Pünktlich beim ersten Sonnenstrahl ließ der Herr Expeditionsleiter sich blicken. Bei seinem Erscheinen salutierten die übernächtigten Düsterlinge, die nach Alkohol und Schweiß rochen. Ein paar Schnapsleichen versuchte man dezent außerhalb seines Blickfeldes verschwinden zu lassen. Mummenschanz tat, als würde er es nicht bemerken.
"Team Schwarze Krake", brüllte er. "Angetreten!" Als auch die letzten sich aus den Untiefen ihrer Schlafnischen erhoben hatten, begann er mit seiner Ansprache. "Wir haben uns heute hier versammelt, um Tasmeron die Eingeweide umzukrempeln und sie uns von Innen anzusehen! Diese Ruinen, in denen ihr die Nacht verbracht habt, sind in Wahrheit nur die Abdeckung eines in die Tiefe reichenden Systems. Sofern jemand von euch die Kellergewölbe erkundet hat, wird er festgestellt haben, dass diese kein Ende haben. Egal, wie lange er auch gegangen ist, er wird wieder umgekehrt sein, ohne den eigentlichen Sockel der Ruinen je erblickt zu haben. Aber vielleicht hat er dafür mannshohe Zahnräder gesehen, rostig und dennoch scheinen sie nur darauf zu warten, dass man sie knirschend in Gang setzt. Der Kaisho-Abschaum hat einige dieser Technologien entschlüsselt und daraus Zeppeline und Dampfschiffe entwickelt, um nur Einige zu nennen. Es beginnt gefährlich zu werden für uns. Die Souveränität der Handelsallianz ist in großer Gefahr, denn die Kaishos wollen nicht etwa den Fortschritt vorantreiben, sondern sie nutzen ihre Errungenschaften dazu, ihr Imperium der Ewiggestrigen zu festigen! Wenn ihr nicht wollt, dass unsere Allianz der Völker zerschlagen wird und jeder wieder mit Schimpf und Schande in die barbarische Heimat seiner Vorfahren zurückgejagt wird und schlussendlich ganz Asamura in der Barbarei versinkt, dann gebt ihr alles, um diese Expedition zu einem würdigen Ende zu bringen! Für ein modernes Asamura!"
Er gab den Staubkriechern Zeit, ihn zu bejubeln, was sie nur zu gern taten, da man sie dafür großzügig mit Kokosschnaps und Spielzeugen wie den billig produzierten Degen entlohnte. Dann stellte er das Team vor.
"Das ist Terc von den Brandeln, unser unterirdischer Kundschafter." Ein besonders großes Exemplar von einem Düsterling trat hervor. Es war derjenige, der sich mit Ragosh geprügelt hatte und seine Nase war dick und geschwollen. Dennoch warf er dem Ork ein flüchtiges Grinsen zu. Seine Ohren waren, wie bei seinem Rudel üblich, längs halbiert und die Wunden ausgebrannt, so dass die Ohren lang und spitz wie Dolche wirkten. Seine Haut war im Gegensatz zu jener der Staubkriecher tiefschwarz, seine Augen orange. Er trug keine Kleidung. Als er vortrat, begannen die anderen Düsterlinge zu bellen und zu fauchen, weil er einem feindlichen Rudel angehörte. In der Nacht hatte er sich mit zunehmendem Alkoholpegel der anderen Düsterlinge verstecken müssen. "Terc entstammt einem Unterweltrudel und spricht nichts als Demonai. Niemand kennt den Bereich der Unterwelt, den wir betreten werden, mit seinen Gefahren so gut wie er. An seine Nacktheit müsst ihr euch gewöhnen, er kennt es nicht anders." Mummenschanz nickte ihm zu, Terc huschte davon und gesellte sich zu den Mitgliedern der Handelsallianz, abseits von den übrigen Düsterlingen.
Mummenschanz winkte den Nächsten heran, einen schwarzgefiederten, heruntergekommenen Harpyr, der eine Kochschürze trug. "Nox Nebelkrähe, unser Koch. Er hat früher in der Feldküche der Venthros gearbeitet, ist jedoch desertiert und fand bei der Handelsallianz Zuflucht."
"Hallo, allerseits", sagte Nox und winkte mit seiner ungepflegten Klauenhand in die Runde. Sein Kopfgefieder war lang und er konnte es ähnlich wie ein Kakadu aufstellen oder anlegen. Er grinste breit, offenbarte dabei gelbe, zersplitterte Zahnruinen und trat zurück an seinen Platz.
