Kapitel 17 - Rückkehr nach Eibenberg

  • Nach der Reise ließ Dalibor sich zunächst wieder vorzeigbar herrichten. Verstaubt und verschwitzt wollte er seinem Vater nicht unter die Augen treten. Beim Bad im aufgewärmten Wasser döste er für zwei Stunden ein und erwachte, als sein Leibdiener gerade heißes Wasser nachgoss. Dass dieser ihn hatte schlafen lassen, war als gute Intuition zu werten, denn Dalibor hatte die Ruhe nach der Reise nötig gehabt. Nun aß und trank er etwas in der Wanne, ehe er sich abtrocknen, ankleiden und frisieren ließ, um dann seinen Vater aufzusuchen.


    "Vater?" Fragend blickte er durch die Tür. "Ich habe mit Indutiomarus von Hohenfelde gesprochen. Darf ich reinkommen und mich setzen?"

  • Halvor hatte es sich in seinen Privatgemächern gemütlich gemacht. Viel Unterschied war nicht zu seinem Arbeitszimmer zu erkennen, außer dass ein Bett im Raum stand und davor eine Sitzgruppe aus Sesseln, die durch einen großen Tisch getrennt waren. Auch hier stand vor dem Fenster ein schwerer Schreibtisch mit Blickrichtung zur Tür, so dass das wenige Licht bestmöglich ausgenutzt werden konnte. Halvor legte sein Buch beiseite und schaute auf.


    "Tritt ein Dalibor und berichte mir von Deiner Reise. Ich hoffe Du bist wohlauf", sagte Halvor und deutete seinem Sohn an einzutreten. Er selbst nahm in einem Sessel Platz und blickte Dalibor abwartend entgegen.

  • Dalibor trat ein und schloss die Tür, ehe er platznahm. Er war wieder in seinen dicken Pelzmantel gewickelt, der die Farben ihres Wappens zeigte.


    "Danke der Nachfrage, mir geht es bestens. Der Fürst hat sich erstaunlich ... zugänglich gezeigt. Er gab mir seinen Segen unter zweierlei Bedingungen.


    Erstens: Indutiomarus wird uns keine Mitgift zahlen. Allerdings gewährt er Arbogast, sein persönliches Hab und Gut zu behalten. Möge er daraus seine Mitgift begleichen.


    Zweitens: Arbogast geht mit seiner Erlaubnis, er verlässt dieses Haus, er legt den Namen Hohenfelde ab, er entsagt dem Thron und der Erbfolge völlig. Er kehrt niemals zurück, er ist ab der Vermählung ein Eibenberg und so hat er sich zu verhalten. Dann wird Indutiomarus ihn als solchen akzeptieren. Kehrt er jedoch zurück und greift er in das Spiel ein, wird Indutiomarus ihn persönlich richten.


    Was sagst du dazu?"

  • Halvor zog seinen eigenen Mantel enger um sich und lauschte den Worten seines Sohnes. Er ließ sich etwas Zeit mit der Antwort, denn er wollte die Worte von Dalibor genau abwägen.


    "Keine Mitgift, dass klingt im ersten Moment wie ein Schlag ins Gesicht. Allerdings gewährte Dir Indutiomarus seine Zustimmung, bezüglich Arbogast. Hier könnte man fragen, ist der Fürst des Hauses Hohenfelde am Ende froh, Arbogast kostengünstig entsorgt zu haben ohne selbst einschreiten zu müssen? Oder sind die Besitztümer von Arbogast einer Mitgift würdig?


    Sollte Indutiomarus froh sein, dass Arbogast sein Haus verlässt, wäre die Frage weshalb. Möglicherweise liegt das Verschulden nicht bei Arbogast. In dem Falle hat Indutiomarus mit einen Gewinn erzielt und wir ebenso. Er verzichtet auf eine unliebsame Person und wir gewinnen einen fähigen Magier. Die tatsächlichen Beweggründe für seine Entscheidung, wird er uns wohl kaum mitteilen. Oder hat er sie begründet Dalibor?


    Seine Zustimmung ist für mich maßgeblich. Arbogast verlässt das Haus Hohenfelde mit der Zustimmung seines Vaters.


    Nun die nächste, für mich fast noch bedeutsamere Frage. Möchtest Du diesen Mann tatsächlich als Deinen Ehemann annehmen? Bevor Du antwortest Dalibor, einige Denkanstöße. Solltest Du Arbogast heiraten, ist er Dir unterstellt. Er ist angeheiratet und ab dem Tag ein Eibenberg. Er hat sich Dir zu fügen und ich denke das wird er. Du wirst ihn lehren müssen, was es heißt ein Eibenberg zu sein. Bevor er eine falsche Entscheidung trifft, trifft er hier keine. Das wissen wir beide. Er wird ab heute seine Fähigkeiten seinem neuen Haus voll zur Verfügung stellen. Und da er ein Eibenberg ist, wird er uns alles sagen, was er über Hohenfelde weiß.


