Komm, süsser Tod

  • Emilia warf noch einen letzten Blick zurück in die Gasse, von der sie kamen, bevor die Klappe hinter ihnen zu fiel und ihre Augen sich für einen Moment an das neue Licht gewöhnen mussten.
    Als die Gestaltwandlerin bemerkte, wie Dimicus nach ihrer Hand greifen wollte, zog sie sich schnell aus seiner Reichweite zurück. Ihre Wut auf ihn, weil er sie ohne ein Wort des Abschieds bei Gunhilde zurücklassen wollte und wegen des Bildes, war noch immer nicht verraucht, und dass er die beiden Frauen zwei Stunden lang durch die Stadt gejagt hatte, trug ebenfalls nicht zu ihrer Milderung bei.
    Stattdessen tastete Emilia nach der Hand ihrer Freundin, und so gingen die beiden nebeneinander her, während sie neugierig die neue Umgebung begutachteten.
    Als sie den grossen Raum betraten, staunte Emilia nicht schlecht.
    Hier tummelten sich die unterschiedlichsten Gestalten, wobei ihr einige nicht ganz geheuer erschienen. Mit ihrer eigentlich guten, und durch ihren neuen Mitbewohner geschulten, Beobachtungsgabe bemerkte sie rasch, dass die meisten von ihnen bewaffnet waren.
    Der Saal mutete wie eine riesige Gaststube an und war ihr seltsamerweise sogleich sympathisch und vertraut. Auch Mirabella schien es nicht anders zu ergehen, denn sie grinste zufrieden, als die Blicke einiger Männer interessiert an ihr hängen blieben.


    Als eine Gestalt auf sie zutrat, musste die junge Frau den Kopf heben, um zu ihm aufzuschauen. Das Gesicht zeigte Spuren von Alter, doch auch trotz seiner Bewaffnung machte er einen freundlichen Eindruck.
    Shazeem begrüsste die kleine Gruppe und vor Allem Dimicus enthusiastisch.
    Emilia verfolgte das Gespräch nicht, sondern blickte sich voller Neugierde um.
    Dies sollte als ihr neues zu Hause sein?
    Etwas nachdenklich registrierte sie hingegen die vielen männlichen Gestalten. Nur vereinzelt waren auch Frauen unterwegs, rückten sich jedoch nicht so offensichtlich in den Vordergrund, wie es im Bordell der Fall war.
    Als die beiden Männer losgingen, blieb den beiden Freundinnen nichts Anderes übrig, als ihnen zu folgen. Auch Emilia war das bleiche Gesicht ihres Begleiters aufgefallen und Sorge mischte sich in ihren Blick.
    Wäre es nicht besser gewesen, noch ein oder zwei Tage abzuwarten? Glaubte er in so grosses Gefahr zu schweben, dass er seine Gesundheit aufs Spiel setzten musste?
    Inzwischen begann sich Mirabella mit dem Tamjid zu unterhalten und sogar Emilia bemerkte die interessierten Blicke, welche er der jüngeren Frau zuwarf.
    Dimicus hingegen torkelte inzwischen mehr, als dass er lief. Besorgt ging die Gestaltwandlerin näher neben ihm her ohne ihn jedoch zu berühren, um ihn notfalls stützen zu können.


    Beinahe entsetzt starrten die beiden Frauen in den kleinen Raum, als Shazeem ihnen die Tür öffnete und das Zimmer präsentierte.
    „Hier sollen zwei Menschen wohnen?!“, meinte Mirabella und runzelte zweifelnd die Stirn, womit sie genau Emilias Gedanken in Worte fasste. Zum Glück besassen weder sie noch Dimicus allzu viel, sonst hätten sie sich einiger Dinge entledigen müssen.
    Mirabella tauschte noch einige Worte mit Shazeem aus, klimperte ihn mit ihren langen Wimpern an, doch er zuckte nur schwach mit den Schultern. Offensichtlich hatte er kein grösseres Zimmer im Angebot. Schliesslich verschwand er wieder und die Prostituierte blickte ihm beinahe sehnsüchtig hinterher.
    Emilia hingegen konnte gerade noch zusehen, wie Dimicus über dem Bett zusammenbrach. Erschrocken stürzte sie zu ihm hin und legte eine Hand auf seine Stirn. Sie glühte regelrecht.
    Dieser arrogante, doofe Kerl!, dachte sie verärgert und besorgt zu gleich.
    Warum musste er es auch besser wissen, als die alte Heilerin?
    Mirabella war inzwischen zu ihr herangetreten, wobei aus ihrem Blick ein wenig Schadenfreude funkelte.


    Dann jedoch half sie ihrer Freundin, den Mann bequem zurechtzurücken und gemeinsam schafften sie es sogar, ihm seine Lederrüstung und das Hemd auszuziehen. Der Verband war blutdurchtränkt, offensichtlich war die Wunde aufgebrochen.
    Mirabella fluchte. Emilia überlegte, was hatte Gunhilde getan?
    Während Mirabella vorsichtig den Verband entfernte, der unangenehm klebte, durchwühlte das Mädchen Dimicus Sachen, bis sie die Salbe fand, welche er von der alten Heilerin erhalten hatte. Dabei lag auch die kleine Holzfigur, welche Emilia bereits bei der ersten Durchstöberung seines Zimmers entdeckt hatte. Das Holz fühlte sich lebendig und warm an in ihrer Hand. Ohne den wirklichen Grund dafür zu kennen, steckte sie die Schnitzerei in ihre Hosentasche.
    Schliesslich bedeutete sie Mirabella mit verqueren Gesten, dass sie Wasser benötigten, worauf die Hübschlerin aus der Tür verschwand.
    Emilia zog ihm währenddessen die Schuhe aus und setzte sich dann auf die Bettkante. Sie studierte sein Gesicht. Die Augenlieder zuckten und er atmete schnell. Vermutlich hatte er eine Art Traum.
    Vorsichtig schob sie ihm eine verirrte Haarsträhne aus dem schweissbedeckten Gesicht.
    Sie stand auf und schaute in die Kommode, wo sie tatsächlich noch eine Wolldecke vorfand für die Winterzeit. Diese breitete sie über ihm aus, denn mit Fieber sollte man nicht frieren.
    Als Mirabella wieder zurückkehrte mit einem Wassereimer, begann die eine ihm die Stirn mit einem kalten Lappen abzutupfen, während die andere vorsichtig die Wunde auswusch. Erst danach schmierte Emilia Gunhildes Heilsalbe darüber und legte wieder einen schützenden Verband darum.
    Dimicus schlief tief und fest und schien von der Prozedur nichts mitbekommen zu haben.
    „Nun, ich glaube, mehr können wir momentan nicht für den jungen Herrn da tun“, meinte Mirabella und wirkte leicht erschöpft.


    Kurz darauf sassen die beiden Frauen an dem Tresen mitten in dem gemütlichen Schankraum, beide einen Krug Met vor sich stehen. Emilia hatte noch niemals einen solchen Alkohol getrunken, weswegen sie beim ersten Schluck die Nase rümpfte und Mirabella bei ihrem Anblick belustigt in den Krug hineinprustete.
    „Noch ein paar Krüge mehr, dann wirst Du nur noch den Honig schmecken!“, prophezeite sie ihr mit einem Grinsen im Gesicht.
    Tatsächlich empfand Emilia den Geschmack nach einigen Schlucken schon als viel angenehmer und nippte nun nicht mehr ganz so zaghaft an dem Getränk.
    Ein mittelalter Mann beobachtete sie belustigt dabei, und lächelte sie freundlich an, als sich ihre Blicke kreuzten.
    „Hey, die Männer beobachten uns, ist Dir das aufgefallen? Wir scheinen hier sowieso in der Minderzahl zu sein. Ist wohl vermehrt eine Männerdomäne“, machte Mirabella sie darauf aufmerksam.


    Eine Stunde später wirkte die junge Frau bereits um einiges gelöster. Da kam ihrer Freundin eine Idee und sie stupste Emilia an: „Hey, wie wärs, wenn wir dir einen Job besorgen?“
    Emilia nickte ihr begeistert zu, was wohl auch dem Alkohol geschuldet war, der sich bei der überhaupt nicht trinkfesten Lady schnell bemerkbar machte.
    Was für tolle Ideen Mirabella doch immer hatte! Schliesslich wollte sie ja unabhängig werden, und der erste Schritt in diese Richtung bestand doch folglich darin, eigenes Geld zu verdienen!
    Bald kam die Hübschlerin mit dem etwa 45-jährigen Mann hinter dem Tresen ins Gespräch.
    „Na, meinste nicht, dass du noch zwei helfende Hände gebrauchen könntest? Und wies aussieht, ist die Kundschaft momentan etwas spärlich. Wetten, wenn dieses fesche, junge Mädel hinter dem Tresen mitarbeiten würde, würdest Du Deinen Umsatz um einiges steigern? Ausserdem wird sie dir nie widersprechen, sie ist nämlich taubstumm. Was kann ein Chef sich bessere wünschen?“
    Emilia nickte wiederum enthusiastisch.
    „Eine, die nichts hört? Dann versteht sie ja nicht, wenn die Kundschaft was verlangt“, brummte er.
    Die junge Gestaltwandlerin lächelte ihn charmant an, und zeigte dann auf ihre zwei Augen und auf seine Lippen.
    Schliesslich liess sich Tobaios dazu überreden, Emilia für zwei Probetage bei sich einzustellen. Gleich am nächsten Morgen sollte sie antraben und ihm beweisen, dass sie fähig war zu arbeiten.
    Im Grunde erinnerte sie ihn an seine eigene Tochter, die nur wenig jünger war als Emilia und er wollte dem Mädel eine Chance geben. Die Jungs hier würden allemal Freude an ihr haben, so wie sie die Welt anstrahlte. Vielleicht würden die Umsätze tatsächlich steigen, denn schon jetzt waren eindeutig mehr Diebe und Vagabunden um den Tresen und die nahen Tische versammelt und schäkerten munter mit Mirabella.
    „Und du brauchst keinen Job?“, fragte er sie schliesslich.
    „Nun, momentan bin ich versorgt. Aber vielleicht überlege ich es mir ja noch. Mir gefällt die Gesellschaft hier ganz gut“, grinste sie ihn vielversprechend an und überlegte sich tatsächlich, hier ein Zimmer anzumieten, sollte der Preis stimmen.


    Inzwischen merkte man Emilia an, dass der Alkohol seine Wirkung entfaltete. Wo er zuerst ihre Stimmung gehoben und sie locker werden liess, erschöpfte er sie nun umso mehr. Müde gähnte sie in die Runde und klatschte sich dann schnell peinlich berührt die Hand auf den Mund.
    Tobaios lachte.
    „Am frühen Abend schon müde? Na das kann ja heiter werden. Du weisst schon, dass erst jetzt dann die richtige Kundschaft und die gehoberen Herrschaften auftauchen? Nun, Morgen fängst Du mit einer Mittagsschicht an, wir geben nämlich auch Speisen heraus und du kannst helfen Tische abzuräumen. Und Übermorgen wirst du die Abendschicht übernehmen. Ich erwarte dich pünktlich, Mylady“, meinte er freundlich, doch auch im vollen Ernst.
    Inzwischen hatte er auch so viel von Emilia mitbekommen, um zu ahnen, dass sie keine blosse Vagabundin war. Ihr Verhalten deutete darauf hin, dass sie sich besseres gewohnt war, doch alle, die hier Einlass erhielten, wurden gleichbehandelt.
    „Ich werde das Mädel mal in ihr Zimmer geleiten, sie muss sich ausruhen. Danach bin ich gleich wieder hier und du kannst mir noch bissel was über diesen Ort hier berichten… und wie eine Frau wie ich dazu kommt, Einlass zu erhalten“, sie winkte ihm fröhlich zu. Auch Emilia winkte und hüpfte dann wieder beinahe hinter ihrer Freundin her.
    „So Liebes, ich lass Dich hier jetzt allein. Du siehst Mal nach deinem Freund und ich werde mir noch ein Gläschen bei Tobaios genehmigen. Lauter nette und auch noch ansehnliche Kerle scheint es hier zu geben. Und spätestens in einigen Tagen besuche ich dich einmal oder wir schreiben uns Briefe“, sie umarmte Emilia, beobachtete wie diese zur Tür hineinhuschte und machte sich dann munter pfeifend wieder auf den Weg zur Gaststube.


    Im Zimmer liess Emilia sich wie sie war neben dem Kopfende des Bettes auf den Boden gleiten und lehnte sich mit dem Rücken an das Gestell.
    Heute war ja Mal wieder ein aufregender Tag. Obwohl diese Umgebung so anders war als das, was sie von zu Hause kannte und auch die Menschen viel ruppiger, gefiel es ihr.
    Und sie hatte tatsächlich einen Job erhalten! Oder hatte sie das nur geträumt?
    Nein, Tobaios erwartete sie Morgen um elf Uhr bei sich. Sie sollte einen Mittagsdienst leisten!

    Zweifel machten sich in ihr breit. Bis jetzt hatte sie nie arbeiten müssen, würde sie das schaffen? Und was, wenn sie die Kundschaft nicht verstand? Oder wenn sie zu langsam war? Oder allzu ungeschickt?
    Inzwischen fielen ihr die Augenlieder beinahe zu vor Müdigkeit. Die ganze Aufregung war einfach zu viel gewesen. Als sie merkte, dass ihr Kopf ihr auf die Brust fiel, legte sie sich kurzerhand auf den Boden und kringelte sich zusammen, wie sie es als Katze auch immer tat. Doch etwas piekste sie unbequem in die Seite, so dass sie einfach nicht einschlafen konnte. Schliesslich tastete sie nach ihrer Hosentasche und zog die kleine Holzfigur daraus hervor.
    Sie konnte die Umrisse des Wolfes in ihrer Handfläche spüren, seine Rute und die spitzen Öhrchen und sie fühlte sich an den Wald zurückerinnert. Mit diesem Gedanken schlummerte sie schliesslich friedlich ein.

    Avatar: ©sharandula.deviantart.com

  • Wilde Fieberträume suchten den Geist des Künstlers heim, der in seiner Bewusstlosigkeit gefangen war. Die Schmerzen seiner Wunde strahlten sogar noch in seine Träume hinein, was diese umso qualvoller machte. Gefesselt auf einer Bank musste er immer wieder beobachten, wie ein Tier, pechschwarzes Fell, rote Augen, in seinen Arm biss, die entsetzlichen Schmerzen waren sogar in dieser schwebenden Phase seines Verstandes mehr als real, weswegen er sich kaum beruhigte. Es ging eine gefühlte Ewigkeit, die Dimicus in dieser Welt gefangen war. Nur beschwerlich konnte er sich aus diesem Zustand lösen, der einen reinen Albtraum darstellte. Zum Glück waren keine Löwen involviert, so hatte er die Befürchtung, dass er noch Angst vor Emilia bekäme.


    Nach dieser Odyssee des Schmerzes schließlich, wurde dem Künstler endlich die Gabe des Bewusstseins wieder geschenkt, sein Körper hatte sich einigermaßen erholt, so dass sich seine verquollenen Augenlider langsam öffneten, nur um durch das Fackellicht direkt wieder geblendet zu werden. Mit einem gequälten Seufzen schlug er die linke Hand vor seine Augen, dämmte ein wenig das Licht, um sich an dieses auch allmählich zu gewöhnen. Es war ein schreckliches Gefühl, beinahe alles schmerzte ihm und er fühlte sich schwach. Sein gesamter Körper war von seinem Scheiß verklebt. Zumindest eine Katzenwäsche sollte er bald anstreben, so war ein Baden zu diesem Zeitpunkt nicht möglich.


    Es vergingen weitere Minuten, in denen er unter den widrigen Bedingungen seines Körpers erwachen musste. Seine Augen hatten sich mittlerweile an das Licht gewöhnt und er kam nicht umhin, sich einmal im Raum umzublicken. Das Bett neben ihm war leer. War Emilia etwa bereits aufgestanden? Oder noch immer wach? Welche Tageszeit war es eigentlich? Ohne Fenster war es definitiv schwer zu bestimmen. Plötzlich hörte er aber ein leichtes, undefinierbares Geräusch zu vernehmen, was wie ein zartes Seufzen klang. Verwundert setzte sich der junge Mann auf, blickte zu seiner linken und erblickte direkt neben sich, auf dem Boden neben dem Bett, Emilia. Der Blick Dimicus', so hätte ihn jemand gesehen, war unbezahlbar. Breite Verwunderung, eine riesiges Fragezeichen über dem Kopf und dazu noch eine gewisse Röte auf den Wangen. Erst jetzt realisierte er, dass sie nicht einmal einen Fuß von ihm entfernt schlief. Dazu roch es aus ihrer Richtung auch noch nach Alkohol, Met, wenn er sich nicht täuschte. Hatte sie sich etwa betrunken?


    Sofort machte sich Unbehagen in dem jungen Mann breit, beinahe wie eine jugendliche Scham, auf die ein hochroter Kopf folgte. Sofort schüttelte er mit seinem Kopf um diese Gedanken und seine Röte abzuschütteln. Dennoch starrte er für einen Moment ungläubig auf dieses friedlich schlafende Bündel dort. Für jedoch einen kurzen Augenblick schlich sich ein zufriedenen Lächeln auf seine Lippen, als er den Kopf schief legte. Vorsichtig, um die jungen Frau nicht durch seine Bewegungen zu wecken, schälte er sich aus der Ecke und stand schließlich am Fußende des Bettes auf, ehe er sich einmal streckte. Noch immer war er ein wenig wacklig auf den Beinen, zu ändern war es nicht. Er wusste, dass er die nächsten Tage kaum etwas machen durfte, ein Umstand der ihn zutiefst deprimiert stimmte.


    Jäh fiel sein Blick aber wieder auf Emilia. Etwas genervt, aber eher in einem warmen Sinne, seufzte er abermals. So konnte er sie wohl kaum liegen lassen. Ihm war bewusst, dass es durchaus eine sehr blöde Idee war, sich auf diese Form anzustrengen, allerdings konnte er das auch nicht mitansehen. Also schlich er leise zu ihr hinüber, hockte sich neben sie, während sein linker Arm unter ihren Kniekehlen verschwand, der rechte Arm schließlich den Oberkörper stützte. Einmal atmete er noch tief ein, eher er sie anhob. Ein entsetzlicher Schmerz durchzuckte seinen rechten Arm, welcher sich sofort über seinen gesamten Körper auszubreiten drohte. Mit angehaltener Luft aber, schaffte er es, Emilia auf das Bett zu befördern, sogar recht passabel, so dass ihr gesamter Körper auf dem Bett ruhte. Kaum losgelassen taumelte er zurück, verzog das Gesicht schmerzvoll, riss sich aber immens zusammen, nicht loszuschreien.


    Es brauchte einige Momente, ehe er sich wieder fing und der Schmerz wieder nachließ. Erst jetzt bemerkte er sogar, dass Emilia ihn wohl neu verbunden hatte. Die Arbeit daran war sogar recht okay, nicht das Beste des Handwerks, aber der Verband hielt. So wie er dann auch an seinem Arm hinabblickte, sah er auf dem Boden eine Holzfigur liegen, nach der er sich bückte. Seine Linke umfasste das Objekt und hob es ins Licht. Es war seine Holzfigur. Der achtsame Wolf, welcher ein gefürchteter Jäger, aber auch ein edler Begleiter sein konnte. Zumindest hatte das damals sein Vater gesagt, als dieser ihm diese Figur geschenkt hatte. Sie war eigenhändig geschnitzt und auf dem Boden der Figur konnte man schwache Worte erkennen.


    „Möge dich der Wolf leiten und schützen, Dimicus. In Liebe, dein Vater.“ Trauer machte sich im Gesicht des jungen Mannes breit. Dieses Geschenk hatte er drei Tage vor dem … Vorfall von seinem Vater erhalten. Wie kam die Figurine auf den Boden? Sie war eigentlich in seiner Tasche gewesen. Ein Blick fiel auf Emilia. Hatte sie etwa … ? Im ersten Moment wollte Wut über ihn hereinbrechen, doch was nützte diese ihm? Diese Figur, sie hatte ihm jahrelang als Glücksbringer gedient und ohne Emilia wäre er vielleicht nicht in der aktuellen misslichen Lage, doch war es für ihn ein seltsames Glück auf sie getroffen zu sein. Zwar war sie eine Löwin, kein Wolf, aber doch waren es mehr oder minder glückliche Umstände, die sie zusammengeführt haben.


    Langsam schritt er neben die schlafende Frau, seine Hand griff ihre und legte dort die Holzstatue hinein, ehe er ihre Finger behutsam schloss. Sie hatte ihm Glück gebracht, jetzt war Emilia an der Reihe. Sanft legte er die Wolldecke über ihren Körper, damit sie nicht frieren konnte, hin und wieder zuckte die junge Frau unter seinen Berührungen auf, weswegen er versuchte, so behutsam wie es möglich war vorzugehen. Letztendlich schlummerte sie dort, wo noch er zuvor geschlafen hatte. Ihr Haar war wüst und hatte keine Ordnung, viel davon hing ihr kreuz und quer durch das Gesicht. Seine linke Hand streckte sich danach aus, wollte es in Ordnung bringen, doch schreckte er im nächsten Moment wieder zurück. Mit einem sanften Kopfschütteln unterließ er diese Berührung, schnappte sich schließlich sein Hemd und eine Bandage, wobei er schließlich den Raum verließ.


    Es brauchte einiges an Zeit, um ein Klosett in dieser unterirdischen Gaststätte und dem Rückzugsort der Diebe zu finden. Das meiste waren Zimmer, die belegt waren und eine gewisse Zeit lang irrte der der Almane ahnungslos umher, bis er einem Dieb nach dem stillen Örtchen fragte. Dieser hatte ihn zwar sehr argwöhnisch betrachtet, dann aber erklärt wo der gesuchte Ort zu finden war. Darauf fand es Dimicus auch, samt kaltem Wasser und der Latrine. Es war nicht das angenehmste, dort seine Notdurft zu verrichten und sich zu waschen, aber ihm blieb nicht viel übrig. Also brachte er es so schnell wie möglich hinter sich, zog sich darauf sein Hemd über und wickelte sich mit dem Verband eine Schlaufe, in der er seinen Arm legte, damit dieser ruhen konnte.


    Kaum war er dort wieder herausgetreten, überlegte er, was er tun sollte. Zurück zu Emilia? Doch trotz seiner Erschöpfung war er nicht wirklich müde in dem Sinne, weswegen ihn seine Füße vorerst in Richtung des Schankraumes führten, der zu dieser Stunde wesentlich belebter war, als noch zuvor. Zahlreiche Kundschaft, vermutlich alles Diebe, Einbrecher, Schmuggler und Räuber. Sicherlich auch der ein oder andere Mörder. Der Wirt mischte Getränke ab und hielt die bar am laufen, während zwei weitere Männer sich um die Tische kümmerten, abkassierten oder Unruhestifter herausschmissen. Inzwischen duftete es auch nach Essen. Vielleicht nicht so gut wie in den edlen Gasthäusern Drakensteins, aber es waren doch recht herzhafte Speisen die hier angeboten und zu Tische gebracht wurden. Gespräche, Düfte und eine leichte Hitze lagen in der Luft.


    Gerade als er sich in Bewegung setzen und zur Bar bewegen wollte, griff ihn eine Hand auf die linke Schulter, er wurde herumgewirbelt und das freundliche Gesicht Shazeems war zu erblicken. „Na alter Freund, ausgeschlafen? Du siehst noch immer fertig aus, lass uns was trinken.“ Er deutete mit einer Handgeste zum Wirt, ehe er Dimicus zu einem der kleineren Tische führte, die noch frei waren. Schon im nächsten Augenblick gelangten zwei Hörner voll mit Met auf den Tisch, der Tamjid grinste nur breit. „Also, jetzt erzähl erst einmal. Was ist mit dir passiert?“ Fragend blickte er den Künstler an, dabei auf den frischen Verband deutend.


    Genüsslich nippte Dimicus kurz an seinem Met, ehe er zu erzählen begann. „Eigentlich nichts aufregendes, nur ein Wolf, draußen in der Wildnis. War auf Erkundungstour und da hat mich dieses Vieh erwischt. Ich lebe ja noch, also ist es offensichtlich, wer den Kampf verloren hat.“ Sein Gegenüber begann aus irgend einem Grund zu lachen, als ob es lustig gewesen wäre, was Dimicus erzählt hatte. „Und naja, die Stadtwachen sind ein wenig auf mich aufmerksam geworden, also warte ich, bis die Lage sich beruhigt. Wie steht's um dich?“, fragte der Künstler schließlich nach. Ihm war es eigentlich egal, wie es Shazeem ergangen war, aber seinem alten Meister der ihm beigebracht hatte, wie man in der Stadt überlebte, konnte man schon Respekt gegenüber bringen. Dimicus war nicht der Mensch dafür, dort zu sitzen und sich zu unterhalten, doch musste er sich anpassen.


    Der Tamjid winkte einfach nur ab und zuckte mit den Schultern. „Ach, dies und das, du weißt schon. Beutezüge, Geld machen, Dinge verschwinden lassen, das Übliche eben. Seitdem aber dieses Mädchen verschwunden ist, ist es wesentlich schwerer geworden, sie scheint wichtig zu sein. Wobei ich mich dann eines frage.“ Die Augen Shazeems wurden wesentlich größer und eine Augenbraue zog sich wissend nach oben. „Wie kommt ausgerechnet du Schlawiner in den Besitz dieses Mädchens?“ Der Künstler schrak auf, so hatte er vergessen, dass hier sicherlich jeder ihren Steckbrief kannte. „Ach, du schon wieder.“, merkte Shazeem auf diese Reaktion nur an. „Du weißt doch wie das läuft. Das hier ist eine Zuflucht für Ausgestoßene, Verbrecher und Verrückte. Hier wird sie keiner verraten und wenn doch, ist er schneller aufgeknüpft, als man 'Haltet den Dieb!' rufen kann. Also, erzähl mal.“


    Damit begann ein sehr langes Gespräch, in dem der junge Mann erzählte, wie er auf Emilia getroffen war, was er mit ihr erlebt hatte und wie es ihm mit ihr entging. Hin und wieder lachte Shazeem lautstark, wirkte mürrisch bei den kindischen Aktionen Emilias oder fasste sich gar an die Stirn. Natürlich bekam er nicht die reine Wahrheit eingeschenkt, so veränderte Dimicus Teile, um seiner Identität als Dieb gerecht zu werden, Diverse Details wurden verschwiegen oder aufgehübscht, damit es auch alles zusammen passte. „So kam ich letztendlich mit ihr zusammen und sie ist seit jeher meine Begleitung.“ - „Hast du schon mit ihr geschlafen?“ Sofort prustete Dimicus kopfschüttelnd das inzwischen dritte Horn Mets wieder aus, worauf der Tamjid nur dreckig zu lachen begann. „Ach, der unschuldige Faron, so kenne ich ihn. Wird langsam aber Zeit, die Kleine mag dich bestimmt.“ Ein breites Grinsen strahlte Dimicus quasi an, der inzwischen ebenso angetrunken war.


