Asa Karane Kapitel 01 - Der Bote

  • Asa Karane Kapitel 01 - Der Bote



    Mit donnerndem Tosen brach sich die Sturmfront an der gewaltigen Feste von Hohenfelde. Im Thronsaal flackerte die magische Beleuchtung und warf tanzende Schatten an die dunklen Wände. Blass, bleich, mit der Aura magischer Allmacht saß Fürst Indutiomarus von Hohenfelde auf seinem Thron.


    Der Mann, dessen Alter nicht abzuschätzen war, hob kurz die Hand, um die Domestiken und Sklaven fortzuschicken. Die Tänzerinnen und Tänzer unterbrachen ihre Vorführung und zogen sich zurück. Ebenso die Diener, Lustknaben und Gespielinnen.

    Sein Heer von Gefolgsleuten, bestehend aus Familienangehörigen und Günstlingen säumte nun den Weg zum Thron, wie eine finstere Ehrengarde. Die Garde selbst bestand aus ausgewählten Kampfmagiern und dem Düsterlingsrudel der Schatten, jene Wesen des Abgrund die seit einer Ewigkeit das Vertrauen der Hohenfeldes genossen.


    Die krallenbewehrte Hand von Indutiomarus lag auf dem Kopf seines gewaltigen Hundes. Das kolossale Tier ruhte neben dem Thron seines Herrn. Seine drei Söhne standen etwas unterhalb des Throns und schauten genau wie ihr Vater in Richtung Tür. Einer der Düsterlinge hing regelrecht am Thron und starrte ebenfalls mit grimmiger Miene in die gleiche Richtung.


    Die Abätze des Boten schlugen auf den steinernen Boden, während er ein Spießrutenlauf tödlicher Blicke bis zum Thron erdulden musste.


    Die stahlblauen Augen des Fürsten taxierten den Neuankömmling.


    "Der Bote des Hauses von Kuttenthal, Gesandter von Zunge Ciprianus von Unterstett - Philipp von Trockenhoffen, erbittet Euer Gehör Großmeister", verkündete Bertrand von Ahrenmark die Zunge des Hauses von Hohenfelde.


    Der Fürst zuckte kurz mit drei Fingern und Bertrand verneigt sich tief vor seinem Herrn.


    "Der Großmeister erlaubt es Euch vorzutreten Gesandter", sagte der Mann und deutete an, genau dies zu tun.


    Philipp von Trockenhoffen trat bis vor den Thron, verneigte sich tief und ging auf die Knie. Die Blicke vieler Anwesenden folgten dem Boten wie Raubvögel, andere hingegen behielten gespannt den Fürsten im Auge.


    Mit unbewegter Miene saß Indutiomarus von Hohenfelde auf dem Thron. Absolute Stille senkte sich über den Saal, als der Großmeister der Hohenfelde minimal sein Haupt senkte und ihm eine Strähne nachtschwarzen Haars über die Schulter fiel. Im Dämmerlicht des Thronsaal hatte es fast den Anschein, als bestünde das Haar des Fürsten aus lebende Schatten.


    "Es braucht schon einiges an Schneid oder Schwachsinn um die Feste Hohenfelde ohne Einladung zu betreten. Entzückt mich mit Eurer Botschaft", befahl Indutiomarus unberührt.


    "Ciprianus von Unterstett Zunge von Fürst Wolckel von Kuttenthal sendet Euch seine ehrerbietigsten Grüße Fürstlicher Großmeister von Hohenfelde. Von Unterstett beruft sich auf unsere Allianz im Namen seines Herrn an. Die Kaltenburger haben erneut die Grenze missachtet. Von Unterstett schlägt eine gemeinsame Vorgehensweise im Namen seines Herrn vor. Vereint wäre Kaltenburg nicht länger eine Bedrohung. Wir würden die Landstreitkräfte bilden, Ihr würdet uns mit Euren Flugstreitkräften unterstützten. Kaltenburg würde den kommenden Winter nicht mehr sehen. Die Beute würden wir gerecht aufteilen, wir würden Euch die Sklaven, Frauen und Überlebenden komplett überlassen uns liegt allein an den Ländereien", erklärte von Trockenhoffen respektvoll.


    "Kaltenburg... hm? Das Angebot hinkt...
    Er, die Zunge, beruft sich auf unsere Allianz?
    Na schau mal einer an...


    Unterstett sollte inzwischen wissen... dass sich Allianzen unter Großhexern oft im... Fluss befinden...
    Seine und Wolckels Absicht... sofern sie übereinstimmen... passen durchaus zu den meinen...


    Falls ich eine Unterstützung in Erwägung ziehe, sieht mein Preis wie folgt aus...
    Sämtliches bewegliches Vermögen, auch magisch bewegliches Vermögen....
    Dazu zählen alle Bücher... alle Forschungen... alles... ALLES Zunge...
    Die Frauen, die Sklaven, die Überlebenden... sind Beiwerk....


    Kommen wir zum Gastgeschenk...
    Du wirst doch nicht mit leeren Händen gekommen sein....", hakte der Großmagier nach.


    "Natürlich nicht Eure Hoheit", antwortete von Trockenhoffen respektvoll.
    "Natürlich nicht...", grinste Indutiomarus sein blutleeres Raubtiergrinsen.



    ****

  • Im Gefolge des Fürsten befand sich auch dessen zweitgeborener Sohn.


    Leopoldius war, wie die meisten Anwesenden, vollständig in Schwarz gehüllt. Silbernen Borten zierten seinen eleganten Mantel, unter dem auf nackter Brust ein Amulett ruhte. Dieses Artefakt war der Grund dafür, warum Leopoldius kein Oberteil trug. Es sollte auf blanker Haut und für jeden Sichtbar über seinem Herzen ruhen. Man konnte sich denken, dass es von entsprechender magischer Macht war, wenngleich kaum jemand seine wahren Fähigkeiten einzuordnen wusste. Die eisblauen Augen seines Trägers bildeten einen leuchtenden Kontrast zu dem Dunkel seiner Gewandung. Volles schwarzes Haar fiel über seine Schultern, als wäre es das zugehörige Ornat. Zu den Stiefeln des Mannes lag sein dürres Schoßündchen, ein nacktes, langbeiniges Tier mit riesigen Krallenpfoten, das mit seinen spitzen Ohren an einen Goblin erinnerte und genau so unfreundlich war:


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    Stehend ragte diese langbeinige Kreatur ihm bis zur Hüfte, wog aber nur etwa fünfunddreißig Kilo. Sie war in der Lage, einen Mann im Alleingang zu Fall zu bringen und zu zerfleischen. Für den Bestand seiner Familie war dieses groteske Tier allerdings winzig. Es war eine Missgeburt, die Leopoldius' Gefallen gefunden hatte. Die Elterntiere waren völlig normale Hohenfelde-Hunde mit Fell und ansprechender Gestalt.


    Insgesamt war Leopoldius trotz seiner elgeganten Erscheinung unter seinesgleichen keineswegs auffällig. Optisch wie charakterlich waren die Hohenfeldes aufgrund der Reinblütigkeit ihrer Linie einander sehr ähnlich. Alle Hohenfeldes waren gertenschlank bis hin zur Magerkeit. Eingefallene Wangen galten bei ihnen ebenso als Schönheitsideal wie eine knochige Brust. Die Verkörperung dieses Ideals saß in Gestalt seines Vaters auf dem Thron. Finster, feindselig blickte Indutiomarus auf den Boten hinab.


    Auch der Blick seines zweitgeborenen Sohne ruhte auf dem Mann. Auf das Geschenk, um seinen Vater gewogen zu stimmen, war Leopoldius gespannt. Wenn es dem Fürsten nicht genügte, würde das Ansinnen der Kuttenthal-Zunge bereits heute sein Ende finden, zusammen mit ihrem Boten.

  • Das Geschenk



    Der Bote verneigte sich tief vor Indutiomarus und gab seinen Begleitern ein Zeichen. Die Männer waren am Eingang des Thronsaals bei den ersten Wachen stehen geblieben, nun huschten sie davon. Es dauerte eine Weile, dann hörte man das schwere Poltern einen gigantischen Wagens, der langsam und unaufhörlich in den Thronsaal gezogen wurde.


    Die Blicke der Hohenfelde wurden noch misstrauischer und so manch einer der Anwesenden mobilisierte sich innerlich zum Kampf. Indutiomarus saß immer noch ungerührt auf seinem Thron und wartete ab, was ihm dort serviert werden würde.


    Knirschend bewegte sich das große Gefährt vorwärts, gezogen von ächzenden Sklaven. Ein gewaltiger Verschlag bestehend aus Stahl und Holz war auf dem Wagen angebracht. Donnernde Schläge ließen die gesamte Konstruktion erzittern, während die Sklaven sich mühten, den Wagen so nah wie möglich an den Thron heran zu zerren.


    Von Trockenhoffen hob die Hand, der Wagen kam zum Stillstand und die Sklaven zogen sich schleunigst zurück. Die Schläge im Verschlag verstummten und machten einer unheilvollen Stille Platz, der Ruhe vor dem Sturm. Die Anspannung die von dem Gefährt ausging, war förmlich zu greifen.


