Blutrote See - Kapitel 16 - Etwas Ruhe vor dem Sturm

  • Etwas Ruhe vor dem Sturm



    Drei Vögel für den Rübenhof, das war der Tausch zwischen Ciel und Davet gewesen. Den Hof benötigte Davet schon lange nicht mehr. Im Grunde hatte er ihn nie gebraucht, denn er war seit seiner Kindheit sein Gefängnis gewesen. Harte Arbeit und ein extrem harter Vater. Mit der Arbeit konnte er leben, mit seinem Vater nicht.


    Corentin la Caille, besser bekannt als Quennel. Himmelsauge und Hochverräter, Mörder des Duc Alain Etienne de Souvagne und dessen Sohn Bernard Pomeroy, sowie der Mörder der Agenten der Autarkie. Und damit der Mörder von Silvanos, Boldiszars und Bellamys Eltern. Wie von so vielen anderen.


    Damals hatte er all das nicht gewusst, als er von Zuhause geflohen war und ein neues Leben anfing. Aber irgendwann kehrte man immer an seinen Ursprungsort zurück, genau wie die Meeresschildkröte eines Tages den Strand ihrer Geburt aufsuchte.


    Sie tat es, um ihr Gelege abzulegen und der nächsten Generation das Leben zu schenken.
    Er tat etwas Ähnliches, er schenkte dem Hof ein neues Leben, mit neuen Besitzern, die hoffentlich glücklich darin wurden.


    Glücklicher als er in seiner zu Bruch geschlagenen Kindheit, würden die Beißer hier auf alle Fälle werden. Das war kein Kunststück.


    Davet freute es, wie glücklich die Beißer über den Hof waren. Als die Gruppe sich das Haus des Rübenhofs von innen anschaute, machte er sich auf den Weg zurück zum Palast.


    Im Palast angekommen suchte Davet als erstes Adrien Meunier, den Hofmarschall auf. Er stellte sich dem Mann vor und nach einer längeren Erläuterung mit einem ziemlich angenehmen Gespräch bei Kaffee und Keksen, führte ihn Adrien zu den Ställen der Prachtadler.


    Davet schaute sich alle frei zur Verfügung stehenden Tiere an und wählte dann drei der majestätischen Geschöpfe aus. Ein schwarz-blauen Pracht-Adler wählte Davet für Boldiszar und einen violetten Vogel für sich. Für Silvano wählte Davet ein blaues Tier, blau wie die See, das würde ihn aufmuntern.


    Boldis und Davets Pracht-Adler Link:
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    Davets Pracht-Adler Link:
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    Silvanos Pracht-Adler Link:
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    Gemeinsam mit Adrien machte er sich auf den Weg nach Hause und wartete auf seine beiden Männer um sie mit den Vögeln zu überraschen.


    Davet freute sich auf einige, ruhige und entspannte Tage bei Silvanos Eltern in Mancini. Ruhe, Gemütlichkeit, dass Meer vor der Haustür und Vano und Boldi an seiner Seite. Es würde ein richtig schöner kleiner Urlaub werden.


    Etwas Ruhe vor dem Sturm.

  • Santo



    Kaum das die Choucas im Hafen eingelaufen war und sich der Drachenhahn von Prince Ciel auf den Weg nach Beaufort machte, erhielt Santo einige Zeit später die Nachricht, dass sein Sohn zurück gekehrt war.


    Allerdings steckte er in großen Schwierigkeiten. Kurzum er steckte bis zum Hals in der Scheisse, wie ihm Jaques hatte ausrichten lassen. Wem die Scheisse bis zum Hals stand, der durfte auf keinen Fall den Kopf hängen lassen. Santo hatte die Nachricht mit steinerne Miene vernommen.


    Er fragte sich, ob es sein Sohn bewusst darauf anlegte. Aber gleich was Silvano tat, er war sein Sohn und er würde ihm beistehen. Leala erzählte er nichts von Vanos neustem Geniestreich.


