine geschnitzte Figur, welche ziemlich abgegriffen war. Woher er sie wohl hatte?
    Als sie im Haus Stimmen hörte, schreckte sie auf. Sie sollte ins Bad gehen, bevor alle auf den Beinen waren!
    Schnell schob sie alles an seinen Platz zurück, dann verliess sie das Zimmer und folgte dem Geruch nach frischem Badewasser und Rosen…


    Eine leicht bekleidete, rothaarige Frau kam ihr entgegen und blickte sie misstrauisch an. Dann hellte sich ihr Gesicht plötzlich auf und sie blieb vor Emilia stehen, so dass diese ebenfalls gezwungen war, anzuhalten.
    „Hallo. Bist du neu hier? Ich habe dich gestern mit unserem mysteriösen Fremden gesehen, der hier wohnt. Wir haben uns schon gefragt, wann er wohl seinen männlichen Bedürfnissen erliegt und eine von uns zu sich ruft. Es gab schon Gerüchte… na du weisst schon, dass es um seine Männlichkeit nicht gerade gut bestellt sei“, sie hatte ein verschwörerisches Grinsen im Gesicht, „dem scheint aber nicht so zu sein. Womöglich hat er nur eine bestimmte Vorliebe?
    Emilia hatte Mühe, die Worte der rotwangigen Frau mitzuverfolgen, welche wohl Freude am Tratschen empfand.
    „Nun sag schon Liebes, wie ist er so? Mag er es wild? Obwohl, mein Zimmer liegt gleich nebenan und ich habe nichts gehört… vermutlich ist er eher ein Romantiker. Aber pass auf Süsse, so sind sie anfangs alle. Und irgendwann reicht ihnen das Gefummel nicht mehr und sie wollen den Mann raushängen lassen! Du siehst ein wenig mager aus. Solltest dir etwas mehr Rundungen aneignen. Die Kerle stehen auf sowas und ausserdem gibt es dadurch weniger blaue Flecken, wenn er mal zu grob zustossen sollte. Falls du einmal Unterleibsschmerzen hast, komm ruhig zu mir rüber, ich kenne da einige Salbenmischungen, die wirken wahre Wunder!“
    Fröhlich tätschelte sie Emilia die Wange, welche sie verdattert anstarrte und nur die Hälfte von ihren Worten mitverfolgen konnte und davon wiederum nur die Hälfte verstand.
    „Ich habe gehört, wie die andren Weiber über dich gelästert haben. Pass auf, da sind einige missgünstige Biester dabei. Bestimmt wollen sie dir dein Häppchen ablausen. Doch ich find, wir müssen hier alle zusammenhalten. Wenn du einmal Hilfe brauchst, dann komm zu mir. Mein Name ist Mirabella! Nun muss ich los, wenn wir uns das nächste Mal sehen, erzählst du mir als Ausgleich etwas über die Ausdauer deines Freiers. Und über Dich, machs gut Mädchen!“, zwitscherte sie und verschwand mit wiegenden Hüften, noch bevor Emilia überhaupt die Gelegenheit gehabt hätte, etwas darauf zu erwidern.


    Völlig überrumpelt setzte diese ihren Weg fort. Sie begegnete noch zwei anderen Hübschlerinnen, doch diese warfen ihr nur abschätzige Blicke zu und tuschelten miteinander, so dass sie froh war, als sie den Waschraum erreichte. Sicherheitshalber stellte die junge Frau den Stuhl unter die Türklinke, bevor sie sich entkleidete und in den Zuber eintauchte.
    Das Wasser war nur noch lauwarm, doch das war ihr egal. So lange hatte sie kein Bad mehr geniessen können. Auch die versprochene Seife lag für sie bereit und sie schruppte ihren Körper so gründlich ab, wie schon lange nicht mehr. Am schwierigsten gestaltete es sich, die Haare zu waschen. Nur behelfsmäßig schaffte sie es, die Locken mit ihren Fingern zu durchkämmen. Ohne Kamm war sie jedoch aufgeschmissen. Sie müsste wohl entweder Mirabella oder Valerius darum bitten, ihr einen auszuleihen.


    Als sie dem Zuber entstieg, fühlte sie sich wie neu geboren. Ihre ganzen Sorgen schienen im Wasser zurückzubleiben. Einen Moment überlegte sie, sich wieder in die schmutzigen Kleider zu zwängen, dann entschied sie sich dagegen.
    Obwohl es riskant war, nahm sie den Stuhl von der Tür weg, dann begann sie ihre Verwandlung. Dieses Mal war ihr Fell richtig schön flauschig anzusehen und die Pfötchen waren wieder schneeweiss.
    Nach einigen missglückten Anläufen schaffte sie es doch noch, die Türklinke mit ihrem Gewicht nach unten zu ziehen und durch den Türspalt hinauszuschlüpfen.
    Als sie dieses Mal einer der Hübschlerinnen begegnete, wurde sie mit einem erfreuten Quieken begrüsst und sogleich mit Streicheleinheiten überhäuft.
    „Na woher kommst du denn?“, gurrte eine dicke Blondine und Emilia hatte Mühe, sich aus ihrer Umklammerung zu befreien, ohne ihre Krallen zu benutzen.
    Schliesslich gab ihr die Dicke einen liebevollen Klapps auf den Po und ging ihrer eigenen Wege.


    Der Weg vom Bad zu Valerius Gemach kam ihr vor wie eine Tageswanderung, als sie endlich dort angelangte. Sie meinte seinen frischen Geruch wahrzunehmen. Da inzwischen ein reges Treiben auf den Gängen herrschte, wollte sie sich nicht zu auffällig verhalten und begann kätzisch zu Miauen und an der Tür zu kratzen, um seine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.
    Als sich die Tür öffnete, huschte sie wie ein Blitz zwischen seinen Beinen hindurch ins Zimmer. Sie fühlte sich plötzlich total erledigt von diesem morgendlichen Ausflug.
    Mit einer einladenden Geste wies er auf ein Bündel, das gut sichtbar auf dem Tisch platziert war. Die Katze sprang auf den Stuhl, von dort stellte sie die weissen Vorderpfoten auf die Platte und beschnüffelte die Kleider eingehend. Der Geruch gefiel ihr, so ähnlich hatte ihr Vater immer gerochen, nach frischem Leder. Ihre Gewänder waren immer einparfümiert worden und rochen nach Veilchen und anderem Krimskrams. Dann wandte sie sich zu Valerius um, der sie beobachtete.
    Als er keine Anstalten machte, seine Augen von ihr abzuwenden, gab sie ein Fauchen von sich. Dies schien endlich Wirkung zu zeigen und er besass den Anstand, sich von ihr wegzudrehen und seine Ausrüstung abzulegen, während sie sich zurückverwandelte.


    Die Hose schmiegte sich angenehm um ihre Beine, liess ihr aber trotzdem genug Bewegungsspielraum. Fasziniert betastete sie das weiche und doch beständige Material. Sie liebte es, Dinge zu berühren und ihre Beschaffenheit unter den Fingerkuppen zu ertasten. Zudem roch das Leder so natürlich und würzig.
    Irritiert suchten ihre Hände nun das Bündel nach einer Art Korsett ab, wie sie es bis anhin immer hatte tragen müssen. Doch nichts dergleichen war zu finden. Sie warf einen Blick zu Valerius hinüber, doch er hatte seine Aufmerksamkeit auf eine andere Ecke des Zimmers gerichtet.
    Da sie nicht riskieren wollte, von ihm nackt gesehen zu werden, schlüpfte sie schliesslich in die Bluse hinein. Der Stoff kratzte nicht im Mindesten und fühlte sich leicht an. Auch die Stiefel passten zu ihrer Überraschung wie angegossen. Er musste wohl Erfahrung damit haben, Kleidung für Frauen einzukaufen.
    Dann warf sie sich den dunklen Mantel über, der sie sofort wärmend einhüllte.
    Unwillkürlich breitete sich ein Lächeln auf ihrem Gesicht aus und sie stellte sich in die Mitte des Raumes, und gestattete ihm, sie in ihrer neuen Aufmachung zu betrachten.
    Eine spielerische Leichtigkeit hatte sie erfasst nach dem Bad.
    Deshalb zog sie sich die Kapuze tief ins Gesicht, wie sie es bei Valerius nun schon öfters beobachtete hatte und ahmte seine Verbeugung mit funkelnden Augen gekonnt nach.


    Nachdem sie befand, dass er nun genug gesehen hätte, ging sie zum Tisch hinüber und zog das Notizbuch heran.
    Danke. Ich glaube, ich habe noch nie etwas so wenig Umständliches, Bequemes und gleichzeitig Hübsches getragen. Natürlich werde ich Dir die Gewandung zurückerstatten.
    Ihre Wangen hatten sich vor Freude gerötet, obwohl gleichzeitig die Stimme ihrer Vernunft piepste, sie solle sich bloss nicht von ihm um den Finger wickeln lassen.
    Während sie ihm das Notizbuch überliess, begann sie den Korb auszuräumen und das Frühstück bereitzustellen.
    Am Liebsten hätte sie einen Strauss Blumen dazugestellt - keine Rosen, sondern Margerithen, Astern und Gerbera, wie es ihre Zofe manchmal getan hatte.


