• Stürmische See



    << Narben - Ü18-Story



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    Kapitäns-Kajüte auf der Choucas - Hafen Cantillion



    Silvano de Mancini
    Als Boldi eintrat begrüßte ihn Silvano mit einem breiten Lächeln und wie üblich schräg gelegtem Kopf. Im Gegensatz zu sonst, trug der Chevalier die Haare heute offen, so dass sie ihm über die Schultern fielen. Allerdings waren sie weiß gepudert, soviel Maske musste wohl doch für die Haare sein. Den gewaltigen Tisch, den Boldi gestern wie ein Spielzeug durch die Kajüte geschleudert hatte, stand wieder an Ort und stelle und das Choas, dass sie gemeinsam angerichtet hatten, war beseitigt worden. Der Blick mit dem Vano Boldi bedachte sprach Bände, allerdings nur gute. "Schön Dich wiederzusehen. Mach es Dir gemütlich", sagte Vano freundlich und deutete Boldi an, sich ihm am Schreibtisch gegenüber zu setzen. "Möchtest Du etwas Essen?", bot Vano gut gelaunt an und kraulte seinen schwarzen Pudel.


    Boldiszàr
    Bevor er sich auf den zugewiesenen Platz setzte, packte er Silvanos Unterkiefer, ohne Rücksicht auf die dicke weiße Schicht von Schminke zu nehmen und drückte ihm einen Kuss auf den Mund. Es gab nicht gerade viele, die Lust verspürten, Boldiszàr auf den Mund zu küssen, aber bei Silvano hatte er gestern das Gefühl gehabt, dass er das Spiel ihrer Lippen genau so genossen hatte wie er Boldiszàr. Erst nach einer langen und genüsslichen Begrüßung ließ der Gardist sich schwer in seinen Stuhl fallen. »Das Essen nehme ich gern an. Die offenen Haare stehen dir, lass die Perücke weg, die ist zu warm. Dein natürliches Haar sieht besser aus und erspart dir einen qualmenden Schädel.« Er blinzelte langsam. »Ich bin noch mal in mich gegangen. Ich war gestern vielleicht etwas überschwänglich. Ich merke, dass ich es schon wieder bin und Euch auch noch duze. Hm, eigentlich wollte ich mich entschuldigen.«


    Silvano de Mancini
    "Danke für das Kompliment Boldi. Deine überschwängliche Art hat mir gefallen und ich habe mich gerne gefügt. Wofür möchtest Du Dich entschuldigen? Für die Stoffschicht zwischen uns? Geschenkt, ich wäre allein nicht einmal bis dahin gekommen. Wir waren beim Du und wir bleiben beim Du. Und ich gebe freimütig zu, dass ich mich gewaltig freue Dich wiederzusehen. Unser Treffen war besonders, oder vielmehr Du bist es. Du hast Mut Boldi, ich habe mich so manchem Gegner gestellt und mich getraut ihm ins Gesicht zu sehen. Aber mir selbst, sehe ich selten ins Gesicht, nicht einmal dann wenn ich mich schminke. Jedenfalls nicht für die Grundierung, danach erst schaue ich mich an. Oder wenn ich wirklich einen ausgeglichenen guten Tag hatte. So einen fantastischen Tag wie gestern hatte ich seit Ewigkeiten nicht mehr. Solche Zeiten liegen weit vor meinem Unfall zurück, von daher entschuldige Dich nicht für so ein Geschenk. Gestern Abend habe ich mich sehenden Auges vor dem Spiegel rasiert und nicht nach Gefühl. Du weißt was das bedeutet. Möchtest Du über Nacht, sagen wir mal an Bord bleiben?", bot Silvano an und läutete nach einem der Seeleute.


    Boldiszàr
    »An Bord bleiben? Es wäre mir eine Ehre. Ich habe mir, hm, vorsorglich zwei Tage Urlaub genommen. Etienne übernimmt die Unitè B in dieser Zeit. Ich wollte eigentlich keinen freien Tag nehmen, bis Robby wieder wohlbehalten zu Hause ist, aber, hm, es kam etwas dazwischen.« Er grinste sein einseitiges Grinsen. »Das Vergnügen war ganz meinerseits. Es ist selten, dass ich mich dabei so frei gefühlt habe. Ich trage zwar keine Schminke, aber eine Maske, die unsichtbar ist. Sie heißt Ignoranz und sie gilt der gesamten verdammten Welt, von meiner kleinen Insel bei der Leibgarde abgesehen. Gestern hast du sie mir abgenommen. Als ich dir deine Maske nehmen durfte, fiel auch die meine. Wir beide waren einfach nur wir und nicht die Verlierer dieses ganzen verlogenen Spiels von gutem Aussehen. Ich weiß, dass es Tage gibt, wo man so was nicht hören will, aber ich werde nicht ewig hier sein, drum sag ich es dir, bevor ich wieder abreisen muss: Du siehst richtig scharf aus. Nenn mich verdreht, aber ich glaube, du hast vorher ganz schön langweilig ausgesehen. Ich hätte dich gesehen, hübsch gefunden, vielleicht noch mal auf deinen Arsch geschaut und dich dann wieder vergessen. Den gestrigen Abend vergesse ich bestimmt nicht und den Vano, den ich kennenlernen durfte, behalte ich für immer im Herzen.«


