Kapitel 40 - Aus alten Zeiten

  • Aus alten Zeiten

    Irving und Amias wurden gerufen. Beide erhoben sich fast zeigleich. Der Blutfahrstuhl trug sie in die Höhe. Diesen Zauber hatte Irving ewig nicht gesehen. Normalerweise führten die Leviates-Zauber in die Türme der Erzhexer als deren einziger Zugang. Dieser hier glich demnach wohl einem unterirdischen Turm. Beide schwiegen. Zuvor jedoch hatten sie intensiv geredet während der Wartezeit. Nun war es so weit, der Vergangenheit ins Gesicht zu blicken. Was Irving betraf, war er misstrauisch und froh, dass Thabit mit ihm verbunden war. Der Mann, dem er gegenübertreten würde, war der Sohn seines größten Peinigers. Aber er war nicht Ditzlin selbst. Ditzlin war lange Zeit schon tot, vollständig vernichtet bis auf die Seele und das war gut. Und Nicodemus war, wie Irving in Amias, ein lebendes Relikt der Vergangenheit. Er lebte die gleichen Werte. Oder tat er es nicht mehr? Das würde sich zeigen.


    Irving und Amias betraten den Raum und verneigten sich formvollendet, Amias tiefer als der Kaltenburger, um den Rangunterschied zu betonen.


    "Fürst von Hohenfelde", grüßte Irving, ohne seine Nervosität verbergen zu können.

  • Nicodemus neigte leicht den Kopf bei der uralten Begrüßung hin. Die Gäste hatten Leben in sein Reich gebracht, aber mehr noch Erinnerungen aus längst vergangener Zeit. Nico betrachtete die beiden, sie stammten aus Asa Karane. Beide kannten die alte Welt, der sie einst entflohen waren. Vermutlich war Asa Karane ein gleicher Zwischenhalt wie Asamuara. Angesteuert da die Alte Welt Caltharnae in Asche versank war Asa Karane ihre Rettung. Und dann, nach der entbehrungsreichen Besiedlung begann die Insel ebenfalls mit den Magierkriegen in der Totenasche zu versinken. Dies alles geschah nicht von heute auf morgen, es war ein Prozess, der eine Ewigkeit gedauert hatte. Die Besiedlung selbst hatte Nicodemus nicht erlebt. Zu dieser Zeit war er noch längst nicht geboren gewesen. Aber er hatte den Fall der Insel und den Totentanz der Häuser erlebt. Je mehr die Recourcen verschwanden, je härter agierten die Häuser gegeneinander, kurzum die Häuser verschwanden mit der verschwindenden Lebensgrundlage. Irgendwann war die letzte Essenz aufgebraucht. Das was als Rettungsinsel begann wurde zu einem toten Felsen, auf dem nichts mehr leben konnte. Und so flohen sie erneut, richteten ihre Häuser und Schollen jenseits der Grenzen der bekannten Welt ein.


    Eines Tages würde auch Asamura in Asche vergehen, wenn es niemanden gab, der sich dem entgegenstellte. Wohin sollten sie dann noch fliehen? Asamura war Endstation. Der Baum den sie alle bewohnten, hatte nur noch diesen einen lebenden Ast. Doch leider war es den Häusern und allen voran seiner Familie zu eigen, aus genau jenem Ast Feuerholz zu schlagen um damit die Scheiterhaufen ihrer Feinde zu befeuern.


    Nicodemus wusste es besser, aber er war nur ein Mann.

    Wobei manchmal, in ganz besonderen Momenten lag das Schicksal der Welt in der Han eines einzigen Mannes und seine Entscheidung entschied über Werden und Vergehen. Würde sie einst in seiner Hand liegen, würde er sich stets für das Werden entscheiden. So wart er einst geboren worden, dies war seine Aufgabe, seine Berufung, seine Bürde und seine Pflicht. Eine Aufgabe die den meisten Sterblichen nicht bewusst war. Die Ewigen konnten sie nachvollziehen und einige Auserwählte.


    "Wir haben uns eine Ewigkeit nicht mehr gesehen, Irving von Kaltenburg. Auch Dich grüße ich ebenso, Amias von Wolkenhaim", grüßte Nicodemus seine beiden Gäste und machte eine einladende Handbewegung.


    "Setzt Euch, möchtet Ihr etwas speisen?", fragte er freundlich.

  • "Habt dank für die freundliche Einladung. Sehr gern würden wir etwas Essen ... ein traditionelles Gericht, wenn möglich, um der Alten Zeiten willen, auch wenn es nicht unbedingt gute Zeiten waren."


    Irving nahm Platz, gefolgt von Amias, beide schauten sehr erwartungsvoll. Amias freudig, Irving war stark verunsichert.


    "Ihr seht eurem Vater von wigbergseite sehr ähnlich, Nicodemus", fand Irving. "Als ich das ... Vergnügen hatte, ihn näher kennenzulernen, war von Euch noch keine Rede. Entweder wart Ihr noch ungeboren oder versteckt, um zu reifen. Eine Frage zu Anfang. So, wie die Dinge momentan stehen, sind wir drei hier die Oberhäupter unserer jeweiligen Häuser. Haben die alten Bündnisse und Feindschaften noch Gültigkeit? Wie stehen wir zueinander, Nicodemus von Hohenfelde?"

  • Nicodemus lehnte sich zurück und streichelte sein großes Haustier.


    "Ich danke Dir für das Kompliment, ich kann Dir nicht beantworten ob es mich bereits gab, als Du Ditzlin getroffen hast. Du müsstest mir schon verraten, wann Du Ditzlin getroffen hast. Drei Oberhäupter von drei verschiedenen Häusern ja. Aber so wie die Dinge jetzt stehen, gibt von einer Großfamilie mehrere Häuser... Zweige sozusagen. Ich vertrete meine Familie Hohenfelde und mein eigenes Haus, das der Schatten.


    Du gehörst seit Äonen der Familie Wigberg an, einem der Zweige der von Thabit geführt wird. Und wir beide wissen, dass sich die Auffassungen der Familienzweige nicht immer decken.


    Aber um Dir konkret zu antworten, ich stehe Dir freundlich gesinnt gegenüber. Du bist für mich ein Teil der Familie. Welche Fehde Du mit Ditzlin hattest oder mit Dunwolf hast, interessiert mich nicht. Hingegen stehe ich Dunwolf feindlich gegenüber, er tötete meine Väter. Auch wenn er anders leben musste als ich, hätte er genau wie jeder andere einen neuen Pfad beschreiten können. Das tat er nicht, er wandte sich sogar eine ganze Generation zurück und richtete sein Augenmerk auf die Lehren von Krotorius. Mag er seine persönlichen Gründe haben, ich habe sie ebenso.


    Ihr beiden habt von mir nichts zu befürchten, ich habe auch nicht vor die Welt in den Abgrund zu treten oder sie in Asche versinken zu lassen. Meine Pläne für Asamura mögen für andere auch nicht das goldene Schicksal sein, aber so ergeht es wohl jedem, der eine andere Auffassung hat. Zum Glück frage ich nicht danach", grinste Nicodemus, so dass man seine scharfen Zähne sah.


    "Die guten alten Zeiten hat es gegeben Irving, aber sie waren rar gesäht. Im Grunde waren sie kurze Momentaufnahmen von Einzelpersonen, Paaren oder kleinen Gruppen. Ein gesamtes, goldenes Zeitalter wo es allen auf Asa Karane gut ging, hat es nie gegeben. Aber so waren die Häuser auch nicht gestrickt, selbst Indutiomarus versuchte den Frieden dadurch zu erreichen indem er jede Konkurrenz vernichtete und den Rest versklavte. Ich liebe meine Väter von ganzem Herzen, aber deshalb muss ich nicht jede Meinung von ihnen gutheißen oder selbst vertreten.