    "Euer Geschenk Großmagier Indutiomarus von Hohenfelde mit den besten Grüßen unseres Hauses", sagte von Trockenhoffen und riss den schweren Stoff herab, der das Innere des Käfigs verborgen gehalten hatte.


    Zum Vorschein kam eine kolossale Bestie, höher als ein Pferd und gewaltiger als jeder Bär. Mit einem markdurchdringenden Knurren zog das Tier die Lefzen hoch und bleckte seine Zähne. Vier elfenbeinfarbene, Unterarm lange, messerscharfe Eckzähne.


    "Ihr kennt das Tier Eure Hoheit - Milbur der Ungebrochene. Ungebrochen, dennoch gefangen und in Ketten. Wir haben keine Kosten und Mühen gescheut", erklärte von Trockenhoffen.


    Ein Raunen ging durch die Menge, während sich Indutiomarus erhob. Hochgewachsen, gertenschlank und sehnig bemuskelt hatte seine Bewegung etwas von einer Schlange die sich zum Angriff bereit machte. Langsam schritt das Oberhaupt der Hohenfeldes auf den Käfig zu. Knapp eine Handbreit davor blieb er stehen und betrachtete die Kreatur im Käfig.


    Der Großhexer der Hohenfelde und der wilde Riesenbärenhund schauten sich durch die Gitterstäbe an. Für eine Sekunde sah man etwas in Indutiomarus eisblauen Augen, was kaum jemand jemals zu sehen bekam, Mitleid. Seine krallenbewehrte Hand schob sich zwischen die Gitterstäbe hindurch und legte sich auf den Kopf des gewaltigen Geschöpfs.


    Seine Familie beobachtete jeder seiner Bewegungen und vermutlich hoffte ein Großteil von ihnen, dass ihn das Tier in den Käfig oder in Tausend Fetzen riss. Allen voran seine Söhne. Wäre dem nicht so, hätte er sie schon längst entsorgt.


    Indutiomarus kraulte den Giganten, ehe er behutsam die Hand zurück zog.


    "Akzeptiert, wir haben einen Pakt", wandte sich Indutiomarus an Trockenhoffen, seine Augen hatten den üblichen eiskalten Glanz als er dem Boten sein frostiges Lächeln schenkte.

  • Eine einzelne Stimme erzeugte ein markerschütterndes Gekreisch aus dem Publikum. Ein Großteil der Anwesenden drehte sich um, wer beim Anblick des gewaltigen Tieres die Nerven verlor, nur um festzustellen, dass es niemanden gab, den man verspotten konnte - Quell der anhaltenden Kakophonie war Leopoldius' Hündchen. Das langbeinige, dürre Tier rastete vollkommen aus und klang dabei überraschend menschlich. Leopoldius machte sich nicht die Mühe, sich mit dem keifenden Geschöpf abzumühen. Er warf nur seinem Leibdiener einen Blick zu.


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    Der Mann, der kurzes Haar trug, eine gekrümmte Nase besaß und mürrisch dreinblickte, griff in das Halsband und führte die sich gebärdende Kreatur nach draußen.


    Leopoldius verschränkte die Arme und machte einen Schritt in Richtung seines kleinen Bruders Dunwolf, der neben ihm stand. "Schönes Tier, das die Kutten uns da anbieten. Möge unser werter Herr Vater viel Spaß beim Einreiten haben." Er konnte sich das Grinsen bei diesen Worten nicht verkneifen. Seine Stimme war gedämpft doch da es still geworden war, nachdem sein Haustier nach draußen geführt worden war, konnte man ihn gerade noch verstehen, was durchaus in seiner Absicht lag.

  • Indutiomarus saß auf seinem unbequemen Thron. Dieses Monstrum von einem Sitzmöbel war bewusst so gehalten. Streben und Erhebungen in der Sitzfläche und im Rücken sorgten dafür, dass man nach 10 Minuten einen schmerzenden Hintern und Rückenbeschwerden bekam.


    Niemand konnte auf diesem Thron stillsitzen. Erst Recht konnte niemand auf dem Hohenfelde Thron entspannen. Der Schmerz erinnerte ihn daran, dass er ständig wachsam bleiben musste. Denn blieb er nicht wachsam, war er tot. Seine Zeit als Herrscher wäre vorbei.


    Dunwolf nahm jede noch so minimale Bewegung seines Vaters war. Sie hatten einen Pakt mit den Kutten gegen die Kaltenburgs, interessant. Das bot eine Menge Möglichkeiten den einen oder anderen unliebsamen Zeitgenossen loszuwerden.


    Dunwolf drehte sich zu seinem Bruder um und seine eisblauen Augen blitzten auf, während er sein Haifischgrinsen zeigte.


    `Der Hund wird leichter einzureiten sein, als seine letzte Schlampe. Wo wir von Schlampen reden Poldi... Vater ist Vanessa überdrüssig geworden. Diese kleine Schlangenzunge die sich mit viel Körpereinsatz so manches Privileg ergaunerte, wurde zurück in den Pfuhl der Bedeutungslosigkeit gestoßen...´, grinste Dunwolf.


    `Oder um es mit Vaters Worten zu sagen... "sie ist zur allgemeinen Benutzung freigegen"... na wenn das keine erfreuliche Botschaft ist. Ich dachte ich schaue heute mal bei Vanessa auf einen Stich vorbei. Möchtest Du mich begleiten?


    Begleite mich ein Stück, ich möchte nach den Taudisschwingen schauen. Mir haben die Kutten ein zu reges Interesse an unserer Flugstaffel.... Bruder´, übermittelte Dunwolf und gab den Weg vor.

  • 'Vanessa? Da habe ich gerade kein Gesicht vor Augen. Andererseits, wen interessiert das Gesicht. Und die interessanteren Partien werde ich ja sehen, wenn wir dort sind. Ich begleite dich.' Er rieb sein glattrasiertes Kinn.


    'Welche Bedrohung stellen die Kaltenburger aktuell für Kuttenthal dar? Nur das Missachten der Grenze? Das wäre Variante a, die Kutten sagen die Wahrheit.


    Aber so lange die Kaltenburger nicht gleich mit ihren Streitkräften hinübermarschiert sind, hört sich das eher nach einem vorgeschobenen Vorwand zum Vernichtungsschlag an. Das wäre Variante b. Es stellt sich dann die Frage, warum sie das nicht offen sagen, es ist ja nicht so, dass irgendjemand den Kaltenburgern eine Träne nachweinen würde.


    Variante c wäre, dass es sich um einen Köder handelt, sprich, eine Falle. Und diese halte ich für wahrscheinlicher. Wir sollen unser Land entblößen. Insbesondere von unseren gefürchteten Luftstreitkräften. Und im besten Fall vernichten wir für sie die Kaltenburger, während wir im selben Atemzug von Kuttenthal einen Dolch in den Rücken bekommen. Dann wären sie zwei Rivalen auf einen Streich los.


    Vater hat den Pakt bereits akzeptiert, geblendet von dem pelzigen Geschenk. Das war voreilig. Wenn wir es geschickt anstellen ... Bruder ... erreichen wir damit vielleicht sogar eine Verjüngung der Erbfolge.'


    Leopoldius warf einen letzten Blick auf seinen Vater, dann folgte er seinem kleinen Bruder. Mit ihren schwarzen Kleidern und dem langen Haar waren sie von hinten kaum zu unterscheiden. Man hätte sie für eine Einheit halten können, für unzertrennliche Brüder, doch man könnte damit nicht falscher liegen. Doch heute war nicht der Tag für Rivalitäten. Jetzt würden sie sich ersteinmal um Vanessas inneres Wohl kümmern.

  • Dunwolf warf seinem Bruder über die Schulter einen amüsierten Blick zu. Der Blick über die Schulter war zudem eine Information an Poldi. Sie hieß ich sehe Dich, auch wenn ich nicht hinschaue. Kein Hohenfelde ließ einen anderen blind in seinem Rücken laufen. Schon gar nicht Verwandte. Selbst wenn ihre Augen woanders waren, ihr magisches Gespür war stets auf den ausgerichtet der ihnen folgte.


    Bei einem Familientreffen war höchste Vorsicht geboten, in jeder Schlangengrube wurde weniger nach den Verwandten gebissen.


    `Vanessa erwähnte ich nicht grundlos mein lieber Bruder. Ausgerechnet wo es Vanessa zurück in die Bedeutungslosigkeit verschlägt, erscheint ein Bote hier vor Ort. Vanessa ist eine der letzten Überlebenden des Hauses von Eversfels. Sie war Kriegsbeute und für Vater ist es ein besonderer Genuss ihnen seine Macht aufzuzwingen.


    Was immer sie versucht, wird sich gegen uns richten Poldi. Denn vergiss eines nicht, sie teilte das Bett mit dem Mann, der ihre ganze Familie abschlachtete. Manche Kriegsbeute nimmt ihr Schicksal hin, aber für meinen Geschmack war Vanessa zu eifrig. Sie versuchte in den Familienrang aufzusteigen. Sie saß neben Vater, war eine seiner Gespielinnen und dachte dadurch hätte sie schon etwas zu sagen.


