Asa Karane Kapitel 04 - Zwei Wigbergs in Hohenfelde

  • Zwei Wigbergs in Hohenfelde

    Ditzlin führte seinen jüngeren Bruder von der Rüstkammer in den Flügel von Indutiomarus. Ihre Stiefel knirschten auf den dunklen Steinstufen. Die weichen Stiefel von Ditzlin kaum hörbar, die schweren Kampfstiefel von Harubold laut und schwer. Dass Ditzlin der Ältere von beiden war, war körperlich nicht zu erkennen. Harubold war einen halben Kopf größer, wog fünfzehn Kilo mehr und hatte das ernste und zerbeulte Gesicht eines erfahrenen Kriegers. Ditzlin war kleiner, schlanker und gab sein Bestes, um sein Gesicht auf dem Stand eines Zwanzigjährigen zu belassen, auch wenn er die Dreißig längst überschritten hatte. Das waren die Vorteile, die seine Art von Magie mit sich brachten - wenn man sie denn auf seinem Niveau beherrschte. Sein langes, glattes Haar floss glänzend von seinen Schultern. Das einstige kupferrot war zu einem sehr dunklen, fast schwarzen Blutrot geworden, seit er hier wohnte. Harubold hingegen hatte seins zu festen Würsten verfilzt, damit er es nicht zu kämmen brauchte und wirkte heute ein wenig nachlässig rasiert. Aber so unterschiedlich die beiden Brüder vom Äußeren und vom Wesen her auch waren, sie beide stammten aus Wigberg und das finstere und bedrückende Gemäuer von Hohenfelde über dem Kopf zu wissen, war für sie keine Selbstverständlichkeit.


    "Ich verstehe nicht, wie du es hier auf Dauer aushältst", murrte Harubold und blickte die Wand aus blanken Gesteinsquadern hinauf, die doppelt so hoch war, wie es bei den Räume in ihrer Heimatburg war. "Kein bemalter Putz, kaum Teppiche. Dieser Herrensitz sieht aus wie eine Kathedrale der Finsternis, aber nicht wie eine Wohnung."


    "Es ist eine Kathedrale der Finsternis", antwortete Ditzlin. "Indutiomarus´ Kathedrale. Kannst du dir ein würdigeres Anwesen für ihn vorstellen?"


    Harubold betrachtete zweifelnd eine Fackelhalterungen in Gestalt einer enstellten Hand. "Aber wie kann er sich hier wohlfühlen? Oder erwarten, dass seine Familie es tut? Asa Karane ist heruntergekommen genug. Da sollte es wenigstens in den eigenen vier Wänden so behaglich wie möglich sein."


    "Da missverstehst du etwas, Haru. Hohenfeldes sind keine Wigbergs. Es liegt Indutiomarus fern, je zu wünschen, dass sich hier irgendjemand wohl fühlt. Immer wachsam, immer auf der Hut sollen seine Söhne sein. Die Gefahr ist allgegenwärtig und das sollen sie nicht vergessen. Nur so haben sie bis heute überlebt, denn in jeder Mauerritze kann der Tod lauern. Asa Karane stirbt, die bewohnbaren Flächen schmelzen wie Eisschollen in der Sonne. Ein Nebeneffekt unserer magischen Aktivitäten. Je knapper das Leben wird, umso weiter sich unsere Zeit gen Ende neigt, umso agressiver und rücksichtsloser werden die letzten Ressourcen verschlissen um der Letzte zu sein, der zum Schluss noch am Leben ist. Am Ende aller Tage wird nur noch ein Haus übrig sein, das weißt du so gut wie ich, das weiß jeder."


    "Aber du kannst nicht wollen, dass es Hohenfelde ist."


    "Nicht?", flötete Ditzlin. "Mir ist der Name vollkommen gleich. Meinetwegen könnte er auch Kaltenburg oder Ratzenreuth lauten, so lange für mich und meine Nachkommen dort noch ein Plätzchen frei ist. Auf unser Blut kommt es an, Haru, das Blut der Wigbergs muss überleben. Erkannt oder unerkannt."


    Harubold nickte langsam. "Ich verstehe. Du bist hier, weil du glaubst, dass du hier die besten Chancen hast, zu überleben." Er machte eine Umfassende Geste. "Ausgerechnet hier!"


    "Wer ist sicherer vor einer Viper, als der Mungo an ihrer Seite? Du bist auch aus anderen Gründen hier, als nur um deinen Bruder zu besuchen. Nicht wahr? Du hast dir ebenso einen Rettungsanker nach Hohenfelde geworfen, nur für den Fall der Fälle. Glaub nicht, dass ich davon nicht wüsste. Ich bin dein Bruder und wie wir alle habe ich die Augen eines Falken, die Ohren eines Luchses und den Verstand eines Schakals."


    "Und die Bescheidenheit eines Pfaus." Harubold grinste, ohne ihm die rage zu beantworten, und rempelte Ditzlin im Gehen freundlich mit der Schulter an.


    Hätte er es nur gelassen.


    Ditzlins soeben noch gut gelauntes Gesicht verwandelte sich in eine Fratze. "Die Robe war frisch", schnauzte er. Mit seinen klauenbewehrten Fingern prüfte er den Stoff an seiner Schulter. "Suuuper! Staub! Bleib mir bloß vom Leib mit deiner dreckigen Rüstung!"


    Harubold blickte ihn von der Seite an, ohne den Kopf zu drehen. "Du bist vorhin an die Wand gekommen. Meine Rüstung ist sauber. Meinst du, ich kreuze wie ein Schwein hier auf?"


