Kapitel 26 - Der Fall Evalon(s)

  • Der Fall Evalon(s)


    Die Ducachessa saß in ihrer Amtsstube und dachte angestrengt über die Informationen und Ereignisse der vergangenen Tage nach. Viel hatte sich zugetragen und ebenso viele Neuigkeiten hatte sie erfahren. Chiara betrat die Stube mit einem großen Präsentkorb in den Armen und stellte ihn zu den anderen. Dafür musste sie einige Blumensträuße verrücken und andere Geschenke. Verrill tauchte die Schreibfeder zurück in das Tintenglas und lehnte sich in ihrem großen Sessel zurück.


    "Ein Korb voller Süßfrüchte und anderer Leckereien, mit den besten Grüßen an unsere Majestät Ducachessa Verrill di Ledvico, in tiefer Verehrung Eure Nunzia Ducciolli. Erste Wäscherin im Hause Mansezzo", las Chiara glücklich vor.

    "Was für eine liebe Geste, die Frau wird auch nicht viele Taler besitzten. Notiere bitte alle Schenkenden, sobald wir ein Fest am Hofe abhalten, werden sie mit einer gesonderten Einladung bedacht. Dies gebührt der Dank und der Anstand", antwortete Verrill.


    "Eine wundervolle Idee", freute sich Chiara, die hoffte, dass sie die Feier ausrichten durfte.

    "Danke. Sei so gut und bitte meinen Ehemann den Duca, meinen Vater den Duc, meine Brüder Dreux und Ciel, sowie Linhard, Aurelien und auch Irving in meine Amtsstube. Ah und hole sicherheitshalber auch Dan dazu", erklärte Verrill und notierte etwas in ihren Unterlagen.


    Chiara horchte aufmerksam und besorgt auf.

    "Herrin ist mit Euch alles in Ordnung? Fühlt Ihr Euch nicht wohl?", hakte die Zofe liebevoll nach.

    "Bitte? Nein nein, alles Bestens Chiara, Dan ist eigentlich hier, falls es zu einem Streit kommen sollte. Man weiß bei den Hitzköpfen Linhard und Irving nie, wie weit sie gehen würden. Drum Dan hat eine beruhigend Ausstrahlung und er kann sie zur Not wieder zusammenflicken", schmunzelte sie.


    Chiara lächelte erleichtert und verkniff sich den Kommentar, dass Verrill selbst so dickköpfig wie Irving und Linhard zusammen waren. Die Zofe stellte ihrer Herrin eine kleine Schale mit Keksen bereit, überprüfte die Teekanne auf ihren Inhalt und machte sich dann schleunigst auf den Weg, die gewünschten Personen in das Amtszimmer ihrer Herrin zu bitten.


    Die Ducachessa wartete bis alle anwesend waren und saßen, ehe sie das Thema eröffnete.


    "Ihr wurdet zusammengerufen, da mir ein Thema dieser Tage ganz besonders auf der Seele brennt - der Fall Evalon.

    Die Vertraulichkeit dieses Gespräches, erwähne ich expliziet. Nichts verlässt diesen Raum, was hier für die Geschicke Ledwicks und ganz Almanien beschlossen wurde!


    Wir alle kennen die technischen Errungenschaften der Goblins, ihre inovativen Ideen um sich den Alltag zu erleichtern und um ihre körperlichen Unzulänglichkeiten wett zu machen. Nachforschungen meines meines, keinem geringeren als dem Duca di Ledvico haben jedoch ergeben, dass diese Errungenschaften gar nicht dem Volke der Goblins zuzuschreiben sind. Es sind die Errungenschaften unserer Vorfahren, die Errungenschaften der Almanen!


    Eine detailgetreue Abzeichnung dessen, was uns zugespielt wurde.


    Zeichnung:

    Bitte melde dich an, um diesen Link zu sehen.


    Was Ihr hier seht, ist ein Skorpion, eine Kriegswaffe mit besonders hoher Reichweite und Durchschlagkraft. Allerdings ist dies nicht die Besonderheit des Originalpergaments. Wie Ihr unschwer erkennen könnt, wird dieser Skorpion von einem Almanen bedient. Verwunderlich daran ist, dass dieses Pergament aus den Archiven der Goblins stammt.


    Weshalb sollte ein Volk seine Erfindungen an die Größe und Körperkraft eines Fremdvolkes anpassen? Entweder um dieses Fremdvolk als Sklavenrasse zu missbrauchen. Oder - was wahrscheinlicher ist, es handelt sich dabei gar nicht um eine Erfindung der Goblins, sondern der Almanen.


    Jener Almanen, die vor einer Ewigkeit Evalon besiedelt haben. Mein Vater führte hierzu folgende These aus:

    Ihr Wissensschatz? Oder der unsere? Wieso sollten Goblins Almanen abbilden und Waffen in deren Größe fertigen? Dieser Schatz gehört nicht ihnen, er gehört den Almanen. Und welches Volk ihn immer dort zurückließ, hat bereits großes geleistet. Vielleicht ein vergessenes sechstes Großherzogtum? Vielleicht ein Herzogtum, dass sich kleine grüne Kreaturen als Arbeiter hielt? Wer weiß. Vielleicht sind die Gobos aber auch nur Opportunisten die sich ihr Reich auf den Resten und Relikten einer uralten almanischen Zivilisation aufgebaut haben. Wenn dem so ist Tazio, dann ist dass was sie als Gobo-Tech bezeichnen, unsere Tech. Gestohlenes Wissen, zumindest haben sie es nicht mit ihren Verbündeten oder den Nachfahren der einigsten Besitzer geteilt.


    Wir schließen uns dieser Meinung an, denn betrachten wir doch einmal die Landkarte Asamuras. Angefangen von dem Gebiet des heutigen Souvagne, über das heutige Ledwick, hin zu Ehveros, Naridien als einstiges Großherzogtum bis hin zu Evalon - alles liegt auf einer Linie, auf einem Breitengrad dem sogenannten Almanischen Gürtel.


    Das ist das ein weiteres Indiz dafür, dass die Goblins nicht die ursprüngliche Bevölkerung Evalons sind.


    Hinzu kommen die Relikte die zwischen Naridien und Evalon geborgen werden. Die Goblins streiten vehement um die alten Ruinen und wollen sich die dortigen Funde nicht nehmen lassen. Auch dies zeigt uns mehrere Dinge. Erstens beruhen ihre Erfindungen nicht auf ihrem geistigen Eigentum, sondern sie kupfern von den Funden aus den Ruinen ab. Ein weiterer Punkt, wer hinterließ diese Funde? Laut der Größe und diesem Bild, waren es Almanen und keine Goblins.


