Beiträge von Schrulla die Zwiebelhex

    Die Zwiebelhex hatte ihre Döschen wieder in ihren unzähligen Taschen verstaut und wollte sich gerade von ihrem Patienten abwenden, als dieser doch noch ein Anliegen vorbrachte. Also doch ein Liebestrank! Oder vielleicht ein Mittel für die Potenz?
    Als er ihr jedoch sein Begehren offenbarte, leuchteten ihre grünen Augen vor Interesse auf.
    „Ein Fluch Rakshors sagste? Erzähl mir alles davon! Bist du ihm begegnet? Hat er zu dir gesprochn? Und was fürn Fluch ist dies?“
    Gespannt hörte sie sich seine Worte an.
    „Nicht so zögerlich, ich kann net helfen, wenn ich nix drüber weiss!“
    Schliesslich hatte sie genug erfahren. Was für ein Mordskerl dieser Rakshor doch war! Ein solcher Streich konnte nur ihm einfallen!
    Schrulla war begeistert von seinem Einfall und konnte sich ein schadenfreudiges Grinsen nicht verkneifen.
    Zu allem Überfluss erklärte sie dann dem armen Dimicus auch noch, dass sie nicht ohne Weiteres in der Lage war, diesen Fluch zu brechen. Dass sie auch nicht vorhatte, einen Fluch ihrer Gottheit aufzuheben, rieb sie dem aufgebrachten Mann indessen nicht unter die Nase. Doch vielleicht konnte er es auch ahnen, denn er blickte sie ziemlich misstrauisch an.


    „Ein Magier 5. Grades wär dazu vielleicht in der Lage“, mutmasste sie schliesslich, „doch auch dies ist nicht gesagt. Aber mein Wissen dazu ist begrenzt. Ich hab mich nie an Büchern ergötzt. Mein Wissen und Können hab ich durch langjährige Erfahrungen erworbn. Ich bin mir aber auch net sicher, ob ein göttlicher Fluch ohne göttliches Wohlwolln aufgehobn werdn kann. Das müsst ihr wohl selbst rausfindn.“
    Das zweite Anliegen entsprach hingegen schon eher ihrem Fertigkeitsstand.
    „Da kann ich womöglich aushelfen“, erklärte sie Dimicus schliesslich.
    „Ich muss die junge Frau jedoch im Vorneherein untersuchn, um zu sehn, ob es wirklich nur an ihrer Tiergestalt liegt, oder ob es körperlicher Natur ist. Wird die Taubheit durch Magie, und dazu gehörn Gestaltwandlungen, ausgelöst, kann ich mit nem Artefakt gegenwirkn. Ansonsten net. Und ich brauch von jeder ihrer Gestaltn n Büschel Haar! Sonst kann ich den Zauber net auf das Artefakt bannen. Was mich zum Artefakt bringt. Ich benötige dafür einen mächtign Gegenstand. Also bitte komm mir net mit nem Suppenlöffl an, ausser er hat für deine Traute ne wirklich wichtige Bedeutung…“


    „Was die Bezahlung angeht. Ich verlang die Überbleibsel Rakshors für mich behaltn zu können. Ich werd sie mit Vorliebe untersuchn. Vielleicht kann ich euch dann ja auch mit eurem Fluch helfn, wer weiss. Und ich verlange, dass ich die Dienste des Rosendämons in Anspruch nehmn kann, sollte es einmal nötig sein.“
    Schliesslich hatte sie ihren Kram zusammengepackt.
    „Eine Überraschung, ja? Nun gut, ich wird schon n Grund für ne Untersuchung des Mädels findn. Kümmere du dich um die Haarbüschl!“
    „In ner Woche bin ich zurück, um nach dir zu sehn. Vergiss net, die Salbe einzuschmiern! Oh und bevor ichs vergess“, von ihrer Halskette klaubte sie eine Zwiebel weg, und platzierte sie auf dem Boden. Einen Moment lag sie ruhig da, doch schon kurz darauf bekam das Wesen Beine und verzog sich unter den Tisch.
    „Wie gesagt, die Ausdünstungn werdn dir gut tun, Jüngling!“, im nächsten Moment humpelte sie auch schon davon und die Tür schlug mit einem lauten Knall ins Schloss.

    „Was glotzt du denn so? Bist wohl noch net weit gekommn in deinem Lebn, wenn du noch nie ne alte Hex gesehn hast“, pflaumte sie ihn an, als sie seinen musternden Blick bemerkte.
    „Ich hab schon viel gesehn. Mich wirft so schnell nix mehr aus der Bahn. Hab in jungn Jahrn viele Länder bereist mit meinem Mausezähnchn. Und sogar bei ner Expedition war ich dabei! Doch die ist fehlgeschlagn. Bei den ganzn Waschlappn auch kein Wunder. Ne alte Frau wie mich habn sie einfach verletzt zurückgelassn“, ihre Augen funkelten zornig bei dem Gedanken an die Stunden alleine in dem düsteren Stollen.
    „Zum Glück wurd mir dann doch noch Hilfe zuteil. Von nem unterirdischen Bewohner. N feiner Kerl, wenn auch etwas kurlig. Und wie froh war ich erst, als ich sogar mein Mausezähnchn wieder gefundn hab, nachdem ich ausm Stollen raus war!“, beim Gedanken an ihre geliebte Hyäne zuckten ihre Mundwinkel zu einem liebevollen Lächeln.


    „So, genug geredet!“, sie trat an ihren Patienten heran und betrachtete ihn erst einmal von oben bis unten.
    „Da ist ja nicht grad viel Fleisch auf den Knochn. Solltest dir n andren Beruf suchn. So wirst du kein Weib findn. Aber hab von Shazem gehört, es gäbe da schon eine. Sie hät dich im Nullkomanix um den Finger gewickelt! Aber warts ab, sobalds um Familienplanung geht, wird sie sich n andren suchn. Wie sollst du denn die hungrign Mäuler der Bälger stopfn, wenn du nicht mal dich selber richtig durchfüttern kannst?!“
    Schliesslich verlangte sie von ihm die Zunge herauszustrecken, die Arme zu heben, klopfte ihm mit ihrem Stock auf die Knie und wollte sehen, ob er einen Purzelbaum vollführen konnte.
    Letzteres verweigerte Dimicus, was Schrulla mit einem Grinsen quittierte: „Schade, das hät ich gern gesehn!“


    Dann kam sie wieder näher gehumpelt und betrachtete mit ernster Miene seinen Hals und Nacken.
    „Du hast Glück gehabt Jungchn. Das hät auch schlimm für dich ausgehn können.“
    Ihre dünnen Finger berührten seinen Nacken und sie drückte an einigen Stellen ohne Rücksicht herum, was ihren Patienten zusammenzucken liess.
    „Gut, gut. Ich geb dir ne Salbe, die du drauf schmiern musst. Ausserdem bekommste n Trank, den du täglich zu dir nimmst! Er soll dich bissl aufpäppeln. Sind gedünstete Zwiebln drin. Gut gegn Krankheitn. Und spendn Energie. Du bist geschwächt, drum wird’s dir gut tun!“
    „Achja, jetzt hab ich so viel geredet. Kannst du noch was brauchn Kleiner? Vielleicht n Liebestrank für dein Mädl? Es wird sie länger an dich bindn. Ausserdem verkauf ich auch Amulette und andre Artefakte. Ich kann fast jedn Zauber dranbindn, wenn du mir nur n mächtiges Artefakt bringst.“