    Jaques hatte Santo ausrichten lassen, dass Silvano seinen Prozess samt seiner Verurteilung direkt nach Ankunft erhalten hatte. Dank Prince Ciels und Boldiszars Fürsprache, war er mit einem gewaltig blauen Auge davon gekommen. Entmündigt bis zur Heilung, aber ansonsten nur seiner Posten bis auf weiteres enthoben. Nach Genesung würde die Welt für Vano hoffentlich anders aussehen... besser, freundlicher.


    Als Santo die Tür öffnete und Silvano ihm gegenüberstand, umarmte Vano ihn fest. Santo ergriff seinen Sprössling an der Kleidung, zerrte ihn zu sich heran und drückte ihn an sich. Curzio erwartete das übliche Abschütteln. Erstaunlicherweise ließ Vano ihn nicht los, sondern hielt sich weiter an ihm fest. Von seiner sonstigen Abwehrhaltung war nichts mehr übrig.


    Vano hatte Angst, dass spürte Santo.
    Curzio wurde kurz schwindlig als er Davet hinter Vano stehen sah!
    Bevor Santo fragen konnte, fing Silvano bereits an zu sprechen.


    "Papa ich hab Scheisse gebaut, aber so richtig große Scheisse. Ich wollte es wieder gut machen, aber ich hab zum dritten Mal versagt und mich noch mit dem Prince gestritten. Ich habe die Choucas samt meinem Job verloren. Vorerst jedenfalls, nicht auf Dauer. Sie haben mich entmündigt und mich dazu verurteilt mich in einem Tempel heilen zu lassen. Ich habe schriftlich, dass ich nicht mehr alle Tassen im Schrank habe... wunderbar oder? Nur weil ich es einmal richtig machen wollte, ein einziges Mal Paps.


    Ich habe Boldi geheiratet, ich habe Dir doch von ihm geschrieben. Du wirst ihn mögen, er ist ein guter Kerl, mehr noch er ist der Beste. Dank ihm und Prince Ciel habe ich nicht den Kopf verloren. Davet habe ich wieder. Frag nicht wie, es ist eine lange, unglaubliche Geschichte. Genauso unglaublich wie jene Geschichte, wer Boldiszar wirklich ist Paps.


    Sag Mama nichts davon. Zwar habe ich mich danach mit dem Prince ausgesprochen, aber die Vergehen bleiben bestehen und ich muss in den Tempel zur Heilung meiner Seele. Ich halte mich an das Urteil und gehe jeden Tag in den Tempel", erklärte Silvano leise.


    Santo schob seinen Sohn eine Armlänge von sich und schaute ihm ins Gesicht. Vano war ungeschminkt, was selten der Fall war. Die grauenvolle Narbe trat nicht mehr ganz so wulstig und rot hervor. Sie sah flacher aus, so als wäre sie nach all den Jahren weiter abgeheilt.


    "Ich versuche mein Bestes um Dich zu unterstützen, ich werde den Tempel bitten, einen Heiler abzustellen, damit Du hier vor Ort behandelt werden kannst. Was hast Du verbrochen?", fragte Santo und versuchte dabei einen beruhigenden Ton anzuschlagen.


    Es war zum verrückt werden, ausgerechnet jetzt wo Vano zugänglich wurde und sich so verhielt, wie es sich Santo von einem Sohn wünschte, verkündete sein Kind ihm diese Misere.


    "Lass einfach, ist schon in Ordnung. Nebenbei ich weiß was Du getan hast Papa, ich sah es in einer Rückführung. Du hast mir damals das Leben gerettet. Danke für alles. Hab Dich lieb", flüsterte Silvano.
    "So lass ich Dich nicht davon kommen Vano. Dafür habe ich Dich nicht gerettet oder adoptiert. Nichts ist in Ordnung, ich lasse nichts so stehen, Du bist mein Kind. Der Heiler kommt hierher, wer weiß wo Du Dich sonst rumtreibst um Dich zu drücken! Gleichgültig was Du anstellt oder wie alt Du bist. Rede", forderte Santo mit Nachdruck.