    Was die alten Speisen anbelangt, schwebt Dir ein Gericht vor... oder beziehst Du Dich auf die besondere Zutat Menschenfleisch?", fragte Nico offen und ergriff seinen Kelch voller Blut.

  • "Menschenfleisch nach altem Rezept bereitet, roh und gewürzt wie damals. Auf Asa Karane waren Gewürze Mangelware. In Kaltenburg aßen wir vieles, was in Meersalz eingelegt worden war, auch Muscheln und Algen als Beilage. Dazu Kokosnüsse, die vom Dhunico aus angeschwemmt wurden. Kokosraspeln waren damals eins unserer wertvollsten Gewürze. Wenn es sich einrichten lässt ... für uns beide Carpaccio von der Lende, mit Öl, grobem Meersalz und Kokosspänen, dazu knackigen Algensalat und Austern."


    Irving blickte auf. Er fand, dass Nicodemus entspannt wirkte.


    "Ich lernte Ditzlin Kennen, kurz bevor Kaltenburg fiel. Offiziell sind unsere Häuser noch verfehdet, es wurde nie um Frieden ersucht. Das sollten wir ändern, wenn dir daran gelegen ist, offiziell sind wir noch im Krieg, auch wenn es nicht mehr viel gibt, dass wir euch entgegenwerfen könnten. Das Gleiche gilt für Wolkenhaim, noch immer ist Amias mein Sklave, mein Ruspante. Und wer weiß, welche Häuser noch überlebt haben?"

  • Nicodemus gab einem seiner Sklaven ein Zeichen, der daraufhin davoneilte, um den Wünschen der Gäste nachzukommen.


    "Dann sollten wir Frieden schließen, denn ich bin an keiner Fehde mit Euch beiden interessiert. Was sollen wir uns noch alles rauben? Es haben vermutlich mehr überlebt als Du denkst, aber weniger als erhofft. So war es leider stets, die meisten von Euch sind für die Schlacht geboren, wurden im Krieg großgezogen und vererbten auch jenes Wissen weiter. Das was heute geschieht, ist nichts anderes als eine neue Form des uralten Krieges um Macht und Lebensgrundlage, vor allem aber um Essenzen für einige wenige die eine Machtstufe jenseits der Vorstellungskraft erreicht haben.


    Nun ich selbst nehme mich da teilweise aus, aber auch ich bin ein Wesen das töten muss um zu überleben. Vielleicht mehr als jeder andere, denn Blut und die damit aufgenommene Essenz ist mein Lebensweg. Er wurde mir durch die Art meiner Schaffung in die Wiege gelegt... oder besser gesagt ins Phylakterium.


    Falls Du meinst, welches Blut in welchen Adern überlebt hat, dass müsste man nachforschen. Welches Haus ist wo eingekreuzt, gefallen aber lebt somit in den Wigbergs, Hohenfeldes, Eibenbergs und so weiter... weiter. Das sind Fragen die es dann zu klären gilt. Interessante Fragen, eines Wigbergs würdig Irving", lächelte Nico.


    Der Sklave kehrte zurück und servierte Irving und Amias die gewünschten Speisen.


    "Was hat Dich hierher verschlagen Irving? Was möchtest Du von mir erbitten, was möchtest Du erfahren, oder trieb Dich einfach die Neugier?", hakte Nico nach.

  • "Natürlich Neugier, mein Mann ist ein Wigberg. Vor allem aber wurden wir enttarnt von dieser souvagnischen Missgeburt von Horatios Hort, von Gregoire Verrill di Ledvico, geborene Gregoire Verrill de Souvagne! Ich bin zu alt, um darauf zu hoffen, dass die anderen Häuser diesen Umstand einfach übersehen. Anstatt zu warten, was kommt, hielt ich es für klüger, auf dich zuzugehen. Aber da war auch ein Gefühl der Nostalgie, das mich überkam ... es ist nicht leicht, wenn man Prinz war, der Sohn eines Fürsten, ständig nur die dritte oder vierte Geige zu spielen und um jeden Handgriff betteln zu müssen."

  • Nicodemus schwenkte seinen Blutkelch und lauschte dabei Irvings Worten.


    "Die Neugier ist der Katze Tod... so sagte mein Vater Indu immer, um mich an Vorsicht zu erinnern. Die Katze lebt heute noch... wie könnte es anders sein, da sie unsterblich ist. Jedenfalls solange ihr kein Leid geschieht, das ihre Existenz bedroht. Damit wollte er gesagt haben, Neugier ist eine erfreuliche Eigenschaft aber sie sollte nicht zu Kosten der Sicherheit gehen. Deine Neugier ehrt mich, aber Du solltest dennoch vorsichtig mit ihr sein. Sie ist eine mächtige Verführerin.


    Enttarnt durch den Schlüsselmeister Horatios? Das würde mir allerdings auch zu denken geben. Zuerst aus welchem Grund sie Eure Tarnung auffliegen ließ, weshalb zog sie den Schleier fort und offenbarte Euch? Wollte sie Euch bewusst dem Untergang preisgeben? Einerseits wäre das fatal, da Ledwick Euren Schutz genießt. Auf der anderen Seite wo ein Machtvakuum ist, kann es gefüllt werden. Entweder wusste der Schlüsselmeister es nicht besser, hatte uns unbekannte Gründe oder sie handelte im Namen Horatios.


    Vielleicht ist es nach Jahrhunderten des Schweigens Zeit für einen Konsenz...

    Die Ältesten der Familie sollten sich im Konsenz treffen um zu klären, was gerade geschieht. Kurzum wir sollten einen Rat der Mächtigen einberufen. Jeder spricht für sich und die seinen. Dort wäre es zudem auch möglich einen Bund einzugehen, einen Pakt oder im Schutz der Anwesenheit aller anderen Kritik anzusprechen. Dunwolf wird Dich nicht angreifen, wenn alle anderen anwesend sind. Ebenso wenig werden es die anderen tun, wer den Konsenz bricht hat alle anderen gegen sich. Ob die Ältesten dazu bereit wären, wird sich erweisen. Ich wäre dazu bereit. Wie sieht es mit Euch aus Irving?


    Es gibt einiges zu klären unter anderem der Umstand Eurer Enttarnung. Der Umstand das Dunwolf allein agiert, aber seine Schlüsselmeister in anderen Revieren herumschnüffeln lässt. Die Reviere sind klar verteilt, falls andere meinen die Grenzen können neu ausgelotet werden, werden sie es bereuen. Meine Kinder können sich genauso erheben, wie die Anhänger Dunwolfs oder Horatios. Wobei es bei einigen ein fließender Übergang ist... sie sind meine Kinder als Vampire und dennoch hängen sie Dunwolfs Beißern an.


    Wir werden bei jenen sehen ob Blut stärker ist, als ein unwertes Wort...

    Ich vertraue auf das Blut und die Blutmagie...


    Ich vermute Du bist hergekommen um mir einen Pakt mit Euch anzubieten, falls es zur Konfronatation mit Horatio oder Dunwolf kommt?


    Nostalgie... ja wir sind die letzten "Überlebenden" einer längst vergangenen Zeit, Relikte auf unsere Art und zwar sehr machtvolle Relikte. Aber wer lässt Dich um jeden Handgriff betteln? Thabit doch wohl nicht. Sprich offen mit mir, wir stehen uns als Familie nahe und wie ich Dir versicherte, hege ich keinen Groll gegen Dich", antwortete Nico freundlich.