    Sie versuchte eine Hohenfelde zu spielen, vermutlich um die Hohenfelde zu Fall zu bringen. Ein Rat zu viel oder eine Gehorsamkeit zu wenig und es war aus. Eine Gradwanderung auf Messers Schneide Poldi und unsere Messer sind scharf.


    Vater wusste das sie eine Schlangenzunge ist. Sie zu brechen und dazu zu zwingen ihm aus Angst zu dienen ist das eine. Andere mögen vielleicht sogar wirklich dem Eroberer ihrer Familie folgen, reiner Überlebensinstinkt. Andere behalten ihren Stolz und sinnen auf Rache. Zu Letzteren zähle ich Vanessa. Sie hat vermutlich die Tage gezählt, bis sie Vater das Licht ausknipsen kann.


    Soweit wäre das kein Problem, sie hätte uns eine Menge Arbeit abgenommen. Aber Vater ist nicht dämlich, sonst säße er nicht mehr auf dem Thron. Was immer sie tat, er hat sie abserviert und für alle freigegeben. Vom Diener bis zu uns, jeder darf ihr Hallo sagen. Jedenfalls ist das der Stand meiner Information.


    Du kennst Vanessa bestimmt, klein, zierlich, schwarze Haare, schwarze Augen, blass, volle Lippen die sich bewegen sobald sie das Lügen anfängt.


    Ihre Familie war mit den Kuttenthalern verbündet, nun erscheinen diese vor Ort und haben ein Problem mit den Kaltenburgern? Just wo Vanessa ein Problem hat? Weiß Wolckel von Kuttenthal überhaupt von seinem Problem?


    Oder hat Vanessa einen seiner Söhne an der Nudel und dieser versucht nun sein Liebchen auf diese Art zu befreien? Man muss keine selbstmörderische Rettungsaktion starten, wenn man dafür sorgt, dass die Wächter sich gemeinsam mit einer dritten Partei umbringen.


    Ich traue den Kutten kein Stück, genauso wenig wie Du. Ich gehe ebenfalls von einem Köder aus. Denn sie fragen nach unserer mächtigsten Waffe im Kampf. Hat es überhaupt Verhandlungen mit den Kaltenburgern gegeben? Was sagen die Kalten zu dem Problem? Wissen sie davon?


    Falls nicht, wäre folgendes möglich. Ein Sohn von Wolckel schickt uns ins Feld damit seine kleine Schlampe abgeholt werden kann. Er schickt die Vipern aus der Grube. Wir greifen die Kaltenburger an. Sie wissen nichts von einem Problem, halten es also für eine Aggression und schlagen genauso verbissen zurück. Die Kalten sind nicht ungefährlich. Heißt im besten Falle löschen sich die Kalten und Hohenfeldes gegenseitig aus. Sieger auf voller Linie die Kutten samt Vanessa.


    Alles in allem hat das einen sehr üblen Beigeschmack.

    Vater hat zwar sein Wort gegeben, aber das heißt nichts. Wie sagt er immer so schön? Worte und Absprachen sind im Fluss, was ich gerade zusagte kann sich durch neue Informationen oder Wünsche schon fünf Minuten später völlig gewandelt haben. Nichts ist in Stein gemeißelt.


    Ein Wort einem Nicht-Hohenfelde gegenüber gilt nicht.

    Gut das weiß die Kutte nicht, aber man kann es sich denken, denn alle anderen Fürsten reagieren doch ganz ähnlich. Zuerst ich, dann nichts, dann ich, dann meine Familie und dann schauen wir mal.

    Bündnisse haben nur solange Bestand, solange man den Bündnispartner benötigt.


    Benötigen wir die Kutten? Sie benötigen uns, gleich ob die Information stimmen sollte oder nicht. Denn für einen Angriff sind sie meiner Meinung nach zu schwach aufgestellt. Vielleicht rasseln auch die Kalten mit den Ketten und Säbeln und ihnen geht der Arsch nun auf Grundeis. Passend wenn die Kalten ihre Feinde sind oder?


    Ich wäre dafür, dass wir vorher Informationen ziehen. Wir sollten eine Kutte und einen Kalten einfangen und verhören. Was wissen sie? Was stimmt? Was nicht? Das ließe sich in Erfahrung bringen´, übermittelte Dunwolf und betrat gemeinsam mit Poldi den gewaltigen Stall der Taudisschwingen.


    In steinernen Verschlägen waren in Reih und Glied, nach Geschlechtern getrennt die großen Flugkreaturen angekettet. Groß waren sie, um die 3 Meter hoch mit ledernen Schwingen auf dem Rücken. Vier Hörner zierten ihre mächtigen Schädel.


    Wer genau hinschaute erkannte, dass es sich bei den Taudisschwingen einst um Tieflinge gehandelt haben musste. Durch Zucht und Selektion waren sie zu diesen Kolossen geformt worden. Die Körperkräfte dieser Wesen war enorm, ebenso ihr Durchhaltevermögen, was den Flug anging.


    Selbst im Stall trugen sie ein Sicherungsgeschirr. Ihre Beine lagen in Ketten, um den Hals trugen sie ein Joch, dass sie an Ort und Stelle hielt. Die Bewegung im Stall war dadurch stark eingeschränkt. Die Taudisschwingen konnten sie aufrichten und hinstellen oder sich ablegen.


    Im Stall wurde es totenstill, als die beiden Hohenfelde eintraten. Die Schwingen schauten auf ihre Fußkrallen und hielten die Köpfe demütig gesenkt. Mit einem Hohenfelde spaßte man nicht, sie waren ihre Herren. Sie herrschten über Leben und Tod.


    Wer diese minimale Grundformel missachtete, lernte Schmerzen jenseits seiner Vorstellungkraft kennen und den Einfallsreichtum ihrer düsteren Besitzer.


    Dunwolf schaute sich im Stall um, gab sich kurz seiner magischen Wahrnehmung hin, aber niemand unbefugtes war im Stall gewesen. Der Stallmeister eilte herbei und verneigte sich tief.


    "Niemand außer uns hat den Stall zu betreten", erklärte Dunwolf und ordnete auf magischem Wege zwei Wacheinheiten zu den Ställen ab.


    "Gewiss Eure Hoheit, es war auch niemand hier außer ich", erklärte der Stallmeister respektvoll.

    "Aha...", gab Dun zurück.


    Dunwolf starrte dem Mann in die Augen und dieser versteifte sich wie unter einem Anfall. Er stürzte zitternd und sabbernd zu Boden, so dass er seine Körperfunktionen nicht mehr unter Kontrolle hatte und sich einschiss und einnässte.


    Schaum mit blutigen Blasen rann über seine Lippen, während er die Augen verdrehte so dass man nur noch das Weiße sah. Dann lag er still.


    "Hm...

    Er war der einzige mögliche Schwachpunkt Poldi....

    Er sagte die Wahrheit...

    Wir brauchen einen neuen Stallburschen...", lächelte Dunwolf seinen Bruder an.


    Die Leiche des Stallmeisters lag merkwürdig verrenkt auf dem Boden. Schaum, Blut, Urin und Kot erzeugten einen ekelerregenden Geruch.


    Aber es war mehr, man sah dem Stallmeister an, dass ihm selbst im Tode etwas fehlte, so dass sogar die Taudisschwingen nervös wurden. Die Augen des Mannes waren nicht nur im absoluten Grauen aufgerissen und verdreht, sie waren leer.


    Fenster ins absolute... Nichts.

  • Leopoldius labte sich einen Moment an der frei werdenden Essenz des Stallburschen, soweit sie nicht unmittelbar von Dunwolf verzehrt wurde. Es war so ähnlich, wie wenn jemand kleckerte und man mit dem Finger von den Flecken naschte. Ein nettes essenzielles Pralinchen für Zwischendurch.


    Sie beide blickten auf die zwei Reihen von Taudisschwingen, die in Ketten Spalier standen. Diese Wesen waren gewaltig. Leopoldius gesellte sich an die Seite seines kleinen Bruders, ohne die Leiche weiter zu beachten. Sie war leer, verbraucht und so bedeutungslos wie eine ausgeschlürfte Eierschale.


    "Mit an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit ist Vanessa die gleiche Schlange, wie jede andere Frau, die sich einem Mann von solchem Einfluss annähert. Männer wie Indutiomarus liebt man nicht, man begehrt sie aufgrund ihrer Macht. Sie können aussehen wie Halbmumien oder Quallengezücht - die schönsten Frauen werden es sein, die sich in ihrer Bettstatt einfinden. Dass Indutiomarus sie nun selbst in eine Schlangengrube schleudert, ist die logische Konsequenz. Falls sie das überrascht hat, ist sie entzückend naiv. Wenn nicht, wird das auch nichts an ihrem Schicksal ändern. Wäre Vater ein sentimentaler Trottel, säße er nicht auf dem Thron. Erst Vanessa und wenn der Kupferschopf ihm nichts mehr nützt, wird er dem selben Weg folgen."