    Mit einem Augenzwinkern verabschiedete sich Shazeem schließlich, die Arbeit würde rufen, sagte er. Das nahm der junge Mann einfach hin, der durch den Alkohol, seiner Erschöpfung und der körperlichen Verfassung wieder müde war. Etwas schlaksig und mit wabernden Beinen schleppte er sich schließlich wieder aus dem Schankraum heraus, mit einem müden Blick und kaum gerade aus laufen könnend. Kaum bei der Tür zu ihrem Zimmer angekommen, öffnete er diese und zog sie hinter sich wieder ungelenk zu. Ohne groß darüber nachzudenken, aber dennoch mit einer gewissen vorsichtigen Eleganz, stieg er einfach zu Emilia in das Bett, legte sich neben sie und schlief binnen weniger Minuten ein.

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  • Emilia bekam von Dimicus Aktion nichts mit, hatte der Alkohol sie doch in einen tiefen Schlaf versetzt. Sie konnte ja nicht wissen, dass Gestaltwandler diesen noch viel weniger vertrugen als herkömmliche Menschen. Auch ihre Träume waren greifbarer als gewöhnlich. So jagte sie in ihren unterschiedlichen Gestalten gemeinsam mit einem Rudel Wölfe quer durch den Wald, um im nächsten Augenblick bereits wieder über den Giebeln von Drakenstein zu thronen und die Sterne zu beobachten.
    Gegen Morgen konnte man ihre Unrast gar äusserlich erkennen, denn sie schien in ständiger Bewegung zu sein, rollte sich einmal auf diese Seite, dann auf jene.
    In einem weiteren Traum lag sie auf der Lauer. Ihr Schweif peitschte hin und her, ihre Muskeln waren angespannt. Nur einen Sprung von ihr entfernt, kauerte eine Maus. Die Katze wollte gerade zum Sprung ansetzen, als sie eine Bewegung bemerkte und herumfuhr. Hinter ihr ragte bedrohlich ein dunkelvioletter Wolf auf. Als seine scharfen Zähne nach ihr schnappten, meinte sie den Duft von Veilchen zu bemerkten, bevor sie die Augen aufriss und aus dem Schlaf hochschreckte.


    Was sie da erblickte, empfand sie jedoch nicht beruhigender als ihre vorherige Situation.
    Für einen Moment verstand sie die Welt nicht mehr, was jedoch nicht an der Tatsache lag, dass sie sich im Schlaf unbewusst verwandelt hatte, was bei sehr intensiven Träumen gelegentlich vorkam, sondern daran, dass neben ihr ein Fremder in ihrem Bett lag!
    Durch ihre Unruhe im Schlaf gestört, bewegte sich die Gestalt ebenso und stiess mit seiner Hand plötzlich gegen ihren Leib. Bevor die noch schläfrige Emilia überhaupt wusste, wie sie reagierte, schlug sie die Krallen ihrer Vorderpfoten in seinen Unterarm, das Fell gesträubt und ein erschrockenes Fauchen im Hals.
    Mit einem Ruck setzte sich Dimicus auf und entzog ihr instinktiv seinen Arm, der nun von einigen rötlichen Kratzern geziert wurde.
    Emilia, welche bereits einen Gegenangriff erwartet hatte, wich etwas zurück und starrte ihn misstrauisch an. Langsam begriff sie, dass sie sich nicht zu Hause befand und der Kerl neben ihr kein gänzlich Fremder war.


    Wie schön wäre es doch, wenn alles nur ein Albtraum und sie in ihrem eigenen Zimmer erwacht wäre!
    Etwas betrübt starrte sie Dimicus mit ihren smaragdgrünen Augen an, der inzwischen ebenfalls begriff, wer ihn da attackiert hatte und sie noch leicht verwirrt betrachtete.
    Er schien zum Entschluss gelangt zu sein, dass sie ihn nicht auffressen wollte, und nun umspielte gar ein schwaches Grinsen seine Lippen.
    Dieses Mal war es Emilia, die ihn irritiert musterte.
    Was war daran so lustig, nachdem sie ihn gerade angegriffen hatte? Nun ja, tatsächlich nicht aus Absicht, aber immerhin! Sie würde ihn wohl nie verstehen.
    Sie setzte sich, wo sie stand hin, und beäugte ihn mit ihrem Forscherblick. Offensichtlich schien Gunhildes Creme zu wirken, denn kein schmerzlicher Ausdruck war in seinen Gesichtszügen zu erkennen. Trotzdem sollte er ihn besser noch schonen, das war der jungen Frau klar. Dann schnupperte sie in der Luft, roch es hier nach Alkohol?
    Dunkel erinnerte sie sich daran, dass sie ebenfalls davon gekostet hatte. Tatsächlich hatte es ihr ganz gut geschmeckt, doch die Auswirkungen… noch immer fühlte sie sich nicht ganz auf der Höhe und das, obwohl sie um einiges weniger getrunken hatte, als ihre Freundin Mirabella!


    Dimicus hatte sich inzwischen etwas bequemer zurechtgerückt. Seine dunkelblauen Augen schienen sie zu durchdringen und sie wandte unwillkürlich den Blick ab. Trotzdem glaubte sie darin Zuneigung erkannt zu haben. Ihr gegenüber? Aber warum?
    Plötzlich bemerkte sie seine Hand, welche sich ihr langsam entgegenstreckte, darauf bedacht, sie nicht zu erschrecken.
    Irgendwie schien er immer das Bedürfnis zu haben, sie zu berühren. Ihr kam der Gedanke, dass er bereits als Löwin ihr Fell streicheln wollte.
    Sonst war er doch so unnahbar und von menschlichen Zärtlichkeiten wirkte er wenig angetan. Zumindest hatte Mirabella ihr erzählt, dass er sich von den Frauen immer ferngehalten hatte.
    Während sie noch darüber fachsimpelte, weshalb ihr Fell es ihm so angetan hatte, spürte sie seine Handfläche über ihren Rücken streicheln.
    Es war ein angenehmes und sanftes Gefühl, welches die Tigerkatze scheinbar hoheitsvoll hinnahm. Erst als er sich wieder zurückzog, schüttelte sie sich kurz und stakste dann über die Matratze hinweg an seine Seite, um sich dort einzukringeln. Tatsächlich dauerte es auch nicht lange, bis die Finger wiederum durch das Fell streiften, sie hinter den Ohren kraulten oder ihre Pfötchen kitzelten. Sie liess es mit einem leisen Schnurren über sich ergehen und döste sogar wieder ein.


    Als sie dieses Mal erwachte, war es bereits 9 Uhr. Mit einem Gähnen tauchte sie aus dem Schlaf auf und bemerkte sogleich die Wärme der Hand, welche über ihrem kleinen Körper lag.
    Vorsichtig kam sie darunter hervor und betrachtete Dimicus. Tatsächlich war auch er wieder eingeschlafen. Wann war er wohl zu Bett gegangen?
    Einen Moment überlegte sie, ob sie ihn wecken sollte, doch unterliess sie es, um sich in aller Ruhe ankleiden zu können. Das Zimmer war furchtbar eng, doch sie konnte schlecht in ihrer Form die Kleider mit auf das Klosett schleppen. So blieb ihr nichts anders übrig, als sich auf den Boden zu knien, und die Verwandlung über sich ergehen zu lassen.


    Wieder Mensch überlegte sie, was sie denn nun anziehen sollte, um am Tresen mitzuhelfen. Sie entschied sich für Hose und Bluse samt Mieder. Das Kleid wollte sie nur für besondere Gelegenheiten anziehen, hatte sie sich zumindest vorerst noch vorgenommen.
    Jedoch sollte sie bald einmal ihre Kleider waschen.
    Während sie ihre Haare zu einem Zopf flocht, bemerkte sie auf dem Bett zwischen den Laken eine kleine braune Figur.
    Schliesslich fasste sie danach und erkannte, dass es die Schnitzerei war. Emilia erinnerte sich daran zurück, dass sie diese aus Dimicus Sachen genommen hatte und sofort machte sich ein schlechtes Gewissen in ihr breit. Ihre Finger fuhren dem Holz entlang und da bemerkte sie die Kerben an der Unterseite.
    Eine Widmung?
    Von seinem Vater…

    Emilia setzte sich an die Bettkante und die Worte verschwammen vor ihren Augen, als sich Bilder von ihrem eigenen Herrn Papa in ihr aufdrängten. Auch er hatte ihr viele Dinge geschenkt, doch nie etwas, das er selbst mit eigenen Händen erschaffen hatte. Bücher hatte sie bekommen, Kleider, Haustiere, Schmuck, Möbel, sogar ein Instrument und eine eigene Zofe.
    Dimicus musste ihm viel bedeutet haben.


    Plötzlich verspürte sie das gigantische Bedürfnis, ihre Gedanken loszuwerden.
    Auf der Suche nach dem Notizbuch, das achtlos irgendwo gelandet sein musste, hatte sie plötzlich die beiden Leinwände vor der Nase.
    Sogleich spürte sie ihren Widerwillen aufsteigen, stellte die beiden Gemälde dann jedoch auf die Kommode und liess sich neben dem Bett samt Notizbuch im Schneidersitz zu Boden sinken, so dass sie die Bilder im Blick hatte.
    Beide Male hatte er sie abgebildet, dass wusste sie instinktiv. Sie hatte ihre Augen dem ersten seiner Werke zugewandt, der Löwin auf dem Felsen, welche die Welt zu ihren Füssen hatte. Sie wirkte majestätisch und erhaben. Eindeutig eine gut gewählte Szene, doch Emilia hatte das Gefühl, dass dies bloss eine Illusion darstellte. Eine Wunschvorstellung von Freiheit und Macht zugleich.
    Und die Rosen an ihrem Körper?
    Nachdenklich betrachtete sie die Rüstung über dem fein gepinselten Körper. Eindeutig verwies er damit auf seine eigene Wenigkeit, beziehungsweise auf die des Rosendämons.
    Ob er sich selbst mit dieser dunklen Gestalt identifizierte, oder ob sie eher wie ein Schatten über ihm schwebte?
    Unwillig wandte sie sich dem zweiten Gemälde zu. Obwohl es eine blosse Einbildung war, meinte sie sein Blut in ihrem Mund zu schmecken und ihr Blick wurde düster.
    Trotzdem zwang sie sich dazu, es eingehender in Augenschein zu nehmen.
    Er musste es gemalt haben, als er ohne ein Wort verschwunden, und sie bei Gunhilde zurückgelassen hatte.
    Seltsamerweise schien dieses Bild bei genauerer Betrachtung mehr der Realität zu entsprechen. Er hatte damit eine Seite ihres Wesens auf die Leinwand gebannt. Das Äussere der Löwin entsprach der wilden und kräftigen Beschützerin, doch die grünen Augen… in ihnen spiegelte sich Emilias eigene Sehnsucht und Unsicherheit wieder, mit der sie verträumt in die Sterne schaute.
    Und das Blut?
    Womöglich verdeutlichte es einen Teil der blutrünstigen Bestie, die sie war. Oder es konnte als die schicksalhafte Verbindung angesehen werden, welche die beiden ungleichen Menschen miteinander verknüpfte. Er war es, der das Blut ihres Vater vergossen hatte und sie war es, die ihm eine blutige Narbe beschert und beinahe seinen Tod im Wald zu verantworten hatte.
    Ich frage mich, warum er keine Katze gezeichnet hat.


    Warum sieht er in mir bloss eine Löwin? Eine Katze besitzt dieselben Eigenschaften, nur, dass sie im Gegensatz zu der Bestie keine Gefahr darstellt. Ich bin genauso Katze, wie ich Löwin bin.
    Lieber Herr Papa, Du hingegen wolltest mich am liebsten immer nur als Mensch sehen. Ich verstehe, dass ich kein Umgang war für deine Freunde, allesamt wichtige Persönlichkeiten. Du hast mir alles gegeben, was ich mir wünschte und gut für mich gesorgt. Und ich möchte mich nicht darüber beklagen. Doch manchmal… hätte ich mir gewünscht, dass Du genauso durch mein Fell gestreichelt hättest, wie dieser mir noch immer so fremde Mann es tat.
    Ich habe seine Holzfigur gefunden und ich schäme mich, sie an mich genommen und die Worte darauf gelesen zu haben, ich weiss, Du hättest dies nicht gut geheissen. Deine Erziehung war eine andere. Doch ich bin alleine hier zurückgeblieben und muss mit meinem Leben ohne Dich klarkommen.
    Seit er, der Rosendämon, oder Valerius wie du ihn kennst, Dimicus wie ich ihn nun kenne, an meiner Seite ist, beginne ich mir Fragen zu stellen. Fragen, auf die es keine Antwort gibt, und doch sind sie in meinem Kopf.
    Was wäre aus mir geworden, wäre ich nicht als die Tochter eines angesehenen Bürgers Drakensteins geboren, sondern als ein einfaches Bauernkind? Warum hast Du mir niemals die Welt gezeigt ausserhalb der Stadtmauern, ja nicht einmal ausserhalb unseres Heims? Bin ich eine solche Schande für Dich oder eine blosse Gefahr für die Menschen?
    Doch nicht ich habe Dir schlussendlich den Tod gebracht…


    Als sie bemerkte, das Dimicus zu erwachen schien, schlug sie ihre Tagebuchseite schnell um.
    Ich werde bald bei Tobaios erwartet. Ich darf zwei Tage bei ihm Probearbeiten. Dann werde ich mein eigenes Geld verdienen.
    Mit der Holzfigur setzte sie sich dieses Mal wieder auf die Bettkante.
    Erzähl mir von ihm.
    Es war klar, dass sie damit seinen Vater meinte. Sie gab ihm das Buch jedoch nicht zurück, sondern schaute ihn bloss erwartungsvoll an.

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  • Durch den Alkohol und der Gemütlichkeit des Bettes, wurden die zuvor noch unruhigen Träume des Künstlers durch friedliche Bilder ersetzt, die er beruhigenden Visionen und Ideen glichen, als die albtraumhaften Szenen, die er noch zuvor erlebt hatte. Bewusst hatte er es zudem nicht gewählt, doch in seiner Trunkenheit sich neben Emilia zu legen, es war ein seltsames Gefühl, das sich auch auf seinen Schlaf ausgewirkt hatte. Er fühlte sich nicht allein, nein, ganz im Gegenteil. Ihre Nähe, wenn auch unbeabsichtigt, hatte zu einem gewissen Teil die Qualität seines Schlafes mitbestimmt. Noch mitten in seinen Traumphasen wurde ihm das bewusst, was ihn nur noch mehr irritierte und seine Träume wirrer, aber nicht zwangsweise schlechter werden ließ.


    Jedoch wurde diese befremdliche Harmonie jäh davon unterbrochen, als er von einem unangenehmen Schmerz aus dem Schlafe gerissen wurde. Beinahe augenblicklich schreckte er hoch und sah nur, wie eine krallende Pfote seinen Arm gepackt hatte. Instinktiv zog er seinen Arm zurück, was leicht blutende, oberflächliche Kratzer zurückließ. Vollkommen verwirrt schaute er das kleine Wesen an, dass dort da saß, mit angelegten Ohren, welches zuvor noch gefaucht hatte. Nicht wirklich hatte er die Lust, nach der Katze zu schlagen, deren smaragdgrünen Augen ihm so bekannt vorkamen. Natürlich konnte er es anfangs nicht ganz zuordnen, so hatte er seine Sinne noch nicht ganz beisammen. Ein kurzes Blickduell fand zwischen Emilia und Dimicus statt, bis dieser überhaupt begriff, was da vor sich ging.


    Schließlich musste er unweigerlich Lächeln, trotz seiner Müdigkeit und allgemeinen Morgenverwirrung. Die Katze schien nachzudenken, während er sich bequemer hinsetzte, sie weiter anblickte und Emilia ihn einfach umso mehr faszinierte. Ihre drei Formen hatten alle ihre ganz eigene Eleganz. Die Löwin symbolisierte Stärke und Mut, die Katze Neugier und Unschuld, ihre menschliche Form Anpassungsfähigkeit und Flexibilität. All diese Formen und Arten in einer Person vereint, eigentlich war sie einer der wohl stärksten Menschen, die der Künstler kannte. Das Einzige war nur, dass sie noch nicht wusste, wie sie all diese Stärken zu einem vereinen konnte. Hoffentlich konnte er ihr eben das lehren und sie würde die Frau werden, die er in ihr sah.


    Doch dazu war noch Zeit genug, jetzt galt es den Moment zu genießen und dies tat der junge Mann, in dem er vorsichtig seine Hand nach ihr ausstreckte, ganz langsam. Dabei blickte er sie an, seine Augen strahlten Wärme und Zuneigung aus. Egal welche Form sie annahm, er mochte einfach jede und fühlte sich wohl bei ihr. Ob es ihr auch so erging? Mitnichten. Da war er sich sicher. Dazu hatte er zu sehr ihr Leben verändert, als dass er da von ihr erwarten könne. Oder? Auf alle Fälle berührte schon bald seine Hand ihr samtenes Fell und sanft strich er über ihren Rücken, kraulte sie ein wenig. Das kuschelige Fell spürte er zwischen seinen Fingern und offensichtlich genoss sie sogar seine Berührungen, was ihn sehr froh stimmte. Ihm war es wichtig, dass das was er tat, ihr gut tun würde. Nicht sicht- oder hörbar seufzte er. Fühlte sich so Zuneigung an, die man gegenüber einem Menschen haben konnte?


    Kaum hörte er auf, stapfte sie sich räkelnd zu ihm herüber, kuschelte sich an seine Seite und es war etwas, womit der junge Mann so gar nicht gerechnet hatte. Doch diese Gelegenheit ließ er sich nicht entgehen, als er sich wieder hinlegte. Ihr kleiner Körper spendete ihm Wärme, was er mit weiterem Streicheln belohnte. Doch dieses Mal ruhiger und nicht nur oberflächlich. Gänzlich verwöhnte er die Katze, strich durch ihr weiches Fell, nur um sie dann zwischen den Ohren zu kraulen. Hin und wieder spielte er auch frech mit ihren Pfoten, kribbelten mit einem einzelnen Finger zwischen den Tatzen. Schon bald regte sich die Katze gar nicht mehr, schnurrte nur noch leise und war offenbar eingeschlafen. Wie sie da lag, es war ein schöner Anblick. Seine Augen wurden auch wieder schwer und ein Lächeln zeichnete sich auf seinen Lippen ab, als er wieder in das Reich der Träume abglitt.


    Abermals in seinen Traumphase übertrumpften das Wohlgefühl und die Wärme der Nähe alle anderen Gefühle, so kam es, dass der junge Mann wohl seit mehr als nun fünf Jahren am friedlichsten schlief, vermutlich auch am erholsamsten. Weder nur der Hauch eines Albtraumes noch das Gefühl, sich fürchten zu müssen, entdeckt zu werden. Gar fühlte er sich beschützt! Immer mehr verunsicherte ihn das aber, so waren es Dinge, die er noch nie hatte wirklich mehr spüren können, seitdem seine Eltern ermordet wurden. Schnell wurden die inneren Uhren aber wieder durch das wärmende Gefühl ersetzt und der Frieden beibehalten, weswegen er es schaffte, friedlich weiterzuschlafen.


    Wie im Fluge verging natürlich die Zeit und das Nächste was er erblickte, war Emilia, bereits vollkommen angekleidet, nachdenklich wirkend auf der Bettkante sitzend. Verschlafen richtete er sich langsam auf, hielt sich den müden Kopf. Etwas angeschlagen war er noch durch den Alkohol und schließlich auch noch seinen Verletzungen. Einen Moment brauchte er schon, um sich zu fangen und ganz zu verstehen, was Emilia von ihm wollte, als sie ihm die beschriebene Seite vor die Nase hielt, die er nur zögerlich und mit noch benebelten Verstand las. Aus diesem Grund begriff er anfangs gar nicht, was all ihre Worte bedeuten sollte, weder von wem er erzählen sollte, noch wer Tobaios war oder als was sie für ihn arbeiten sollte.


    Allmählich aber, mit abklingender Müdigkeit, gelangte eine Aussage nach der anderen in seinen Verstand und auch als er aufblickte, fügte sich alles zusammen. Fast augenblicklich verfinsterte sich seine Miene, Trauer mischte sich darin. Vorsichtig schälte er sich aus der Decke und setzte sich neben Emilia auf die Bettkante. Sein Blick war sehr betrübt, als seine Hand sanft ihre umschloss, in der sie die Figur hielt, nur um sie aus ihrer Hand zu nehmen. Bewusst wandte er sich zu ihr, blickte ihr zwar nicht in die Augen, doch damit sie seine Lippen lesen konnte. Dabei allerdings fixierte sein trauriger Blick die Figur, während er sie in der Hand drehte, die Inschrift mehrmals las.


    Für einige Momente herrschte Stille, ehe sich seine bedrückte Stimme erhob, kaum merklich für Zuhörer, doch die Lippenbewegungen waren dennoch eindeutig. „Sein Name war Leonas.“, begann er, seine Lippen zitterten etwas. „Er war Jäger, ein großartiger Mann. Wir hatten nicht viel Geld, weißt du? Noch nie. Doch wir führten einst ein glückliches Leben.“ Ein trauriges Lächeln schob sich auf seine Lippen. „Er brachte mir bei, wie man jagte, selbst mit den bloßen Händen und zeigte mir, wie man im Wald überleben kann. Diese Figur … er hatte mehrere Tage daran gearbeitet, wenn nicht sogar Wochen. Er arbeitete viel, damit wir es etwas gemütlich hatten.“ Ganz plötzlich erstarb das Lächeln, sein Hände fühlten sich schlagartig vollkommen kühl an und er zitterte nur noch stärker. „Bis zu diesem einen Tag ...“


    Es war für den jungen Mann sehr qualvoll darüber zu reden, so hatte er es in all den Jahren einfach verdrängt was geschehen war. Nie hatte er Zeit, sich damit auseinanderzusetzen, so war er viel zu beschäftigt damit gewesen, zu überleben und nicht einfach unterzugehen. „D-Der Graf … Rabentals … e-er … ließ ihn einfach abschlachten.“ Bereits jetzt flossen Tränen die Wangen hinab, unaufhaltsam und ohne Unterbrechung. Sie waren vollkommen plötzlich gekommen, die Bilder von damals zuckten durch sein inneres Auge. „Ich … lag unter einem Bett. Habe es gesehen … sie haben sie, meine Eltern … abgeschlachtet … wie Schweine.“ Vorsichtig legte er seine Figur auf das Bett, seine Arme umschlossen seinen Oberkörper. „Ihr Tod … war nicht edel … nicht schön! Sie hätten … sie hätten es nicht … nicht tun dürfen!“


    Vollkommen emotional gebeutelt, wie betäubt schwieg er plötzlich, nur noch seine Tränen flossen stumm an seinen Wangen hinab. Er wagte es gar nicht, sich auch nur ansatzweise zu bewegen, dabei hatte der Morgen doch so gut angefangen! Jetzt war er beinahe unzurechnungsfähig, müde und kaum eine Chance hatte er, sich dagegen zu fühlen. Nie hätte er es ansprechen oder darauf reagieren dürfen, es ruinierte ihn. Er offenbarte zu viel von sich und seinen Geheimnissen! Oder? Doch es war Emilia! Sie konnte … durfte es wissen! In seinem Kopf stritten sich die Stimmen nicht nur darüber, sondern auch über das plötzliche Chaos, dass in seinem Kopf aufgetreten war.

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  • Emilia bemerkte rasch, dass sie mit ihrer Bitte alte Wunden aufriss. Ein kurzer Blick in seine Augen genügte, um die Trauer darin zu erkennen.
    Behutsam nahm er die Holzschnitzerei aus ihrer Hand und betrachtete sie liebevoll. Obwohl er mit ihr sprach, war seine Aufmerksamkeit auf die Figur gerichtet.
    In diesem Moment wurde der jungen Frau so richtig bewusst, dass sie kein Andenken an ihren Vater bei sich trug.
    Schnell wurde ihr eigener Kummer jedoch in den Hintergrund gedrängt, als Dimicus zu sprechen begann. Sie musterte sein Gesicht und erkannte an den leicht heruntergezogenen Mundwinkeln, wie sehr ihn die Erinnerung bedrückte. Auf seiner Stirn hatten sich nachdenkliche Falten gebildet und sie erkannte, dass er in Gedanken weit fort war.
    Seine Lippen zitterten, als er Worte für sie formte, wurden dann für kurze Zeit von einem Lächeln abgelöst.
    Die junge Frau hatte sich noch nie Gedanken um Geld machen müssen, denn ihr reicher Vater hatte ihr alles zu Füssen gelegt, was sie begehrte. Und als taubstumme Frau wurde sie von den geschäftlichen Angelegenheiten sowieso ausgeschlossen.
    Wie es wohl war, wenn man jeden Tag aufs Neue darum kämpfen musste, die Familie ernähren zu können?
    Doch vielleicht war es auch ein gutes Gefühl nach getaner Arbeit nach Hause zu kommen und stolz auf sein Tageswerk sein zu können.
    Als er vom kleinen Glück der Familie erzählte und davon, wie sein Vater mit ihm zusammen im Wald jagte und ihn lehrte, da konnte Emilia spüren, wie sehr er ihn vermisste. Genauso, wie auch sie ihren Herrn Papa zu kurz hatte. Kurz flackerte Unverständnis in ihrem Blick auf.
    Warum, wenn er doch wusste wie es sich anfühlte jemanden zu verlieren, musste er immer wieder töten?


    Doch dann veränderte sich seine Miene plötzlich. Ein düsterer Ausdruck hatte sich seiner bemächtigt und Emilia konnte sein Zittern nun ganz deutlich erkennen.
    Seine weiteren Worte waren schwer verständlich und sie wusste nicht, ob sie alles verstanden hatte. Er stockte immer wieder, brach ab, um neu anzusetzen und schliesslich begann er zu weinen.
    Die junge Frau fühlte sich plötzlich so hilflos wie beim letzten Mal auf dem Baum, umgeben von einer Meute Wölfe. Doch diese Ohnmacht war eine andere. Sie wurde nicht dadurch ausgelöst, dass sie keinen Ausweg für sich selbst sah, sondern dass sie nicht wusste, wie sie ihn über seinen Verlust hinwegtrösten sollte.
    Gleichzeitig spürte sie aber auch noch ein anderes Gefühl, das sich wie ein Giftpfeil in ihrem Innern verhakt hatte. Es war keine Schadenfreude über den Tod seiner Familie, mitnichten. Doch ein winzig kleines Stück ihres Selbst gönnte es ihm, das Leid, welches er anderen zufügte, am eigenen Leibe zu erfahren.
    Am liebsten hätte sie beschämt den Blick abgewandt, doch er sprach weiter und so verfolgte sie zögerlich seine Worte.