    "Mit der Rasur nimmst du es schließlich auch nicht so genau. Alle Einsatzrüstungen sind dreckig! Das ist schließlich keine Paraderüstung! Damit wälzt du dich mit den anderen Soldaten draußen im verseuchten Schlamm, wenn ihr eure Übungen macht! Wenn dir das egal ist, ob du irgendwann von Entartungen entstellt aufwachst und ein weiteres Ungetüm der Wildnis wirst oder ob deine Kinder einst aussehen werden wie wandelnde Trüffel auf Beinen, ist das deine Sache. Aber mir ist das nicht egal!" Ditzlin wurde dermaßen wütend, dass er Harubold auf schnellstem Wege ins Gästegemach führte, obwohl er ihm eigentlich noch den Rest des Anwesens hatte zeigen wollen. Wenn er ihn nach diesem Patzer noch länger sah, würde er anfangen, ihn richtig zu beschimpfen. "Hier wohnst du. Gute Nacht!"


    "Warte, bekomme ich wenigstens noch einen Sklaven, den ich nach etwas zu Essen schicken kann?"


    Harubold bekam statt einer Antwort einen Stiefel gegen den Hintern gedrückt. Ditzlin schob ihn mit dem Fuß in das Gästegemach und schlug hinter ihm die Tür zu. Mit vor lauter Ekel gespreizten Fingern ging er steifbeinig zurück zu der Wohnung, die er mit Indutiomarus bewohnte. Sie lag ganz in der Nähe im gleichen Flügel, denn er wollte seinen Bruder hier nicht allein wissen. Er brüllte nach den Sklaven, die ihn - noch im Gang stehend - auszogen, damit die Verseuchung nicht in die Wohnung hineingetragen wurde. Zwei weitere Sklaven ließen ihm derweil ein heißes Bad ein, das er mit einem alchemistischem Badezusatz nach der Rezeptur Kuttenthals versah. Der Zusatz öffnete die energetischen Kanäle der Haut, wenn man dem gestohlenen Wissen glauben schenken. Ein speziell zu diesem Zwecke gehaltener Sklave, der groß und gut genährt war, musste als Blutspender herhalten für die letzte und wichtigste Zutat des Bades. Mit geübter Hand ritzte Ditzlin ihn an, ließ ihn in eine Flasche bluten und schickte ihn dann zum Heiler. Die Flasche aber entleerte er in die Wanne. Während irgendwo in den Eingeweiden des Anwesens seine verseuchte Robe ausgekocht wurde, ließ Ditzlin sich in das nun rosafarbene Wasser sinken und schloss die Augen. Der Duft des Badezusatzes, die regenerierende Wirkung und der sanfte Kerzenschein halfen ihm dabei, wieder herunterzufahren.

  • Als Ditzlin die Augen schloss und sich langsam entspannte, spürte er wie sich seine Lebenkräfte regenerierten. Er fühlte sich seltsam schläfrig und dennoch gestärkt. Aber nicht nur dass, er spürte, wie sich das Blut an einer ganz anderen Stelle sammelte. Einen winzigen Augenblick später spürte er Lippen auf seinen eigenen.


    Eine Zunge schob sich verlangend in seinen Mund und verlockte Ditzlin zu mehr. Der Mund entfernte sich und jemand schritt mit geschmeidigen Bewegungen hinter die Wanne und nahm dort auf einem kleinen Hocker Platz.


    Sanft wurde Ditz Kopf in den Nacken gezogen und scharfe Krallen fuhren über seine nasse Kopfhaut, als sie seine Haare nach hinten kämmten. Schlanke, sehnige Arme schlangen sich um den Hals des badenen Wigbergs und die Klauen kraulten seine Brust.


    "Was ist geschehen, dass Du Essenz benötigst? Brauchst Du meine... Hilfe?", füsterte Indutiomarus Ditzlin ins Ohr.

    "Dein Bruder ist... sehr neugierig... nebenbei sind zwei meiner Kleinen ausgeflogen... mal sehen wieviel Schneid die zwei haben...", erzählte Indu.


    Ditzlin schaute in tiefe, dunkele Augen, als er die eigenen aufschlug. Der gewaltige Bärenhund von Fürst Indutiomarus saß vor seiner Wanne und beobachtete ihn. Ob er ihn, seinen Herrn oder sie beide bewachte konnte Ditz nicht ergründen. Aber der Hund schaute so, als kannte er jeden seiner Gedanken.


    "Er riecht... das Blut...", raunte Indutiomarus in Ditzlins Ohr und Ditz spürte das Raubtiergrinsen an seiner Seite.

  • Ditzlin ließ seinen Kopf widerstandslos am Haar in den Nacken ziehen. Die zärtliche Begrüßung ließ die Anspannung aus seinem Gesicht weichen. Er schenkte seinem Mann ein Lächeln.


    "Offenbar muss ich dir meinen - oder sollte ich sagen, Dunwolfs? - Gast nicht vorstellen. Harubold ist der zweitjüngste von uns vieren. Leider will nicht in seinen Schädel, dass das Gemisch aus Asche, halbverrotteten organischen Abfällen und Sand, das unsere Insel überzieht, giftig ist. Er trainiert täglich mit den Wigbergkriegern auf dem Drillplatz unter freiem Himmel. Er atmet diese Luft, er trägt den verseuchten Staub in Haar und Kleidung. Er ist jünger als ich, aber er sieht deutlich älter aus. Es tut ihm nicht gut, er wird eines Tages daran zugrunde gehen, doch dann bitte ohne mich. Er hat mich mit seiner dreckigen Rüstung angerempelt, darum habe ich meine Kleider in die Wäsche gegeben und unterziehe mich diesem Bad. Hast du unser Gespräch verfolgt? Weißt du bereits, dass er meint, du seist mein Rettungsanker? Man könnte das fast als Kompliment durchgehen lassen. Mir ist es nur Recht, wenn er mich für dermaßen ..." Er seufzte übertrieben laut. "... kaltherzig hält.