    Das lässt einen weiteren Rückschluss darauf zu, dass dort einst ein almanischen Großherzogtum lag, dass unterging. Der Grund dafür ist uns nicht bekannt. Eines ist uns aber nun sehr wohl bekannt, die Goblins haben uns betrogen! Nicht nur was den Krieg rund um Dunkelbruch anging. Kaisho war weit vor dem Krieg um Dunkelbruch nichts weiter als eine perfide Lüge!


    Die Goblins nutzen alte Technologie der Almanen um in einem Wohlstand zu leben, der ohne diese alten Almanentechnologie niemals möglich gewesen wäre. Hinzu kommt, sie verkaufen uns ihre Erfindungen, für teuere Taler. Erfindungen die almanisches Eigentum sind! Sie verkaufen uns also unsere eigene Technologie, die bei uns in Vergessenheit geriet. Technologie die mit dem Almanenvolk unterging, dass sie einst hervorbrachte.


    Und die Goblins haben versucht und es teilweise auch geschafft, einige Großherzogtümer als ihre Bauern und Malocher abzustempeln. Die Goblins sind also Lügner, Diebe und Betrüger. Sie sitzen auf einem Land dass nicht ihnen gehört, sie sitzen auf Almanischer Scholle! Sie nutzten Almanische Technologie! Sie benutzten Almansiche Großherzogtümer! Sie halten sich für die Herren des almanischen Grütels, obwohl sie überhaupt keine Herren sind! Kaisho war ein Bündnis, kein übergeordnetes Reich, mit einer Achtung... KÖNIGIN über den Großherzogen an der Spitze.


    Aus all diesen Gründen hat der Duca beschlossen, dass die Goblins der Welt beweisen dürfen, was für geniale Tüftler sie wirklich sind...

    Die Goblins werden aus Evalon gefegt, mit nichts als dem was sie auf dem Leibe tragen!


    Evalon ist almanisch und wird in almanische Hand zurückkehren! Wir holen uns das zurück, was man uns gestohlen hat. Und hierbei benötigen wir die Hilfe aller Familienmitglieder. Allen voran Deine Hilfe Irving und die von Thabit.


    Ich bitte um Ergänzungen", sagte Verrill und machte es sich in ihrem Ohrensessel gemütlich.

  • Ciel saß zwischen Dreaux ("seinem Lieblingsbruder") und Linhard ("seinem Lieblingsschwager") und freute sich, dass sie sich alle gemeinsam an einem Tisch zusammengefunden hatten. Prince Remy war nicht mit eingeladen, er hatte trotz seines Titels keine Entscheidungsgewalt, die über seine Rolle als Himmelsauge hinausging und war auch kein sonderlich kluger Berater, wenn man von seinen Tipps in Liebesdingen absah. Ciel lauschte den Ausführungen seines Geschwisterchens, das nun an der Seite des Duca über die Geschicke von Ledwick wachte. Er war stolz auf Verrill und, so musste er sich eingestehen, liebte sie noch immer. Doch er würde sich ihr nicht mehr anders als brüderlich nähern, das hatten sie besprochen und so war es auch selbstverständlich.


    "Interessante Ausführungen, Schwesterherz. Evalon soll also bereinigt werden, anschließend werden Expeditionen und gegebenenfalls Enklaven das Wissen sichern, nehme ich an. Was soll mit den Goblins geschehen und wem wird das geborgene Wissen gehören?"

  • "Das geborgene Wissen wird Ledwick und Souvagne zu gleichen Teilen gehören, da es auch die beiden Ländern sein werden, die sich des Falls Evalons annehmen werden. So wie wir gemeinsam den Zwergen und den Farisin entgegen getreten sind, so werden wir auch den Goblins entgegentreten.


    Wichtig und von Tazio oder Maximilien wäre zu offenbaren, wem Evalon zufällt.


    Noch eine Anmerkung von Vater:


    Der Duca und der Duc, der Leone di Marino und le souvagni Aigle sind ewiglich. Sie werden nur von einer anderen Person
    repräsentiert. Das Haus Souvagne, das Haus Ledvico, das Haus war als Sinnbild gemeint für ein Land. Als Grundlage diente das Bild des Herrenhauses von Hohenfelde, Verrill kann Dir darüber berichten. Ihr erster Ehemann ist ein
    Hohenfelde. Ich weiß nicht, ob Du ihn als Ehebruder bezeichnest, aber er ist Teil Deiner Familie und unserer Familie, folglich wird er uns mit seinen Mitteln und Möglichkeiten beistehen.


    Die begangenen Fehler zu korrigieren ist Pflicht und keine Schande. Was ich tun werde? Was wir tun werden Tazio, wir
    haben mehr als nur einen Bund geschlossen, den unserer Länder und den unserer Familien. Wenn einer meiner Söhne ein Problem hat, stehe ich ihm bei. Du bist mein Sohn. Und wenn etwas mein Land bedroht, handele ich. Also was sollte ich
    wohl in dieser Situation anderes tun, als an Deiner Seite zu stehen? Es geht uns beide an und wir müssen agieren. Reagiert haben wir lange genug. Falls Du meinst, ob das Haus Hohenfelde Evalon zu Fall brachte, wie wir davon ausgehen,
    dass die Sippe möglicherweise die Finger beim Fall Ghenas die Finger im Spiel hatte, wäre das durchaus möglich. Wir sollten Linhard dazu befragen.


    Es ist aber durchaus denkbar, dass ihm soweit zurückliegende Informationen fehlen. Bedenke er beherrscht keine Magie. Wir könnten ebenso Brandur von Hohenfelde zu Rate ziehen. Oder ich werde eine bestimmte Person anhalten diese Informationen
    in Erfahrung zu bringen, jemanden der einen gewissen Ältesten rufen kann.


    Jene Person sitzt unter uns - Irving.

    Irving sind Dir und Thabit bekannt, ob Evalon einst ein Großherzogtum war, dass durch die Sippe zu Fall gebracht wurde? Es muss vor dem Fall Ghenas gewesen sein, also vor der Ausrufung der Demokratie Naridien. Was weißt Du über Evalon und dessen Relikte samt Geheimnisse?


    Oder was weißt Du Linhard?", fragte Verrill in die Runde.


    "Ich weiß leider nichts über den Fall von Ghena oder Evalon", gestand Linhard ein und zeigte die offenen Handflächen.

    "Dann bleibt nur Ihr Irving, habt Ihr Informationen über Evalon?", hakte Verrill nach.

    "Wir benötigen Dein Wissen Irving, falls hier einer mehr Informationen haben könnte, dann Du als Wiggi", warf Lin umgänglich ein.


    "Schatz berichte doch bitte in wessen Hände Evalon fallen soll", bat Verrill.

  • "Nun, wir hatten Prince Ciel Felicien de Souvagne im Kopf", sprach Tazio.


    Ihm gegenüber wurde Ciel weiß wie der beinerne Kronleuchter. Dann rot wie ein Hummer. Und etwas Bemerkenswertes geschah - dem kleinen Prince verschlug es die Sprache. Tazio musste schmunzeln.