    Als er davon erzählte, wie die Soldaten seine Eltern ermordeten und er als Kind dabei zusehen musste, riss sie entsetzt die Augen auf und starrte ihn entgeistert an.
    Wie konnte jemand solche Untaten verüben? War die Welt hier Draussen so grausam?
    Und war das vielleicht die Ursache dafür, dass Dimicus selbst ohne ein Wimpernzucken zu töten im Stande war?
    „Ihr Tod … war nicht edel … nicht schön! Sie hätten … sie hätten es nicht … nicht tun dürfen!“
    Emilia begriff seine Worte im ersten Moment nicht, doch als sich ihr der Sinn eröffnete, schnappte sie abrupt nach Luft.
    Ein schöner Tod… er hatte anfangs einmal versucht, den Mord an ihrem Vater mit der Schönheit seines Todes zu rechtfertigen. Sie hatte dies nicht verstehen können, und es als eine dreiste und feige Ausrede abgetan. Doch vielleicht war dem nicht so. Für Dimicus schien die Art des Todes tatsächlich von Bedeutung zu sein. Was ihn in Emilias Augen natürlich nicht zu einem besseren Menschen machte.
    Konnte eine Person durch ein Ereignis so sehr geprägt werden, dass dieses sein Wesen nachwirkend veränderte?
    Der Gedanke beunruhigte und faszinierte sie gleichsam. Einerseits bedeutete dies, dass das Schicksal einen formen konnte, wie es ihm gerade beliebte. Andererseits wurde jedem auch die Möglichkeit gegeben, dazu beizutragen.
    Ihre Überlegungen wurden jedoch sekundär, als der junge Mann an ihrer Seite verstummte, und wie ein Häufchen Elend auf der Bettkannte sass. Tränen rannen ihm die Wangen hinab und Emilia fühlte sich davon berührt.
    Er zeigte ansonsten kaum Schwäche, und nun offenbarte er ihr seine schwierige Vergangenheit und liess seinen Gefühlen freien Lauf.
    Emilia verfluchte sich dafür, sich ihm nicht sprachlich mitteilen zu können, denn einige tröstende Worte hätten ihm bestimmt wohlgetan.
    Doch vielleicht waren es auch gar nicht hohle Worte, die er nun brauchte?
    Wiederum fühlte sie sich hilflos. Was würde ich mir in diesem Moment wünschen?
    Unwillkürlich dachte sie an den Morgen zurück, als sie nebeneinandergelegen und sie seine Wärme gespürt hatte.
    Zögerlich tastete sie schliesslich nach seiner Hand und legte die ihre schützend darüber. Dann sass sie eine Zeit lang einfach neben ihm, liess ihn seine Trauer ausweinen und versuchte ihn mit ihrer Anwesenheit zu trösten.

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  • Dimicus
    Einen kurzen Moment regte sich gar nichts, als er seine Geschichte gegenüber Emilia offenbarte. Was hatte er auch erwartet?
    Seine Geschichte war nicht schön, doch nicht einmal ansatzweise so grausam wie jene Dinge, die in dieser Welt geschahen. Somit hatte er also damit abgeschlossen, diesbezüglich Gehör zu finden und seinem eigenen Empfinden nach, war er verweichlicht und zu nichts zu gebrauchen, wenn er diese Emotionen nicht in den Griff bekam, sie endlich vergessen konnte.
    Doch schon im nächsten Moment passierte etwas, womit Dimicus nie im Leben gerechnet hatte. Eine Wärme, gefühlt wie in seinen Träumen, bedeckte seine Hand und begann sich von dort aus durch seinen gesamten Körper auszubreiten. Sie linderte augenblicklich das Gefühl, verloren und hilflos zu sein. Der Gesichtsausdruck des jungen Mannes war voller Überraschung, Neugierde und Angst.
    Was war dieses Gefühl, warum war es da und warum fühlte es sich so gut an?
    Zögerlich blickte er auf, seine verquollenen Augen schauten schließlich Emilia an, die ihm gegenüber saß und mit einem ebenso großem Schmerz in ihren Augen dreinblickte. Etwas in ihm spannte sich an, seine Muskel fühlten sich elektrisiert und etwas trieb ihn, vollkommen waghalsig zu werden. Ohne Vorwarnung ließ er sich plötzlich in ihre Arme fallen und weinte bitterlich, während seine Hände ihren Körper umschlungen um Halt zu finden. Nässende Tränen fanden weiter den Weg an seinen Wangen hinunter, als er bitterlicher, noch erbärmlicher begann zu weinen. Er ließ los, sich haltend an einem Menschen, der ihm mehr bedeutete, als ihm bewusst oder gar lieb war.

    Emilia


    Für einen Augenblick glaubte Emilia, dass Dimicus sich tatsächlich wieder fasste. Das unstete Beben seines Körpers wurde weniger und sein Atem schien sich zu beruhigen.
    Im nächsten Moment blickte er sie jedoch so seltsam an, dass sie ihre Hand beinahe zurückgezogen hätte.
    Hatte sie etwas falsch gemacht? Mochte er vielleicht nicht berührt werden?
    Doch auch er beliess die Hand an Ort und Stelle, schaute sie bloss an, Verwunderung in den Augen.
    Was guckte er denn so? Hatte er etwa noch nie einem Menschen Trost gespendet?
    Verunsicherung machte sich in ihr breit, doch bevor sie weiter darüber nachdenken konnte, fiel ihr der junge Mann buchstäblich in die Arme. Sie konnte nicht so richtig einordnen, was da gerade passierte und hatte auch nicht mit einer solch heftigen Reaktion auf ihre einfache Frage hin gerechnet.
    Völlig überrumpelt liess sie die Umarmung zu und erwiderte sie schliesslich, indem sie ihn vorsichtig festhielt, beinahe so, als wäre er aus Porzellan.
    Die Situation kam ihr so surrealistisch vor, als steckte sie gerade in einem Traum fest.
    Der Mann hatte ihren Vater getötet! Er war ein mehrfacher Mörder!
    Und trotzdem begann sie zaghaft seinen Rücken zu streicheln, ohne sich der Geste vollkommen bewusst zu sein, während sie die warmen Tränen an ihrem Hals spürte und die feinen Bartstoppeln an ihrer Haut kratzten.
    In diesem Moment war er einfach nur ein Freund, der ihre Zuneigung brauchte.
    Gleichzeitig bemerkte sie, wie auch ihr selbst die Nähe guttat. Sie machte dies jedoch nicht an Dimicus fest, sondern an dem Umstand, dass sie schon zu lange von zu Hause fort war und sich einfach nach Freundlichkeit sehnte.


    Dimicus


    So wie er dort in ihren Armen lag, so hatte er nie geglaubt dass solche eine Berührung eine heilende Wirkung auf seinen Geist haben konnte. Während die Hände Emilias vorsichtig seinen Rücken streichelten und er sich einfach in ihren Armen fallen ließ, kamen gänzlich andere Gedanken in seinen Kopf. Trauer und Wut wurden verdrängt, Verwirrung und Verwunderung machte sich breit. Diese menschliche Nähe, er hatte damot nicht etwas anfangen können und doch fühlte er sich plötzlich wohl mit ihr. Die erste Umarmung, ja gar Berührung dieser Art war schon mehr als 10 Jahre her und er hatte vergessen, wie es sich angefühlt hatte.


    Allerdings setzte schnell eine düstere Stimme in seinem Kopf ein.
    War es das, was aus ihm wurde? Ein verweichlichter Jüngling der sich in die Arme einer Frau trieb um letzten Endes Frieden zu finden? Damit war er ja nicht einmal besser als die Freier in dem Bordell! Oder?
    Es war vollkommen unverständlich für ihn, was in diesem Moment in ihm vor sich ging. Etwas schrie danach, sich diese Nähe zu holen, doch zeitgleich sagte jede Faser seines Körpers, es war falsch, er brauche es nicht. Dennoch hielt er sich an Emilia fest, dieser Drang obsiegte, bis seine Tränen schließlich versiegten.


    Es wurde still im Raum. Weder sein Weinen noch ein Wort. Langsam entfernte er sich von ihr, seine Wangen errötet vor Scham. Seine Hände glitten wieder zurück zu seinem Körper, sein Blick wich dem Emilias aus. Von der sonstigen Selbstsicherheit war nichts mehr zu sehen.
    "Danke", formte er leise und fast gar nicht hörbar mit seinen Lippen, als diese sich wieder zu einem traurigen Lächeln verzogen.
    "Du solltest jetzt gehen, sonst kommst du noch zu spät zu Tobiaos", merkte er noch an, ehe er sich mit der linken Hand die Spuren der Tränen wegwischte.


    Emilia


    Von seinem inneren Kampf bekam Emilia nichts mit.
    Sie hatte ihre Augen geschlossen und versuchte den eigenen Atem zu beruhigen. Seine Trauer löste auch in ihr viel zu viele Gedanken aus, mit denen sie sich lieber nicht auseinandersetzen wollte. Sie konnte jetzt nicht an ihren Vater denken, während sie dem Menschen Trost spendete, der ihn getötet hatte.
    Sobald die Dunkelheit sie umhüllte, schienen dafür ihre anderen Sinne darauf zu reagieren. Die Luft strömte in ihre Lungen und sie bemerkte überrascht, dass Dimicus Geruch sie nicht zurückschrecken liess. Sie erschnupperte noch immer den Alkohol, doch auch das Salz seiner Tränen. Ausserdem haftete ihm das typische Aroma an, welches der Schlaf mit sich brachte.
    Unwillkürlich dachte sie daran, dass er um einiges besser roch als Wilfried, der immer von einer betäubenden Parfumwolke umgeben war. Dimicus jedoch strömte einen gänzlich anderen Duft aus, der um einiges männlicher anmutete, was die junge Frau jedoch nicht abschreckte, sondern eher als anziehend empfand.
    Auch seine Berührungen nahm sie plötzlich intensiver wahr, spürte seine Arme deutlich, die sich um ihren Körper gelegt hatten und sich an ihr festhielten.
    Erst als er sich beruhigte, lösten sich seine Hände von ihr, während er gleichzeitig nicht mehr zu wissen schien, wohin er sie legen sollte.
    Emilia betrachtete ihn eingehend. Seine Wangen waren gerötet, die Augen verquollen und die Haare standen in alle Richtungen ab. Sie konnte seine Verunsicherung sogar körperlich wahrnehmen, und hätte sich als Reaktion am liebsten unter der Bettdecke verkrochen. Trotzdem wirkte er gefasster, als noch zuvor. Oder täuschte sie sich?


    Seinen Dank quittierte sie mit einem vorsichtigen Lächeln, während ihre Hände nun ebenfalls nicht mehr wussten, was sie tun sollten und deshalb nervös an einer Ecke der Bettdecke herumzupften.
    "Du solltest jetzt gehen, sonst kommst du noch zu spät zu Tobiaos“, nahm sie seine Worte wahr und beobachtete, wie er sich tapfer die Tränen wegwischte.
    Emilia wollte ihn ungerne alleine lassen, doch er hatte Recht. Bestimmt wurde sie bereits im Schankraum erwartet.
    Der Zwiespalt war ihr anzusehen, doch schliesslich entschied sie sich dafür zu gehen.
    Vermutlich tat es Dimicus sogar gut, ein wenig Zeit für sich zu haben, denn noch immer wirkte er nicht wie er selbst. Ihre Anwesenheit, und dass sie seinen emotionalen Ausbruch miterlebt hatte, schien ihn zu beschämen und zu verunsichern.
    Einen Moment zögerte sie noch, dann griff sie seine Hand und drückte sie ermutigend, bevor sie sich erhob.
    Sie schnappte sich das Notizbuch und schrieb hinein: Ich hoffe doch, Du wirst Dich später von meinen Arbeitsqualitäten überzeugen?
    Dann drückte sie es ihm in den Schoss, bevor sie ihre Stiefel anlegte, sich umwandte und zur Tür hinaushuschte.

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  • Mit einem leicht sehnsüchtigen Blick, der keinesfalls beabsichtigt gesetzt war, schaute Dimicus der jungen Frau hinterher. So spürte er noch immer die Wärme Emilias an seinem Körper haften, die ihm noch vor einigen Sekunden eines der wohligsten Gefühle gegeben hatte, die er seit langem hatte zu spüren bekommen können. Letztendlich zog sie sich an, drückte noch einmal seine Hand um ihn eine Kostprobe dieser aufbauenden Wirkung zu geben. Gänzlich verschwand sie dann aber aus dem Raume, mit nicht mehr als den Worten die in dem Notizbuch standen, das dort auf seinem Schoß lag.


    Das kleine Buch wog schwer auf seinen Beinen. Er hatte keine Ahnung was sie geschrieben hatte und fürchtete sich gar davor. Doch warum? Vor ihr brauchte er keine Angst haben und dennoch saß er da, dachte darüber nach, ob er es wirklich lesen sollte. Er fürchtete sich davor, was sie ihm schreiben könnte, dass seinen Ausbruch betraf. Vermutlich hatte er in diesem Moment seine komplette Seriösität eingebüßt und sie hatte ihn als etwas kleines, verletzliches angesehen, was er aber auf keinen Fall war! Tief atmete er durch.


    Unverhohlen starrte er immer wieder auf das Buch und wusste nicht, was er genau tun sollte. Schließlich packte ihn dann aber doch die Neugierde, worauf er nach dem Buch griff und die Seite suchte, auf die sie geschrieben hatte. Dabei stieß er jedoch auf einen längeren Text, den er noch gar nicht kannte und schon bei den ersten Worten die er las wusste er, dass sie gar nicht an ihn gerichtet waren. Nein, es war für ihren Vater bestimmt. Sollte er dies wirklich weiterlesen? Sein Interesse war groß, doch er mochte sie und musste vermutlich lernen, dass er sie nicht kontrollieren konnte. Das hätte ihn nicht zu einem besseren Menschen gemacht, als es ihr Vater war. Jener Mann, der lang genug ihr wahres Potential eingesperrt und somit verhindert hatte, dass sich Emilia über diese Zeit hätte frei entfalten können. So viel Energie und Tatendrang eingesperrt in einem goldenen Käfig. Das sollte nicht ihr Schicksal werden, genau so wie er ihr soviel Vielfalt bieten wollte, wie es ihm nur möglich war.


    Somit entschloss er sich also, die an ihren Vater gerichteten Worte nicht zu lesen und ihr diesen Aspekt zu bewahren. Genauer betrachtet war er ein Freund von ihr, nicht ihr Vater, der auf sie die gesamte Zeit aufpassen musste. Also blätterte er eine Seite weiter und las schließlich den kurzen Satz, den sie ihm hinterlassen hatte. Ich hoffe doch, Du wirst Dich später von meinen Arbeitsqualitäten überzeugen? Unweigerlich musste er darüber lächeln. Ihre erste Arbeitsstelle und sie wollte direkt von ihm wissen, wie er sie daran fand. Ob es eine Fügung des Schicksals war, dass sie ausgerechnet ihm anvertraut wurde? Gunhilde war dort sicherlich anderer Meinung und würde es nicht Schicksal, sondern eher Pech für die junge Frau nennen.


    Unbeantwortet ließ er den Satz so stehen, seine Taten würden genug Antwort dafür sein. Doch vorerst galt es, sich in Schale zu werfen. Zumal seine Rüstung noch geflickt werden musste, was ihm in diesem Moment wieder in den Sinn kam. Der Schneider würde sich freuen, dass wusste er schon. Kaum erhoben merkte der junge Mann schon, dass er noch immer nicht gänzlich auf bester Höhe war. Sein Körper hatte damit zu kämpfen, die Wunde verheilen zu lassen und es würde ihn vermutlich noch für die nächsten Tage unmöglich bleiben, große Anstrengungen durchzuhalten. Wo er bei diesem Punkt war, fiel ihm noch etwas ein, dass er vollkommen vernachlässigt hatte.


    Er griff nach seiner Tasche und holte einen Verband heraus, samt der heilenden Salbe. Entspannt setzte er sich wieder auf die Bettkante und schaute auf seinen Arm, der frisch verbunden anmutete. Natürlich, Emilia und Mirabella mussten dies getan haben, als er bewusstlos geworden war. Doch es musste noch einmal sein, zudem wollte er sich das Ausmaß der Wunde einmal genauer anschauen. Also hielt er seinen rechten Arm komplett still, als seine linke Hand vorsichtig den Verband abwickelte und Stück für Stück der Gestank der Salbe in den Raum zu treten begann. Wieso konnte es nicht nach Rosen duften? Das würde die gesamte Prozedur angenehmer machen. Schließlich aber war der Verband abgelegt und glänzend offenbarte sich die Wunde, über der eine milchige Schicht alter Salbe ruhte. Mit einem sauberen Tuch tupfte er, unter leichten Schmerzen, die Reste der Salbe ab, womit die Wunde in ihrer vollen Pracht ersichtlich waren. Sie sah so aus, wie sie sich angefühlt hatte. Seine Haut war förmlich zerfetzt worden und blutige Risse hatten sich auf der Haut gebildet, zwischen den Einstichstellen der Zähne. Zudem war die Wunde tief und mehr als unansehnlich. Genau so, wie sie aufgrund ihrer Frische schmerzte.


    Die nächsten Schritte waren einfach und brauchten nicht unbedingt einen professionellen Heiler. Außer man würde sagen, dass die Salbe gleichmäßig auf die Wunde zu verteilen und schließlich darüber wieder einen Verband zu legen schwer war. Diese Dinge waren jedoch schnell und gut ausgeführt, womit der junge Mann schließlich wieder alles zurück in seine Tasche legte und sich seiner Kleidung zu widmen. Er legte sich die Rüstung an, die zum Glück leicht und somit nur eine geringfügige Belastung für seinen Körper war. Die Waffen an die üblichen Stellen, der Mantel über seine Schultern. Vorsichtig ließ er die Schultern kreisen, dehnte sich etwas um zu schauen, inwieweit die Schmerzen stark waren und als Reaktion darauf entschloss er sich, einige seiner Kräuter zu nehmen. Nachdem deren Wirkung voll einsetzten und die Schmerzen eingedämmt wurden, öffnete er die Tür, nahm sich den Schlüssel und schloss hinter sich wieder ab.


    Mit galanten Schritten durchquerte er den Gang, dessen Fackellicht nicht nur Licht sondern auch angenehme Wärme spendeten. Interessiert blickte er zudem auch die Werke an, die hier und dort hingen. Er hatte mit seiner Kunst mehr Einfluss und Schönheit in diese Stadt gebracht, angefangen von den hier hängenden Bildern bis zu den panischen Augen mancher Menschen, die nur seinen ihm gegebenen Namen hörten. Seine Kunst, sein Tun, es äußerte sich überall, es hatte Bedeutung! Nicht so, wie ein gieriger Graf einfache Bauern abschlachtete. Seine Hände verkrampften sich bei diesen Gedanken, ehe er diese aus seinem Kopf verbannte. Dafür war nicht die Zeit.


    Nach nur wenigen Sekunden schließlich, stand er in dem großem Raume der den Schankraum dieses unterirdischen Gasthauses darstellte. Gegen die Erwartung Dimicus' war der komplette Raum mit Gestalten verschiedensten Aussehens gespickt. Offenbar war in der Unterwelt in den Gasthäusern eher tagsüber etwas los, als wirklich nachts. Was im Nachhinein betrachtet auch Sinn ergab, so würden die meisten hier wohl eher abends oder nachts arbeiten, nur die wenigsten gingen ihrem Handwerk auch am Tage nach. Die Leute verschiedenster Herkunft und Kultur verbrachten gerade wohl ihren Feierabend und tranken auf erfolgreiche Raubzüge, Diebstähle und Morde. Zwischen den Tischen huschten drei Figuren umher. Zwei Männer und eine Frau. Im Gegensatz zu Emilia hatten die beiden Männer Routine, bedienten die Tische in flüssiger Manier und mit Geduld eines Göttlichen. Emilia hingegen sah … gestresster aus. Nicht nur ihr fehlendes Gehör machten ihr wohl zu schaffen, auch dieses wilde Eilen durch die Tische, ohne eine falsche Bestellung auszuliefern. Armes Mädchen. Sie würde es aber schon geschaffen. Zumindest hoffte er es.


    Er indessen entdeckte bald Shazeem, der wild mit jemandem an einem Tisch diskutierte. An den ausladenden Gesten und dem mehr als dreckigen Lachen ging es wohl um große Beute, die die beiden gemacht hatten. Dahin war der Tamjid also am Vorabend verschwunden. Doch irgendwie fühlte sich der junge Mann in diesem mit Menschen gefülltem Raum … verloren. Überall waren Gestalten die ihren Platz in diesem Raum hatten, sich unterhielten und gemeinsam tranken. Mittendrin war er, ohne jemanden zu haben. Auf einer Weise war es beängstigend, dass er dieses einschnürende Gefühl bemerkte. Ob es etwas damit zu tun hatte, was Emilia in ihm auslöste? Mit unterdrückter Sehnsucht schaute er kurz zu Emilia, konzentrierte sich aber schnell wieder darauf, sich zurechtzufinden und in seine Rolle zu fallen.


    Gerade noch zum rechten Zeitpunkt verließ der Komplize Shazeems den Tisch, verabschiedete sich von ihm, als der ältere Dieb nun allein dort saß und genüsslich trank. Dimicus seufzte und er hasste sich schon für das, was er im nächsten Augenblick tat. Bestimmt schritt er zu dem Tisch des Tamjids herüber und nahm ungefragt Platz, wobei sein ehemaliger Meister zuerst fragend dreinblickte, ehe er die Gestalt des Künstlers erkannte. „Ahh, Faron!“, bemerkte er und grinste Dimicus breit an. „Wie steht es um dich, Kumpel?“ Seine Art nervte. „Nach ein wenig Schlaf, den Met heute morgen, sowie noch einmal einem kleinen Nickerchen passt das schon.“ Das Grinsen Shazeems wurde nur noch breiter. „Also hast du Schlingel doch ...“ - „Nein.“, erwiderte Dimicus ruhig, aber bestimmt. „Ach komm, lüge nicht. Ich habe gesehen, wie du sie angeschaut hast, nachdem du hier rein bist. Die Kleine macht sich übrigens ganz gut als Kraft hier, doch sie wirkt nicht gerade ganz bei der Sache. Egal was du sagst, ich denke ihr hattet viel Spaß miteinander!“ Nun wurde sein Grinsen auch noch dreckig. „Nicht umsonst würdet ihr beide so kopflos durch die Gegend rennen.“


    Zu allem Überfluss verirrte sich auch noch Emilia zu ihnen an den Tisch, das Strahlen seines Grinsens überdeckte beinahe alles in diesem Raum. Dimicus trat ihm unter dem Tisch gegen das Schienbein, was ihn auch schnell zum Aufhören bewegte. „Aua! Nur weil ich Recht habe!“ Der junge Mann schüttelte nur mit dem Kopf und blickte dann Emilia an, unweigerlich schlich sich ein warmes Lächeln auf seine Lippen. Im selben Moment fiel ihm auch noch ein, dass er ihr den Schlüssel geben wollte, weil sie ja sonst nicht zurück ins Zimmer kam. Anfangs wirkte sie etwas verwirrt, so drückte er ihr ihren Zimmerschlüssel einfach in die Hand, doch verstand sie scheinbar gleich und verstaute ihn. „Danke dir, ich mag aber nichts. Muss gleich noch los. Du machst einen guten Job.“, sagte er langsam, so dass sie seinen Worten folgen konnte. „Für mich aber noch einen Met, junge Frau.“ Grinste er dauernd so?


    Verstehend nickte sie und zischte wieder los, sie musste ja schließlich arbeiten und es blieb keine Zeit, um sich zu unterhalten. „Wehe du gibst ihr kein Trinkgeld Shazeem.“, mahnte Dimicus mit einem Feixen. Darauf haute er seinen ehemaligen Lehrmeister an und verabschiedete sich von ihm, so hatte er noch Erledigungen zu tätigen. Doch bevor er die Räumlichkeiten verließ, schritt er noch einmal zur Bar, sprach dort Tobias an. „Wie schlägt sie sich?“, fragte er mit ernsthafter Sorge. „Sie scheint nicht ganz bei der Sache zu sein und wirklich gewohnt an das Arbeiten ist sie auch nicht. Es wird eine Weile brauchen.“, erklärte er nur kurz, wobei er sich einigen Gästen widmen musste. „Sag ihr das bitte, damit sie versteht und lernt. Achso, eines noch.“ Er achtete darauf, dass Emilia beschäftigt war, bevor er dem Wirt 20 Münzen zuschob. „Gib ihr das als Lohn, sag es kommt von dir. Als Bezahlung. Sie muss das lernen und es ist besser, wenn sie schon eine kleine Belohnung für ihre Mühen erhält.“ Tobias nickte nur bestätigend und steckte das Geld ein. Hoffentlich kam die volle Summe an.


    Darauf wandte sich der junge Mann wieder von dem Wirt ab, blickte noch einmal in den Raum und sah in dem gesamten Gemenge Emilia umher huschen. Mit ein wenig mehr Zeit, Geduld und Stärke war er sich sicher, dass sie zu einer starken Frau heranreifen würde, die ihm wohl mit mehr als ihren tierischen Formen zur Gefahr werden würde. Dieser Gedanke gefiel ihm, dass sie ihrer kindlichen Naivität entwachsen und ihre eigene Herrin werden würde. Sie hatte es mehr als verdient.


    Letztendlich schritt der junge Mann durch die gesamte Menge dieses Raumes und machte sich auf den Weg nach draußen. Es würde ein langer Tag werden, auch oder besser wenn er ihn am besten ruhig angehen sollte. Sein Geld verdiente sich auch nicht von allein und er musste sich allmählich wieder um seine Geschäfte kümmern. Mit letztem Blick in den Schankraum wurde ihm bewusst, dass er wohl nicht vor dem Abend zurückkehren würde. Mit Schwung öffnete er die Tür und verschwand schließlich nach draußen, sich doch ein wenig freuend, dieses Loch verlassen zu können, so heimisch es auch wirkte.