    Welche deiner Söhne sind ausgeflogen? Vermutlich eine Reaktion auf den Gast. Was ist inzwischen mit ihr geschehen, mit der Zunge von Kuttenthal?"


    Ditzlin griff aus der Wanne nach der dürren Hand von Indutiomarus. Sie beide trugen die Nägel als schwarze Klauen, die nun zärtlich umeinander strichen.


    "Dein Hund wünscht vielleicht, meine Wanne auszutrinken. Aber ich würde ihm davon abraten, es sind alchemistische Zusätze beigefügt, nicht nur Blut."

  • "Diese Wände haben Ohren... Augen... und vieles mehr Ditzlin... natürlich weiß ich, dass Dunwolfs Rotschopf anwesend ist... Und das dieser Rotschopf Dein Bruder ist... ist ebenso ein Vorteil für mich... Dein Rettungsanker soll ich sein? Nun... warum nicht? Es gibt sicher schlechtere Anker...", schmunzelte der alte Magier.


    "Leopoldius und Dunwolf sind ausgezogen... um Ermittlungen anzustellen... Dabei mussten sie den Stallmeister töten...

    Wofür sie diesen zusätzlichen Happen benötigen, werden wir schon bald erfahren... oder nie wieder von ihnen hören... sei es drum... sie können auf sich selbst aufpassen und müssen nicht mehr an Papas Robenzipfel hängen...


    Die Zunge ist immer noch unser Gast... er ist gerade bei Arbo, sie besprechen alles mögliche... sei unbesorgt... Arbo und ich sind verbunden, ich höre mit... und mehr... die Zunge hat einige interessante Angebote unterbreitet. Auf den Punkt gebracht geht es wie immer darum, welches Haus die nächste Ruine wird... Ditzlin...", erklärte Indutiomarus und küsste Ditz auf den schlanken, perfekt geschwungenen Hals. Einen Augenblick später biss er spielerisch hinein, so dass sein Gefährte die messerscharfen Zähne spürte.


    "Mein pelziger Liebling beißt nur zu, wenn ich ihm einen Befehl erteile, Du kennst ihn doch...", antwortete Indu und zückte seinen Dolch. Ein kurzer Schnitt und einige Tropfen seines Blutes fielen in die Wanne von Ditzlin.


    "Etwas Essenz von mir... für Dich... für uns...

    Die Macht der Essenz des Lebens... Blut...

    Daraus die Magie er Existenz gezogen... um sie dem eigenen Willen zu beugen... sie neu zu formen...

    Um die eigene Macht zu nähren... hat alles einen Preis... leide... blute...

    Oder... lass andere für Dich bluten....

    Zwing ihnen Deinen Willen auf... und entreisse ihnen, was Dir gehört...", schnurrte Indutiomarus und biss zu.


    Ditzlin wurde einige Sekunden schwarz vor Augen, ehe ihm der Schritt förmlich explodierte, als Indu ihm das Blut von der Schulter leckte.


    "Folge mir ins Schlafzimmer...", lud ihn der Magier grinsend ein und leckte sich das Blut von den bleichen Lippen.

  • Ditzlin hatte sich recht schnell wieder gesammelt. Zum einen war er trotz seiner bisweilen tuckigen Erscheinung robust. Zum anderen lag er gerade in einer regenerierenden Brühe. Er schlug die goldbraunen Augen wieder auf und sie blickten sanft.


    "Ein Blutttausch. Wie romantisch!"


    Geschmeidig erhob er sich aus der Wanne. Sein Leib war schlank, aber nicht hager. Er war ausreichend bemuskelt, um im Notfall auch körperlich kämpfen zu können, wenngleich er dies verabscheute. Gegen Leute wie Harubold hätte er jedoch keine Chance. Dafür musste er sich anderer, besserer Waffen bedienen. Nicht, dass er damit rechnen würde, dass sein kleines Brüderchen ihm je den Degen auf die Brust setzen würde. Sie waren Wigbergs und sie hielten zusammen.


    Er stieg aus der Wanne und trocknete sich ab, ehe er Indutiomarus nackt ins Schlafzimmer folgte. Sein Haar wirkte nass, als wäre es schwarz. Er sah den Hohenfeldes nicht unähnlich auf den ersten Blick. Auf den zweiten sah man, dass er weichere Gesichtszüge hatte, vollere Lippen und eine völlig andere Augenfarbe.


    "Was bietet die Zunge denn im Namen ihres Herrn? Und warum spricht sie dafür mit Arbogast und nicht mit dir?


    Was deine Söhne betrifft, so muss ich sagen, dass Poldi mich nicht ausstehen kann und ich darum nicht einsehe, warum ich mich ihm gegenüber freundlicher als nötig verhalten sollte."

  • Indutiomarus legte sich ins riesige Bett und betrachtete Ditzlin der nackt wie ihn die Götter geschaffen hatten, ins Schlafzimmer schritt. Indu liebte dessen geschmeidige Gestalt, die Art wie Ditzlin sich bewegte, aber es war nicht nur das. Er liebte wie dieser Mann dachte, eine Mischung aus Nähe und Distanz, aus Sorge und Brutalität.


