Kapitel 13 - Sicomoro

  • Sicomoro

    Jahr 207 nach der Asche. Lehen Sicomoro, Ledwick.


    Der alternde Admirale saß im Schneidersitz unter dem umgekehrten Schiffsrumpf, der als Dach diente. Es handelte sich um ein versenktes ledwicker Kriegsschiff, das man wieder hervorgezogen und in eine Gedenkstätte verwandelt hatte. Durch das Loch im Rumpf fiel der Lichtstrahl auf den einsamen Mann. Dürr und sehnig, wie er da saß, spürte er dennoch jedes Jahr in seinen Knochen.


    Sandro gedachte der Gefallenen, betete für die Sicherheit seiner Männer und den Wohlstand seines Lehens. Für sich selbst hatte er keine Wünsche mehr. Dunkel schwappte das Wasser des Sumpfes gegen die gemauerten Plattform. Seine Oltremarini hatten diese Gedänkstätte für ihre gefallenen Kameraden errichtet. Zahlreiche kleine Windflöten und Klangspiele sangen und klimperten im warmen Sommerwind. Auch er hatte eines mitgebracht.


    Marchese Sandro di Sicomoro ließ die Gedanken kreisen wie den Kormoran.


    Er hatte sich nach dem Krieg mit seinen Veteranen in seinem zerstörten Lehen verschanzt, die im Krieg gefallenen Männer mit fremdländischen Söldnern aufgestockt. Nun war Sicomoro das einzige Lehen mit einem Männerüberschuss. Innerhalb seines Territoriums erhielt der Marchese Recht und Ordnung mithilfe der vielen Männer penibel aufrecht. Viele starke Hände bauten das Lehen wieder auf, schaufelten die Wasserstraßen frei und bauten neue Baumhäuser, Stege und Hängebrücken. Alles verhielt sich vorbildlich.


    Doch an den Grenzen endete sein Tatendrang und alle Wasserstraßen führten im Kreis.


    Wovor er zurückscheute, war der Kontakt zur Außenwelt und die vielen ehemaligen Söldner mit ihren Dialekten aus aller Welt waren bei den Nachbarn umgekehrt nicht zwangsläufig beliebt. Und so isolierte das Lehen sich nach und nach immer weiter selbst, denn die Außenwelt bot wenig, was lockte. Viele Veteranen fanden keine Frau und wandten sich einander zu, um das Leben nach dem Dienst nicht allein verbringen zu müssen, oder kehrten freiwillig zu den Streitkräften zurück, nun als ledwicker Bürger unter verbesserten Bedingungen. Manch einer wurde nach einigen Jahren für seine Verdienste für die Erhebung zum Cavaliere vorgeschlagen, manch einer tatsächlich vom Duca geadelt und erhielt eine Scholle - in Sicomoro.


    Ein weiter Kreis, den Sandro geschaffen hatte. Alle Wege führten zurück zur Quelle, unter die Schwingen des Kormorans, zurück zu ihm.


    Die Oltremarini waren zweifelsohne die größten Nutznießer des Krieges, auch wenn sie, wie alle Einheiten, hohe Verluste erlitten hatten. Sie hatten sich ihren Lohn mit Blut und Fleiß verdient, es waren gute Männer, ganz gleich, was andere sagten. Doch der alte Admirale spürte auch, dass die Isolation einen innerlichen Wandel seines Lehens bewirkte, der über das Offensichtliche hinausging.


    Waren sie noch ein Teil von Ledwick?


    Sandro hob mit geschlossenen Augen den Kopf, spürte die Sonnenstrahlen in seinem Gesicht.