Der Bruder im Hochzeitskleid

  • Der Bruder im Hochzeitskleid

    Irgendwann in der Jugendzeit von Vendelin und Vanja


    Der Urlaub sollte für Vendelin nicht so erholsam ausfallen, wie er sich das vorgestellt hatte. Ein paar Tage blieben ihm und Vanja abseits des düsteren Tempels. Er war längst volljährig und teilte sich sein zu Hause in ihrer Freizeit mit seinem Halbbruder. Alejandro war pünktlich mit dem ersten Jahr seiner Volljährigkeit verschwunden und hatte seinen Zögling sich selbst überlassen. Nach anfänglicher Trauer hatte Vendelin sein Schicksal akzeptiert und versüßte sich die Zeit durch die Anwesenheit seines Halbbruders, dem er einen Schlüssel hatte anfertigen lassen.

    Vor der Tür des alten Hauses lag knöchelhoch das Laub, als er nach Hause kam. Vanja hatte nicht gerecht, wie er es ihm aufgetragen hatte, sondern frönte vermutlich der Faulheit. Vendelin stellte den Korb mit den Einkäufen neben der schmutzigen Haustür ab. Die Novizenrobe der Bruderschaft von Zeit und Raum hatte er gegen eine schlichte braune Kniebundhose mit Beinlingen getauscht. Weder die Beinlinge noch das mit einer Schleife verschlossene Hemd waren gebleicht, so dass sie eher hellbraun anmuteten anstelle von strahlendem Weiß. Darüber trug er eine - ebenfalls braune - Jacke. Das Einzige, was ein wenig extravagant wirken mochte, waren die grüne, lang herabhängende Schleife um seinen Hemdkragen und das dazu passende Band um den ledernen Dreispitz. Insgesamt machte er einen ärmlichen, zurückhaltenden Eindruck. Dass sich unter dieser Erscheinung das Ego eines ganzen Löwenrudels befand, merkte man dem stillen jungen Mann nicht an. Er wusste, wer und was er war. Aber die Außenwelt brauchte das nicht zu interessieren.

    Der Schlüssel quietschte, das von der Tür angeschlagene Klangspiel bimmelte laut, als er eintrat. Man konnte die Tür keinen noch so kleinen Spalt öffnen, ohne die durch das gesamte Haus hallende Melodie auszulösen. Vendelin wuchtete den Korb hinein, der wegen des darin befindlichen Quarkeimers und der Äpfel ziemlich schwer war, ehe er die Tür abschloss. Er hatte für sie zum Abendbrot Apfelquark machen wollen, doch offenbar war Vanja ihm zuvorgekommen. Der süße Duft von frisch gebackenem Kuchen umschmeichelte seine Nase. Vanja war also doch nicht so faul gewesen, wie er vermutet hatte, sondern hatte nur seine Prioritäten ein wenig umsortiert. Nun, das war ihm recht. Vendelin hängte Dreispitz und Jacke an die Garderobe, tauschte die Stiefeletten gegen Pantoffeln und ging mit dem Korb in Richtung der Küche.

    In der Tür stand sein jüngerer Halbbruder, mit der Schulter gegen den Rahmen gelegt und kokett die Hand in die Hüfte gestützt. Er trug das Hochzeitskleid von Vendelins toter Mutter. Um seinen Kopf wehte der dazugehörige transparente Brautschleier.

    Vendelin zählte gedanklich bis zehn, während er den Korb mit dem Einkauf vor dem Vorratsschrank abstellte. Vanja war in einem Alter, in dem er den Kopf noch voll kindlicher Flausen hatte, während sein Körper schon der eines jungen Mannes war. Für Vendelin, der ohne Kontakt zu anderen Kindern aufgewachsen war und in seiner Kindheit so gut wie kein Spielverhalten gezeigt hatte, waren Vanjas Rollenspiele sehr gewöhnungsbedürftig.

    »Ich habe unseren Hochzeitskuchen gebacken«, erklärte Vanja, als ob zwischen ihm und Vendelin eine entsprechende Vereinbarung geherrscht hätte.

    »Wie schön«, antwortete Vendelin, der sich zwar auf den Kuchen freute, aber weniger darüber, dass sein jüngerer Halbbruder in Spiellaune war. Seiner Meinung nach waren sie beide längst zu alt dafür. Ihm zuliebe spielte er aber trotzdem halbherzig mit.

    »Die Gäste sind auch schon da«, fuhr Vanja fort. Die Ölgemälde ihrer Familienmitglieder saßen auf einer Seite der Eckbank. Außerdem saßen dort Vendelins abgegriffene Lumpenpuppe, die er von ihrem gemeinsamen Vater Wenzel geerbt hatte und Vanjas kleiner Kuschelmönch Bruder Cloude.