    Leopoldius sah ihn deutlich vor sich, genau wie Vanessa viel zu jung für den Greis, den klugen Blick eines Schakals. Seine Finger mit den klauenartigen, durch Alchemie schwarz gefärbten Nägeln wie zwei Klauenpranken auf den schmalen Schultern von Inditiomarus ruhend. Von allen Wigbergs war dieser der Exzentrischste, Wagemutigste und Bekloppteste - anders war es nicht zu erklären, dass er als ältester Spross der Wigbergs, als Stammhalter der Linie, von sich aus Interesse an dem grausamen alten Hohenfelde bekundet hatte. Eine Tochter war das eine, aber den ältesten Sohn gab man nicht aus der Hand, wenn man der traditionellen Erbfolge verpflichtet war und nicht den Weg der selektiven Erbfolge ging. Ditzlins Vater musste froh sein, den Idioten so unkomplitziert los geworden zu sein. Natürliche Selektion in lehrbuchreifer Ausführung, er nahm seinen Brüdern alle Arbeit ab. Wenn Ditzlin wirklich glaubte, über Indutiomarus irgendeine Macht über ihre Familie zu gewinnen, war er genau so eine lächerliche Erscheinung wie Vanessa, eher noch schlimmer, da er als Mann es besser wissen sollte.


    "Vielleicht werden wir auch Ditzlin bald begrüßen dürfen, so wie wir uns heute der lieben Vanessa widmen", sprach Leopoldius freundlich und lächelte mit perlweißen Zähnen. "Aber zunächst möchte ich deinem Vorschlag zustimmen, mein lieber Bruder, einer Kutte und eines Kalten habhaft zu werden. Wir dröseln dieses schmutzige Spinnengeflecht auf, das Vanessa in unserem Herrenhaus verteilte." Sein Blick schweifte die Reihen der Taudisschwingen entlang. "Mich deucht, Ihr habt einen Plan, Bruderherz!"

  • Dunwolf verschränke die Arme vor der Brust und warf seinem Bruder einen amüsierten Blick zu.


    "Was Vanessa trieb waren meiner Meinung nach Rachgelüste. Um sich rächen und jemanden meucheln zu können, ist es für einen Purie notwendig in seinen Dunstkreis zu kommen. Sprich, man muss schon auf Dolchnähe heranrücken, um den Dolch einsetzen zu können.


    Ditzlin ist ein anderes Kaliber als Vanessa. Was immer er für Gründe hat die alte Natter zu hofieren, profante Rachegelüste werden es nicht sein. So einfach gestrickt ist kein Wigberg, nicht einmal der Verrückteste unter ihnen. Wer weiß welche Plän er im Hinterkopf hat? Und bei all dem Wahnsinn kann es sogar in Betracht kommen, dass dieser Kerl überhaupt keinen Plan verfolgt was Indutiomarus angeht. Dass er ihn aus mir unerklärlichen Gründen tatsächlich liebt.


    Das heißt selbstverständlich nicht, dass Ditzlin harmlos wäre, im Gegenteil. Liebt er Vater, dann ziehen sie am gleichen Strang und verfolgen die gleichen Pläne. Das widerum wäre für uns sehr gefährlich. Denn dann hat nicht nur Vater ein wachsames Auge auf uns, sondern auch Ditzlin. Die üblichen Speichellecker und Arschkriecher mal nicht mitgezählt.


    So wissen wir, dass jeder jeden im Auge behält und auf seine Chance wartet. Aber dieses unheilige Bündnis, muss zerschlagen werden, wenn es denn existiert. Und Du vergisst eines mein Lieber, so verrückt ist dieser Wigberg gar nicht. Niemand würde seinen ältesten Sohn in diese Schlangengrube schicken. Kein Vater würde so eine Verbindung zu lassen. Ist nicht gerade das die beste Tarnung? Ditzlin hängt an den Zitzen der Natter, er saugt die Infos mit der Biestmilch der Schlange auf. Wo käme er an bessere Informationen, als direkt frisch von der Quelle? Nicht jeder ist verrückt, der verrückt scheint. Viele von ihnen sehen erstaunlich klar.


    Einen Plan habe ich immer, genau wie Du.


    Wir fliegen zuerst unsere Scholle ab und dann die äußeren Grenzen. Sind wir hoch genug spüren wir nach Fremden. Ich vermute nicht, dass sie so dreist sind, sich bereits hier herumzutreiben. Aber vermuten ist nicht wissen, wir müssen uns Gewissheit verschaffen. Dann werden wir genau das tun, was wir bei anderen verhindern. Wir werden versuchen ihre Grenze zu passieren oder an der Grenze einen von ihnen abzufangen. Dann werden wir die Kutte und den Kalten verhören. Und je nachdem was wir in Erfahrung bringen, werden wir sehen ob wir überhaupt einschreiten müssen. Oder ob wir dem Schicksal seinen Lauf lassen, um an passender Stelle einzuschreiten...


    Du verstehst was ich meine Bruder. Wobei eine Kutte können wir vor Ort organisieren, immerhin sind sie hier in der Feste. Das hat Zeit, hier sind sie keine Gefahr. Sie wären tot bevor sie nur einen feindlichen Gedanken zu Ende gedacht hätten. Also beschaffen wir zuerst die Infos und den Kalten. Einen Kalten kalt machen... poetisch nicht wahr?", lachte Dunwolf leise.


    Dun ging zielstrebig zu den Verschlägen, trat an seine Taudisschwinge heran und löste mit einem magischen Gedanken die Ketten, die selbst das mächtigste und stärkste Wesen nicht zu sprengen vermochte. Er packte die Schwinge an dem Nasenring, zerrte sie nach draußen und schwang sich dort auf ihren Rücken.


    Die Kreatur breitete die gewaltigen, schwarzen Schwingen aus bereit sich in den dunklen Himmel zu erheben.

  • Auch Leopoldius suchte sich eine ihm genehme Taudisschwinge aus. Er setzte nicht auf Größe, ihm waren die kleineren, wendigeren Exemplare lieber, weshalb er sich für ein Weibchen entschied, dessen Kette er magisch löste, um sie dann, seinem Bruder folgend, am Nasenring hinaus zu führen. Der Himmel war grau und der Wind trieb einige braune Blätter vor ihnen über den breiten Weg aus getrampelter Erde.


    ›Ein hohenfeldeliebender Wigberg? Dann wäre Ditzlin ein nicht nur effektives, sondern obendrein zuverlässiges Werkzeug von Vater. Heißt, um die Erbfolge in kraft treten zu lassen, müsste nicht nur Indutiomarus selbst fallen, sondern auch dieser elende Lustknabe, denn einen Keil zwischen sie zu treiben, dürfte in dem Fall schwierig werden. Wobei zu berücksichtigen ist, wie das Haus Wigberg auf den Tod seines Stammhalters reagieren mag. Den Verlust werden sie uns nicht ohne passende Antwort durchgehen lassen. Wie ist eigentlich die momentane diplomatische Situation, was die Wiggis angeht? War es nicht so, dass du dich damit bestens auskennst oder täuscht mein Eindruck?


    Leopoldius rieb sich im Gehen seinen anschwellenden Schritt. Vanessa war ein Leckerbissen, auf den er sich freute. Weniger wegen ihrer Schönheit, schöne Frauen gab es wie Sand am Meer, sondern aus dem Grunde, dass sie die Tochter eines besiegten Feindes war. Je gefährlicher die Beute, umso köstlicher der Sieg und das bezog sich nicht nur auf eine Einzelperson, sondern auf das ganze Haus Eversfels. Bald würde Kuttenthal folgen, wenn sie weiter daran festhielten, die Hohenfeldes zu ihren Marionetten machen zu wollen. Und wenn Kaltenburg auf dem Weg dahin ebenfalls fiel, wen scherte das? Der Gedanke, je ein Exemplar zu verhören, eine Kutte und einen Kalten, ließ Leopoldius` Vorfreude weiter wachsen.


    ›Du sprachst von einer der letzten Überlebenden aus dem Hause Eversfels‹, grübelte Leopoldius. ›Welche von Vanessas Verwandten leben noch und wo befinden sie sich? Um ein Spiel zu spielen, genügt es nicht, die Regeln zu kennen. Man muss auch wissen, wo die Figuren stehen, um die eigenen sinnvoll setzen zu können. Vanessa allein mag bedeutungslos sein. Nachdem sie uns die Nacht versüßt haben wird, werfen wir sie in ein Loch, das uns passend scheint, zurück in das Verlies oder in einen der Hundezwinger, wo sie ihr gutes Werk als Lebendfutter fortsetzen darf. Doch wenn sie da draußen noch Verbündete von ihrem Blut hat, mag ihre Rolle anders aussehen.‹


    Er hörte auf, an sich herumzuspielen, und ließ seine Taudisschwinge in die Hocke gehen, so dass er es sich auf ihrem Rücken gemütlich machen konnte. Das Weibchen hielt seine Beine fest, so als würde es ihn huckepack tragen.


