Blutrote See - Kapitel 3 - Höhlenforscher und Horrorheiler
Der Höhlenforscher - Faszination Augenhöhle
Ciel Felicien de Souvagne
Ciel hatte sich nach der erneuten Ankunft auf der Choucas mit Silvano unter einem Vorwand in die Heilstube zurückgezogen. Das war nicht allzu schwer gewesen, da hinter der selben Tür auch das Quartier von Ciels Verlobtem Francois zu finden war. Ciel hatte dem Kapitän einen Rum aus seinem persönlichen Vorrat ausgegeben und Silvano hatte sich gefreut. Nun lag er schlaff wie ein nasser Sack auf der Behandlungspritsche und schnarchte leise. Ciel zog etwas an seinem Kopf und legte ihn anders hin, so dass das Schnarchen verebbte. Mit einem seines Standes sehr unwürdigem Grinsen nahm Ciel dem Capitaine die Augenklappe ab. Er desinfizierte seine Hände, verzichtete auf das Anziehen von medizinischen Handschuhen und strich mit den Fingern über die schlaffen Lider des fehlenden Auges. Dann fuhr er fast zärtlich mit den Fingern hinein, um die Augenhöhle von innen abzutasten.
Francois Grimard
Die Tür fiel hinter Ciel leise ins Schloss und eine Person beugte sich über seine Schulter. Bei der Größte konnte er nur einer an Bord sein. "Was tust Du da sag mal?", fragte Fran irritiert. Vorsichtig packte er Ciels Hand und zog sie von Silvano weg.
Ciel Felicien de Souvagne
Ciel fuhr zusammen und das Blut schoss in seinen Kopf, als Francois sich über ihn beugte und seine Finger aus der Augenhöhle zog. Er war noch nie bei seinen »Untersuchungen« erwischt worden! Hatte er tatsächlich vergessen, die Tür abzuschließen? Er verkniff sich, einen Blick auf seine offen liegende Zeichenmappe zu werfen, die in der Nähe auf dem Tisch lag, in der Hoffnung, Francois würde diese einfach übersehen. »Hallo, Liebling«, grüßte er mit einem erzwungenen Lächeln. »Ich untersuche Silvanos Augenhöhle.«
Francois Grimard
Fran musterte Ciel von der Seite aus und blinzelte. "Das sehe ich, darf ich fragen warum und mit welcher Bewandnis?", fragte der Heiler und trat einen Schritt zurück. Er zückte die Mappe von Ciel und ging sie ganz langsam Zeichnung für Zeichnung durch.
Ciel Felicien de Souvagne
Am liebsten hätte Ciel ihm die Mappe aus der Hand gerissen, ihn angeblafft und wäre mit in die Luft gereckter Nase wegmarschiert. Beim eigenen Verlobten war dies jedoch kein Verhalten, welches angemessen wäre. Abgesehen davon war ihm bewusst, dass eigentlich nichts hier irgendwie angemessen war. »Dies ist meine Denkmappe«, erklärte er. »Ich halte darin Dinge fest, über die ich nachdenke und bringe auf diese Weise Struktur in meine Gedanken.« Diese Aussage traf entweder nur auf die Hälfte der Mappe zu oder Ciels Gedanken waren zur anderen Hälfte auf den menschlichen Körper fokussiert. Der erste Teil der Mappe enthielt tatsächlich lauter Notizen, Tabellen, Listen und Grafiken zu den Dingen, die Ciels Leben und seine Pflichten betrafen. Unter anderem fand Francois hier den Entwurf zum Gesetz, welches die Heiligsprechung von Beidgeschlechtlichen vorsah, aber auch Notizen zu Wallanlage, welche Souvagne umschließen sollte und einen Stadtplan mit der Bezeichnung Sub-Souv. Auch eine Liste von männlichen, weiblichen und geschlechtsneutralen Vornamen samt Bedeutung war in der Mappe zu finden, und zwar sehr weit vorn. Weiter hinten jedoch fanden sich Zeichnungen, die ein reges Interesse an der menschlichen Anatomie verrieten. Die Natur dieses Interesses war nicht auf Anhieb ersichtlich. Oft waren es Zeichnungen von Kriegsverletzungen. Die Köpfe der Besitzer waren nicht mitgezeichnet, doch Francois konnte sicher sein, dass man den Betreffenden ohne weiteres hätte identifizieren können, wenn man ihn kannte, so sorgfältig waren die Details herausgearbeitet. Vermutlich hatte Ciel mit einer Lupe gearbeitet und mit der Nase genau vor dem Körper gehangen, denn die Strukturen waren stark vergrößert, ohne