[Fragment] Silbersichel

  • Silbersichel

    Feuerspuren führen westlich, Strahlenkrone tragend geht

    lichter Alvashek ins Wasser, erlischt ohne ihn der Tag

    Nutzt der dunkle Seelenlose seines lichten Bruders Weg

    geht mit silberheller Sichel auf die nächste Sternenjagd


    So folgt lautlos er den Sternen, ihrem Silbertropfenblut

    Auf der Pirsch den Blick nach vorne mit der Sichel in der Hand

    und er sieht niemals nach unten, auf die Welt die tiefer ruht

    die des nächtens und im Dunkeln nur ein graues Ascheland


    Ach, es fallen all die Sterne, seine Mondsichel, sie singt,

    Und noch höher hebt der Nachtgott seine Klinge seelenleer

    Wenn des Abends er das Dunkel aus dem Osten mit sich bringt

    Tausend Sternschnuppen sie fallen überm Süden in das Meer


    Längst im Westen ist verglommen letzter Abendhimmelbrand

    Bald des Nachtgotts Sternenjagd zu ihrem Höhepunkt aufsteigt

    Bis die Krone Alvasheks sich zeigt am Ascheweltenrand

    und der Nachtgott lautlos flieht und seine Silbersichel - schweigt


    * * *


    Man sagt, die Inseln vor Caltharnae fielen als brennende Steine vom Himmel, groß wie Berge, die man aus der Erde riss. Sie schlugen in die kalten Fluten des Dhunico und brachen den Meeresgrund auf. Fluten überschwemmten die Ufer und forderten ihre Opfer und auch das Sternenschiff Menkalinan sei damals mit dem Kometenregen vom Himmel gestürzt. Brüllend und fauchend bäumte der Meeresgrund sich auf, hob alte Wracks und versunkene Städte, ließ sie wieder versinken, blutete rotes Magma und der Ozean kochte an dieser Stelle. Als der Dampf sich legte und die lange Nebelzeit ihr Ende fand, verschloss aufgetürmter Basalt die Wunden der Welt.


    Die größte der jungen Inseln war Khilar, unsere Heimat.


    Ihr Feuerherz ist nie erloschen und heiß blutet es noch immer aus dem schwarzen Maul von Meru, an dessen höchstem Kraterrand sich die charakteristische Haifischfinne gebildet hat, die über das Feuerherz ragt. Wer dort oben steht, spürt, wie klein und bedeutungslos wir Menschen sind in Gegenwart der Götter, die all dies schufen.


    Der Gott, den wir ehren, ist nicht der Machtvollste oder Größte unter ihnen. Er ist im Gegenteil ein kranker Gott, der schwach und blass geworden ist - Alvashek, die sterbende Sonne. Und ich, Turhalo, bin sein Hohepriester.


    Wenn Alvashek einst erlischt, vergeht alles. Als Hüter des Lichts bin ich auch der Hüter des letzten Lebens unserer fast toten Welt. Ich war nie ein Krieger, sondern immer ein Beschützer. Meinen letzten Kampf fechte ich auch diesmal mit dem Wort. Was ich noch zu sagen habe, dauert eine handvoll Briefe, die du beiliegend findest, und ein paar Worte von mir zum Geleit.

    Wie Alvashek verschlingt auch mich ein Dunkel, vor dem keine Macht mich retten wird. Die seelenlosen Lichtjäger weilen längst unter uns. Die Zukunft unserer Welt liegt mit diesen Briefen in deinen Händen. Was auch immer geschieht - bitte bewahre das letzte Licht.


    Wenn nicht du, wer dann?



    Hinter dem Schleier (Spoiler)