    Ditzlin war kalt, berechnend, intelligent, willensstark, sadistisch, liebevoll und treu. Er war durch und durch ein Wigberg, die Stärke lag bei ihnen im Zusammenhalt, die Stärke der Hohenfelde lag in der gnadenlosen Selektion. Aber gemeinsam waren sie etwas, dass ihre beiden Familien allein nie erreichen konnten...


    Das wussten auch Dunwolf und Harubold, oder sie spürten es... instinktiv...


    Indu schob die Gedanken beiseite, denn im Moment wollte er nur eines spüren... Ditzlin.

    Er ließ sich weiter in die weichen, schwarzen Nurnack-Felle sinken, strich mit den Krallen durch den zarten Flaum, der weicher kaum sein konnte.


    "Warum bist Du überhaupt zu einem von ihnen freundlich?", lächelte Indutiomarus.

    "Freundlichkeit wird als Schwäche ausgelegt... es ist unwichtig was Leopoldius, Arbogast oder Dunwolf von Dir halten... einzig und allein meine Meinung und mein Willen ist hier maßgeblich... ".


    Die Stimme war nur noch ein raues Flüstern, ein kurzer Druck in Ditzlins Schädel, eine Präsenz die sich wie schwarze Fäden in seinen Gedanken ausbreiteten, aber von denen keine Gefahr ausging. Alles um ihn herum verschwamm und das riesige Bett, samt seinem Gastgeber standen nicht mehr im Schlafzimmer der Hohenfelde Feste, sondern es stand an den Gestaden eines Strandes.


    Indutiomarus schaute Ditzlin in die Augen, Augen die so hell waren, dass sie fast silbern-weiß wirkten. Ein Mann der mehr Erfahrung in seinem Blick liegen hatte, als er nach seinen Gesichtszügen haben dürfte. Er war ein Mann ohne Skrupel, ohne Gewissen, aber das war er nicht grundlos. Er war ein Mann dessen Seele einst verkauft worden war, verschachert, bevor er überhaupt begriff, dass er so etwas wie eine Seele besaß. Eines hatte sich in das eingebrannt, was von seiner Seele übrig war, dass man töten musste um zu überleben...


    Es war der Strand, von dem Indutiomarus einst geträumt hatte. Ein gestohlenes Schiff, ein unbekannter Strand, vielleicht war es gar kein See, sondern sogar ein Ozean. Das Schiff war silbern, seltsam sah es aus, aus einem Material dass Ditzlin unbekannt war. Das Schiff stand an einer geschützten Bucht, alles um sie herum war nur Fels, es war öde und Staub wirbelte auf...


    Es gab keine Spur von Leben. Sie waren die einzigen Wesen auf dieser Welt und sie waren hier angekommen...

    Gestrandete... Gerettete.... Asa Karane...


    Sie begannen mit Arbeiten... untersuchten das Wasser, die Luft, den Fels... und sie woben Magie... Einige Pflanzen die sie aus der alten Heimat mitgebracht hatten, pflanzten sie in der Nähe des Wassers... Teile warfen sie sogar hinein... Sie stürzten in die Wellen und wurden davon getragen... beseelt mit Leben, Magie und getragen durch Blut...


    Funken von Leben, in einer Welt aus Tod und Asche... daher stammten sie... Und die Gestrandeten schenken einem nackten Felsen Leben, sie die sonst nur den Tod brachten...


    Das war der erste Tag auf der Insel... Morgen und Abend zugleich für sie und das Land...


    Indutiomarus wusste, irgendetwas schaffte es immer... wenn es nur hart und zäh genug war, würde etwas überleben... Wochen vergingen und schon sahen sie das erste zarte Grün. Algen die sich vermehrt hatten... Pflanzen die sich an Steine krallten. Die Zähen hatten überlebt... Nach einigen Monaten hatten sie sich in den Buchten ausgebreitet...


    Glänzende Schleier im Wasser, grün auf den Felsen... das erste Grün dass den Kopf erhob und bald zur majestätischen Größe heranwachsen würde. Indu begann einige der Pflanzen zu hüten, ein Teil starb... so war es immer. Ein anderer Teil überlebte, wenn man ihn beschützte...


    Die Härtesten verdienten seinen Schutz, sie blühten, bildeten Samen und verbreiteten sich über die Insel. Mit Hilfe von Magie und dem Nordwind wurde die Insel von Leben erfüllt. Es war ihre Welt...


    Mit der Zeit spürten sie, dass die eigenen Kräfte schwanden, aber die Welt um sie herum war erstarkt. Sie gingen zu dem Strand, dort wo das seltsame Schiff stand... dort wo alles begann... und hier würde auch ihr Neuanfang erblühen... Sie hatten ihre eigene Welt gegründet, Pflanzen gezogen, Lebewesen geformt, sie waren das gewesen, mit Schweiß, Blut, Macht und vor allem Magie...


    Und nun galt es, das Rad des Lebens wieder in Schwung zu bringen... das was man säht, dass wird man auch ernten... Gemeinsam ließen sie ihre mentalen Barrieren fallen... er war mächtiger und hungriger als sie und er zerriss die geistigen Barrien zu ihren Körpern... die Bindung war unwiderruflich getrennt.


    Er fraß, er nährte sich... er überlebte, während er aus ihren körperlichen Überresten die Lebenden schuf... Nun war er frei... für immer...