    "Missbrauch von Militärmaterial, Vortäuschung falscher Tatsachen, Amtsmissbrauch, Kriegsverbrechen sollte man die Echsen so sehen, Befehlsverweigerung, Beleidigung und Angriff der Krone, Hochverrat. Ich gehe zum Heiler, jeden Tag Paps. Das hilft wirklich und ich gehe für Boldi und Euch alle da hin. Angst habe ich trotzdem. Was wird aus den beiden, falls ich das nicht schaffe? Ich hoffe sie unternehmen etwas gegen die Echsen, dann war meine Vorarbeit nicht umsonst. Ich hab meinen Vater als beschworenen Geist auf der Choucas gesehen. Ein Nekro hat ihn für uns gerufen. Das war seltsam Papa", flüsterte Vano.
    "Im Namen unserer Familie, werde ich um Deine vollständige Begnadigung bitten. Ferner um eine Strafzahlung zur Wiedergutmachung, ich hoffe das akzeptiert der Duc, wenn ich ihm erkläre, was Dich da geritten hat. Ich hoffe das bekommen wir hin. Und der Heiler kommt hierher Vano, glaub mir das", sagte Santo und hielt Vano beruhigend fest.


    "Danke Papa", freute sich Silvano.
    "Danke mir nicht, sondern werde gesund. Du lässt nichts aus oder? Zum Glück hast Du niemanden ermordet...", erwiderte Santo so ruhig wie möglich.


    Vano grinste seinen Vater entwaffnend an.
    "Oh bitte nicht", stöhnte Curzio.


    "Es war eindeutig Massimos Schuld, er hat einen Bericht völlig falsch wiedergegeben. Damit fing alles an, er bedrohte mein Schiff und meine Mannschaft", erklärte Silvano.
    "Jetzt kommt erst mal rein. Hallo Boldiszar, schön Dich endlich persönlich kennenzulernen. Davet, wo immer Du herkommst, schön dass Du wieder da bist. Willkommen Zuhause Ihr Drei", sagte Santo und drückte Boldi und Davet gleichzeitig zur Begrüßung.

  • Leala


    Vano saß in aller Frühe allein in der Küche seiner Eltern. Er genoss eine Rauchstange, einen Kaffee und die morgendliche Stille. Gerade als er die Rauchstange im Aschenbecher ausdrückte umarmte ihn jemand liebevoll von hinten und küsste ihn auf den Kopf. Silvano schaute lächelnd nach oben.


    "Morgen Mama", grüßte er seine Mutter Leala.
    "Guten Morgen Schätzchen", antwortete diese liebevoll und setzte sich neben Vano.


    Silvano goss seiner Mutter ebenfalls einen großen Becher Kaffee ein, ehe er sich selbst nachschenkte. Leala drückte ihrem Sohn einen Kuss auf die Wange, rutschte ganz nah zu ihm auf und verschränkte ihre Hände um dem warmen Kaffeebecher. Vano erwiderte die Geste und legte kurz seinen Kopf die die Schulter von Leala.


    "Schmusig?", fragte Vanos Ma und strubbelte ihm durch die Haare.
    "Ja Ma, ich fühle mich rundum wohl", gestand Silvano gut gelaunt.


    "Schön zu hören Schätzchen. Ich habe mit Deinem Vater geredet, er freut sich sehr, dass sich Euer Verhältnis so gebessert hat. Dein Boldi tut Dir gut und Davet hast Du auch wieder. Meine Güte, ich hätte nicht gedacht Calli noch einmal zu sehen. Er und Santo sind heute unterwegs, also musst Du mit Boldi und mir Vorlieb nehmen", lächelte Leala.