    Irivng zog einen deutlichen Flunsch. Er hätte mit einem freigewordenen Land sicher andere Pläne gehabt, als es an Souvagne fallen zu lassen. Tazio jedoch hatte genügend damit zu tun, sein schon vorhandenes Land wieder aufzubauen. Weder ihm noch Evalon noch sonst wem nützte es, wenn er ein Land für sich beanspruchen würde, dass er weder schützen noch bewirtschaften konnte. Es würde lediglich zu einer weiteren Verdünnung seiner Bevölkerung führen, wenn er die Hälfte des kläglichen Restes von Männern nach Evalon schicken würde.

  • "So wurde es von Vater und Tazio geplant. Aber bevor Du den Thron besteigst, solltest Du an Deiner Stimmlage feilen", schmunzelte Verrill mit einem Zwinkern, während Vianello in Vertretung für den erstarrten Ferrau Ciel die Stirn abtupfte, wie einem operierenden Heiler.


    "Tazio und ich haben lange über die Goblins und Evalon gesprochen. Gerade im Hinblick auf ihre Forschung, technischen Errungenschaften, ihr Land und ihre Titel. Und ich bringe Dich Ciel - Euch alle auf den Ist-Stand.


    Ein Königreich ohne echte Königin. Ein Staatsoberhaupt das sich aus Gier, Gewinnsucht und Eitelkeit selbst so titulierte und damit über die Almanen erheben wollte. Um ihre Adels- und Obrigkeitstreue wohlwissend.


    Sie haben lange genug Almanisches Blut vergossen. Es stieß ihnen sauer auf, dass sie nicht wie die Herrscher für die sie sich halten durch ganz Almanien marschieren konnten. Sich dabei noch am besten überall frei bedienen, an Mannstärke, Waffen, Nahrung, Verpflegung und Unterkunft. Ein Bündnis funktioniert nur beiderseitig. Das war nichts weiter als ein Knebelvertrag, der sich automatisch bei nicht rechtzeitiger Kündigung um ein Jahr verlängert.

    Nun ich habe außerordentlich gekündigt, wie man so schön sagt.


    Unsere Aufgabe ist klar, wir müssen das verborgene Wissen bergen und wir führen Almanien zu dem Glanz zurück der ihm zusteht. Es mögen von fünf Königreichen, zwei übrig geblieben sein, aber was nützen fünf blinde Sklaven? Dann doch
    lieber zwei sehende Könige.


    Denn auch wir haben einen Eid geschworen, schon am Tage unserer Geburt Treue und Loyalität gegen Schutz und Schirm. Nie ausgesprochen, aber durch unsere Geburt legitimiert wie auch verpflichtet. Bindend für alle Zeit unseres Lebens.


    Nach dem schändlichen Verrat des Abkommens, haben wir uns von Kaisho losgesagt. Und wie ich rückblickend sehe, zu Recht. Es tauchen immer mehr Gründe auf, weshalb die Trennung notwendig und richtig war. Unsere Länder Souvagne und Ledwick sind in Familie und Freundschaft vereint, vielleicht sollten wir uns auch einen passenden Namen geben. Ein eigenes Bündnis wählen. Zum sichtbaren Zeichen für alle anderen Nationen, dass wir fest zusammenstehen. Die Zeiten des grünen Raubrittertums sind vorbei.


    Die Bezeichnung unseres Bündnisses steht noch aus.

    Das Banner hatte Tazio bereits vorbereitet, das Wappentier ist eine Mischung aus Adler und Leone.


    Warum nannte sich das Staatsoberhaupt der Golbins König oder Königin, wo sie doch von Häusern und Clans regiert werden und das mächtigste Haus den König oder die Königin stellt? Darüber haben wir uns ebenso Gedanken gemacht.


    Almanen sind treu, loyal und feudal. Königin... lass Dir das auf der Zunge zergehen, dieser Titel, diese Bezeichnung verlangt nach Respekt, Macht, Gehorsam. Automatisch würde ein Almane vor der Königin niederknien, weil es sich so gehört, weil es gebührlich ist. Du oder ich nicht, aber ein normaler Mann würde das Knie beugen um uns nicht zu beschämen. Dabei dürfte dieser Mann nicht einmal in ihre Richtung nicken!


    Ausgebeutet, bestohlen, die Hehlerware an die ehemaligen Besitzer verkauft und sich dann noch in Amt und Würde gekleidet,
    die ihnen gar nicht zusteht. Adelsanmaßung wäre der Straftatbestand in Souvagne. Unbefugter Gebrauch des Adels oder eines bestimmten Adelstitels ist unter Strafe gestellt.


    Aber dass soll nicht mein Problem sein, mein Problem ist, was sie mit der Bezeichnung bezwecken. Sie provozieren eine Handlung, die ihnen nicht gebührt. Wohlwissend dieses Verhalten dann auszunutzen.


    Wieso heißt ein Gebirge in Evalon nach den Almanischen Ureinwohnern von Ghena die Ghenäen? Zufälle, so viele
    Zufälle, dass man sich fragt, was davon wirklich Zufall ist. Wobei einer meiner Vertrauten einmal sagte, vertraue keinen Zufall den Du nicht selbst verursacht hast.


    Dies sagte Dein Onkel Davard von Hohenfelde Linhard.


    Die Amtsbezeichnung einer Landesrepräsentantin, die sichKönigin schimpft, wobei es weder eine Monarchie noch einen Grund für diese Titulierung gibt. Der Titel soll nur eines eine Haltung und eine Handlung verursachen, er soll Respekt und Gehorsam einflößen. Und zwar der Almanischen Bevölkerung, nicht der Evalonischen.


    In einer Clan strukturierten Gesellschaft ist das Wort Königin so unpassend und unnötig wie wenn sich der Naridische Rat
    die fünf Könige nennen würde. Darüber hätten wir geschmunzelt oder sogar gelacht. Wieso bei den Evalonern nicht? Weil es seit Anbeginn des Abkommens so war, weil sie als Verbündete galten.


    Ledwick war ihnen leider noch wesentlich näher als es Souvagne jemals war.

    Zurückhaltung hat uns wohl auch dabei einiges erspart.


    Allerdings in dem Falle Ledwick nicht, vielleicht wäre es ratsam gewesen, die Brudervölker zu etwas mehr Besonnenheit in Bezug auf die Goblins aufzurufen. Denn sind wir ehrlich, was hinter ihrem Handeln steckte, dem sind Tazio und ich erst auf die Schliche gekommen.


    Und das was wir zu sehen bekamen, ist nur ein Bruchteil dessen, was wirklich in diesem Sumpf versunken liegt. Wenn wir das Wrack bergen wollen, müssen wir darauf gefasst sein, dass wir nicht nur Schätze heben. Wir werden auch Dinge erfahren,
    auf die wir nicht vorbereitet sind, gut wie schlecht.