  • "Mich lässt natürlich Tazio betteln, er schätzt meine Ruspanti nicht sonderlich. Ich denke, er ahnt ihre Funktion oder vielleicht hat seine Gemahlin sie ihm inzwischen auch übermittelt. Aber er kennt nur einen Bruchteil. So weiß er nicht, dass die Ruspanti nicht nur Augen und Ohren von Thabit sind, sondern auch seine und dass ihre Art von Antimagie es ist, welche auch ihn und seine Familie davor schützt, von Thabit aufgezehrt zu werden und auch dazu beiträgt, Thabits Hunger in gemäßigte Bahnen zu lenken, denn er allein kann das nicht.


    Sie sind sein antimagischer Schutzschild, und das wären sie auch, wenn uns beispielsweise ein magischer Angriff beispielsweise über die Himmelsaugen erwarten würde oder über Dunwolf. Die Ruspanti allein hätten einem Ältesten nichts entgegenzusetzen, aber sie stehen in energetischer Verbindung mit Thabit und dann sieht die Sache schon wieder ein wenig anders aus. Dir kann ich all das sagen, denn du weißt es, du kennst die Ruspanti noch aus alten Zeiten. Vielleicht könntest du, wenn du einen guten Draht hast zu jenen von hier und da, auch dafür plädieren, Kastration wieder zuzulassen, denn nach allen Erfahrungen, die ich machen durfte, sind Eunuchen die effektivsten Ruspanti von allen. Das sind so Dinge, die mich massiv stören in meiner Rolle als Augur. Dinge, die ich nicht ändern kann, wo früher ein schlichter Befehl genügte."


    Amias sagte dazu nichts, er schaute unverändert freundlich. Ivring widerstand der Versuchung, ihn an Ort und Stelle von Thabit auslesen zu lassen, das konnten sie später immer noch tun.


    "Aber sprechen wir von dem möglichen Konsens der Ältesten, einem Konzil, einer Versammlung. Mein Mann und ich währen dabei. Geladen werden müssten: Nicodemus, Thabit, Horatio, Dunwolf, Dalibor - wenn man jene Ältesten berücksichtigt, die der Trinität aus Asa Karane nahestehen oder Teil von ihr sind. Was ist mit den übrigen, wie Ardemia?"


    Er neigte ein wenig das Haupt.


    "Und natürlich sind wir an einem Pakt gegen Dunwolf interessiert. Er brachte Thabit um und wäre es mir nicht gelungen, seine Seele zu entführen, wäre er heute nicht mehr."

  • Nicodemus machte es sich auf seinem Sofa gemütlich, sein Blick wanderte nachdenklich zur Decke die mit Gemälden aus uralten Zeiten Asa Karanes verziert war. Freundlich deutete er nach oben, so dass Irving und Amias seinem Blick folgten.


    "Oh ja ich weiß wer und was die Ruspanti sind, genau das sollte aber auch Tazio wissen. Er würde sie schlagartig mit anderen Augen sehen. So sind sie für ihn skurille, nicht fassbare Gestalten die ihm bestenfalls unheimlich sind. Er duldet sie, mehr nicht. Ist es dass, was Du Dir für sie wünscht? Ihr lebt in einer Symbiose, wie wir mit unseren Blutspendern. Was hätte ich davon, einen unserer Spender zu schaden? Sie nähren meine Kinder, viele sehen den Dienst als Ehre. Und so mancher von ihnen hat sich den Aufstieg in die Ewigkeit erarbeitet durch Spenden.


    Vampirismus kann auch zivilisiert erfolgen über geben und nehmen Irving. Du hast vermutlich nur den Palast gesehen und sonst nichts. Aber Du befindest Dich in einer unterirdischen Stadt, die so gesehen... die tatsächliche Hauptstadt des Frostalbenreiches ist und bald auch Arashimas. Nicht alle Türme der Macht müssen in den Himmel ragen. Natürlich ist die freie Jagd etwas anderes. Aber es ist ein Unterschied ob ich mich an einem Opfer labe oder an einem Blutspender.


    Wir können nachher gerne einmal durch die Straßen Asa Kramaro Dai schlendern, die Ewig Finstere Feste wie sie ebenso genannt wird. Der Komplex wird Dich an... "Zuhause" erinnern. Sehe sie und genieße sie die neue alte Heimat Irving.


    Ein Bündnis gegen Dunwolf? Ich bin jederzeit bereit dazu. Wir sollten den Bund zu dritt schmieden, sein ehemaliger Schlüsselmeister würde ihn auch sehr gerne fallen sehen. Und nun da er ein Vampir ist, sich verraten fühlt aber über wunderbar internes Wissen verfügt, sollten wir zu Dritt einiges erreichen können", sagte Nicodemus erfreut.

  • "Ihr habt eine erstaunliche Weltsicht", fand Irving. "Ihr wart Eurer Zeit weit voraus, wenn Ihr Sklaven seit jeher als Symbionten betrachtet habt. Mir fällt es schwer, diese Ansicht zu teilen, suggeriert sie doch ein Abhängigkeitsverhältnis, wo es doch in Wahrheit nur Macht und Ohnmacht, Erbarmungslosigkeit und Gnade gibt. Nicht wahr, Amias?"


    Irving strich über den flauschigen dunkelblonden Haarkamm von Amias. Dessen Lächeln wurde ein wenig breiter, aber wieder verzichtete er auf eine Antwort. Irving zog die Hand wieder zurück. Die Zeit, da er mit Amias innigere Zärtlichkeiten ausgetauscht hatte, war geendet, als Thabit in sein Leben getreten war. Fortan hatte er keiner anderen Berührungen mehr bedurft, denn in der Zweisamkeit mit Thabit spürte er alles, wonach er sich je gesehnt hatte, in einem einzigen Menschen vereint. Gedanken voll reiner Liebe flossen in diesem Moment durch Thabits Dioden und auch Nicodemus konnte in seinem Gesicht sehen, dass Irving gerade an etwas sehr Schönes dachte. Irving selbst war derjenige, der sich wieder heraus riss aus dem Gedankenparadies.


    "Den Schlüsselmeister von Dunwolf betrachte ich als Werkzeug, nicht als Verbündeten. Dazu ist er zu jung und zu machtlos, um bei dieser Begrifflichkeit zu bleiben. Ein Wimpernschlag in den Äonen, ein Kleinkind, geradezu ein Säugling im Vergleich zu den Ältesten und noch sehr naiv. Er spielt nicht in unserer Liga. Freilich könnte man ihm dennoch ein Bündnis suggerieren, wenn ihm das schmeichelt. Aber ernst nimmt das wohl keiner von uns, seien wir ehrlich.


    Ein Rundgang durch Asa Kramaro Dai würde mir gefallen ... unser Essen muss demnach noch ein wenig warten."

  • "Kein Bündnis ist jemals auf Augenhöhe Irving, dessen sind wir uns alle bewusst. Denn wäre dem so, würde keiner von uns Bündnisse benötigen. Du bist hier, weil Du mich für eine Bereicherung hältst aus welchen Gründen auch immer. Diese kannst Du mir gerne offenbaren. Ich gehe mit Dir und Thabit den Bund ein, da ich Euch für eine Bereicherung halte. Das was Euch ausmacht, ist weder die Feuerkraft des Körpers Deines Mannes, noch Dein analytischer Verstand. Es ist die Symbiose aus Logik und gesammeltem Wissen, was Euch zu einem unvergleichbaren Bündnispartner macht.