    Und nun einige private Fragen Dalibor. Bist Du bereit mit diesem Mann Tisch und Bett zu teilen? Ist er Dir soweit sympatisch? Solche Dinge gehören auch zu einem Geschäft, auch wenn es viele abstreiten würden. Aber ein Geschäft, zu dem man sich zwingen muss ist eines was einem teuer zu stehen kommt.


    Wie steht es um Dich mein Sohn?", fragte Halvor und Dalibor spürte, dass sein Vater ihn nicht nur als Familienoberhaupt fragte, sondern auch als sein Vater. Gleich wie es andere Häuser handhabten, gleich was andere von Halvor hielten, seine Söhne lagen ihm am Herzen und er wäre ein grauenvoller Eibenberg, würde er sein Sohn in ein Verlustgeschäft laufen lassen.

  • "Das Bett? Die Aussage verwirrt mich, Vater. Schließlich würde ich diesen Mann nicht ehelichen, um mit ihm Nachkommen zu zeugen! Dies würde entweder von erschreckender Bildungsferne künden oder von erschreckenden magischen Fähigkeiten meinerseits. Noch ist es keinem Sterblichen möglich, neues Leben außerhalb eines weiblichen Schoßes zu zeugen.


    Vielmehr erwog ich die Ehe aufgrund des mitspielenden Nutzens, der Phylakterien und seines alchemistischen Geschicks wegen. Dass diese Ehe einen politischen Nutzen hätte, wie zunächst gedacht, muss ich inzwischen leider negieren. Du hast ja gehört, wie Indutiomarus zu der Sache steht.


    Die Frage, warum Indutiomarus mir die Hand seines Sohnes gewährt, beantwortete er mir nicht. Er erklärte mir nur ihre tödliche Tradition. Arbogast erbat auf diese Weise Gnade von seinem Vater und dieser gewährte sie ihm, obgleich dies der Tradition widerspricht. Die Gründe dafür beließ er jedoch im Dunkeln."


    Er öffnete hilflos die Hände. Ihn hätte die Antwort gleichsam interessiert.

  • Halvor schaute seinem Sohn in die Augen und ein winziges Schmunzeln umspielte die Lippen von Dals Vater.


    "Dalibor, dass Du keinen Humunkulus schaffen wirst auf welche Art auch immer, dass ist mir bewusst. Ich frage Dich einmal etwas deutlicher, damit wir uns verstehen. Möchtest Du mit diesem Mann den Akt und die Ehe vollziehen? Möchtest Du mit diesem Mann in einer Partnerschaft leben? Oder möchtest Du mit diesem Mann in einem Bund der Freundschaft leben? Was schwebt Dir vor? Ich möchte, dass Du Dir Deiner Sache sicher bist und dass Du Dich mit Arbogast an Deiner Seite wohlfühlst. Arbogast Dalibor ist für mich im Moment nicht einmal zweitrangig. Er ist ohne Belang. Du bist mein Sohn Dalibor, Dir soll es gut gehen.


    Arbogast samt seiner Fähigkeiten wird für unser Haus eine Bereicherung sein, aber nicht zum Preis eines meiner Kinder. In einer Welt in der alles käuflich ist, gibt es wenige Kleinode die unverkäuflich sind Dalibor. Es sind wenige, extrem seltene Schätze und einer davon bist Du. Aus diesem Grund möchte ich, dass Du Dir Deine Entscheidung gut überlegst und mich an Deinen Gedanken teilhaben lässt.


    Nimmst Du ihn zum Mann, ist Arbogast untrennbar mit Dir verbunden als Dein Ehemann. Er wird diesen Bund sehr ernst nehmen Dalibor, denn Du bist mit Deinem Ja-Wort sein Lebensretter. Unser Haus wird sein Schutz sein, er wird einer von uns werden Dal. Also mein Sohn, was möchtest Du? Was schwebt Dir vor.


    Die Gründe von Indutiomarus hätten mich ebenfalls interessiert. Er scheint Dir sehr gewogen gewesen zu sein, da er Dir die Tradition seines Hauses erläuterte. Möglicherweise war er schlicht froh, es mit einem so erfrischend analytischen Verstand wie dem Deinen zu tun zu haben", antwortete Halvor und leutete nach einem Tee für sie beide.

  • "Nun, Arbogast wünschte sich einen Traum, in dem wir in Freundschaft miteinander verheiratet sind. Diesen Traum, den ich für ihn flocht, fand ich durchaus erbaulich. Folglich könnte ich mir eben dies vorstellen, eine Ehe in freundschaftlicher Verbundenheit einzugehen. Ob einst Liebe daraus werden wird, vermag ich nicht zu sagen, halte dies aber auch nicht für notwendig.


    Mit der Aussicht auf eine Ehe, die des Zweckes wegen eingegangen wurde, habe ich mich von kleinauf arrangiert, Vater. Umso mehr überrascht mich, dass du nun in solchen Worten sprichst. Sie verunsichern mich. Was hat deine Ansicht geändert, die Pleite mit Mutter? Oder war deine Ansicht nie eine andere?"