    Ein schwarz-grüner Ozean brandete an das Bett, in dem Ditzlins Mann auf ihn wartete... er war die Blume die er hütete, während er die anderen wie Getreide erntete...


    Die messerscharfen Krallen streckten sich liebevoll nach ihm aus.

  • Wie immer leistete Ditzlin keinen Widerstand, als Indutiomarus in seinen Geist eindrang. Jede Weigerung wäre vergebens gewesen und hätte nur unnötigen Schmerz verursacht. Locker lassen ... geistig wie körperlich. Indutiomarus konnte bei Ditzlin etwas spüren, dass er von seiner Familie nicht kannte, vielleicht von überhaupt keinem anderen Menschen: Vertrauen. Ditzlin liebte ihn mehr, als jeder andere den uralten Magier liebte und er war vielleicht der einzige, der ihm vertraute. Ob das Vertrauen berechtigt war, wusste Indutiomarus allein. Ditzlin war bereit, es darauf anzulegen, sich völlig in seine klauenbewehrten Hände fallen zu lassen, auch auf die Gefahr hin, eines Tages zerrissen zu werden. Mit einer Liebe, die jeder Beschreibung spottete und die Harubold völlig verkannte, blickte er den hageren alten Mann an, strich ihm nun seinerseits mit den eigenen schwarzen Klauen über die Haut. Sie waren so unterschiedlich und doch so gleich ... sie waren die Sonne und der Himmel, sie waren Daibos und Oril, untrennbar, wenn es nach Ditzling ginge, auch wenn er wusste, dass er nicht der Einzige im langen Leben von Indutiomarus gewesen war und auch nicht der Letzte bleiben würde.


    Ditzlin gab sich dem Erinnerungsgespinst hin. Er sah, wie sie strandeten und wie sie fielen und nur wenige überlebten. Ein Theaterstück voll Schönheit, Schmerz und Nostalgie, dem er gern beiwohnte.


    Als die Wellen das Bett küsten, erhob er sich, stieg zwischen Indutiomarus Beine und lehnte sich nach hinten an ihn an. Gemeinsam blickten sie über die wogende See. Er spürte die Rippen an seinem Rücken, die sich sanft hoben und senkten, darunter schlug das Herz, das nicht ganz vollkommen finster war.


    "Die Blumen ... dein Garten."


    Er griff nach der runzligen Hand und küsste sie liebevoll. Natürlich war es die Macht von Indutiomarus und die Grausamkeit, zu der er fähig war, die Ditzlin gereizt hatte, doch das war nicht, warum er nun hier war. Inmitten all den Speichelleckern und Arschkriechern wie Vanessa gab es einen, der den alten Mann aus ganzem Herzen liebte und nur ihn. Wenn Harubold tatsächlich genau so empfand für Dunwolf ... Ditzlin dachte scharf nach.


    "Du solltest die Liason zwischen Harubold und Dunwolf unterbinden, bevor sie zu fest wird. Mit Harubold hätte er eine zuverlässige und effektive Waffe in der Hand. Eine, die kein Interesse am Platz an der Spitze hat, sondern an ihm. Harubold würde ihm so wenig einen Dolch in den Rücken rammen wie ich dir, mein Gemahl.


    Ich bin freundlich zu meiner Umgebung, weil ich auch nicht den gezogenen Dolch vor mir hertrage, wenn er Blut kosten soll, sondern ihm verborgen im Ärmel trage. Aber Leopoldius schafft es, dass ich ihm den Dolch an die Kehle halten will. Bevor du nun deine Klauen in mein Fleisch schlägst, wisse, dass ich deine Regeln akzeptiere und keinen Hohenfelde anrühren werde in dieser Weise. Nur ein Hohenfelde hat das Recht, einen Hohenfelde zu töten. Ich weiß es und ich füge mich diesem Dekret, auch wenn es mir schwer fällt, an seinen Sinn zu glauben, aber ich wuchs auch anders auf.


    Die Lebenden, die du aus den Überresten der Gefressenen schufst ... wer waren sie? Und wie hast du das bewerkstelligt, oh Blume der Finsternis?"


    Eine Zunge, genau so lang und wendig wie die von Indutiomarus, strich ihm von unten über den Kiefer.

  • "Betrachte Dich als meinen Ehemann und töte ihn... wenn Dir danach ist... er ist alt genug sie zu verteidigen... überlebt er - schön. Stirbt er - schön. Damit hätte er sich als unwürdig disqualifiziert... Warum sollte ich die Liebschaft von Dunwolf zu Harubold unterbinden? Lass die beiden doch... sie lieben sich... Dunwolf verbindet weit mehr mit Haru, als reines Kalkül... hochinteressant...


    Wie lange hält diese Liebe... wenn die Macht der Angst zuschlägt?

    Das kann ich nicht wissen... drum... am Besten... testen...


    Du kannst freundlich sein zu wem Du willst Ditz... aber dann beschwere Dich nicht, wenn der Rest nunmal nicht freundlich ist... was scheren Dich die Launen von den Milchgesichtern? Noch haben sie nicht ein einzigen Zug gewagt... Diese Welt bringt nur schwächliche Mütter hervor... nutzlose Schösse...


    Jede der Schlampen die ich bestiegen habe und meinen Samen an sie verschleuderte, war die Zeit nicht wert, die ich in sie investiert habe... wo liegen die Schwächlinge? Unten im Keller und erfreuen sich bester Gesellschaft... wenigstens haben sie etwas Gutes im Leben vollbracht... mich genährt...