    Über ihre nächsten Worte hatte sie schon zuvor nachgedacht, und wollte ihm nun ihre Idee unterbreiten.
    Meinst Du es wäre möglich, meine Familie darüber zu informieren, dass es mir gut geht? Sie sorgen sich bestimmt um mich und suchen nach mir. Ausserdem könnte ich jemanden vorbeischicken, der einige Sachen von mir abholt.
    Über mögliche Konsequenzen ihres Plans dachte sie nicht nach, glaubte sie doch, damit allen einen guten Dienst zu tun.
    Denn Emillia plagte das Gewissen, wollte sie doch niemandem unnötig Sorgen bereiten oder zur Last fallen - abgesehen von Valerius, der hatte es ja nicht anders verdient.

    Avatar: ©sharandula.deviantart.com

    Einmal editiert, zuletzt von Emilia ()

  • Das Zimmer war leer und Emilia nicht zu sehen. Doch ihre schmutzige Wäsche war verschwunden und es gab keinerlei weitere Spur von ihr? War sie geflohen und hatte sich wieder selbstständig gemacht? Dies war tatsächlich der erste Gedanke, der seinen Geist zu besetzen versuchte. Noch immer stellte sie ein Risiko dar welches er trug und keinesfalls durfte das dazu führen, dass seine Identität aufflog. Er wollte bereits darüber nachdenken, wie er sie wohl am besten in der Stadt aufspüren und zurückholen konnte, doch diese Gedanken musste er schnell wieder verwerfen.


    Denn schon im nächsten Moment kratzte und miaute es lautstark vor der Tür, sie war also baden gegangen und traute den anderen Frauen nicht über den Weg. Zumindest dachte er es, als er die Tür öffnete und Emilia beinahe wie ein aufgeschrecktes Huhn durch seine Beine huschte. Eine falsche Fußbewegung und er hätte sie wohl dabei getreten. Ein leichtes Grinsen musste er dann doch schon zulassen, als er dies beobachtet hatte. So sehr Emilia auch Mensch war, durchaus merkte man auch etwas von ihren kätzischen Zügen – und das gefiel dem jungen Mann tatsächlich. Wobei man sagen musste, dass Malik auch die Schlange war, die sie in ihrer Tiergestalt darstellte.


    Augenblicklich drehte sich der junge Mann zu der kleinen Katze um, die nun die auf dem Tisch befindlichen Sachen inspizierte und neugierig beäugte. Sie hatte sie schon offensichtlich als frische Kleidung für sich entdeckt und machte auch keine Anstalten sie in Besitz zu nehmen. Zu gern hätte er die Verwandlung abermals betrachtet, damit sie sich nun anziehen konnte, doch nur mit einem Fauchen machte sie deutlich, dass er sich umzudrehen hatte. Mit einem genervten Seufzen und der Überlegung, sie nicht doch als ein Kunstwerk an ihre Familie zurückzuschicken, drehte er sich schließlich um, damit sie sich in Ruhe ihrer neuen Kleidung widmen konnte.


    Stets von ihr abgewandt, machte er sich zur Kommode auf, um darin seinen Mantel wieder unterzubringen, genau so wie seine Waffen und die groben Teile seiner Lederrüstung. Dies kostete ihm natürlich auch einiges an Zeit, so war nicht eben alles auf einmal ausgezogen, da machte er auf dem Absatz kehrt und hatte eine gepflegte Emilia vor sich stehen, gekleidet und sauber, so wie sie es ihren Standes eigentlich entsprach. Langsam schritt er auf sie zu, um sie genauer zu betrachten und innerlich atmete er doch auf, so war er froh mit seinen Einschätzungen richtig gelegen zu haben. Das Ganze noch einmal zurück zu bringen, bestenfalls mit Emilia an seiner Seite, wäre wohl sehr anstrengend geworden.


    Noch ehe er sie sich allerdings genauer betrachten konnte, so setzte sie sich die Kapuze auf und machte eine Verbeugung, wie die eines Künstlers, welcher sich vor seinem Publikum präsentierte. Diese Bewegungen ... immitierte sie ihn etwa? Mit argwöhnischen Blick betrachtete er sie genaustens und er konnte erkenne, dass sie sich damit Mühe gab. Sie versuchte es tatsächlich. Leicht genervt rollte er mit den Augen, so hatte er für solche Spielchen gar nichts übrig, erst recht nicht, wenn sie so schlecht immitierte! Gerade noch war sie in der Verbeugung, da stellte er sich vor sie und schob sowohl Arme, als auch ihre Beine in die exakte Position, die viel Gleichgewicht benötigte, welche sie als halbe Katze aber auch haben sollte. So lag der gesamte Druck auf dem Fußballen des Standfußes.


    Zum krönenden Abschluss tat er die selbe Geste, doch in absoluter Perfektion, so wie er sie immer vor seinen vollendeten Werk tat. Er zollte ihnen tiefsten Respekt und ihm war klar, dass er dies vor Emilia getan hatte, bedeutet das Gleiche. Nur wusste sie es nicht, zumindest glaubte er das. Schließlich erhoben sie sich wieder und schauten sich für einen Moment an, der Mundwinkel des Almanen zuckte etwas, ehe er nur mit dem Kopf schüttelte. Da schritt Emilia auch schon wieder von ihm weg, direkt auf das Notizbuch zu und schrieb etwas hinein, was Dimicus natürlich sofort lesen wollte. Letztendlich war er neugierig, wie es ihr gefiel, auch wenn ihm dieses seltsame Gefühl unheimlich war, so dachte er aber auch nicht darüber nach.


    Im nächsten Moment widmete sie sich bereits dem Frühstück, während er ihre Zeilen zu lesen begann. Also bestätigte sich seine Vermutung, dass es ihr gefallen könnte und noch obendrein schien es bequem zu sitzen. Also nahm er Feder und Tinte zur Hand, antwortete somit: "Es erfreut mich, dass du deinen Gefallen an den Sachenm finden konntest. So habe ich, offen gestanden, nie für jemanden anderen eingekauft. Wie dem auch sei, das Geld musst du mir nicht wiedergeben, behalte die Gewandung. Es feht doch nichts, oder? Lass es mich auf alle Fälle wissen, wenn dies der Fall ist." In dieser Zeit hatte Emilia bereits alles für das Frühstück vorbereitet und bereit gestellt.


    Gemächlich nahm der Künstler Platz an dem Tisch und schnappte sich augenblicklich Brot, etwas Butter und eine Portion des Rühreis. Dabei beobachtete er aus dem Augenwinkel, wie Emilia erneut etwas in dem Buch schrieb. Gerade nahm er seinen ersten Bissen, als sie ihm jenes wieder zuschob und sich auch von dem Mahl bediente. Neugierig las er darin, doch was in ihren Gedanken heranreifte war eine Idee, die er nicht begrüßen konnte. Zumindest nicht so, wie sie sich es dachte. "Meinst Du es wäre möglich, meine Familie darüber zu informieren, dass es mir gut geht? Sie sorgen sich bestimmt um mich und suchen nach mir. Ausserdem könnte ich jemanden vorbeischicken, der einige Sachen von mir abholt." Nachdenklich schaute er auf diese Worte, überlegte was er bei diesem Wunsch tun könnte, so war er doch nachvollziehbar. Sie hatte ein neues Heim und wollte sich doch zumindest von dem alten verabschieden.


    Schmerzlich erinnerte es ihn zurück, an damals, vor mehr als 15 Jahren ... für einige Momente schien der junge Mann völlig geistesabwesend zu sein, beinahe apathisch. Kein einziger Muskel regte sich bei ihm, sogar seine Hände hielten das bestrichende Brot einfach in der Hand, ohne einen Moment zu zittern. Schnell kehrte er aber wieder zurück aus seinen Gedanken, griff die Feder und antwortete abermals: "Ich muss dafür einen Weg und eine Möglichkeit finden. Du musst bedenken, dass sie dich unter allen Umständen zurückholen wollen. Als ich draußen war, sah ich sogar einen Steckbrief der auf dich ausgesetzt ist. Du bist der Schlüssel zum Reichtum der Familie und ohne dich, kommt niemand daran heran. Wenn wir direkt einen Brief schreiben, schöpfen sie Verdacht und wenn sie davon ausgehen, dass du entführt wurdest, kann ich bei den Mitteln deiner Familie mir durchaus vorstellen, dass es hier bald nur vor Wachen wimmelt und Razzien gibt." Einen Moment überlegte er, dann fuhr er fort: "Wenn du wirklich sagen möchtest, dass es dir gut geht, ohne dass es Konsequenzen für dich oder mich hätte, so müsstest du dort auftauchen. Doch das führt dazu, dass sie dich einsperren werden. Deine Sachen dort herauszuholen und hierher zu bringen ist eine Sache, ein Lebenszeichen von dir zu geben eine andere. Lass mich darüber nachdenken ... doch, ich habe einen Plan. Er steht noch nicht ganz, du wirst mir dabei aber behilflich sein können. Ich werde dich brauchen." Damit schob er ihr das Buch wieder zu und begann weiter zu essen. Wenn er es so hinbekäme, wie er es grob erwartete, so würde er zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen und einen weiteren Pinselstreich gegen Wilfried vollführen können.