    Silvano de Mancini
    Mancini zog seine Augenbraue hoch und dabei kräuselte sich sein Nasenrücken, da er ein Grinsen unterdrückte. "Ich hatte schon befürchtet heute machst Du den Rückzieher. Zwei Tage, 48 Stunden, wir liegen im Hafen, wir haben soweit nichts zu tun, also eine lange Zeit... eine gewaltig lange Zeit. Ich werde mir ebenso zwei Tage frei nehmen und die Geschäfte an den ersten Offizier abgeben. Wir können hier bleiben in unserem kleinen Nest oder wir können was unternehmen. Ich richte mich nach Dir. Wir haben uns gegenseitig demaskiert, weil es niemand anderes konnte Boldi. Das verlogene Spiel vom guten Aussehen ist eine Maskerade um die wahren Gedanken zu verstecken. Jedenfalls ist das meine Vermutung. Was wirst Du nach den zwei Tagen tun? Ich bereite etwas sehr wichtiges vor, bezogen auf unsere Patrouille", erklärte Vano und schwieg urplötzlich. "Was langweilige ich Dich mit Geschäften, dafür bist Du nicht hergekommen nicht wahr? Und ich habe sicher nicht nachts wachgelegen und gehofft Du kommst wieder, damit ich Dir von unserer Arbeit erzählen kann. Was ich Dir sagen wollte ist, ich hoffe es war kein einmaliges Erlebnis. Gut das mit dem Tisch schon. Ich muss zugeben mir ging der Arsch auf Grundeis, zeitgleich fand ich es scharf. Und Du bleibst ebenfalls in meinem Herzen und meinem Hirn. Aber gestern warst Du auch noch woanders, da hätte ich Dich gerne wieder. Ich verstehe was Du bezüglich der Schminke meinst, es gibt dazu einen Spruch bezogen auf Parfüm, aber er ist genauso unsinnig wie die Tarnung mit der Maske, weil es auf all das im Endeffekt gar nicht ankommt. Bleib... bitte", bat Silvano inständig. Es klopfte kurz und nach einem "Herrein" von Silvano wurde Boldi eine Portion Essen hingestellt. Es war ein Eintopf, der mehr Fleisch als Gemüse enthielt und er duftete köstlich. Mit knappen Nicken verließ der Seemann wieder die Kajüte und Vano musterte Boldi abwartend.


    Boldiszàr
    »Dann waren wir zwei, die nachts wachgelegen haben«, erwiderte er und griff nach dem Löffel. Er begann sofort in Windeseile zu schaufeln. Bolsizàr konnte sich im Allgemeinen gut benehmen, aber nicht, wenn es ums Essen ging. Weder machte er eine Pause noch wartete er mit dem ersten Bissen, bis er fertig erzählt hatte. Stattdessen verschlang er erst den riesen Teller, was vielleicht zwei Minuten dauerte, und leckte auch noch den Teller ab. Dabei beschränkte er sich nicht nur auf die Oberseite, sondern reinigte auch den Rand und die Unterseite mit seiner Zunge, genau wie den Löffel samt Stiel. Als er einen kleinen Klecks auf dem Tisch entdeckte, musste er sich zusammenreißen, diesen nicht einfach aufzulecken, sondern nur mit dem Finger aufzuwischen und diesen dann abzulutschen. »War sehr gut. Ich würde mich auch freuen, wenn, hm, wir uns später wiedersehen. Ich weiß, du bist viel unterwegs, aber vielleicht kannst du deinen Urlaub so planen, dass du mich in Beaufort besuchst? Wenn ich Urlaub habe, könnte ich dich ebenso in dem Hafen besuchen, in dem du an Land gegangen bist. Wobei, das wird wohl eine Weile dauern, wenn du meinst, du bereitest eine Patrouille vor. Mich hat das gestern nicht gerade kalt gelassen. Ich muss dauernd an dich denken. Drum ja, ich bleib sehr gerne. Lass uns die zwei Tage einfach miteinander genießen. Wir müssen nicht irgendwo hingehen, sondern können es uns einfach gemütlich machen. Ich komme aber gern mit, wenn du das Schiff mal verlassen willst, was ich auch verstehen könnte. Aber ich brauch nicht unbedingt fremde Menschen um mich herum. Was mich interessieren würde, ist die Choucas und seine Besatzung. Ich kenn mich mit der Marine null aus.«


    Silvano de Mancini
    Silvano hörte Boldi zuerst zu, dann sah er ihm beim Essen zu und grinste dann doch breit über beide Ohren. Allerdings nicht über die Geschwindigkeit, sondern über das Zungenspiel am Löffel. Die Essgeschwindigkeit kam ihm bekannt vor. Er hatte Jahre benötigt, um gesittet und anständig zu essen, anstatt alles in sich hineinzustopfen was ging und am besten noch etwas auf Reserve in der Kleidung zu bunkern. Er überlegte ober er Boldi offen nach dessen Herkunft fragen sollte, entschied sich jedoch dagegen. Man sprach niemanden darauf an, warum er wie ein verhungertes Tier seine Mahlzeit herabschlang. Entweder man erkannte es, oder man beleidigte sein Gegenüber. Und das Letzte was Mancini vorhatte war Boldi zu beleidigen oder gar zu vergraulen. Zudem war er so in den Genuss der Leck-Einlage gekommen, auch wenn sie leider nur dem Löffel und nicht ihm galt. "Meine Tätigkeit ist mit Deiner vergleichbar Boldi. Du schiebst Wache am Hof, ich fahre Wache auf der Azursee. Zwischendurch gibt es eine Pause samt Landgang für die Mannschaft. Wir müssen schließlich auch Nahrung und so weiter wieder auffüllen, denn auf See verbrauchen wir die Verbrauchsgüter genauso wie ein Haushalt am Land. Du planst so weit? Nun ich muss sagen dass gefällt mir und am liebsten würde ich gerade blöde grinsen wie ein Honigkuchenpferd. Welchen Hafen wir anlaufen entscheide ich, also können wir unseren Urlaub und Landgang aufeinander abstimmen. Ich möchte das Schiff nie verlassen, ich tue es weil ich es muss. Ansonsten ist die Choucas meine kleine Welt. Nun so klein ist sie nicht, ich stelle sie Dir sehr gerne vor", sagte Silvano, stand auf und machte eine einladende Handgeste Richtung Kajütentür. "Folge mir ich führe Dich herum. Sobald wir die Kajüte verlassen, schaust Du auf das wichtigste vom Schiff - das Steuerrad", erklärte Silvano und blieb kurz vor der Tür noch einmal stehen. Er drehte sich nicht zu Boldi um, sondern blieb der Tür zugewandt, so dass Boldizar auf seinen Rücken schaute. "Mich hat das gestern ebenfalls nicht kalt gelassen. Ich empfinde etwas für Dich", sagte er sanft und öffnete danach die Tür, ohne Boldis Antwort abzuwarten. Als sie nach draußen traten, grüßte die anwesenden der Mannschaft umgehend ihren Kapitän. Boldi sah, dass es nicht rein dem Rang geschuldet war, die Männer hatten Respekt. Sie waren ein eingeschworenes Team. Vano stellte sich ans Steuerrad und nickte aufmunternd. "Nur zu, nimm es mal in die Hand. Aber nicht aus Spaß dran herumdrehen", grinste er, so dass seine Wangen von tiefen Grübchen gezeichnet waren.