    Noch bevor die Tür hinter ihr ins Schloss fiel, kullerte eine Spinne durch den Spalt. Ihre giftgrünen Augen blickten sich neugierig um und suchten einen geeigneten Platz, um auf mögliche Beute zu lauern. Dann wuselte sie jedoch plötzlich abrupt unter das nahe Bett, gerade noch rechtzeitig, bevor die Türe schwungvoll geöffnet wurde und eine gebückte Gestalt im Türrahmen erschien.
    «Hach, hier ist es ja noch Nacht in diesm muffign Loch, was sich Schlafkammer nennt! Und da soll jemand sich erholn können? Das ist doch nicht passabl! Aber auf mich hört hier ja keiner. Lausig, lausig!», krächzte die Stimme und durchdrang die angenehme Stille.
    «Aber gut, man muss wohl nehmn, was man bekommt. Immerhin werd ich gut bezahlt…», brummte sie, zuckelte dann durchs Zimmer, ruckte Gegenstände zurecht und räumte herumliegende Kleidungsstücke auf den Stuhl.
    Ihren Patienten hatte sie noch keines Blickes gewürdigt, denn erst einmal wollte sie die Räumlichkeiten ihren Bedürfnissen anpassen.
    «Aaah, du hast dich schon häuslich hier eingerichtet, mein kleines Zwieblspinnchen», gurrte sie der neugierigen Spinne unterm Bett zu.
    «Ich werd noch einige von deinen Artgenossn hier einschleusen. Eure Ausdünstungen sind gut gegn jedes Wehwehchn und im Suppentopf macht ihr euch auch ganz grossartig!»
    Erst dann widmete sie sich Dimicus, der inzwischen ziemlich wach aussah.
    «Ich werd dich gleich Mal untersuchn. Zieh dich am bestn aus, damit ich auch nix überseh. Nur keine Scheu, ich hab schon viele Mannsbilder aus der Nähe gesehn», befahl sie ihm mit einem schiefen Grinsen.
    «Nur damit dus weisst, ich bin auf Anordnung von deinem Freund hier. Er bezahlt mich dafür, dass du rasch gesund wirst und dich erholst. Und jetzt husch husch, ich hab net den ganzn Tag Zeit!»

    Die Alte schüttelte verärgert den Kopf. Hatte sie dem Tiefling nicht eben noch gesagt, dass die Kastanien keine dreckigen Finger mochten? Direkt nach einem Kampf konnte er doch nicht erwarten, dass seine Pfoten wie geschmirgelt glänzten!
    Sein Rumgepoltere beeindruckte das Weibchen nicht im Geringsten. Natürlich würde sie ihm zeigen, wie man sich von den scharfen Zähnchen befreien konnte, doch nicht in diesem Ton.
    Tatsächlich schien sich Leviathan auf seine Höflichkeit zu besinnen, denn er sprach sie nun tatsächlich mit gnädiges Fräulein an!
    Jetzt musste sie doch grinsen. So wenige Runzeln hatte sie nun auch nicht…


    „Jüngling, dieses Problem hast dir selbst eingehandelt! Hättest bloss auf die Alte hörn müssn. Aber ihr Jungen wissts ja immr bessr! Sei froh, dass ich nich nachtragnd bin.“
    Sie winkte ihn näher zu sich heran, so dass er sich bücken musste um auf ihrer Höhe zu sein.
    „Und nu pass gut auf!“, mahnte sie, während sie zuerst ihre Hände demonstrativ an ihren Unterröcken abwischte, bevor sie anfing, die bissigen Kastanien an der Unterseite zu kraulen. Zuerst begannen sie sich zu winden, als würden sie dem kitzelnden Finger ausweichen wollen, doch dann… mit einem „Plop“, liessen sie von Leviathans Klauen ab.
    Spitze Zähnchen hatten Abdrücke hinterlassen und aus manchen quollen gar einige Tröpfchen Blut hervor.
    „Brauchst du n Pflastr?“, grinste sie ihn mit ihrer Zahnlücke an, bevor sie sich von ihrem Hocker erhob und diesem befahl, ihr zu folgen, während sie auf den Eingang ins Erdreich zuhumpelte, wo die anderen bereits im Gänsemarsch verschwanden.

    Schrulla hatte sich noch eine Zeit lang am Rande herumgelümmelt, nachdem der Kampf zu Ende war. Sie hatte die Düsterlinge beobachtet, welche wie räudige Köter übereinander hergefallen waren und auch einige der anderen Expeditionsteilnehmer hatten sich keinen Deut besser verhalten.
    Sie störte sich kaum daran, war dies doch sehr kurzweilig.
    Ihr Mausezähnchen schnappte nach jedem, der ihnen beiden zu nahekam und so konnte sie aus sicherer Entfernung alles beobachten.


    Ihre Augen verengten sich unwillig als sie zufällig mitbekam, wie Leviathan mit dem Düsterling verfuhr.
    Hatte er ihn getötet? War er der Mörder, vor dem Mummenschanz sie alle gewarnt hatte?
    Plötzlich, als hätte er ihre Gedanken erraten, wandte er sich um und sein dunkler Blick traf den ihren. Unwillkürlich spürte sie einen unangenehmen Schauer über ihren Rücken laufen. Obwohl auch Schrulla immer wieder zu etwas gewöhnungsbedürftigen Mitteln griff, um ihre Schadenfreude zu sättigen, war sie doch nicht bereit, unnötig ein Leben zu verschwenden.
    Natürlich gab es Situationen, wo es solcher Massnahmen bedurfte… und mit ein wenig Gift oder dem richtigen Zauber auf einem Amulett liess sich so etwas unauffällig einrichten.
    Leblos baumelte der kleinere Körper über seiner Schulter, als er ihr entgegen schritt. Weit kam er jedoch nicht, denn die Düsterlinge hatten seine Tat bemerkt und stürzten sich wie eine wilde Horde von Affen auf den Tiefling.
    Schrulla schüttelte den Kopf. So würden sie niemals ihr Ziel erreichen.


    Derselben Meinung schien auch der Expeditionsleiter zu sein.
    Während er seine Meute zur Ruhe mahnte und Leviathan die Leviten las, entdeckte die Zwiebelhex den Jüngling Farrinur. Auch er schien einen Kampf auszufechten. Einige Düsterlingsweibchen feuerten die beiden Kontrahenten an, sprangen jedoch geistesgegenwärtig auseinander, als eine Stichflamme auf sie zuschoss.
    Fasziniert beobachtete Schrulla, wie das Feuer sich in dem dunklen Mantel verfing. Es war hungrig, und frass sich schnell durch den Stoff, Rauch stieg auf und zog schliesslich die Aufmerksamkeit der anderen auf sich.
    Die Alte konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen, als der Herr Expeditionsleiter begann zu fluchen und wild herumzufuchteln. Wie schon so oft, war er kurz darauf verschwunden, doch die aufmerksamen Augen der Hex hatten seine seltsam anmutende Haut gesehen, die er so verborgen hielt.


    Während Firxas die Truppe aufforderte alles zusammenzupacken und sie sich zum Aufbruch vorbereiteten, verarztete Schrulla zusammen mit Tatterwatter Wunden. Sie hatte immer Salben und Tinkturen dabei und in der Zeit hier im Wald war sie auch nicht untätig gewesen. Auf dem Weg hatte sie einige Heilpflanzen eingesammelt, welche nun ihre Wirkung entfalten konnten.


    Als alle ihren Kram endlich verpackt hatten, galt es eine Entscheidung zu treffen.
    „Mausezahn, du kannst nich mitkommn. Das is nix für alte Hyänen.“
    So lieh sich die Zwieblhex eins der zotteligen und gemütlichen Packtiere, um ihre Tränke, Salben und Kräuter nicht zurücklassen zu müssen.
    Die Zwiebelspinnen, welche jedoch zu spüren schienen, dass etwas im Gange war, lagen, purzelten oder kugelten plötzlich überall im Weg herum, oder krallten sich mit ihren langen Spinnenbeinen in den Falten der weiten Röcke der Hexe fest.