    ›Gib den Weg vor, Duni.‹

  • Dunwolf lächelte honigsüß, als Poldi sich eine weibliche Taudisschwinge aus dem Verschlag nahm. Ob das der Wendigkeit oder seinem dicken Prügel geschuldet war, ließ der junge Hohenfelde einfach offen. Er dachte sich seinen Teil, aber er selbst fand die Vorstellung auf ein Verhör ebenfalls äußerst erheiternd.


    Bei Poldis Neugier was die Wigbergs anging, lächelte Dunwolf noch eine Spur breiter, wenn das überhaupt noch möglich war.


    `Dildo-Ditzlin muss doch nicht beseitigt werden. Ich verstehe Dich nicht Poldi, gönne dem alten Mann doch sein Spielzeug, hast Du keines? Und wenn Ditzlin ein Freund von Gammelfleisch ist und Paps liebt so wie er ist, dann kann ihm auch keiner mehr helfen´, lachte sich Dunwolf auf seiner großen Taudisschwinge schlapp.


    `Ditzlin ist für die Erbfolge unerheblich und wer sich im Hause Hohenfelde herumtreibt, muss damit rechnen, dass er... sagen wir mal früher oder später... einen Unfall erleidet... ja? Meist früher... als später. Wie ich hörte ist neulich erst ein Gesandter die Prunktreppe herabgestürzt... rückwärts... kopfüber... die Treppen sind gefährlicher als der Folterkeller wie mir scheint. Oder der Putzknecht hat das mit dem Bohnern zu wörtlich genommen... Wie dem auch sei, der Schädel des Gesandten schlug auf eine Kante der Steintreppen und barst wie eine überreife Melone...


    Wo war ich? Ach ja, Ditzlin. Vergiss den Mann, oder betrachte ihn als das was er ist... nützlich.

    Er beschert Vater ein Gefühl von Verbundenheit, Nähe, Geborgenheit... sowas macht fett, faul und träge...

    Und nichts spielt uns mehr in die Hände, als wenn die alte Natter unaufmerksam wird, weil er es sich zu gemütlich macht. Wenn Ditzlin uns den Weg zum Thron ebnet... nun dann werde ich ihn daran nicht hindern...


    Und wenn er dabei noch jede Menge Spaß mit Paps und seinem alten Lurch hat, dann wünsche ich ihm viel Freude...

    Man muss auch gönnen können Poldi...


    So wie Du aussiehst, hast Du es auch verdammt nötig...´, grinste Dunwolf seinen Bruder an.


    `Zurück zu Deiner schnuckligen Anspielung, nein ich kenne mich nicht damit aus. Woher auch mein lieber Bruder? Kläre mich auf, woher Deine seltsame Vermutung stammt und ich kann Dir vielleicht weiterhelfen. Der Stand der Dinge, tja eine gute Frage. Ich gehe generell davon aus, dass jede andere Familie uns feindlich gesonnen ist und die eigene Familie selbst ist einem noch feindlicher gesonnen. Oder täusche ich mich da?


    Die anderen Überlebenden sind einige Frauen des Hauses Eversfels. Und jetzt kommt dass Interessante, auch ein Mann, aus dem Hause Eversfels hat überlebt. Verbotenerweise wurde er am Leben gelassen.... wenn man seinen Zustand überleben nennen kann Poldi....


    Arbo... unser guter Arbogast hat sich Tassilo von Eversfels gesichert...

    Tassilo hängt im Spielzimmer unseres Bruders Arbo....

    Warst Du schon mal dort?

    Hochinteressant....


    Er nennt das Spielzimmer nur den Torsoraum.... der Name ist... Programm...

    Seinen Spielzeugen fehlen die Extrimitäten, also Arme und Beine... sie besitzen nur noch kurze Stümpfe...

    Sie hängen in Halterungen von der Decke auf Schritthöhe... Arbos Schritthöhe...

    Die Spielzeuge liegen bäuchlings auf Stoffbahren, ihre Stümpfe sind durch vier Löcher gefädelt und Ketten halten den Rest wo er bleiben soll....


    Die Konstruktion hängt an Ketten von der Decke.... sozusagen wie eine Wippe... Arsch und Genitalbereich hängt etwas über der Stoffbahre so dass der Unrat nach unten fällt...

    Wenn Du Lust auf ein Spielzeug hast, kannst Du es zu Dir heranziehen und direkt loslegen.... Pflegesklaven halten die Torso sauber....


    Die Kerle.... waren mal Kerle... kein Prügel... keine Juwelen... alles weg....

    Es ist ein Ort an dem der Schmerz wie bestialischer, wundervoller Gestank im Raum hängt....

    Du kannst ihre Angst, ihre Verzweiflung förmlich.... schmecken...


    Jeder hat so seine kleinen Geheimnisse, nicht wahr Poldi?´,
    übermittelte Dunwolf und starrte seinem Bruder kurz in die Augen, ehe er gut gelaunt kicherte und eine wegwerfende Handbewegung machte.


    `Vanessa hat keine Verwandten in der Freiheit Poldi, aber sie hat dort vermutlich Verbündete. Genau jene müssen wir kaltstellen. Meine Vermutung sind die Kutten, die uns an die Kalten verfüttern wollen. Das alles geschah zu verzahnt, zu geplant. Es scheint ein äußerst gut geplanter Zufall zu sein. Zu gut geplant Bruder.... denn er stinkt 10 Meilen gegen den Wind... Wir werden einen Kalten und eine Kutte verhören... und wenn wir mit ihnen fertig sind, wissen wir mehr.


    Mach mit Vanessa was Du willst, ich bin dabei. Der erste Ritt gehört allerdings mir. Vanessa könnte wissen, wer ihr da helfen möchte. Oder sie weiß es nicht, falls ein liebeskranker Trottel ihre Rettung beschlossen hat. Zuviele Optionen für Spekulationen, lass uns sehen welche Fakten wir beschaffen können... Kutte oder Kalten, wen befragst Du? Einer wacht, einer befragt... Du darfst wählen, da Du mein Lieblingsbruder bist´, lachte Dunwolf.


    `Wir fliegen einmal über den Teich, die Küstenlinie entlang, direkt auf die Ruine gegenüber der Kutten zu. Dort verschaffen wir uns einen Überblick und hoffen auf ein Opfer. Falls wir kein Glück haben, versuchen wir so nah wie möglich heranzukommen ohne uns selbst zu gefährden. Folge mir´, teilte Dun auf magischem Weg mit und ließ seine Taudisschwinge abheben.


    Die beiden gaben ein zügiges Tempo vor, aber Dunwolf wusste das sein Bruder zu ihm aufschließen würde.

  • Leopoldius holte seinen Bruder nach kurzer Zeit ein. Sie rauschten auf den Taudisschwingen durch die Lüfte, das schwarze Haar im Wind flatternd wie die Banner der Dunkelheit, die sie in ihren Herzen trugen. Unter ihnen rasten die während des Winters brachliegenden Felder dahin, welche der Versorgung des Hauses Hohenfelde dienten. Einige Sklaven, die mit Brennholz aus dem Wald über die schlammigen Feldwege zurück zum Herrenhaus gingen, schauten neugierig nach oben, als sie das laute Flügelschlagen vernahmen, nur um sogleich demütig die vorbeiziehenden Herren zu grüßen. Ob des Lärms, den die Taudisschwingen verursachten, war es gut, dass die beiden Hohenfeldebrüder über die Gabe verfügten, mental miteinander zu sprechen.


    'Die Ruine gegenüber von Kuttenthal, von welchem Haus stammt sie?', erkundigte Leopoldius sich. 'Dein Lieblingsbruder bin ich also, so so. Das heißt dann wohl, dass ich auf deiner Todesliste ganz oben stehe, danke für die Warnung. Da du mich schon so freundlich fragst, würde ich sagen, dass ich das Verhör der Kutte übernehme und du dir den Kalten vornimmst.'


    Diese Entscheidung traf Leopoldius vor allem darum, weil sie sich als erstes um eine Kutte bemühen wollten und die Beschreibung von Arbogasts Torsoraum nicht dazu beigetragen hatte, ihn abkühlen zu lassen. Ihm war heiß an einer Stelle, die gerade sanft von der arbeitenden Rückenmuskulatur des Taudisschwingen-Weibchens massiert wurde. Leopoldius hatte nicht vor, noch länger als nötig zu warten, um sich Abhilfe zu verschaffen und bis sie bei Vanessa waren würde es noch eine ganze Weile dauern.


    'Unser lieber großer Bruder Arbo ... ein Spielzimmer voller Torsos, die seiner Gnade ausgeliefert sind. Weder laufen sie ihm davon, noch werden sie ihm gefährlich. Sie sind absolut unter seiner Kontrolle. Sein privates kleines Fürstentum ohne wartende Unfälle, ohne lauernde Meuchler, ohne bedrohliche Brüder. Dort ist er als Inhaber von Gliedmaßen unangefochtener Herr und kann sich ganz entspannen. Die Magier unter den Torsos sind vermutlich durch Messinghalsbänder ihrer Gabe beraubt. Eine verlockende Vorstellung, dieser Raum, ich kann verstehen, warum er sich sein Spielzimmer auf diese Weise eingerichtet hat. Ein kleines Paradies. Aber warum er den Torsos ihre Genitalien entfernt hat, ist mir unbegreiflich, wären sie doch intakt ein wichtiges Utensil zum Spielen. Weißt du den Grund dafür? Ich nicht. Würden sie stören, könnte er auch weibliche Torsos installieren.