    "Ach Mama, ich liebe Boldi und bin absolut glücklich mit ihm. Er ist ein so guter Mann, dass ich mich frage, warum ich zwei von der Sorte an der Seite habe. Er gehörte schon immer zu mir, stell Dir das mal vor. Schon von klein auf. Er hat mir im Palast das Leben gerettet. Ich glaube nicht, dass es so glimpflich ausgegangen wäre, wäre Boldi nicht gewesen. Du hättest hören müssen, was er über mich sagte und wie er es sagte. Er liebt mich Mama und wie er das tut. Er stand für mich ein. Ich war ihm unendlich dankbar und so stolz auf ihn.


    Aber es stimmt auch alles andere was er sagte, dass wurde mir klar. Ich glaube die Augenwunde heilte nicht richtig, weil die auf der Seele auch nicht heilte.


    Boldi ist manchmal ein wortkarger Mensch, er sagt nicht viel. Allerdings denkt er sehr viel nach, er redet nur nicht immer darüber. Aber wenn er etwas sagt, hat das Hand und Fuß. Manchmal ist das was er sagt, wie das zu meiner Verteidigung, von einer derartigen Tiefe, dass es mir die Kehle zuschnürt vor Rührung. Und gleichzeitig hat er mir die Augen geöffnet, er hat erkannt was in meinem Kopf schief läuft Mama. Als er es aussprach, erkannte ich es selbst. Manchmal muss man auf solche Dinge gestupst werden.


    Vor der Heilung im Tempel hatte ich Angst, aber kneifen gilt nicht Ma. Boldi hat ohne zu zögern die Vormundschaft übernommen, um mir zu helfen. Also mache ich das auch. Ich sage mir immer, ich habe schon ganz andere Dinge durchgezogen vor denen ich Angst hatte und das tue ich für meinen Mann, mich und meine Familie", schmunzelte Vano glücklich.


    "Ihr gehört eben zusammen Vano. Ihr seid ein schönes Paar und Ihr seid auch ein niedliches Trio. Boldi der Boss, dass ist er doch oder? Wie oft warst Du schon im Tempel und wann musst Du wiederhin Schätzchen?", fragte Leala und öffnete die Gebäckdose, die stets für Gäste auf dem Tisch stand. Sie stellte die Dose zwischen sich und ihren Sohn und drückte ihm einen Keks in die Hand.


    "Danke. Ob Boldi der Boss ist? Na klar, eindeutig. Ich war jetzt schon einige Male da und es tut mir echt gut. Hätte ich zu Anfang gar nicht gedacht, aber nun bin ich froh, dass ich es in Angriff genommen habe. Auch wenn manchmal seltsame Erinnerungen und Gefühle hochkommen. Das gehört dazu, so hat es mir mein Heiler erzählt. Ich habe vorhin meinen Bericht geschrieben. Das mache ich immer einige Tage nach der Behandlung, um das alles noch einmal sacken zu lassen. Irgendwie geht man die Dinge gedanklich genauer durch, die man aufschreibt. Davet liest sich meine Berichte durch. Keine Ahnung ob er mich kontrolliert, oder ob er einfach Interesse daran hat, wie ich voran komme. Er kommentiert meine Berichte leider nicht, er liest sie, küsst mich danach und gibt sie mir wieder.


    Wo ich von Knubbel und Wuschel rede, vermisse ich beide. Ich hab Schmacht auf meine Männer", sagte Vano mit einem sehnsüchtigen Lächeln und zündete sich eine neue Rauchstange an.


    "Er macht beides Schätzchen, er interessiert sich und er kontrolliert Dich. Nun er kommentiert Deine Berichte nicht um Dich nicht zu beeinflussen. Das macht er schon richtig. Schmacht, was meinst Du denn mich Schmacht Vano?", lachte Leala ihre helle Lache.
    "Wie erklärt man seiner Mama welchen Schmacht man hat?", grinste Vano breit und zwinkerte Leala zu.