    Würde man diese nutzlose Brut fragen, würde es sicher auch diese Weichwanzen mit Stolz erfüllen, ihrem Vater wenigstens auf diese Weise gedient zu haben... wo sie ansonsten völlig nutzlos waren... unnötige Fresser... irgendwas muss schief gelaufen sein... Und ich befürchte, die anderen haben sich die Zähne auch nicht redlich verdient... diese kleinen Luschen werden so langsam aber sicher lästig...


    Hast Du Arbos geheimes Spielzimmer gesehen? Hat er Angst vor einem Schlag, vor einem Tritt, oder davor seinen Gespielen niederzuringen? Was ist nur mit der Jugend von heute los? Früher hat man sein Gegenüber in den Gehorsam gepeitscht, wenn er nicht die Beine breit machte... heute schneiden sie ihnen einfach die Arme und Beine ab und hängen sie hin... er sammelt Löcher... und ist das größte Arschloch unter ihnen.... ich weiß nicht wie lange ich mir diesen Schluff noch antue...


    Manchmal ist er so hart, so willenstark, dass ich Hoffnung hege... und dann kriecht er abends wieder in diesem Raum der Jämmerlichkeit und vergnügt sich an totem Fleisch... er ist nicht mal ein Fleischformer, er erschafft nichts... er nimmt nur...


    Ich sollte ein Kind rein in Magie zeugen... was meinst Du? Leihst Du mir dazu Dein Blut?

    Wie man Leben schafft? Leben liegt im Blut...

    Blut ist Leben...

    Leben ist Magie...


    Verwandelte Leben in Magie... also raube die Essenz...

    Oder verwandelte Magie in Leben... hauch etwas von Deiner Essenz ein...


    Rauben oder Schenken Ditzlin...

    Nehmen oder Geben...


    Das was wir anderen stehlen können um uns fast an Unsterblichkeit zu laben, dass können wir ebenso verschenken... aber ein Leben rein aus Blut zu schaffen erfordert gewaltige Konzentration und die mächtigsten Essenzsprüche in umgekehrter Form... ich würde mein Blut nehmen und das Deine... aber wir würden Leben benötigen zum Formen, zum Verfestigen... zum Wandeln... Aber es geht... schau Dich um... was ich im Kleinen schuf... muss auch im Großen gehen...


    Die Lebenden schuf ich aus den Überresten meiner gerichteten Verwandten... aus jedem nahm ich einige Fetzen Fleisch und das Ergebnis kennst Du... sie sind Fleischfetzen, nicht mehr, nicht weniger... ein Experiment...


    Die Willensschöpfung ist kein Mythos.... unbelebtes Fleisch wiederzubeleben ist keine Kunst.... schaffe Fleisch... forme es... belebe es, dass ist eine andere Aufgabe... keine unmögliche.... aber eine gewaltige...


    Alles was wir benötigen ist ein eiserner Willen.... Blut... maßlose Opfer... und Zeit... sehr viel Zeit...

    Dazu später mehr... was ich benötige ist Dich....", gurrte Indutiomarus.


    Indu rollte Ditzlin auf den Bauch und strich ihm über den Rücken ehe er sich auf ihn ablegte. Seine schwarzen Haare fielen Ditzlin über die Schulter und Ditz roch die Mischung aus den Alchemistischen Zutaten und anderen Dingen, mit denen sein Gefährte tagtäglich hantierte. Selbst der Geruch von Indu war betörend und verstörend zugleich.


    Er fühlt wie die Zunge von Indu sein Rückgrat hochwanderte, ehe sich die Zähne in seinen Nacken und dessen Schwanz in seinen Hintern bohrten. die Welt um Ditzlin verblasste, als Indu ihn fest umarmte, körperlich wie mental...


    Die Finsternis umschlang das Licht.

  • Als Ditzlin erwachte, war es finster. Das Meer war fort, der Strand, die Blumen. Die Gegenwart hatte sie wieder. Er spürte den harten Leib von Indutiomarus hinter sich liegen, fühlte ihn atmen und das Herz gleichmäßig pochen. Sein pechschwarzes Haar ruhte auf Ditzlins Flanke, zusammen mit der klauenartigen Hand, die nun ganz schlaff war. Ditzlin war glücklich, wie immer, wenn sie beide sich dermaßen innig Zeit füreinander nahmen und die Intrigen und das ewige Spiel draußen vor der Tür beließen. Diese Stunden waren wertvoll und nach Ditzlins Dafürhalten zu kurz. Er umschloss Indutiomarus' Handgelenk mit den Fingern und zog ihn noch fester an sich, wobei er eine halbe Rolle vollzog, so dass sein Mann halb auf ihm zum Liegen kam.


    "Liebling", sprach Ditzlin sanft, um ihn schonend zu wecken. "Liebling, ich möchte noch ein wenig mit dir Reden und die Zeit nutzen die wir haben."


    Er drehte sich in die andere Richtung, Indutiomarus entgegen und nun lagen sie Bauch an Bauch. Durch die schmalen, trockenen Lippen blitzten die Zähne, nicht minder scharf wie die von Ditzlin. Ditzlin ließ keinen Zweifel daran, dass er die Ideologie von Indutiomarus aus ganzen Kräften unterstützte, er trug die gleichen Zähne, die gleichen Klauen und sie teilten ganz ähnliche Neigungen. Er hatte mitunter eigene Vorstellungen, sicher, nicht alles war ihm verständlich, war er doch gänzlich anders erzogen worden, doch nach außen hin waren sie eine einzige Macht und Ditzlin würde seinem Mann nicht öffentlich widersprechen oder an ihm zweifeln.