    Vanja lächelte unter dem Schleier. »Du kommst spät, alle warten schon auf dich. Cloude wird uns nach dem Essen trauen!«

    Vendelin verkniff sich den Hinweis, dass man eigentlich erst nach der Trauung gemeinsam aß und nicht vorher, aber sein Bruder hatte den Tisch schon gedeckt und ihnen sogar Wein eingeschenkt. Also ließ er sich nieder und genoss den sehr gelungenen Kuchen, während Vanja ganz in seinem Spiel versunken über ihre Hochzeit plauderte und Vendelin hin und wieder mit »Hm« oder »Ah ja« antwortete.

    Der Wein war gut, vermutlich stammte er aus dem Vorrat des Tempels und Vanja hatte ihn mit Gewürzen und Honig aufgepeppt. Er stieg Vendelin rasch zu Kopf, noch mehr aber seinem Bruder. Angetrunken stand Vanja auf und zog ihn auf die Füße. Er hielt seine Hände fest und säuselte mit einer Piepsstimme, mit der er Cloude imitierte und die jetzt im Stimmbruch fürchterlich klang: »In guten wie in schlechten Zeiten! Liebt euch, bis der Tod euch scheidet. Und antwortet jetzt laut und deutlich und ohne Diskussion mit Ja!« Vanja grinste. »Ja!«

    »Ja«, antwortete auch Vendelin.

    »Dann müssen Sie die Braut jetzt auf der Stelle küssen«, piepste Vanja.

    »Igitt«, rief Vendelin. »Ich hab es mir anders überlegt! Die will ich nicht heiraten.«

    »Sie müssen aber«, beharrte Vanja mit der Stimme seines Mönchs. »Ihre Väter haben es entschieden! Alle Verträge wurden unterzeichnet und besiegelt, so wie Ihr gemeinsames Schicksal!« Er griff zu einem Gemälde herüber und ließ es wackeln. Mit einer anderen Stimme äffte er den darauf abgebildeten Verwandten nach. »Schande über Vendel«, brummte er mit tiefer Tonlage. »Rache über sein Haus! Ich verurteile ihn zum Tod durch Kitzeln, weil er meine Tochter verschmähte!«

    Dann schob Vanja seinem Bruder die Finger unter die Achseln.

    Vendelin presste die Arme an den Körper. »Ich bin nicht kitzlig. Das tut weh!«

    »Küss die Braut!«, befahl Vanja und versuchte, ob Vendelin an den Flanken kitzliger war als unter den Achseln.

    Vendelin gluckste. »Meine Braut hat aber einen Bart!«

    »Du hast selber einen«, verteidigte Vanja sich. Unwillkürlich fasste er an seine Oberlippe und prüfte, ob er sich nachlässig rasiert hatte. Seine braunen Stoppeln waren weder dort noch am Kinn zu übersehen.

    »Du siehst aus wie ein wandelnder Besen«, urteilte Vendelin.

    Vanja warf seinen Schleier zurück, zerrte seinen Bruder an sich heran und küsste ihn grob auf den Mund. Vendelin gab unter lautem Lachen Kotz- und Würggeräusche von sich, während Vanja ihn abknutschte.

    »Du lachst«, rief Vanja triumphierend und kitzelte ihn wieder.

    Vendelin konnte nicht mehr, er prustete los und ein Sprühregen landete auf Vanjas Gesicht. Vanja rang ihn zu Boden und sie kugelten über den Teppich. Auch Vanja musste nun lachen, weil Vendelin ihn ansteckte.

    »Aufhören, ich krieg keine Luft mehr«, flehte Vendelin unter Tränen. »Bartbraut!«

    »Ich höre erst auf, wenn du mich küsst«, beharrte Vanja und kitzelte ihn so brutal, dass Vendelin aufschrie. Er fuhr herum und küsste ihn schnell. »So! Gnade!«

    Vanja aber blickte ungnädig drein. »Das war kein richtiger Kuss!«

    »Na gut. Du musst aufhören und stillhalten.«

    »Wehe du bescheißt.« Vanja hörte auf, ihn zu quälen und wartete mit gespitzten Lippen. Vendelin rutschte näher und küsste ihn richtig. Vanja öffnete den Mund und schloss die Augen, als die Lippen seines Bruders ihn liebkosten. Als Vendelin aufhören wollte, hielt er ihn an der Kleidung fest. »Mach weiter«, bat Vanja.