    Vielen Dank an Bitte melde dich an, um diesen Link zu sehen. der Bitte melde dich an, um diesen Link zu sehen. für das schicke Profilbild!

  • Überrascht versteifte Emilia sich, als Valerius an sie herantrat und ihre Arme in eine andere Position schob, genauso wie er auch ohne zu überlegen ihre Beine anfasste. Dann hätte sie jedoch beinahe gelacht, ob der Ernsthaftigkeit in seinem Blick, mit welchem er konzentriert überprüfte, ob sie ihr Gewicht richtig verlagerte. Ihre Anspannung wich einem amüsierten Lächeln, welches sie jedoch im Schatten der Kapuze zu verstecken suchte, ohne Erfolg.
    Nur kurz zuckten seine Mundwinkel nach vollendeter Übung und die junge Frau fragte sich unwillkürlich, wann dieser Mann das letzte Mal herzhaft gelacht hatte.


    Das Frühstück schmeckte Emilia genauso gut, wie das Abendessen vom Vortag. Mit Bedauern stellte sie jedoch fest, dass keine Milch dabei war. Trotzdem genoss sie jeden Bissen vom Rührei, das ausserordentlich luftig zubereitet worden war. Wer hätte gedacht, dass man unter gewöhnlichen Bürgern genauso viel Wert auf eine reichliche Ernährung legte, wie in einem Herrenhaus?
    Ehrlich erstaunt war sie über sein Geständnis, noch nie für jemanden einen solchen Einkauf getätigt zu haben. Anscheinend hatte in diesem Raum nicht nur sie ein gutes Gedächtnis.
    Was aber auch nicht verwunderlich war, wenn man seine Bilder betrachtete. Ob sie nun seiner Fantasie entsprangen oder er seine Inspiration Draussen einholte, er hatte auf jeden Fall einen guten Blick für Formen, Grössenverhältnisse und daraus entstehende Zusammenhänge. Bestimmt hatte er ohne zu zögern die richtigen Masse herunterrattern können… was im Grunde schon etwas unheimlich war!


    Die Frage, ob denn nun noch etwas fehle, brachte sie in Verlegenheit. Verunsichert begann sie auf dem Ende des Stiftes herum zu kauen. Tatsächlich hatte er ein paar Kleinigkeiten vergessen, die eine Frau aus ihrem Stand gewohnt war. Da sie keinen Rock hatte, konnte sie gut auf Strümpfe oder ähnlichen Kram verzichten, im Grunde war ihr die Hose sogar sehr willkommen, denn es gab keinen Saum, über den sie stolpern konnte.
    Doch ihr fehlte sowohl Unterwäsche, als auch das Mieder. Und auch einen Kamm vermisste sie sehnlichst. Nach einigen Tagen würden ihre Haare kaum mehr ohne schmerzhafte Prozedur von Knoten befreit werden können. Auch einige Haarspangen und Haarbänder hätten ihr gute Dienste erwiesen.
    Ich wäre sehr froh, wenn wir einen kleinen Einkauf erledigen können, schrieb sie deshalb.
    Was genau sie noch benötigte, verschwieg sie ihm und hoffte darauf, dass er vor dem Geschäft auf sie warten würde.


    Bei ihrer nächsten Frage, nahm sein Gesicht einen seltsamen Ausdruck an. Seine Züge schienen zu erstarren und selbst in seiner Bewegung hielt er inne. Emilia war eine gute Beobachterin und bemerkte ein schmerzliches Funkeln in seinen Augen. Na nu? Hatte sie da einen wunden Punkt getroffen? Doch weshalb?
    Sie verstand seine Reaktion nicht und war umso gespannter auf seine Antwort, als er denn zu schreiben begann.
    Als sie las, verdüsterte sich nun wiederum ihre Miene. Im ersten Moment glaubte sie, er wolle ihr Vorhaben unterbinden und seine Worte verärgerten sie.
    Meine Familie will nicht bloss mein Geld. Mein Onkel ist selbst wohlhabend. Ausserdem sorgen sie für mich und ich bin froh, dass sie mir helfen. Ich bin nur eine Frau und habe keine Ahnung von den ganzen Geschäften.
    Dabei kamen ihr sogleich wieder seine Anschuldigungen und die Beweisstücke in den Sinn und die Löwin knurrte wütend.
    Und es ist verständlich, dass sie nicht wollen, dass ich hier herumirre. Es ist nicht gerade schicklich mit einem anderen Mann als meinem Verlobten alleine in einem Zimmer zu sein.


    Auch seine nächsten Worte mochten sie kaum zu besänftigen und ein wildes Funkeln war in ihren grünen Augen zu erkennen, welche plötzlich die Löwin dahinter erkennen liessen.
    Wie kannst ausgerechnet Du es wagen, ihnen solche Gemeinheiten zu unterstellen? Mein Herr Papa hat mich aus gutem Grund vor den Menschen versteckt und nur wegen Dir ist er jetzt tot.
    Meine Tante Lucinda wollte mich beschützen vor den Gefahren auf den Strassen, als sie anordnete, dass niemand mehr das Haus ohne guten Grund verlassen dürfe.

    Erst als er ihr versicherte, dass er einen Plan ausarbeiten würde, beruhigte sie sich etwas. Auf ihren Wangen hatten sich rote Flecken gebildet und sie spürte ein Kribbeln an ihrem Körper. Irgendwie brachte er es immer fertig, sie in Rage zu versetzen.
    Bewusst atmete sie aus und schloss kurz die Augen, um ihn nicht ansehen zu müssen.
    Und was schwebt Dir vor?


    Nach dem späten Frühstück erhob sich Emilia und behauptete, die Toilette aufsuchen zu müssen. Ohne auf seine schriftliche Erlaubnis zu warten, schlüpfte sie aus dem Zimmer. Tatsächlich benutzte sie das Klosett, kehrte dann aber nicht direkt in sein Gemach zurück. Stattdessen klopfte sie vorsichtig an die Türe von Mirabella.
    Sogleich öffnete sie schwungvoll und blickte kurz verdattert, bevor sich freundliches Lächeln auf ihrem Gesicht ausbreitete.
    „Liebes, das ging ja schnell! Gut siehst du aus, erfrischt! Nur deine Gewandung entspricht nicht gerade unserer üblichen Mode. Aber wir müssen uns ja den Vorlieben unserer Freier beugen. Komm rein, ich habe noch etwas Zeit zum Plaudern!“, ohne Umschweife griff sie nach Emilias Hand und zog sie hinter sich in den Raum. Ob der Fröhlichkeit im Gesicht der anderen Frau überkam die Gestaltwandlerin ebenfalls ein Lächeln und sie fühlte sich sofort wohl in ihrer Gegenwart.
    Mirabella plapperte derweil munter weiter, wovon ihr Gast jedoch nichts mitbekam, da sie sich neugierig im Zimmer umblickte.


    Das Bett war riesig, erinnerte aber eher an eine Sofalandschaft mit den vielen Kissen und hatte eine ovale Form. Bettbezug sowie Vorhänge waren in einem samtenen Grün gehalten, was einen starken Kontrast zu der Haarpracht der Besitzerin erzeugte. Ein Schminktisch mit Stuhl stand in einer Ecke und war übervoll mit feinen Pinselchen, Döschen und einem riesigen Spiegel versehen. Ein grosser Schrank prangte an einer Wand, darin musste sie wohl ihre Kleider verstaut haben, wie Emilia richtig vermutete.
    „Alles in Ordnung Süsse?“, wandte sich da Mirabella zu ihr um. Emilia stockte, bewegte ihren Mund, brachte aber natürlich keinen Ton heraus.
    Schliesslich zeigte sie auf ihre Ohren, schüttelte traurig den Kopf und machte eine Geste, als würde sie die Lippen mit einem Reisverschluss verschliessen. Die etwas ältere Frau starrte sie verwundert an, dann schien ihr ein Licht aufzugehen und sie riss die Augen auf.
    „Bei Noldil, sag das doch!“, sofort schlug sie sich die Hände auf den Mund, was der jungen Frau ein Lächeln entlockte.
    „Tut mir Leid. Verstehst du mich denn überhaupt? Und ich quatsch hier schon fünf Minuten vor mich hin…“


    Kurz darauf hatte Emilia ein Pergament und nen kokligen Stift erhalten, wobei jedoch trotzdem Mirabella die Wortführerin im Gespräch blieb.
    Als Emilia nach beinahe einer ganzen Stunde das Zimmer verliess, hatte sie einen beschwingten Gang. In ihrer Hand hielt sie einen Kamm sowie eine Haarspange und zwei grüne Haarbänder.
    Es freute sie unheimlich, dass Mirabella weiter munter mit ihr plauderte und es ihr nicht Übel nahm, wenn sie nicht ihren ganzen Wortschwall verstand. Die meisten Bekannten ihres Vaters hatten nicht viel mit dem taubstummen Kind anzufangen gewusst und waren in peinlichen Schweigen versunken oder hatten sie gekonnt ignoriert.
    Sie dachte kurz an Valerius. Auch er hatte ihre Schwachstelle gekonnt umwunden.