    Boldiszàr
    Boldiszàr hatte Silvanos Schminke mit der Hand verschmiert, als er seinen Kiefer gepackt hatte, aber das viele Puder hatte verhindert, dass dies allzu deutlich ausfiel. Allerdings schmeckte Boldiszàr Silvanos lila Lippenstift und fuhr sich mit dem Handrücken über den Mund, falls da noch Reste klebten. Die Mannschaft legte dem Kapitän gegenüber ein tadelloses Benehmen an den Tag. Das gefiel ihm. Auch er hielt respektvollen Abstand und wischte sich in einem unbeobachteten Moment den weißen Kleister von den Fingern, damit niemand schlussfolgerte, dass Vano von ihm gepackt worden war. Als der ihn aufforderte, das Steuerrad zu halten, wurde Boldiszàr seinerseits von enormem Respekt für das riesige Schiff erfüllt, das über ein so kleines Rad gelenkt wurde. Er griff fest zu, ohne das Rad zu drehen. »Erfolgt die Steuerung nur hierüber? Oder helfen die Segel oder die Ruder mit? Hat die Choucas überhaupt Ruder?« Boldiszàr hatte keinen blassen Schimmer. Er musste sich Mühe geben, Silvano nicht die ganze Zeit anzusehen. Die Lachgrübchen in seinen Wangen hatten ihm gefallen, die würde er gern wieder aufblitzen sehen. Er wusste aber auch, dass beim Militär, ob im Palast oder auf See, selten gelächelt wurde. Wenn überhaupt, dann wurde meist gegrinst.


    Silvano de Mancini
    Vano stellte sich dicht neben Boldi, griff ins Steuerrad und ließ drehte es mit Schwung, so dass es einmal eine 360 Grad-Wende beschrieb. Die Choucas rührte sich keinen Millimeter. "Reingefallen", grinste Vano, "Damit willkommen. Ein Ruder kann nur dann eine Steuerung herbeiführen, wenn es durch Fortbewegung des Schiffes von Wasser umströmt wird. Die Steuerwirkung ist umso extremer, je mehr das Ruder quer zur Fahrtrichtung angestellt wird, je größer seine wirksame Fläche ist und je schneller sich das Schiff innerhalb des Wassers bewegt. Also ohne Fahrt, keine Lenkung. Und ohne gesetzte Segel, egal wie hoch, keine Fahrt. Sie wird über das Steuerrad verbunden mit dem Ruder und über das setzten der Segel gesteuert, je nach Ausrichtung und auch nach Setzung der Segel und nach Knoten unserer Fahrt. Willkommen an Bord Boldi. Sage bitte sie... die Choucas, nicht das Schiff, Du möchtest doch keine Dame kränken? Wir haben keine Ruder an Bord. Jedenfalls nicht für die Choucas, nur für die Beiboote. Andere nennen sie Rettungsboote, aber ich verwende den Begriff nicht um, wie gesagt - die Dame die meine Welt ist, nicht zu beleidigen. Das bringt Unglück Boldi. Es ist Landgang, sozusagen große Pause, also bleib locker. Ich schlage vor Du schaust Dich einfach um und ich folge Dir. Du darfst überall herumstromern, außer in der Kombüse. Da habe ich nichts zu sagen und niemand mit Verstand legt sich mit dem Smut an. Auf geht´s", antwortete Vano freundlich. Er warf Boldi einen Seitenblick zu und blinzelte aufmunternd.


    Boldiszàr
    Boldiszàr verstand exakt gar nichts, als Silvano ihm die Steuerung erklärte. Dafür hatte er einen kleinen Schock erlitten, als dieser das Steuerrad herumgewirbelt hatte. Er würde lernen müssen, dem Kapitän auf diesem Schiff zu vertrauen, so wie er an Land dem Palaisin vertraute und seine Männer ihm. »Locker? Ich bin locker. Ich bin nur gut gelaunt. Falls man es nicht merkt.« Er blinzelte zurück und begab sich auf einen Rundgang, um sich alles anzusehen und von Silvano erklären zu lassen. Er stellte auch allerhand Fragen, bemühte sich aber, keine allzu dummen zu stellen. Er war ziemlich ungebildet und das Einzige, worüber er wirklich Bescheid wusste, war seine eigene Arbeit. Ihm gefiel, mit welcher Hingabe Silvano von der Choucas sprach. »Wir haben jemanden bei Hof, mit dem würdest du dich wahrscheinlich gut verstehen. Der liebt Fahrzeuge und spricht gern von seiner Kutsche. Wenn er die Choucas sieht, fällt er auf die Knie und ihm geht einer ab. Die Bewaffnung würde ich gern ansehen, erklärst du die mir?« Zielsicher steuerte Boldiszàr auf einen der großen Bordskorpione zu und blieb davor stehen. Remy gefielen Kutschen, Silvano liebte sein Schiff - und Boldiszàr liebte Dinge, die andere Dinge nachhaltig zerstören konnten.