    Und wir werden vermutlich erst dann richtig begreifen, was sich die Goblins dort angeeignet haben und um was sie uns all die Jahrhunderte lang beschissen haben. Sprechen wir völlig offen. Tazio hatte vorgeschlagen sie anzugreifen.

    Ich bin völlig seiner Meinung.


    Befriedung zum Frieden!


    Sie halten gerade die Füße still und hoffen das Gras über die Sache mit den Zwergen und Rakshanern wächst.

    Aber das Gedächtnis des souvagnischen Adlers ist so scharf wie seine Krallen.

    Wir vergessen keine Schmach und keinen Verrat der an uns verübt wurde.


    Die Zeit heilt nicht alle Wunden, aber die Zeit gibt einem Gelegenheit dazu, die Wunden zu rächen. Nichts wird vergeben, nichts wird vergessen, irgendwann wird jedem die Rechnung für seine Taten präsentiert. Ich wäre dafür ihn einen Lektion zu verpassen, um ihnen zu zeigen, wir wissen was ihr getan habt.


    Ihr seid aufgeflogen und ab heute steht Ihr unter Dauerbeobachtung. Ferner würde ich vorschlagen sollten wir das Stück zwischen Naridien und Evalon erforschen.


    Die Ruinen beanspruchen wir für uns!


    Die Goblins werden nach der Lektion dazu aufgefordert ALLE technischen Errungenschaften basierend auf den dortigen Funden auszuhändigen und das Wissen frei zugänglich zu machen. Sie mögen technisch weit fortgeschritten sein, aber bedenke was wir in eine Schlacht führen können.


    Sie haben Luftschiffe?

    Wir ebenso.


    Wir haben zig Orden die sich unserer Sicherheit verschrieben haben, allen voran einen Orden der die erste Massenvernichtungswaffe erschuf, oder besser gesagt der Mann der damaligen Stunde Horatio.

    Ein Geheimorden, den ich hier im Kreise der Familie offenbare, als Zeichen meines Vertrauens.


    Der Orden der im Zweifelsfall mit todbringender Magie einschreitet heißt Blut und Gebeine.

    Worum es sich dabei handelt, dürfte klar sein. Ein Orden von Nekromanten.


    Aber nicht nur jene würden wir ins Feld schicken. Wir haben eine Marine, Ihr habt eine gewaltige Marine, wie sieht denn die Marine der Goblins aus? Nennenswerte Zahlen? Wir haben die Himmelsaugen, wir haben die Drachenhühner und noch ganz andere Möglichkeiten.


    Wir verfügen über Bomben basierend auf Giften und Magie, von denen die Goblins noch nichts gehört haben. Sie sind lausige Heiler, also sind sie auch lausige Giftmischer. Wie jeder weiß, die Dosis macht das Gift. Jeder hier hat möglicherweise mitbekommen, wie Dreux die Küste entwaldet und urbar gemacht hat.


    Wir müssen uns dahin gehend beraten, wie wir vorgehen. So stehen bleiben kann das Ganze nicht. Wir können nicht ignorieren, was wir in Erfahrung gebracht haben und wir wollen es auch nicht ignorieren.


    Tazio und ich haben gemeintschaftlich beschlossen, dass Evalon zurück in almanische Hand kommen wird.


    Ich dachte mir, wenn sämtliche Technologie auf Almanengröße angepasst ist, wenn die Goblins alles umbauen oder
    anpassen mussten, dann war es nie für sie bestimmt. Einst gab es jemand anderen dort. Weißt Du wie mir die Goblins in Evalon vorkommen? Wie ein Haus, dass mein Sohn einst betrat. Ein Herrenhaus. Stell Dir ein Herrenhaus vor, düster, dunkel
    und voller Geheimnisse. Dieses Herrenhaus ist nun verweist. Die Besitzer sind lange fort, gestorben. Übrig blieben ihre Nichtmenschlichen Helfer, sie hüten noch immer das Haus. Aber da die Herren nicht mehr da sind, versuchen sie nun
    zig Generationen später das Haus für sich zu benutzen. Aber sie sind kleiner als ihre Herren es waren. Vielleicht sägten sie zuerst die Stuhl- und Tischbeine ab um speisen zu können wie ihre Herren.


    An Tischen wohlgesittet. Und von Generation zu Generation wurden die Herren immer mehr vergessen. Nicht an sich, sondern dass sie einst die Herren waren. Die kleinen Kreaturen lebten schon so lange in dem Haus, dass sie mittlerweile glauben sie hätten es erbaut. All das wäre ihr schaffen gewesen. Und dann sehen sie, es gibt noch andere Herren.


    Da draußen, sie leben ein anderes Leben. Und sie merken, dass sie gar nicht das erwirtschaften können, was dieses Herrenhaus am Leben hält. Was nun? Wie sollen sie handeln? Und da fiel ihnen eine List ein... geben wir uns doch
    einen Namen, der einst der höchste aller Herren trug, dann werden die anderen sich vor uns verneigen, denn wir kommen aus dem Herrenhaus! Dieses Haus hieß möglicherweise Evalon nicht wahr, oder klingt der Name für Dich sehr goblinisch?


    Ehveros, Evalon, das klingt in meinen Ohren almanisch.


    Wäre das Herrenhaus das Hause Souvagne und wir wären verschwunden, würden sich die kleinen Kreaturen Souvagne nennen. So steht es doch auf dem Haus nicht wahr? So steht aus auf dem Schild, einst sagten die Herren Wappen dazu.


    Glaubt mir, so manches Haus birgt seine eigene Geschichte.


    Ich glaube die Goblins sind überlebende Diener oder Sklaven eines einstigen Almanischen Großherzogtums dass Evalon hieß. Die Lage ist passend. Wieso fünf Großherzogtümer, möglicherweise gab es sechs. Es liegt genau neben Ghena - sprich Naridien. Und dort zwischen Ghena und Evalon liegen almanische Relikte im Wüstensand verborgen, jene die sie bergen und uns als ihre Leistung verkaufen wollen. Es wird Zeit daran sie zu erinnern, was sie sind. Und es wird Zeit, dass wir uns selbst Gewissheit verschaffen, was sie einst waren und wer wir wirklich sind.


    Wie heißt es so schön?

    Vergiss niemals wer Du bist.

    Das gilt auch für uns.


    Zu Dir Ciel, Tazio und ich haben beschlossen, das Evalon ein eigenes, autarkes Großherzogtum nben Ledwick und Souvagne wird. Somit wärst Du Duc von Evalon und Regent Deines Landes. Wir beide haben vollstes Vertrauen in Dich und Du hast Dich des Amtes mehr als würdig erwiesen", erklärte Maximilien.