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  • Als Emilia bei Tobaios angelangte, war sie in Gedanken noch immer bei Dimicus. Langsam begann sie sich einzugestehen, dass sie ihn gernhatte, auch wenn sie sich nicht mit all seinen Facetten arrangieren konnte und wollte. Trotzdem war es ein gutes Gefühl zu spüren, dass sich jemand für sie interessierte und das nicht nur, weil sie hübsch aussah oder wohlhabend war.
    Dieser Gedanke beschwingte sie, gleichzeitig machte ihr aber auch Sorgen. Denk dran, wer er ist!
    Doch die warnende Stimme in ihrem Innern war bereits leiser geworden…
    Was er wohl in ihr sehen mochte? Offensichtlich mehr als nur ein lästiges Anhängsel, sonst hätte er sich gerade wohl kaum auf diese Weise geöffnet.
    Sie war sich solche Ausbrüche von Emotionen in ihrer Gegenwart nicht gewohnt. Ihr Vater hatte stets einen kühlen Kopf bewahrt, und von Wildfried kannte sie höchstens Wutanfälle.
    „Da bist Du ja. Habe mich schon gefragt, ob Du nicht doch noch n Rückzieher machst“, begrüsste Tobaios sie von hinten und fasste sich sogleich mit einem leisen Fluch an die Stirn, als er realisierte, dass sie ihn ja nicht hören konnte. Stattdessen fasste er sie leicht an der Schulter an, worauf sie blitzartig herumwirbelte und ihn aus erschrockenen Augen anblickte. Das konnte ja noch heiter werden!
    Wie sollte er sich mit ihr verständigen?
    Er bemerkte jedoch rasch, dass sie seinen Worten folgen konnte, wenn er sich nicht gerade versehentlich von ihr abwandte und dass sie mit einem Blatt und einem Stift ausgerüstet war, um ihm Fragen zu stellen. Oftmals deutete sie jedoch mit Gesten und Mimik an, wenn sie etwas nicht verstand.
    Dabei gewöhnten sie sich jedoch rasch an den jeweils anderen und schon bald sollte ihnen die Kommunikation untereinander wie selbstverständlich vorkommen.


    Noch hatte Emilia jedoch Mühe damit sich alles einzuprägen, was Tobaios ihr an Informationen zukommen liess.
    Als sich schliesslich das Lokal zu füllen begann, hatte die junge Frau Mühe, in dem Gewusel den Überblick zu behalten. Tobaios hatte ihr aufgetragen, das Essen und die Getränke zu verteilen und Tische abzuräumen. Zu ihrer grossen Verblüffung drückte er ihr ausserdem eine Geldbörse in die Hand, um die Kundschaft abkassieren zu können. Natürlich war Emilia in der Lage zu rechnen, sie hatte schliesslich einen Privatlehrer bekommen, doch den praktischen Umgang mit Geld musste sie nie ausüben. Diesen Dreh hatte sie jedoch schnell raus, im Gegensatz dazu, sich Bestellungen merken zu müssen oder nicht jedes Mal zusammenzuzucken, wenn ihr jemand zu nahe kam oder sie im Vorbeigehen zufällig berührte.
    So wirkte sie total gestresst und angespannt, was sie den gesamten Arbeitstag nicht wirklich abzulegen vermochte.
    Glücklicherweise musste sie auch nicht mit den Leuten sprechen, denn diese gaben ihre Wünsche meist lauthals preis. Und wenn doch einer eine Frage an sie stellte, versuchte sie diese mit Händen und Füssen zu beantworten oder schickte einen der beiden Bediensteten Mirco oder Baldwin zu dem Gast.


    Bis auf einige Ausnahmen, nämlich als sie über ein paar Beine gestolpert war (sie hätte schwören können, dass diese zuvor nicht dort waren) und dabei die Getränke verschüttet hatte oder als einer der Diebe ihr mutig an den Po gegriffen und darauf von Mirco eine geklatscht bekommen hatte, oder auch als sie vor lauter Nervosität das Einkassieren vergass, verlief der Tag erfolgreich. Am Ende des Dienstes, nachdem die Tische geputzt und die meisten Gäste verschwanden oder mit einem Krug Met zufrieden am Tisch sassen, drückte ihr Tobaios sogar einige Münzen in die Hand und lächelte sie freundlich an. Tatsächlich schienen sich die beiden gut zu verstehen.
    „Schön, dann erwarte ich Dich Morgen also um sieben Uhr abends wieder hier! Hast Du gut gemacht Mädel, für den ersten Tag. Alles andere kommt mit der Übung. Und vor den Kerlen musst Du Dich auch nicht fürchten. Wenn sie Dir frech kommen, brätst Du ihnen eins über, oder Du rufst Mirco oder Baldwin, welche das gerne für Dich übernehmen!“


    Die beiden vernahmen ihre Namen und kamen an den Tresen getrottet.
    Sie grinsten gut gelaunt und spendierten schliesslich eine Runde.
    Emilia freute sich darüber und schlürfte, mit dem Gedanken an den vorigen Abend weit vorsichtiger, an ihrem Met.
    „Eine fleissige Biene habt ihr ja hier“, erklang eine Stimme und ein grossgewachsener Jüngling kam ebenfalls zu ihnen herübergeschlendert.
    Bald entbrannte sich eine freundschaftliche Diskussion zwischen den vier Männern, wobei sie immer wieder versuchten, auch die junge Frau nicht ausser Acht zu lassen.
    Diese genoss es, an der lockeren Runde teilhaben zu dürfen und mochte die unbeschwerte Gesellschaft.
    Hin und wieder kamen neugierige Diebe heran, grüssten freundlich oder bestellten sich brummend ein Getränk, während sie die Frau in ihrer Mitte beäugten.


    Als der grösste Trubel vorbei waren, entdeckte Emilia auch weibliche Kundschaft, die meist jedoch schnell wieder verschwand. Nur an einem runden Tisch hatten sich drei Weiber versammelt und gestikulierten lachend miteinander.
    Sehnsüchtig dachte sie an Mirabella zurück. Sie vermisste ihre adrette und lebensfrohe Art.
    „Alles in Ordnung Kleine?“, der Hüne an ihrer Seite blickte sie fragend an und berührte sie vorsichtig am Arm, als sie nicht reagierte.
    Als die grünen Augen ihn in den Blick nahmen, wiederholte er seine Frage.
    Emilia nickte lächelnd. Dass er sie „klein“ nannte, konnte sie ihm nicht verdenken, er war bestimmt fast zwei Meter gross. Trotzdem besass er ein sympathisches Gesicht mit einer lustigen Stupsnase.
    „Enrico, mein Name. Ich habe bereits gehört, dass Du ab sofort hier arbeitest“, er zwinkerte dabei Tobaios zu, welcher gerade einen Becher abtrocknete.
    „Wir hatten hier glaub erst eine weibliche Bedienstete. Die meisten halten es leider nicht allzu lange bei uns. Warum auch immer… Aber du bist anders, das seh ich schon. Vielleicht ganz gut, dass du nicht reden kannst. Die anderen haben vermutlich zu viel herumgekeift“, er lachte auf, als er von Emilia einen empörten Knuff gegen die Schulter bekam.


    So ging es noch eine Weile weiter, Dimicus blieb indessen verschwunden.
    War er vielleicht direkt ins Zimmer zurückgekehrt?
    Als die junge Frau den Herrschaften bedeutete, dass sie sich nun zurückziehen wolle, wurde sie freundlich verabschiedet.
    „Hey, ich kann Dich noch zurückbegleiten, muss grad auch in die Richtung“, meinte da Mirco. Emilia nickte ihm dankbar zu, denn sie befürchtete, sich noch in den Gängen zu verlaufen.
    Während Baldwin bereits graue Haare hatte, aber trotzdem einen sehr durchtrainierten Eindruck auf sie machte, war Mirco wie auch Enrico wohl nicht viele Jahre älter als sie selbst.
    Tobaios nickte ihnen zu und wandte sich dann einem neuen Kunden zu.
    „Ich habe gehört, Du bist mit Faron hierhergekommen. Ein ruhiger Geselle. Lässt sich nur hin und wieder blicken.“
    Neugierig beobachtete Emilia seine Lippenbewegungen und dachte sich gleichzeitig, was für schön weisse Zähne er doch hatte. Sie schienen richtiggehend zu leuchten.
    „Entschuldige meine Neugier, doch seid ihr zwei ein Paar?“, sie schaute ihn wohl so perplex an, dass er abwehrend die Hände hob.
    „Ich nehme das Mal als nein, so empört wie Du dreinschaust. Tut mir Leid. Wir sind bloss alle neugierig, was son hübsches Mädel mit dem zu tun hat. Nun ja, ehrlich gesagt liegen auch schon Vermutungen vor, da die meisten hier wissen oder zumindest ahnen, wer Du bist. Nebenbei übertriffst Du die Steckbriefe an Schönheit um Längen!“
    Glücklicherweise wurde sie einer Antwort enthoben, als ein dunkler Schatten den Gang entlanghuschend auf die beiden zukam.
    „Na hallo Gregorius du alter Schlawiner“, begrüsste Mirco den schwarzen Kater, was ihn in Emilias Augen gleich noch ein Stück sympathischer machte.
    „Der ist vor einigen Jahren hier eingezogen und hält uns nun die Mäuse vom Leib. Ein richtiger Streuner – wie wir alle hier unten“, erklärte Enrico und strich dem Tier über das Fell, bevor dieses mit hoch erhobenem Schweif einmal um die Gestaltwandlerin herumtigerte, um dann hinter der nächsten Ecke zu verschwinden.
    „Wo musst Du nun lang?“


    Nachdem Enrico zu seinem eigenen Zimmer verschwunden war, betrat auch Emilia den kleinen Raum, welchen sie sich mit Dimicus teilte. Der Schlüssel kratzte im Schloss, doch dann öffnete sich die Tür leicht.
    Das Gemach war leer, selbst ihrer beider Geruch hatte sich verflüchtigt.
    Emilia bemerkte erst so richtig, wie sehr ihre Füsse schmerzten, als sie sich mit einem Seufzen aufs Bett fallen liess. Was für ein Tag!
    Zuerst Dimicus, dann die herausfordernde Arbeit und dann noch die lustige Runde. Ihr Kopf pochte und sie fuhr sich mit der Hand über die Stirn und schloss die Augen.
    Zuerst liess sie all die Begegnungen Revue passieren, die sie im Verlauf gemacht hatte. Baldwin, der grauhaarige Almane, dessen ruhige Art bestimmt bloss trügte. Seine Muskeln deuteten darauf hin, dass auch er noch einer weiteren Beschäftigung nachging, wenn er nicht gerade in der Schenke aushalf. Er besass Humor und eine beinahe unpassende Höflichkeit für die Umgebung, in welcher er sich bewegte. Doch auf seine Weise erinnerte er Emilia an ihr zu Hause, welches sie doch auch sehr vermisste.
    Dann Mirco, der zweite Bedienstete. Er hatte krauses rotes Haar und sie glaubte, dass er magiebefähigt war. Sie hätte schwören können, dass er die Gläser nicht von Hand abgetrocknet hatte, als Tobaios ihm die Aufgabe erteilte. Er hatte eindeutig Charme, und wie er eben mit der Katze umgegangen war, erwärmte das Herz der Gestaltwandlerin.
    Und Enrico, ein wahrer Hüne von einem Mann. Der Schalk sass ihm im Nacken und liess ihn noch jugendlicher wirken, als er sein mochte. Er brachte Leben in die Bude, achtete bei Gesprächen darauf, alle daran zu beteiligen und machte Emilia durchgehend neckische Komplimente, welche ihr manchmal die Röte ins Gesicht steigen liessen. Seine Art trug jedoch dazu bei, dass sie sich gut aufgehoben fühlte in der Männerrunde.
    Und Tobaios? Er war ein ruhiger Kerl, mit klaren Regeln. Seine Anweisungen waren gut verständlich, er achtete auf Sauberkeit und Emilia hätte schwören können, dass er den beiden anderen aufgetragen hatte, ein Auge auf das Mädel zu haben, das unter all dem Testosteron wie die Henne im Korb anmutete. Er hatte eine sehr väterliche Seite an sich, andererseits verhielt er sich eindeutig wie der Chef, der er auch war.


    Wo steckte bloss Dimicus?
    Am liebsten hätte sie ihm ihre Eindrücke geschildert, doch er war noch nicht zurückgekehrt. Langsam begann sie sich Sorgen zu machen. Hoffentlich überanstrengte er sich nicht mit seiner Wunde. Und hoffentlich… sie mochte gar nicht darüber nachdenken, dass er womöglich durch die Stadt streifte, um seinem zwielichtigen Handwerk nachzugehen.
    Um sich abzulenken, schnappte sie sich das Notizbuch, welches auf dem Bett lag und fasste sich sogleich selbst an die Stirn. Sie hatte ja völlig darauf vergessen, dass sie darin ihre Gedanken an den Vater festgehalten hatte.
    Ob er es gelesen hatte? Natürlich hatte er das.
    Kurz überflog sie ihre eigenen Zeilen. Ohman, was dachte er nun wohl von ihr?
    Sie konnte ihre Worte nicht einfach so stehen lassen, sonst interpretierte er womöglich noch etwas völlig Falsches hinein.
    So lange sie auf ihn warten musste, konnte sie auch gerade so gut noch einige Worte zu Papier bringen. Und so begann sie zu schreiben.


    Ich denke mir, dass Du meine Worte gelesen hast, obwohl sie nicht für Dich bestimmt waren. Es ist in Ordnung, schliesslich habe ich vergessen sie herauszureissen.
    Doch ich möchte klarstellen, dass ich damit nicht meinen Vater in Frage stellen möchte. Deine Tat war falsch und ich vermisse ihn sehr!
    Und auch wenn er meine Gestalten nicht mochte, so bin ich ihm doch viel nähergestanden, als ich es Dir gegenüber tue. Er war mein Vater und ich habe ihn sehr geliebt.
    Meine Worte waren Unsinn. Ich hätte seine Liebe mir gegenüber nicht hinterfragen dürfen!


    Einen Moment überlegte sie, ob sie noch etwas hinzufügen sollte, doch sie beliess es dabei. Die anderen Punkte schienen ihr nebensächlich. Doch keinesfalls wollte sie Dimicus weiter darin bestärken, dass er richtig gehandelt hatte, indem sie ihren Vater verunglimpfte.
    Sie zögerte kurz, dann setzte sie einen Abstand, bevor sie auf den Morgen zu sprechen kam.


    Ich kann mir denken, wieviel es Dich gekostet hat, mir heute Morgen von deiner Vergangenheit zu berichten. Deinen Schmerz kann ich gut nachvollziehen. Es zeugt von Stärke, wahre Gefühle zuzulassen und sie gar so ehrlich zu zeigen. Ich danke Dir dafür und hoffe, dass Du es nicht bereust.


    Dabei dachte sie an die Situation zurück. Sie hatte das unbestimmte Gefühl dass er sich schon lange Niemandem gegenüber auf diese Weise geöffnet hatte. Gleichzeitig weigerte sie sich jedoch, eine tiefere Bedeutung dahinter erkennen zu wollen.


    Es hat mich sehr gefreut, dass Du vorbeigeschaut hast! Es war ein wundervoller Arbeitstag für mich, wenn auch sehr anstrengend! Ich habe Plattfüsse und mein Kopf dreht sich, wenn ich nur schon an Braten, Wein und Süsskartoffeln denke.
    Doch die Jungs sind alle sehr freundlich und ich fühle mich richtig wohl unter ihnen (obwohl ich lieber nicht wissen möchte, welchen Tätigkeiten sie sonst noch nachgehen).
    Neugierig bin ich natürlich, was Du so getrieben hast? Vermutlich schlafe ich bereits, wenn Du zurückkehrst, meine Hände zittern jetzt schon und meine Lieder scheinen mir zuzufallen vor Müdigkeit.


    Kaum hatte sie das Notitzbuch aufgeschlagen auf die Kommode gelegt und sich dann rücklings wieder aufs Bett geworfen, schlief sie auch schon ein.
    Ausser den Schuhen trug sie noch ihre vollständige Bekleidung und ein leises Schnarchen drang aus ihrer Kehle, doch auf ihren Lippen lag ein zufriedenes Lächeln.

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  • Tief atmete der junge Mann ein, als er wieder durch die Kellerklappe in die frei Luft trat. Natürlich war dieser Geruch nichts, im Vergleich zu den Gerüchen des Waldes. Doch es war alle Mal besser, als die stickige wenn auch gemütliche Atmosphäre des Diebesversteckes. Der Türsteher nickte ihm nur zu, was Dimicus erwiderte ehe er sich aufmachte, um seine Erledigungen zu tätigen und entsprechend seine Arbeit fortzusetzen. Zumindest soweit, wie er es konnte. Die Verletzung behinderte ihn noch stark und würde wohl noch mindestens eine Woche bei guter Pflege brauchen, um endgültig zu verheilen.


    Tief zog sich der junge Mann die Kapuze ins Gesicht und schritt darauf los, hinter sich hörte er noch das laute Schließen der schweren Kellertür, welches durch die Gasse hallte. Von vorn, dem Ausgang der Gasse, strahlte unverblühmt das Tageslicht in das Gesicht des Künstlers, während die Geräuschkulisse der Stadt immer lauter zu werden schien. Die ersten Schreie, Gespräche und Diskussionen waren nun allmählich wahrzunehmen, untermalt von Karren, Hufgetrappel und das entfernte Hämmern eines Schmiedes.


    Es brauchte zuerst ein wenig Gewöhnung an das Tageslicht, so hatte sich Dimicus jetzt fast einen gesamten Tag nur mit Fackelschein zufrieden gegeben. Kein Wunder also, dass er trotz seiner tief in das Gesicht gezogenen Kapuze geblendet wurde. Ein wenig wie ein Minenarbeiter fühlte er sich, nur ohne all den Schmutz und die Muskeln. In diesem Sinne hielt er auch kurz inne, um sich zu sammeln und zeitgleich zu orientieren. Zwar hatte er die kleine Gruppe erst überhaupt hierher geführt, doch auch seine ausgiebige Tour durch die Stadt hinterließ ja auch Spuren auf ihm, wie man es am vorhergehenden Abend gemerkt haben konnte.


    Schritt für Schritt ging er seinen Plan für den Tag durch, als er sich langsam fortbewegte und schon ach sein erstes Ziel ansteuerte. Der Schneider musste zuerst einmal das Loch in seiner Rüstung flicken, zeitgleich dachte sich Dimicus, dass er etwas für Emilia mitbringen konnte, etwas, was vielleicht praktisch für ihre Arbeit war. Somit führte ihn sein zielstrebiger Weg in Richtung seines vertrauten und bestechlichen Schneiders, der bist jetzt alles für ihn anfertigen konnte,zudem auch noch Emilia stilvoll hatte einkleiden können.


    Schon betrat er das Geschäft, in dem der Schneider gerade mit einem weiteren Kunde die breite Auswahl Kleidern durchging. So wie der junge Mann es heraushörte, war es wohl für eine Hochzeit der besonderen Art gedacht und es in dem Sinne praktikabel, aber auch schön zugleich sein sollte. Dieses unsinnige Geschätz interessierte Dimicus aber nicht, weswegen er sich den Auslagen widmete und durchschaute. Die Auswahl war für die Verhältnisse gigantisch. Von einfacher Leinenkleidung bis hin zu reich verzierten Ballkleidern hatte der Schneider einfach alles, wenn man seine Begeisterung in der Mode wiederfinden wollte. Gerade als er glaubt, nichts könne wirklich Emilias Geschmack treffen, entdeckte er an einer der Puppen ein ledernes Band. Es war ein ledernes Halsband, welches Frauen besonders in höheren Ständen zur Zierde trugen. An dessen Vorderseite war eine bernsteinfarbene Brosche, nicht größer als ein Daumen, auf der eine kleine, schwarze Katze abgebildet war. Irgendwie, erinnerte sie ihn an Emilia.


    Plötzlich aber hörte er ein Räuspern hinter sich, was ihn leicht zusammen zucken, aber natürlich nach außen völlig ruhig umdrehen ließ. Der Schneider war an ihn herangetreten, betrachtete kurz die Puppe die Dimicus so beäugt hatte. "Ein schönes Kleid, nicht wahr? Dazu die vielen Details und der Schmuck. Eine gute Kombination. Ich denke aber, deswegen seid ihr nicht hier, so wie ich mir Eure Rüstung anschaue. Was ist denn damit passiert?", fragte er schließlich vollkommen entsetzt, als er näher an den jungen Mann herantrat und genau begutachtete, was der Schaden des Stoffes war. "Ein Wolf. Schöne Geschichte mit düsterem Ausgang, aber halb so wild. Bloß einmal reparieren." Der Schneider seufzte, schüttelte aber nur stum mit dem Kopf, als Dimicus in das hintere Zimmer geführt wurde, wo er seine Rüstung ablegen und sie entsprechend repariert werden würde.


    Der ganze Prozess dauerte tatsächlich aber mehr als eine Stunde, so war laut der Aussage des Schneiders viel in Fetzen gerissen worden und die meisten Komponenten an der Stelle mussten komplett ausgetauscht werden. Während also der Schneider fleißig in seiner Werkstatt an der Reparatur des Künstlers Rüstung bastelte, wobei er sogar extra den Laden dafür schloss, wanderte Dimicus seelenruhig durch den Verkaufsraum. Allerdings fand er selbst bei keiner anderen Garderobe ein so schönes Stück, wie bei dem Kleid. Also war die Wahl eindeutig. Um sicher zu gehen, schaute er es sich noch einmal genauer an.


    Diese schlichte Eleganz die davon ausging, beeindruckte den Almanen umso mehr, als er das Band in den Hnden hielt. Es war schwarzes Leder, dünn und dennoch weich. Wie er es richtig einschätzte, würde es sich beim Anlegen sanft um den Hals schmiegen und kaum weiter spürbar sein, so wie sich zumindest das Leder anfühlte. Zudem war die kleine Brosche, welche an der Vorderseite, also gegenüber des Verschlusses, angebracht war, klein und unauffällig. Dennoch mutete er äußerst schön an und die Details waren einfach hübsch anzusehen. Mit einem zufriedenen Nicken schließlich stapfte der junge Mann zurück in die Werkstatt des Schneiders, wartete dort geduldig bis dieser fertig mit der Reparatur war.


    Zu seinem Glück nahm das nicht mehr all zu viel Zeit in Anspruch und zufrieden verließ er die Schneiderei, wobei das Band in seiner Manteltasche verschwunden war. Natürlich bezahlt. Allgemein hatte ihn alles zusammen einiges an Geld gekostet, es wurde also auch wieder Zeit, sich seine eigenen Ziele zu setzen, sich Geld zu verdienen. Emilia hatten mit diesem Schritt schon begonnen, worüber Dimicus tatsächlich etwas wie Stolz empfinden konnte. Natürlich war es nicht wirklich eine Arbeit, die gut bezahlt oder wirklich angenehm war, aber sie lernte was es hieß, Geld für das zu bekommen, was man tat. Eine sicherlich neue, aber bestimmt lehrreiche Erfahrung, so konnte er denken.


    Seine nächsten Ziele standen schon fest und er schlenderte beinahe automatisiert dorthin, während seine Gedanken zu schweifen begannen. So wunderte er sich, warum es ihn erfreute, dass Emilia sich entwickelte und er es genoss, sie wachsen zu sehen. Alle Erfahrungen, Worte und Gedanken, ihre Taten, all das ließen sie allmählich zu einer Frau heranwachsen die niemanden brauchte und unabhängig von allem war. Er erinnerte sich noch zurück, als sie das erste Mal durch die Stadt gingen und er auf dieses kleine, umherhüpfende Wesen aufpassen musste. Es war nicht lang her, doch es fühlte sich wie schon eine ganze Weile an, dass sie ihn begleitete und er auf sie Acht gab. Ein Bild vor seinem inneren Auge tauchte auf, wie sie im Wald waren, bevor dies mit den Wölfen geschah, sie beinahe überglücklich lächelte und vollkommen frei war. Sie war so schön.


    Lächelte er etwa? Die Augen des Jünglings weiteten sich, als er zurück in der Realität und an seinem Ziel fast angekommen war. Tatsächlich, er lächelte! Sofort wurde er rot und vergrub sich noch weiter unter seine Kapuze, dieses seltsam angenehme Gefühl wenn er an sie dachte ... es war beinahe unheimlich. Ihm grauste es. Augenblicklich drängte er es beiseite und fokussierte mit aller Kraft seine Gedanken in eine andere Richtung – auf die vor ihm liegenden Aufgaben. Denn schon bald offenbarte sich nur für seine Augen ein Versteck, einen toten Briefkasten. Lässig wirkend lehnte er sich in einiger Entfernung gegen eine Wand und schaute genau, was in der Umgebung war.


    Sein übliches Prozedere startete, denn bevor er zu einem seiner toten Briefkästen ging, untersuchte er immer genaustens alles, was sich bewegte. Aus sicherer Entfernung, verstand sich. Wie sie die Leute darum bewegten, wie sie reagierten und wohin sie schauten. Ob sie gezielt auf das Versteck oder auf ihn achteten, ob sich etwas in der Architektur, an herumstehenden Gegenständen oder aber sich gar gänzlich Teile seines Verteckes verändert hatten. Doch da dies nicht der Fall war und er somit eine Falle oder Manipulation ausschließen konnte, näherte er sich dem Versteck. Argwöhnisch und aus der Kapuze hervor, lugte er noch einmal zur Sicherheit durch seine Umgebung und in dem Moment als er sich sicher fühlte, begab er sich hinter einem Gebüsch, direkt vor der Mauer.


    Mit wissenden und geschickten Handgriffen entfernte er ein paar Steine, legte sie sachte beiseite um den Inhalt des Versteckes inspizieren zu können. Sein Blick allerdings verlief ins Leere, niemand hatte eine Nachricht hinterlassen oder einen Auftrag erteilt. Zwar hatte er noch einen Auftrag, aber sich selbst zu töten würde ihm nicht viel bringen. Zumal ihm in diesem Moment noch einfiel, dass er die Sache mit Wilfried bald noch zu einem Ende bringen und somit Emilia die endgültige Freiheit schenken wollte. Auf alle Fälle waren es somit nur noch zwei tote Briefkästen die er untersuchen musste, um potentiellen Aufträgen und Kunden nicht zu entgehen.


    Also folgte er weiter diesem Muster, um seine Sicherheit zu gewährleisten und dabei entsprechend seine Kontaktmöglichkeiten zu überprüfen. Nicht dass ein Kunde auf sein vollkommen individuelles Kunstwerk zu warten hatte. Allerdings blieb auch der zweite Briefkasten leer, was es wohl nur hoffen ließ, dass er im dritten und somit letzten Briefkasten eine Botschaft finden würde. Inklusive Bezahlung, verstand sich. Neben dem zweiten Briefkasten, der sich unter einem ausgehöhlten Stein nahe der Stadtmauern befand, verbarg schließlich doch nur der Dritte die erhoffte Nachricht. Vorsichtig griff er dort zwischen mehreren Brettern hindurch, die ein Fenster versiegelten, welches zu einem der verlassenen Häusern gehört. Schnell bekam seine Hand etwas zu greifen, was sich wie Papier und ein Säckchen anfühlt.