    Als Emilia ins Zimmer zurückkehrte, war Valerius nicht da. Ob er sie auf dem Klosett suchte?
    Während sie auf ihn wartete, begann sie sich geduldig die Knoten auszukämmen, bis ihre braunen Locken ihr wieder in voller Fülle über den Rücken fielen. Dann griff sie nach dem Haarband, um sie zu einem praktischen Zopf zu binden.
    Na toll, sie hatte vergessen, nach einer Haarnadel zu fragen.
    Sie blickte sich in dem Zimmer um und ihr Blick viel auf die feinen Pinsel in der Malerecke.
    Als Valerius zurückkehrte, hatte Emilia den Zopf zu einem gewundenen Dutt hochgesteckt und mit einem seiner Pinsel befestigt.
    Wir können los, hielt sie ihm beschwingt den Notizblock unter die Nase.

    Avatar: ©sharandula.deviantart.com

  • Ohne eine einzige Antwort auf ihre Fragen und Aussagen zu tätigen, ruhte Dimicus einfach nur dort, betrachtet ihre Worte. Für einen gesamten Moment dachte er darüber nach, ob er ihr wirklich antworten sollte und vor allem, was er ihr entgegnen konnte. Seine Besinnung und Verstand sagte ihm aber, dass dies keinen Zweck hätte. In ihre waren die Lehren, Lügen und Halbwahrheiten eingebrannt, die sie noch von den Zeiten ihres Vaters hatte, welche aber nur von Wilfried, allgemein ihrer Verwandschaft versträkt wurde. Aus diesem Grunde überging er während des Essens bewusst diese Aussagen und widmete sich nur der Aussage, dass sie noch etwas einkaufen wolle.


    Als sie sich vom Tisch erhoben hatte, um ihrer Aussage nach auf das Klosett zu gehen, griff er nach dem Notizbuch und antwortete: "Das könnern wir gern machen, aber wenn wir gemeinsam nach draußen gehen, bleibst du bei mir und tust was ich dir sage, wenn es erforderlich ist, hast du verstanden? Ohne zu hinterfragen oder aufzumucken. Es wird uns im Notfall retten." Ganz offen legte er das Buch zurück, damit sie bei ihrer Wiederkehr seine Worte lesen konnte. Da erhob er sich, wollte gerade sich seine Ausrüstung anlegen, da fiel ihm noch etwas ein. Erneut wanderte die Feder in seine Hand. "Ich weiß, dass es dir nicht gefallen wird, aber ich muss dich darum bitten. Mit größtem Respekt vor dir und deinen Wünschen." Etwas nachdenklich noch blickte er auf die von ihm geschriebenen Worte, doch beließ sie so.


    Mit einem zufriedenen Nicken widmete er sich seiner Ausrüstung, welche er sich zuvor schon anlegen wollte. Dementsprechenden fanden die ledernen Teile seiner Rüstung auch ihren Platz an seinem Körper, dich gefolgt von seinen Dolchen, welche in den entsprechenden Halterungen gesteckt bzw. in den Schlaufen zum schnellen Ziehen ihren Platz fanden. Seine Umhängetasche schaute er schließlich noch einmal durch, ehe er darin das nötige Kleingeld hinterlegte, sowie seine Pinsel, Dietriche, als auch ein wenig Dörrfleisch, was noch vom Frühstück übrig geblieben war. Darüber wanderte der Mantel, um seine Erscheinung zu verdecken und Ausrüstung vor dem ersten Blick zu verstecken.


    Doch selbst als dies mindestens zehn Minuten in Anspruch nahm, so kehrteEmilia nicht von ihrem Gang zurück. Wo war sie hin? Hatte sie sich verirrt? Streit mit jemanden angefangen? War geflohen? Letzteres hielt er für zu naiv und nicht passend zu ihrer Situation, doch bei dem Temparament der jungen Frau, konnte er nicht immer ganz abschätzen, was sie als nächstes planen oder tun würde. Mit einem leicht genervten Seufzen schritt er zur Tür und trat hinaus, gerade kam ihm von dem Zimmern ein Mädchen entgegen, dass ihn relativ seltsam anschaute, sogar etwas errötete. Was war das denn für eine Reaktion? Mit fragendem Blick schaute er sie an und erhob seine Stimme: "Habt Ihr ein junges Mädchen gesehen, schokobraunes Haar, etwas kleiner als ich, bekleidet in einer Bluse und schwarzen Lederhose?" Die junge Frau hielt inne, aber ihr seltsamer Blick wich schließlich einem kleinen Funkeln der Verachtung. Was hatte er getan? "Bei Mirabella.", spuckte sie nur kurz und knapp aus, schritt dann fast schon stampfend einfach davon. Innerlich hakte der junge Künstler mit dieser Begegnung ab, zumindest wusste er, wo die junge Frau steckte. Was sie wohl mit einer der Prostituierten tat? Erste Gedanken schossen ihm durch den Kopf, doch diese waren wohl mehr als unwahrscheinlich.


    Unsicher was er tun sollte, nahm sich der junge Mann erst einmal vor, ein wenig draußen zu gehen und die Lage zu sondieren, vor allem in Richtung der Geschäfte, die die beiden betreten würden. Also trugen ihn seine Füße durch den unteren Schankraum, vorbei an den Huren und Türstehern des Bordells, nach draußen, an die frische Luft. Sofort fiel das geschäftige Treiben der Straße auf, der Lärm der Stadt und die Unerträglichkeit der Ignoranz mit der diese Menschen umhergingen. Beinahe sorglos durchschritten sie diese Gassen, als ob ihnen das Leben eine Bedeutung schenken würde. Doch er wusste es besser, wie all ihre Leben keine Bedeutung hatten, so war er der Künstler deren Leben er auslöschte und erst in ihrem Tode, sie ihres wahren Schicksales zuführen würde. Mit diesen Blicke auf die menschlichen Wesen um ihn herum, durchstreifte er die Straßen und Gassen, vergaß dabei den Fakt, dass er gegenüber Emilia etwas gänzlich anderes empfand. Etwas, wogegen er sich zu wehren wusste und von seinem Werk trennen konnte. Noch.


    Genaustens überprüfte er die Wege zu den Kleidergeschäften, zu denen er Emilia bringen könnte, genau so wie die Läden für Alltagsgegenstände. Es hingen hier und dort Plakate mit Emilias Gesicht darauf, die eine hohe Belohnung aussprachen, wenn man das Mädchen der Familie zurückbringen konnte. Zudem hatte sich die gefühlte Präsenz von Wachen erhöht, die Ausschau nach verdächtigen Aktivitäten hielten. Die Familie Emilias war wirklich erpicht darauf, sie zurück zu bekommen und verwendete wohl große Gelder darauf, dass es ihnen möglich wurde. So konnte er niemals die junge Frau in ein öffentliches Geschäft bringen, ohne Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Leider blieb ihm nicht mehr übrig, als dorthin zu gehen, wo er für Verschwiegenheit zwar teuer bezahlen, aber noch immer einen guten Einkauf machen konnte. Jener Laden, den er schon für den Einkauf für Emilias bisherigen Sachen genutzt hatte. Es würde auch nur eine Frage der Zeit sein, bis die Prostituierten des Bordells davon Wind bekamen.


    Als er mit seinen Vorbereitungen fertig geworden war kehrte er wieder zum Bordell zurück. Der Betrieb hatte sich nicht verändert, nur bekam er den ein oder anderen Seitenblick ab, was ihm allmählich nicht mehr gefiel. Irgendwas stimmte nicht, noch nie hatten ihm die Frauen des Etablissement Maliks so hinterher gegafft. Dies vorerst ignorierend, schritt er die Treppen wieder hinauf und betrat sein Zimmer, in welchem er auch schon die junge Frau zu sehen bekam. Neben ihrer Kleidung trug sie nun auch noch einen Dutt, den sie aus ihrer langen Mähne geformt hatte. Mit einem verwunderten Blick betrachtete er diese Frisur, als er die Haarnadel – nein, einen seiner Pinsel aus dem Dutt herausragen sah. Mit hochgezogener Augenbraue deutet er darauf, winkte aber sogleich ab. Das war zu diesem Zeitpunkt nicht all zu wichtig. Denn tatsächlich entglitt ihm ein sanftes, wenn auch kurzes Lächeln ihr gegenüber, es blitze auf und zeugte von Wärme, doch es verschwand genau so schnell wieder.