  • Ciel war wieder blass geworden. Seine Stirn glänzte nun, trotz des Puders, dagegen konnte er nichts tun und es war kein Zeichen von mangelnder Pflege durch seinen Leibdiener. Er schluckte und das Kopftuch, das seine Glatze verbarg, kam ihm auf einmal so heiß vor wie eine Wintermütze im Sommer. Er war nicht darauf vorbereitet, ein Land allein zu regieren. Er war, wenn er es sich recht überlegte, ganz gern Prince, der seinen Vater und seinen großen Bruder die Verantwortung tragen ließ, während er sich um die Dinge kümmerte, die er für wichtig hielt, was meist die Korrektur ihrer makelbehafteten Regierungsgeschäfte war, allen voran war er Mäzen der Bluthexerei. Und wo sie beim Thema waren, traten seine Schläfenadern unheilsvoll hervor.


    "EIN ORDEN VON NEKROMANTEN?" Ciel sog zischend die Luft zwischen seinen Zähnen ein. "Trotz meines Dekrets zur Ächtung der Nekromantie? Welches ich wohlwissend um deren Risiken und deren Schändlichkeit in Absprache mit dir erließ? Mich deucht, mein Wort wird nicht für voll genommen! Das kann nicht dein Ernst sein, Vater! Sicher, die Goblins gehören abgestraft, vielleicht auch ausgerottet, aber SO NICHT!"


    Er hob den Zeigefinger gut sichtbar für alle und setzte sein hochnäsigstes Gesicht auf.


    "Wenn ich es mir so überlege, birgt die Rolle als Regent tatsächlich viele Möglichkeiten. Ich bin einverstanden, aber die Rettung Evalons für die almanische Welt muss frei von Leichenschändung erfolgen! Diese Zeit der Barbarei muss ein für alle Mal vorbei sein!"


    Ihm entging nicht, dass Tazio seinem Vater einen Blick zuwarf, den er nicht recht deuten konnte. Vermutlich hatte der Duca genau so vorgehabt, ein Heer von Nekromanten ins Feld zu schicken. Ciel hätte am liebsten den Zeigefinger auf ihn gerichtet und AHA gesagt, als er ihn als weiteren Freund von nekrophilen Künsten entlarvt zu haben glaubte, aber das verkniff er sich dann doch lieber. Sein Finger blieb aber erhoben, während er mahnend in die Runde blickte.

  • Maximilien sah Ciel an, als hätte sich dieser gerade auf den Boden geworfen und mit den Fäusten auf die Fliesen getrommelt. Als das Schweigen unangenehm wurde, wartete er bewusst weitere fünf Minuten, ehe er das Wort an seinen Sohn richtete.


    "Dieser Orden ist älter als Du, ich oder mein Vater Ciel. Dieser Orden wurde gegründet, um uns in Zeiten schlimmster Not beizustehen. Kurzum, entweder um das Blatt noch einmal zu wenden, oder alle Feinde mit in den Tod zu reißen. Ob Dir das gefällt, spielt keine Rolle.


    Steht Dein Volk vor der völligen Vernichtung und man reicht Dir eine Waffe, beschwere Dich nicht, wenn sie schmutzig ist. Und um die Deinen zu retten, setzt mal jedes Mittel ein. Als Duc bin ich ausschließlich Souvagne verpflichtet. Sollte das souvagnische Volk bedroht werden, werde ich es mit allen Mitteln verteidigen - sogar mit Nekromantie.


    Denn so sehr Du die Nekromantie verabscheust und so wenig sie im Alltag ihre Daseinsberechtigung hat, als Endschlagwaffe hat sie das.


    Beispiel damit Du begreifst worum es hier letztendlich geht, nämlich die pure Existenz!

    Stell Dir vor ein Fremdvolk würde Ledwick angreifen. Jetzt. Dem Land stehen nicht genug wehrhafte Männer zur Verfügung, selbst wenn man jeden der eine Waffe halten kann zu den Waffen rufen wird, ist die Zahl der Verteidiger gering. Die Zahl der Angreifer jedoch ist riesig. Was sollte der Duca in dem Falle tun? Sich eine schöne Ecke zum sterben aussuchen und sein letztes Gebet für sein Volk sprechen?


    Nein. Der Duca würde den Orden Blut und Gebeine nutzen, an meiner Stelle gesprochen.

    Denn jeder Feind der getötet wird, schwächt die feindlichen Reihen. Aber mehr noch, er verstärkt die Reihen des Duca. Die gefallenen Kameraden von eben, sind die jetzigen Todfeinde für die Angreifer. Zudem ist es für die meisten Völker schon allein abschreckend, wenn sich ihre Toten wieder erheben. Und sie selbst die Waffe gegen ihre einstigen Kameraden erheben sollen. Abschreckung und Effizienz.


    Prinzipien kann man sich nur dann erlauben, wenn man sie sich leisten kann.

    Im Angesicht des Todes gibt es nur eine Regel - überleben.


    Würdest Du erhobenen Hauptes sterben, weil Dir die Nekromantie zuwider ist?

    Oder würdest Du Dein Volk ins Überleben führen Ciel?

    Antworte erwachsen", verlangte Maximilien.

  • "Warum sollte ich ein verrostetes, verbogenes Schwert zur Hand nehmen, was beim ersten Aufprall splittert, mir eine Wunde schlägt und mich an einer Sepsis sterben lässt, wenn daneben eines liegt, welches frisch geschmiedet wurde und dessen scharfe Klinge in der Sonne glänzt? Ich würde meine Männer natürlich mit einer ausreichenden Menge an ausgebildeten Bluthexern und Vitalismagiern im Kampf heilen, wenn sie verwundet sind, dies hätte den gleichen Effekt, aber ohne die Risiken", antwortete Ciel und ließ so beiläufig wie möglich den Finger sinken, um seine Arme zu verschränken.


    "Schon die Rakshaner dachten, dass Nekromantie eine gute Sache wäre und schau, was aus ihnen geworden ist. Rakshanische Verhältnisse halte ich nicht für angemessen für ein almanisches Großherzogtum. Ich ziehe den Fortschritt, die Kultur und Zivilisation vor. Gegenfrage, was würdest du tun, wenn der Gegner Bluthexer in seinen Reihen hätte? Dann wäre dein Traum von der Nekromantie als Endschlagwaffe von einem Tag auf den anderen geplatzt. Nekromantie würde sich als so nichtig entpuppen, wie sie tatsächlich ist. Dass ein Nekromant deinen Sohn fast umbrachte, scheint auch nicht so wichtig zu sein. Am besten ich zerreiße das Dekret öffentlich."

  • "Dein letzter Satz ist albern und das weißt Du auch. Versuche keine Spielchen Ciel. Wir reden hier über etwas Elementares und falls Du Dich damit überfordert fühlst, sprich es aus. Dafür sind wir hier versammelt. Dir diese Verantwortung anzuvertrauen war ein Vorschlag, kein Zwang.