    Schrulla schien es jedoch gar nicht zu bemerken, denn sie hatte sich abseits niedergelassen, um für die Reisegruppe einige einfachere Artefakte herzustellen. Sie hatte bereits damit begonnen, als sie sich die Warterei verkürzen mussten, nach dem Erdbeben.
    So hatte sie nun ein kleines Sammelsurium beisammen, bestehend aus leuchtenden Steinen, die jedoch bei aufkommender Angst des Besitzers zu flackern begannen.
    Beissende Kastanien, welche man zwischen den eigenen Habseligkeiten verteilen konnte, um unerwünschte Langfinger fernzuhalten. Ein nie endendes Seil, das bei Berührungen aber eine stinkende Ausdünstung von sich gab, sowie Murmeln, die ein lautes Piepen ausstiessen, sobald die wachhabende Person einzuschlafen drohte.


    Leviathan warf sie den Beutel mit den Kastanien zu, da er offensichtlich so besorgt um sein Eigentum war.
    „Vielleicht hast du Verwendung dafür. Aber sei vorsichtig, sie mögn keine schmutzign Finger.“
    Die Steine verteilte sie unter allen Teilnehmern ausser den Düsterlingen, da diese mit guter Nachtsicht gesegnet waren.
    Das Seil war auf einem der Lasttiere griffbereit verstaut, und die Murmeln hielt sie für die erste Wache bereit.
    Zuletzt wandte sie sich ihrem neusten Artefakt zu, einem dreibeinigen Holzschemel, der bereits arg mitgenommen aussah von den unzähligen Reisen.
    „Und du wirst dich immr für meinen müdn Hintern bereitstelln!“
    Der Hocker vollführte eine ungelenke Verbeugung, bevor er Schrulla in einigem Abstand hinterherdackelte.
    Es konnte losgehen!

    Während die Männer arbeiteten, hatte sich Schrulla zu Lacrima gesellt.
    „Na wie gefällts unsrer edlen Dame mittn im Urwald unter Dämonen? Ich muss schon sagn, mir behagt ihre Gesellschaft. Es wird wohl nie langweilig werdn. Wobei mich schon interessiern würd, wer die Mordtat begannen hat.“
    Die Hexe warf der Lady einen musternden Blick zu. Sie hatte sie am letzten Abend beobachtet. Zum ersten Mal hatte sie gesehen, wie die Frau ihre Kapuze zurückgestreift und ihre Haare zum Vorschein gebracht hatte. Sie war schön, das musste selbst Schrulla zugeben. Kein Wunder, dass der junge Farisin so vernarrt in sie war. Die Hexe war gespannt darauf, wann ihr Amulett seine Wirkung auch bei der vornehmen Lacrima entfalten würde. Bei den niederen Kreaturen schien es ja bereits einen Effekt zu erzielen.
    "Habt Ihr Albenblut in Euren Adern?", fragte sie schliesslich rundheraus.
    Dafür sprach die helle Haut, welche bei diesem Volk oft üblich war.

    Noch während Schrulla im Anblick des Neulings schwelgte, einem dunkelhäutigen Tiefling mit ausnehmend rubinroten Augen und kräftigen Widderhörnern, dessen Schweif in einer speerähnlichen Spitze verlief, begann der Boden unter ihren Füssen zu beben.
    Die alte Hex war nimmer allzu gut auf den Beinen, weshalb sie aus dem Gleichgewicht kam und sich erst im letzten Moment noch am Arm Leviathans auffangen konnte, der zuvor an ihre Seite getreten war. In dem allgemeinen Durcheinander schien niemand ihre Schwäche bemerkt zu haben und sie nickte ihrem spontanen Helfer kurz zu.


    Stattdessen begann nun der Düsterling, den man ihnen als unterirdischen Kundschafter zur Seite gestellt hatte, wild in einem kratzigen Kauderwelsch zu lamentieren.
    Schwach meinte Schrulla sich daran zu erinnern, dass dies wohl Demonai sein musste, die Sprache der Dämonen.
    Sofort schenkte sie dem tiefschwarzen Kerl ihre Aufmerksamkeit. Die Staubkriecher waren ja ganz unterhaltsam, doch dieses Exemplar versprach noch weit interessanter zu sein.
    Die Gruppe gefiel ihr immer besser, die Expedition versprach spannend zu werden!


    Schrulla war nicht auf den Kopf gefallen und hatte schnell erahnt, was Terc ihnen mitteilen wollte. Sie schnaubte zufrieden. Es kam ihr gerade recht, wenn sie noch nicht gleich aufbrachen. Gerne gönnte sie ihren Knochen noch eine etwas längere Pause, denn sie spürte bereits wieder ihr Kreuz, das zwickte und zwackte und auch der Ansatz ihrer stumpfen Hörnchen juckte zwischen ihren dunkelgrauen Haaren, was meist nix Gutes verheissen konnte.
    „Der da will uns sagn, dass die Pläne unsres Mummenschanz durchkreuzt wurdn“, krächzte sie deshalb in die Richtung der Reisetruppe.
    „Es wär bestimmt nich schlecht, wenn sich zwei odr drei die Sach genauer ansehn würdn. Vielleicht kann bissel Mannskraft den verschüttetn Eingang behebn?“, ihre Augen blieben dabei an Ragosh, Firxas und Terc hängen, welche alle drei einen kräftigen Eindruck machten.


    Sie achtete nicht weiter darauf, ob die anderen auf ihren Vorschlag eingingen. Stattdessen raunzte sie Farrinur zu: „Na komm Jüngelchn, wir habn noch was zu besprechn. Keine Angst“, beruhigte sie ihn mit einem hinterhältigen Grinsen, als sie erkannte, wie sein Blick verunsichert zwischen Leviathan und Lacrima hin und her huschte, „bald wird sie nur noch Augn für dich habn!“

    Schrulla und Farrinur hatten sich je ein anderes Bild von der Situation gemacht. Während Farrinur mit dem Ork möglichst nichts zu tun haben wollte und die Aussage von der Lady gar nicht für so abwegig hielt, musterte die alte Zwiebelhex die Jüngere mit berechnendem Blick. Irgendwie traute sie diesem hochnäsigen Ding nicht über den Weg. Etwas verbarg sie vor den Reisegefährten, doch Schrulla war noch nicht dahintergekommen, worum es sich handelte.
    Obwohl der Ork Potential zum Töten bot, glaubte sie nicht vollständig an seine Schuld.
    So viel sie mitbekommen hatte bei ihrem nächtlichen Rundgang durch die Dorfanlage, hatte er sich mit den Düsterlingen besoffen und danach geschlafen wie ein Stein. Wo die Lady jedoch abgeblieben war des Nachts konnte Schrulla bloss vermuten.


    Ragosh schaffte es jedoch auf Ork-Art, die Düsterlinge auf seine Seite zu ziehen, was ihm ein Grinsen seitens der Hexe einbrachte. Ihr Blick glitt zu Farrinur hinüber, der sich inzwischen an ihre Seite gesellt hatte. Schrulla vermutete, dass ihn sein Anstand dazu trieb, denn immer wieder glitt sein suchender Blick zu Lacrima hinüber.
    „Na Bürschchn, knackiges Weib, die Lady da drübn. Aber nimm Dich in Acht, die hat bestimmt schon ganz andre Mannsbilder kleingekriegt!“
    Die junge Rothaut lief dunkel an im Gesicht und starrte Schrulla trotzig an. Er erinnerte sie an einen naiven Jungen. Doch das mochte wohl an ihrem eigenen Alter und der Erfahrung liegen.