    »Also schön, einen noch.« Vendelin gab sich große Mühe, damit Vanja anschließend Ruhe gab. Er küsste ihn so innig, als wären sie ein Liebespaar. Vanja streckte seine Zunge ein wenig heraus, so dass sie von den sanft saugenden Lippen mitgeküsst wurde. Er genoss die Zärtlichkeit. Bald begann er mitzumachen und es wurde ein richtiger Kuss daraus, an dem sie beide ihre Freude hatten.

    Als sie ihre Münder voneinander lösten, sah Vanja ihm tief in die Augen. »Komm mit«, bat er.

    Vendelin ließ sich ohne Widerstand mitziehen, aber zog die Brauen hoch, als Vanja ihn ins Schlafzimmer lotste. Sein Bett war frisch bezogen und die Kissen ansprechend arrangiert, in den Haltern brannten mehrere Kerzen, um es gemütlich zu machen. Vanja zog ihn ganz nah an sich heran, so dass ihre Bäuche sich berührten. Er streichelte Vendelins Gesicht zärtlich mit der Nase und seine Küsse wahren nicht mehr nur für den Mund bestimmt. Immer tiefer wanderten sie seinen Hals hinab.

    »Was soll das werden?«, wollte Vendelin wissen, legte aber den Kopf ein wenig nach hinten, um seine Kehle zu entblößen.

    Vanja unterbrach seine Zärtlichkeit und sah ihn vorwurfsvoll an. »Die Hochzeitsnacht? Oder was glaubst du, was nach einer Trauung passiert? Ich habe sogar ein Strumpfband angezogen. Du darfst es suchen.«

    »Mir bleibt auch gar nichts erspart«, lachte Vendelin und ließ zu, dass seine Möchtegern-Braut ihn an den Händen zum Bett zog. Ziemlich grob beförderte Vanja ihn anschließend rücklings auf die Decke. »Und jetzt?«, fragte Vendelin.

    »Halt doch endlich mal die Klappe«, gurrte Vanja vergnügt, öffnete ihm die Hose und zog sie ihm über den Hintern. Gespannt schaute er ihm dabei zwischen die Beine.

    »Eh«, protestierte Vendelin, der, wie es damals üblich war, keine Unterhose trug, nur ein Hüftband, an dem die Beinlinge befestigt waren. Vanja fuhr unbeirrt fort und zog ihm die Hose auch noch über die Füße. Rasch presste Vendelin die Hände auf seinen Schritt und musste schon wieder lachen.

    »Nur Kinder lachen, wenn einer nackt ist«, informierte Vanja mit einem unterdrückten Grinsen.

    »Du lachst doch selber!«

    Vanja gab sich Mühe, ernster zu blicken. »Daran ist überhaupt nichts Komisches, das ist etwas ganz Normales. Man muss sich nicht schämen, wenn man nackt ist.« Er griff sanft in Vendelins Hände und bog sie ihm auseinander.

    Der spürte, wie ihm das Blut in die Wangen schoss, als sein Bruder ihn dort unten aus nächster Nähe betrachtete. »Wieso willst du mich nackt sehen?«

    Vanja rollte mit den Augen. »Meinst du, bei einer Hochzeitsnacht ist man angezogen? Das ist so kindisch von dir. Bleib doch einfach mal ganz ruhig liegen.«

    Ganz vorsichtig ließ er Vendelins Hände los. Mühsam beherrscht tat ihm Vendelin den Gefallen, in dieser Position liegen zu bleiben. Er legte die Arme flach auf die Decke, so dass Vanja ihn in Ruhe betrachten konnte. Er spürte seinen Atem auf seiner Haut an einer Stelle, wo er sonst keinen Atem spürte.

    »Siehst du«, raunte Vanja, »ich lache dich nicht aus. Es ist nichts dabei. Du darfst bei mir auch mal schauen. Aber nicht lachen.«

    Er raffte den Rock und entblößte seine Hüfte. Darunter trug er - nichts. Nur das blaue Strumpfband am Oberschenkel. Er schwang sein Bein über Vendelins Kopf und schob ihm den Schritt über das Gesicht, damit er auch wirklich schaute. Es schien ihm sehr wichtig zu sein.

    »Wehe du lässt jetzt einen fahren«, sagte Vendelin, während Vanja mit dem Kopf in Richtung seiner Hüfte saß.

    »Ich kann dir auch einen Haufen ins Gesicht setzen, wenn du dauernd blödes Zeug redest! Kannst du nicht mal ernst bleiben?«

    Plötzlich spürte Vendelin Küsse auf seiner empfindlichen Haut. Jetzt sagte er gar nichts mehr, sondern schloss die Augen und ließ Vanja in seinem Spiel gewähren. Vanja ließ sich Zeit damit, ihn zu erkunden und keiner von beiden blödelte noch rum. Ob es wirklich noch ein Spiel war, bezweifelte er, aber es schuf dem Ganzen die Legitimation.