    Den Schlüsselmeister sehe ich so, wie ich meine rechten Hände sehe... als äußerst nützlich. Sie alle sind Kinder, mehr noch Ungeborene im Vergleich zu uns Irving. Hätten sie unsere Weisheit, wären sie dann bei jenen woher sie stammen? Bedenke der Schlüsselmeister ist nur scheinbar frei, er wurde genau wie alle anderen Sklaven in seine Knechtschaft hineingeboren. Und dennoch singt das Blut der Alten in ihm, er ist von unserem Blut. Weshalb wählte er sonst einen Wigberg und dieser ihn? Manchmal ist es nicht der Verstand der Wissen übermittelt.


    Das was die beiden planen deckt sich mit unseren Wünschen. Ich habe den beiden Männern nie suggeriert, mit mir auf gleicher Augenhöhe zu stehen. Wenn sie mit mir einen Bund eingehen, dann zu meinen Bedingungen oder gar nicht. Ich habe den Bund nicht nötig. Ich habe auch Dunwolfs Tod nicht nötig. Was ich mir wünsche, steht auf einem anderen Blatt. Da hätte ich am liebsten einen wunderschönen neuen Blutkelch aus dem Schädel meines Bruders.


    Mir geht es hierbei nicht nur darum, Dunwolf zu vernichten und das Ansehen meiner Väter zu rächen. Warum sollte ich Dunwolfs Werk ungenutzt lassen? Was spricht dagegen, dass diese Nester nicht zu Schatten-Nestern werden? Ein Mann der Dir freiwillig folgt Irving ist nicht mit tausend Sklaven aufzuwiegen. Jeder Herrscher benötigt Vertraute, hast Du diese nicht, neigt sich Deine Herrschaft bereits dem Ende bevor Du den Zenit Deiner Macht erreicht hast. Vielleicht bemerkst Du es nicht einmal.


    Genauso verhält es sich mit Anhängern, die Dir aus Angst folgen. Oh ja, ich weiß, die Angst ist ein mächtiger Verbündeter. Sie treibt sogar die Kühnsten aus ihren Betten. Aber wenn mein Bruder eines bewiesen hat und zwar mit seinen Artefakten des Todes, steht eines an erster Stelle Kigyo - die Peitsche der selbstlosen Liebe. Ein Artefakt von immenser Macht und äußerster Brutalität. Man würde meinen die Angst ist, was die Macht dieser Waffe ausmacht. Aber dem ist nicht so. Angst kann diese Waffe nicht aufhalten - Selbstlosigkeit schon.


    Jetzt nenne mir einen Sklaven, der sich für seinen Herrn in diese Waffe schmeißen würde, wohlwissend dass sie ihn zerschreddern wird. Freiwillig... keiner. Ebenso würde sich keiner Deiner Getreuen in diese Waffe werfen. Dies erreichst Du nur durch derartige Brutalität, dass sie Dich mehr fürchten als diese Waffe. Und diese Furcht hat eine mächtige Schwester - Verrat.


    Wenn Dich eine Person aber schätzt, sie Dir loyal verschrieben ist, Deine Werte und Ansichten teilt und Dir aus einer Überzeugung heraus folgt... ja sogar vielleicht aus Liebe, dann wird sie sich für Dich und für das wofür Du stehst in die Waffe schmeißen. Und genau in dem Moment, wo die Person selbstlos sich opfert für ein höheres Wohl oder für eine andere Person, verschont Kigyo beide.


    Wer Sklaverei für eine Lösung hält, hat die wahre Bedeutung des Wortes nicht verstanden. Sklaverei Irving ist Viehzucht an Humanoiden. Ob Du Dir eine Herde Schäfchen hältst oder eine Herde Lichtalben, wo ist der Unterschied? Du erwirbst sie, ziehst sie auf, nutzt sie und ihre Produkte und schlachtest sie. Vorher ziehst Du die nächste Generation heran. Du baust keine besondere Bindung zu ihnen auf und sie zu Dir ebensowenig... im Normalfall.


    Blutspender sind keine Sklaven Irving. Das Wort Spende ist wortwörtlich gemeint. Eine Spende ist eine freiwillige Gabe, ein Geschenk. Die Blutspender... die Blutschenkenden sind gachtete Diener dieses Hauses die ihr Blut darreichen, wenn das der Sklaven nicht ausreicht. Sie gehören zu uns, dienen uns, dienen unserem Kult, dienen mir und erhalten damit im Notfall ein System aufrecht zu dem sie schon längst gehören. Es sind treue und tapfere Männer, die sich sehr oft den Biss verdienen. Manche wagen nicht einmal darum zu bitten.


    Sie sehen uns ohne den Makel der Angst Irving. Sie sehen in uns dass was wir sind, Geschöpfe geschaffen durch Blut und Perfektion die die Hülle der Endlichkeit abgestriffen haben wie alte Schlangenheute. Man stirbt um Wiedergeboren zu werden und das tun die Schatten. Ich der Vater aller Schatten wurde mit weitaus mehr geschaffen als Blut und Perfektion. Was mir geschenkt wurde Irving, wurde mir selbst erst später bewusst. Indutiomarus schenkte mir nicht nur das Leben und die Unendlichkeit, er schenkte mir damit auch die Möglichkeit andere zu beschenken.


    Jene die ich beiße, werden zu Urvampiren, mächtige Geschöpfe. Jene die sie beißen werden Vampire und ebenso können jene Vampire andere Vampire erschaffen... Bisskinder sozusagen. Aber gleich durch wessen Biss ein Vampir entstand, seine Gabe, seine Segnung ist auf mich zurückzuführen.


    Auch deshalb sehe ich den Schlüsselmeister etwas anders als Du. Er gehört in meine Reihen... und wie der Name schon sagt werde ich ihn dort einreihen. Sein Ehemann ist erstaunlich, aber leider kann ich ihm das Geschenk der Unendlichkeit nicht gewähren. Er ist mit etwas anderem nicht minder wertvollem gesegnet. Eines Tages wird er es begreifen... möglicherweise ahnt er es auch bereits. Besonderes Interesse habe ich an dem Sohn des Schlüsselmeisters, aber da haben sich einige sehr... komisch mir Informationen über den jungen Mann auszuhändigen. Sei es drum, ich werde persönlich mit ihm unter vier Augen sprechen.


    Nimm Dir Dein Essen mit oder speise später Irving.


    Asa Kramaro Dai... die ewig finstere Feste...

    Ein Rückzugsort im ewigen Eis und dennoch von einer alten Wärme, die es heute vielleicht nicht mehr auf der Welt gibt. Die Stadt ist in Bezirke aufgeteilt. Du befindest Dich gerade im Regierungsbezirk, in der Feste selbst... dieser Distrikt wird auch "Der Schrein" genant, weshalb dürfte klar sein, ich lebe hier und meine Anhänger huldigen mir.


    Neben dem Schrein gibt es noch fünf weitere Distrikte, einen davon sogar mit einem Hafen, der unterirdisch ins Meer hinaus führt. Aus dem Grund wird dieser Distrikt auch "Der Hafen" genannt. In allen Distrikten findest Du sowohl Wohn- als auch Geschäftsstätten. Erinnere Dich an die Zeiten der alten Festen es waren ummauerte und hochverteidigte Orte, in denen ebenso alles zu finden war.


    Warum eine Mauer bauen, wenn man in einem Gebirgsmassiv wohnen kann. Und genau darin liegt Asa Kramaro Dai... im Gebirgsmassiv von Taiwenggebirge.


    Asa Kramaro Dai hat aber nicht nur Wohn- oder Gesschäftsstätten, ebenso verfügt mein Reich über Parks, Bäume... ganz besondere Bäume, vielleicht erinnerst Du Dich noch an sie? Jenen den man nicht zu nahe treten darf, da sie Essenzen zu schätzen wissen? Hier tragen sie sogar Blüten... gegossen werden sie mit Blut.