    „Schau nich so Kleiner. Lass dir von ner altn Hex helfn. Ich kann dir n Amulett herstelln, damit die Weiblichkeit sich nach Dir sehnt!“
    Farrinurs Blick blieb misstrauisch, doch gleichzeitig sah sie ein neugieriges Funkeln in seinen Augen aufblitzen.
    Ja, da hatte sie ihn wohl an der Angel!
    „Kannst du das wirklich, oder ist das blosser Firlefanz?“, er musterte sie mit leichtem Unbehagen.
    Entrüstet plusterte sich die Hex auf.
    „Natürlich kann ich das! Ich werd ja nicht umsonst Zwieblhex genannt Bürschchn. Und ich erwart ne Gegenleistung für solch n wertvolles Stück. Du musst dich nur bis zum nächstn Vollmond geduldn. Seine Energie wird der Magie mehr Kraft verleihn.“
    Schrulla grinste.
    Oh ja, sie würde ihm ein solches Amulett erstellen… und er würde sich nicht mehr retten können, vor weiblicher Aufmerksamkeit!

    Gegen Ende des Weges hatte Schrulla zu Fuss gehen müssen, zu eng war der Pfad, der keiner war.
    Als sie die Düsterlinge erblickte, stahl sich ein Lächeln auf ihre Lippen. Dieses Lager war ganz nach ihrem Geschmack. Dämonen soweit das Auge reichte.
    Sie hatte keine Mühe damit, sich ihr kleines Lager einzurichten. Danach suchte sie sofort den Kontakt zu ihren Gastgebern.


    Als morgens die Sonne aufging, sass die Zwiebelhex bereits mit drei Düsterlingen zusammen und schlürfte Schnaps. Sie hatten sich darum gestritten, wer den besseren Alkohol herstellte, weshalb die Düsterlinge nun ihren Zwiebelschnaps kosteten, während die Alte wiederum von deren Gesöff probierte.


    Sie waren noch auf keinen Nenner gelangt, als sich plötzlich ein bekanntes Gesicht vor ihnen aufbaute. Schrulla staunte nicht schlecht, als Ragosh vor ihr stand. Er schien überhaupt nicht mehr aus blossem Stein zu bestehen, sondern aus Fleisch und Blut.
    „Wo sind wir hier!“, grunzte er da auch schon sein charmantes guten Morgen.
    „Das wüsst ich nur allzu gern“, antwortete sie, während ihr Blick an seinen imposanten Hauern hängen blieb. Sie konnte verstehen, was ihre Mutter an den Kerlen fasziniert hatte, doch Schrulla selbst empfand Tieflinge noch als weitaus interessanter, da sie ihrer Meinung nach nicht nur aus Muskelmasse sondern auch aus Köpfchen bestanden. Trotzdem durfte frau ja schauen.


    „Ich schätz, des is der Stützpunkt, an dem wir aufn Rest unsres Trupps stossn werdn. Ich hoff wirklich, dass dem so is, denn momentan is die Gesellschaft eher lächerlich.“
    Am liebsten wäre sie aufgestanden und hätte ihn genauer untersucht, da er den Zauber scheinbar problemlos überstanden hatte, doch sie wollte lieber nicht so enden wie der Frostalb.
    „Sag mir Ork, was is dein Ziel auf dieser Reis? Schätze von Gold und Juweln? Ruhm und Ehr? Die „Burg“ die sie dir angeblich nachwerfn wolln? Ich hab gehört, die Kaishos suchn nach veraltetem Schrott aus vergangnen Zeitn…“


    Während sie dies sagte, erstarrte sie. Darüber hatte sie ja noch gar nicht nachgedacht. Tatsächlich konnte sie womöglich auch einen Gewinn aus dieser Expedition gewinnen…
    Wo viel Altkram herumlag, waren vielleicht auch mächtige Artefakte vergraben!
    Und diese könnten ihr sehr viel mehr einbringen, als so ein dämlicher Steinhaufen, der sich Festung nannte.
    Zufrieden nahm sie den letzten Schluck des Düsterlings Gesöffs und lobte sich selbst für ihre Weitsicht, der seltsamen Truppe bis hierher gefolgt zu sein.

    Stein um Stein, der Kerl hatte Humor!
    Mehr als diese edle Zicke, welche Schrulla blöd angefahren hatte, weil sie Interesse für diese uralte und aussergewöhnliche Magie aufgebracht hatte.
    Keine Ahnung hatte dieses Täubchen!
    Über Farrinurs Frage, ob dieses Weib den Ork verwandelt hatte, konnte sie nur ungläubig den Kopf schütteln. Das würde die da bestimmt nicht zu Wege bringen, ganz abgesehen von sonst einem aus ihrer Expedition. Da musste mehr dahinterstecken und womöglich musste Schrulla der Lady zustimmen in der Annahme, dass es sich dabei um göttliche Magie handelte.


    Während der Beerdigung heuchelte die Zwiebelhex Mitgefühl und Trauer, während sie das Tamtam im Stillen belächelte. Trotzdem war es gut, den Körper zu verbrennen, sonst hätte er womöglich wilde Tiere angelockt. Da sie den Frostalben jedoch nicht näher kannte, genauso wenig wie all die anderen, befand sie es als überflüssig, etwas von unvergesslich zu faseln. Schrulla konnte sich nicht einmal mehr an seinen Namen erinnern und in einigen Tagen wäre er auch der Rest aus ihren Erinnerungen getilgt.


    Mummenschanz hingegen wurde ihr immer sympathischer. Bloss seine Maskerade empfand sie als lächerlich. Niemand konnte so hässlich sein, dass er seine gesamte Gestalt hinter einem Haufen Lumpen verstecken musste.
    Oder gab es dafür wohl andere Gründe?
    Schrulla durchforstete ihren Wissensschatz. Natürlich, es gab auch Wesen, welche das Licht und die Wärme nicht vertrugen. Vielleicht gehörte er zu dieser Sorte?
    Ihr war auch aufgefallen, wie schwer ihm der Name des Farisin über die Lippen gekommen war. Womöglich ein Volk mit anderem Dialekt? Oder gar ein Volk, dessen Maul nicht für den üblichen Sprachgebrauch geschaffen war?


    Während sie sich noch den Kopf darüber zerbrach, hatte sich die junge Rothaut bereits Richtung Norden gewandt.
    Schrulla musste lachen, als der Befehl kam, die Kutschte zurückzulassen.
    Ob das dem edlen Fräulein gefallen würde? Und sogar die olle Statue sollte weiterreisen!
    Inzwischen belustigte das Häufchen, das in den Mittelpunkt der Erde vordringen wollte Schrulla so sehr, dass sie sich für den Ausgang der Reise zu interessieren begann.
    Ja, sie würde wohl noch etwas bei der geselligen Truppe ausharren.


    Mit etwas Abstand ritt sie auf ihrer Hyäne den anderen beiden hinterher.
    Ein Lächeln stahl sich dabei auf ihre Lippen, als sie den Eifer des jungen Mannes beobachtete. Natürlich wäre es höflicher gewesen, sich um die alte Frau zu kümmern, als um das Täubchen. Doch Schrulla war es gewohnt, alleine zu reisen.
    Stattdessen ahnte sie, dass der junge Farisin womöglich bald ihr nächster Kunde sein würde, wenn es darum ginge, Liebestränke an den Mann zu bringen!

    Schrulla war noch mürrischer als zuvor. Dieser feige Maskenkerl wollte sie offensichtlich loswerden. Gerade, als sie mit dem Alb über ein Glücksamulett verhandelte, fuhr er dazwischen und forderte sie auf zu gehen, falls sie nicht Teil der Expedition sein wolle.
    Sie hatte ihm einen tödlichen Blick geschenkt und sich wieder ihrem Kunden widmen wollen, doch dieser hing wie ein Fisch an der Angel an dem Maskierten.
    Als dann alle ihre Zettel erhalten hatten, war er beinahe so unbemerkt verschwunden wie der Herr Expeditionsleiter.
    Verärgert wollte sie das Gekritzel bereits loswerden, ihre Neugier hinderte sie jedoch daran. Folge dem Feuer…
    Ihre giftgrünen Augen blieben an dem Farisin hängen, der stirnrunzelnd über seiner Anleitung brütete…

    Schrulla war verärgert. Sie hatte erwartet, dass diese sogenannte Expedition von der sie gelesen hatte, einen weitaus grösseren Andrang auslösen würde. Doch noch immer bestand das Duo aus dem lottrigen Frostalb, der sich nun als einfacher Gehilfe herausgestellt hatte und aus der kühlen Landgräfin.
    Vermutlich vergeudete sie hier nur ihre Zeit. Womöglich hätte sie doch dem Ruf der Kaishos folgen sollen, angeblich trudelten dort massenhaft Bewerber ein. Doch Ordnung war nicht so ihre Stärke.