    Zu Deiner Erläuterung, Bluthexer sind Mangelware Ciel. Ihre Kunst ist neu, steckt noch in den Kinderschuhen. Auch wenn ihre Gabe wundervoll und mächtig ist. Das spreche ich ihnen nicht ab. Hätten wir so viele Bluthexer wie ich mir dies wünschen würde, hätten wir weit weniger Probleme.


    Und niemand verbietet Bluthexern und Nekromanten Hand in Hand ihr Land zu verteidigen.


    Desweiteren, wie bereits gesagt, hat Dein Dekret Wirkung. Der Orden tritt nur im Notfall in Erscheinung, genau wie die Ausrufung des Kriegszustandes. Das probe ich auch nicht jeden Morgen um zu schauen, wie schnell unsere Soldaten zu Fuß sind. Die Rakshaner sind ein schlechtes Beispiel dafür, wohin Nekromantie führen kann.


    Sie haben weder eine Zivilisation, noch haben sie ein fest umrissenes Land, eine Scholle die sie verteidigen müssen. Sie haben ihre Ghule nicht aus dem Dienst entlassen. Das war ihr Fehler und ich hatte nicht vor den gleichen zu begehen. Ich hatte auch nie vor, das Einschreiten des Ordens zu befehlen. Aber wenn ich es jemals tun muss, dann werde ich es tun.


    Nur weil eine Waffe alt ist, heißt dass nicht, dass sie schlecht wäre. Auch einen Mann mit Repetierarmbrust kann man mit Pfeil und Bogen töten Ciel.


    Und je weiter abgewandt man von einer vermeintlichen Waffe ist, je weniger wird der Feind damit rechnen, dass Du diese Waffe benutzt. Und korrekt angemerkt, Du wurdest von EINEM Nekromanten fast getötet. Du hast aber auch EINEN Rakshaner als Freund. Was sagt das jetzt aus?


    Dieser Nekromant, Dunwolf von Hohenfelde ist Dein Feind.

    Ebenso ist dieser Rakshaner, Khawa Dein Freund.


    Nicht alle Nekromanten dieser Welt sind Dein Feind Ciel und nicht alle Rakshaner sind Deine Freunde. Du kennst mehr Nekromanten als Du glaubst. Das die Liche das Land verlassen mussten, hat seine Berechtigung. Sie stammen nicht aus Souvagne und sie schaden grundlos unserem Volk.


    Wie stehst Du zu dem Vorschlag von Tazio und mir? Ziehst Du ihn überhaupt in Betracht?", fragte Maximilien ruhig.

  • Als Ciels Vater sah Maximilien, dass auf den geröteten Wangen von Ciel zwei besonders dunkle Flecken erschienen, welche sich in Situationen einstellten, in denen er früher geweint hätte. Natürlich tat er das nun nicht, er bekam nicht einmal feuchte Augen, doch dass sein Werk so mit Füßen getreten wurde, das tat ihm weh. Er hatte das Gefühl, dass sein Vater ihm gerade öffentlich ins Gesicht schlug und auf alles, was Ciel je bewirkt hatte, spuckte.


    "Wer ist denn in alles ein Nekromant in meinem Bekanntenkreis, von dem ich nicht weiß?", fragte er nun ebenso ruhig wie sein Vater. "Ja, ich ziehe die Möglichkeit natürlich in Betracht. Nun mehr denn je. Es ist eine Ehre und eine Chance. Und ohne, dass dies nun schnippisch klingen soll, würde ich dort ein Land schaffen, in dem es für Nekromanten, gleich welcher Art, keinerlei Raum gäbe. Und ich würde Alexandre mitnehmen."

  • Max kannte sein Sohn gut genug um zu wissen das er tränen- und klaglos weinte. Ciel war ein Sturkopf und er war der personifizierte erhobene Zeigefinger. Aber das war nur eine Seite von ihm. Er war herzensgut, manchmal zu gut, so dass er ungeduldig und bissig wurde. Manche Rettung und Heilsbringung ging ihm nicht schnell genug.


    Aber manche Dinge benötigten ihre eigen Zeit. Daran konnte weder Ciel noch er rütteln. Und manchmal waren es nur die Pfade, von denen jeder glaubte man würde sie nie beschreiten, die einen ans Ziel brachten. Vor allem dann, wenn das Ziel Überleben war.


    Sie hatten sich hier aber nicht als Familie und Vertraute eingefunden, um sich niederzumachen oder dem anderen zu zeigen wer moralisch überlegen war. Sondern um ein uraltes Unrecht gerade zu rücken und das Land in geeignete Hände zu legen. Das Ciel dazu geeignet war, war Max absolut bewusst, allen hier war dies bewusst, nur scheinbar Ciel nicht.


    Mit seiner Moral und seinem Mitgefühl stand er sich manchmal selbst im Weg. Dies war bei Parcival der Fall gewesen, ebenso wie bei seiner Großmutter und vermutlich sogar bei Dunwolf.


    Maximilien musterte seinen Sohn und öffnete die Arme, damit dieser zu ihm kommen konnte.

    "Komm her, so sollte das nicht laufen Ciel. Ich benenne Dir einen, Adrien", sagte Max liebevoll.


    Jenen Mann der ihn stets beschützt, behütet und angeleitet hatte verschwieg er. Er hatte vielleicht keine Mutter gehabt, aber er hatte zwei Väter. Einen leiblichen und zwei von Herzen.


    "In einem hast Du Recht mein Kleiner, Nekromantie ist kein Allheilmittel. Aber sie ist mächtig vor allem durch Abschreckung", sagte Max freundlich.


    "Da mein Sohn sich mit Bluthexern besonders gut auskennt, wird er es Dir erläutern Irving. Erläutere Du uns, ob Du uns in der Schlacht gegen die Goblins beistehen wirst. Wie ich hörte bist Du der Ehemann eines Wigbergs. Du bist zum Teil Ledvico und Du bist über diesen Anteil mit uns verwandt. Du fährst zur See und liebst die See. Ähnlich wie mein Halbbruder, nur ist Dein Schiff ein lebendes Schiff. Ein Schiff wie aus den Legenden", warf Maximilien ein.

  • "Adrien. Der Hofmarschall." Ciel rümpfte die Nase. "Wenn ich bedenke, dass ich kürzlich Einsicht in alle Unterlagen zu sämtlichen Geheimorden erbeten hatte, ist es verwunderlich, dass mir offenbar nicht einmal die halbe Akte überantwortet wurde. Nun, es ist scheinbar nicht der Tag dafür, irgendjemanden dafür zu kritisieren, wie er mit mir verfährt. Letztlich bin ich nur der Bastardprince. Aber ich bin auch der Prince, der dir stets am treusten zur Seite stand, da ich meinen Ruf mehr zu verteidigen hatte als jeder andere."