    Silvano de Mancini
    Silvano ließ Boldi überall herumstöbern und stromern und beantwortete ihm jede Fragen, als wäre er ein Flottenforz, also ein Schiffsjunge. Die Marine war nicht Boldis Welt, woher sollte er also von all den Dingen eine Ahnung haben? Er selbst würde vermutlich in der Garde genauso alles erklärt bekommen müssen. Aber dass sich Boldi dafür interessiert und fragte, dass freute Silvano sehr. Und so beantwortete er auch die Fragen von seinem Gast und wie er hoffte Freund. "Du hast gerade etwas anders ausgesehen als locker, aber ich glaube Dir selbstverständlich. Eine Kutsche? Was denn für eine? Du kannst Deinen Kumpel gerne einmal mitbringen, aber nicht die nächsten zwei Tage, da habe ich keine Zeit und Du sicher auch nicht. Die Bewaffnung die wir an Bord haben sind Skorpione. Also Geschütze, keine Kerbtiere. Insgesamt ist unsere Bewaffnung wie folgt - 14 Skorpione, 4 nach vorne gerichtete und 10 auf dem Schiff verteilte Skorpione. Also je 5 Backbord und 5 Steuerbord. Das heißt bei einer Breitseite würden wir je 5 davon abfeuern. Eine Breitseite ist das gemeinsames Abfeuern aller Skorpione auf einer Seite der Choucas. Und dann führen wir noch eine Bordharpune mit uns, sowie einzelne um uns bei Bedarf auf hoher See mit Fleisch oder Fisch versorgen zu können. Allerdings kann man so eine Harpune auch als Waffe benutzen. Sehr effektiv. Was einen Wal tötet oder einen Riesenhai, dass bläst auch einen Feind ins Jenseits. Die Skorpione musst Du Dir einfach wie überdimensionale Armbrüste vorstellen. Sie werden geladen, gespannt und abgefeuert. Ah und Brandfässer haben wir an Bord. Dort ist der Name Programm, man schleudert sie auf gegnerische Schiffe und steckt sie damit in Brand. Mit etwas Modifikation kannst Du sie auch einfach in die See kippen, sie schwimmen oben auf und fährt ein fremdes Schiff drüber gehen sie hoch. Sozusagen wie Seebomben, Mienen, Sprengfallen. Wehrlos sind wir nicht, dass wäre auch fatal auf Wache. Wir könnten allerdings auch mehr Skorpione ausrüsten, dass geht dann allerdings zum Nachteil auf Wendigkeit und so weiter. Wir würden an Gewicht zulegen oder müssten woanders Gewicht einsparen. Bis jetzt hat die Choucas eine Bewaffnungserhöhung nicht benötigt Boldi. Und ich bin froh, dass wir auf Wacht waren, als die anderen Schiffe geraubt wurden. Es ist eine ungeheuere Schmach, wenn Du als Kapitän Deine Lady verlierst. Ein Gesichtsverlust ohne Narben", sagte Vano. "Nocheinmal wird dies jedenfalls nicht geschehen, wir waren zu gutgläubig was die Fremdländer angeht. Wie siehst Du die Sache?", fragte Mancini neugierig.


    Boldiszàr
    »Ich habe Zeit, aber nur für dich. Mein Kumpel ist der Remy nicht. Das ist einer von den Prinzen, der Mann von Prinzessin Olivie. Aber er ist sehr mitteilungsbedürftig, drum kriegt man da allerhand mit. Er fährt eine Audeaux und wird nie was anderes fahren, vermutlich lässt er sich in dem Ding später auch beerdigen.« Als Silvano ihm die Bewaffnung erläuterte und was man damit alles tun konnte, bekam Boldiszàr selbst eine Harpune in der Hose. Er wusste aus eigener Erfahrung, was ein Gefecht bedeutete, aber das änderte nichts daran, dass ihn die Vorstellung erregte, zu sehen, wie die Choucas ein feindliches Schiff samt Mannschaft wegpustete. Besonders die Skorpione und die riesige Bordharpune gefielen ihm. »Der Schiffsraub, das ging gar nicht. Almanen bestehlen Almanen! So was hat es in der Geschichte Asamuras bisher nicht gegeben und es wurde zu recht gesühn. Es war nicht die Schuld der Kapitäne, auf so eine Niedertracht kommt doch keiner. Wir haben unseren Bündnispartnern vertraut und das war ein Fehler, der kein zweites Mal geschehen wird. Die anderen drei Unitès behalte ich auch im Auge und vertraue nur meinen eigenen Männern. Zum Glück blieb die Choucas in deiner Hand. Sie ist ein geniales Schiff. Kein Wunder, dass du sie liebst.« Ihm fiel ein junger Mann auf, der sich gerade von seinen Kameraden zum Landgang verabschieden wollte. Boldiszàr betrachtete ihn sehr genau und schwankte zwischen Unglauben und Amusement. »Der Kerl da sieht aus wie einer meiner Männer«, meinte er.