    Letzten Endes ging er hinüber zu dem Tisch, auf dem noch immer das offene Notizbuch lag und er schrieb: "Ich war draußen, so lang du beschäftigt warst. Es sind recht viele Wachen unterwegs und dein Gesicht hängt überall als Steckbrief, wir müssen vorsichtig sein. Wenn du Kleider brauchst, weiß ich bereits wo wir hingehen können. Steck das Notizbuch und einen Kohlestif ein, damit du mir unterwegs noch sagen kannst, was du haben möchtest doer brauchst." Für einen Moment blickte er auf und schaute sie an, schließlich setzte er for: "Bitte mach keine Dummheiten oder zeige dich, wenn ich es nicht sage. Du bringst uns beide in Gefahr, würdest du dies tun." Damit hielt er ihr das Notizbuch wieder unter die Nase und schaute, ob sie einverstanden war.

    Vielen Dank an Bitte melde dich an, um diesen Link zu sehen. der Bitte melde dich an, um diesen Link zu sehen. für das schicke Profilbild!

  • "Das können wir gern machen, aber wenn wir gemeinsam nach draußen gehen, bleibst du bei mir und tust was ich dir sage, wenn es erforderlich ist, hast du verstanden? Ohne zu hinterfragen oder aufzumucken. Es wird uns im Notfall retten. Ich weiß, dass es dir nicht gefallen wird, aber ich muss dich darum bitten. Mit größtem Respekt vor dir und deinen Wünschen."
    Ein leichter Unwille war in ihrem Blick zu erkennen, als sie seine Forderung las. Er behandelte sie ja wie ein kleines Kind, das nicht auf sich aufpassen konnte. Und als ob an jeder Ecke ein neuer Meuchelmörder nur darauf wartete, sie in die Finger zu kriegen.
    Welch Ironie, dass der einzige Mörder, den sie kannte, sie gerade davor warnte, sich in Gefahr zu begeben. Sie schnaubte etwas genervt auf. Was hätte ihr Vater wohl dazu gesagt?
    Bestimmt hätte er auch gewollt, dass sie in Sicherheit war. Und er hätte erwartet, dass sie sich den Wünschen eines Mannes unterordnete, wie es für Frauen üblich war.
    Nur dass Valerius ihren Vater getötet hatte und ausserdem nicht von ihrem Stand war, wie sie zumindest vermutete.
    Schliesslich entschied Emilia, sich in sein Spiel einzufügen, zumindest solange es ihr ebenfalls vernünftig erschien. Sie konnte zwar nicht begreifen, was an einem gewöhnlichen Einkauf tödlich sein sollte, doch gut. Männer hatten manchmal einen widerwilligen Drang, sich als Helden aufzuspielen, wie sie es auch bei Wilfried bereits amüsiert beobachtete. Hauptsache, sie bekam ihre Unterwäsche und das Mieder!


    So tat sie also wie geheissen, packte sich Block und Stift ein, zog sich den Mantel über und folgte Valerius aus dem Haus. Dabei fielen ihr wieder einmal die unterschiedlichen Gäste auf, welche hier ein und aus gingen. Noch bevor sie drei Schritte vorangekommen waren hielt sie bereits inne, und kritzelte los: Was ist das eigentlich für ein Haus? Und warum wohnen hier so viele Frauen?
    Einige Strassen weiter waren sie bereits mitten im Getümmel der Stadt. Anfangs hielt sich Emilia tatsächlich nahe an ihrem Begleiter, was aber nicht an seiner Bitte lag, sondern an der Tatsache, dass sie Menschenauflaufe nicht mochte. Es war seltsam, sich mitten unter so vielen Menschen zu bewegen, sehen zu können, wie sich ihre Münder bewegten, doch in dem ganzen Durcheinander kein einziges Wort zu hören. Auch Warnrufe waren für sie nicht auszumachen, weswegen sie schnell einmal über den Haufen gerannt wurde. Deshalb war es zumindest anfangs noch ein Leichtes für den jungen Mann, sie zu lotsen.
    Doch dies hielt nicht lange an und Emilias Neugierde brach sich schnell Bahn. Mit einem belustigten Funkeln in den Augen konnte sie beobachten, wie Kinder einem Markthändler eine Wurst abluchsten. Auf der gegenüberliegenden Strassenseite balgten sich zwei Hunde miteinander, wobei sich der Gestaltwandlerin bei ihrem Anblick automatisch die Härchen aufstellten.
    Dann wiederum entdeckte sie einen Stand mit vielen bunten Süssigkeiten und schnupperte sehnsüchtig in der Luft, so dass sich ihr Näschen dabei krauste.


    Ihr Tempo hatte sich gedrosselt und anstatt im zügigen Schritt, kamen sie nur noch schlendernd voran. Valerius wirkte darüber wenig glücklich.
    Meinst du nicht, dass es auffälliger ist, wenn wir durch die Strasse rennen und Leute umrempeln, als wenn wir uns anpassen? Und mach nicht so ein Gesicht, du erschreckst die Kinder ja noch zu Tode!
    Dabei versuchte sie seinen düsteren Blick nachzuahmen.
    Sie gab ihm gar nicht erst die Gelegenheit, eine weitere Moralpredigt zu halten, sondern marschierte einfach munter weiter. Es müsste sie schon anketten, um sie aufzuhalten.


    Schliesslich blieb Emilia jedoch so plötzlich stehen, dass Valerius beinahe in sie hineingeprallt wäre.
    Habe ich wirklich so eine krumme Nase?
    Halb empört, halb belustigt betrachtete sie den Aushang, der sie selbst zeigen sollte. Immerhin hatte der Maler ihren Mund gut vertroffen, obwohl das eine Auge etwas schief wirkte.
    Anstatt ihre Gedanken schriftlich mitzuteilen, schob sie mit dem Finger ihre Nasenspitze nach oben und machte dabei ein lustiges Gesicht.
    Reflexartig dachte sie daran, dass Valerius sie bestimmt besser getroffen hätte. Dieser Zeichner war eindeutig nicht der Beste seines Faches.
    Während sie noch ihr Bild betrachtete bemerkte sie nicht, wie einige der aufmerksamen Bürger sie misstrauisch beäugten.

    Avatar: ©sharandula.deviantart.com

  • Anstrengend. Das war das richtige Wort für das, was Dimicus empfand, als er auf Emilia aufpasste. Anfangs war sie stets bei ihm, hielt sich an ihm und so war es ihm mehr als gut möglich, dementsprechend sie im Auge zu behalten, doch je länger die draußen waren und sich durch die belebten Straßen wagten, desto neugieriger wurde sie. Immer öfter entfernte sie sich von ihm, er musste nach ihr sehen oder sie sogar suchen, um sie nicht komplett zu verlieren. Es wäre wohl einfach geworden, jemanden auf offener Straße unerkannt zu seinem Ende zuzuführen, als auf diese junge Frau aufzupassen.


    Mal wieder hatte der Künstler sie aus den Augen verloren und seufzend hielt er Ausschau nach ihr, was schon wieder einen merklichen Kampf darstellte, so wie sie dazu neigte einfach zu verschwinden. Wie ein Floh hüpfte sie durch die Gegend und inspizierte alles, nur um den Wirt zu ärgern, dessen Nerven allmählich dem Ende zugingen. Sein aufmerksamer Blick und die damit einhergehenden langsamere Schritte verhinderten gerade noch so, in sie hinein zu laufen, als sie wieder vor ihm auftauchte, dabei ihm das Notizbuch unter die Nase hielt. Nur kurz antwortete er darunter: "Ich bin nicht derjenige, der überall herumhuscht." Da war sie auch schon wieder verschwunden. Ein weiteres genervtes Seufzen folgte.


    Abermals tauchte sie plötzlich vor ihm auf, dieses Mal hatte es aber beinahe gereicht in sie hinein zu laufen. Aprupt hielt er inne und erwischte sie dabei, wie sie sich direkt vor ihren eigenen Steckbrief gestellt hatte und diesen genau betrachtete. In diesem Moment wusste der junge Mann gar nicht, was er dazu sagen sollte. Entweder machte ihre naive Ader sie gerade mehr als töricht, oder sie tat das mit Absicht. Am liebsten hätte er ihr in diesem Moment einen strafenden Klapf auf den Hinterkopf gegeben, aber er riss sich doch sehr zusammen, dies eben nicht zu tun. Es war eine reine Geduldsprobe. Zudem lagen immer mehr Blicke auf Emilia, die mehr als fragend und misstrauisch waren. Für Dimicus wurde es Zeit zu handeln.