    "Ach Du", prustete Leala und gab ihm einen Klaps vor die Schulter.
    "Wir sind beide erwachsen Ma, ich glaube die beiden haben mich gesperrt für den Unsinn den ich verzapft habe. Der Angriff war nicht das Problem, sondern der Ungehorsam und das mir die Genehmigung dazu fehlte. Mir fehlt Boldis morgendliche Zuneigung. Ich hatte ihm vor der Verurteilung ein paar Mal dezent gefragt, aber keine Reaktion. Davet zieht mit ihm gleich, die haben sich abgesprochen. Naja verdient hab ich es ja", grinste Vano rauchend.


    "Dezent? Boldiszar ist kein Mann den Du dezent fragen musst. Im Gegenteil, ich habe ihn als Schwiegersohn gleich ins Herz geschlossen. Der Mann weiß, das Liebe durch den Magen geht. Sobald ich ihm etwas Leckeres hinstelle, isst er es sofort. Er weiß meine kleinen Botschaften für meine Söhne zu schätzen", freute sich Leala.
    "Dezent war ihm meinen Hintern in den Schritt zu drücken, also nicht sonderlich dezent. Lange gedulde ich mich nicht mehr, dann falle ich über ihn her. Botschaften? Wo sind denn meine?", fragte Vano lachend.


    "Verführe Deinen Mann doch mal schön, da freut er sich bestimmt. Schenk ihm Aufmerksamkeit, etwas Köstliches zu Essen vorher und er wird schmelzen. Dann bist Du noch ein bisschen lieb zu ihm, dann wird das schon. Da Du Deine Leckerchen eh nicht anrühren würdest, isst Boldi Deine Botschaften direkt mit auf", antwortete Leala so trocken, dass Vano loswiehern musste vor Lachen.
    "Ja das ist Boldi wie ich ihn liebe, ich gönne ihm jeden Bissen meines "Hab-Dich-Lieb-Leckerlis", es sei denn es ist ein Dessert, da hätte ich auch gerne ein oder zwei Löffel von ab. Der Rest gehört ihm. Ihn zu verführen ist eine gute Idee, danke Mama", sagte Vano gut gelaunt.


    "Santo konnte es kaum glauben, als er hörte was los war. Du hast uns einen gewaltigen Schrecken eingejagt Silvano Giovanni de Mancini...", erklärte Leala und nahm das Gesicht von ihrem Sohn in beide Hände.
    "Ma...", setzte Vano an.


    "Mach so etwas niemals wieder, hörst Du?", forderte sie unmissverständlich. In ihren Augen stand Wut und grenzenlose Liebe, während ihr Griff fast schmerzhaft wurde.
    "Ja Mama, ich schwöre es Dir", antwortete Silvano mit einem Kloß im Hals.


    Leala küsste ihren Sohn und wischte ihm dann mit dem Daumen den Mund sauber.


    "Wenn Du schon ungeschminkt bist, soll das auch so bleiben", erklärte sie mit feuchten Augen und strich ihm durch die Haare. Silvano musterte seine Mutter stumm und nahm sie fest in die Arme.
    "Ich schminke mich nicht mehr Mama, Boldi hat es mir verboten. Und seit dem ich damit aufgehört habe, ist die Narbe auch besser geworden. Es geht mir schon viel besser, seitdem Fran das Auge verschlossen hat", raunte er ihr zu, während er sie fest im Arm hielt.


    "Du kannst sonst nicht hören Vano, dabei meint Fran es nur gut. Schön dass Du wenigstens diesmal gehorcht hast. Schön dass es Dir endlich besser geht. Zukünftig werde ich mich an Boldi halten bei solchen Dingen. Er ist ein lieber Sohn", antwortete sie liebevoll und gab Vano wieder frei.
    "Ganz wie Du magst Mama. Sag ihm das ruhig mal, darüber freut er sich", erklärte Silvano und nahm sich ebenfalls einen Keks aus der Dose.