an Detailtiefe verloren zu haben. Unter anderem war hier der vernarbte Mundwinkel von Boldiszàr zu finden. Ein zwergenwüchsiger Mann war hier ebenso zu finden wie eine stark übergewichtige Frau. Es fanden sich jedoch auch sehr detailverliebte Zeichnungen von Geschlechtsmerkmalen, die oft vergleichsartig nebeneinander gezeichnet, ohne dabei jedoch wissenschaftlichen Anspruch zu erheben. Auf einem Blatt waren sehr groß wirkende Brüste zu sehen, immer in einer anderen Lage, so als ob sie gezielt so hingelegt worden wären. Auf einem anderen sah man ein Raster unterschiedliche Penisse. Dazwischen gab es nur ein einziges Gesicht, das aus unterschiedlichen Perspektiven immer wieder auftauchte - Nathan. Am abgegriffensten war jedoch ein Packen zusammengehefteter Blätter, die einen vollständig kastrierten Mann zeigten, der entspannt auf einem Bett lag, als würde er schlafen. »Gibst du mir das bitte zurück«, bat Ciel.
Francois Grimard
"Sobald ich mir alles genau angesehen habe, gebe ich Dir Deine Arbeiten zurück. Du kannst sehr gut zeichnen, dass nur mal am Rande erwähnt. Aber Deine Mappe solltest Du in kleinere Mappen die Du in eine große Kladde legst unterteilen. So ist das ein heilloses Durcheinander und ich vermute, gerade was wichtig ist liegt oben oder? Geschäftliche Ordnung - akutelles oben. Amtliche Ordnung - aktuelles ganz unten, wie man hinten an heftet", sagte Fran. Er schaute sich die Mappe sehr genau an, ehe er sie schloss, aber Ciel nicht zurückreichte. "Vielseitiges Interesse mein kleiner Schatz und ein sehr gutes Auge für Details, aber auch ein kleiner Voyeur schlummert in Dir. Sei es drum, wenn man solche Zeichnungen anfertigt muss man einer sein oder zu einem werden. Die Namen sind vermutlich für unser Kind bestimmt, meine Vermutung. Sub Souv - Untergrund Souvagne? Wie Sub von Subkutan - unter der Haut. Vermute ich einfach mal. Wo soll es hin, jetzt sag nicht Souvagne. Wem dieser Mundwinkel gehört ist mir bewusst, wem die Kriegsverletzungen gehören nicht. Wer die entmannte Person ist, kann ich nur vermuten, wer das Gesicht ist, ist mir bekannt. Wem die riesigen Brüste gehören, frage ich an dieser Stelle mal lieber nicht", schmunzelte Fran freundlich und reichte Ciel seine Mappe zurück. "Also da Du Vano schon einmal ausgeschaltet hast, sollten wir den Umstand nutzen und ihm auch helfen. Ich hatte vor, ihm das fehlende Auge zu vernähen. Problem ist bei ihm, wenn er sich schminkt und nicht aufpasst, kommen manchmal Schminkreste in die Augenhöhle. Sie entzünden sich dort und ich muss sie ihm die Augenhöhle ausschälen. Das wäre wohl das geringste Problem, denn eine Augenhöhle befindet sich im Schädel. Heißt sollte sich die Entzündung einmal ausbreiten, weil er nicht rechtzeitig den Mund aufmacht, wäre er sehr schnell in großer Bedrängnis oder sogar tot. Aus dem Grund werden wir beide jetzt seine Augenhöhle verschließen. Dabei passiert nichts, im Gegenteil. Der Körper wird die leere Höhle dann mit Gewebe, also wucherndem Fleisch füllen, so dass kein Hohlraum zurückbleibt und er wird auch die Schmerzen und Spannungen dadurch los sein. Da er ausgeknipst ist, kann er sich nicht verspannen und seine Gesichtszüge sind schlaff. Ergo wird die Naht genauso locker und angenehm werden. Und er hampelt nicht rum und hat keine permanenten Ausflüchte. Sonst sieht das ungefähr so aus... "Bin bereit", ich setzte an... "Nein warte, doch nicht. Erst noch einen Schluck Rum... in Ordnung Du kannst", ich setzte an.... "Nein warte..." und das spielt sich dann ungefähr eine Stunde lang ab, bis er entnervt aufgibt, da er total durchgeschwitzt ist und Angst hat. Verständlich, aber einmal muss er es überstehen und dieses eine Mal ist genau jetzt. Und da Du von Neugier geplagt bist mein kleiner Schatz, wirst Du mir assistieren", sagte Fran und bereitete alles vor.