    Schon aus dem Augenwinkel bemerkte er, dass zwei gerüstete Personen auf sie kamen, sie trugen zudem die Initialen Drakensteins. Es waren Wachen. Ohne zu zögern griff er bestimmt Emilias Hand, umfasste sie und zog sie weg. Weg von der Straße und in eine nahgelegene Gasse. Er ließ gar keinen Widerspruch zu und zog sie einfach mit, suchte nach einer Möglichkeit sie und sich zu verstecken. Er wusste, die Wachen würden nachkommen. Eilig blickte seine Blick umher, als er eine niedrige Mauer sah, die im Schatten lag. Ohne zu zögern führte er sie hin, hinter sich hörte er bereits Stimmen der Wachen. "Sie sind hier lang gegangen, sicher?", ertönte es. Gerade als die beiden Wachmänner um die Ecke schritten, war Dimicus mit Emilia hinter dem Vorsprung verschwunden.


    Leider ging es aber nicht anders, als sich auf den Boden zu legen, weswegen er Emilia ohne Vorwarnung zu Boden geworfen und er sich auf sie gelegt hatte, seine Hand legte sich über seinen Mund und einen Finger der freien Hand legte er auf seine Lippen, dass sie leise sein sollte. Schließlich senkte er seinen Kopf neben ihren, machte sich und sie somit so klein wie möglich, während er genau hörte, Emilia unter sich fixiert. "Sie können hier gar nicht lang sein. Ich wette du hast mal wieder einfach nur zu viel gesoffen." Die Schritte näherten sich, an ihrem Verstcek vorbei und schließlich weiter. "Aber ich war mir sicher!", ertönte es nur noch aus der Entfernung. "Jaja, wie du sagst." Schließlich wurde es wieder still. Nichts geschah mehr und Dimicus erhob sich von Emilia, wobei er sich ein wenig den Schmutz vom Mantel abklopfte und ihr aufhalf.


    Mit zornigen und zeitgleich genervten Blick griff er einfach nur ihre Hand. Ohne Widerworte zu dulden, zog er sie wieder zum Ausgang der Gasse, an dem er einen abermals prüfenden Blick durch die Straße streifen ließ, er sie hinaus zog und bewusst bei sich behielt, in dem er fest ihre Hand umschloss. In diesem Moment kam er wie ein Vater vor, der sein kleines Kind an die Hand nehmen musste. So schlängelte er sich zügiger durch die Mengen und kam schließlich im Geschäft an, mit Emilia im Schlepptau. Der Verkäufer schaut schon verblüfft, wusste dann aber schon Bescheid und nickte, wobei er die beiden ins Hinterzimmer bat. Dort waren die beiden schließlich mit dem Verkäufer, der wissend lächelte, allein. Dimicus deutete nur auf das Notizbuch und ließ Emilia den Vortritt.

    Vielen Dank an Bitte melde dich an, um diesen Link zu sehen. der Bitte melde dich an, um diesen Link zu sehen. für das schicke Profilbild!

  • Emilia


    Emilia war wütend auf ihren Begleiter. So ein Spielverderber!
    Jagte sie durch die Strassen, als ob sie auf der Flucht wären. Und dann hatte er sie plötzlich grob gepackt und in eine dunkle Gasse gezogen. Im Nachhinein dachte sie, dass sie ihm eine hätte scheuern sollen, doch stattdessen war sie ihm hinterhergestolpert wie eine alte Ziege.
    Doch das Unglaublichste geschah erst noch – hatte er sie doch aus dem Nichts umgeworfen und sich wie ein Tier auf sie gestürzt!
    Nicht einmal als sie mit ihren Fäusten nach ihm geschlagen hatte, und schliesslich wütend in seine, leider behandschuhte, Hand biss, hatte er sie freigegeben.
    Den Grund für sein Tun konnte sie natürlich nicht erahnen, da sie Nichts von dem Gespräch der beiden Wachen mithören konnte.


    Und nun standen sie in dem Geschäft, würdigten sich gegenseitig kaum eines Blickes.
    Zum Glück stellte der Verkäufer keine doofen Fragen, sondern führte sie in ein Hinterzimmer.
    „Wie kann ich Euch behilflich sein?“, wandte er sich schliesslich an Emilia, nachdem Valerius zu ihr hingedeutet hatte.
    Sie lächelte ihn höflich an, dann schrieb sie etwas in ihr Notizbuch und wandte sich dann ruckartig zu Valerius um: Du kannst gerne Draussen warten. Ich komme hier auch ohne Dich klar!


    Dimicus
    Vollkommen gelassen inzwischen, seine Wut und leicht gereizte Stimmung gut verbergend, lehnte der junge Mann an der Tür und wartete einfach nur ab, ehe sie ihm tatsächlich das Notizbuch mit der Aufforderung zum gehen zeigte.
    Einer seiner Augenbrauen verzog sich nach oben, als sie das tat und er griff beinahe gleichgültig um zu antworten: Nein, ich warte hier. Damit musst du jetzt klarkommen. Schreibe ihm, was du brauchst und lass die Maße nehmen. Durch deine ausgesprochene Torheit wäre unser beider Kopf gerade fast gerollt. Also wälze deine Wut nicht auf mich ab, wo ich dich gerade vor deinem eigenen Schaden bewahrte.
    Beinahe süffisant reichte er ihr das Notizbuch zurück und blickte den Schneider an: "Tut mir leid, meine Freundin hier ist taub und bei ihr bedarf es einer ... besonderen Behandlung. Ich hoffe, ihr habt die Geduld dafür."
    Er nickte nur mit einem Lächeln und wandte sich schließlich wieder Emilia zu, erwartete ihre Wünsche. Währenddessen blieb der Almane an dem Türrahmen gelehnt stehen und geduldete sich, bis es weiter gehen konnte.


    Emilia
    Sie funkelte ihn wütend an und hätte ihn am liebsten einfach aus der Tür geschoben.
    „Wenn Ihr mir erlaubt, die Gewandung steht Euch formidabel!“, wandte sich da der Verkäufer mit einem zuvorkommenden Lächeln an die junge Dame.
    Als Emilia Valerius Blick sah, erkannte sie, dass er nicht einfach aus dem Zimmer verschwinden würde. Hilfesuchend blickte sie zu dem Schneider hinüber, schnappte sich das Notizbuch und schrieb an ihn: Herr, Eure Kleider gehören zu den feinsten Dingen, die ich je getragen habe. Doch mir fehlen noch einige Dinge, die speziell Frauen benötigen, wenn Ihr versteht.
    Er nickte wissend und wandte sich dann mit der Bitte an Valerius: „Ihr versteht sicher, dass es sich nicht gehört, wenn ich in Eurer Gegenwart die junge Lady ankleiden würde. Oder seid Ihr etwa Ihr Ehegatte? Ansonsten wäre es angemessen, wenn Ihr im Eingangsbereich wartet. Natürlich wird Euch meine Gemahlin einen Kaffee anbieten.“


    Dimicus
    Auf eine gewisse Weise war das hin und her äußerst belustigend. Wer hätte gedacht, mit Emilia einkaufen zu gehen, würde so amüsant sein. Zugegeben, sein Ärgernis war es natürlich dennoch, so stellte sei ein großes Risiko für ihn dar und das musste er natürlich mit einkalkulieren. Doch bei seinen Plänen hatte er mit jeder Eventualität zu rechnen, genau wie jene, vor der er nun gestellt wurde.
    Mit gelassenem und ausgezeichnet gespieltem Gesichtszügen, antwortete er: "Sie ist schon immer ein wenig widerspenstig gewesen. Meine Frau hat es nicht so gern, aber ihr müsst wissen, ich bin der Ehegatte, so ist es."
    Die Lüge ging ihm glatt und vollkommen glaubwürdig über die Lippen, so hatte das doch einen gänzlich anderen Hintergrund. Dimicus interessierte sich nicht dafür, Emilia nackt zu sehen oder um sich wie der gemeine Pöbel an ihrem Körper zu laben. Eher fürchtete er das Risiko, dass der Schneider eine Lücke im Plan darstellen könnte und wenn er sie mit ihm unbeobachtet ließe, dieser vielleicht auf dumme Gedanken käme. Das Bestechungsgeld an ihn war hoch, dennoch war auch das Geld für die "Rettung" Emilias immens.


    Emilia
    Obwohl der Schneider die empörte Miene der jungen Dame ob dieser dreisten Lüge bemerkte, wagte er es nicht, einem seiner besten Kunden weiter zu widersprechen.
    Emilia atmete einmal tief durch.
    Ich benötige Unterwäsche und ein Mieder, da mein ach so geliebter Ehemann wohl darauf vergessen hat. Liebster, ich möchte Dich gerne damit überraschen, könntest Du Dich wenigstens so lange wegdrehen bis der freundliche Herr mir seine Auswahl gezeigt und die Masse genommen hat? Ich werde mich schon nicht in Luft auflösen.