    Statuen... darunter eine ganz besondere die ich nach einem ehrenden Abbild geschaffen wurde und meinem Vater gefallen würde... vielleicht weißt Du wen sie darstellt, Tavernen, Zerstreuungen, Lichter, Leben, Unleben... all das ist Asa Kramaro Dai", erklärte Nicodemus.

  • "Hm, ich denke schon, dass meine Ruspanti mir auf ihre Weise auch als meine Sklaven gern dienen. Vielleicht nicht alle im gleichen Maße und man muss die Sklaverei nicht beim Namen nennen, aber letztlich sind sie genau das. Dank Thabit und mir vermögen sie sich zu entfalten. Wer wären sie allein, ohne diesen Verbund? Bedeutungslose Männer, für die sich nie jemand interessiert hätte. Wer wäre Amias? Weniger als eine bedeutungslose Person, er wäre graue Asche, die im Wind verweht, schon vor 400 Jahren. So aber ist er der der Thronerbe des Hauses Wolkenhaim. Und ich bin sicher, jetzt, wo die ... Dinge ... sich geändert haben, wird er seinen Platz in Anspruch nehmen wollen."


    Amias lachte glockenhell auf bei dieser Formulierung, er hatte eine offene, schöne Art zu lachen. Welches Gefühl es ausdrückte, war allerdings nicht auszumachen. Irving gefiel nicht, dass der neue Amias auf einmal Ansprüche geltend machen könnte.


    "An der Stelle von Thabit hätte er ihm dieses Geschenk nicht gemacht. Das kann ich ruhig offen so sagen. Aber Wolkenhaims Zukunft oder Untergang soll heute nicht unser Thema sein." Auch das sagte er, ohne mit der Wimper zu zucken. "Der Bäume gab es allerlei auf Asa Karane. Sprichst du von den weißen, den Fleischfressenden, oder jenen, wie Ardemia einer ist?"


    Er schaute, ob die Sklaven das Essen servieren wollten, doch das war noch nicht der Fall. Er hatte ja auch einen recht extravaganten Wunsch gehabt.


    "Ich denke, das Essen kann noch ein wenig warten. Lass uns in die Tiefe aufbrechen. Auf die Statue bin ich gespannt. Ob ich sie erkenne, werden wir dann sehen. Ich vermute, sie zeigt jemanden, den du entweder verehrst oder der dir nahe ist oder war. Die Festung hört sich ausgesprochen wohnlich an nach deiner Beschreibung. Ich freue mich darauf, den Ort kennenzulernen, an welchem der Älteste des Nordens haust.


    Was Hector betrifft, so sei unbesorgt. Ich hege an ihm keinerlei Interesse, von seiner Funktion abgesehen, auch kein negatives. Sein Wigberg ist stumpf, soviel haben wir schon bemerkt. Er ist es nicht nur teilweise, wie die Bluthexer oder aktiv immun durch Gegenzauber, wie die Ruspanti, sondern er ist vollkommen magieresistent, ohne dass er etwas anderes dafür tun muss, als zu existieren. Wie das Wasser bei einem glitschigen Kiesel in einem Bachbett findet unsere Magie keine Stelle, an der sie ansetzen kann."

  • Nicodemus grinste zähnefletschend.


    "Ein Aal in den kristallklaren Gwässern der Magie... Richtig, Eure Magie findet keine Stelle an der sie ansetzen kann. Wieso sollte sie auch? Hector gehört bereits mir durch den Biss, gleich welcher Organisation er sich anschließt. Notfalls erhebe ich über die Macht des Blutes Anspruch auf ihn. Allerdings wird dies nicht nötig sein, wenn man ich ihm gebe, was der Mann benötigt.


    Du hättest Amias das Geschenk nicht unterbreitet? Weshalb?

    Ich hätte es ihm unterbreitet, genau wie Thabit. Eben noch hast Du Dich gefragt, wer noch alles überlebt hat. Ist das nicht auch eine Form von Überleben und Weitergabe seines Blutes? Hast Du Angst, dass Amias Dir entwächst? Überlege wie viele Jahre Amias Euch in Treue diente. Er hat sich das Geschenk mehr als verdient in meinen Augen, es ist ein Geschenk des Lebens Irving.


    Was die Männer wären oder nicht wären die heute Deine Sklaven sind, ist unerheblich Irving. Das was sie geworden wären, wäre ihr selbstbestimmtes Schicksal gewesen. Entweder ist jemand Sklave also Vieh, Beute Gabad auf alter Sprache oder er ist Verbündeter. Da gibt es kein Wenn oder Aber! Gleich seiner Macht, wenn er einer der Deinen ist, dann behandele den Schwächsten von ihnen mit Sorgfalt. Ganze Häuser fielen durch das schwächste Glied in der Kette... die Schwester der Angst flüsterte ihnen zu.... lass mich in Dein Haus... lass VERRAT ein... und sie öffneten die Tore da sie ihre eigenen Leute mehr fürchteten als das was vor dem Tor stand...


    Du irrst Dich, wenn Du meinst eine Schreckensherrschaft würde die Gezeiten der Ewigkeit überdauern. Eine Gewaltherrschaft kann nur überdauern, wenn man zuerst sich selbst in der Gewalt hat und Getreue an der Seite, die einem folgen.


    Folge mir hinaus in mein Reich Irving, Amias Du bist ebenso eingeladen", sagte Nicodemus.


    Der erste aller Vampire erhob sich von seinem Sofa, wie eine geschmeidige Katze, streckte sich und schritt auf den Leviatesbrunnen zu. Gemeinsam mit Irving und Amias kehrte er in den Thronsaal zurück, durchquerte diesen vorbei an seinen knienden Untertanen und verließ auf kürzestem Weg seine Festung. Draußen im Hof stand sie, die besagte Statue. Nicodemus blieb vor ihr stehen.


    "Wer ist das? Und was stellt sie dar?", fragte Nicodemus freundlich.


    Statue

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  • "Die Statue stellt vermutlich Horatio dar, der die Flamme des Wissens hält", mutmaßte Irving. "In kriegerischer Darstellung, wo sonst die Darstellung Horatios als Geistlicher verbreitet ist, wie bei der Satue an der magischen Akademie, die seinem Namen geweiht wurde. Möglicherweise eine Darstellung aus der Zeit, bevor er seinen Körper abstreifte und ein Ältester wurde."


    Er strich sich über sein rasiertes Kinn.


    "In Ledvico gibt es eine ähnliche Allegorie. Schilfgerkönte Männer halten dort die Laterne, welche den Sturmlaternen der Seeleute gleicht. Auch in Leuchttürmen weist das Licht uns den Weg nach Hause. Was war es, das Lazzaro Fedele hinauf an die Oberfläche lockte? Richtig, das Licht. Hoffnung lautet die Botschaft, die in den Laternen der Ledvigiani liegt, die auch während des Lichtfestes entzündet werden. Das ist erstaunlich wenig wigbergisch im Vergleich zu der hohenfeldschen Wissensflamme des Horatio. Mir scheint, die Rollen wurden hier vertauscht."


    Amias schlenderte derweil etwas abseits herum und blickte sich alles an, er war sich nicht zu fein, die Dinge auch zu berühren, die in Reichweite seiner zarten Hände gerieten. Gerade strich er über den Sockel der Statue. Leise war Irvings Stimme nun.