    Erst als die Hyäne misstrauisch knurrte und der Maskierte plötzlich in Mitten der kleinen Gruppe auftauchte, war ihr Interesse aufs Neue geweckt.
    Seltsame Erscheinungen faszinierten sie und ungeniert liess sie den Blick über die vermummte Gestalt gleiten. Mummenschanz. Sie würde sich den Namen sowieso nicht einprägen können.
    Nachdem Lady Valerie sich vorgestellt hatte, ruhte der Blick aller Anwesenden auf Schrulla.


    „Nene, so weit kommt´s grad noch!“, winkte sie verächtlich ab.
    „Ich bin zu alt für son Schmarrn. Was soll ich unter der Erde, meine Käufer habn sich nunmal aufm Erdrückn angesiedelt!"
    Trotzdem fühlte sie sich bemüssigt, sich vorzustellen, denn sie hatte beschlossen, ihre Waren der Neuerscheinung anzupreisen.
    „Mein Name ist Schrulla. Oder auch Zwieblhex, wie Ihr wünscht. Ich würd Euch gern meine Sude und Amulette zum Kauf anbietn, werter Herr. Von Kräftigungstränkn, über Heil- und Gifttränke bis hin zu Flüssigkeitn, die Euern Orientierungssinn stärkn, ist alles vorhandn. Auch die Amulette sind net ohne! Damit könnt ihr im Dunkeln sehn, Gefahrn riechn, oder Wasserquelln aufspürn, je nach Wunsch.
    Einige einfachre Amulette hab ich immer im Sortiment, speziellere oder personenbezogne müsst ich Euch herstelln.“


    Schrulla entblösste ihr Zahnlücken Lächeln. Vieles hatte sie ihm verschwiegen, doch ihre kleinen Tricks müsste sie ihm ja nicht unter die Nase reiben. Die meisten Amulette mussten immer wieder erneuert werden, um die Magie darin zu erhalten. Nur aussergewöhnliche Artefakte vermochten den Zauber über viele Jahre in sich zu halten. Oder ein langwieriges Ritual, dafür war Schrulla jedoch nicht bereit, denn vermutlich würde sie diese Kunden sowieso niemals wiedersehen. Doch immerhin funktionierten ihre Artefakte tatsächlich und waren nicht blosse Einbildung. In jedem steckte ein Funke Magie – jedoch nie ohne gewisse Nebenwirkungen.
    Im Gegensatz zu ihren Tränken. Magie war darin keine vorhanden, doch die Zwiebelhex kannte sich mit Wirkungen von Pflanzen aus, weshalb manche Sude tatsächlich aphrodisierende oder schwächende Wirkungen besassen. Manchmal reichte aber auch schon eine Zwiebelsuppe aus, um die Leute in ihrem Aberglauben zu bestärken.


    Gerade als sie einige ihrer Amulette hervorkramen wollte, um sie dem Fremden anzupreisen, stolperte ein weiterer möglicher Interessent in die Gruppe. Prustend kam er zum Stehen und stellte sich auch gleich vor. Sein Aussehen deutete auf einen Farisin hin, doch die Hexe hielt die Klappe.
    Erstaunt bemerkte sie hingegen die Reaktion von ihrem Mausezähnchen auf den Neuankömmling. Interessiert hielt diese ihre sensible Nase in den Wind, um den Geruch des jungen Mannes aufzufangen. Das war neu. Ansonsten schnappte sie lieber nach allem, was ihr zu nahe kam.
    Auch die Zwiebelkette um ihren Hals schien in Bewegung zu geraten, wurde von Schrulla jedoch mit einem unhörbaren Befehl zur Ruhe gebracht.
    Viele Leute waren keine Liebhaber von Spinnen und die Anziehung der Hexe auf diese Wesen sollte ihr heute nicht die Kundschaft vergraulen.

    Beinahe schien es so, als könnte Schrulla riechen, wenn sich ihr eine gute Gelegenheit bot. Zufrieden trieb sie ihre alte Hyäne an, welche in einen holprigen Trott übersetzte.
    Auch wenn die Hexe immer mit gebeugtem Rücken herumlief; sobald sie auf ihrer treuen Gefährtin sass, wirkte sie stolz und erhaben wie eine Königin.


    Ihr Mausezähnchen war beinahe so gross wie ein Pferd, hatte ein zerzaustes braun-schwarz gepunktetes Fell und dunkle Augen, die jeden Fremden heimtückisch musterten. Die von Kämpfen eingerissenen Ohren und das gefährliche Gebiss rundeten den Anblick von dem rakshanischen Reittier ab. Doch das Vieh war ausdauernd, trittsicher, ein geduldiger Zuhörer und ein fabelhafter Beschützer. Und ausserdem hielt sie der Hexe die nervtötetenden Kinder vom Leib mit ihren dämlichen Fragen.
    Zufrieden tätschelte Schrulla der Hyäne den Hals, als der Galgenhügel in Sichtweite kam.


    „Bald gibt’s wieder was zu tun für uns! Siehste die Leut da obn? Die wolln irgend so ne Reis unternehmn...in den Mittelpunkt der Erde. Pah, dass ich nicht lach! Aber was solls, denen werdn wir jetzt n paar kräftigende Tränke und Amulette andrehn!“, erklärte die Rakshanerin dem Tier mit einem zufriedenen Grinsen, das ihre charmante Zahnlücke zum Vorschein brachte.
    Als sie den Hügel erreichten, steuerte sie direkt auf den mächtigen Quader zu.
    „Lass mich runter, du räudige Zwiebl!“, knurrte Schrulla ihrer Hyäne zu, welche sich unbeeindruckt von den harschen Worten der Hexe auf den Boden legte, damit die Alte von ihrem Rücken rutschen konnte, der mit einem extra angefertigten Sattel bestückt war, an dem unzählige Säcklein und Taschen baumelten, die mit Reagenzien, Kräutern, Amuletten, Phiolen und anderem Krimskrams gefüllt waren. Auch Reiseproviant war vorhanden, sowie eine wärmende Decke, eine Wasserflasche und alles, was man so brauchte, wenn man als Zigeunerin lebte.


    Auch die Zwiebelhex war mit Beuteln behängt, welche von getrocknetem Korgoxmist bis hin zu duftendem Lavendel alles Mögliche enthalten konnten.
    Schrulla zog sich die Kapuze ihres Reisemantels vom Kopf und enthüllte dunkelsilbrige strähnige Haare, welche sie zu einem losen Knoten hochgesteckt hatte. Zwei stumpfe Hörner hoben sich deutlich daraus hervor und ihre stechend grünen Augen suchten rasch die versammelten Wesen nach möglichen Käufern für ihre Waren ab. Auch die Zwiebelkette um ihren Hals schien plötzlich Augen zu haben, doch vielleicht mochte dieser Eindruck auch nur täuschen.