    Ciel stand auf und drückte seinen Vater. Er liebte Maximilien von Herzen, aber er verstand diesen Mann nicht. Manches wollte er auch nicht verstehen, so ehrlich musste er zu sich sein. Bei manchen Dingen schaltete er vollständig auf stur und sah keinen Bedarf, etwas an seiner mentalen Mauer zu ändern. Stur waren alle Souvagnes und Ciel bildete da keine Ausnahme. Er drückte seinem Papa einen Kuss auf die Wange, ein Siegel der Versöhnung, dann setzte er sich wieder.


    "Bluthexerei ist die Antwort auf Nekromantie, Irivng. Dein Schiff ist auch eine nekrotische Kreatur, nehme ich an." Ciel seufzte schwer. "Bluthexerei ist die moralischste aller Magieformen. Sie ist selbslos, rein, mit Aufopferung der eigenen Gesundheit verbunden. Und machtvoll. Vampire, Ghule, für einen Bluthexer keine Gegner. Lichs - ein wenig hartnäckiger, aber bezwingbar." Das war nicht ganz zutreffend in dieser Gewichtung, der letzte Lich hatte Ciel fast umgebracht, doch warum sollte er Irving seine Schwächen offenbaren? Wer war dieser Irving überhaupt, dass er mit ihnen am Tisch saß?

  • "Du bist kein Bastard mehr, Du hast Dich mehr als bewiesen. Treu und loyal warst Du immer. Ebenso fleißig und zuverlässig. Allerdings bist Du genauso stur, wie ich. Was Dich eindeutig als meinen Sohn ausweist. Von wem hast Du die Information aller Geheimorden verlangt? Bedenke, absolutes Wissen steht nur dem Duc zu. Und ich vermute, es gibt sogar Orden die da sind um uns zu schützen, von denen wir nicht einmal wissen. Aber das ist meine ganz persönliche Vermutung.


    Adrien ist ein möglicher Nekromant, oder nennen wir ihn einen schlafenden Nekromanten. Er hat außergewöhnliche Fähigkeiten, aber er setzt sie nicht ein. Er lebt sein Leben als Hofmarschall, er liebt sein Amt, seinen Duc und seine Brathähnchen. Er liebt seine Schminke, er liebt unseren Palast. Und er hofft, dass niemals der Tag kommt, an dem er seine Robe überstreifen muss. Denn der Tag wäre jener, an dem Souvagne zu fallen droht.


    Er ist kein Mann der Leichen erweckt zur Belustigung anderer oder zum eigenen perfiden Vergnügen. Er hat auch nichts für Knochenkonstrukte übrig. Er würde mittels Macht der Magie töten, damit seine Schutzbefohlenen leben können. Er ist der Nachtwächter, für eine ganz besondere Form der Nacht. Der Turmwächter, für einen Brand, der hoffentlich niemals ausbricht Ciel.


    Du magst die Nekromantie verdammen, aber dieser Mann hat Deine Verdammnis genauso wenig verdient, wie jeder ehrbare Büttel. Hingegen hat mancher Heiler mehr Schaden angerichtet, als Adrien jemals im Leben freiwillig tun würde. Erinnere Dich auch daran.


    Eure Magieform ist etwas besonders, etwas absolut selbstloses. Meine Zugeständnisse waren völlig ernst gemeint Ciel, ebenso die Förderung der Bluthexerei. Alex können wir nicht ohne gleichwertigen Ersatz gehen lassen. Aber das bereden wir beide privat. Das geht nur uns beide an.


    Wärst Du bereit Evalon zu regieren? Wie und in welcher Form ist Dir überlassen Ciel. Aber Tazio und ich bestehen auf almanische Tradition. Also keine verrückte, neumodische Merde wie Demokratie oder Frauengleichberechtigung. Wir hatten erst eine Pestilenz auf einem almanischen Thron. Und Ainuwar selbst bewahrte uns vor weiterem Unheil.


    Irving Du schuldest uns eine Antwort", sagte Max freundlich.

  • Irving, der ganz mit dem Zuhören und weiterleiten der Informationen an Thabit beschäftigt war, blickte Maximilien nun an.


    "Mein Name ist Irving von Kaltenburg. Ich bin der Mann des Thabit von Wigberg in Gestalt von Argentocoxos. Natürlich werden wir beide Ledwick und Souvagne bei diesem Feldzug unterstützen. Völlig ohne Gegenleistung, es ist uns eine Freude und eine Ehre, an Eurer Seite in die Schlacht zu ziehen.


    Tazio konnte nicht anders, als kaum merklich zu grinsen.

  • Ciel zuckte mit den Schultern. "Du hast deine Ansicht zur Nekromantie und ich meine, auch wenn meine irrelevant ist. Du bist der Duc und ich werde besser nicht länger mit dir debattieren. Am Ende hast du doch recht, einfach weil du es befehlen kannst, recht zu haben, denn du machst das Recht, du bist das Gesetz, du bist Souvagne. Und genau wie ich wirst du nicht gern mit anderslautenden Argumenten behelligt, schon gar nicht, wenn es Zuhörer gibt, die finden könnten, dass du diesmal im Unrecht bist.


    Ich wäre dann also Evalon. Ciel Felicien von Evalon. Was sich sogar reimt. Und du sprichst in diesen Hallen von Demokratie, du meinst, ich würde aus Evalon eine ... eine Republik machen?!" Ciel rollten sich schlagartig alle Zehen- und Fußnägel auf, zumindest fühlte es sich so an. "Nein, das würde ich nicht, es würde ganz ähnlich wie in Souvagne sein, nur ohne all die Fehler. Dafür vermutlich mit neuen. Ich würde die Bluthexerei zur Staatsreligion erheben! Und eine Mauer hin zu Obenza bauen. Die Salzstraße würde mit Zöllen belegt und kontrolliert werden, ebenso die Schiffahrtsrouten. Zwei Statuen von Bluthexern mit erhobenen Zeigefingern würden das Portal säumen, um die Einreisenden zu ermahnen, die Werte stets zu bedenken."

  • Max verpasste Ciel einen liebevollen Knuff.


    "Manche Fehler übernimmt man, manche sind die ureigenen. Was das Recht anbelangt, da gebe ich Dir Recht. Eine Diskussion zeigt aber, dass man gewillt ist, sich eine andere Meinung anzuhören und darüber nachzudenken. Es kann sein dass ich Dich oder Du mich überzeugst. Oder wir beide am Ende noch fester von unserer eigenen Meinung überzeugt sind. Das werden wir ebenso in einem Privatgespräch erörtern. Denn auch wenn es nicht für andere Ohren bestimmt ist, interessant wäre es für uns beide. Es wäre zudem ein schönes Vater und Sohn Gespräch. Ohne kleine Sticheleien, Seitenhiebe oder Sarkasmus.