    Silvano de Mancini
    "Die Bewaffnung der Choucas scheint Dir zu gefallen, wie ich an Deiner sehe. Die gefällt mir übrigens sehr. Ein Gefecht ist aber nicht nur die Leistung der Bewaffnung, sondern der Tanz auf den Wellen Boldi. Du musst es hinbekommen Deinen Gegner schwerstmöglich zu schaden und selbst kaum welchen abzubekommen. Das heißt, am besten verpasst Du ihm eine Breitseite und bietest selbst so wenig wie möglich Angriffsfläche. Das bedeutet Hochkonzentration für die Leute an der Bewaffnung, aber mehr noch für den Ruderer und für die Leute in der Takelage - also in der in Masten und dem Tauwerk und so weiter. Das klingt etwas fremd und verwirrend, aber irgendwann hast Du es von ganz alleine drauf. Alles hat hier seinen eigenen Namen. Die Choucas ist seit ihrem Stapellauf, ihrer Übernahme in die souvagnische Marine und ihre Indienststellung in meiner Hand, dies alles geschah im Jahr 193 n.d.A., 10 Jahre mittlerweile. Eine lange Zeit um mit ihr zu verschmelzen", antwortete Vano. "Ich sehe es ebenso wie Du, behalte Deine Feinde im Auge, aber mehr noch Deine Freunde. Denn was Deine Feinde vorhaben, ist klar. Natürlich kann kein Kapitän etwas für die Übernahme, schon niemand aus der zivilen Schifffahrt, dennoch ist der Schmerz über den Verlust enorm. Für jeden Kapitän der sein Schiff liebt, lebt sie auch. Sie trägt einen, sie führt einen und manchmal reißt sie dort noch das Ruder herum, wo Du dachtest dass war es nun für Dich. Im übertragenen Sinne natürlich nur Boldi. Wen meinst Du?", fragte Vano und drehte sich komplett um, da ihm das räumliche Sehen fehlte. "Das ist Sacha. Sacha Bonnet, 20 Jahre jung, guter Mann. Was ist mit ihm?", hakte Silvano nach und knuffte Boldi.


    Boldiszàr
    »Meine Bewaffnung kannst du dir dann in der Kajüte noch mal in Ruhe anschauen«, antwortete er und grinste sein schiefes Grinsen. »Du scheinst ja keine Hemmungen haben, dazu zu stehen, wenn dir nach jemandem ist. Da bist du mutiger als viele andere. Ich zeig es demjenigen gern, aber normalerweise nicht, wenn wer zuschaut. Ich hätte Bock, zu erleben, wie die Choucas auf Feinfahrt geht. Halte mich nicht für naiv, ich kenne den Tod. Aber ich gehöre zu denen, die den Kampf kennen und ihn trotzdem lieben. Dich zu sehen, wie du die Männer über Deck scheuchst und alles um euch herum geht tosend in Flammen auf, während ihr irgendwelche Feinde fertigmacht, das vor Augen werde ich die nächsten Nächte einschlafen. Möge dir die Choucas noch für weitere Jahrzehnte erhalten bleiben und irgendwann, wenn sie eine alte Lady ist, in Frieden heimkehren und ihren Lebensabend in heimischen Gewässern verbringen können, fernab vom Krieg.« Boldiszàr merkte, dass er den Drang hatte, Silvano schon wieder zu umarmen. Er musste sich auf etwas anderes konzentrieren als auf seine Fantasien. Fast hätte er den jungen Mann vergessen. »Dieser Sacha sieht aus wie einer von meinen Leuten, aber deftig. Zwanzig Jahre ... da wäre er 16 gewesen. Haut das hin?« Er versuchte, sich daran zu erinnern, ob er selbst mit 16 schon soweit gewesen wäre, ein Kind zu zeugen. Aufgrund des kargen Essens hatte er lange für seine Entwicklung gebraucht. Allerdings hatte er den Großteil dieser Zeit verdrängt und erinnerte sich kaum. »Wo kommt der her?«


    Silvano de Mancini
    "Bis zu einem gewissen Grad habe ich ehrlich gesagt keine Hemmungen, dafür sind sie ab dem Punkt gewaltig und für mich kaum zu überwinden. Du hast gestern den Schritt gemacht und uns über den Brecher gelotst Boldi. Du bist zurückgekommen und Du hast mir gesagt was Du für mich empfindest, dass verschiebt alles. Dir also so etwas zu sagen, wird nicht in einer Katastrophe enden für mich. Also kann ich Dir das doch gestehen. Du hast mich gesehen, dass können nur sehr wenige von sich behaupten, jedenfalls seitdem ich die Narbe trage und Dir geht es doch genauso. Wir beide kennen den Kampf, wir kennen die Schlacht und wir kennen den Tod. Es wurde uns ins Gesicht geschnitten, für jeden sichtbar. Darf ich wissen wer das war oder ist dies für Dich zu... intim?", fragte Silvano vorsichtig. "Falls wir auf einen Einsatz müssen, kannst Du uns mit Erlaubnis Deines Herrn gerne begleiten. Dann siehst Du uns in der Schlacht. Haut was hin Boldi? Ob einer mit 16 Jahre ein Kind zeugen kann? Oh ja, dass haut sehr wohl hin, die meisten Frauen heiraten mit 16 und man ist volljährig mit 16, manche werden auf Grund der Familie schon mit 14 für volljährig erklärt. Also dass passt, daran besteht kein Zweifel. Soll ich ihn herrufen?", fragte Mancini.


    Boldiszàr
    Boldiszàr bekam rote Ohren. »Danke und nein, du wirst mit mir keine Katastrophe erleben. Ich habe keine dunklen Geheimnisse und lasse niemanden von meinen Leuten hängen. Da gehörst du nun dazu oder ich zu dir. Ich meinte, du spazierst hier über dein Schiff und redest ohne Scham davon, wie wir zueinander stehen. Das wäre in der Leibgarde undenkbar. Aber es fühlt sich schön an. Eine weitere Maske weniger. Du kannst mich alles fragen. Nicht jeder darf das, du schon. Ich bekam diese Narbe als Kind von einem anderen Kind verpasst, das mir ein Holzmesser in den Mund rammte und dann zur Seite wegriss. Drum sieht die Narbe so hässlich aus, es war kein glatter Schnitt. Du willst mich mit auf einen Einsatz nehmen? Obwohl wir uns erst seit gestern kennen? Das ehrt mich, aber ... bist du sicher? Ich gehe dir dann jeden Tag auf den Sack.« Er betrachtete den jungen Mann, der noch immer mit seinen Kameraden plauderte und sich offenbar nicht lösen konnte. »Ich glaub, ich konnte das mit 16 noch nicht. Aber ich war auch ein Mickerling. Mit 16 sah ich aus wie andere mit 13. Ich würd mir den Burschen gern mal von nahem ansehen und ein paar Worte wechseln. Aber vielleicht erst morgen ich bin etwas unkonzentriert. Ist der morgen wieder an Bord oder verschwindet der jetzt für ein paar Tage?«