Ciel Felicien de Souvagne
Erwartungsvoll beobachtete Ciel, wie Francois alles für die Operation vorbereitete. »Ich darf dir wirklich helfen? Aber ich habe noch keine Zeichnung der Augenhöhle angefertigt. Kann ich das nicht noch schnell erledigen? Sub-Souv ist ein Projekt, das sich noch in der Planungsphase befindet. Es soll eine unterirdische Stadt werden am Fuße eines der beiden Himmelsspeere. Unsere letzte Bastion, falls selbst die Mauern den Feind nicht mehr zurückzuhalten vermag. Die Ledvigiani würden in solch einer Situation fliehen, doch Souvagnern leben und sterben gemeinsam mit ihrem Land. Die Namen sind für unser Kind gedacht, das hast du richtig vermutet. Ich träume schon mal ein wenig. Ein Voyeur?« Ciel überlegte. »Gut, zugegeben. Ich schaue mir gern interessante Dinge an, und zwar in einer Detailtiefe, die man normalerweise nicht zu sehen bekommt. Wem die Brüste gehören, wirst du bald erahnen, wenn du längere Zeit im Palast wohnst. Die Kriegsverletzungen habe ich im Krieg an der Nordfront gezeichnet. Darum sind sie leider noch nicht so gut gelungen. Und der verstümmelte Mann, der nicht ent-mannt wurde, sondern ungeachtet seiner Verstümmlung nach wie vor ein Mann ist, ist jener Alexandre, von dem ich dich bat, zu akzeptieren, wenn ich seine Nähe suche. Normalerweise ist dies nichts, was ich breittrage, aber er liegt mir sehr am Herzen und vielleicht braucht er einmal deine ärztliche Hilfe.« Wehmütig betrachtete Ciel die leere Augenhöhle des schlummernden Silvano, die nun zu einem langweiligen zugenähten Auge umgeformt werden sollte.
Francois Grimard
"Verrate mir mit was Du Vano ins Land der Träume geschickt hast und wieviel Du ihm gegeben hast, dann sediere ich nach und Du kannst Deine Zeichnung noch anfertigen. Aber danach geht es an die Arbeit. Sieh es als Tausch. Dafür dass Du ihn Dir angucken durftest, hilfst Du ihm dass er ein beschwerdefreies Leben führen kann. Jedenfalls soweit das möglich ist. Die Narbe wird bleiben, aber sie ist kein Tor mehr in seinen Kopf. Er kann ja nicht hören, aber gegen seinen Willen kann ich ihn schlecht nähen, vor allem ich kann ihn nicht einfach betäuben. Gut hätte ich schon gekonnt, aber da Du mir den Ärger abgenommen hast, wird er wohl nichts dagegen sagen. Sag einfach Du hattest Mitleid. Eine unterirdische Stadt? Die Idee gefällt mir, dunkel, alles in Erdtönen, sanftes gelbes Licht, dass alles beleuchtet. Eine Zuflucht und dennoch heimelig zugleich. Das hast Du gut beschrieben, wo die Ledwicker flüchten zur Rettung, sind wir bis gnadenlosen Ende standorttreu. Eigentlich sollte nicht der Adler unser Wappentier sein, sondern der Eisvogel. Denn er verhält sich ganz genauso. Ein Voyeur ist nicht direkt was Negatives, es ist ein Zuschauer. Verwechsele es nicht mit Spanner. Na dann zeichne mal los, ich bin gespannt. Soll ich Dir das Auge mit einer Augenklammer öffnen? Ich muss ihn eh gleich komplett desinfizieren, damit wir loslegen können. Und glaub mir, jeder bekäme dabei Schrumpfhoden, allein das ist schon unangenehm genug. Aber wie ich sagte, das wäre eine einmalige Sache. So hat die Ausschälung zig mal über sich ergehen lassen müssen. Ein lieber Dummkopf ist er manchmal, wirst Du auch noch mitbekommen", erklärte Francois und setzte Vano in die aufrechte Position. "Er darf dabei nicht liegen, sein Gesicht muss völlig entspannt sein und so wie man sich täglich auch verhält, oder neutral bewegt, schaut und so weiter", erläuterte der Heiler und desinfizierte sich die Hände. Danach desinfizierte er Vanos Gesicht und nahm von dem reinen Besteck, er setzte ihm die Augenklammer, so das Ciel in die leere Augenhöhle schauen konnte. "Schau so sieht es aus. Zeichne wenn Du möchtest und ich lege schon mal los", sagte Fran freundlich und begann mit einer Pinzette die einen getränkten Bausch hielt, vorsichtig die Augenhöhle zu desinfizieren. "Man darf nichts entzündliches einnähen und ich werde es gleich nochmal genau kontrollieren", erklärte er seine Schritte.