    "Verrat fürchtest du? Wir wurden bereits verraten, denn so ist Kaltenburg gefallen. Von außen war die Burg kaum einzunehmen, von innen schon. Ich hätte Amias von Wolkenhaim das Geschenk der Fruchtbarkeit verweigert, nicht das Geschenk des Lebens. Das Leben hatte ich ihm bereits geschenkt, auch wenn er dafür seine Zeugungskraft verlieren musste. Tot hätten ihm seine Hoden nichts genützt, scheint mir. Als Eunuch war er ein guter Mitstreiter. Doch Amias, so harmlos er scheinen mag, ist wie wir vom alten Blut. Er könnte auf den Gedanken kommen, sein Exil zu verlassen und heimzukehren, um den Thron zu besetzen. In Wolkenhaim schlummert der Funke des Verrats. So war es schon immer und darum waren wir alle froh, als ihr Haus endlich fiel."


    Es schwang die unausgesprochene Botschaft mit, dass Irving darüber nachdachte, den Mann einen Unfall erleiden zu lassen in diesen Hallen. Er traute Amias nun noch weniger über den Weg als zuvor, wo Amias keinerlei Zukunft besaß. Nun aber war womöglich genau das erwacht, was sie vor sich sahen: Die Flamme in ihm.

  • Nicodemus schaute zu der Statue auf.


    "Diese Statue existierte bereits einmal, sie stand in den Privatgemächern meines Vaters Indu. Sie stand in meinem Zuhause. Ich habe die Statue als Erinnerung und Mahnung nachbauen lassen. Als Gedenken daran, dass Horatio einst meinen Vater rettete und dass Indutiomarus in Horatios Augen einst eine Rettung wert war und er dafür seine neutrale Haltung aufgab.


    Die Statue sagt noch eines. Man sollte nicht das Ziel aus den Augen verlieren, gleich wieviel Angst man hat. Es gibt immer mehrere Wege und für einen muss man sich letztendlich entscheiden. Diese Entscheidung sollte aber nicht in Stein gemeißelt sein. Denn erkennt man, dass man sich auf dem Holzweg befindet oder schlimmer noch auf einem Irrweg, sollte man sich die Möglichkeit der Umkehr offen halten.


    Um den richtigen Weg zu finden, benötigt man Wissen, Erkenntnis oder wie es Horatio beschreiben würde - Erleuchtung.


    Horatio wird mit dieser Statue um einige Ecken verehrt, wenn Du so möchtest. Die Statue steht dafür, dass Indutiomarus neben dem Erzhexer auch noch eine ganz andere Person gewesen ist und sein konnte... wenn er nur wollte. Wie jeder unserer Familie hätte er es besser machen können... hätte er nur gewollt. Letztendlich hat er es sogar gewollt Irving, nur war sein Pfad der uralte, ausgetretene Pfad unserer Familie. Er versuchte Frieden zu schaffen, auf die einzige Art die er dafür kannte - völlige Vernichtung der Feinde.


    Hoffnung lautet die Botschaft, die in den Laternen der Ledvigiani liegt, die auch während des Lichtfestes entzündet werden... Ja ich glaube damit hast Du Recht. Natürlich ist die Sicht wenig wigbergisch, sie ist allerdings auch wenig hohenfeldisch, sie ist ein anderes Erbe - diese Sicht ist Schwarzfels... Rochenoir.


    Allein das Symbol ist bewusst so gewählt Irving. Hohenfelde lieben es dunkel, Dolche der Dunkelheit, Horatio wählte das Licht und schrieb es sich auf sein Banner als er seine Familie verlor. Dennoch hat er sich nicht ganz von uns allen abgenabelt, sonst würde er nicht einigen von uns beistehen. Denn er hält mit der Laterne des Wissens das Gleiche in der Hand wie die Ledvigiani - Hoffnung. Er hegt sie für seine Geburtsfamilie, jedenfalls für einige ausgewählte Mitglieder denen er beisteht.


    Ich sah den alten Weg Irving, ich sah wie Indutiomarus meine Brüder strafte, ich hörte ihre Qual, ich spürte ihre Pein, roch ihre Angst. Mich hingegen strafte er niemals auf diese Art und Weise. Er leitete mich an, korrigierte mich mit Worten oder Taten indem er mir zeigte wie es richtig geht.


    Hätten meine Brüder nicht die gleiche Chance verdient?

    Indutiomarus der Verlorene strafte seine Söhne zu neuen Verlorenen.


    Ist man von einer Hand nur Schläge statt Güte gewohnt, wird irgendwann jeder zubeißen. Die Hand meines Vaters schlug nicht zu, aber sein Verstand. Kalt und scharf wie geschliffener Stahl. War er wütend, dann griff er auf ihren Geist zu, verdrehte ihn, so dass sich ihnen die Wirklichkeit entzog. Stell Dir vor die Welt um Dich herum wäre schlagartig eine andere und alle Gesetzmäßigkeiten um Dich herum verlieren ihre Bedeutung... Du musst Dich zurück in Deinen eigenen Verstand kämpfen.


    Glaubst Du Dunwolf kam wahnsinnig auf die Welt?

    Vielleicht kam er dunkel auf die Welt, so wie ich hell, aber dennoch sind wir vom selben Wurf Irivng.


    Ebenso verhielt es sich mit Arbogast und Leopoldius. Ein mentaler Hieb war noch die mildeste Form der Strafe. War Vater ungehalten, riss er Dir die Seele aus dem Leib... teilweise... er ließ Dir ein hauchdünnes Band. Seine Worte... sie werden nur etwas orientierungslos umherschweben, ehe sie sich wieder in ihre Körper einfinden. Jeder Magier kennt das enge Band zwischen Seele und Körper, glaubst Du es hat keine Konsequenzen, dieses Band ständig anzutasten?


    Natürlich verabscheue ich Dunwolf für seine Taten. Selbstverständlich vermisse ich meine Väter. Aber ich weiß ebenso, wer Dunwolf formte und sich damit sein eigenes Grab schaufelte. Und wäre es nicht Dunwolf gewesen, dann Arbogast oder Leopoldius. Hätte all das verhindert werden können? Aber ja.


    Mein Vater hätte nur zum Licht streben müssen, zur Erleuchtung um den Weg zu erkennen der sie alle gerettet hätte. Bei mir kannte er ihn doch auch. Er hätte vermutlich noch heute vier ihn liebende Söhne, einen Ehemann und würde sich bester Gesundheit erfreuen... als Erzhexer. Stattdessen tat er das, was sein Vater mit ihm all die Jahre getan hatte. Auch Indutiomarus war kein böser Mann. Er hatte Angst Irving, Angst dass sich all das was er durchgemacht hatte wiederholen würde. Also wollte er gegen die heranwachsende Gefahr ankämpfen und das paradoxe ist, genau damit schuf er sie erst. Hätte er die Hand gereicht anstatt damit zuzuschlagen.... wären einige noch hier die wir nun zu beklagen haben...


    Ich achte jedes meiner Kinder, aber ich bin nicht verblendet zu glauben dass dies auf Gegenseitigkeit beruhen muss. Um Deine Frage zu beantworten, ich fürchte keinen Verrat. Aber ich gehe stets davon aus, dass ich verraten werden könnte. Jeder Mann in meiner Position sollte dies tun.


    Zu Amias, Du hast Amias nicht am Leben gelassen Irving. Amias lebte nicht sein Leben, sondern er lebte Dein Leben mit. Er wartete stets auf Dich bis Du nach Hause gekommen bist als sein Herr. Er hat Dich unterhalten, er hat Dich gepflegt, seine ganze Welt drehte sich nur um Dich. Er hatte keine eigenen Freunde, er hatte niemals eine Familie. Er war körperlich und seelisch an Dich gekettet. Wo lebte er? Nun nach dem Geschenk, kann er anfangen zu leben Irving.


    In Wolkenhaim ruhte der Verrat?