    Dimicus
    Eines siegessicheren Lächelns war sich der Künstler anfangs gewiss, als sowohl Emilia als auch der Schneider nachgaben. Anfangs doch recht erfreut darüber, dass er sämtliche Kontrolle über den Plan behalten konnte, so änderte sich das sehr schnell, als er Emilias Zeilen las.
    Ein lautes Husten seinerseits ging durch den Raum, als er sich an den Worten die Emilia geschrieben hatte verschluckte und beinahe augenblicklich eine Wärme um seinen Kopf spürte. Was fiel ihr ein, so zu schreiben? Als ob ...
    In diesem Moment biss ihn seine eigen Lüge und das letzte was er noch tat, war zu dem Schneider zu gehen und ihm zuzuflüstern: "Arbeitet bei dem Mieder bitte Schlaufen für kleine Waffen ein."
    Damit räumte er sogar das Feld, verließ das Hinterzimmer, so war es ihm mehr als sichtlich unangenehm gewesen, wie Emilia plötzlich gesprochen hatte.


    Emilia
    Langsam verrauchte ihre Wut, als Valerius vor ihr den Hut zog und sich aus dem Zimmer bewegte. Während der Schneider ihr nun einige Modelle weiblicher Unterwäsche präsentierte, hellte sich ihre Miene auf.
    Schliesslich entschied sie sich für zwei paar Unterhosen, welche zwar mit Spitze besetzt waren, jedoch eng anlagen und sich so kaum unter der ledernen Hose abzeichnen würden.
    Nun zum Mieder. Wie sie es sich auch von zu Hause gewohnt war, nahm ihr das tapfere Schneiderlein zuerst Masse, um es später anpassen zu können.
    Schliesslich hatte sie drei Stücke zur Auswahl.
    Sie liess sich vom Schneider in eines der Ausstellungsstücke hineinhelfen, welche alle geschnürt wurden, dann ging sie zur Tür und schielte zu Valerius hinaus. Mit mürrischer Miene blickte er zu ihr herüber, als sie schliesslich eine Runde vor ihm drehte, und schliesslich in einer Art Modeschau alle Stücke vor ihm präsentierte.
    Schliesslich hielt sie ihm das Notizbuch hin: Und welches nehmen wir?


    Dimicus
    Gelangweilt und zugleich vollkommen desorientiert blickte sich der junge Mann noch einmal Im Verkaufsraum um. Der Schneider hatte diesen zuvor abgeschlossen, um keine Kunden hinein zu lassen die stören würden. Zumindest konnte er sich im Raum so einmal in aller Ruhe umsehen, vielleicht würde er noch etwas für sich entdecken. Tatsächlich aber, war nichts dabei, was seinem Blick als würdig auffiel, so gab er dies schnell auf.
    Da blickte ich plötzlich Emilias freudestrahlendes Gesicht entgegen, welches er nur mit einem mürrischen Blick erwiderte. Da trat sie dann doch tatsächlich vor ihm und versuchte sich wie seine Ehefrau zu verhalten, indem sie sich vor ihm präsentierte, mehrmals, darauf wartend welches Stück für ihn das Beste war.
    In welcher Hölle bin ich nur gelandet?
    Zuerst war es ein einfaches, braunes Ledermieder. Kaum verziert, es hatte aber dennoch eine schlichte Eleganz und daran waren auch die entsprechenden Halfter für Dolche angebracht.
    Das zweite Stück folgte und wirkte etwas aufreizender, wie eine Adelsdame, mit goldenen Verzierungen und eine Schnürung, die vor allem Betonung auf die weiblichen Rundungen legte. Eine Verschandelung, das fiel weg.
    Das dritte und letzte Teil war schließlich ein ledernes, schwarzes Mieder. Halfter für zwei Dolche, wirkte massiv und dennoch nicht unbequem, sah sogar ziemlich schützend aus. Die Nähte waren kunstvoll und dekorativ gesetzt, die Wahl war eindeutig.
    Das Letzte., schrieb er nur knapp in das Buch, um Emilia seine Meinung zu geben. Auch wenn er sich wunderte, was dies für eine Rolle spielte.


    Emilia
    Der Schneider freute sich über ihre Entscheidung, obwohl er ihr natürlich lieber das etwas teurere Mieder mit den goldenen Schnüren verkauft hätte. Nachdem Emilia mit ihrem Einkauf fertig war, wagte sich das tapfere Schneiderlein wiederum an Valerius heran, um ihm weitere Vorschläge zu unterbreiten.
    „Ihr könntet Eure Gemahlin bestimmt wieder liebeswürdiger stimmen, wenn ihr ihr ein hübsches Geschenk machen würdet. Ich habe gerade einige neue Kleider und Röcke erhalten. Ein Smaragdgrünes ist auch dabei, es würde die Schönheit Eurer Ehegattin wunderbar unterstreichen.“


    Als sie sich schlussendlich aus dem Geschäft verabschiedeten, hatte eine Emilia eine grosse Tüte unter ihrem Arm und ein zufriedenes Lächeln auf dem Gesicht. Ausnahmsweise lief sie auch treuherzig neben Valerius her, auch wenn sie dabei fast rennen musste. Sie entschied für sich, heute war ein erfolgreicher Tag!


    Dimicus
    Den Tränen nahe stehend, betrachtete Dimicus den Verkäufer wie er breit strahlend sein Geld zählte, genau so wie Emilia mit einem breiten Lächeln nun brav neben ihm hinterhertrottete. Seine Lüge war vollkommen außer Kontrolle geraten, so hatte Emilias Grinsen und die Worte des Verkäufers nur dazu geführt, dass dieser mehr Umsatz machen konnte.
    Ein Negligé aus Seide, ein facettenreiches Kleid, Wechselkleidung der gleichen Art aber in anderen Farben als das, was sie in diesem Moment trug, mehr als die Unterwäsche die sich sowieso kaufte, einen Hut den sie unbedingt haben wollte und keine Ruhe diesbezüglich gab.


    Sehr mürrisch betrachtete er die junge Frau, wie sie beinahe überglücklich wirkend einfach neben ihm schlenderte. Wie kann man nur durch solch einen Materialismus so glücklich werden, so war seine Kunst etwas viel edleres! Eben jene Kunstwerke verachtete sie, zu seinem kompletten Unverständnis. Zumindest hörte sie jetzt auf ihn und ließ sich lotsen, so dass er unangenehme Begegnungen vermeiden konnte.
    Auf dem Weg nahm er das Notizbuch und schrieb etwas zähneknirschend: Brauchst du sonst noch etwas, L I E B S T E?


    Emilia


    Eine Zeit lang liess sie sich von ihm durch die Stadt führen und beglückwünschte sich selbst für ihren gelungenen Schachzug. Der Schneider hatte ihr mehrmals versichert, dass er sich über einen weiteren Besuch ihrerseits sehr freuen würde.
    Valerius wollte sie gerade um eine Ecke ziehen, als sie auf der anderen Strassenseite ein weiteres Geschäft entdeckte, das ganz ihren Sinnen entsprach.
    Emilia zupfte an seinem Ärmel und zeigte zu dem Laden hinüber. Nur widerwillig war Valerius bereit, ihr zu folgen und in seinem Gesicht zeigte sich eine Mischung aus Hilflosigkeit und Verzweiflung ab.
    Die junge Frau war noch immer empört über seine Lüge, doch nun gedachte sie diese zu ihrem Vorteil zu nutzen. Sollte er einmal sehen, wie teuer eine Frau ihn zu stehen kommen sollte.


    Als sie die Tür öffnete, umfasste sie eine Duftwolke der besonderen Art. Emilia schnupperte zaghaft in der Luft, für ihre feine Nase war dies beinahe etwas zu viel des Guten, weswegen sie sich ausnahmsweise zu beeilen gedachte. Zusätzlich zu ihren Einkäufen erhielt sie also auch noch eine Haarpflege und ein Mandelöl für ihre zarte Haut.
    Brauchst du auch noch etwas, mein Ehegatte? Du warst heute äusserst grosszügig. Wir sollten öfters zusammen in die Stadt gehen.
    Schlussendlich schaffte sie es sogar noch, an dem Süssigkeitenstand eine kleine Tüte voller Kakaobohnen zu erhaschen, indem sie diese einfach bestellte und Valerius kurzerhand dazu gezwungen wurde, diese zu bezahlen, wenn er nicht durch das Geschrei des Händlers auffallen wollte…


    Dimicus
    Sich bereits mehrere Arten ausdenkend, wie er Emilia in das wundervollste Kunstwerk verändern konnte, dass es jemals in dieser Stadt gegeben hatte, machten sie von dem Süßigkeitenstand kehrt. Ihre Schmach, die sie zuletzt in das Buch geschrieben hatte, wollte und konnte er nur ignorieren, so wäre das was er ansonsten als Antwort verfasst hätte, wohl sehr unsittlich geworden.
    Von dem Geld das Dimicus mit zu diesem Einkauf gebracht hatte, war nun nichts mehr übrig und dies war alles, was er von Wilfried als Bezahlung für den Auftrag an Valerius bekommen hatte. Demnächst musste er wohl wieder einige seiner Werke verkaufen oder einen neuen Auftrag annehmen, obwohl Wilfried noch auf seiner Liste stand.
    Inzwischen war sich der Künstler sicher, dass er es bereuen würde, dieser Frau Unterschlupf aber keinen Einhalt zu gebieten. Also war es mehr als klar, dass sich bald etwas ändern musste, sonst würde sie ihm auf der Nase umhertanzen. Er hatte auch schon eine Idee, wie er das anstellen würde und bald war es sogar Zeit dafür.