    »Jetzt du«, flüsterte Vanja und hörte auf, blieb aber über ihm. Kommentarlos verwöhnte Vendelin ihn mit der Zunge. Schließlich drehte Vanja sich um, so dass sie nebeneinander auf der Decke lagen, Gesicht an Gesicht. Erneut küssten sie und Vendelin streichelte ihm die Wange. Vanja packte sein Hemd und zog ihn daran zwischen seine Beine. Sein Rock war immer noch nach oben geschoben, so dass sie unten Haut auf Haut spürten. Leicht zitternd vor Nervosität lag Vendelin auf ihm, während er von seinem Bruder unablässig geküsst und gestreichelt wurde. Nein, das Spiel war längst vorbei.

    »Was willst du jetzt?«, fragte er sanft.

    »Dich«, flüsterte Vanja.

    »Aber wir sind Geschwister.«

    »Nur Halbbrüder. Außerdem ist das nur verboten wegen den Kindern, wenn Bruder und Schwester miteinander was haben. Aber das geht bei uns ja schlecht. Lass es uns versuchen. Büdde«, bettelte er. »Ich will das mal ausprobieren.«

    »Aber wieso augerechnet mit mir, Vanja?«

    »Mit wem soll ich es denn sonst ausprobieren? Mit einem Mönch?«

    »Auch wieder wahr.«

    Vanjas Blick wurde verschwörerisch. »Hast du es schon mal?«

    Vendelin grinste mit einem Mundwinkel. »Ja klar, ich bin ja auch ein bisschen älter als du.«

    »Und mit wem? Wie war es?«

    »Ist doch egal.« Vendelin küsste ihn, damit er die Klappe hielt. Vorsichtig brachte er sich in Position, so dass Vanja spüren konnte, wie es sich anfühlen würde, wenn sie ernst machten. Vanja hielt den Atem an, Vendelin spürte, wie seinem Bruder das Herz raste und wie er sich ihm entgegen drückte. Vanja wollte es tatsächlich.

    »Also schön. Warte kurz.« Er beugte sich zur Seite, ohne von ihm herunterzusteigen und machte einen langen Arm. Aus der Schublade vom Nachttisch angelte Vendelin eine kleine Flasche mit Öl. Damit bereitete er sie beide vor, während Vanja absolut still hielt und nicht wagte, sich zu rühren, um ihn nicht zu unterbrechen. Dann wurden sie eins. Vanja krallte sich an ihm fest und keiner von ihnen lachte noch, als Vendelin ihm zeigte, wie es ging.

    Allerdings kamen sie nicht dazu, es zu beenden. Die Türglocke ging, eine tiefe Stimme rief nach Vendelin und dann polterte Alejandro ohne anzuklopfen ins Schlafzimmer. Mit dem, was er dort sehen würde, hatte er wohl nicht gerechnet. Einen Moment herrschte Totenstille, als Vendelin und Vanja ihn aus dem Bett heraus anstarrten und er zurückstarrte.

    »Nun«, sagte Alejandro gedehnt, »ich denke, es ist an der Zeit, Bruder Marius einen Hinweis zu geben, dass du angelernt werden musst, Vanja.« Aus irgendeinem Grund klang er ziemlich sauer.

    »Ich lerne ihn doch schon an«, knurrte Vendelin frech seinen ehemaligen Ausbilder an. »Treibst dich Jahre in der Weltgeschichte herum und dann tauchst du plötzlich auf und meinst, mir irgendetwas vorschreiben zu können.«

    Alejandro trat kurzerhand ans Bett, packte Vendelin von hinten an den Hoden und zog ihn daran nach oben. Vendelin hatte keine andere Wahl, als dem Zug zu folgen. Mit einem leisen Schmatzen glitten ihre Körper auseinander.

    »Ihn anzulernen ist nicht deine Aufgabe. Runter jetzt, oder muss ich noch deutlicher werden?«

    Widerstrebend gab Vendelin Vanja frei, der einen knallroten Kopf hatte vor lauter Scham oder Wut.

    »Raus«, bellte Alejandro, so dass Vanja zusammenzuckte. Betont langsam richtete er das Kleid und schlich aus dem Schlafzimmer, wobei er dem Eindringling einen feindseligen Blick über die Schulter zuwarf. Alejandro erwiderte ihn mit einem Gesicht wie aus Eisen. Vendelin hielt er noch immer an den Hoden fest, die er sanft rhythmisch drückte, so dass Vanja es sehen konnte. Kaum war Vanja verschwunden, warf Alejandro Vendelin flach auf das Bett, öffnete seine Hose und nahm ihn erneut in Besitz.