    Mein Lieber, der Verrat ruht in uns allen, dass solltest Du wissen. Die Häuser haben sich verbündet und bekämpft, seit Anbeginn der Zeit. Wolkenhaim war nur eines unter vielen, ebenso wie Kaltenburg oder Hohenfelde. Sie unterschieden sich nicht Irving, jeder suchte seinen eigenen Vorteil und die Bündnisse dienten auch nur dem eigenen Zweck - Überleben.


    Deshalb wollen wir uns an die Sturmlaterne der Ledvigiani halten und an jene von Horatio - sie war einst das Zeichen des Hauses Schwarzfels, der Ehemann von Horatio hieß Turhalo Randwer Schwarzfels, der Vater von Turhalo und Erzhexer des Hauses Schwarzfels war Sharant Malkar Schwarzfels. Aber hüte Dich die Namen in Horatios Gegenwart auszusprechen.


    Das zur Erläuterung, lasst uns weitergehen. Was möchtet Ihr sehen?", fragte Nicodemus freundlich.

  • "Demnach wäre es besser gewesen, Amias das selbe Schicksal angedeihen zu lassen wie seiner Familie. Vielleicht hast du Recht. Aber jeder Fehler lässt sich korrigieren. Ich könnte ihn ganz einfach aus der Sklaverei erlösen und Thabit ein zusätzliches Häppchen naschen lassen. Er hatte schon lange keinen Wolkenhaimer mehr."


    Irvings Worte waren bösartig und schnippisch, denn er war der Älteste hier und ärgerte sich darüber, dass der Vampir ihm erklären wollte, wie die Dinge auf Asa Karane gelaufen waren. Niemand wusste das besser als er selbst, der einen Teil seines Lebens als Sklave von Nicodemus´ Vater Ditzlin verbracht hatte - dank Amias!


    "Natürlich lebte Amias mein Leben, dafür war er Sklave und er ist es immer noch, ich habe ihm nie die Freieheit geschenkt und schenken werde ich sie ihm auch nicht. Allenfalls darf ihn sein Haus freikaufen, aber der Preis sollte fürstlich sein für einen Fürsten! Du scheinst ihn zu mögen. Ich mag ihn auch. Aber glaub mir, dafür gibt es nicht den geringsten Anlass. Aber wir sind nicht hier, um über Amias zu sprechen, zumindest sollte er nicht mehr Raum in diesem Gespräch einnehmen, als ihm gebührt."


    Irving betrachtete all die Zeit über die Statue. Sie gefiel ihm.


    "Ab wann eine Handlung als Güte empfunden wird und wann als Strafe, ist nicht ohne weiteres zu definieren. Denn die Empfindung ist abhängig vom Individuum, nicht von klar umrissenen Fakten. Ich betrachte es als Gnade, jemanden zu einem Ruspante zu machen. Du scheinst das anders zu sehen. Hast du je geliebt, Nicodemus? Meinem Mann nahm man nicht nur die Männlichkeit ... man nahm ihm sein Leben. Der Verlust eines so banalen Körperteils wie zweier Testikel wäre ein lächerlicher Tausch gewesen, hätte er je die Wahl gehabt. Du siehst, dass es keine feststehenden Gesetze gibt. Des einen Gnade ist des anderen Untergang, obgleich die Handlung die selbe bleibt.


    Über solche Dinge habe ich mir sehr viele Gedanken machen müssen in den Jahren meiner geistigen Umnachtung, von denen du zweifelsohne gehört hast. Der Versuch, Logik zu erkennen, Struktur zu schaffen und Wahn von Wirklichkeit zu unterscheiden, hat mich sehr genau hinsehen lassen, während das Gefühl ... zunehmend kalt wurde. Bis die Ruspanti kamen. Ja, ich bin ihnen dankbar. Aber sie hätten mir nicht helfen können, hätte ich sie getötet.


    Du strebst nach einem bestimmten Ziel im Sinne von Horatio und im Sinne von Schwarzfels. Welches Ziel?"

  • Nicodemus zog eine Augenbraue hoch und musterte Irving mit einem Blick der eindeutig hohenfeldisch war.


    "Das habe ich nicht gesagt, wenn ich der Auffassung bin dass einer den Tod verdient erhält er ihn Irving. Amias hat ihn nicht verdient. Gut was soll er kosten? Nenne mir einen Preis.


    Ob ich jemals geliebt habe? Ja das habe ich. Mehrfach sogar Irving, mein erster Gefährte schaffte es nicht von der Insel. Er wurde krank und so biss ich ihn, in der Hoffnung dies würde ihn retten. Das hat es auch eine Weile. Allerdings machen einige Vampire in der Nacht ihrer Verwandlung körperlich und seelisch eine Veränderung durch. Die körperlichen Veränderungen sind hinlänglich bekannt, ich muss nur die Gift- sprich Eckzähne erwähnen.


    Damit ein Vampir überleben kann, muss er sich an Blut laben, ansonsten verhungert er wie jeder andere Sterbliche. Sonnenlicht ist ab diesem Moment sein Feind und verbrennt ihn. Aber dass sind alles nur körperliche neue Eigenschaften, auf die man sich als Jung-Vampir einstellen muss.


    Niemand sprich von den seelischen oder auch gesellschaftlichen Veränderungen. Wusstest Du, dass viele Vampire den Hass nicht ertragen können, mit dem sie fast überall konfrontiert werden? Vor allem Jung-Vampire die gerade erwacht sind, werden nicht Opfer eines Jägers, sondern entleiben sich selbst. Dies ist tatsächlich die häufigste Todesursache bei Jung-Vampiren. Sie wissen nicht, dass sie sich innerhalb eines Tages nach dem Biss noch heilen lassen können, solange sie kein Blut getrunken haben.


    Übersteht der Jung-Vampir diese bedrohliche Phase, hinterfragt er meist sein komplettes Leben und besonders die letzten Stunden die zum Biss führten. Ich spreche hier nicht von Personen, die um den Biss gebeten haben, sondern jenen die einfach gebissen wurden. Hat der Jung-Vampir die ersten Stunden hinter sich gebracht ohne sich zu entleiben und hat er auch die Selbstzweifel abgestreift, wird er sich mit seinem neuen Leben hoffentlich arrangieren.


    Die meisten von ihnen ziehen nach Naridien, in die dortigen großen Städte oder es treibt sie nach Obenza. Reichlich Nahrung und alles ist anonym. Manche wiederum wählen das Exil, vor allem jene die die erste Phase der Selbstzweifel doch nicht überwunden haben.


    Und es gibt natürlich auch jene, die sich bewusst andere ihrer Art suchen und sich dann letztendlich den Schatten anschließen. Dies ist für einen Jung-Vampir die beste Möglichkeit um über die gefährliche Jungzeit zu gelangen. Er darf sich vom Blutvieh ernähren oder von Blutdienern und er lebt im Schutze einer großen Familie.


    All das macht Vampire nicht gerade beliebt unter den Völkern Asamuras.


    Was die wenigsten wissen ist, dass auch alte Vampire nicht vor Seelenqualen gefeit sind. Manche von ihnen werden nach einem Jahrhundert wo sie all ihre Freunde und Bekannten gehen sehen schwermütig. Fühlen sich wie ein vergessenes Relikt aus längt vergangenen Tagen. Manche vermissen schlagartig sogar ihr altes Leben, samt dem Sonnenlicht und entleiben sich dann.


    Es ist also ein zweischneidiges Geschenk, ein guter Vater sollte seine Bisskinder in der ersten Zeit begleiten. Sie sind jung und allzuleicht formbar. Auch von eigenen Ängsten. Einer der mächtigsten Vorteile die das Geschenk des Vampirismus mit sich bringt, ist die Unsterblichkeit und der Stopp des Alterungsprozesses. Kein Vampir stirbt eines natürlichen Todes... denn der erste von ihnen erlebte auch keine natürliche Geburt.