    Dafür vielleicht hier irgendwo in aller Gemütlichkeit mit Verrills Keksen. Ist eine Einladung von Deinem Papa und kein Befehl Deines Duc Ciel.


    Zu Evalon, solange Du die ureigenen Traditionen wahrst, freue ich mich darauf Deine persönlichen kennenzulernen. Es würde mich stolz machen, Dich bei diesem Schritt und Deinem Heranwachsen zu einem Großherzog zu begleiten. Ich habe Dir das nicht vorgeschlagen um Dich zu kritisieren, Dich herabzuwürdigen oder Dich zu kränken Ciel. Ich schlug Dir dies vor, weil ich Dich genau wie Dreux und Verrill liebe und Dir absolut vertraue. Ich traue Dir dieses Amt zu.


    Sicher hat jeder von uns seine Fehler, Du und ich, Souvagne und Evalon.

    Aber eines gewöhne Dir direkt an Ciel, als Großherzog macht man keine Fehler. Man hat vielleicht nicht immer ein glückliches Händchen bei einigen Entscheidungen. Aber dann korrigiergt man sie. Fehler sind es nur, wenn Du nichts zur Korrektur unternimmst.


    Und Du bist alles andere als ein tatenloser Mensch. Du wirst einschreiten, Du bist stets eingeschritten. Ich kann Dir nicht sagen wie stolz ich auf Dich bin. Vielleicht habe ich es nicht oft genug getan. Aber dieses Angebot, diese Offerte sollte Dir zeigen, dass ich Dich genau wie all meine anderen Söhne, als gleichwertigen Mann ansehe Ciel. Du bist erwachsen, Du bist mein Sohn und ich bin stolz auf den Mann, der Du geworden bist. Ich vertraue Dir Ciel und ich vertraue auf Dich.


    Bedenke was wir damit schaffen wollen, ein Almanien, ein Bund der in Familie, Frieden und Freundschaft verbunden ist. Du wirst eines Tages neben Deinem Bruder Dreux und Deinem Schwager Tazio regieren. Und für Thronfolger hast Du bereits fleißig gesorgt, womit Du mich ebenfalls sehr glücklich gemacht hast", antwortete Max.

  • Ciels Ohren wurden nun so rot wie seine Wangen und er senkte beschämt den Blick, als sein Vater ihn trotz ihres kurzen Disputes vor allen lobte.


    "Ich werde deine Worte beherzigen."


    Die Zeit, da er seinen Vater noch Papa nennen konnte, würde nicht mehr allzu lange währen. Und der Gedanke, allein in einem fernen Land zu sein und es neu aufzubauen, trug nicht nur Verlockendes, sondern auch ein wenig Wehmut in sich. Er war fortan wirklich erwachsen und sein Vater würde nicht länger die Verantwortung tragen. Sicher würde er ihm mit Rat und Tat beiseitestehen, doch Ciel würde sein Schicksal fortan allein bestimmen und beweisen müssen, dass seine hochtrabenden Worte dazu taugten, in die Wirklichkeit umgesetzt zu werden.


    "Danke, Papa", sagte er gerührt.

  • Tazio hatte dem bisweilen hitzigen Dialog gespannt zugehört. Er sah das Ganze nicht nur aus seiner Sicht als Staats- und Regierungsoberhaupt von Ledwick, sondern auch aus der eines werdenden Vaters. Hier debattierten nicht nur Duc und Prince, sondern auch Vater und Sohn. Der eine sah Nekromantie als Waffe, die im Notfall durchaus ihre Daseinsberechtigung hatte, der andere war komplett dabegen und plädierte für Alternativen. Wie so oft sprachen beide die Wahrheit. Beide Wege waren richtig auf ihre Weise. Die Frage war nur, für welchen man sich entschied. Am Ende hatten Vater und Sohn sich verblüffend schnell wieder versöhnt. Er schmunzelte kaum merklich und griff nach Verrills Hand. Er hoffte, dass auch zwischen seinem Sohn und ihm einst die Meinungsunterschiede nicht dazu führten, dass sie sich voneinander entfernten, sondern dass sie hinterher einander zeigten, dass sie trotz allen Differenzen einander bedingungslos liebten.


    "Dieser Angriff wird nicht ohne Nekromantie stattfinden", sprach Tazio ruhig, als Ciel geendet hatte. "Unabhängig davon, ob Souvagne Nekromanten ins Feld schickt, wird Ledvico das tun. Weil ich den gefallenen Toten von Dunkelbruch die Möglichkeit geben möchte, Rache zu üben. Sie warten auf einem Schiff und werden uns begleiten. Am entscheidenden Tag werden sie sich erneut in Waffen erheben, um Ledvico zu dienen. Sie schützen damit nicht nur ihr Land, sondern auch unsere lebenden Soldaten. Und nicht zuletzt habe ich ein Bündnis mit Thabit, der sich an den Seelen der Feinde laben soll, damit er bei Kräften bleibt, um seine Aufgabe als Wächter der See zu erfüllen.


    Allerdings sei der Ehrlichkeit halber gesagt, dass mir in letzter Zeit auf die Finger geklopft wurde und so wurde mir auch bewusst, wie wichtig es ist, diese Kunst genau im Blick zu behalten und sie mit strengen Auflagen im Zaum zu halten. Und was die Kunst der Bluthexerei betrifft, von der ich noch nicht lange weiß, bin ich der Meinung, dass sie als mächtigste Gegnerin der Nekromantie schon darum gefördert werden sollte, um einen Kräfteausgleich zu bewirken. Dann wäre man doch auf der sicheren Seite.


    Interessant wäre die Frage, ob es das Gegenstück zum nekrotischen Ältesten gibt? Ob auch die Bluthexerei einen entsprechenden verbotenen sechsten Grad hat? Wenn nicht, sollte man daran auf jeden Fall forschen.


    Das Gespräch war ausgesprochen interessant. Dass es emotional her ging, hat in meinen Augen wenig mit Sturheit zu tun. Es ist dem geschuldet, dass jeder mit Herzblut seinen Standpunkt vertritt und gute Gründe für diesen hat. Ich kann beide Seiten verstehen. Wir sollten das Gespräch zu einem geeigneten Zeitpunkt fortsetzen, da ich es wie Maximilien für wichtig halte, diese Dinge zu besprechen und die Argumente gegeneinander abzuwegen. Man kann dazu lernen, wenn jemand gegenteiliger Meinung ist, man muss ihm nur zuhören, auch wenn man seine Ansichten nicht teilt, so lernt man ihn zu verstehen.


    Inzwischen müsste der Esstisch im Malachitzimmer gedeckt sein. Lasst uns schauen, was die Küche nach der Flut gezaubert hat. Ich vermute, es wird fangfrischen Fisch geben! Lassen wir uns überraschen!"