    Silvano de Mancini
    Silvano hakte Boldi kurz unter und zog ihn unter etwas Anstrengung näher, da der Gardist eine völlig andere Gewichtklasse war. "Du bist ziemlich offen was Deine Gefühle angeht oder Du hast Panik dass es ein Strohfeuer gewesen sein könnte. Einige schöne Tage und es ist vorbei. Wann hattest Du das letzte Mal Sex mit jemandem? Wann warst Du zuletzt mit einer anderen Person in der Koje, die Dich wollte Boldi? Der es nicht um Geld ging, falls Du bezahlbare Dienste in Anspruch nimmst. Wann fand Dich zuletzt eine andere Person körperlich so attraktiv? Oder sogar körperlich und geistig? Wann war das? Bei mir ist es genau 10 Jahre her, dass ich mit einer anderen Person Sex hatte. Und ich nehme keine Dienste in Anspruch, da man mich - also Vano - dabei sehen könnte. Ich war genauso offen was ich empfinde wie Du. Und mir geht der Arsch auf Grundeis, wenn ich daran denke, dass wir nur diese zwei verdammten Tage haben und danach ist es genauso wie vorher. Denn es wird nie wieder wie vorher sein, verstehst Du das? Also von mir aus nerv mich die ganze Fahrt über, erzähl mir von Deiner Sockensammlung oder von stumpfen Buttermessern die Du hortest... nur bleib. Gib uns die Chance, die uns kein anderer gibt. Wir haben uns nicht grundlos getroffen Boldi", flüsterte Mancini ihm heiser ins Ohr und trat dann einen Schritt zurück. "Sacha antreten!", rief er dem jungen Seemann zu und Boldi zuckte zusammen, bei der Lautstärke mit der Vano seinen Befehl rief.


    Boldiszàr
    Boldiszàr war überrumpelt von all dem, was Silvano so freimütig von sich gab. Sie standen sich sehr nahe, als sie miteinander sprachen. »Wann ich das letzte Mal Sex hatte, kann ich dir nicht genau sagen, ungefähr zehn Jahre werden es wohl auch gewesen sein. Es war nichts von Bedeutung und obendrein waren wir beide betrunken. Ich war so dumm und hatte mir mehr gewünscht, aber das war ein einmaliger Fehler. Ich hab damit das geballte Gespött der Leibgarde auf mich gezogen, weil ich ihm das einige Zeit später sagte. Er erzählte es überall herum und alle lachten. Das war nicht nur peinlich, es tat auch weh. Man kann so ein Gerücht nicht aufhalten und es wurde natürlich ausgeschmückt, richtig schön breitgewalzt und sogar mein Vorgesetzter kam ins Spiel, da der andere einer von meinen Männern war. Ich dachte halt, wenn man sich wirklich liebt, dann ist das kein Hindernis, aber denkste. Es hat Monate gedauert, ehe es sich wieder beruhigte und fast hätte ich meine Arbeit verloren. Zum Glück stand und stehe ich sehr gut mit dem damaligen Palaisin. Das war das erste und das einzige Mal Sex, das ich jemals hatte, wenn man die körperliche Vereinigung damit meint. Bisschen rumschmusen gab es zwar manchmal, aber mir ging es dann ähnlich wie dir - ich habe abgebrochen. Es war einfach nicht tief genug, als das es mir das Risiko wert war. Jedenfalls wird in meiner Einheit ab damals nicht mehr untereinander rumgevögelt. Bezahlte Dienste sind nichts für mich. Ich komm mit der Schauspielerei nicht klar, die man da geboten bekommt, ich brauche Aufrichtigkeit. Das gefällt mir so an dir. Auch wenn du einen kleinen Schubs gebraucht hast, den braucht man eben manchmal. Ich werde mal mit dem Palaisin reden, ob ich dich begleiten kann. In zwei Tagen wieder zurückzukehren und einfach weitermachen, als wäre nicht gewesen ... das ist kein schöner Gedanke. Ich vermiss dich jetzt schon.« Er strich ihm unauffällig über den Arm, bis er von Silvanos Gebrüll zusammenzuckte und den Arm schnell wieder wegzog.


    Sacha:
    Sacha gesellte sich zu den beiden Männern und verneigte sich vor seinem Kapitän. Den anderen kannte er nicht. »Ja, Herr?«


    Silvano de Mancini
    "Sekunde Matrose, es geht gleich weiter. Unser Gast möchte mit Dir sprechen Sacha. Warte", antwortete Silvano und nahm Boldi noch einmal ein Stück beiseite. "Er hat Dich bloßgestellt, weil Du etwas empfunden hast. Man hätte sich über ihn und nicht über Dich das Maul zerreißen sollen. Wir haben viele Gemeinsamkeiten und sehen vieles gleich Boldi. Du wünscht Dir Nähe und ich wünsche es mir auch. Gestern haben wir uns aneinander geklammert wie Ertrinkende. Und irgendwie sind wir das auch. Wir suchen beide das Gleiche, wir wollen beide das Gleiche, wir sind uns zugetan, finden uns scharf und mögen uns. Lass es uns versuchen. In der Zeit wo wir uns nicht sehen können, können wir über die Himmelsaugen Kontakt halten, oder auch über Flugpost per Bote, sprich Vogel. Wir verabschieden uns, wir begrüßen uns und die Zeit die wir gemeinsam haben, verbringen wir gemeinsam. Und wenn Du uns begleiten darfst, bist Du dabei auf Fahrt. Wie klingt das für Dich? Für mich klingt es gut. Ich komme mir gerade vor wie eine heiße Katze die um Deine Beine verschnurrt, aber ich stehe hier neben Dir und vermisse Dich... total verrückt. Lass mich nicht betteln Boldi", raunte Vano leise und machte eine einladende Handgeste Richtung Sacha. "Sprich mit ihm, vielleicht klärt es sich dann. Oder Du hast was zu klären", sagte Vano.