    Mit ein wenig Fingerspitzengefühl zog er schließlich das Objekt seiner Begierde hervor und brachte es ans Tageslicht. Schon zuvor fühlte er die Schwere des Säckchens, was auch fleißig vor sich hinklimperte. Gerade hatte er es herausmanövriert, da spürte er eine Hand auf seiner Schulter. "Hab ich dich.", hauchte es leise in sein Ohr. Sofort griff seine Rechte, in einer für seinen Arm noch ungesunden Geschwindigkeit, unter seinen Mantel, ehe er herumwirbelte und in das breit grinsende Gesicht Shazeems blickte. In seinen graublauen Augen lag Arglist und ein Funkeln, dass nur zu gut verriet, was der Tamjid als nächstes sagen würde.


    "Oh, willst du etwa einen alten Freund umbringen, Dimicus?", sagte Shazeem mit einem breiten Grinsen, als er das Aufblitzen des Dolches sah. Währenddessen verfinsterte sich der Blick des Künstlers nur umso mehr, auch wenn die Überraschung groß und die Verwunderung noch größer war. Woher kannte er seinen echten Namen. Doch er schwieg. "Keine Sorge, ich verrat's keinem.", meinte der Tamjid aber schließlich ruhig. In seiner Mimik und Gestik erkannte der junge Mann keine Lügen, genau so wenig wie eine Absicht ihm feindseelig gegenüber zu sein schien.


    Sehr misstrauisch blickte Dimicus den Älteren vor ihm an, ließ sein Dolch nicht sinken und jederzeit bereit, zuzustechen. "Jetzt entspanne dich.", ermahnte ihn Shazeem. "Ich will dir wirklich nichts tun. Wir sollten weitergehen, bevor wir Aufmerksamkeit auf uns ziehen." Damit hatte er einen guten Punkt, womit die Hand Dimicus' wieder unter dem Mantel verschwand. Doch nicht sichtbar umklammerte er seine Waffe noch immer, verstaute schließlich Auftrag und Bezahlung in seiner Umhängetasche. "Wie?", fragte er nur knapp, blickte seinen alten Lehrmeister gar nicht dabei an, sondern fixierte sich auf die einsetzende Abenddämmerung.


    Die Beiden gingen, wie normale Bürger durch die Straßen, auch wenn ihre Kleidung unüblich schien. Nur mit einer Geste deutete er an, was er sagen wollte. Mit einem Finger zeigte er nach oben und Dimicus verstand sofort. Die Dächer. Verdammt. Für sein Alter war er noch sehr geschickt und agil unterwegs, dass musste man ihm lassen. "Ich beobachte dich schon eine ganze Weile. Tut mir leid, es war aber zu offensichtlich, dass diese "kunstvollen" Morde genau mit deinem Auslernen aus meiner Hand begannen. Du nutzt meine, nein, die Kunst der Diebe, um dir einen Vorteil in deiner Kunst zu verschaffen. Cleveres Bürschchen.", erklärte er leise, durchaus darauf achtend, dass ihnen niemand zuhören konnte. "Natürlich habe ich Nachforschungen angestellt und eines muss man dir lassen: Du hast deine Spuren verdammt gut und fast nicht auffindbar verwischt. Doch du hast nicht bedacht, dass du hinter dir aber dennoch eine Spur von Ereignissen herziehst, die viel zu zufällig sind. Angefangen bei den Schausteller, bis hierher in diese Stadt. Was davor geschah, keine Ahnung. Es brauchte aber viel Mühe und jahrelange Recherche aus Quellen, die nur extrem wenige haben." Das konnte nicht sein! Was ... hatte er es etwa ... vollkommen übersehen? Doch Shazeems Worte ergaben Sinn. Keine Zweifel, seine Kunstwerke imponierten vielleicht, waren aber leicht zu sehen und noch leichter in eine Reihenfolge zu bringen.


    Fast unhörbar seufzte Dimicus, tatsächlich hatte es jemand geschafft. Jemand hatte es geschafft auf seine Fährte zu bekommen. Dennoch beruhigte es ihn ungemein, dass es Shazeem war. Dieser Mann war einer der Diebe, deren Gabe Dinge und Personen aufzuspüren beinahe legendär war. Zum Glück, war er kein Dieb und nicht Teil der Stadtwache. "Was willst du nun, Shazeem?" Die Stimme Dimicus' klang trocken, geschlagen. Er grinste breit. "Gut dass du fragst! Doch nicht hier, wir besprechen das in der Taverne. Ich habe noch etwas zu erledigen, du geh deinen Wegen nach. Wir sehen uns nachher. Pass auf dich auf." Damit klopfte der Tamjid dem jungen Mann auf die Schulter, der stoßartig ausatmete. Er hatte gar nicht gemerkt, dass er die Luft angehalten hatte.


    So schnell war es also gegangen und er hatte davon nichts mitbekommen. Shazeem hätte ihn einfach verraten können, das beträchtliche Kopfgeld kassieren und sich im Rume laben können. Doch er hat es nicht getan. Dimicus wusste, wenn sein alter Lehrmeister dies tat oder besser nicht tat, dann hatte er noch größeres vor. Die Frage war jedoch, würde es auch Dimicus gefallen, Teil der Pläne des alten Mannes zu werden. Dessen war sich der Künstler noch unsicher und so wie er Shazeem kannte, plante er stets in einem riesigen Ausmaß.


    Nicht sofort kehrte Dimicus zurück, zu sehr war er in Gedanken und musste darüber reflektieren, was passiert war. Etwas stimmte nicht, zumal er den Auftrag gelesen hatte. Er sollte einen bestimmten Bettler töten und mit ihm ein Zeichen setzen. Doch warum? Nicht dass Dimicus es ausschlagen würde, seiner Kunst nachzugehen, doch er verstand den Sinn nicht. Genau so wie Shazeem war auch der Auftrag vollkommen diffus. Es gefiel dem jungen Manne nicht, irgendwas ging vor sich, was sich ihm noch entzog. Beim Schlendern jedoch traf er auf einen Stand für Süßigkeiten der schließen wollte, dort kaufte er aber im letzten Moment noch eine Tüte mit Kakobohnen für Emilia ein. Sie naschte ja gern, vor allem gern Kakao. Hin und wieder sollte sie ja mal auch etwas Gutes bekommen.


    Zurück im Versteck schließlich, erschlug ihn beinahe die Wärme, die das komplette Gegenteil zur Nachtluft darstellte. Zudem spürte er, wie ihn dieser Spaziergang, das Laufen und noch dazu die Emotionalität vollkommen die Kräfte raubten. Eine nicht wirklich gute Kombination mit seiner Verletzung, doch blieb ihm nicht viel übrig. Zudem hatte er kaum getrunken oder gespeist, was er noch in dem unterirdischen Gasthaus nachholte. Mit reichlich gefülltem Teller sowie Kelch, setzte er sich in einer der ruhigen Ecken des Raumes und genoss es, wieder etwas zwischen die Zähne zu bekommen. Erstaunlich wie gut etwas plötzlich schmecken konnte, wenn man seit einer gewissen Weile nichts mehr gegesssen hatte.


    Lang Ruhe hatte er allerdings nicht, denn schon bald kehrte auch Shazeem wieder in die Zuflucht, steuerte direkt auf Dimicus zu und nahm beim ihm Platz. Grinste bis über beide Ohren. "Guten Hunger!" Dimicus nickte nur. "Also, hast du den Auftrag gelesen?" Eine Augenbraue des jungen Mannes zog sich nach oben, war er etwa ... ? "Ich habe den Zettel und das Geld hineingelegt. Hör zu, es ist eine einfache Sache. Bringe es zu Ende, dann reden wir weiter." Nun verstand der Künstler gar nichts mehr. "Bitte was? Warum denn einen Bettler?" Das Grinsen des Tamjids verschwand sofort, nachdenklich legte er den Kopf schief. "Du hast ihn dir noch nicht genauer angesehen, oder? Nicht so wichtig. Folgendes. Er ist ein .... sagen wir Feind von mir – von uns. Er muss weg und an ihm muss ein Exempel statuiert werden. Ist doch ganz simpel und einfach, oder?" Der Blick des Künstlers verfinsterte sich, als er einen weiteren Bissen nahm. Einige Momente der Stille, dann fragte Dimicus: "Die Diebesgilde?" Belustigt schüttelte Shazeem mit dem Kopf. "Du denkst zu klein, Junge. Mache es und ich erzähle dir mehr. Du wurdest dafür bezahlt, also erwarte ich auch eine Leistung." Eine weitere Minute des Schweigens und Nachdenkens. "Dann soll es so sein.", sprach Dimicus am Ende trocken, blickte den Tamjid nur an. "Na geht doch, ich wusste wir werden uns einig. Wenn du fertig bist, suche mich auf. Ruhe du dich aber erst einmal aus, ich brauche dich in einem Stück. Gute Nacht."


    So angespannt, ernst und vor allem konzentriert hatte der Künstler seinen alten Lehrmeister noch nie gesehen. Er lag also gar nicht so falsch damit, dass noch etwas Großes anstand. Vor allem so geheimnistuerisch. Er würde wohl den Bettler beschatten müssen, um etwas darüber herauszufinden. Letztendlich wollte er sich nicht in etwas verwickeln lassen, was es nicht für ihn zu begreifen galt. Sein Bauch sagte ihm, dass er es besser nicht tun sollte. All diese Umstände, dann auch noch seine spontane Entlarvung durch Shazeem, es gefiel ihm nicht. Seine oberste Prorität war es, Emilia zu beschützen und aus den Fängen ihrer Familie endgültig zu befreien. Nichts anderes. Mit diesem Gedanken endete schließlich auch seine Mahlzeit.


    Müden Schrittes machte sich der junge Mann schließlich auf den Weg in sein Zimmer. Doch kurz bevor er es betrat, fiel ihm ein, dass er Emilia noch gar nicht gesehen hatte. Schlief sie schon? Langsam und vorsichtig öffnete er die Tür, sah sie tatsächlich schon in dem Bett ruhen. Wenn auch noch angezogen, sie wirkte aber sehr erschöpft und müde. Wohl kaum würde sie zudem durch Geräusche aufwachen, doch aus Gewohnheit schlich er in das Zimmer, zog sich zuerst Mantel und Handschuhe aus, wobei de die Tüte Kakaobohnen und das Lederband auf die Kommode platzierte. Dort lag auch das Notizbuch, instinktiv griff er danach und tatsächlich fand er eine Nachricht an ihn gerichtet darin.


    Auch wenn ihn die ersten Worte bezüglich ihres Vaters verletzten, so konnte er sie auf eine gewisse Ebene verstehen. Dimicus hatte seine eigene Familie an einen Barbaren verloren, nur hatte er sich seine Rache geholt und zeitgleich bewiesen, dass Töten kein Frevel sein muss, wenn man den Toten in Ehren hält. Seine Kunst tut doch genau das! Doch er beschäftigte sich nicht weiter damit, sondern griff zum Stif und schrieb:

    Guten Morgen Emilia,


    ich denke wenn du das liest, werde ich noch schlafen und du bereits wach sein. Wie dem auch sei, ich möchte nur kurz etwas dazu sagen, was du zuerst geschrieben hattest.
    Die Zeilen an deinen Vater, ich habe sie nicht gelesen. Im Gegenteil. Als ich merkte, dass die Worte nicht an mich gerichtet sind, habe ich sie ruhen lassen. Es sind deine Gedanken und respektiere sie. Genau so wie ich es akzeptieren muss, dass du mich für die Tat an ihm hasst und nie wirklich mögen wirst. Ich weiß wie es ist, wie du bereits wissen dürftest. Ich kann dich nicht zwingen zu verstehen, genau so wenig mich zu mögen oder zu respektieren. Es bleibt bei dir.


    Meine Gefühle – es ist schwer zu beschreiben. Ich fühle mich in deiner Nähe wohl, was letztendlich der ausschlaggebenste Faktor dafür war, dass ich meine Gefühle wie sonst nicht einfach unterdrücken konnte. Ob ich es bereue? Nein.


    Tatsächlich habe ich dich beobachtet und du machst dich trotz deines Nachteils ziemlich gut. Mach nur weiter so, ich weiß, dass du es schaffst. Wenn du mit irgend einem der Jungs wegen ihrer Profession Ärger bekommst – sag es mir einfach.


    Ich bin stolz auf dich, Emilia.


    Mein Tag bestand größtenteils nur daraus, umherzulaufen und einige Dinge zu besorgen. Informationen zu sammeln und endlich mal meine Rüstung zu flicken, nachdem was passiert ist. Die nächsten Tage werde ich bei etwas wohl sehr eingespannt sein, du musst mir verzeihen dir nichts darüber erzählen zu können. Ich bin mir selbst noch nicht sicher, was es sein wird, ich bin aber auf der Hut.


    Genieße den Arbeitstag, du wirst dich noch daran gewöhnen und schon bald besser klarkommen. Versprochen.


    Habe dir noch Kleinigkeiten aus der Stadt mitgebracht, ich dachte mir, dass sie dir gefallen könnten.


    Geöffnet mit diesen Zeilen legte er das Buch auf die Kommode, direkt vor die Sachen die er für sie mitgebracht hatte. Müde entledigte er sich daraufhin seiner Rüstung, wankte nun fast mehr in Richtung des Bettes. Doch störte ihn noch, wie Emilia dort schlief. Vorsichtig knüpfte er ihr die Stiefel auf, um zumindest diese außerhalb des Bettes zu haben, dabei wachte sie wohl in einem halbwachen Zustand auf, den er nur mit einem warmen Lächeln beantwortete. Es dauerte auch nicht lang, so legte er sich neben sie nieder und schlief recht schnell ein. Der Tag hatte seinen Tribut gefordert und er dachte nicht einmal ansatzweise darüber nach, dass er sich gerade einfach neben Emilia gelegt hatte.

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  • Emilia erwachte von einer Berührung an ihrer Seite. Müde blinzelte sie zwischen ihren Wimpern hervor. Im Raum war es jedoch vollkommen dunkel, und sie konnte nicht viel erkennen, so dass sie einen Moment aufzuschrecken drohte und hastig nach Luft schnappte.
    Der sie umgebende Geruch war ihr jedoch nicht völlig unvertraut und sie entliess ihren Atem mit einem befreiten Seufzen.
    Kaum hatte sie sich etwas beruhigt, realisierte sie jedoch wiederum die warme Berührung an ihrem Arm, welche von seiner Hand stammte, die sich im Schlaf auf ihre Seite verirrt hatte. Dimicus war also zurückgekehrt. Vorsichtig drehte sie sich leicht in seine Richtung und sog bewusst seinen Duft in ihre Lungen hinein. Sie verspürte Erleichterung, als sie weder Farb- noch Blutgeruch an ihm wahrnehmen konnte.
    Vielleicht musste er ja gar nicht wieder töten. Er könnte einem gewöhnlichen Handwerk nachgehen, oder sich als Künstler verdingen.
    Sie erinnerte sich an die beiden Gemälde auf der Kommode zurück. Eine davon war aus seinem eigenen Blut erschaffen. Er hatte ihr die Wunde gezeigt, von der es stammte.
    Obwohl Emilia es niemals zugegeben hätte, zogen seine Narben sie wie magisch an. Am liebsten hätte sie ihn berührt, doch dann bewegte er sich und sie zuckte zurück.
    Was tat sie hier eigentlich? Und warum hatte er sie nicht aufgeweckt? Er wusste doch, dass sie nicht so neben ihm in einem Bett schlafen konnte. Sie war doch verlobt!


    Kurz darauf hatte sie sich vorsichtig aus dem Bett hochgeschält. Noch immer konnte sie nichts erkennen ausser einem ganz leichten Flackern, das unter dem Türspalt zu erkennen war. Die Lampe in ihrem eigenen Zimmer war bereits lange zuvor mit einem Zischen erloschen.
    Die Gestaltwandlerin fühlte sich inzwischen ganz und gar nicht mehr müde, ausserdem wusste sie nicht, wo sie hätte schlafen sollen. Vorsichtig öffnete sie die Tür und spähte hinaus. Der Flur lag einsam vor ihr. Noch im Raum drin verwandelte sie sich, liess ihre Kleidung auf dem Boden zurück und zwängte sich nach Draussen. Schliessen konnte sie die Tür so nicht mehr, doch sie würde ja nicht lange unterwegs sein. Nur ein wenig die Beine vertreten.


    Ohne ein besonderes Ziel vor Augen zu haben trippelte sie schliesslich los. Einige der Fackeln waren erloschen, was darauf hindeutete, dass der Morgen bereits nahte, doch manche spendeten noch Licht, so dass die Katze mit ihrem scharfen Blick sich problemlos zurechtfinden konnte.
    Eine Gestalt kam ihr entgegen, es war ein dunkel gekleideter Mann, vermutlich einer der Diebe, der von seinem Handwerk zurückkehrte. Emilia drückte sich in den Schatten hinein, wusste sie doch nicht, wie er auf unerwartete Herumstreuner zu sprechen war. Er ging jedoch vorbei, ohne sie zu bemerken. Auf seinem Gesicht konnte sie ein zufriedenes Grinsen ausmachen. Er hatte wohl eine erfolgreiche Nacht hinter sich.


    Emilia lief durch die Gänge und verfolgte sogar eine Maus, welche sich jedoch durch eine Ritze in der Wand retten konnte. Etwas pikiert ab ihrem Misserfolg, wandte sie sich um und starrte in ein gelbes Augenpaar. Im selben Moment spürte sie ein Gefühl in sich aufsteigen, das eindeutig nicht das ihre war – eine Mischung aus territorialem Misstrauen und männlichem Interesse.
    Es war der schwarze Kater Gregorius, dem sie am frühen Abend bereits zusammen mit Mirco über den Weg gelaufen war.
    Sie konnte seine Empfindungen fast genauso wahrnehmen, als ob es ihre eigenen gewesen wären. Irritiert starrte sie ihn an und überlegte, was das zu bedeuten hatte.
    Dann erinnerte sich Emilia daran, dass sie auch einmal geglaubt hatte, die Todesangst einer Beute zu fühlen, und es jedoch als Einbildung abgetan hatte. Doch offensichtlich war dem nicht so.
    Vielleicht war sie ihm gegenüber empathischer, weil er ebenfalls eine Katze war und keine kleine Maus? Und ob sich alle Tiere auf diese Weise spüren konnten?
    Die Gedanken überschlugen sich in ihrem Kopf. Erst eine ungemütliche Anspannung, welche sich zwischen die beiden Katzenwesen geschlichen hatte, liess sie aufmerken. Sie hatte ihn die ganze Zeit über angestarrt, was er mit demselben herausfordernden Blick beantwortet hatte.
    Schnell wandte sie die Augen ab, um ihm Friedfertigkeit zu demonstrieren. Offensichtlich verstand er ihre Geste, denn er näherte sich mit gespitzten Ohren und stolzierte einmal um sie herum. Schliesslich trippelte er davon, nur um sich bei der nächsten Ecke nach ihr umzusehen. Emilia konnte seine Erwartung fühlen und so ging sie ihm neugierig hinterher.
    Gregorius marschierte vor ihr her und führte sie schlussendlich – zum Schankraum.
    Der schwarze Kater war in den mittleren Jahren, doch sein Fell noch immer kohlrabenschwarz. Er war etwas grösser gebaut als Emilia. An seinem Ohr erkannte sie eine Narbe, die wohl von einem Kampf stammen mochte.
    Ihre innere Katze schnurrte zufrieden, ihr gefiel der Herr offensichtlich.


    Plötzlich blieb Gregorius vor einer Tür stehen und an seinem Verhalten konnte sie erkennen, dass er laut zu miauen begann.
    Es dauerte nicht lange, da schoss die Pforte auf und ein dicker Mann mit weisser Schürze kam beinahe schon herausgerannt. Das musste der Koch sein.
    Sogleich begann er Gregorius zu flattieren, was dieser kurz hinnahm, dann jedoch mit einem hoheitlichen Blick zu seinem Freund schaute.
    „Ich bringe Dir gleich was, du Schlawiner!“, er wollte sich gerade abwenden, da bemerkte er die Tigerkatze.
    „Na wen haben wir denn da? Gregorius, hast du etwa ein Mädchen mitgebracht? Na komm her Süsse, komm zu Onkel Pete!“, er schnalzte mit der Zunge und sein rundes gerötetes Gesicht strahlte vor Freude, als Emilia vorsichtig näherkam und sich von ihm durchs Fell streicheln liess. Langsam schien sie Gefallen daran zu finden sich von Menschen liebkosen zu lassen.
    „Was für n fesches Mädel du doch bist. Da hat Gregorius eine gute Wahl getroffen, hm?“, lobte er sie, bevor er in die Küche davonwuselte und kurz darauf mit einem Teller voller duftender Fleischreste zurückkehrte, fein geschnitten in passende Häppchen.
    Wie ein Gentleman wartete Gregorius, bis sie angefangen hatte zu fressen, bevor sie beide in Eintracht nebeneinander futterten.
    „Ach, ich glaub, unser Gregorius hat sich verknallt!“, grunzte Pete glücklich, bevor er wieder mit einem Schmunzeln in der Küche verschwand, um das Essen für die hungrige Räubermeute vorzubereiten.


    Der Kater hatte sie bis zu ihrem Zimmer zurückbegleitet. Dort hatte sie überlegt, wie sie ihm zu verstehen geben sollte, dass das ihr Territorium war, doch als hätte er ihre Gedanken ebenfalls wahrgenommen, blieb er stehen und liess sie durch die Tür entschwinden, bevor der dunkle Schatten in den Gängen untertauchte.
    Emilia war gut gelaunt, die Begegnung und der frühmorgendliche Snack hatten ihre Stimmung wieder deutlich gehoben.
    Ihr Blick blieb als Erstes an Dimicus hängen, der nur seine Hose anhatte, während er gerade dabei war, seine Stinkesalbe auf die Wunde am Oberarm zu schmieren. Schnell wandte sie den Blick ab als sie realisierte, wie sie seine Narben fixierte.
    Der Raum war einfach zu klein! Wie sollte sie sich hier verwandeln?
    Sie schnaubte empört. Schliesslich hüpfte sie aufs Bett und fauchte Dimicus an, als er sie dabei beobachtete.
    Danach schlüpfte sie schnell in das Hemd und in die Hose, alle restlichen Kleider packte sie zu einem Bündel zusammen, dazu bereit, sie zum Waschen mitzunehmen.
    Sie müffelten schon, genau wie sie selbst!
    Dimicus war noch immer von ihr abgewandt und mühte sich mit dem Verband ab. Sich diesen einhändig umzulegen, war wahrlich eine Kunst. Belustigt beobachtete sie, wie ihm die kleine Rolle zu Boden kullerte und dort in einem Knäuel liegen blieb.
    Bevor er reagieren konnte, bückte sie sich danach und trat dann neben den jungen Mann. Die Salbe stach ihr scharf in die Nase und überdeckte alle anderen Gerüche. Unwillkürlich dachte sie an die Worte von Gunhilde zurück, verdrängte sie jedoch schnell wieder.
    Dann griff sie nach Dimicus Arm und beorderte ihn in eine gestreckte Position. Sie erwischte sich dabei, wie sie ihre Hand etwas länger als nötig auf seiner Haut beliess, bevor sie vorsichtig begann, den Verband um die Wunde zu wickeln und schlussendlich zu befestigen.
    Zufrieden begutachtete sie ihr Werk und nickte ihm dann zu.


    Sie wollte gerade nach ihrem Kleiderbündel fassen, als sie ihr Notizbuch bemerkte, sowie seine Mitbringsel, die offen danebenlagen. Sie blickte ihn fragend an, und als seine Geste ihr bedeutete, dass es für sie bestimmt war, griff sie strahlend nach den Kakaobohnen, um davon zu naschen.
    Genüsslich kauend bot sie ihm die Tüte mit den Leckereien ebenfalls an, bevor sie sich das Notizbuch schnappte und zu lesen begann. Irgendwie freute sie sich darauf seine Worte zu lesen. Noch lieber hätte sie diese allerdings gehört.
    Ein leichtes Misstrauen blieb zurück, als sie seine Behauptung las, das Schreiben an ihren Vater nicht gelesen zu haben. Ob er log?
    Nun, die Wahrheit war, dass er sie gar nicht dazu zwingen musste, ihn zu mögen. Auch so fühlte sie sich in seiner Gegenwart die meiste Zeit über wohl, wenn er sich nicht gerade nachts unsittlich neben ihr ins Bett schlich oder mit Blut an den Händen von seinen Ausflügen zurückkehrte.
    Umso mehr freute es sie, dass er stolz auf sie war. Es war ein seltsames Gefühl zu wissen, dass jemand Stolz für sie empfand. Selbst ihr Vater hatte ihr dies nur selten offen eingestanden.
    Von seinem Tag wollte er ihr also nichts erzählen. Einen neuen Auftrag also?
    Sofort runzelte sich ihre Stirn beim Lesen und sie blickte ihn misstrauisch über die Seiten hinweg an. Hoffentlich nicht das, was sie ahnte. Sie musste gut darauf achten, wie er sich verhielt.
    Vielleicht konnte sie ja erkennen, dass er sich auf einen Mord vorbereitete? Doch… wie bereitete man sich überhaupt auf solch eine Tat vor?
    Und was meinte er damit, auf der Hut zu sein? War er in Gefahr?


    Schliesslich erwähnte er die Kleinigkeiten aus der Stadt und Emilias Blick fiel nun auf das schwarze Lederband. Sie warf ihm einen fragenden Blick zu, und nahm es dann behutsam in die Hand. Ihre Finger befühlten das weiche Leder und die kühle Brosche. Ein Geschenk für sie! Eine Katze?
    Sie lächelte.
    Hatte er also vielleicht doch ihr Schreiben gelesen oder war es bloss ein Zufall?
    Als sie sich zu ihm umwandte, konnte er die Freude in ihren Augen aufblitzen sehen.
    Schnell trat sie zu ihm hin und legte ihm die Kette in die Hand, dann drehte sie ihm den Rücken zu und hob ihre Haare an, so dass ihr Nacken frei lag.
    Wie er es bereits vorhergesehen hatte, spürte sie das Band kaum um ihren Hals. Die Brosche hingegen lag noch kühl auf ihrer Haut.
    Mit einem Strahlen in den Augen wandte sie sich zu ihm um und präsentierte ihm das hübsche Schmuckstück mit einem Lächeln und einem neckischen Knicksen.
    Im nächsten Moment konnte sie sich jedoch nicht mehr zurückhalten, und er sah sich in ihrer Umarmung wieder. Ganz kurz nur spürte sie die Wärme seines Körpers und atmete den Geruch seiner Haare ein, dann liess sie ihn auch schon wieder los. Mit roten Wangen schnappte sie sich ihr Kleiderbündel und ohne ihm noch einmal in die Augen zu sehen huschte sie zur Tür hinaus, noch bevor er sich von seiner Überraschung erholen konnte. In den Augenwinkeln funkelten versteckte Tränen, doch sie konnte selbst nicht genau sagen, woher sie rührten – ob aus Freude über sein Geschenk, oder weil es Erinnerungen an ihre Vergangenheit in ihr hervorrief.