    "Das sage ich ihm jeden Tag mit etwas Leckerem. Er bekommt genau wie Davet einen eigenen Bereich in unserem Haus, er gehört zur Familie und das wollte Santo sich nicht nehmen lassen", sagte Leala und nahm sich ebenfalls noch einen Keks.
    "Sag Papa ich möchte mit Davet und Boldi zusammenwohnen. Also er soll das irgendwie so deichseln, dass er ihre Zimmer an meine legt und wir meins Zimmer als gemeinsames Schlafzimmer nutzen. Das wäre schön", grinste Vano.


    "Die Idee ist wirklich schön, ich spreche heute Abend direkt mit Deinem Vater", freute sich Leala.

  • Freund vom Käptn



    Die Aquila hatte in Mancini angelegt und Davet hatte seiner Mannschaft Landgang gewährt. Bevis begleitete Davet von Bord, dabei hielt er ein kleines Päckchen an die Brust gedrückt. Vano schmunzelte die beiden an und betrachtete wehmütig das Schiff von Davet. Bevis trat auf Boldi und Silvano zu und schaute zu ihnen auf.


    "Du bist der Freund vom Käptn nicht wahr?", fragte Bev Silvano.
    "Ja das bin ich", antwortete Mancini gut gelaunt.


    "Das ist für Dich", sagte der kleine Junge und hielt ihm das Päckchen hin.
    "Dankeschön, was ist da drin?", hakte Silvano gut gelaunt nach.


    "Würde mich auch interessieren Bev", grinste Davet.
    "Musst Du aufmachen. Das ist für Deinen Freund Käptn", erklärte Bevis.


    Mancini packte das Geschenk vorsichtig aus. Zum Vorschein kam ein Stück Stoff, dass ein Unbeteiligter nicht zuordnen konnte. Silvano und Davet als Seeleute hingegen schauten gerührt und eine Sekunde später wurde auch Boldi aufgeklärt.


    "Eine Flagge für das eigene Schiff", erklärte Vano und faltete sie auseinander.


    Darauf zu sehen war der allseits bekannte Totenkopf der Piraten mit den überkreuzten Knochen. Ein Knochen war nicht ganz vollständig, sondern endete als wäre er abgebrochen.


    "Danke Kleiner", sagte Vano gerührt und drückte Bevis fest an sich.
    "Die hab ich gestickt. Die ist nicht ganz fertig geworden. Wollte ich Dir hinlegen zu Deinem Ehrentag, wenn der Käptn Dich rächt. Der hat Dich nie vergessen, wie ich meine Mama. Sie ist jetzt ein Sturmvogel, weil sie ertrunken ist. Warst Du auch einer, bevor Du wiedergeboren wurdest?", fragte Bev. Der kleine Bursche freute sich, dass Vano die Flagge gefiel.


    "Bevor ich wiedergeboren wurde?", fragte Mancini baff.
    "Du bist ertrunken, wie meine Ma. Was warst Du da? Wo blieb Deine Seele? Warst Du eine Möwe? Wir haben alle Möwen und Sturmvögel gefüttert, die bei uns gelandet sind. Bist Du über die endlose See geflogen und so zurückgekommen?", fragte Bevis hoffnungsvoll.


    Vano hockte sich vor Bevis und umarmte ihn.


    "Ja, ich bin durch die ewigen Stürme der Zeit bis zum Ende der unendlichen See geflogen. Meine Flügel trugen mich bis zum Ufer der Wiederkehr. Dort legte ich mich im Sand schlafen, legte die Gestalt der Möwe ab und kehrte Heim. Und dort fand mich Boldi und hat mich aufgelesen", antwortete Vano.


    Bevis nickte weise.