    Die elegante Lady, welche sich gerade zu einem lumpigen Kerl gesellte wirkte nicht so, als müsste sie ihre Dienste in Anspruch nehmen. Sie stand aufrecht und als ihre Stimme erklang, meinte Schrulla einen Hauch von Arroganz wahrzunehmen. Verächtlich verzog die Hex das Gesicht. Dieses Persönchen hielt sich wohl für etwas Besseres. Doch das alte Weiblein vermochte die stolze Gestalt nicht recht einzuordnen. Vielleicht ne Magierin…
    „Aber auch die mächtigstn Krieger kamn schon auf Knien angekrochn, wenn ihre Liebst sie für nen andren verlassn hatt!“, brummte die Alte. Sie hatte bereits zu viel gesehen, um an Perfektionismus zu glauben.
    Ihr Blick glitt zu dem Kerl hin, der irgendwie verloren wirkte.
    Vielleicht könnte sie dem ja einen ihrer Tränke anbieten? Etwas Frohsinn würde ihm vermutlich nicht schaden.
    Doch er wirkte nicht so, als wäre er im Stande, ihre Dienste zu begleichen.


    So raffte Schrulla ihre braunen und grünen Röcke, und begann ächzend und fluchend den Quader über eine in den Stein gehauene Treppe zu erklimmen.
    „Vermaledeite Rücknschmerzn!“, jammerte sie und hielt inne, um sich die Hände ins Kreuz zu stemmen.
    Dann jedoch wandte sie sich um und beorderte ihre Hyäne heran, um einige der Fläschchen und Amulette von deren Rücken zu packen und vor sich auszubreiten.
    Dass über ihrem Kopf die zerfledderten Leichen von kreischenden Raben umflogen wurden, scherte sie keineswegs.
    Die beiden Anwesenden beachtete sie nicht weiter. Bald würden die ersten richtigen Kunden eintreffen, und diese galt es mit der Vielfalt ihrer einzigartigen Waren zu beeindrucken!

    Name: Schrulla die Zwiebelhex


    Alter: 69 Jahre


    Volk: Rakshanerin, Tiefling (Mischling)


    Geschlecht: Weiblich


    Familie
    „Familie? Unnötiger Ballast!“


    Die Mutter Feta war eine Rakshanerin, welche sich gerne mit oftmals sonderbaren Gestalten abgab. Dazu zählten vor allem wild aussehende Tieflinge und Orks. Dies war in der Familie jedoch nichts Ungewöhnliches, und so ist die Abstammung von Schrulla bunt durchmischt von Rakshanern, Tieflingen und gar Orks. Angeblich soll bereits die Urururgrossmuter eine Liaison zu einem Ghul unterhalten haben.


    Der Vater Dolgo war einer dieser Liebschaften, die Feta beeindruckten. Seine verdrehten Hörner, die dunklen Flügel sowie sein langer Schweif liessen Eifersucht und Faszination miteinander wetteifern. Sie bemerkte erst, dass sie ein Kind erwartete, nachdem längst unzählige andere Errungenschaften das Bett mit ihr geteilt hatten. Es ist nicht ganz eindeutig, ob Dolgo nun der Vater ist, doch Schrulla gibt gerne an, sein Werk zu sein.


    Beruf und Religion
    Schrulla wuchs in einem rakshanischen Lager auf. In ihren vielen Lebensjahren übte sie unterschiedlichste Berufe aus, doch schon immer verstand sie sich darauf, den Leuten mit ihrer Maige zu helfen. Wobei „helfen“ ein gänzlich unpräziser Begriff ist.
    Mit den Jahren erkannte Schrulla, dass die Menschen dank ihrem Aberglauben beinahe jede Gegenleistung für einen Hexentrank bezahlen, auch wenn der angebliche Glücks- oder Liebessud hauptsächlich aus Ziebelspinnenbeinen und bunten Wiesenblumen zusammengesetzt war.


    So begann sie die Verzweiflung, den Hass, die Liebestrunkenheit, die Angst und Trauer der Menschen für ihre Zwecke zu nutzen. Sie verachtete die Leute für ihre Naivität und sonnte sich gleichzeitig in der Not ihrer Kunden.
    Tatsächlich versteht sich das alte Weiblein jedoch wirklich auf Artefaktmagie und auch etwas Naturmagie gehört zu ihren fortgeschrittenen Fähigkeiten.
    Sie kennt sich mit Heil- und Giftpflanzen aus, weiss um die betörenden, aber auch tödlichen Wirkungen der Blumen und Kräuter, die überall gedeihen und wachsen.


    Bei kleineren Zimperlein braut Schrulla gerne einen Sud zusammen, den sie den Leuten in kleinen Reagenzgläsern andreht. Dabei wissen die Käufer nie, ob darin wirklich eine glücksfördernde Flüssigkeit oder eine gewöhnliche Zwiebelsuppe auf sie wartet.
    Hingegen kann man bei Artefakten gewiss sein, dass Magie darin steckt. Jedes von Schrullas Artefakten erzielt eine gewünschte Wirkung, wobei sie dabei jedoch oft absichtlich über das Ziel hinausschiesst oder unangenehme Nebenwirkungen einfliessen lässt, worüber sie später schadenfreudig lachen kann.


    Schrulla empfindet eine grosse Abneigung gegenüber Ainuwar. Er erinnert sie daran, dass alles Leben vergänglich ist und auch ihre Zeit einmal ablaufen wird. Ausserdem macht sie ihn für ihre Gelenk- und Rückenschmerzen verantwortlich.


    Eine grössere Zuneigung empfindet sie hingegen zu Dal. Obwohl Schrulla nicht viel Wert auf Geld legt, mag sie doch die listige Art der Gottheit, welche oft als emanzipierte Goblin auftritt. Die Rakshanerin ist sich sicher, dass auch Dal ihren Spass und Nutzen aus den oftmals sehr naiven Käufern ziehen würde.


    Rakshor hat ebenfalls einen Platz in dem Herzen der Zwiebelhex. Sie ist mit dem Glauben an ihn gross geworden. Wie alle seine Anhänger ist sie der Meinung, dass etwas Chaos dieser allzu geordneten Welt nicht schaden kann und trägt mit ihren Artefakten und Kräutertränken gerne ihren Teil dazu bei.


    Aussehen und Ausrüstung
    Oftmals ist Schrulla enttäuscht darüber, dass sie nicht mehr vom Äusseren ihres Vaters erhalten hat. Von ihrer Mutter hat sie die Faszination für Absonderlichkeiten geerbt und schimpft gerne darüber, dass ihre kleinen stumpfen Hörnchen nicht einmal zum Erschrecken von Leuten nützlich seien.
    Dass sie nicht fliegen kann, stört sie hingegen wenig, denn ihre Höhenangst verhindert, dass sie sich weiter als zwei Meter über den Boden begibt.


    Mit ihren 69 Jahren ist Schrulla eine Greisin. Ihr Körper wirkt in sich zusammengefallen und sie klagt viel über Rücken- und Gelenkschmerzen. Ihre einst schwarzen Haare sind nun dunkelgrau. Meist sind sie zu einem Knoten gebunden oder hängen ihr strähnig ins Gesicht. Die Zwiebelhex besitzt keinen auffälligen Zinken, dafür jedoch im Gegensatz zu anderen Rakshanern grüne Augen. Ansonsten hat sie von ihrem Vater ausserhalb der Begabung zur Magie, nicht viel übernommen.
    Ihre faltige Haut hat eine kaffeebraune Farbe und auch die stumpfen Hörnchen sind der Erbschaft ihrer Mutter Feta geschuldet.


    Ihr Blick ist scharf und aufmerksam, hingegen hat das Gehör der Greisin gelitten, weshalb sie ihre Kunden oft gereizt anfaucht, wenn diese es wagen, mit allzu leiser Stimme ihre Anliegen vorzutragen.


    Schrulla trägt nach alter Manier sowohl Unter- als auch Überröcke gestapelt. Man könnte sie mit einer der Zwiebeln vergleichen, für welche sie ein aussergewöhnliches Faible entwickelt hat.
    Auch farblich passt sie sich dem Gewächs an und ihre Gewänder sind in braunen und grünen Farbtönen gehalten.