    Inzwischen dämmerte es schon, ihr Ausflug zog sich nun eine gesamte Weile und es war Zeit, allmählich wieder zurückzukehren. Die Anzahl der Wachen hatte abgenommen und Emilia hatte all ihren Tüten mit Waren ihm zugeschoben, damit sie sich genüsslich an den Kakaobohnen laben konnte.
    Es verging auch nicht mehr viel Zeit, da kamen sie wieder am Bordell an, das wieder belebter wurde. Viele Männer tummelten sich wieder hier, wurden von leichten Mädchen bedient. Der Pöbel in diesem Raume gafften Emilia bereits hinterher, lüstern und in der Hoffnung, sie auch als ihre Beute erobern zu können. Die Prostituierten allerdings schauten mit teilweise sehr verwegenen Blicken auf die Beiden, spiegelte sich in etwa Eifersucht in ihren Blicken wieder?
    Die Treppen hinauf und in das Zimmer Dimicus' gegangen, war dieser froh, sich für einen Moment auf das Bett setzen zu können. Die Taschen Emilias stellte er auf sein Bett ab, damit sie sich frei bedienen konnte. Währenddessen verschnaufte er etwas.


    Emilia
    Während Valerius sich auf sein Bett fallen liess, packte Emilia zufrieden ihre Sachen aus, schnupperte an den Phiolen und stellte sie wie selbstverständlich auf die Kommode.
    Ich glaube, ich brauche entweder eine deiner Schubladen oder eine eigene Truhe für meine Sachen., meinte sie schliesslich und setzte sich auf den Stuhl. Auch sie war ziemlich erschöpft vom Einkauf, wie sie sich nun eingestehen musste. Wie er so da sass, wirkte er etwas blass im Gesicht.
    Sag mal, geht es Dir nicht so gut? Mirabella meinte letztens, dass es nicht so gut um Deine Männlichkeit bestellt ist. Bist du krank oder so?


    Dimicus
    Etwas stutzig schaute er auf das Fläschchen, dessen Inhalt ihm wohl für immer unerklärlich und dessen Nutzen erst recht im Schatten verborgen bleiben würden. Es lag nicht im Sinne seiner Bedürfnisse, sich mit solche Dingen zu befassen, so schienen sie ihm vollkommen unnütz.
    Schließlich griff er nach dem Buch und antwortete ihr auf die erste Frage: Ich brauche sowieso nicht alles in der Kommode, du kannst eine Schublade haben.
    Darauf nahm sie wieder das Buch entgegen, las aufmerksam und blickte ihn dann an. Darauf schrieb sie wieder etwas.
    Kaum hatte er seine Augen auf diese Worte gerichtet, blickte er sie nur völlig ungläubig an.
    Sie sagte was? Okay, mal anders gefragt: Hast du überhaupt einen Sinn dafür, was dies bedeutet?


    Emilia
    Mit neuem Tatendrang begann sie sogleich die mittlere Schublade auszuräumen und ihre Sachen darin zu verstauen, während sie auf seine Antwort wartete. Seine Kleider stapelte sie neben sich zu einem ordentlichen Haufen.
    Dann huschte sie zurück und betrachtete nachdenklich seine Schrift.
    Was ich eben schrieb. Na ich dachte mir, dass du vielleicht krank seiest. Du bist auch etwas blass um die Nase rum. Ich hoffe, es ist nichts Ansteckendes.
    Sein seltsamer Blick verunsicherte sie nun plötzlich und sie nahm sich vor, ihre Freundin beim nächsten Treffen darauf anzusprechen.


    Dimicus
    Mit einem wissenden Blick, dass Emilia wohl keinerlei Ahnung hatte, was es mit Sexualität oder überhaupt Umschreibungen von Genitalien auf sich hatte, konnte er ahnen, dass sie nie damit in Berührung gekommen war.
    Er nahm den Stift in die Hand und schrieb: Du scheinst wirklich nicht vertraut damit zu sein, was Sex ist, eine Männlichkeit wie zum Beispiel die meine, oder? Das würde es zumindest erklären, aber um dich zu beruhigen, ich bin gesund.
    Damit erhob er sich und nahm seine Sachen die sie ausgeräumt hatte, um sie vorerst auf die Kommode zu legen. Er würde später umsortieren. Doch zuerst hatten andere Dinge Vorrang.
    Ich hoffe, du bist soweit mit deinen neuen Sachen glücklich und kannst damit viel Freude haben. Kann ich dir mit noch etwas anderem zu Diensten sein?
    Zwar bereute er innerlich schon die Frage, aber er ließ sie dennoch in dem Buch stehen. Doch da fiel ihm noch etwas ein, worum er sie bat.
    Du wolltest doch deine Familie wissen lassen, dass es dir gut geht, oder? Würdest du bitte einen Brief schreiben, in dem du alles niederschreibst was du ihnen sagen willst?
    Er würde natürlich zuvor den Brief prüfen und absegnen, schließlich konnte er kein Risiko eingehen dass sie etwas schrieb, was ihn verraten könnte.


    Emilia
    Tatsächlich hatte Emilia keine Ahnung, was er ihr damit sagen wollte. Doch offensichtlich handelte es sich um etwas Wichtiges und dass sie nicht Bescheid wusste, musste ihm seltsam vorkommen.
    Deshalb versicherte sie ihm: Ohm doch, klar weiss ich, was mit Sex gemeint ist. Dann bin ich ja froh, dass du gesund bist. Sonst könnten wir unseren Einkaufsbummel kaum wiederholen.
    Morgen würde sie zu Mirabella gehen, und sich über ihre Worte aufklären lassen. Irgendetwas Essentielles musste ihr bis jetzt entgangen sein…


    Ansonsten hatte sie keine Wünsche, obwohl: Ich würde mir gern das Kissen ausleihen, bis ich ein eigenes habe.
    Den Brief für ihre Familie hatte sie schnell verfasst:
    Mein lieber Onkel, meine Liebe Tante, Liebster Wilfried
    Ich möchte Euch auf diesem Wege mitteilen, dass es mir gut geht und Ihr Euch nicht um mich sorgen müsst. Da ich noch viel zu lernen habe um meinem Verlobten eine gute Ehefrau zu sein, beschloss ich, mich an einem geeigneten Ort ausbilden zu lassen…


    Dann schnappte sie sich das Kissen, legte es unter ihren angestammten Platz unter der Staffelei und blickte fragend zu Valerius hinüber, bevor sie sich verwandelte, ihre Kleider als Bündel auf dem Boden zurückblieben und sie sich auf dem Kissen einkringelte.


    Dimicus
    Ihre Worte schienen wirklich nur diffus bezüglich diesen Themas zu sein, offensichtlich hatte sie keinerlei Ahnung was dies betraf. Dies nahm er auch weiter so hin und wollte nicht wirklich dafür verantwortlich sein, dass er sie darüber aufklären sollte.
    Zu ihrer Frage, ob sie von ihm ein Kissen haben könnte, nickte er nur und duldetet es, wie sie es platzierte. Er dachte sich nur, dass sie es sich wesentlich komplizierter machte, als es eigentlich nötig war, doch blieb es ihre Entscheidung.
    Im nächsten Moment hatte er auch ihren Brief und als er diesen gegenlas, verwandelte sie sich und nahm auf ihrem angestammten Platz ihre Position ein, um sich schlafen zu legen.


    Einige Moment später, in denen sie scheinbar in den Schlaf gefunden hatte, legte sich ein Lächeln auf seine Lippen, als er den Brief mit Wachs versiegelte und sich einstecke. Darauf griff er unter das Bett und holte eine Kiste zum Vorschein, die vielleicht einen halben Meter breit war. Voll ausgerüstet und mit dieser Geste, verschwand er zur Tür hinaus. Die Zeit war gekommen und abermals stellte die Nacht seine Bühne dar, deren Vorhang sich bereits hob. Nur um seinem Genie Platz zu schaffen...

    Avatar: ©sharandula.deviantart.com