    Du fragst nach meinem Spielzeug ... netter Versuch. Ich bin darüber nicht erpressbar, du kannst foltern und töten, wen du willst. Falls es mein Dienstpersonal trifft, ist das natürlich ärgerlich, da jeder sorgsam eingearbeitet ist und ich würde Ersatz verlangen, doch niemand ist unersetzlich für mich.


    Und was dich betrifft und meine ... wie du es nennst ... schnuckelige Anspielung bezüglich der Wigbergs - es gibt jene, die dies und das munkeln. Du verstehst, dass ich dir nicht den Namen meiner Quelle nennen kann, aber ich nehme an, dass das Interesse eines Wigbergsprosses an deiner Person nicht ganz einseitig ist. Oder willst du mir sagen, du weißt nichts von deinem Verehrer?' Leopoldius blickte Dunwolf aufmerksam an. 'In dem Falle: Glückwunsch, du hast die Möglichkeit, deine Sammlung um einen raubeinigen Rotschopf zu erweitern. Sofern du Raubeinen oder Rotschöpfen etwas abgewinnen kannst. Ich vermute, Ditzlin war es langweilig so ganz allein mit dem verbitterten Tattergreis zur Gesellschaft und so forderte er Verstärkung durch seinen kleinen Bruder.'

  • Dunwolf band sich im Flug die Haare zusammen, sein Bruder war genauso eine neugierige Natter wie er. Sowas konnte er nicht dulden, allerdings konnte er auch nichts gegen Poldi unternehmen... noch nicht. Bis jetzt gab es auch keine Veranlassung dazu. Die Logik verlangte es, dass man seine Konkurrenten ausschaltete, bevor man sich dem Hauptproblem widmete. Aber das war eindeutig zu gefährlich. Und warum sollte man den Hund nicht mal von hinten herum aufzäumen?


    Indutiomarus hatte bis jetzt all seine Söhne für unwürdig erklärt. Vor ihnen hatte es soviele "Drei" gegeben, wie es nach ihnen geben würde, wenn sie nicht die Ausnahme bilden und zusammenarbeiten würden.


    Nein Leopoldius war so gefährlich wie er gutaussehend war und beides war für ihn ein großer Vorteil. Im Bett lockerte sich schnell die Zunge, Poldi musste nur mit den passenden Personen zusammengeführt und dann zum Plaudern gebracht werden. So wie er die Informaten vorher zum plaudern brachte.


    Aber noch viel wichtiger war, dass er Poldi für seinen Feldzug gegen Indutiomarus benötigte.

    Weder Arbogast, Leopoldius noch er würden es alleine bewerkstelligen, ihren Vater in den Nexus zu befördern. Und selbst wenn, für Indutiomarus war es kein Problem, von dort aus eigener Kraft zurückzukehren.


    Ihr Vater war alt, wie alt genau, dass wusste niemand. Genausowenig wusste jemand, wie mächtig er tatsächlich war und über welche Zauber er gebot, von denen sie keine Ahnung hatten. Aber eines hatte ihn die Wigbergs gelehrt, auch Masse war mächtig. Der gewaltigste Krallenbär wurde von einem Rudel Bärenhunde zerrissen.


    Und genau jene Taktik wollte Dunwolf bei seinem Vater anwenden. Sohn gegen Vater, dass endete im Nichts. Er würde nicht mal den Nexus erreichen, da hätte ihn sein Vater verschlungen und eine Viertelstunde das Hirn aus seinem widerspenstigen Schädel gelöffelt. Nein, so wollte er nicht enden.


    So wie er seine eigenen Bündnisse schmiedete, so wollte er auch mit seinen Brüdern ein Bündnis schmieden...

    Wie alles natürlich auf Zeit. Arbogast, Leopoldius und Dunwolf gegen Indutiomarus.

    War die Natter gefallen musste es lauten Leopoldius und Dunwolf gegen Arbogast.

    Und am Ende hieß es dann Dunwolf, Harubold und Marthis gegen Leopoldius...


    Nein, er wollte seinen Bruder nicht tot sehen...

    Noch nicht.... noch lange nicht...


    `Dein Misstrauen verletzt mich zutiefst Poldi.... Todesliste... Sehe ich aus wie ein Mann, der Todeslisten führt? Das tut weh Poldi und mit Dir teile ich Vanessa...


    Die Ruinen gebenüber den Kutten stammt von einem Doppelhaus, letzter Herr war Edmond von Leuenburg zu Dallbach. Sie wurden einst von den Ratzen geschliffen, dass alles ist aber schon einige Jahrzehnte her. Möglicherweise sogar länger, Poldi. Genaue Daten kann ich Dir dazu nicht geben, Arbo könnte es...


    Absolut korrekt... seine Spielzeuge benötigen keinen Käfig... ihre Körper sind zu ihren Käfigen geworden...

    Schlicht und genial... Und wie Du richtig anmerkst, keiner von ihnen läuft weg oder ist ungehorsam... Sie sind vollständig von seiner Gnade abhängig... nun dass sind die meisten Sklaven, aber sie mehr als alle anderen...


    Der Grund...

    Der Grund ist absolute Macht und Kontrolle Poldi!


    Was macht Dich zu einem Mann? Oder die meisten Männer? Und was würdest Du Dir nicht nehmen lassen wollen?

    Mit diesem Akt der Entmannung zeigt er ihnen ihren Stellenwert...

    Ihr seid Kriegsbeute.... Nutzlöcher.... Frauen bieten zwei... er bietet eben nur eins zum spielen...


    Man sollte zudem von einem mächtigen Feind immer einen Teil verschlingen... welches Teil glaubst Du verschlingt Arbo?

    Was glaubst Du, sehen seine Spielzeuge... nachdem sie zu seinem Werkzeug gemacht wurden, seine Kehle runter wandern?

    Was Poldi?


    In dem Moment sind sie nichts mehr, kein Mann und kein Magier...

    Sie sind Löcher... die sich stopfen lassen müssen, damit sie versorgt werden... und wenn er ihrer überdrüssig ist...

    Nun dann gehen sie den Weg, den alle Verlierer gehen...


    Was glaubst Du würden andere Häuser mit uns machen, wenn sie uns in die Fänge bekommen? Wenn die Feste Hohenfelde fallen würde? Wenn alles was wir kennen geschliffen werden würde? Glaubst Du tatsächlich, man würde uns nur töten? Sie würden an unser Wissen kommen wollen... Zumindest dass....


    Zu unserem kleinen Privatplausch Poldi... Dein Personal interessiert mich nicht.... Dein Spielzeug hätte mich interessiert.... aber da Du den Stockfisch geben musst... sei es so...

    Poldi, ich bitte Dich Anspielungen? Du hörst tatsächlich auf den Tratsch der Diener? Du weißt doch die einen reden dies, die anderen reden dass. Du darfst nicht alles für bare Münze nehmen was Du hörst.... Liebingsbruder....

    Welchen Verehrer genau? Du weißt ich bin ein viel geschätzter und geliebter Mann... da könnte wirklich jeder in Betracht kommen... Rotschopf? Ein Rotschopf begehrt mich? Das klingt heiß.... geradezu.... vielversprechend... Du weißt ja was man über Rotschöpfe sagt nicht wahr?´, übermittelte Dunwolf und ließ die Augenbrauen hüpfen, auch wenn seine Augen darunter wie brennendes Eis seinen Bruder taxierten.


    `Ditzlin hat einen kleinen Bruder... in unserer Feste?... Wagemutig ihn ohne Vaters Einverständnis einzuladen... oder er ist näher an der Macht, als wir es jemals waren... erzähl mir von seinem Bruder...´, forderte Dun neugierig.

  • "Warum beschreibst du mir Arbogasts Torsos so deutlich? Mich deucht, du hast Spaß daran, mich ein wenig anzuheizen. In dem Falle nicht die schlechteste Idee, die Kutte wird sprechen, ehe ich ihr den Mund stopfe.


    Du möchtest also, dass ich dir von Harubold von Wigberg erzähle? Wie du willst. Beginnen wir mit den kalten Fakten. Das Oberhaupt der Familie Wigberg, Fürst Enderlen von Wigberg, hat neben einigen Töchtern auch vier Söhne. Den Ältesten kennst du, es ist Ditzlin, der Schatten unseres Vaters. Sein Steckenpferd ist die Blutmagie. Es folgt Wolfhard, über den ich dir nichts weiter sagen kann. Bis vor kurzem wusste ich nicht einmal, dass er existiert, er führt ein Leben im Verborgenen. Der kleinste Bruder trägt den schönen Namen Thabit, auch über ihn weiß ich nur wenig mehr, als dass seine magische Gabe recht ausgeprägt ist. Vor dem Nesthäkchen Thabit aber kommt noch der zweitjüngste von den vieren - Harubold.