Ciel Felicien de Souvagne
"Ich habe auf den Boden des Glases, in das ich ihn seinen Rum einschenkte, 15 Tropfen 95%iges Blaumohnsaftkonzentrat gegeben. Nichts Alchemistisches, dafür kenne ich unseren Capitaine zu wenig und weiß nicht, ob er irgendetwas nicht verträgt. Es ist ein rein pflanzliches Betäubungsmittel, welches man in geringeren Dosen auch als milde Einschlafhilfe verwendet. Hinzu kommen zwei Gläser Rum. Er hatte sichnoch ein zweites nachgeschenkt, ehe die Wirkung voll einsetzte. Ich hoffe, der Eingriff wird ihm helfen, wenngleich ich bedaure, dass er damit hinsichtlich seines Äußeren dem langweiligen Durchschnitt wieder recht nahe kommt." Ciel nahm sein Zeichenwerkzeug zur Hand. Er klemmte ein Blatt Zeichenpapier auf ein Klemmbrett, nahm den Stift quer in den Mund und zog sich einen Stuhl ganz dicht heran. Er setzte sich jedoch nicht, sondern stellte ein Bein darauf und begann mit konzentriertem Gesicht erst ganz feine geometrische Formen vorzuzeichnen, ehe er mit mehr Druck an die Details ging. Er verzichtete darauf zu radieren. "Der Schreiadler steht zum einen für genaues Beobachten, einen klaren Geist, aber auch für Wehrhaftigkeit. Zudem lebt der Schreiadler endemisch in Souvagne. Er ist also tatsächlich ein sehr standorttreues Tier."
Francois Grimard
"Das wusste ich wiederrum nicht, dann ist der Adler genauso treu wie der Eisvogel, nur besser geeignet zu zeigen, was geschieht, wenn man unsere Grenzen nicht achtet. Nein Ciel, so gut bin nicht einmal ich. Er wird für immer die Narben im Gesicht tragen. Einmal die große die sich der Länge nach, nach unten zieht und die kleinen im Augenwinkel, die zur Schläfe hin ausstrahlen. Und sie werden auch diese Farbe behalten. Das ist leider so. Es wird nur aussehen, als hätte er das Auge geschlossen. Was es dann auch tatsächlich ist. Ob er es hinter der Augenklappe sonst offen hat, wenn er schaut, kann ich Dir nicht beantworten. Falls ja, wird er sich umgewöhnen müssen, falls nicht - nicht. Jedenfalls konnte er es vorher öffnen, dann nicht mehr. Und es kann auch nichts mehr hineingelangen. Allerdings werde ich Boldi nochmal darauf hinweisen, dass er auf Vano aufpasst, dass er sich nicht schminkt. Ich überlege ob ich die Augenlider unten eröffne. Denn wenn ich sie dann zusammennähe, verwachsen sie völlig. Unterlasse ich dass, könnte man zur Not die Augenlider wieder öffnen. Nun dass könnte ich allerdings auch mit einem Schnitt", erläuterte Fran während er die Pinzette samt Tupfer zur Seite legte und sich die Augenhöhle Millimeter für Millimeter anschaute. "Was so einige Zeit kein Kleister im Gesicht ausmacht", grinste er. "Sieht sehr gut aus", freute sich Fran und schaute Ciel über die Schulter. "Du kannst wirklich gut zeichnen. Blaumohnsaft, 15 Tropfen, in Ordnung", warf Francois ein und zog eine Spritze auf. "Sedierung, gegen die Schmerzen. Weil großer Schmerz kann auch aus dem Schlaf reißen, glaub es mir. Der Alkohol tut sein übriges, aber sicher ist sicher. Du musst also nicht um seine Narbe bangen, auch wenn Du vermutlich einer der Wenigen bist, der ihr etwas Schönes abgewinnen kann. Ich sehe darin weder Schönheit noch Hässlichkeit, ich sehe darin einen Teil der Geschichte seines Lebens und ich war es auch, der sie die ganze Zeit pflegen musste, damit er es packt. Und ich habe es gerne getan. Eine getriebene Seele, die manchmal genau deshalb in Lethargie verfällt, da es zu viele Ziele auf einmal werden. Ganz oder gar nicht, gehn oder bleiben. Wie steht es mit Dir? Du siehst auch nicht aus wie jemand, der die Hände in den Schoß legt und darauf wartet, das geschieht was geschehen soll. Du bist auch jemand, der die Sachen lieber selbst klärt nicht wahr? Du findest Wege, statt Ausreden vermute ich", sagte Fran und verpasste Vano die Spritze.