    Ich biss Balsredo, rettete ihn und schenkte ihm die Ewigkeit. Aber am vierten Tag erfasste ihn die Schwermut und er schaute sich den Sonnenaufgang an.... Balsredo Rasdot, einst mein Leibdiener und Gefährte für immer verloren. Die Ewigkeit Irving ist manchmal nicht genug...

    Aber ich wäre bereit für einen neuen Gefährten", gab Nicodemus zu bedenken.


    Nicodemus folgte Irvings Blick und überhörte die Schnippigkeit in dessen Worten.


    "Natürlich liegt alles im Auge des Betrachters, so ist es immer. Rette ich Dich, fühlt sich Dunwolf angegriffen. Würde ich Dunwolf beistehen, würdest Du Dich verraten fühlen. Gleich welche wahren Ziele mich zu meinen Bündnissen veranlassen. Ich versichere Dir, so kleinlich bin ich nicht, dass ich die Welt für persönliche Rachegelüste ins Wanken bringen oder in den Abgrund stoßen würde.


    Lässt es sich gefahrlos bewerkstelligen oder sagen wir mal mit minimalem Risiko, dann soll auch die Rache ihre Chance erhalten. Was Deine Frage beantworten dürfte - was mein Ziel ist? Mein Ziel ist es, dass Asamura kein zweites Asa Karane wird. Dass diese Welt nicht erneut in Asche versinkt. So seltsam es klingen mag, die Untoten kämpfen für das Leben Irving und damit auch für ihr Überleben.


    Horatio hat andere Ziele, glaube es mir", gab Nicodemus zurück.

  • "Den Preis für Amias werde ich mit meinem Mann besprechen. Möglich, dass er der Rückzug von Wolkenhaim aus Ledwick beinhaltet oder im Gegenteil, deren Treueschwur auf Thabit Argentocoxos. In Geld ist er jedenfalls nicht aufzuwiegen. Vielleicht behalte ich ihn auch einfach weiter in meinem Dienst, indem ich die Sicherheitsvorkehrungen an die neuen Umstände anpasse. Aber warum hast du Interesse an ihm?"


    Einen Moment schwieg Irving.


    "Dass du deinen Leibdiener vor dem Tode retten konntest, aber nicht vor sich selbst, tut mir leid. Balsredo Rasdot wird deine Liebe verdient haben, denn sonst hättest du ihn nicht geliebt. Was geschah mit den Übrigen? Du hast davon gesprochen, mehrmals geliebt zu haben. Mich persönlich überrascht die Reaktion von Balsredo nur mäßig. Vielleicht, weil Thabit und ich das Gleiche durchlebt haben, als er diesen Leib erhielt.


    Thabit - übrigens dein Onkel - erhielt das Geschenk des Lebens und zeitgleich den Fluch, seinen Körper zu verlieren. Und damit verlor er die Gabe, seiner Liebe körperlich Ausdruck zu verleihen und die meine zu empfangen. Alles, was zwischen uns liegt, spielt sich auf geistiger Ebene ab. Manche würden dies als die reinste Liebe von allen bezeichnen, doch ich vermisse sein Gesicht, seine Hände, seine natürliche Stimme, das Geräusch seiner Schritte neben mir und den Duft seines Haars, einfach alles, das ihn einst zu einem Menschen machte. Falls die Dinge dereinst so schlecht stehen sollten, dass es keinen Ausweg mehr gibt, ist das Letzte, was ich mir wünsche, dass Thabit ein letztes Mal fleischliche Gestalt annimmt und wir gemeinsam Arm in Arm sterben. Ja, ich verstehe, warum Balsredo diesen Weg wählte. Für mich kommt dieser Weg allerdings nicht infrage, denn unsere beiden Leben sind aneinander gekoppelt. Ich würde Thabit mit hinüberreißen. Und wir haben hier eine Mission.


    Dein Ziel ist also das Überleben deiner Jagdgründe, der Erhalt der ewigen Jagd. Das Ziel von Horatio ist hingegen welches - und wie kommt es, dass er dich einweihte?"

  • "Mein Interesse an Amias ist schlicht, ich wünsche nicht dass er stirbt. Gleich welchem Haus er angehört, er ist dennoch einer der alten Welt und gehört dadurch zu uns. Du fragst wer noch überlebt hat und willst ihn töten? Dann überlasse ihn mir, dass er hier leben kann.


    Thabit und Du, Ihr beide habt Euch verloren und wurdet zeitgleich zusammengeschweißt. Ich verstehe was Du vermisst, seine körperliche Nähe, Wärme, Zuneigung, Liebe. Alle jene Berührungen, die die geistige Verbindung unterstreichen. Man kann mit seinem Gefährten in Liebe mental verbunden sein, aber diese Verbindung und dazu eine liebende Umarmung gibt dem Ganzen etwas besonderes. Erst dann ist die Sache wirklich rund.


    Du bist Thabit so nah, wie niemand sonst seinem Gefährten sein kann. Ihr seid dauerhaft mental verbunden, Ihr seid seelengekoppelt und Du lebst sogar in dem Leib Deines Mannes. Und trotz alledem ist dort eine unüberwindliche Kluft. Du kannst in seinem Körper sitzen und durch die Meere reisen, aber Du kannst sein Gesicht nicht in beide Hände nehmen um ihn zu küssen oder ihm über die Wange zu streicheln. Du vermisst das Gefühl seiner Haut unter Deinen Fingerspitzen und er wird vermissen, wie Du Dich anfühlst, wenn er Dich hält. Alles was Ihr habt ist die reine geistige Liebe und Eure Erinnerungen Irving. Erinnerungen an eine längst vergangene Zeit in der ihr beide noch Männer wart, die Hand in Hand durch die Welt laufen könnten.


    Heute trotz aller Macht über die Ihr verfügt, könnt Ihr diese Barriere nicht überwinden. Schlüpft Thabit in einen anderen Körper, löst er das Band zu seinem jetzigen. Dieser Körper würde sterben und zwar gemeinsam mit Dir, denn Du bist ebenso daran gebunden.


    Eine Möglichkeit für Euch, warum suchst Du Dir nicht einen schönen Körper aus, der Thabit im Schiff als Avatar also Erscheinung dient? Thabit könnte auf diese Person Zugriff nehmen, Dich halten, streicheln und Dir mit diesem geliehenen Körper geben was Ihr beide so schmerzlich vermisst. Dafür muss er sich weder von seinem Schiffskörper entkoppeln, noch läuft er Gefahr, dass die Trennung zu groß wird. Dieser Körper wäre ja im Schiff selbst verwahrt, möglicherweise könnte man eine Verbindung direkt zum Schiff herstellen, so dass dieser Körper über Stränge am Schiff befestigt wäre wie die Steuerung. Er wäre dann ein Teil vom Schiff, wie das Steuerrad und Ihr würdet Euch lieben können.


    Earetar Vanyar hat sich von mir getrennt und ich trennte ihn darauf hin von seiner physischen Daseinsform.

    Teleri Medheli erlag seinem Alter, er lehnte das Geschenk der Ewigkeit ab. Er war ein guter Mann.


    Mein Ziel ist es die Welt mit unseren Jagdgründen zu erhalten richtig. Woher mir Horatios Ziel bekannt ist? Er hat es gesagt Irving. Es ist schon lange her, dass wir miteinander gesprochen haben, aber er lebt wie wir für die Jagd. Nur ist sein Ziel, dass es irgendwann nichts mehr zu jagen geben wird und die Welt hat Ruhe. Er dann ebenso.


    Ich hoffe, dass uns niemals die Beute ausgeht. Was hoffst Du?", fragte Nico.