    "Ich habe über die Erinnerung nachgedacht, die du mir gestern gezeigt hast und über deine Worte, die gleich edlen Blutstropfen in mein Gehör perlten."

  • Indutiomarus ließ Ditzlin gewähren, auch wenn er so liegen blieb, als wäre er noch am schlafen. Es waren die intimsten Momente, neben denen, wo sie sich liebten. Ditz zog ihn auf sich und säuselte ihm Worte wie Honig ins Ohr und Indu wusste, dass sie genau so gemeint waren, sie sein Mann sie flüsterte.


    Er war die einzige Person, die jemals aufrichtig und ehrlich zu ihm gewesen war. Soweit es Indutiomarus möglich war, war er es ebenso zu Ditzlin. Manche Dinge verschwieg man besser, aber dies geschah um Ditzlin zu schützen. Er hatte keine Angst vor Vorrat, nicht von dieser Seite, nicht von diesem Mann...


    Und sollte Ditzlin ihn eines Tages doch verraten, dann war das der Preis, den er für all das was er vorher erhalten hatte, gerne zahlte... auch wenn die Tat nicht ungesühnt bleiben würde... das konnte sie nicht... das durfte sie nicht...


    Er hatte Tausende in den Tod geschickt, Leben entrissen, Essenzen verschlungen, Magie daraus gezogen... Hass, Furcht, Wut, er hatte so viele Gründe gehabt, wie er Morde begangen hatte, nur hatte er niemals aus Liebe getötet... wäre es jemals notwendig, dann wäre Ditzlin der Einzige, dem dies je widerfahren sollte... vielleicht sogar in Gnade, sollte das Schicksal es einst fordern...


    Aber vor dieser letzten Option, stand seine Macht, die Macht die er sich so teuer so dem Fleisch seiner Feinde geschnitten hatte...


    Ditzlin hingegen war nicht in Geberlaune, er wollte ihn nicht gnädigerweise kraulen und schlafen lassen. Wieso auch? Er war schließlich wach und nun hatte sein Mann auch wach zu sein... Indutiomarus schlug ein Auge auf und verkniff sich ein Schmunzeln. Reden wollte er! Ihm stand der Sinn nach was ganz anderem, wo er in das morgendliche Gesicht von seinem Mann sah.


    "Reden... Ditz es ist vermutlich gerade mitten am Tag... wo anständige Leute schlafen... aber gut, Du weißt ich tue fast alles für Dich... reden wir...", murmelte Indutiomarus und rutschte so nah, dass sich nicht nur ihre Bäuche, sondern auch ihre Schritte berührten.


    "Die Erinnerung... sie ist alt Ditz... aber eine die mir sehr am Herzen liegt... Worüber hast Du nachgedacht? Was möchtest Du von mir wissen?", fragte Indu und spielte mit den Krallen in den Haaren seines Liebsten.

  • Ditzlin blinzelte ihn verträumt an, während die Klauen durch sein Haar fuhren, was nicht darüber hinwegtäuschen durfte, dass er putzmunter war. Als Wigberg hatte er einen anderen Tag-Nacht-Rhythmus als sein Lieblings-Hohenfelde.


    "Du sprachst von einem gemeinsamen Kind, wenn ich das recht verstanden habe. Einem Kind von dir und mir. Es hört sich an wie ein Traumgespinst, doch wenn du schon einmal Leben erschaffen hast, kannst du es wieder. Aber wie? Wie soll unser Kind entstehen und heranreifen? Ich stellte es mir vor, sein schönes Gesicht, dachte daran, welch edles Geschöpf daraus erwachsen müsste, wenn wir uns körperlich vermählen könnten in fruchtbarer Weise. Unsere Herrlichkeit würde sich potenzieren, denn an uns sind keinerlei Makel zu finden. Es wäre das schönste, das machtvollste Wesen unserer Insel. Aber es wäre auch in höchster Gefahr, so lange es jung ist.


    Drei, Indu. Drei Söhne hattest du stets. So viele sind es nun. Aber wie viele Drei gab es zuvor? Arbogast als Ältester wird wissen, dass seine Tage gezählt sind, wenn unser Kind im Thronsaal dem Hofstaat vorgestellt wird, damit sie seinen Namen preisen und seine Brüder ihn verfluchen können. Und auch die Sanduhr der beiden anderen rieselt alsdann schneller, denn deine Söhne scheinen mir stets annähernd gleich alt zu sein. Das wird sie aggressiv machen und ein Baby bedarf des Schutzes, es kann nicht Werkzeug der Selektion sein, so lange es hilflos ist. Wie gedenkst du zu verfahren?"


    Der Gedanken an ein gemeinsames Kind erschien Ditzlin merkwürdig, waren sie beide doch nur dazu bestimmt, Kinder zu zeugen, doch wie sollte es ausgetragen werden? Seine langen Klauen verletzten Indutiomarus nicht, als Ditzlin die in samtgleiche Haut geborgenen Juwelen streichelte.


    "Aber ich dachte an mehr, noch, an den Anbeginn des Lebens auf Asa Karane, oh Stern der Finsternis", säuselte Ditzlin. "Denn wie kam es, dass die Wege der Häuser sich trennten? Und wie entstand Wigberg, sofern du davon weißt?


    Und eine letzte Frage vorerst. Ich gehe nicht davon aus , dass ein Mann wie du über all die Jahrhunderte einseitig lebte und dem körperlichen Genuss allein frönte, ohne die anderen Freuden, die wir beide nur teilen. Ich fragte mich, ob es vor mir bereits einen Ditzlin gab und was mit ihm geschah?"