Ciel Felicien de Souvagne
»Ich würde sie nicht vollständig verwachsen lassen. Vielleicht verträgt er das Verschließen nicht und dann hat er eine unnötige Wunde mehr, falls es sich dahinter entzündet. Aber ich kenne mich mit physischen Heilungsmethoden nur oberflächlich aus. Ich hoffe, dass ich von dir mehr davon lerne. Bislang heilte ich fast nur mit Hexerei.« Ciel zeichnete weiter und arbeitete die Plastizität der Narbe heraus. »Silvano ist mir dahingehend ganz ähnlich, dass wir beide die Dinge nicht gern auf sich beruhen lassen, das schätzt du richtig ein. Ich würde mir wünschen, ich könnte es manchmal. Aber es gibt einfach immer irgendwo etwas so Wichtiges zu tun, dass kein Aufschub möglich ist.« Nun radierte er doch und pustete die Krümel hinfort. Würde er die mit der Hand oder dem Ärmel wegfegen, würde er sein Werk verwischen. »Mir wurde gesagt, du seist anatomisch vermutlich nicht in der Lage, unser Kind zu bekommen«, sagte Ciel plötzlich. »Es muss geholt werden und du wirst sehr zeitig schon liegen müssen. Benito kennt keine weiteren Menschen wie dich und Verrill, aber er hat mir verraten, wo Vail Banaudon haust. Ich möchte ihn gern besuchen.«
Francois Grimard
Fran schaute Ciel über die Schulter an. "So sehr ich ihn verabscheue, er hat Recht. Ich werde sehen wie es mir geht und mich schonen. Mach Dir keine Sorgen, den ganzen Tag herumliegen, sollte ich hinbekommen, wenn Du mich mit Büchern versorgst und ich für etwas anderes noch aufstehen darf. Nun da die Höhle desinfiziert ist, wird sich dahinter nichts bilde. Falls doch würde ich sie eröffnen. Mir behagt es nicht, dass da ein Tor bleibt. Es ist besser wenn die Augenhöhle verschlossen ist. Bei einer offenen Augenhöhle können Keime eintreten, diese führen zu Entzündungen und Vereiterungen. Kleine Fremdkörper führen ebenfalls dazu, wie ich Dir ja erläuterte. Und diese Entzündung schon sehr nahe am Gehirn wäre, wäre es eine Blutvergiftung ebenso. Silvanos Auge ist wenn ich es sonst zur Behandlung betrachte geschlossen, Du siehst nur einen Schlitz der geschwollenen Augenlieder. Es sieht wie ein zusammengekniffenes Auge aus. Wahrscheinlich kneift er es auch zusammen. Was möchtest Du bei Vail Banaudon? Ich werde Dich nicht zu ihm begleiten Ciel. Nenne es Feigheit, aber ich werde diesen Mann nicht aufsuchen. Nach der Entbindung vielleicht, vorher nicht. Wenn unser Kind geholt werden muss, wirst Du mir beistehen?", fragte Fran und schaute wie weit Ciel mit der Zeichnung war, als er Nadel und Faden bereit machte.