    Boldiszàr
    Silvanos Worte waren wohltuend, aber nun war es an Boldiszàr, Angst zu bekommen. Sie beide sehnten sich nach jemandem, mit dem sie ihr Leben teilen konnten, nicht nur die Oberfläche, sondern die Tiefe. Aber falls es mit ihnen wirklich schief laufen sollte, dann würde sich das Gerede auf die Choucas beschränken und mit ihr zusammen zum Horizont davonsegeln. Es würde nicht auf sein Leben im Palast übergreifen. Sofern es ein Risiko gab, dann war es das wert. Sie beide hatten bereits ihr Gesicht verloren. Und Silvano war der erste Mensch seit langem, bei dem Boldiszàr das Bedürfnis einer Partnerschaft verspürte. »Du brauchst nicht zu betteln, ich will es auch. Versuchen wir es ... nur eine bitte. Keine Spielchen, wenn wir uns wegen unterschiedlichem Dienst mal lange nicht sehen. Ich bin zu alt, um dafür noch Nerven zu haben. Ich bin dir treu und ich brauche auch von dir Treue. Ich weiß, das ist altmodisch. Aber so bin ich. Dafür bekommst du alles zurück, was ich dir geben kann. Mich, mit Haut und Haar.« Er konnte sich nicht länger zurückhalten. Er umarmte Silvano und küsste ihn vor versammelter Mannschaft auf dem Schiff. Er wollte Silvano nicht wieder gehen lassen und noch weniger wollte er dies in der Gewissheit tun, dass Silvano sich anderweitig vergnügte, kaum dass jeder von ihnen wieder seiner Wege ging. Er wollte ihn ganz und gar. Und jeder hier sollte sehen, dass Silvano und er nun einander gehörten.


    Silvano de Mancini
    Silvano erwiderte den Kuss genauso leidenschaftlich wie er geküsst wurde und hielt sich an Bolidzar fest, da dieser ihn fast niederdrückte. Als es ihm gelang sich etwas zu befreien, lächelte er ihn an. Es war ein offenes und liebesvolles Lächeln. "Dass ist mein voller Ernst. Ich hatte noch nie etwas für Spiele übrig Boldi. Den Rest klären wir nachher in der Kajüte", antwortete Vano und legte ihm einen Arm um die Hüfte.

  • Boldiszàr
    Silvano wand sich wie ein Fisch und schob, um anzuzeigen, dass nun genug war. Nur sehr widerwillig gab Boldiszàr seine Eroberung wieder frei. Zu seiner großen Freude legte Silvano ihm danach jedoch den Arm um die Hüfte. Boldiszàr machte einen seitlichen Schritt an Silvano heran, so dass sie Flanke an Flanke standen. Das Bürschlein ließ sich davon nicht verunsichern, vermutlich war es von Silvano sehr viel Exzentrischeres gewohnt, als auf Deck vor versammelter Mannschaft zu balzen.
    »Also, Kleiner. Damit du weißt, wer ich bin, mein Name ist Coutilier Boldiszàr Boucher und ich bin der Partner von deinem Kapitän. Darum geht es aber nicht. Dein Name wurde mir schon verraten, Sacha Bonnet, aber ich möchte noch mehr von dir erfahren. Woher kommst du?«


    Silvano de Mancini
    Vano machte eine auffordernde Geste. »Antworte ihm so wie Du mir antworten würdest Sacha. Ich habe ihm das Recht eingeräumt, Dich zu befragen und ich möchte auch wissen worum es geht«, warf Mancini ein.


    Sacha Bonnet
    Sacha fand die Frage des Coutiliers ungewöhnlich. Der junge Matrose verstand zwar nicht, warum man sich für ihn interessierte, aber er würde seinen Kapitän nicht mit unnötigen Rückfragen vor dessen Partner blamieren. »Ich komme aus Mancini. Das ist ein Hafenort in Chevrette.«


    Boldiszàr
    »Bisschen genauer«, forderte Boldiszàr.


    Silvano de Mancini
    »Das kann ich bestätigen, ich kenne Sacha schon eine Weile. Er diente vorher auf der Mouette als Schiffsjunge. Dort habe ich ebenfalls als erster Offizier gedient Boldi. Das ist aber schon eine ganze Weile her. Zwölf Jahre müssten es jetzt sein«, warf Vano ein.


    Sacha Bonnet
    Der Coutilier starrte ihn die ganze Zeit auf unangenehme Weise an. Sacha fühlte sich wie auf dem Präsentierteller. Er war dankbar, als ihm sein Kapitän unter die Arme griff. »Genau. Ursprünglich komme ich aus dem Waisenhaus beim Tempel«, fügte er hinzu. Verunsichert blickte er seinen Kapitän an.


    Boldiszàr
    »Aus dem Waisenhaus«, rief Boldiszàr triumphierend, so als ob es etwas Gutes sei, dass ein weiteres Kind ohne Eltern aufgewachsen war. »Und du bist zwanzig! Weißt du irgendwas über deine Eltern?«


    Silvano de Mancini
    Silvano versteifte sich für eine Millisekunde, dennoch spürte Boldi es, da er ihn immer noch im Arm hielt. Er räusperte sich kurz. »Das ist korrekt. Mancini ist genau das Lehen mit der Landzunge die in die Azursee hineinragt, also ein sicheres Hafenbecken bildet. Dort ganz in der Nähe ist das Waisenhaus, also sehr nahe am Hafen und dessen Anlagen«, erläuterte Vano und musterte Boldi irritiert.