  • Indutiomarus schloss die Augen und für einen winzigen Moment krallen sich sein Nägel in Ditzlins Haare. Er entspannte bewusst seine Hand und gab seinen Mann frei um ihn wieder liebkosen zu können.


    "Die letzte Frage ist... ungeheuerlich Ditzlin von Wigberg... Es gab niemanden! NIEMANDEN... hörst Du? All die Jahre... als ich ein Nichts war... wen hätte es geben sollen? Es gab nur mich... Schmerz... Leid... und die höhnischen Fratzen meiner Peiniger... und am Ende? Da gab es nur noch mich... wo war ihr Lachen da?


    Ihre grinsenden Gesichter... in Todesangst verzerrt... und dennoch nicht das wahre Ausmaß begreifend... was ich ihnen antun würde... ihnen angetan habe... und jederzeit wieder tun würde...


    Das was wir haben Ditzlin.... DAS HIER... das hatte ich nie zuvor besessen...

    Es gab niemanden wie Dich... man hasste mich... verachtete mich... quälte mich... später fürchtete man mich... sei dem so.... der Lauf der Welt... meiner Welt...


    Aber Liebe? Ich weiß nicht ob wir uns tatsächlich lieben Ditzlin... aber wenn Liebe dass ist... was ich für Dich empfinde...

    dann liebe ich Dich...


    Es gab keinen vor Dir... es gibt keinen nach Dir... und fragst Du erneut, endet es... weil Du mich damit in Frage stellst und meine Gefühle zu Dir...", knurrte Indutiomarus.


    Indu schwieg einen sehr langen Moment, wo er mit seinem Geist woanders war, das spürte Ditzlin und er sah es seinem Mann auch an. Als er wieder vollständig in seinen Körper zurückgekehrt war, küsste er Ditz auf den Kopf.


    "Du bist manchmal eine wahre Pest... vielleicht liebe ich Dich deshalb", lachte Indu leise.

    "Zur Frage, kennst Du die Legende des Homunkulus des Menschleins? Mit diesem Begriff bezeichnet man einen künstlich erschaffenen Menschen. Die meisten Unwissenden speisen dieses Wissen, wenn sie es denn haben als Mythologie ab... es ist kein Mythos...


    Es ist die Verbindung von uraltem Wissen, Magie und Alchemie...

    Manche der Altvorderen verwendeten den Begriff auch um auf die Ambivalenz von Magie und Technik zu verweisen... welche Technik... nunja... magische Technik zogen sie wohl nicht in Betracht.


    Der ersten Legende nach wird ein Homunkulus geschaffen indem man...

    Luft in Wasser...

    Wasser in Blut...

    Und danach Blut in Fleisch verwandelt...


    Der zweiten Legende nach...

    Muss man 40 Tage die Samen eines Mannes, in einem Gefäß mit wärmenden Pferde- oder anderen Mist verlaufen lassen...

    Was sich dann rege... sei einem Menschen gleich... doch es sei durchsichtig....

    Vierzig Wochen lang muss dieses Wesen bei konstanter Wärme mit dem Arcanum des Menschenblutes genährt werden...

    So entstehe ein Kind... kleiner... als ein natürlich geborenes...


    Die dritte Legende besagt...

    Nach der alchemischer Grundlage scheint jedes Organische Material Seelenstoff zu enthalten... die Essenz...

    Aus diesem könne man theoretisch neues künstliches Leben gestalten...

    Durch die Destilation von Menschenblut und der daraus gewonnenen Essenz des Seelenstoffes... kann eine menschliche Gestalt entstehen...


    Die letzte der Legenden... ist keine... sie birgt das uralte Wissen, einer längst vergessenen Technik... in Verbund mit Magie und Alchemie...

    Allen Legenden ist gemein, dass man dazu Blut benötigt... Das ist korrekt...

    Man benötigt Blut... Seelenessenz... man benötigt ein Gefäß...

    Und man benötigt Macht um all diese Komponenten umzuformen...


    Erinnere Dich... aus Blut wird Leben, aus Leben wird Magie...

    Aus Blut wird Magie... und aus Magie... wird Leben...


    Wir benötigen ein Phylakterium, in dem unser Blut... unser Kind heranwächst... geschützt... abgeschirmt...


    Unser Blut wird nicht bedroht werden... sobald es seinen ersten Atemzug im Phylakterium nimmt... werden die anderen Drei ihren letzten aushauchen... Ihre Daseinsberechtigung ist erloschen...

    So lange es im Phylakterium ist, ist unser Blut unantastbar...


    Das zu unserem Kind mein Liebster...


    Wie viele der Drei es vorab gab? Oh... sie waren unwerte Geschöpfe... ich muss nachdenken...", antwortete Indutiomarus. Der alte Magier verharrte und dachte mit gerunzelter Stirn nach.


    "Es müssen 15 Generationen Kinder gewesen sein... hier auf Asa Karane... 15 Generationen... jeweils drei Söhne... 45 Söhne liegen unten auf Eis...

    Die anderen Familien erreichten diese Insel später... ein klein wenig später... da hatten wir die ganze Arbeit schon geleistet... und ich habe mir all das hier aufgebaut... viele kamen und gingen... Das Leben ist dem Meer sehr ähnlich Ditz... Du bist ein Kleinod, dass mir das Schicksal an den Strand spülte...", sagte Indu liebevoll und biss ihn fest in die Schulter.