Ciel Felicien de Souvagne
»Ich werde dabei sein, Florismart und Alexandre. Und wenn ich es irgendwie kurzfristig einrichten kann, auch Dantoine. Auch der oberste Priester, welchen ich für das Tempelschiff mitnehmen werde - wobei noch zu klären ist, welcher das sein wird - wird für dich da sein. Ferrau besser nicht, er würde umfallen. Er wird danach helfen, wenn deine Wunde wieder verschlossen wurde. Du erhältst nicht nur Bücher, sondern eine eigene kleine Bibliothek, wenn du mir verrätst, was du gern liest und auch einen Vorleser und einen Barden, der für dich singt. Du musst mich nicht zu Banaudon begleiten, Bellamy kommt mit.« Ciel lächelte. »Du bist hier der Heiler. Wenn du sagst, die Augenhöhle muss verschlossen werden, hat dein Wort mehr Gewicht als meines.«
Francois Grimard
"Du bist mein Lehrling und sollst nachdenken Ciel, drum frage ich Dich. Ich lese gerne Abenteuerromane oder Pferderomane, vermutlich weil ich nie eines hatte. Am Besten in Kombination, eigentlich lese ich abends alles, wenn ich ehrlich bin. Gute Unterhaltung ist etwas wert. Einen Barden? Ja aber er soll nicht singen, sondern nur spielen. Gesang muss nicht sein, er soll nur die Stimmung im Buch untermalen. Nein Ferrau dann auf keinen Fall, ich liege dort selbst zur Behandlung, ich kann ihm nicht beistehen", sagte Fran mit einem Zwinkern. "Gut dass ist lieb von Dir, geh mit Bellamy allein. Mich würde das zu sehr aufregen und dass kann ich im Moment nicht gebrauchen. Eigentlich kann man so etwas nie gebrauchen. Falls Du magst, kannst Du mir ja auch einige Dinge zeichnen, die ich mir während meiner Liegephase anschauen kann. Das würde mich freuen. Meine wöchentliche Überraschung oder so. Da habe ich ja einen eigenen ganzen Hofstaat", schmunzelte Fran und schnitt vorsichtig die Augenlider ein und tupfte das Blut ab, ehe er anfing mit unsichtbarem Stich das Auge behutsam zu vernähen. "Wächst es ganz zusammen, können sich auch zwischen den Nähten keine Kleinigkeiten mehr hindurchmogeln, wie Sandkörner oder dergleichen. Daran muss ich ebenso denken", flüsterte Fran, während der Hochkonzentriert nähte.
Ciel Felicien de Souvagne
Ciel störte ihn nicht, während er nähte, sondern schraffierte nun mit einem Füllfederhalter, der mit schwarzer Tusche gefüllt war. Füllfederhalter waren sehr teuer, aber Ciel besaß gleich einen ganzen Satz mit unterschiedlicher Federstärke. Erst, als Fran fertig war mit Nähen, sprach er wieder. »Du wirst ein eigenes Pferd bekommen und Reitunterricht, sobald unser Kind da ist und du dich ausreichend erholt hast. Pferderomane bekommst du trotzdem, so viele du möchtest. Der Barde wird spielen, was du ihm aufträgst oder die Klappe halten und sich mit seinem Gedudel verziehen, um andere zu plagen. Ich werde ein sehr aufmerksamer Schüler sein, ich bin dahingehend ein Streber. Alexandre liebt mich dafür. Ob ich es schafffe, dir wöchentlich eine Zeichnung anzufertigen, kann ich nicht versprechen, aber ich werde an dich denken und es versuchen.«
Francois Grimard
"Die Zeichnung kann doch ganz klein sein, ich werde Dir auch etwas zeichnen. Als fairen Ausgleich, damit Du nicht alleine pinseln musst. Reitunterricht wäre angebracht und ein liebes, ruhiges Pferd. Ein Pferdeopa am besten", schmunzelte Fran, aber sein Gesicht blieb weiter hochkonzentriert, bis er fertig genäht hatte. Danach desinfizierte er gründlich das vernähte Auge, ließ Ciel einen Blick darauf werfen und versorgte Vano dann mit einem Verband. "Ein erstklassiges Set an Füllern hast Du da. Ich habe eine Glasschreibfeder. Die habe ich einst von Conni geschenkt bekommen, als Neujahrsfest in Beaufort war. Er bringt einem immer Kleinigkeiten mit, nicht nur mir. Also kein Grund zur Eifersucht, jedem seiner Freunde auch Jaques und seinem kleinen Sacha. So ist er einfach. Beim nächsten Fest denke ich an Dich und kaufe Dir auch einen. Falls ich da noch laufen darf. Lieblingsfarbe?", hakte Fran nach und küsste Ciel.