    Das alte Weiblein trägt viele Beutel und Säcklein mit sich herum, die gefüllt sind mit Kräutern, Blumen, Reagenzgläsern und anderen Gegenständen, welche sie für ihre Artefaktmagie benötigt. Um ihren Hals trägt sie eine seltsam anmutende Kette, welche aus Zwiebeln besteht. Wenn man genauer hinschaut kann man gelegentlich das Aufblitzen grüner Augen oder das Zappeln haariger Beine erkennen.


    Auf ihren Reisen, denn Schrulla ist mit ihren Fähigkeiten stets darum bemüht, neue Kunden anzulocken, wird sie von einer uralten Hyäne begleitet. Das Wesen dient ihr sowohl als Reit- als auch Lasttier. Schrulla hat der Hyäne keinen Namen gegeben und betitelt sie stattdessen nach Lust und Laune anders. Zu den favorisierten Bezeichnungen gehören „räudige Zwiebl“, oder aber auch „Mausezähnchen“. Die Hyäne ist äusserst leicht reizbar und Fremde sollten ihr nicht zu nahe treten.


    Charakter und Fähigkeiten
    „Die Zwiebelhex? Ja, ist ein ulkiges Weib. Wenn du mich fragst, etwas verrückt. Aber auch nicht verwunderlich, wenn man so die Geschichten von ihrer eigenen Alten hört. Also ich halt mich lieber von der fern. Nur meine Nena, die kann die Finger nicht von dem Spitzhuttrunk lassen, den sie ihr manchmal braut, wenn sie in der Gegend ist. Angeblich gegen Falten. Also wenn du mich fragst, ne, hat meine Nena zwar weniger Falten, dafür meckert sie nur noch an mir rum! Und was ist jetzt das kleinere Übel, hä? Und dafür gibt man beinahe 35 Unzen Mehl aus!“


    Schrulla ist keinesfalls verrückt, obwohl sie die Leute gerne in dem Glauben lässt. Das Weiblein ist im Gegenteil äusserst intelligent und schlägt sich gut durchs Leben.
    Einzig Namen kann sie sich schlecht merken, weshalb sie Mensch und Tier gerne mit Übernahmen betitelt und auch sich selbst gerne umbenennt. Von ihren Kunden wird sie meist nur als Zwiebelhex bezeichnet.


    Ausserdem hört Schrulla nicht mehr so ausgezeichnet wie früher. Oft fangen sich die Leute dann mürrische Kommentare ein, wenn sie „hinter meim Rückn Lästern und Tratschn!“
    Oft wird die Greisin von ihren Kunden als Giftkröte bezeichnet, obwohl die meisten nicht auf ihre Dienste verzichten möchten. Deshalb wird ihr schlussendlich immer verziehen, wenn sie Flüche und Beleidigungen von sich lässt oder wieder einmal über Gelenkschmerzen, Rückenschmerzen, Zahnschmerzen, Zehenschmerzen und tausend andere Zimperlein klagt.


    Doch am allerliebsten schimpft die Zwiebelhex über Kinder.
    „Sie sind einfach zu laut! Dauernd stelle sie dumme Fragn und wolln doch keine Antwort hörn. Sie machn alles kaputt, stelln alles aufn Kopf und wenn man ihnen sagt wo‘s lang geht, rennen sie zu ihrn Müttern.“
    Insgeheim jedoch war Schrulla schon seit Jahren eifersüchtig auf die Bälger, welche das ganze Leben noch vor sich hatten und ausserdem nicht von andauernden Schmerzen heimgesucht wurden.


    Das Weiblein besitzt jedoch auch eine Leidenschaft, an welcher sie die Menschen teilhaben lässt. Schrulla kann stundenlang im Wald oder auf der Wiese mit ihrem Zinken im Unkraut herumschnüffeln, bis sie die gewünschten Pflänzchen ergattert hat, um daraus Kräutersude, aber auch einfache Suppen herzustellen. Dabei lässt sie ihre Kunden gerne in dem Glauben, jede dieser „aussergewöhnlichen“ Mischungen wäre dazu da, das Leid der Menschen zu lindern oder zu vergrössern – je nachdem, was der Käufer eben wünscht.


    Tatsächlich besitzt sie unendliche Kenntnisse zu den Heil- und Giftpflanzen.
    Viele ihrer Tränke haben tatsächlich eine Wirkung, und sei es auch nur, den Kunden durch einen Schuss Mohnsaft in seiner Wahrnehmung zu trüben. Die Leute kaufen bei ihr Liebestränke, Schönheitstränke, aber auch Giftmischungen oder Wahrheitselixiere.


    Manchmal wird Schrulla gebeten, einen entlaufenen Liebhaber zu verfluchen, worauf sie mit grösster Leidenschaft ein angebliches Ritual mit Kerzen, mystischen Symbolen, Duftstäben und vielen fantastischen dunklen Worten ersinnt, um ihrem Kunden wieder ein Stücklein Friede zu bescheren.
    Ihre Magie beschränkt sich hingegen ausschliesslich auf Natur- und hauptsächlich Artefaktmagie. Dank dem Aberglauben der Menschen fällt es Schrulla jedoch nicht schwer, sie über ihre nicht vorhandenen Fähigkeiten hinwegzutäuschen.


    Obwohl ihre Liebestränke der Scharlatanerei angehören, sind ihre Fertigkeiten doch nicht zu unterschätzen. Neben ihrem Wissen über die Natur und ein wenig Magie darin, beherrscht die Zwiebelhex wirkliche Artefaktmagie.
    Schrulla ist jedoch sehr darauf bedacht, dass alles einen Nutzen erfüllt, vor Allem Beziehungen. Sie erfüllt keinen blossen Gefallen, sondern verlangt dafür immer eine grössere Kleinigkeit.
    Erkauft man sich jedoch ein Artefakt der Zwiebelhex, kann sich der Käufer gewiss sein, dass ein Schuss Magie darin steckt. Schrulla bemüht sich, die Wünsche ihrer Kunden zu erfüllen, doch zu ihrem eigenen Vergnügen treten zudem immer unliebsame Nebenwirkungen auf oder eine Überdosierung führt zu unwillkommenen Überraschungen. Schadenfreude ist wohl Schrullas zweiter Vorname.


    Eine andere Eigenart des Weibleins ist ihr Interesse an allen abstrusen Gestalten. Sie ist äusserst fasziniert von Tieflingen und Dämonen. Je ungewöhnlicher ein Lebewesen, desto hingerissener ist sie. Auch Eifersucht schwingt dabei mit, denn obwohl sie Tieflingsblut in sich trägt, ist dies äusserlich beinahe nicht ersichtlich.


    Auf ihrer Reise von Dorf zu Dorf durch unwegsame Gegenden wird Schrulla von ihrer Hyäne begleitet. Als Rakshanerin hat sie einen besonderen Draht zu ihrem Begleiter. Obwohl die Hex es nie zugeben würde, empfindet sie eine tiefe Verbundenheit zu der alten und zerzausten Bestie, welche gegenüber Fremden äusserst gereizt reagiert und gerne schnappt. Sie ist der Greisin jedoch treu ergeben und dient ihr als Reit- oder Lasttier.


    Nebenbei ist Schrulla eine ausgesprochene Zwiebelfanatikerin und trägt ihren Namen nicht zu Unrecht. Zwiebeln sind ihre Leidenschaft, ob im Suppentopf, in ihren Heilpasten, als Parfum – oder gar als Haustier. Eine verirrte Zaubermischung machte sogar dies möglich. Seit da tummeln sich immer auffällig viele Zwiebelspinnen in der unmittelbaren Umgebung des alten Weibleins.


    Magie
    Ihre Magiefähigkeiten bestärkten Schrulla in der Annahme, dass sie von einem Tiefling abstammen müsste. Im Gegensatz zu den Rakshanern ist sie nämlich befähigt, sowohl Artefaktmagie als auch ein wenig Naturmagie zu wirken.
    Ihre Begabung liegt jedoch eindeutig auf der Artefaktmagie, welche sie in den unzähligen Lebensjahren nahezu perfektioniert hat (auf ihr Bedürfnis hin ausgerichtet, Menschen zu „helfen“).