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  • Durch sein doch relativ frühes Zubettgehen wachte Dimicus, eigentlich unüblich für ihn, eher auf als gewohnt. Natürlich konnte er nicht exakt sagen, wie spät es war, so war es im Untergrund doch schwieriger die genaue Uhrzeit auszumachen. Doch seine innere Uhr verriet ihm, dass es nicht später als Sonnenaufgang war. Das erste was ihm aber wiederum auffiel, war das doch sehr auffällige Fehlen Emilias. Mit noch müden Augen setzte er sich auf und blickte sich um, nur ihre Kleidung war zu sehen, genau so wie die Tür einen Spalt geöffnet war. Vermutlich streunte sie in diesem Moment als Katze durch die unterirdischen Gänge. Umtriebig, wie sie war, aber sie war noch so jung, genau wie er. Wirklich verwunderlich war es also nicht.


    Schließlich erhob er sich auch gänzlich und streckte sich vorsichtig, wobei er schon bemerkte, dass die Schmerzen seiner Wunde allmählich nachließen. Dennoch verspürte er eine gewisse Schwäche und aber auch Vorsicht, mit der er den Arm bewegte. Eine natürliche Barriere, damit er sich nicht zu überanstrengen vermochte. Langsam krabbelte er über das Bett auf die Bettkante zu, um sich schließlich auf diese zu setzen. Mit einem schnellen Griff zu seiner Tasche, zog er nun auch noch einige neue Verbände hervor, inklusive der Salbe und ein sauberes Tuch. Genau in diesem Augenblick fiel ihm auch ein angenehmer Duft im Raume auf, besonders auf der Seite Emilias, auf der er nun saß. Natürlich hatte die junge Frau schon ein paar Tage nicht mehr gebadet, doch ihr eigener Duft lag noch immer im Raume. Unbewusst schnupperte er kurz und etwas in ihm sagte, dass es ihm gefiel. Doch nur am Rande und ohne seine wirkliche Kenntnisnahme.


    Nachdem er alle Materialien bereit gelegt hatte, so entkleidete er seinen Oberkörper und nahm sich einmal mehr den Verband ab. Vorsichtig entfernte er die Reste der alten Salbe von der Wunde, nur um sie ein weiteres Mal zu betrachten. Zu seiner Überraschung, begann sie schon gut abzuheilen und die sonstige Schwellung der Wundränder waren mittlerweile zurückgegangen. Die Salbe vollbrachte also ohne Probleme ihre Arbeit und half wirklich gut, um zu seinem Wohl beizutragen. Zufriedenen nickte er darauf, nahm sich zwei Fingerkuppen von der Salbe und verteilte sie gründlich auf der Wunde. Dabei kam er aber nicht umhin, einen Schatten vor dem Türspalt zu bemerken. Zu klein für einen Menschen und es war eindeutig, wer es war, was ihm auch schon im nächsten Moment bestätigt wurde.


    Emilia schaute ihn mit ihren grünen und zugleich interessanten Augen an, was ihm ein sanftes Lächeln abverlangte. Anfangs beachtete er sie aber schließlich nicht weiter, so kümmerte er sich weiter um seine Wunde, ehe die junge Katze neben ihm auf das Bett sprang, ihn anfauchte. Zugegeben, der Künstler kam nicht umher die Augen zu verdrehen, natürlich außerhalb des Sichtfeldes der jungen Frau. Sehr schnell wurde auch das Bett auf dem er saß deutlich beschwert, als sich die Matratze deutlicher nach unten zog. Ganz einfach kümmerte er sich nur um die Versorgung seiner Wunde, als er nach dem Verband griff und ihn sich einmal mehr um den Oberarm zu legen versuchte. Seiner sonstigen Eleganz und Geschicklichkeit aber zum Trotz, entglitt ihm dabei die Rolle und fiel zu Boden. Er seufzte. Der Morgen ist wirklich nicht mein Freund.


    Gerade als seine Hand aber nach dem Knäuel greifen wollte, kam ihm eine schnelle und zierliche Hand zuvor. Mit doch etwas verwunderten Blick sah er nur noch, wie Emilia plötzlich mit neben ihm stand, den Verband in der Hand und ihn auffordern anblickend. Sein Blick war beinahe bubenhaft, vollkommen überrascht. Sehr selbstsicher sogar wies sie ihn an, in dem sie seinen Arm führte und in die Position zurechtrückte, wie sie ihn brauchte. Ein weiterer Fakt, der den jungen Mann einerseits etwas verunsicherte, aber aus ihm nicht ganz verständlichen Gründen auch gefiel. Es hatte eine seltsame Anziehung auf ihn, dass sie sich scheinbar um ihn kümmerte und sorgte. Sein Kopf legte sich schief, als er ihr Werk betrachtete, wie sie souverän ihm beim Versorgen seiner Wunde half. Ziemlich beeindruckt schaute er sie an, offenbar konnte sie schnell lernen und verstand schnell. Wie er es sich beinahe gedacht hatte. Sie mag zwar naiv sein, aber dennoch besaß sie eine sehr gute Intelligenz und Auffassungsgabe.


    So schnell und bestimmt wie dieser Moment gekommen war, so war er auch schon wieder verschwunden. Schon stand sie wieder im Raume und blickte auf die Geschenke und das Notizbuch. Zuerst fragend, doch nach seiner zunickenden Geste stürzte sie sich beinahe darauf und war vollkommen vertieft in seine Worte, während sie ganz nebenbei an den Kakaobohnen naschte. Besser sagte er ihr nicht, dass er Kakaobohnen lieber verarbeitet und in einer richtigen Tafel Schokolade verarbeitet zu sich nahm. Vermutlich würde sich das Zimmer bis unter das Dach mit den Tafeln stapeln, wenn er ihr das verraten würde. Vollkommen unschuldig kleidete er sich nebenbei an, schlüpfte in sein Hemd und in die Stiefel.


    Jedoch wurde er direkt danach von einem wahren Ausdruck von Freude empfangen, als er ihr wieder seinen Blick zuwandte. Sie hatte das Lederband entdeckt und auch wenn es ihn überraschte, dass es sie so sehr erfreute, so stahl sich nur ein warmes und zufriedenes Lächeln auf seine Lippen. Doch die Überraschung war anfangs groß, als sie plötzlich an ihn herantrat, ihm ihren von den Haaren freigelegten Nacken anbot, genau so wie das Band den Weg in seine Hände gefunden hatte. Ungläubig blinzelte er, wusste gar nicht was er tun sollte und irgendwie war es auch ihm absolut ungewohnt. All seine Sinne nahmen sie in diesem Moment wahr. Seine Augen ihren Körper, seine Ohren ihren ruhigen und dennoch hörbaren Atem, die Nase ihren außergewöhnlichen, anhaftenden Duft, so nah wie sie ihm nun war. Er schüttelte nur mit dem Kopf, als er sanft das Band nahm, mit seinen Fingern vorsichtig das Band um ihren Hals legend. Letzten Endes verschloss er es ihm ihren Hals und strich dabei unbewusst über ihren Nacken.


    Diese Sinne, dieses Interesse an ihr … wie sie sich ihm gegenüber gab. Die Zuneigung und das Vertrauen. Es ließ ihm Röte in das Gesicht steigen, zwar nur leicht, aber dennoch sichtbar. Sein Lächeln war schüchtern, die Augen suchten aktiv die ihren, als sie ihn vollkommen freudig anblickte. Erschrocken war er aber plötzlich schon, als sie sich an ihn schmiegte und ihn aus heiterem Himmel umarmte! Sie Augen wurden groß und der Atem beschleunigte sich. Die Röte war nun mehr als deutlich zu sehen, doch schaltete er schnell und erwiderte ihre Umarmung. Sie hatte sicherlich spüren könne, dass er sich darunter entspannte und die Berührung zu seiner Überraschung genoss. Es weckte etwas in ihm, etwas was er zuvor nicht kannte und doch war es nicht lang genug, um wirklich genau zu sagen was es war. Schon darauf war sie auch zur Tür heraus und verschwunden, dass letzte Mal in den kommenden Tage, dass er sie wirklich so lang zu Gesicht bekommen und mit ihr etwas machen konnte...


    Sein neuster Auftrag kostete ihm fast die kompletten folgenden sieben Tage. Vollkommen unverständlich war es anfangs, wieso er einen einfach Bettler zu seinem endgültigen Schicksal fühlen und auch noch seinem edlen Portfolio hinzufügen sollte. Natürlich wusste er, dass er in Fällen wie diesem nicht die Absichten seines Auftragsgebers zu hinterfragen hatte, allerdings sah es Shazeem nicht ähnlich, jemanden tot sehen zu wollen, es aber nicht selbst zu tun. Zumal er ein Dieb und kein Mörder war. Oder? Letztendlich kam er nicht umhin den Auftrag auszuführen, um mehr Informationen aus dem Tamjid zu bekommen. Von welcher Organisation er sprach, warum ausgerechnet ein Bettler dieser ein Dorn im Auge war und wieso er so bedeckt gesprochen hatte.


    Der erste Tag bestand daraus, überhaupt erst einmal den Bettler in der Stadt ausfindig zu machen und ihn einmal genauer zu beobachten. Dies war für den jungen Künstler natürlich eine Leichtigkeit, so war der Bettler in der vermuteten Gegend schnell auszumachen, auch wenn es etwas ungewöhnlich war, wo er sich befand. Letztendlich war es nicht ganz üblich, dass ein Bettler durch die Straßen des gehobenen Viertels lief, ohne von der Wache verwiesen worden zu sein. Oder Schlimmeres, was Dimicus Werk hätte vereitelt hätte. Diese Duldung des Mannes in dem Distrikt war schon eine Ungereimtheit, auch wenn sie nicht ganz auffällig war. Doch verdächtiger wurde es, als dieser des Abends in Richtung der Burg wanderte, dabei sich sehr misstrauisch umschaute, weswegen sich Dimicus hatte zurückfallen und verstecken müssen. Als er ihm wieder nachgehen wollte, war er verschwunden. Sehr seltsam.


    Am zweiten Tage bestätigte der junge Mann seine Theorie, wonach sein Ziel offenbar in dem Viertel der Reichen heimisch war und umherlief. Allerdings nahm er nicht einfach einen beliebigen Weg, sondern schien eine feste Route zu besitzen, die er ablief. Zumindest glich sich der Weg exakt mit dem, den er zuvor gewählt hatte. Eine weitere Anomalie in der Geschichte des Bettlers und dessen Verhalten. Aufmerksam notierte sich Dimicus die Gedanken und Theorien, genau so wie das Verhaltensmuster des Bettlers in dem Buch. Nach Erkundigungen bei der Diebesgilde und der allgemeinen Unterwelt konnte ihm niemand etwas dazu sagen, geschweige denn kannte jemand den Obdachlosen, der dort umherirrte. Oder patrouillierte?


    Sein Buch versteckte er gut vor Emilia und er war sich absolut sicher, dass sie keinerlei Möglichkeit hatte, es einzusehen oder es bemerkte. Wo er an sie dachte, was jeden Tag immer öfters geschah, so fiel ihm auch bei ihr eine Änderung des Verhaltens auf. Wenn sie nicht gerade damit beschäftigt war, zu arbeiten oder sich ihrer Pflege widmete, war sie spurlos verschwunden. Des Nachts blieb sie meist ihren Zimmer fern und war sonderbarerer Weise vollkommen woanders. Hin und wieder sahen sie sich nur, die Begegnungen blieben aber flüchtig und ließen kaum eine Zeit, um etwas zusammen zu unternehmen oder sich gar auszutauschen. So ungern er es auch sich eingestand, aber er vermisste sie und ihre Art in seiner Nähe. Umso länger sie in diesem Sein waren und er keinerlei Ahnung hatte, was sie wirklich trieb, desto öfters erwischte er sich an sie denkend. Eine … Sehnsucht nach ihr, ließ ihn sie vermissen. Dennoch aber entschied er sich dagegen, ihr nachzuspionieren oder nachzuforschen, was sie trieb. Sie brauchte ihren Freiraum und die eigene Gestaltung ihrer Zeit.


    Drei weitere Tage vergingen in diesem Muster, wobei aber Dimicus seine Herangehensweise änderte. Er war sich mittlerweile sicher, dass er dem Bettler nicht auf herkömmliche Art und Weise folgen konnte, ohne dass dieser ihn auf Dauer bemerken und sehen würde. Vor allem stets am Ende des Rundganges des Mannes, wurde dieser besonders achtsam und dem Künstler blieb nie etwas anderes übrig, als sich einfach wieder von ihm zu entfernen. Er hatte etwas an sich, was sehr suspekt und gar geheimnisvoll schien. Zuerst musste er dahinter kommen, bevor er sich ihm nähern konnte. Zum Glück war sein Arm dank der guten Pflege mittlerweile wieder gut benutzbar, was ihm den Zugang zu den Dächern ermöglichte und somit eine vollkommen andere Perspektive auf sein Ziel offenbarte. Es war nun ein leichtes, herauszufinden was es mit ihm und seinem abendlichen Verschwinden zu tun hatte. Umso überraschender war das, was er herausfand.


    Nachdem er nun auch die nächsten beiden Tage damit verbrachte, seinen Verdacht zu bestätigen, war er sich absolut sicher, unter welchen Fall dieses Ziel einzuordnen war. Der Bettler war nicht weniger als ein Spitzel der höchsten Garde Drakensteins! Diese gut ausgebildete Garde war darauf aus, das Innere der Burg, die Adligen und vor allem auch die Großherzöge zu beschützen. Der vermeintliche Bettler sammelte also Informationen, die er jeden Abend unter größer Vorsicht seinem Vorgesetzten berichtete. Vorkommnisse, verdächtige Personen und auch sein Verdacht, verfolgt zu werden. Er hatte Dimicus also bemerkt, aber nicht auf den Dächern, was ein großer Vorteil war. Doch im Umkehrschluss – welche Organisation hatte Dimicus angeheuert, um an diesem Spitzel ein Exempel zu statuieren? So viel wie er mutmaßen konnte, ging es sicherlich um eine politische Angelegenheit. Etwas, woraus sich der junge Mann bisher herausgehalten hatte, doch er wusste, dass etwas Großes auf Drakenstein zukam und er sich mit seiner Kunst daran beteiligen würde.


    Zwar missfiel es dem Künstler, dass seine einzigartigen Kunstwerke mit politischem Interesse verbunden wird, doch so gelangte sie auch größere Berühmtheit. Noch während er auf dem Dach saß und seine beiden Dolche zog, die Sonne bereits niedrig stand und der Spitzel in eine kaum bis gar nicht einsehbare Gasse einbog, schmiegte sich ein wahnsinniges Lächelns auf seine Lippen. Seine Kunst würde noch weiter über Drakenstein hinaus bekannt werden! Politik hin oder her, es würde ein Genuss werden, seine Botschaften hinaus in die Welt zusenden. Ohne länger groß darüber nachzudenken ließ er sich vom Dach aus auf den nichtsahnenden Spitzel fallen und begann sein Werk, welches wohl der erste Schritt zu etwas Größerem werden würde.


    Später nachts in dem unterirdischen Gasthaus...


    Müde und dennoch zufrieden betrat Dimicus die weitreichenden Hallen der Unterkunft für Diebe. Es war mittlerweile ruhig geworden und die meisten wohl auf ihren Streifzügen. Auch Shazeem war nicht zu sehen, nur einzelne Gestalten waren noch da und tranken meist allein ihre Bestellung auf. Auch seine Freundin Emilia war nicht irgendwo zu sehen und sie schien mal wieder zu streunen. Das gab ihm die Möglichkeit, sich von seinem Auftrag zu erholen und den Geruch des Blutes sowie seine Sachen zu säubern. Auch auf den Fluren und auf ihrem gemeinsamen Zimmer war sie nicht vorzufinden. War sie etwa draußen? Oder gar in einem anderen Zimmer? Sie hatte während der gesamten Zeit kein Wort in das Notizbuch geschrieben. Zumindest nichts neues. Es stimmte Dimicus etwas nachdenklich. Vielleicht bekam er bald wieder Gelegenheit, mit ihr in Ruhe zu reden. Insgeheim sehnte und erhoffte er es sich sogar, er vermisste sie sehr.


    Also letztendlich im Bad angekommen, säuberte er fein und gründlich seinen Körper, seine Rüstung sowie Kleidung. Wirklich baden konnte er in diesem unterirdischen Gasthaus nicht, die Mittel waren nicht so einfach gegeben und ihm blieb mehr als eine gründliche Katzenwäsche mit Seife nicht viel übrig, auch wenn er es sich gewünscht hatte. Jedoch erstrahlte seine Rüstung, sein Körper und seine Kleidung wieder in der ursprünglichen Farbe und Reinlichkeit, so wie es für seinen Standes angemessen war. Auf einen Duft verzichtete er jedoch und kümmerte sich eher darum, einfach nur vollkommen sauber zu sein. Mit einem großem Gähnen kleidete er sich schließlich grundlegend wieder ein, schnappte sich den Rest seiner Ausrüstung und kehrte ins Zimmer zurück, welches noch immer leer war. Bewusst ließ er die Tür einen minimalen Spalt offen, damit Emilia im gegebenen Fall hinein konnte. Kaum hatte er also alles verstaut, fiel er müde ins Bett und fand fast augenblicklich in den Schlaf...

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  • Für Emilia verging die Woche wie im Fluge.
    Nachdem sie sich an den ersten zwei Tagen einigermassen gut geschlagen hatte, stellte Tobaios sie nun regelmässig in der Gaststube ein. Er liess sie täglich einige Stunden arbeiten, und die junge Frau fühlte sich dadurch gebraucht und konnte stolz auf sich sein. Zudem erhielt sie gar einen kleinen Lohn.
    Dimicus sah sie hingegen wenig. Entweder war er unterwegs, oder sie selbst war beschäftigt.


    Stattdessen lernte sie die Männer, welche öfters ihre Mahlzeiten in der Taverne einnahmen immer besser kennen, und wo sie anfangs noch verspannt wirkte, wurde sie mit der Zeit lockerer. Sie zuckte nicht mehr jedes Mal zusammen, wenn jemand sie versehentlich anstiess und es war ihr nicht mehr peinlich, dass sie die Menschen nicht hören konnte.
    Sie hatte einfach immer einen Zettel und einen angenagten Stift bei sich, oder bestritt Gespräche mit Händen und Füssen.


    Und dann waren da ja auch noch Mirco und Baldwin, welche ihr mit Rat und Tat zur Seite standen. Emilia verstand sich mit den beiden Kerlen so gut, dass sie nach getaner Arbeit mit ihnen an einem Tisch hockte und ihren Blödeleien beiwohnte. Oftmals gesellte sich später auch noch Enrico dazu, welcher es sich nicht nehmen liess, ihr jedes Mal ein Küsschen auf die Wange zu geben.
    Baldwin grinste dann immer, während Mirco einen zerknirschten Eindruck machte.


    Tatsächlich war Enrico aber einfach der Weiberheld der Bude, und blickte jedem rundlichen Hintern wohlwollend hinterher.
    Jedoch intensivierte Emilia nicht nur ihre Freundschaft zu den Zweibeinern, sondern auch der schwarze Kater Gregorius schien einen Narren an der jungen Frau gefasst zu haben. Er musste schnell begriffen haben, dass die hübsche Katzenlady und das Fräulein ein und dieselbe Gestalt waren, denn sobald er sie entdeckte, liess er sie nicht mehr aus den Augen.
    Und so war es auch der schwarze Streuner, mit dem des Nachts oft durch das Gemäuer wuselte. Er kannte jeden Geheimgang, jede Nische und jedes Mauseloch. Bald wusste die junge Frau über die ganzen Abkürzungen Bescheid. Sie genoss es mit ihm Ratten zu jagen, beim Koch Leckerbissen zu ergaunern oder Verstecken und Fangen zu spielen.
    So kehrte sie oft bis frühmorgens nicht in das Zimmer zurück, und manchmal schlief sie auch eingekuschelt neben Gregorius in einer seiner etlichen Nischen ein.


    Der Morgen, als sie neben Dimicus erwacht war, hatte sich in ihr Gedächtnis gebrannt. Da sie es als Unrecht empfand hinsichtlich ihrer andauernden Verlobung, richtete sie eine der Schubladen der Kommode so ein, dass sie in Katzengestalt bequem darin auf einem Kissen schlafen konnte.
    Anfangs hatte der junge Mann es immer wieder geschafft, wenn er müde nach Hause kehrte, sein Knie an der herausgezogenen Kante anzuhauen. Inzwischen war er jedoch darauf vorbereitet und gelangte in sein Bett ohne weitere Unfälle.
    Bevor Emilia sich verwandelte, legte sie sein ledernes Halsband immer beiseite, um es nicht zu verlieren. Dabei betrachtete sie manchmal nachdenklich das kleine Amulett mit der Katze drauf und fragte sich dann, wo ihr Mitbewohner wohl gerade steckte. Sie hatte das unbestimmte Gefühl, dass er etwas ausbrütete, konnte jedoch nicht mit Bestimmtheit sagen, worum es sich handelte. Ausserdem war er gut darin unsichtbar zu werden und einfach zu verschwinden. Leider hatte Emilia auch kaum die Zeit und die Kraft, ihn zu suchen, denn die Arbeit ermüdete sie doch mehr als sie gedacht hätte.
    Trotzdem beäugte sie ihn immer unauffällig und schnupperte unwillkürlich in der Luft, wenn er in ihrer Nähe war…


    Zugleich mischte sich etwas wie Routine in ihre Begegnungen. Sie grüssten sich mit einem Lächeln und einem Nicken, und dann wandte sich jeder wieder seinem Kram zu. Irgendwie hatte es jedoch auch etwas Beruhigendes an sich, diese scheinbare Alltäglichkeit.
    Manchmal erschrak Emilia jedoch auch über sich selbst. Noch vor kurzem hatte sie in einer Villa gelebt mit ihrer eigenen Zofe, und nun arbeitete sie im Untergrund, umgeben von lauter Kriminellen. Das behütete Leben war vorbei, die Sicherheit trügerisch…


    Dies wurde ihr erst wieder so richtig bewusst, nachdem eine anstrengende Schicht zu Ende ging. Sie hatte sich erschöpft, doch mit einem Lächeln, von Tobaios verabschiedet, nachdem sie ihm dabei geholfen hatte, die sauberen Gläser zu verräumen.
    Inzwischen hatte sie auch das Geheimnis von Mirco herausgefunden, er war ein Wassermagier. Seine Zauberfertigkeit bestand darin, das Wasser entweder von den Gläsern abperlen zu lassen, oder er liess die Tröpfchen einfach verdampfen.
    Emilia bewunderte ihn für seine Fähigkeit, doch der junge Mann winkte bloss ab. Er konnte nicht viel mehr damit bewerkstelligen, da er niemals eine richtige Ausbildung genossen hatte.


    Die Füsse schmerzten sie, als die Gestaltwandlerin müde durch die Gänge schritt. Heute war viel los gewesen. Eine ganze Bande hatte für einige Nächte hier Quartier bezogen und sie hatten fleissig getrunken. Nachdem sie selbst feststellen musste, dass der Alkohol ihr nicht sonderlich gut bekam, hatte sie sich damit zurückgehalten. Stattdessen konnte sie nur den Kopf schütteln über das Gehabe der Kerle, das sie wenigstens nicht auch noch anhören musste.
    Sie erinnerte sich amüsiert daran, dass auch Dimicus bereits einmal nach Bier gerochen hatte.
    Ob er sich auch so gehen liess, wie diese Männer in der Gaststube?
    Irgendwie konnte sie sich ihn nicht auf diese Weise vorstellen, es passte nicht zu seinem ansonsten meist anstandslosen Auftreten.


    Im nächsten Moment bog sie um eine Ecke und prallte hart gegen einen Körper.
    Der Atem wurde ihr aus der Lunge gepresst und sie japste erschrocken auf. Ihr Gegenüber starrte sie grinsend an und schien überhaupt nicht überrascht zu sein. Vermutlich hatte er ihre Schritte bereits von Weitem vernommen. Oder er war zu besoffen, um überhaupt noch einen Schrecken zu verspüren, korrigierte sich Emilia, als ihr seine Alkoholfahne entgegenwehte.
    Schnell trat sie einen Schritt zurück und wollte an ihm vorbeigehen, doch da packte seine Hand sie grob am Arm.


    Emilia erstarrte in der Bewegung zur Salzsäule. Mit einem Ruck zog der Kerl sie zu sich heran und die junge Frau fand sich in seiner Umarmung wieder. Jetzt begannen ihre Instinkte zu reagieren und sie stemmte abwehrend ihre Hände gegen seine Brust. Doch trotz seines Alkoholpegels hatte der Kerl einen eisernen Griff. Während er sie um die Taille herum an sich gezogen hatte, fuhr seine zweite Hand durch ihr weiches Haar. Emilia hämmerte mit ihren Fäusten gegen seinen Körper und versuchte ihm voller Kraft auf die Zehen zu treten. Anstatt dabei Schmerzen zu empfinden, lachte er sie jedoch bloss an und versuchte der widerspenstigen Frau seine Lippen an den Hals zu pressen.


    Augenblicklich erinnerte sich das Mädchen daran zurück, wie sie in einer dunklen Gasse ebenfalls von solchen Kerlen angegriffen worden war. Damals hatte ihr Dimicus geholfen, doch dieses Mal war er nicht hier.
    Als sie die feuchte Zunge an ihrer Kehle spürte, reagierte sie. Mit der ganzen Kraft, die sie aufzubringen vermochte, rammte sie ihr Knie zwischen die Schenkel des Hünen.
    Im selben Moment biss sich der Angreifer vor Schreck selbst auf die Zunge und stiess die junge Frau von sich.