Ciel Felicien de Souvagne
»Hellblau und Moosgrün«, erwiderte Ciel schmunzelnd. »Meine Gemächer sind nicht umsonst moosgrün tapeziert und mit Efeuranken an der Zimmerdecke bemalt. Du hast also mit deiner Augenfarbe bei mir genau ins Schwarze getroffen. Eine Glasfeder hat auch Verrill von Linhard geschenkt bekommen, da war ich immer ein wenig neidisch drauf, habe mir aber auch keine eigene organisiert. Ich würde mich sehr darüber freuen. Mich eifersüchtig zu machen wäre auch keine gute Idee von Conni«, sagte Ciel freundlich. »Aber wegen eines kleinen Geschenkes zieht niemand meinen Zorn auf sich.« Neugierig besah er sich das zugenähte Auge, desinfizierte noch einmal seine Finger und tippte mit der Fingerspitze drauf herum.
Francois Grimard
"Ich bin nicht Connis Beuteschema, keine Angst. Aber jeder der sein Freund ist, ist seine Beute was kleine Zeichen der Freundschaft angeht. Dass hast Du sehr schön gesagt. Ich werde Dir eine Feder organisieren und falls das möglich ist, werde ich sie gravieren lassen. Extra für Dich. Hat Dein Mann gut gearbeitet?", fragte Francois, stand auf und küsste Ciel erneut. Bist Du so lieb und holst Boldiszar kurz her? Er soll sich kurz seinen Mann anschauen und dann hier Wache halten. Habe ich Dir eigentlich gesagt, wie froh ich bin, dass ich Dich gefunden habe? Eigentlich sollte ich dem Lich dankbar sein. Er war wohl der gefährlichste Liebesbote aller Zeiten".
Ciel Felicien de Souvagne
»Wir hätten uns auch ohne den scheußlichen Lich getroffen, da ich Verrill versprach, für sie nach Kabir zu suchen.« Ciel machte sich lang, um seinen großen dünnen Mann ordentlich küssen zu können. »Wie sieht Connis Beuteschema denn aus? Ich glaube, Robere findet ihn interessant, wenn ich seine Blicke richtig deute.« Ciel verschwand kurz und kehrte mit Boldiszàr im Schlepptau zurück.
Boldiszàr
Boldiszàr kam wie ein Stier in den Behandlungsraum gestürmt, fegte Francois zur Seite und beugte sich mit angstverzerrtem Gesicht über seinen Mann. Er hielt Silvanos Kopf mit beiden Händen fest, so als fürchte er, Silvano würde gleich vornüberfallen. Er besah sich die Naht, während er Silvanos Gesicht mit beiden Daumen streichelte. »Was muss ich machen? Muss ich was beachten? Kann ich ihn draufküssen und drüberlecken und so was?«
Francois Grimard
"Du hast nach mir gesucht?", fragte Fran ergriffen. "Und Du hast mich per Zufall gefunden, wobei das kein Zufall sein kann. Mittlerweile glaube ich, ich sage das hundert mal die Woche", grinste er glücklich. "Connis Beuteschema, tja er mag es wenn sie weich und anschmiegsam sind. Ganz zarte Haut haben, ganz blass, wenn sie klein sind, wenn sie niedlich sind, so ungefähr musst Du Dir sein Beuteschema vorstellen. Und er mag es wenn sie nicht ganz da sind, sobald es zur Sache geht. Er mag beides, Männer wie Frauen, er macht keinen Unterschied. Aber je nach Geschmack bevorzugt er das eine oder andere. Am besten sollen sie schlafen", sagte Fran und hob kurz ein kleines Fläschchen. "Zuerst musst Du ganz ruhig bleiben Boldiszar. Nein auf keinen Fall! Weder drauffassen, noch lecken noch sonst etwas. Du musst es dreimal am Tag desinfizieren. Hiermit", sagte Fran und reichte ihm vorsorglich eine Flasche. "Dafür nimmst Du einen Tupfer, tränkst ihn in der Flüssigkeit und tupfst großzügig das Augenlid ab. Danach kommt ein frischer Verband drum. Falls Du dass nicht kannst, übernehme ich das. Innerhalb einer Woche, wird die Narbe gut ausgeheilt sein, jedenfalls verheilt, durchgeheilt hoffen wir auch. Alles schon sauber halten und er wird sich nicht schminken! Und wenn Du ihn dafür übers Knie legen musst! Keine Schminke, sonst muss ich ihn operieren! Er wird nicht baden gehen. Baden heißt über Bord springen und im Wasser planschen oder solche Scherze. Das wird er nicht. Und er wird nicht am Strand rumlaufen. Die eine Woche wird das zu schaffen sein. Er darf nichts ins Gesicht bekommen. Und er soll nichts trinken und vor allem nicht rauchen. Danach lieber Boldi, hat Dein Mann keine Probleme mehr. Kein Schminkdreck wird je wieder in seine Augenhöhle gelangen, keine Sandkörnchen, kein anderer Scheiß. Also pass gut auf ihn auf. Ciel war so freundlich mit anzupacken. Vano hatte es immer vor und sich immer gedrückt. Heute ist vorbei mit der Drückerei. Vor allem, denk dran, wenn wir auf der Insel anlanden. Da muss er ins Wasser springen und durch Dschungel laufen. Sieh zu dass er gut isst, füttere ihn mit Kuchen und Nachtisch. Und bitte ein bis zwei Tage keinen erhöhten Blutdruck ja? Das heißt, kein Sex", grinste Francois.