    Schrulla vermag Dinge, wobei sie meist spezielle Gegenstände bevorzugt, mit einer Wirkung zu versehen. Dabei fokussiert die Zwiebelhex sich darauf, ihren Kunden einen Gefallen zu erweisen, indem sie beispielsweise ein Medailon mit dem Zauber versieht zu leuchten, sobald die Geliebte des Ehepartners an der Trägerin vorbeigeht.
    Meist nehmen weibliche Kunden ihre Dienste in Anspruch, seltener kommen auch verschmähte Männer zu ihr, um ihr Glück mit einem betörenden Sud zu versuchen.


    Eine Besonderheit, welche Schrulla ihr Leben lang für sich behalten hat, ist ihre Fähigkeit, aus blossen Zwiebelgewächsen Zwiebelspinnen entstehen zu lassen. Es war eher ein Zufall, als die Hex eine Zwiebel als Artefakt nutzen wollte, sich dabei ihre beiden Magieströme vermischten und der verwirrte Zauber die neue Spinnenart entstehen liess.
    Wo sich Schrulla aufhält, tummeln sich immer aussergewöhnlich viele Zwiebelspinnen.


    Ansonsten beschränkt sich ihre Naturmagie vorwiegend auf kleine Heilungen und Giftheilungen, sowie das Sprechen mit ihren Zwiebelspinnen.


    Lebenslauf
    „Da gibt’s nix zu erzähln! Und wen interessiert das schon, was inner Vergangenheit war. Wir lebn im Hier und Jetzt, alles andre ist Humbug.“


    „Wenn Du nicht aufhörst mich damit zu plagn, verwandl ich dich in ne Kröt! Junges Pack, meint immer, alles wissn zu müssn…“


    Ein misstrauischer Blick traf mich, doch ich wusste genau, dass sie gerne etwas meckerte, bevor sie anfangen würde zu erzählen. So lauschte ich geduldig ihrem Lamentieren, bevor sie schliesslich begann.


    „Nun gut… n paar Dinge kann ich dir erzähln. Aber danach gibst Ruh!“


    „Geborn wurd ich von meiner Altn Feta. Sie kümmerte sich nicht viel um mich und ich konnt im Lager rumziehn wie mir grad die Nas gewachsn war. Jaa, das warn schöne Zeitn. Schon damals veräppelte ich die andren Bälger gern. Habn mich aber oft auch beschimpft als Bastard… was ja eigentlich nichts Ungewöhnliches war, die meistn warn Mischlinge und oft wusst nicht mal die eigne Alte, wer der Kerl war.
    Doch meine gute Feta begnügte sich nicht mit normaln Kerln, nää, die musste sich immer die aussergewöhnlichstn, gefährlichstn, absonderlichstn Kreaturn nehmen. Die wusste halt noch, was richtige Männer sind! Kein verweichlichtes Lumpenpack wollte die, nää… dafür war sie sich zu schad.“


    Ein Hauch Stolz schwang in ihrer Stimme mit, als sie sprach und als sie nun über ihren Vater zu reden begann, leuchteten ihre froschgrünen Augen begeistert auf.


    „Und mein Alter? Das war n Tiefling sag ich Dir!
    Hörner mächtig wie die eines Widders, ein Schweif, der zupackn konnte, Klauen wie Dolche, Flügl so schwarz wien Rabnvogel! Jaa, so war er, Dolgo. Ich hab ihn natürlich nie kennengelernt, denn kurz nach der Zeugung lernte meine Alte n Ork kennen… Leider hab ich nicht mal seine Hörner geerbt“
    , Schrulla knurrte beleidigt ob dieser Tatsache, „nur seine giftgrünen Augn hat er mir abgegebn, geizig wie er war… und ´türlich die Magiebegabung. Meine Alte hatte keine...“

    „Aye und wie gings weiter…. nun ja… meine Alte erkannte rasch, welchn Nutzn meine Magie für sie hatte. Sie war schon immer etwas gierig und darauf bedacht, dass ich ihr was einbracht. Schliesslich musst sie mich durchfüttern. Wir warn damals immer unterwegs mit den Rakshanern. Und einmal, da warn wir bei nem Dorf vorbeigekommn. Und dort lebte die alte Babuschka. Feta liess mich bei ihr zurück, damit ich dort die Magie zu beherrschn lernte. Ich verfluchte meine Alte dafür. Doch ja, im Nachhinein war es ne gewiefte Entscheidung. Ich lernte dort fünf Jahre lang Artefaktmagie. Und ich lernte schnell. Danach nahm mich Feta wieder mit, und ich musst für sie Magie wirkn. Als Rakshanerin durft sie keine Slaven halten, doch wer wollte ihr schon verbietn, ihre Tochter für sich arbeitn zu lassn.“


    Ich konnte Schrulla anmerken, dass sie einerseits einen Groll gegen ihre Mutter hegte, andererseits war sie noch immer beeindruckt von der Cleverness und Herzlosigkeit der Rakshanerin. Dann verzerrte sich ihre Miene zu einer leicht schadenfreudigen Grimasse.


    „Feta führte jedoch keinen gesundn Lebensstil. Sie wurd nicht alt, verstarb an Syphilis. Das war der Zeitpunkt, wo ich mir dacht: Mädl, das musst du mal besser hinkriegn! Und jo… von da an begann ich mich für Heilkräuter zu interessiern… und für Zwiebln! Ihr Jungspunde wisst gar nicht, wie gesund die Dinger sind! Einfach gut für alles. Gegn Rückenschmerzn, Halsschmerzn, gegn Infektionen, gegn Stechmücken und sogar schöne Träume können sie beschern.“


    Im selben Moment fiel mir die Kette auf, welche Schrulla um den Hals hängen hatte und ich sprach sie darauf an. Als jedoch plötzlich ein paar giftgrüne Augen mich aus einer der Zwiebeln anstarrte, zuckte ich erschrocken zurück. Die Zwiebelhex lachte zufrieden auf.


    „Ja Liebchn, das sind meine Haustierchn. Zwiebelspinnen nenn ich sie. Als ich älter wurd, begann ich eigenständig zu reisen. Ich hatt damals bereits ne Hyäne, so kam ich gut voran. Ich begegnete vieln unterschiedlichn Kreaturn. In bald siebn Jahrzehntn kommt man weit herum, sogar ohne Flügelchn. Nun ja, ich war sogar bei nem Albn. Der lehrte mich die Naturmagie und vergrösserte mein Wissn über Heil-und Giftkraut. Ich experimentierte damals gern rum… und als ich aus ner Zwiebl n Artefakt herstelln wollt, vermischtn sich meine Magieströme… und nun ja… die Zwieblspinnen wurdn geborn. Sind sie nicht fantastische kleine Wesn?“


    „Natürlich übte ich auch andre Berufe aus. Ich arbeitete als Köchin, als Müllsammlerin, als Schneiderin, als Wahrsagerin. In meiner Jugend wollt ich sogar am Krieg teilhabn. Später hab ich begriffn, dass ich Rakshor mehr damit diene, im Kleinen Chaos zu verbreitn. Zum Kampfe bin ich nicht geeignet. Was willst noch wissn? Sprich lauter! Meine schrumplign Ohren sind nimmer die Bestn... und mein Kreuz, oooh weh. Ich denk, es ist besser, wir beendn dieses Theater nun! Genug gequatsch. Mein Mausezähnchen will ihre Mahlzeit bekommn.“


    Mit diesen Worten kämpfte sich Schrulla aus dem Schaukelstuhl hoch und humpelte dramatisch aus dem Raum, um ihre Hyäne zu füttern.