"Dann haben wir hier noch Firxas, unseren Geleitschutz." Ein großer Tiefling trat nach vorn. Seine braune Haut verriet südöstliche Abstammung, ebenso wie die eher weichen Gesichtszüge. Er wirkte recht menschlich, hatte weder Hörner, noch Flügel und keinerlei Haare an Kopf oder Körper. Aber sein langer Schweif, die Klauen und Zähne verrieten den Tiefling in ihm. Trotz seines offensichtlichen Übergewichts wirkte Firxas durchaus muskulös. "Firxas ist Kampfmagier. Er beherrscht Geist- und Wassermagie, ist aber auch ein passabler Krieger. Er hat langjährige Erfahrung im Personen- und Objektschutz, ihr könnt euer Leben also getrost in seine Hände legen." Firxas nickte knapp, ohne die Miene zu verziehen, ehe er sich wieder an seinen Platz etwas abseits begab, von wo aus er mit verschränkten Armen in die Runde blickte.
"Zuletzt Donwolf Tatterwatter, darf ich bitten." Ein älterer, freundlich wirkender Mensch mit einem gepflegten Vollbart stellte sich neben Mummenschanz. "Unser Arzt, ein naridischer Almane. Er hat als Feldscher an der Front gearbeitet. Er kennt alle Arten von Verwundungen, hat die schlimmsten Sachen schon geflickt. Ob ein eingewachsener Zehennagel, Fieber oder ein abgerissenes Gliedmaß - ihr könnt mit jedem Wehwehchen zu ihm kommen."
"Ich grüße euch." Donwolf lächelte, verneigte sich kurz und ging wieder.
"So, unseren Ingenieur Vivali Schattentänzer müsste ich nun an dieser Stelle vorstellen, aber es kam etwas dazwischen." Mummenschanz funkelte Ragosh an. "Vivali wird uns also leider nicht begleiten." So stellte der Herr Expeditionsleiter stattdessen all die neuen Teilnehmer Lacrima, Farrinur, Ragosh und die Zwiebelhex vor.
"Ich wünschte, ich könnte nun enden und die Expedition endlich beginnen, aber bevor ich euch zur Vorbereitung des Abmarsches entlasse, muss ich noch eine Warnung aussprechen." Stille senkte sich auf die Versammelten, bis auf das leise Kichern und Tuscheln einiger Düsterlinge. "Wir haben einen Mörder unter uns." Mummenschanz ließ die Worte einen Moment wirken, ehe er fortfuhr. "Zwei Düsterlinge wurden heute Nacht getötet. Man hat sie am Morgen mit durchtrennter Kehle aufgefunden."
Sofort erhob sich das Geschrei der Staubkriecher.
"Terc! Terc war das!", kreischten die Düsterlinge und allein der Tatsache, dass Firxas sich drohend vor Terc aufbaute, verhinderte, dass sie über ihn herfielen und ihn mit bloßen Händen in Stücke rissen. Der Brandel hatte kein Wort verstanden und blickte verwirrt zwischen Firxas und den wütenden Düsterlingen hin und her.
Mummenschanz wusste genau, wer für die Morde verantwortlich war, doch er sah keinen Grund dazu, die Lady vorzeitig zu verraten oder sie deswegen von der Expedition auszuschließen. Besser, sie stillte ihren Hunger an der Oberfläche, ehe sie versuchte, sich über das ohnehin schon kleine Grüppchen des Teams Schwarze Krake herzumachen.
"So, damit wäre ich fertig", sagte Mummenschanz. "Letzte Gelegenheit, Fragen zu stellen und noch einmal im Gebüsch zu verschwinden, bevor wir uns auf den Weg machen. Staubkriecher, macht das Marschgepäck fertig. Wenn ich jemanden von euch erwische, der sich an unserem Kundschafter vergreift, sorge ich dafür, dass Firxas denjenigen zu einem neuen Rucksack verarbeitet." Er ahnte, dass seine Drohung nur für kurze Dauer ihre Wirkung entfalten würde und die Wahrscheinlichkeit war hoch, dass noch heute weiteres Blut floss, doch das war nun einmal der Preis dafür, wenn man sich mit Düsterlingen einließ. Er hoffte, dass der Rest der Expedition weniger kompliziert war und vor allem zuverlässiger.