Boldiszàr
Bei den letzten Worten sanken Boldiszàrs Schultern etwas hinab. Aber er nickte. »Drei mal am Tag desinfizieren und Silvano übers Knie legen, wenn er nicht spurt. Er wird essen, dafür sorge ich und wenn er auf die Idee kommt, sich zu schminken, tut er das noch einmal und dann nie wieder. Am schwersten wird wahrscheinlich dass er nicht saufen und rauchen darf. Aber auch das krieg ich hin.« Er tätschelte Silvano liebevoll. »Zart und anschmiegsam, Conni wäre entweder ein guter Beißer oder die kommen sich mit ihrer Beute ins Gehege.« Er hob Silvano auf und schleppte ihn allein quer über das Schiff und in seine Kajüte, wo er ihn in die Hängematte wuchtete und sich dazulegte. Er legte eine Hand über Silvanos Bauch und passte auf ihn auf, damit er nicht wegen seinem Auge erschrak, wenn er aufwachte.
Francois Grimard
Fran freute sich darüber wie Boldi direkt mitarbeitete. Auf den Mann war Verlass, er schaute zu Ciel herab und grinste breit. "Also schminken wird sich Vano vermutlich nie wieder", lachte er leise. "Und Du machst bitte so etwas auch nicht, vor allem nicht mit Bleiweiß. Das ist gefährlich und ich möchte nicht dass Du krank wirst oder Dich vergiftest. Du hast mir gut assistiert", sagte Fran und kraulte Ciel den Nacken.
Ciel Felicien de Souvagne
»Nicht schminken? Aber ich muss mich auf vorgeschrieben Art und Weise präsentieren«, gab Ciel zu bedenken. »Ist Bleiweiß wirklich dermaßen ungesund? Wenn ja, sprich mit meinem Vater wegen Alternativen. Hier an Bord, im Urlaub, werde ich jedenfalls ungeschminkt herumlaufen. Schatz, ich verabschiede mich vorerst von dir. Ich habe mit Bellamy noch etwas zu erledigen.« Er küsste seinen Verlobten genüsslich. »Hm, du küsst gut«, fand Ciel und küsste ihn gleich ein zweites Mal.
Francois Grimard
"Ja es kann zu tödlichen Vergiftungen führen. Du verlierst Haare, Zähne, es zerstört die Haut und und und, also bitte benutz es nicht, sondern reines Abdeckweiß für die Haut. Das Zeug ist zwar auch nicht sonderlich gut, aber es vergiftet Dich nicht. Es kleistert Dir nur die Haut zu wie Theaterschminke. In Ordnung bis später, seid vorsichtig und melde Dich sobald Du zurück bist. Ich frag ob uns der Smut ein Stück Kuchen aufhebt", freute sich Fran und küsste seinen Mann lange und liebevoll.
Ciel Felicien de Souvagne • Gestern, 19:51
»Ich werde auf dich hören«, antwortete Ciel mit einem ungewöhnlich sanften Lächeln, das aber nur kurz weilte, weil er dann schon wieder verschwunden war. Er eilte über das Deck und fragte nach Bellamy, bis er ihn fand.