  • "Nein mein Sohn, nichts hat meine Sicht geändert. Eine Ehe ist ein Vertrag, ein Geschäft das zwei Parteien eingehen. Doch der Zweck heiligt nicht alle Mittel Dalibor. Ein Geschäft ist nur dann ein Gewinn, wenn etwas dabei für Dich herausspringt. Auch im persönlichen Bereich. Eine Ehe die Du gelinde gesagt nur ertragen kannst, ist kein Geschäft, nicht mal ein Gewinn, sie wäre eine Zumutung.


    Liebe Dalibor hat viele Gesichter, eine ehrliche Freundschaft ist eines davon. Ehrliche Freundschaft ist zum Beispiel ein sehr großer Gewinn. Eine Person an Deiner Seite auf die Du Dich verlassen kannst. Ist es das was Du Dir wünscht und auch von Arbogast bekommst, hast Du ein sehr gutes Geschäft gemacht.


    Was Deine Mutter betrifft, sie hat mich noch vorsichtiger werden lassen. Du jedoch hast sehr gut abgewägt Dalibor und Du bist ein Geschäftsmann auf den ich sehr stolz bin. Weit über das Pikunäre hinaus verstehst Du Dein Handwerk. Wenn Du diesen Mann an Deiner Seite wünscht, erteilte ich Dir zu diesem vortrefflichen Geschäftsabschluss meinen Segen Dalibor", antwortete Halvor zufrieden.

  • Halvor stand auf und fasste seinen Sohn bei den Schultern.


    "Dalibor ich glaube ich habe mich etwas zu vage, ja zu undeutlich ausgedrückt. Deshalb einmal völlig im Klartext.

    Bekommst Du mit Arbogast einen absoluten Verbündeten und möchtest Du das auch, dann nur zu mein Sohn. Andernfalls meine Frage, wozu möchtest Du diesen Mann dauerhaft durch eine Eheschließung an der Hacke haben? Wozu Dich rumärgern, den Kerl durchfüttern, für den Burschen auch noch einstehen?


    Möchtest Du ihn ständig an der Hacke? Und hast Du ihn dort gerne, weil ihr Freunde seid? Perfekt. Wenn nicht gibt Arbogast ohne Haus einen Job bei uns und gut ist es. Das wollte ich Dir gesagt haben", erklärte Halvor, während der Leibdiener von ihm herbei eilte und Vater wie auch Sohn einen frischen Tee hinstellte. Natürlich ohne Zucker und ohne Milch, am Abend war so etwas nur Verschwendung.

  • "Noch sind wir keine Freunde, dafür kennen wir uns zu kurz", antwortete Dalibor freundlich. "Ich schätze die Situation so ein, dass wir Freunde werden könnten. In erster Linie möchte ich ihn mit seinen Fähigkeiten an unser Haus gebunden wissen. Ob er seines tatsächlich verlassen wird auch ohne die Ehe, wage ich zu bezweifeln. Indutiomarus hat ihn weder entadelt noch verstoßen. Er gab ihn frei zum Zwecke der Ehe."

  • Halvor nickte zustimmend und nippte an seinem Tee.


    "Du handelst besonnen, aber Du weißt was ich Dir damit sagen wollte Dalibor. Vermutlich wird er sein Haus ohne Ehe nicht verlassen. Er wäre töricht dies zu tun. Nur ein neues Haus lässt ihn seine alte Herkunft wirklich abstreifen. Trägt er unseren Namen ist er an uns gebunden, samt allem was dazu gehört. Ach und Dal, all sein Besitz bedeutet auch all seine Bücher und Aufzeichnungen. Ich weiß, dass ich Dir so etwas nicht sagen muss. Aber Du erinnerst bitte Arbogast daran, nicht dass er etwas in seinem alten Heim zurücklässt, was ab dato den Eibenbergs gehört.


    Arbogast wird nicht grundlos Dir den Hof gemacht haben. Er wird sicher nicht auf Dich verzichten wollen. Du entstammst aus einem guten Haus, dem besten auf ganz Asa Karane. Das Blut von Gerissenheit zweier vortrefflicher Händler fließt durch Deine Adern. Sollte jemand fähig, clever und schlau genug sein, durch die wirren Zeiten zu steuern und dabei noch Gewinn für sein Haus herauszuschlagen Dalibor, dann ist es das unsere. Arbogast wählte weise mit unserem Haus. Er weiß was er an Dir hat, keiner verkörpert das Blut der Eiben und er Wittelspitz so offen wie Du. Freundschaft wünsche ich Dir, dies ist etwas dass Du besitzen sollst mein Sohn. Trink von Tee, ehe er kalt wird", sagte Halvor und trank ebenfalls noch einen Schluck.


    Er stellte die Tasse beiseite, stand auf und reichte Dal ein kleines Buch.


    "Vermerke alles, was sich in den Gemächern und im Besitz von Arbogast befindet. Und überprüfe bitte ebenso, ob sich hier alles einfindet", sagte Halvor und legte Dalibor das Buch neben seine Teetasse. Eibenbergs waren gewissenhafte Buchführer, dass waren sie stets gewesen und daran würde sich auch nichts ändern. Sein Sohn wusste die Geste zu deuten, sein Vater sorgte sich darum, dass man ihm nichts vorenthielt.