    "Du kannst das Meer und den Sturm lesen, meine Ma kann das nicht", sagte Bev bekümmert.
    "Nein, dafür rettet sie andere die das auch nicht können und führt sie Heim. Sie rettet verlorene Seelen als Sturmvogel. Es gibt keine ehrenvollere Aufgabe", tröstete Vano den kleinen Jungen.

  • Schwertadel



    Davet lag am Abend gemeinsam mit Silvano und Boldi auf der Decke vor dem Kamin und machte sich einige Notizen, während Vano den schnarchenden Boldiszar kraulte.


    "Hörst Du mir bitte einen Moment zu Vano?", bat Davet.
    "Natürlich, worum geht es?", fragte Silvano neugierig.


    "Um eine neue Adelsform, ich dachte ich unterbreite einen Vorschlag. Titel - Schwertadel. Ein neu eingeführtes Standesvorrecht, jeder Offizier bürgerlicher Herkunft kann unter bestimmten Bedingungen einen Anspruch auf Erhebung in den Adelsstand erlangen. Die wichtigste Voraussetzung hierfür ist eine fünfundzwanzigjähre, einwandfreie Militärdienstzeit und/oder die Teilnahme an einem Feldzug. Altgediente Offiziere mit oder ohne Schlachterfahrung können nach einer Dienstzeit von 40 Jahren auf Grund Ihrer Zuverlässigkeit und Treue ebenfalls in den Schwertadel erhoben werden. Bei dem Schwertadel handelt es sich um persönlichen Adel. Dieser Adel ist ein lebenslanger, der an die begünstigte Person gebundener und daher auch nicht vererblich Verdienstadel. Wie klingt das für Dich?", fragte Davet gut gelaunt.


    "Dann wäre es jedem Bürgerlichen möglich Adel zu erlangen, bei entsprechender Leistung?", hakte Vano nach und spielte mit Boldiszars Haaren.
    "Ganz genau, sein Verhalten im Militär hat den Offizier dann geadelt, er hat es sich durch seine Leistung und seine Treue verdient", stimmte Davet zu.


    "Der Vorschlag hat zur Folge, dass ein geadelter See-Offizier dann das Recht auf das Kapitänsamt hätte. Er schaukelt sich 25 Jahre die Eier, sieht zu dass er als achter Offizier nicht aneckt, wird geadelt und führt ab dato ein Schiff?", fragte Silvano zweifelnd.
    "Ganz genau, dass heißt es. Was stört Dich daran? Dass musst Du mir schon erklären", bat Davet.


    "Das dann jeder Kapitän werden kann, sollte das nicht an gewisse Regularien gebunden sein? Gut 25 Jahre Dienstzeit ist eine lange Zeit, aber mal ehrlich, kamen Dir Deine 25 Jahre so lange vor? Ich habe immer meinen Dienst versehen und auf einmal war es soweit. Auf der anderen Seite lernte ich gleich als Offizier und schlug dann die Kapitänslaufbahn ein. Du hast vier Jahre vor dem Mast abreißen müssen. Was ist nun der richtige Weg fürs Kapitänsamt? Das ist die Frage Davet", gab Vano zu bedenken.
    "Wir können das auch anders herum fragen. Beispiel.
    Silvano de Mancini ist adelig. Gebürtig waren beide Eltern Bürgerliche, kein Blaublüter, geadelt durch Adoption, Recht aufs Kapitänsamt. Davet la Caille ist bürgerlich. Gebürtig war seine Mutter adelig - der Vater bürgerlich, halber Blaublüter, kein Recht aufs Kapitänsamt.
    Wem von uns beiden steht damit eigentlich ein Kapitänsamt zu? Dir offiziell, da Du einen Titel trägst und mir nicht. Aber was sagt der Titel über die tatsächliche Befähigung aus Vano?", fragte Davet liebevoll.