    Harubold ist im Gegensatz zu seinen Brüdern ein Hüne, hochgewachsen und stämmig mit grimmigem Blick, ein Bild von einem Krieger, denn er führt nicht allein magische Waffen. Auf Turnieren zeigt er gern und bereitwillig sein Können, er scheint mir ein rechter Angeber zu sein, doch warum auch nicht? Er ist von den vier Brüdern stets jener, welcher am Ende als Sieger hervorgeht. Wären die Wigbergs ähnlich gestrickt wie die Hohenfeldes, wären seine drei Brüder längst Geschichte. Doch ihre Erbfolge folgt anderen Regeln als unsere. Ich frage mich, ob du meine Einschätzung zu seiner Person teilst. Falls du ihn wider Erwarten tatsächlich noch nicht kennen solltest, hättest du bei unserer Heimkehr Gelegenheit. Ditzlin hatte, kurz bevor der Gast aus Kuttenthal eintraf, begonnen, seinem waffennärrischen Bruder unsere Rüstkammer zu zeigen. Ich habe sie dort erwischt."


    Er grinste. "Was die anderen Häuser mit uns machen würden, wäre wohl von Haus zu Haus verschieden. Wigberg würde unser Wissen aus uns herauspressen, unsere Gehirne fressen und unsere Archive plündern. Sie fressen auch Bücher wie Nahrung. Das im übertragenen Sinne natürlich, aber probiere es ruhig einmal aus. Lasse ein Buch irgendwo auffällig liegen und beobachte Ditzlins Reaktion. Er kann nicht anders, als hinzugehen und es aufzuschlagen. Aber wie Ratzenreuth, Kuttenthal oder Kaltenburg reagieren würden, vermag ich nicht zu sagen. Kläre mich auf!"

  • "Sowohl als auch Poldi, einerseits macht es Spaß Dich aus der Reserve zu locken und andererseits... habe ich gehofft, wir beide schleichen uns dort einmal gemeinsam ein und nutzen unseren Besuch für eine Spielstunde. Ich war bereits mehrfach dort, aber alleine kann man nicht aufmerksam rumstöbern und auf die mögliche Rückkehr des Gastgebers achten. Deshalb könnten wir uns das Vergnügen.... teilen...", schlug Dunwolf grinsend vor.


    "Du singst ja ein wahres Loblied auf Harubold... höre ich da ein gewisses... Interesse?

    Groß, rothaarig, breitschultrig, kampferfahren... wer könnte da schon nein sagen?

    Ich danke Dir für die überaus detalierte und leckere Beschreibung, ich werde nach dem Rotschopf die Augen offen halten...", säuselte Dun mit verschmitztem Blick.


    Hätte er Poldi die Wahrheit über Haru erzählt, dann hätte er ihn nicht besser beschreiben können. Wobei wer sagte seinem Bruder schon die Wahrheit, oder gab alle Informationen preis über die er verfügte? Es galt die Waage zu halten zwischen Verschweigen, Lüge und Wahrheit so dass man stets eine Naselänge vorne lag.


    Nebenbei hätte er Harubold doch genauer beschreiben können, er wusste einiges über den Mann, denn sie waren wesentlich enger und tiefer verbunden als Poldi vermutete. Natürlich würde er nach Haru Ausschau halten, er musste das Interesse heucheln, dass er seinem Bruder vorspielte.


    Zudem musste er seinem rotschopfigem Herzblatt auf die Finger klopfen, dass sich dieser etwas weniger auffällig verhielt. Oder er musste gemeinsam mit Haru sein eigenes Auftreten überprüfen. Er schob den Gedanken an Haru beiseite, nicht dass er im Eifer des Schmachts versehentlich ein freundliches Gesicht zog. So einen Fauxpas würde seinem Bruder niemals entgehen.


    Das Ditzlin in ihrer Waffenkammer herumstöberte, gefiel Dunwolf ganz und gar nicht. Ging die Stippvisite von Haru aus, konnte das ein gutes Zeichen sein, dass sich dieser mit den örtlichen Gegebenheiten vertraut machen wollte. Ebenso war es aber auch möglich, dass sie sich mit Ditzlin und Harubold zwei Läuse in den Pelz gesetzt hatten. Einmal Vater und einmal er und beide Läuse hatten beschlossen den Hund zu übernehmen.


    Er sollte Haru fragen, was er in der Waffenkammer erfahren hatte. Auf der anderen Seite, würde er abwarten... sollte Haru nicht von sich aus erzählen, war klar dass Ditzlin und er an einem Strang gegen ihre Liebsten Hohenfelde zogen... Wigbergs waren so angenehm wie kompliziert....


    "Bezogen darauf, wie die anderen Häuser bei einem vermeintlichen Sieg über uns reagieren würden, kann ich Dich nicht aufklären. Eines ist klar, wir würden sterben und zwar grausam... Und das Wort grausam, wäre sogar aus unserem Mund angebracht...


    Tatsächliche Informationen habe ich nicht Poldi... aber bedenke wie Paps die meisten erledigt hat, warum sollte jemand auf uns falsche Rücksicht nehmen? Wir sind gnadenlos und wir werden auch keine Gnade erhalten... zudem erwartest Du welche? Ich erwarte keine Gnade Poldi... ich erwarte.... das wir nicht fallen! Ich erwarte.... das Asa Karane eines Tages vollständig in der Hand der Hohenfelde ist...


    Wir sind vermutlich einen weiteren Schritt auf dem Weg dorthin... Indu darf sich nur nicht verplant haben... ansonsten müssen wir seine Entscheidung korrigieren... und auch den Entscheidungsträger ändern... Du weißt wovon ich spreche...

    Hast Du Dir jemals darüber Gedanken gemacht?


    Der Hinweis mit dem Buch und den Wiggis.... gefällt mir... ich werde austesten, ob sie so Bücher süchtig sind wie Du behauptest...

    Falls wir Ditzlin loswerden wollen... ich hätte da eine kleine Überraschung...

    Ein gutes Buch.... ein gutes Gift... getränkte Seiten... oder blättert er nicht mit seinen zärtlichen Fingerchen um?


    Unsere Feinde würden uns unsere Macht und Essenzen rauben, vielleicht würden sie aus uns Lebende machen... Geschöpfe die nur am Rande der Existenz existierten... so könnten sie jederzeit auf uns zugreifen... Fragen stellen... nachhaken... bis sie uns vollständig entsorgen...


    Genauso möglich wäre es, dass wir keine zwei Sekunden überleben... körperlos... geistlos... seelenlos... existenzlos...

    Vielleicht landen wir in einem Spielzimmer eines Ratzen? Er bohrt neue Löcher in unsere Körper... wie ich hörte sind sie an der Nachweisung der Seele in... sagen wir mal manifestischer Form interessiert... also die Existenz der Seele ist gewiss... sie ist unsere pures Sein... sie reist in den Nexus... aber wo ist sie im Körper tatsächlich verknüpft... oder woran?


    Arbo erzählte mir, dass die Ratzen wohl ihre Versuchspersonen mit der Zitternadel behandeln....

    Man sticht Dir irgendwo in der Nähe der Augen hin... bis ins Hirn... zittert mit der Nadel... und ab dato bist Du nur noch ein sabberndes Wrack... Dein Körper ist Dein Käfig... das Arbo da interessiert erklärt sich durch seinen Torsoraum...

    Zeigt uns aber, dass man sich dann wohl aus seinem Körper lösen müsste... um wieder frei zu sein...


    Was immer sie tun würden Poldi... wir wären vermutlich abgeschlachtet und aufgezehrt besser dran...

    Und die Frauen... die wären besser dran... wären sie keine Kriegsbeute...

    Aber Eigenwohl geht vor...

    Schau wir sind da", sagte Dunwolf.


    Er ließ seine Taudisschwinge die Ruine umkreisen, um nach möglichen Feinden Ausschau zu halten. Dann wählte er eine der höheren Positionen, um dort zu landen. Die höchste Position wählte er nicht, da sie dort auf dem Präsentierteller sitzen würden. Zudem würde jeder genau diesen Punkt im Auge behalten. Hoch aber nicht zu auffällig, so wählte Dunwolf für ihre Sicherheit.


    Die gewaltige Taudisschwinge grub ihre Klauen in den Felsen der alten Ruine und wartete darauf, dass seine Artgenossin neben ihm samt Herr landen würde.

  • Das Taudisschwingenweibchen landete einige Meter entfernt auf einem anderen Vorsprung. Ihre Flügel nahmen zu viel Raum ein, als dass es möglich gewesen wäre, bei An- und Abflug dicht nebeneinander zu stehen.


    Leopoldius kraulte ihr mit seinen klauenartigen Nägeln den Nacken und schmunzelte grimmig. 'Dir macht es also Spaß, mich auf diese Weise zu reizen, Brüderchen? Dann Glückwunsch, es hat gewirkt. Ich bin dabei, wir statten Arbogasts Spielzeugen einen Besuch ab. Mal sehen, ob er bestimmte Vorlieben hat, was seine Torsos anbelangt, oder ob ihm eher ein wenig Abwechslung wichtig ist. Falls er uns erwischt, bin ich auf seine Reaktion gespannt. Fast bin ich versucht, genau das zu provozieren, nur um zu sehen, wie er dann reagiert. Aber vorher möchte ich mich in Ruhe umschauen.'