    Einen Augenblick starrte sie ihn ängstlich an, dann setzten ihre Reflexe ein und sie rannte los. Der übertölpelte Mann fluchte und jammerte gleichermassen, doch seine Beute war ihm in den Gängen entkommen.
    Glücklicherweise war das Gemach nicht weit entfernt, und als Emilia schliesslich das Zimmer betrat, rannen ihr Tränen über die Wangen. Eindeutig war dies nicht das Leben, welches sie gewohnt war. Überall lauerten Gefahren und mochte sie sich noch so sicher fühlen.


    Mit einem Schluchzen setzte sie sich an das Fussende des Bettes und zog die Knie schützend an ihren Körper heran. Die Haare fielen ihr ins Gesicht und blieben an ihren nassen Wangen kleben. Sie war froh um die Dunkelheit, welche in dem Raum vorherrschte, so dass Dimicus sie kaum sehen konnte, selbst wenn er von ihrem Erscheinen erwacht sein sollte.

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  • Pinselstrich für Pinselstrich ergab sich nach und nach das Bild des Künstlers, welches er so lang nicht einmal mehr gemalt hatte. Der starre Körper unter ihm regte sich schon seit einer Stunde nicht mehr, doch der Spitzel der Garde war dennoch ein willkommenes Geschenk an ihn. Kaum hatte er Widerstand geleistet, so war die Überraschung des Todes von oben wohl jene, mit der am wenigsten gerechnet hatte. Mit einem selbstgefälligem Grinsen betrachtete Dimicus das Werk, welches er ein weiteres Mal der Öffentlichkeit präsentierte.


    Die Menge um ihn herum, welche gebannt darauf schaute und sein Werk begutachtete war still, gespannt und lechzte nach dem Ergebnis seiner Arbeit. Hunderte Augenpaare blickten dem Künstler über die geübte Schulter und mit größtem Hochgefühl verarbeitete er das Ende des Spitzel in ein wundervolles Kunstwerk, das ein weiteres Mal die Stadt Drakenstein inspirieren würde. Diese Stille war perfekt, die Ruhe und Konzentration die in der Luft schwebte. Doch jäh wurde er aus seinem Tun herausgerissen und abrupt endete der Traum, als er an seinen Füßen eine Bewegung verspürte.


    Müde und verwirrt blickte er in die Dunkelheit der Kammer, herausgerissen aus diesem wunderschönen Traum. Wer hatte es gewagt, ihn so aus diesem wundervollen Gefühl zu reißen? Zuerst wollte er aufbegehren und der dort am Bett sitzenden Positionen etwas an den Kopf werfen, sein Plan wurde jedoch sehr schnell verworfen, als ein zierliches Wimmern durch den Raum hallte. War das … „Emilia?“ Es kam keine Antwort. Natürlich nicht. Sie war ja auch taub. Seine Müdigkeit nahm ihn so einige Fertigkeit zu denken.


    Allerdings fuhr seine Konzentration schon bald hoch, als er das leise Wimmern als ein Weinen identifizierte. Am Ende des Bettes saß die junge Frau, er spürte es, auch wenn er sie nicht wirklich sehen konnte. Augenblicklich also erhob er sich vorsichtig, schälte sich aus der Decke und tastet sich zu der Kommode vor, auf der eine Kerze und Zunder stand. Mit etwas ungeschickten Handgriffen entzündete er die Flamme, welche durch ihr tänzelndes Licht den Raum zumindest in ein schummriges Licht tauchte. Da drehte er sich auch um und schaute zu der jungen Frau, die ihren Kopf schützend und versteckt hinter ihren Knien hielt.


    Sie war vollkommen aufgelöst und wirkte überfordert. Was war denn passiert? Vollkommen ungläubig näherte er sich der jungen Frau vorsichtig, ging vor dem Bett und vor ihr in die Hocke. Ihre Kleider wirkten durchwühlt, etwas Blut war an ihrem Hals zu sehen. Doch sie war nicht verletzt. Es war das Blut eines anderen.


    Plötzlich überkam ihm ein ungeheures Gefühl der Trauer, als er sie so erblickte. Er verspürte … Mitgefühl. Er wusste nicht einmal, was geschehen war! Doch sie weinte und es löste in ihm etwas aus, was ihn beinahe Zwang sich ihr zu nähern. Sie zu begutachten und sich um sie zu kümmern. Dieses seltsame Gefühl, diese Benommenheit der Situation sie dort so sitzen zu sehen. Es war nur schwer zu ertragen, doch was sollte er tun.


    „Emilia?“, fragte er sanft, während er vor ihr hockte. Sein Verstand schien nicht mehr richtig zu funktionieren, doch etwas anderes schaltete sich ein, was er sonst nur als Instinkt kennt, wenn Gefahr droht. Sein Bauchgefühl sagte ihm, was zu tun war. Er konnte es nicht genau lesen oder deuten, aber sein Körper begann einfach zu handeln. Genau so wie es die Taten im folgenden beschrieben. Intensiv nahm er war, als er vorsichtig nach ihren Händen griff.


    Sie war eiskalt. Sanft umschlossen seine Hände die ihren, ohne sie gewaltsam auseinander zu ziehen und ihre Hände an sich zu ziehen. Er begann sie einfach nur zu wärmen, als er sich aufrichtete und schließlich neben sie setzte. Behutsam legte er seinen rechten Arm um sie, doch nicht zu hastig oder sich etwas anmaßend wollen. Fast wie versteinert war ihre Reaktion, außer ihr leises Wimmern einer so zarten Stimme war keine Reaktion. Mit der Linken griff er etwas ungelenk schließlich in seine nahestehende Tasche und griff ein sauberes Tuch.


    Sein Verstand schrie ihn nur innerlich an, als er seinen Körper einfach gewähren ließ. Mit großer Sorgfalt schob er die Haare beiseite und erkannte jetzt erst, dass neben dem Blut noch etwas anderes an ihrer Haut haftete. Es roch nicht angenehm, es gelang ihm schnell es als Speichel zu erkennen. Jemand ist ihr wohl zu nahe gekommen. Viel zu nahe. Sie schien sich aufgrund der Flecken an den Händen wohl gewehrt zu haben.


    Wut keimte in ihm auf, sie kam schnell, wurde aber gezügelt. Beinahe wäre er aufgestanden, hätte sich einen Dolch geschnappt und den Kerl ausfindig gemacht, der ihr das angetan hatte. Doch es brachte nichts. Stattdessen säuberte er einfach nur behutsam ihren Hals, wischte die Überbleibsel des Geschehenen einfach weg, ehe er das Tuch achtlos in die Ecke warf. Als das getan war, wollte er sie vorsichtig an sich ziehen und sie umarmen. Genau so, wie er es einst suchend bei ihr getan hatte. Augenblicklich spannte sie sich an und er wusste nicht, ob er zurückschrecken sollte oder nicht.


    Doch letzten Endes kam sie ihm mit dieser Entscheidung zuvor.. Ehe er sich versehen konnte, spürte er plötzlich zwei Arme die sich um ihn schlangen, ihr Kopf legte sich an seine Brust und beinahe augenblicklich wurde das anfangs noch leise Wimmern zu einem wahren Weinen. Warme Nässe breitete sich an seiner Brust auf, als er auf ihren Schopf hinabschaute und ebenso betrübt dreinblickte. Sanft begann seine Arme sie zu umschließen, sie schützend zu tragen und zu wärmen. Seinen Kopf legte er auf den ihren, streichelte vorsichtig ihren Rücken entlang. Die Augen schloss er und gab dieser jungen Frau, was er zuvor jedem seit Jahren verwehrt hatte: Nähe und Zuneigung. So wie sie dort war, konnte sie einen ruhigen Atem und Herzschlag vernehmen. So verharrte er einfach mit ihr, bis sie sich beruhigen würde.

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  • Das Gefühl der Geborgenheit löste ihre Tränen und wie gläserne Perlen kullerten sie über ihre Wange und tränkten sein Hemd mit ihrer salzigen Nässe.
    Emilia war völlig aufgelöst, und es fühlte sich gut an, sich einfach gehen lassen zu können.
    Würde ihr Leben jetzt immer so ablaufen? Könnte sie niemals mehr ein richtiges Bad nehmen und von ihrer Zofe liebevoll die Haare hochgesteckt bekommen? Würde ihr Heim immer bei Dieben und Räubern sein? Müsste sie immer mit der Angst umhergehen, von Männern bedroht und unsittlich angefasst zu werden entgegen ihrem eigenen Willen?
    Ihr Schluchzen erfüllte den Raum und durchbrach die Stille, welche für sie selbst eine enge Vertraute war.
    Erst als ihre Augen sich röteten und unangenehm brannten, verebbten die Laute langsam.


    Dies war auch der Moment, wo Emilia sich der Nähe zu Dimicus richtig bewusst wurde. Sie mochte seinen Geruch und das Gefühl seiner warmen Hand, die beruhigend über ihren Rücken streichelte.
    Für kurze Zeit genoss sie einfach die Vertrautheit, bevor sie sich vorsichtig von ihm löste, sich übers Gesicht rieb und ihn offen anblickte.
    Im Kerzenschein wirkten seine Augen so viel wärmer und lebendiger als tagsüber. Sie verloren etwas von dem eisigen Blau und schimmerten in unterschiedlichen Farbtönungen.
    Oder war ihr dies bis anhin einfach entgangen?
    Heute wandte sie nicht schnell wieder den Blick ab, sondern tauchte darin ein und versuchte seine Stimmung zu ergründen, wie sie es auch bei der Ratte oder Gregorius geschehen war.
    Doch obwohl es nicht so klappte wie bei den Tieren, konnte sie trotzdem Sorge und Zuneigung darin erkennen.


    Ihr eigener Ausdruck gab Verunsicherung, doch auch noch etwas anderes Preis.
    „Ich mag Dich“, formten ihre Lippen lautlos. Der flackernde Kerzenschein und die tonlose Sprache konnten ihn jedoch nicht sicher sein lassen, ob er ihre Worte richtig verstanden hatte.
    Obwohl Emilia wusste, dass dies die abstruse Wahrheit war, spürte sie die Röte in ihr Gesicht steigen.
    Hatte sie das wirklich gesagt?
    Sie wollte nicht, dass die Alte Recht behielt, welche behauptet hatte, dass sie sich in den Kerl verliebt hätte. Schliesslich war er damals einfach fortgegangen. Und es war nicht das Einzige, was er getan hatte, um sie zu verletzen…


    Um seinem Blick zu entkommen, erhob sie sich und ging zur Kommode hinüber, wo Notizbuch und Stift lagen.
    Damit bewaffnet, kehrte sie aufs Bett zurück und setzte sich direkt neben Dimicus hin, so dass sich ihre Beine leicht berührten.
    Ich kann nicht für immer hierbleiben. Du kannst mich nicht ständig beschützen und ich möchte nicht von der Welt verborgen dahinvegetieren.

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  • Sein ruhiger Atem glitt zwischen den Beiden hindurch, während Dimicus die junge Frau einfach nur fest in den Armen hielt. Emilia bekam die Chance, ihren Frust und die Trauer die sie empfinden musste, einfach hinauszulassen. Umso befremdlicher allerdings war es für den Künstler, dass er in diesem Moment dort saß und seine Arme um die Gestaltwandlerin schloss. Natürlich hatte sie zu dieser Zeit niemandem außer ihm, doch es bestärkte dieses seltsame Gefühl seiner Zuneigung zu ihr. Wie sonst hätte er es nennen sollen? Wie sonst sollte er im Worte seines eigenen Kopfes diese Beziehung nennen?


    Zuneigung? Mögen? Lieben? Seine Gedanken hielten nicht an, während sie weinte und ihren verlorenen Gefühlen Ausdruck verlieh. Er war traurig, nachdenklich und dennoch froh zugleich. Welch' abstruse Mischung, so vermochte er zu sagen, hatte sich in ihm gebildet. Seine Trauer und sein Frohsinn gaben sich einen Schlagabtausch, so stimmte ihn die Laune Emilias traurig, er kannte ihr Schicksal und ihre Hilflosigkeit. Immer mehr wusste er sich mit ihr zu identifizieren und doch war er auch genau darüber froh. Sie sahen sich seit nun mehr als einer Woche erst wieder, doch er hatte sie vermisst und sie bei sich zu wissen, stimmte ihn froh. Ein mächtiges Gefühl welches er nicht einzuordnen wusste.


    Erst recht als er in einem weiteren Augenblick später ihr in die verweinten Augen blicke und sich ihre Blicke trafen, wusste er mehr als genau, dass es ihm dieses Mädchen angetan hatte. Genau darüber nachgedacht ergab es Sinn und erschien im logisch. Den Drang sie zu beschützen, sie zu lehren und dieses lästige Gefühl er Zuneigung. Zumindest empfand er es bei anderen als lästig, doch bei ihr stellte es ihn vor gänzlich unbekannten Tatsachen und Gefühlen. Aus Reflex ließ er sie augenblicklich los und ertappte sich aber dabei, wie er sich in ihren Blick verlor. Kaum bekam er es mit, dass sie etwas zu sagen versuchte. Genaustens achtete er auf ihre Lippen, doch er verstand nicht, was sie ihm sagen wollte.


    Sich wundernd legte er den Kopf schief und betrachtete sie, er hatte nicht einmal ansatzweise die Fertigkeit, Lippen lesen zu können. Umso kurioser empfand er die Situation, in der krampfhaft versuchte ihre Worte zu interpretieren. Sie errötete danach. Schämte sie sich nach diesen Worten? Hatte sie etwas peinliches gesagt, ein Geheimnis erzählt, dass ihr über die stummen Lippen geglitten ist? Oder doch eher etwas, wofür sie sich ihm gegenüber schämte und nur nicht zutraute auszusprechen?


    Jedoch kamen seine Gedanken nicht länger wirklich weit, als sie sich seinem Blick zu entziehen begann und plötzlich diese hübschen Augen sein Sichtfeld verließen, so dass eine Kälte in seinen entstand. Seine Empfindung schrie ihn an, dass er sich sich dieses Gefühl zurückholen solle, doch sein Geist beschwichtigte, unterdrückte es gar wieder. Es war kein Platz für solche Belanglosigkeiten. Mit einem kaum merklichen Kopfschütteln warf er die Gefühle über Bord und konzentrierte sich augenblicklich zurück auf das Wesentliche. Dennoch klopfte es in seinem Hinterkopf, es wollte heraus und genossen werden. Allerdings ließ er das nicht zu.


    Wenige Augenblicke später hatte sie sich erhoben, sich Notizbuch samt Stift geschnappt und sich wieder neben ihm gesetzt. Mit größerer Achtsamkeit bekam er mit, wie Emilia die gewisse Nähe zu ihm beibehielt und ertappte sich dabei, es zu genießen. Nicht alles konnte sein verrohter Verstand nun mehr aussperren. Doch sein Fokus lag weiterhin auf ihre Hand, welche mit eleganten Bewegungen den Stift führten, welcher wiederum die Worte auf das Papier brachte. Es war nicht viel und ihre ersten Gedanken vollkommen klar, jedoch schaute er die Gestaltwandlerin nachdenklich an.


    Er verstand ihre Situation und ihre Wünsche nur zu gut, sie waren seinen Zielen und Wünschen nicht gänzlich unüblich. Umso mehr erinnerte sie ihn an sein jüngeres Selbst, dass dort den Gesetzen der Natur ausgeliefert war und lernen musste, wie es in dieser Welt überleben konnte. Sanft nahm er ihr das Notizbuch samt Stift aus der Hand und begann zu schreiben. Ich weiß Emilia und deine Herzenswünsche, ich kann sie verstehen. Drum weiß ich, wie ich dir helfen möchte. Es ist mein Ziel die zu zeigen wie du überlebst und vor allem, dass es dir gut geht. Kurz strich sein Blick durch ihre Züge, zeigte selbst Vertrauen und Zuneigung in seinen Zügen. Es gibt noch so vieles was ich dir zeigen möchte, was bedeutsam für dich ist. Doch das muss ab sofort warten. Wir werden dir deine Freiheit zurückholen, dich aus diesem Ort befreien und dir deine Besitztümer zurückholen. Doch dazu brauche ich zwei Dinge von dir. Er atmete tief durch. Dich selbst und dein Vertrauen.


    Auffordernd blickte er sie an und nickte ihr zusichernd zu, ehe er fortfuhr. Was heute passierte, wird nicht ohne Konsequenzen bleiben. Ich werde dich lehren, wie man in der menschlichen Gestalt kämpft. Zumindest, um dich selbst zu verteidigen. Darauf dachte er ein weiteres Mal nach und für ihn gab es nur eine Lösung, wie er den gesamten Spuk um sie und ihrer Scheinfamilie beenden konnte. Diese Idee war eine Mischung aus seinem Bauchgefühl, seinem im Hinterkopf weggesperrten Gefühlen und seinem logischen Verstand. Da ich weiß, dass die Situation um dich und deine Familie zu verzwickt ist, habe ich etwas erdacht, was uns beiden sehr helfen wird. Ich werde Wilfried zu einem Duell um deine Hand herausfordern. Habe ich das erst einmal gewonnen, wirst du frei sein. Zugegeben, bei diesem Gedanken stieg auch ihm Röte ins Gesicht, doch etwas in ihm sagte, dass es das einzige Richtige war, was es zu tun galt. Kein Adliger würde ein Duell ablehnen, wenn seine Ehre dadurch Schaden nehmen würde.

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  • Emilia konnte nicht anders, als zuerst das Notizheft und schliesslich ihn ungläubig anzustarren.
    Er wollte ein Duell um ihre Hand ausfechten? Hatte er sich gerade verschrieben?
    Doch er wirkte verlegen und die Röte, welche immer mehr ins Purpurne überging, je länger sie ihn musterte, bestätigte seine Worte.
    Warum sollte er das tun? Was versprach er sich davon?
    was uns beiden sehr helfen wird.

    Forschend blickte sie in sein Gesicht. War er an ihrem Reichtum interessiert? Oder an dem Ruf ihrer Familie?
    Sie war unwillkürlich etwas von ihm weggerutscht und zupfte nun ebenfalls unsicher an einem Zipfel der Decke herum.


    Es wäre so schön, die Stadt erkunden zu können, ohne von Wachen gesucht zu werden. Sie könnte sich frei bewegen und hätte wieder ein richtiges zu Hause. Doch um welchen Preis?
    Zu viele Gründe sprachen dagegen. Ihr Vater würde sich im Grabe umdrehen. Und Wilfried?
    Er würde niemals zulassen, dass ein anderer sie besass.
    Und wenn es den Tod für einen der Männer bedeutet? Wollte sie mit dieser Schuld leben? Und überhaupt. War sie gewillt diesen jungen Mann zu ehelichen, der ein Mörder und Dieb war?
    Er war einer der gesuchtesten Menschen der Umgebung!
    Wäre es nicht Dummheit sich ausgerechnet an ihn zu binden?


    Mein Reichtum ist mir nicht wichtig, schrieb sie sogleich etwas trotzig auf die Seite hin. Wenn sie genauer darüber nachgedacht hätte, hätte Emilia sich aber doch eingestehen müssen, dass dem nicht so war. Wenn man sich einmal den ganzen Luxus gewohnt war, war es einfacher gesagt als getan, auch ohne auszukommen. In ihrem ganzen Leben musste sie niemals kochen, niemals ein Haus putzen, keinen Beruf ausüben oder dergleichen.
    Trotzdem hatte sie eine Traumvorstellung davon, in einem kleinen Häuschen zu leben wie sie es bei Gunhilde gesehen hatte. Dort war ihr das Leben so einfach und friedlich erschienen!
    Ich will die Stadt verlassen. Niemand muss meinetwegen sterben und wenn ich verschwinde, muss mich auch niemand heiraten. Dann sind alle glücklich. Wilfried bekommt sein Haus, ich habe meine Freiheit und Du… hast wieder Deine Ruhe.
    Umso mehr sie darüber nachdachte, desto besser erschien Emilia ihr Plan und ihre eigene rosige Zukunft auf dem Lande malte sie sich bereits in buntesten Farben aus.

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  • Genaustens beobachtete Dimicus die Reaktionen Emilias auf seine Worte. Schon allein ihr ungläubiger Blick zeugte von der Abscheu dieser Idee. Aus einem ihm nicht näher bekannten Grund verletzte ihn diese Antwort in ihren Zügen schon allein. Die plötzliche Distanz zwischen den beiden war greifbar und umso mehr verlorener fühlte sich der Künstler plötzlich wieder. Gerade noch saßen sie gemeinsam zusammen, schon zog sie sich wieder zurück. Wieso achtetest du Idiot so darauf, ob sie dir nah ist und was sie von dir hält? Du bist ein Genie!


    Die Stimme in seinem Kopf fand beinahe augenblicklich Zuspruch, doch wurde von etwas viel Mächtigerem wieder klein gemacht, beinahe eliminiert. Diese Zuneigung die er spürte … sie verhinderte es, dass er sich über Emilia stellen konnte. Diese junge Frau vor ihm hatte es nicht verdient, von ihm als ein schwächeres Wesen dargestellt zu werden. Auch wenn ihm der Großteil seiner Vernunft dazu riet, so ließ seine Emotionalität keinerlei dieser Dinge zu. Schwacher Narr! Es hallte in seinem Kopf und er kam nicht umhin, einfach nur den Kopf zu schütteln. Hätte Emilia ihn beobachtet, so hätte sie einen inneren Kampf beobachten können.


    Doch stattdessen war sie bereits damit beschäftigt, ihre Antwort auf das Papier zu bringen, wobei Dimicus ein weites Gähnen über das Gesicht wanderte. Er war müde und eigentlich zu kaum etwas zu gebrauchen, mal ganz von der aktuellen Tageszeit abzusehen, die er zu diesem Zeitpunkt einschätzte. Allerdings wurden seine Gedanken diesbezüglich schnell über Bord geworfen, als er den verträumten Blick Emilias neben sich bemerkte. Sie schien in Gedanken bei etwas zu sein, obwohl sie nur geschrieben hatte, dass ihr ihr eigener Reichtum nicht wichtig sei. Wo sie wohl in Gedanken war?


    Seine Frage wurde jedoch aber sehr schnell beantwortet und bekam sehr schnell zu lesen, worum es ihr wirklich ging. Diese Naivität und die Vorstellung, dass alles so einfach sei, überraschte ihn immer wieder. Doch diese Naivität mochte er, es machte sie zu einem unschuldigen Wesen das der Vollkommenheit näher war, als alles was du die Straßen der Stadt zu laufen vermochte. Selbst er … natürlich war er ein Meister seines Fachs, dennoch ist er nicht vollkommen und wird es nie sein, dass wusste er.


    Mit einem wissenden und bestätigenden Nicken vernahm er ihre Worte. Dimicus wollte die junge Frau nicht entmutigen und erst recht nicht von ihren Plänen abhalten, so war es nach dem großen Crescendo seiner eigenen Karriere auch eine Option für ihn. Sanft nahm er ihr wieder das Notizbuch und den Stift aus den Händen, lächelte ihr warm zu und zu schreiben. Emilia, verstehe mich bitte nicht falsch. Ein Duell unter Adligen geht meist nicht tödlich aus. Zudem möchte ich nicht deine Hand gewinnen um dich zu heiraten, sondern um dir die Freiheit zu ermöglichen, dir auszusuchen wen du heiratest. Wohin du gehst. Was du tust. Außerdem- Erneut wurde er rot und ließ seinen unsicheren Blick zwischen ihr und dem Notizbuch umher gleiten. Ich habe mich an dich gewöhnt und genieße deine Gesellschaft. Endlich einmal jemand, der mich nicht nur als Dieb oder Mörder sieht. Sondern als Menschen.


    Seine Schrift wurde etwas krakelig und man merkte, wie er unsicherer wurde. Diese Worte zu schreiben fiel ihm schwer, auch wenn in ihnen die Wahrheit steckte. Alle Menschen die mit ihm zu tun hatten, sahen ihn nur als einen Kriminellen. Ich wäre nicht glücklich, wenn du einfach fortgingst. Mein Sein würde dich vermissen. Eine erneute Pause, sein Herz klopfte wie wild und sein Atem war unkontrolliert. Diese Gefühle kannte er einfach nicht, so an einen Menschen zu hängen. Wie lang war es her? Mehr als zehn Jahre, dass er seine Eltern geliebt hatte, wahre Zuneigung zeigen konnte.


    Er wand sich in einem Zustand der Unsicherheit, als ihm dieses Verlangen immer bewusster wurde. So hatte erst Emilia ihm gezeigt, was es bedeutete zu mögen und Zuneigung zu empfinden. Etwas, was sehr lange Zeit in ihm verloren gegangen war. Weder will ich deinen Reichtum, deine Ehre, noch eine erzwungene Liebe. Ich will nur allein deine Freiheit. Darauf hast du mein Wort. Schlagartig fiel ihm aber auch auf, dass durch ihre Naivität ihr einige wichtige Dinge entgangen waren. Zumal ich sagen muss, dass du das Geld brauchen wirst, um dir etwas auf dem Land aufbauen zu können. Geschweige denn, dass du immer eine Flüchtige sein wirst, wenn diese Sache nicht beendet wird. Du darfst nicht davor weglaufen. Mit mittlerweile wieder gefasstem Blick schaute er die junge Frau an. Die Unsicherheit war gewichen, Zuneigung und Sorge füllten ein weiteres Mal seinen Blick.

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  • Während Dimicus seine Gedanken aufs Papier brachte, beobachtete Emilia die Regungen in seinem Gesicht. Wo seine undurchdringliche Miene vor zwei Wochen noch ein Buch mit sieben Siegeln für sie war, bemerkte sie inzwischen das kleine Zucken seiner Mundwinkel, wenn er ein Lächeln verbarg, konnte am Heben seiner Brauen Verwunderung genauso ablesen wie Geringschätzung oder erkannte die unbewusste Geste der Anspannung, wenn er den Kopf leicht zur Seite neigte, um auf seine Umgebung zu achten. Bloss seine Augen waren ihr noch immer fremd, denn es grauste sie vor dunklen Erinnerungen, wenn sie sich darin verlöre. Als ob er ihren Blick spürte, hob er den Kopf, errötete und lächelte sie vorsichtig an, bevor er sich auf seine Antworten konzentrierte.
    Noch immer fragte sie sich, weshalb er ein Duell um ihretwillen ausfechten wollte. Obwohl sie in der kurzen Zeit, welche der jungen Frau inzwischen wie eine kleine Ewigkeit vorkam, bereits viel gemeinsam erlebt hatten, wusste sie doch nur über einen Bruchteil seines Lebens Bescheid.