    "Ein Titel sagt alles und nichts. Einerseits sagt Dir der Titel, dass diese Person schon von klein auf eine ganz andere Bildung genossen hat, als ein Bürgerlicher, Gemeiner, oder Leibeigener. Andererseits Praxis schult oft besser als jedes Lehrbuch. Ich habe auf beiden Seiten schon sehr gute und sehr schlechte Männer erlebt. Trotzdem mag ich den Vorschlag nicht. Für mich war Adel etwas besonderes, etwas wie ein Geschenk, etwas das mich gerettet hat. Auf diese Art kann es jeder erreichen und das hat für mich einen faden Beigeschmack. Die ganze Mühe, das ganze Gehabe, das ganze Drumherum was dazu gehört an Benimm und eigenen Regeln, ist damit außer Kraft gesetzt", warf Silvano ein.
    "Nein falsch, es hat etwas sehr Besonderes, da man es sich durch gute Leistungen erarbeiten muss und diese über einen langen Zeitraum erbringen muss. Und ist man geadelt worden, gelten für diesen Adeligen doch die gleichen Verhaltensregeln wie für Dich. Warum sollte ein guter Mann nicht diese Möglichkeit haben? Denke doch zum Beispiel an Bellamy, er wurde auch Palaisin. Oder an alle Agentenkinder, einschließlich Dich. Dort war es eine Anerkennung des Leids und eine Wiedergutmachung. So etwas haben alte Veteranen in meinen Augen auch verdient. Und selbstverständlich würde sich auch so ein altgedienter Offizier über ein Kapitänsamt freuen. Und nicht nur dass, ich glaube er hat genug Wissen auf dem Salzbuckel um davon einiges weiterzugeben", warf Davet ein.


    "Von der Seite aus betrachtet, stimmt das auch wieder. Die meisten gehen dann in Ruhestand, wo ihr Erfahrungsschatz am größten ist. Das ist schade. Mehr noch, es ist ein großer Verlust. Man müsste das Wissen teilen können wie die Himmelsaugen, dann ginge nichts verloren, sondern würde sich stetig vermehren. Aber mich musst Du nicht überzeugen Davet, Du musst den Duc von Deiner Idee überzeugen, oder einen seiner Söhne", antwortete Vano und massierte Boldis breites Kreuz.


    "Gerecht und gerächt Vano sind zweierlei, dass solltest Du bei Deinen Überlegungen bedenken Schatz. Gerecht ist so eine Adelung, sie adelt die Leistung. Was Du über die Wissensschätze gesagt hast, sollte man überdenken. Man sollte alles Wissen notieren, jede Erfahrung. Nicht nur jene die man in die Seekarten einträgt. Das Wissen sollte allen zugänglich gemacht werden. Vielleicht sollten die Salzbuckel ein Jahr früher in Ruhestand gehen oder zwei und dafür ein Lehramt antreten", schlug Davet vor.


    "Die Idee gefällt mir, oder eine begleitende Anlernung, so wie beim Duc und Archi-Duc. Kapitän und Archi-Kapitän. Nach zwei Jahren ist es sein Schiff, die erste Zeit als Kapitän ist nicht witzig, aber auf der anderen Seite schmiedet einen die Feuertaufe. Gilt die Idee für jede Militärlaufbahn also auch Büttel, Garde und so weiter?", fragte Vano.
    "Ja für jeden der sein Leib und Leben für andere riskiert im Dienst der Krone, also auch für die Boldis da draußen", grinste Davet und deutete auf den schlafenden Boldiszar.


    Vano grinste zurück.


    "Du willst mich ködern", lachte Vano leise.
    "Ich will Deine Zustimmung!", schmunzelte Davet.


    "Die hast Du, ich halte doch eh zu Dir. Wobei nach der Dienstzeit und Boldis Knochenschmerzen stimmt, da wäre ein solches Dankeschön schon schön. Die Wärme vom Kamin tut seinen Knochen gut, darum schlummert er so friedlich. Gut Köder geschluckt Calli", grinste Vano.
    "Perfekt", freute sich Davet und schrieb weiter.