    Er blickte zu Dunwolf hinüber. Der tat tatsächlich so, als wäre Harubold ihm unbekannt. Leopoldius fragte sich, bis zu welchem Punkt er sein vermeintliches Geheimnis noch gedachte für sich zu behalten. Und warum er dies tat. Entweder war Harubold ein wirklich wertvolles Spielzeug oder, was wahrscheinlicher war, er war mehr als nur das. Leopoldius spürte einen kleinen Stich des Neides. Doch er schüttelte diesen Gedanken rasch ab. Es hatte einen guten Grund, warum er sich mit diesem Gedanken nicht zu intensiv auseinandersetzen wollte.


    'Ditzlin mit einem vergifteten Buch hinwegzuraffen ist kein schlechter Gedanke. Versuch es, wenn du Vater zum Schäumen bringen willst. Vielleicht löst sich das Problem der Erbfolge auf natürlichem Weg von allein, wenn er sich nur genügend aufregt.


    Die Kutten sind also am physischen Teil der Magie interessiert. Sie sind Freizeitgelehrte, witzig. Eine Familie von Eierköpfen. Wen auch immer wir heute abfangen, er wird einen krummen rücken, weiche Glieder und vom vielen Nachdenken eine Halbglatze haben. Ich wette mit dir.'


    Er schaute gebannt auf den Weg, der sich vor der Ruine entlanggschlängelte.

  • `Arbo ist nicht der Typ der gerne teilt, vermute ich. Sonst hätte er seine Spielzeuge nicht so gut weggeschlossen. Da habt Ihr was gemeinsam, nicht wahr? Ich freue mich darauf, bei ihm etwas Beute zu schlagen, was von seinen Spielzeugen abzustauben. Die wird es eh nicht scheren, wer in ihren Löchern bohrt.


    Vater würde sich nicht ärgern, wenn ich Ditzlin beseitige. Er wäre enttäuscht, dass Ditzlin so schwach und dumm war und er würde mich dafür umbringen. Vielleicht würde er meine Kreativität anerkennen, aber Ditzlin gehört ihm und das würde er mir sehr übel nehmen. Ergo, er würde mich beseitigen.... vollständig.... so wichtig ist Ditzlin dann doch nicht...


    Bevor man sich um Ditzlin kümmert, müsste also Vater nicht mehr da sein, der seine schützenden Klauen über sein Spielzeug hält...


    Die Kutten betreiben dass nicht hobbymäßig, sie betreiben das sehr ernsthaft. Ich kann Dir nicht sagen wie viel Geist tatsächlich rein an den Körper gebunden ist oder an die Seele. Die Frage ist allerdings hochinteressant. Man bereist den Nexus und hält schließlich immer noch ein Band zu seinem Körper. Ist dieses aufgehoben, bleibt die Seele bestehen, geht aber auf Wanderschaft. Seelen an sich sind Essenzen, man sagt das wahre Du ist Deine Seele.


    Das ist so, sonst könnte man nicht in einen neuen Körper einziehen.

    Aber die Kutten gehen davon aus, dass jeder Körper auch eine eigene Erinnerung hat. Ein Beispiel wäre, Du ziehst in einen neuen Körper ein und Du umarmst versehentlich eine Person. Du wolltest das nicht Poldi, aber der Körper erinnerte sich selbständig an die Person. Vielleicht ist sie das Kind dieses Körpers....


    Sowas erforschen sie. Und wenn der Körper so etwas kann, muss er auch die Speichermöglichkeit haben, solches Wissen zu verwahren. Wo? Im Hirn? Im Sonarplexus? Tja.... wer weiß es schon... vielleicht die Kutten...


    Mich würde dies interessieren um zu wissen, wie man sich von seinem Körper gefahrlos entkoppeln kann und vollständig an einen neuen andocken kann.... oder frei wählen ohne Barrieren...


    So erhitzt, dass Du schon die Stute kraulst? Ich halte mal lieber Ausschau, nicht dass Du mir noch platzt...´, lachte Dun mental.


    Leichter Nieselregen setzte ein und der Wind frischte auf. Ein seltsames Heulen und Stöhnen erklang aus der Ruine unter ihnen, ob dies nun dem Wind oder einem Tier geschuldet war, konnten sie von ihrer Warte aus nicht erkennen. Die Minuten wurden zu Stunden und langsam zog auch die Kälte auf.


    Sie sahen wie die Lichter in der Feste der Kuttenthaler entzündet wurden. Der Regen rann ihnen von den Haaren und der Kleidung und der Wind ließ sie frösteln. Zwei weitere Stunden später sahen sie einen kleinen Tross von Reitern die Feste verlassen. Die vier vermummten Gestalten stoben in Richtung Kaltenburg auf ihren Wölfen davon. Dunwolf gab den Reitern noch einen Vorsprung, sie sollten weit genug entfernt von der Feste sein.


    `Los gehts!´, übermittelte Dunwolf.


    Seine Stiefel hämmerten in die Flanke der Taudisschwinge und sie ließ sich von ihrer Warte in die Tiefe stürzen. Im Tiefflug nahm Dunwolf die Verfolgung der Reiter auf.

  • Leopoldius hörte auf, das Weibchen zu liebkosen.


    'Es ist schon ein Weilchen her, seit ich mir Zeit für mein körperliches Wohl nehmen konnte. Du glaubst, dass ich wie Arbogast meine Spielsachen sicher verwahre? Brüderchen, wie ich schon sagte, da gibt es niemanden. Ich gehöre nicht zu jenen, welche die weiche Seite ihrer Seele nähren. Arbogasts Affinität für Torsos ist nichts als eine als Härte kaschierte Schwäche. Andernfalls würde er sie nicht eifersüchtig verstecken, sondern bereitwillig teilen, wie das unter Brüdern so üblich ist. Das macht Arbogast nicht ungefährlich, aber wenn ich solche Neigungen hätte, würde ich sie nicht ausleben, sondern tunlichst versuchen, sie durch dauerhafte Ignoranz irgendwann zu vergessen. Ich spare mir solche Untugenden für meine Zeit auf dem Familienthron auf - falls ich dann noch den Bedarf dafür habe.'


    Der Regen war widerlich. Solches Wetter gefiel vermutlich nur Kaltenburgs. Binnen Minuten waren ihre Haare durchgeweicht. Als die Taudisschwinge von Dunwolf vornüber kippte, folgte die von Leopoldius. Die zwei riesigen Geschöpfe rasten durch den Nieselregen, der kalt und klamm unter ihre Kleidung kroch.


    'Vier Wolfsreiter ... Kundschafter? Gäste? Wir werden es erfahren!'

  • Dunwolfs Schwinge jagte über die Landschaft hinweg. Als die vier Reiter über das Heulen des Windes hinweg das Knarren der Flughäute hörten, war es für die ersten beiden bereits zu spät. Die Taudisschwinge von Dunwolf riss sie aus ihren Sätteln. Die Klauen seiner Pranke schlitzten dem ersten Opfer die Kehle auf, während Dunwolf dem zweiten Opfer die Finger in die Augen rammte und ihm die Seele entriss.


    Seine Schwinge ließ beide Kutten zu Boden stürzen und verfolgte die Wölfe. Reittiere ohne Reiter waren genauso auffällig wie eine offene Warnung.


    `Schnapp Dir einen und lass ihn leben Poldi. Kutten, die reiten Wölfe so wie wir Schwingen und Bärenhunde. Nun lass knacken, denk an Deine dicken Klöten und unsere Infos Brüderchen...´, übermittelte Dunwolf und flog einen scharfen Bogen mit seiner Taudisschwinge.


    Das große Männchen packte das Zaumzeug eines Wolfes und riss das Tier ebenfalls in die Höhe, ehe es einige Minuten später den zweiten Wolf über die Landschaft jagte.

  • Das Weibchen riss den ersten Wolf am Schwanz in die Luft. Es war weniger kräftig als sein männlicher Argenosse, doch es genügte, um das Tier samt Reiter auf vier Meter Höhe zu bringen. Dann öffnete sie die Klauen. Als Mensch und Tier auf dem Boden landeten, brachen ihre Knochen. Leopoldius sprang ab. Während sein Fluggeschöpf sich um den letzten Kuttenthaler kümmerte, packte Leopoldius den Verletzten am Hals, um genussvoll erst seine und dann die Seele des Tieres zu schlürfen. Den letzten Mann brachte das Weibchen unversehrt zurück - zumindest vermutete Leopoldius, dass es ein Mann war.


    "Wen haben wir denn hier?", fragte er mit eisigem Grinsen und zog dem Gefangenen die Kapuze zurück, während das Weibchen ihm die Arme hinter dem Körper knebelte. "Name und Auftrag. Ich lese deine Gedanken. Antworte präzise und ehrlich, dann wird es kürzer und schmerzarmer und vielleicht lasse ich deine Kinder leben, damit sie den meinen dienen können."


    Die Kälte hatte es nicht vermocht, seine körperliche Hitze abzukühlen. Leopoldius dampfte.