    Inzwischen hatte sie sich wieder gefasst, doch noch immer liess der Gedanke an die Begegnung mit dem Mann in den Gängen sie frösteln und sie schlang ihre Arme wärmend um den Oberkörper. Mit einem Lächeln realisierte sie plötzlich, wie zerknittert selbst Dimicus aussah. Verständlich, nachdem sie ihn so jäh aus dem Schlaf gerissen hatte.
    Erst als er in seiner Schreibbewegung innehielt, holte er damit die Gestaltwandlerin in die Gegenwart zurück. Offensichtlich befand er sich ebenfalls in Gedanken, denn seine Stirn war leicht gerunzelt und er schien Emilia nicht wahrzunehmen.
    Neugierig huschte ihr Blick über die Zeilen, welche eine Mischung von verschiedenen Gefühlen in ihr auslösten.
    Zum einen verspürte sie Erleichterung darüber, dass bei dem Duell niemand den Tod finden sollte. Niemals hätte sie eine solche Last auf ihren Schultern tragen mögen. Gleichzeitig fürchtete sie aber dennoch, dass einer der Männer Schaden nehmen würde. Vor ihrem inneren Auge spielten sich unterschiedliche blutige Szenen ab und abwehrend schüttelte sie den Kopf.
    Sie musste Dimicus mitteilen, dass dies trotzdem keine gute Lösung war!


    Und das nicht nur aus diesem Grunde.
    Das Gelesene löste Unsicherheit in ihr aus und gar ein Gefühl der Kränkung. Sie starrte beklommen auf ihren Schoss, so dass ihr die schokoladenbraunen Haare ins Gesicht fielen.
    Was mochte es bedeuten, wenn er sich um ihre Hand duellierte, eine Ehe jedoch ablehnte? Gefiel sie ihm womöglich nicht?
    Mit einer solchen Idee war Emilia bislang nicht konfrontiert worden, denn ihr Herr Papa hatte immer nur bewundernde Kommentare für ihre Schönheit erübrigt und auch ihre Verwandten bemühten sich darum, sie mit Schmeicheleien zu überhäufen, solange sie noch nicht mit Wilfried verheiratet war.
    Ihr Papa hätte sich bestimmt in seinem Stolz verletzt gefühlt, würde ein Freier plötzlich einen Rückzieher machen.
    Welches Licht würde dabei auf sie fallen? Würde ein solches Verhalten nicht den Ruf ihrer Familie schädigen?
    Andererseits hätte ihr Vater wohl kaum zu einer solchen Heirat eingewilligt. Wilfried war eine anständige Partie, welche Frederick gut geheissen hätte.
    Doch ob ihr Verlobter auch so besorgt um ihre Freiheit war? Immerhin hatte er nicht ihren liebsten Menschen getötet…


    Als sie darauf die nächsten Worte erhaschte, errötete sie sogleich und verspürte einen Moment lang Scham in sich aufsteigen. Er hatte Unrecht!
    Auch sie sah immer wieder den Mörder in ihm, der er war. Diese eine Tat, welche er begangen und die ihr Leben veränderte hatte, würde immer zwischen ihnen stehen.
    Er konnte noch so freundlich und zuvorkommend sein, ihr Geschenke machen und sich für sie duellieren… ein derber Nachgeschmack bliebe immer an ihm haften.
    Unwillkürlich fragte Emilia sich, ob er wieder einem Menschen das Leben genommen hatte, seit sie bei ihm weilte. Gelegenheit hatte er genügend, als sie die Woche über fleissig arbeitete und nachts mit dem Kater Gregorius durch die Gänge streifte. Irgendwann würde sie ihn danach fragen, doch nicht heute. Viel zu froh war sie um seine blosse Gegenwart nach dem beängstigenden Geschehen zuvor. Während sie Dimicus musterte, fiel ihr seine ungewohnte Unruhe auf.


    Erst jetzt bemerkte sie auch, dass er sein Schreiben beendet hatte. Die junge Frau nahm das Notizbuch entgegen und setzte ihr Lesen fort.
    Die folgenden Worte waren nicht weniger ehrlich und direkt als seine letzten Sätze und überraschten sie umso mehr. Er würde sie vermissen – also hatte er sie womöglich sogar gern?!
    Es war ihr anzusehen, dass seine Aussage sie erfreute und verblüffte zugleich. Emilia schaute fragend zu Dimicus hinüber, so als wolle sie sich davon überzeugen, dass er auch so meinte, was er da geschrieben hatte. Die Gestaltwandlerin nahm den Geruch wahr, der von ihm ausging und beobachtete den sich hebenden Brustkorb. Beide deuteten auf seine Unsicherheit und Nervosität hin.
    Es ist so schwierig, seine Lebensweise mit der Person hier vor mir in Einklang zu bringen!
    Vielleicht hatte er doch Recht, und sie sah inzwischen nicht nur ein Monster in ihm, sondern ebenso einen wertvollen Menschen. Nein, nicht nur vielleicht – ganz bestimmt war dem so…
    Emilia hatte plötzlich das Bedürfnis ihn von seiner Unsicherheit zu befreien und fasste nach der Hand, mit der er offensichtlich nichts anzufangen wusste. Sie verschränkte ihre Finger mit den seinen und drückte sie ermutigend.


    Während sie auch noch die letzten Zeilen überflog, bekam er Gelegenheit, sich wieder zu fassen. Als sie das nächste Mal ihren Blick hob, war die Unsicherheit aus seinen Zügen gewichen.
    Mit der freien Hand nahm sie den Stift und begann auf seine Worte zu antworten. Angefangen mit denen, die sie am meisten gefangen genommen hatten.
    Es ist lange her, dass jemand sich ehrlich glücklich schätzte mich bei sich zu haben – oder zumindest hat es niemand ausgesprochen. Ich habe oft das Gefühl bloss eine Bürde zu sein. Doch bei Dir fühle ich mich anders, so als könnte ich auch etwas erreichen.
    Ernsthaftigkeit sprach aus ihren Worten, doch dann erhellte sich ihr Gesicht und sie fügte mit einem entschuldigenden Lächeln hinzu: Obwohl ich weiss, dass meine Gesellschaft Dir nicht immer zum Vorteil gereicht hat.
    Schuldbewusst wanderte ihr Blick durch den winzigen Raum, und ihre Hand löste sich von seiner und legte sich kurz auf seine Brust, wo unter dem Gewand die Narben einer Löwenpranke zurückgeblieben waren, um zu verdeutlichen, dass sie sich ihrer Unzulänglichkeiten durchaus bewusst war.
    Du lässt mich oftmals verdrängen, was Du bist. Doch vergessen werde ich es niemals können. Wenn ich das Blut an Deinen Händen rieche, würde ich am liebsten Dinge tun, die
    Sie unterbrach sich selbst und blickte ihn an. Er würde bestimmt verstehen. Vielleicht besser sogar, als sie selbst es verstand. Den Drang, sich auf ihn zu stürzen; Einerseits, weil ihr menschliches Sein verabscheute, was er tat, andererseits aus einem animalischen Jagdtrieb heraus, der durch den Blutgeruch angeregt wurde.
    Ich fürchte mich vor meiner dunklen Seite, die Du zum Vorschein bringst. Weisst Du, anfangs wollte ich nur bei Dir bleiben, um meine Grenzen auszutesten und zu lernen mich zu beherrschen. Doch inzwischen, kurz hielt sie inne, dachte über die Bedeutung der Aussage nach, habe ich begriffen, dass ein Teil von mir Dich mag.


    Deshalb möchte ich auch kein Duell zwischen Dir und Wilfried sehen!, fuhr sie abrupt fort, um die peinliche Atmosphäre schnellstmöglich zu durchbrechen.
    Einen Moment liess sie betrübt den Kopf hängen, als sie sich seiner Warnung erinnerte, dass ein Leben ohne Geld kaum möglich wäre.
    Warum kommst Du nicht einfach mit mir weg aus Drakenstein? Wir könnten durch die Welt reisen. Ein richtiges Abenteuer! Wir übernachten in alten Scheunen oder auf dem weichen Waldboden. Die Jagd auf Kaninchen kann bestimmt nicht viel schwerer sein, als das Erbeuten von Ratten.
    Ihre Augen strahlten vor Begeisterung und neu erwachtem Tatendrang.
    Die Löwin schnurrte bei dem Gedanken an ein Leben ausserhalb der Stadt behaglich.
    Wilfried würde mich bald vergessen. Er wird nicht nach mir suchen, wenn er den Besitz behalten kann, versicherte ihm Emilia voller Überzeugung.
    Dimicus Miene war allzu skeptisch bei ihren Worten. Eindeutig dachte er pragmatischer als die junge Frau, welche eine plötzliche Euphorie verspürte.
    Neckisch fügte sie deshalb ohne gross zu überlegen hinzu: Wir könnten ihn einfach glauben lassen, der Rosendämon hätte seine Verlobte zu seinem Kunstwerk auserkoren.

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  • Die gesamte Situation war Dimicus mehr als peinlich, so stellte er sich vor, wie er in seinem Sein in diesem Moment wohl wirken musste. Der große Rosendämon, gefürchtet in der gesamten Bevölkerung Drakensteins, saß in einer Unterkunft der Diebesgilde und musste sich seine Nervosität von einer Frau nehmen lassen. Jener Künstler, der mittlerweile 32 Menschen das Leben genommen und in ein Meisterwerk seines Genies verwandelt hatte. So saß er aber nun da und spürte bewusst die Wärme der Hand jener jungen Frau, die ihn eigentlich für das hassen musste, was er ihr einst antat.


    Dennoch schaffte sie es, seine Unsicherheit mit nur diesen einen Berührung vollkommen zu nehmen, noch mehr bekam er das Bedürfnis dieses Gefühl zu erwidern, so dass er nicht umhin kam, ihren Griff ebenso zart zu beantworten. Ein schwaches Lächeln glitt in diesem Moment über seine Lippen und wüsste er es nicht besser, bekam sie ihn immer besser in den Griff und schaffte es, sein Sein ins Reine zu tragen. Ein beängstigendes Gefühl, welches ein anderer Mensch bei ihm auslösen konnte. Noch immer tat er sich allerdings schwer, damit etwas anzufangen, eher das Gefühl seines Körpers zeigte ihm, dass es etwas Schönes war, was ihn dort berührte und in emotionale Unsicherheit brachte.


    Ihre Augen strahlten etwas aus, was für Dimicus mittlerweile ein Leuchtfeuer der Ruhe und Geborgenheit geworden war, auch wenn ihm seine Sentimentalität diesbezüglich noch sehr entfernt vorkam. In seinem Gesicht waren aber Entspannung und Freude abzulesen, umso mehr stimmte es ihn mutiger, dass sich Emilia um ihn bemühte und es auch offen zeigte. Etwas, was kaum eine andere Person in seinem Leben getan hatte, eine lang verschollenes Gefühl. Damit wuchs aber auch seine Vorfreude auf die von ihr geschriebenen Worte, auch wenn er es kaum schon glauben konnte, so las er über ihre Schulter mit was sie schrieb und nahm es dankbar auf.


    Sie empfand offensichtlich genau so für ihn, wie er für sie. Etwas, womit er gar nicht rechnete und auch sich identifizieren konnte. Die Zuneigung zu ihr war einzigartig und eigentlich gar nicht zur Entstehung gedacht, aber dennoch saßen sie dort und tauschten diese Worte. Umso mehr musste er auflachen, als sie ihm schrieb, dass sie für ihn nicht immer zum Vorteil gewesen sei. Anfangs hatte er es auch so empfunden, doch mit ihrer gemeinsamen Zeit hatte sich das gelegt. Schließlich hatte es sich in etwas verwandelt, was er nicht wirklich definieren konnte. Noch immer schloss er auf ihre Gemeinsamkeiten in der Geschichte, dass die geschehen sein musste.


    Kurz darauf spürte er ihre Hand an seiner Brust, jene Stelle an der sie ihn einst verletzt hatte, worauf ein Kribbeln durch seinen Rücken glitt. Die Erinnerung an diese beängstigende Begegnung war noch immer hautnah spürbar, wenn er auch nur ansatzweise daran dachte. Was jedoch auch noch an diesem Abend geschah, durfte auch nicht vergessen werden. Was sie mit ihren Worten tat, es war ihm aber klar, dass er es nie tun würde. Dimicus empfand großen Respekt vor ihr und sah in ihr mehr als ein wilder Tier.


    Für ihn tat sich nunmehr ein noch größeres Ziel auf, auch kurz auf dem ihm wohl bedeutendste Aussage ihrerseits: sie mochte ihn. Natürlich war es nur ein Teil ihres Selbst, doch war er schon sehr froh darüber, dass sie ihn respektierte und schätzte. Dann jedoch herrschte plötzlich Stille, als er ob er seine Gedanken laut ausgesprochen hätte, war diese nur noch mehr unangenehm. Sie schrieb nicht mehr und dachte offensichtlich nach. Einmal mehr fragte er sich, was in ihrem Kopf vorgehen musste, dass geschah, was in diesem Moment geschah.


    Umso mehr verstand er nun auch, warum Emilia handelte wie sie es tat. Sie sorgte sich um ihn. So musste es sich zumindest anfühlen, ihre nächsten Worten wiesen aber darauf hin, auch wenn er Wilfried so oder so noch etwas schuldete. Er seufzte. Wie sollten sie denn sonst dieses Problem beseitigen und endlich in Frieden leben können? Die Stadt wäre befreit von einem weiteren korrupten Mann, Emilia hätte ihre Besitztümer und der Rosendämon erfüllte seinen Auftrag. Allerdings sprachen ihre nächsten Worte von genau dem, was sie unter dem Lösen des Problems verstand.


    Abermals seufzte Dimicus und stand in einem Zwiespalt. So wie ihre Augen bei diesen Vorstellungen leuchteten, ihre gesamte Haltung plötzlich freudiger und zuversichtlicher wurde, kam er um seine Skepsis nicht herum. Zwar war ihre endgültige Idee eine sehr gute, aber wollte sie das wirklich? Sie verstand offensichtlich nicht, worum es in seinem Tun gibt. Es gab kein auserkoren, bedroht oder ins Visier genommen. Es musste eine Tat folgen, einer Tat der sie niemals zustimmen würde.


    Somit nahm er ihr das Buch wieder ab, nahm ebenso den Stift entgegen und schaute ihr direkt in die Augen. Sie leuchteten, vollkommen froh über ihre Idee und es tat ihm fürchterlich weh, ihre Vorstellungen zerschlagen zu müssen. Vollkommen betrübt machte er sich an das Schreiben, er wollte sie nicht belügen. Deine Ideen sind wundervoll Emilia, doch sie sind nicht so einfach wie du sie dir vorstellst. Beinahe augenblicklich konnte er beobachten, wie das Leuchten und die Freude aus ihren Augen erlöschte, ihr Gesicht formte die einzige Frage die sie wohl in diesem Moment hatte: Warum?


    Ein trauriges Lächeln umspielte seine Lippen und es war ihm mehr als deutlich anzusehen, dass er sehr darunter litt, die Worte schreiben zu müssen. Noch ist mein Platz hier, in Drakenstein. Ich kann noch nicht fortgehen, es gibt noch viele unerledigte Dinge. Wilfried heuerte den Rosendämon an, um Valerius zu töten. Er will dich und den Reichtum deiner Familie, um seine korrupten Machenschaften in Drakenstein verfestigen zu können. Zudem ihm glauben zu lassen, dass du ein Opfer des Rosendämons geworden bist, erfordert den Tod einer Frau die dir ähnlich sieht. Seine Schultern hingen trostlos, seine Hand war lahm im Schreiben. Je weiter er die Vorstellungen der jungen Frau bremsen musste, desto mehr schmerzte es ihn.


    Er hasste sich dafür, was er in diesem Moment tat, ihm war vollkommen schlecht. Schwache Stimmen in seinem Kopf sagten ihm, dass er sich nicht dieser Schwäche hingeben solle, doch waren sie extrem leise. Unruhig erhob er sich, sein Körper zitterte etwas. War das der Preis den er bezahlen musste, dass er diese Frau mochte? Fühlte sich so Zuneigung an, Sorge und Reue? Nie hatte er ein Kunstwerk bereut, doch bereute er es dieser Frau ihre Träume zu nehmen? Seine Hände ballten sich zu Fäusten, als er zu ihr mit den Rücken stand. Ratlos starrte er auf den Boden, er wusste nicht was er zu tun hatte.


    Doch augenblicklich geschah etwas in seinem Kopf, etwas was durch seinen gesamten Körper zu zucken drohte. „Du Idiot magst sie nicht nur, dass weißt du. Sie ist das, was du zu deiner Erlösung brauchst.“, flüsterte er vor sich her, nicht sichtbar für Emilia. Kaum waren Dimicus diese Worte über die Lippen gekommen, entspannte sich sein kompletter Körper. Seine Miene wurde wieder gelassener, gar kam ihm eine Idee, die ihm ein hoffnungsvolles Lächeln auf die Lippen legte. Zum ersten Mal seit langem war etwas passiert, was zuvor unmöglich war. Bewusst hatte er seine inneren Stimmen besiegt und bemerkte, wie sehr es ihn befreite.


    Wenn er ihr nicht zu diesem Zeitpunkt schon Gutes tun konnte, so wollte er es zumindest in der Zukunft schaffen. Tief atmete er aber ein, drehte sich um und blickte der sichtlich verwirrten Emilia entgegen. Ohne weiter zu zögern, hockte er sich vor sie und nahm sanft einer ihrer Hände, drückte sie. Statt zu schreiben, sprach er mit einem zuversichtlichen Lächeln: „Ich möchte dir jedoch mein Wort geben, wenn all dies vorbei ist und ich meine Geschäfte erledigt habe, dass wir gemeinsam losziehen werden. Wir müssen noch geduldig sein, doch es wird sich auszahlen. Was hältst du davon, dass wir nicht nur gemeinsam ein Abenteuer außerhalb Drakensteins beginnen, sondern uns auch von meinem verdienten Geld ein Haus kaufen werden. Es war so oder so mein Plan, dies als meinen Ruhestand zu sehen. Doch würde ich mir wünschen, wenn es soweit kommt, dass du an meiner Seite bist. Genau so wie ich dich bitten möchte, mir zu vertrauen.“ Jeder seiner Züge sprach mit einer undurchdringlichen Ehrlichkeit und Zuversicht, er meinte diese Worte so ernst wie sie waren.

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  • Wie Dimicus es vorhergesehen hatte, verdüsterte sich Emilias Miene bei seinen Worten. Der Schalk war aus ihrem Gesicht gewichen und sie liess entmutigt die Schultern hängen. Schlagartig kehrte auch die Müdigkeit in ihre Glieder zurück, die bis eben von anderen Gefühlen in den Hintergrund gedrängt worden war. Am liebsten hätte sie sich in ihrer Schublade mit dem weichen Kissen verkrochen und eingekringelt.
    Doch die Bedeutung von dem eben Geschriebenen liess sie nicht los. Von welchen unerledigten Dingen sprach er wohl? Gerne hätte sie ihn gefragt, doch sie scheute vor der Antwort zurück. Es war vermutlich einfacher ihn zu mögen, wenn sie nicht über Alles Bescheid wüsste.
    Andererseits war sie doch geblieben, um ihn von eben jenen Handlungen abzuhalten?!


    Und Wilfried…
    Emilia realisierte plötzlich, dass dieser Mann sie kaum noch interessierte. In der kurzen Zeit, die sie mit Dimicus verbracht hatte, entfernte sie sich zunehmend von ihren Verwandten, und dies nicht nur auf einer physischen Ebene. Obwohl diese Welt gefährlich war und ihr nicht immer behagte, wollte sie zwar einerseits Schutz und Geborgenheit, andererseits jedoch auch nicht mehr dazu gezwungen sein, ihr Dasein in dem Herrenhaus zu fristen. Unmerklich löste sich die junge Frau von ihrer Vergangenheit und beschritt zögerlich ihren eigenen Weg.
    Umso merkwürdiger empfand sie es, dass der Rosendämon solch ein Interesse für ihren Verlobten entwickelte.


    Dass Wilfried einen Mörder beauftragte, einen Menschen zu töten, rückte ihn in ein schlechtes Licht. Emilia war sich trotzdem unsicher darüber, ob gleiches mit gleichem vergolten werden sollte. Über solche Dinge hatte ihr Herr Papa nicht mit ihr gesprochen. Die junge Frau wusste hingegen, dass Dieben, Mördern und anderen Verbrechern der Strick oder das Henkersbeil drohen konnten, was wohl demnach auch eine ausgleichende Gerechtigkeit darstellte.
    Ihre grünen Augen schimmerten im Kerzenlicht, als sie Dimicus anblickte. Sie dachte daran, wie er ihren Händedruck sanft erwidert hatte und die Härchen in ihrem Nacken stellten sich auf, als sie überlegte, dass er ebenfalls auf diese Weise sein Ende finden könnte.


    Gerade als sie den Stift ansetzte und zu schreiben begann, sprang er beinahe wie von der Tarantel gestochen auf die Beine. Seine Spannung war schon fast körperlich spürbar und sie bemerkte erschrocken seine geballten Fäuste, konnte jedoch seinen Gesichtsausdruck nicht erkennen, da er ihr den Rücken zuwandte.
    Sie verstand seine Reaktion nicht, doch noch als sie überlegte, wie sie darauf reagieren sollte, entspannte sich sein Körper, die Schultern fielen locker herab und die Finger lösten sich aus ihrer verkrampften Haltung.
    Sichtlich verwirrt und besorgt zugleich betrachtete Emilia ihn eingehend, als er sich zu der jungen Frau umwandte. Es war, als stünde da ein neuer Dimicus vor ihr. Zu ihrer Verwunderung wirkte er besänftigt und gelassen.
    Inzwischen hatte sie sich daran gewöhnt, dass er es vermochte, seine Gefühle innert einer Sekunde hinter einer undurchschaubaren Maske zu verbergen. Doch dies war etwas Anderes.


    „Ich möchte dir jedoch mein Wort geben, wenn all dies vorbei ist und ich meine Geschäfte erledigt habe, dass wir gemeinsam losziehen werden. Wir müssen noch geduldig sein, doch es wird sich auszahlen. Was hältst du davon, dass wir nicht nur gemeinsam ein Abenteuer außerhalb Drakensteins beginnen, sondern uns auch von meinem verdienten Geld ein Haus kaufen werden. Es war so oder so mein Plan, dies als meinen Ruhestand zu sehen. Doch würde ich mir wünschen, wenn es soweit kommt, dass du an meiner Seite bist. Genauso wie ich dich bitten möchte, mir zu vertrauen.“


    Dimicus war vor ihr in die Hocke gegangen und hatte ihre Hand ergriffen, als er sprach. Die Kerze erleuchtete sein Gesicht schwach und Emilias Augen waren konzentriert auf seine Lippen gerichtet. Er sprach deutlich und ohne Hast, so dass sie ihm folgen konnte. Als er endete, war sein Blick erwartungsvoll auf sie gerichtet und sie konnte die Berührung seiner Hand noch deutlicher wahrnehmen, gerade so als ob sie einer Aufforderung gleichkäme.
    Die junge Frau konnte erkennen, wie ehrlich er das Gesagte meinte und wie bedeutungsvoll seine Worte für ihn selbst waren. Doch glaubte sie, dass ausnahmsweise einmal nicht sie vor Naivität strotzte.
    So löste sie ihre Hand aus seiner, griff, leicht verärgert darüber, dass sie ihm nicht ebenfalls im Gespräch antworten konnte, nach dem Stift und begann zu schreiben, wobei sie ihre Worte mit Bedacht wählte.
    Es ehrt mich, dass Du Dir eine Zukunft mit mir an Deiner Seite vorstellen kannst und es freut mich zu lesen, dass Du gewillt bist, deine Machenschaften hinter Dir zu lassen.


    Dann jedoch huschte ein belustigtes, sarkastisch anmutendes, Lächeln über ihre Lippen.
    Doch wie stellst Du Dir das vor?
    Eine gemeinsame Ehe ist keine Option, da wir nicht vom selben Stande sind. Und ich bin bereits mit einem anderen Mann verlobt. Und zusammen in ein Haus zu ziehen, das Du aus dem Geld deiner zwielichtigen Aufträge erworben hast… Was würden die Bürger von mir denken? Es gehört sich nicht, dass zwei unverheiratete Leute offiziell zusammenziehen. Im Grunde ist auch unser jetziges Arrangement bereits frevelhaft.

    Noch während sie dies aufs Papier brachte, konnte sie erkennen, wie er sich versteifte. Emilia begann sich über sein Unverständnis zu empören.
    Wie konnte er so etwas auch nur vorschlagen? Er wusste doch, wie es um ihre Situation stand!
    Gerade eben hast Du mir noch vorgehalten, dass ich zu wenig weit denken würde. Doch Du selbst hängst ebenfalls der Träumerei nach.
    Je mehr sie darüber nachdachte, desto abwegiger wurde ihr der Gedanke. Sogar ihre eigenen Vorschläge empfand sie plötzlich als abstrus und bloss so dahingesagt.


    Nur weil ich Dich nicht von ganzem Herzen hasse, heisst das noch lange nicht, dass ich gewillt bin, mit einem Mörder in seinem Haus den Rest meines Lebens zu verbringen!
    Die herablassenden Worte waren raus, bevor Emilia genauer darüber nachdenken konnte. Doch in ihrem Innern brodelte es und sie fühlte sich mit der Situation überfordert.
    Noch bis vor Kurzem war die Beziehung zwischen ihr und Dimicus so einfach. Es war wie eine stumme Vereinbarung gewesen, dass sie weder über die Vergangenheit noch über die Zukunft allzu viele Worte verloren. Doch nun wurde es kompliziert. Ihre Gespräche wurden tiefsinniger, die kleinen Berührungen und lieben Gesten häufiger. Emilia fühlte sich überrumpelt durch seinen anmassenden Vorschlag und es machte ihr Angst und verunsicherte sie, dass er auf einmal so ehrlich und emotional geladen wirkte.
    Gleichzeitig begann sie sich schuldig zu fühlen, weil es gutgetan hatte, sich an eine starke Schulter zu lehnen und die Verantwortung über ihr Leben ein Stück weit abgeben zu können.


    Um sich davon abzulenken, schleuderte sie ihm eine weitere Aussage vor die Nase.
    Und was meinst Du mit „deine Geschäfte erledigen“? Wenn Du glaubst, dass ich es einfach hinnehme, dass der Rosendämon weiterhin Menschen umbringt, täuschst Du Dich in mir. Vorher werde ich Dich an die Wachen verraten, als mich durch mein Wissen mitschuldig zu machen!
    Ihr Atem ging rascher vor Aufregung und die Empörung hatte ihre Wangen rot gefärbt. Erst jetzt hob sie den Blick und wurde sich im selben Moment in einer Mischung aus Scham und vorgeschobenem Trotz bewusst, dass die Aussagen ihr Ziel nicht verfehlt hatten.

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