    Sacha Bonnet
    Sacha guckte genau so irritiert drein wie sein Kapitän. Aber dieser hatte ihm eine eindeutige Anweisung gegeben. Also schüttelte er den Kopf. »Ich weiß nichts über meine Eltern. Nur, dass ich abgegeben wurde. Meinen Namen habe ich erst im Waisenhaus erhalten, also meine Eltern heißen nicht Bonnet, falls ihr darauf hinauswollt, weil ihr jemanden dieses Namens kennt. Das ist dann nur ein Zufall.«


    Silvano de Mancini
    »Kinder ohne Namen erhalten im Waisenhaus einen und all jene die nicht das Glück haben adoptiert zu werden, behalten ihn den Rest ihres Leben. Jedenfalls wenn es sich um Männer handelt. Eine Frau verliert ihn natürlich bei Heirat. Worauf möchtest Du hinaus? Kennst Du einen Bonnet? So wie Sacha richtig einwendet, wäre das purer Zufall. Wie immer Sacha vorher hieß, niemand kann es Dir sagen«, antwortete Mancini.


    Boldiszàr
    »Das weiß ich, Vano. Ich kenn mich mit der Thematik besser aus, als mir lieb ist. Ich muss Sacha irgendwie mit einem Freund von mir bekannt machen. Oder erstmal mit dem reden. Ich will noch nichts Näheres sagen, falls ich mich irre. Nur so viel: Vielleicht habe ich einen Verwandten von dir im Bekanntenkreis, Sacha. Du siehst ihm verdammt ähnlich und damit meine ich, dass du ihm wie aus dem Gesicht geschnitten bist.« Dass dieser Freund sogar Sachas Vater sein könnte, verschwieg Boldiszàr vorerst. Er packte Silvanos Gürtel, als er merkte, dass dieser sich anspannte und zog ihn fest an sich. »Es könnte vom Alter her hinhauen«, meinte er dann, die verstörten Blicke vollkommen ignorierend. »Alles in Ordnung? Hab ich was Falsches gesagt?«


    Sacha Bonnet
    »Einen Verwandten?« Im ersten Moment freute sich Sacha, doch dann verfinsterte sich seine Miene. Er schüttelte den Kopf. »Meine Eltern haben mich ja nicht ohne Grund abgegeben. Sie werden mich gar nicht sehen wollen und die anderen Familienmitglieder auch nicht. Sonst hätten sie mich ja bei sich aufnehmen können.«


    Silvano de Mancini
    Silvano drückte sich an Boldi. »Nein es ist alles gut, nur die Thematik ist für... Sacha nicht gerade einfach. Woher ist Dir die Thematik bekannt, wenn ich fragen darf? Bevor die Sache nicht eindeutig geklärt ist, informierst Du Deinen Freund bitte nicht. Und Sacha über ihn auch nicht. Keine falschen Hoffnungen wecken. Jemand der sonst niemanden hat und weit und breit allein auf der offenen See des Lebens dahindümpelt, sollte man keine rettende Insel vorgaukeln. Weder mit Hoffnung, noch mit Versprechungen. Gerade dann nicht,wenn sie sich schrecklicherweise für ihn als leer herausstellen könnten. Sacha ist ein guter Mann. Ich zeige Dir etwas«, sagte Vano und fasste Boldi behutsam unter das Kinn. Er drückte seinen Kopf weit in den Nacken, so dass er den gewaltigen Hauptmast hochschaute. »Hoch oder? Ein Sturz von da oben und Du bist tot. Falls nicht, wünscht Du Dir tot zu sein, wegen den zerschmetterten Knochen. Jeder der in der Takelage herumturnt, musst 100 prozentig bei der Sache sein. Eine minimale Ablenkung, ein falscher Gedanke führt zu einem falschen Griff oder Tritt und das war es dann. Das kann und werde ich nicht verantworten. Sacha Deck und Bodendienst bis auf Weiteres. Bis die Sache geklärt wurde«, wies Vano ihn an.


    Boldiszàr
    Boldiszàr hob gehorsam den Kopf. Silvano konnte seine Bartstoppeln spüren, denn der Gardist rasierte sich ungern, aus dem selben Grund, wie auch Silvano sein Spiegelbild scheute. Das war wirklich verdammt hoch. Er fand es aufmerksam von Silvano, dass der junge Mann in Anbetracht der Botschaft ersteinmal nicht in dieser enormen Höhe herumturnen sollte. Boldiszàr selbst wöllte da nicht hochklettern. Als er wieder nach vorn schauen durfte, meinte er: »Wie sollen wir die Sache denn klären, wenn ich mit dem Freund nicht darüber sprechen darf?«


    Silvano de Mancini
    »So schlicht wie einfach, Du bringst ihn hierher«, grinste Mancini. »Dann sehen wir doch, wie ähnlich sich die beiden wirklich sehen. Sacha Du wirst alles zu Deinem Hintergrund zusammentragen. So lückenlos wie möglich. Und Du Boldi wirst das Gleiche bezogen auf Deinen Freund tun. Was fehlt, versuche ich über meinen Vater herausbekommen zu lassen. Versprecht Euch davon keine Wunder, denn ein Findelkind ohne Namen, bleibt ein Findelkind ohne Namen. Aber manchmal gibt es zu ihnen noch kleine Informationen die andere für unwichtig halten. Aber jede noch so kleine Spur, ist eine Spur«.


    Boldiszàr
    »Vano, das ist lieb gemeint, aber zu meinem Freund gibt es keinen Hintergrund. Sein Leben startete wie meins in einem fremden Haus, das nie ein zu Hause war, völlig abgeschnitten von der Vergangenheit. Sacha weiß, wovon ich spreche. Und ich weiß, wie wichtig für ihn der mögliche Strohhalm zu seiner Herkunft ist, auch wenn dieser sich als Irrweg erweisen könnte, denn ich hatte nie einen solchen Strohhalm. Mach dir deswegen keine Sorgen, ich habe die Hoffnung schon vor Jahren fahrengelassen. Aber wenn ich sehe, dass bei einer anderen Waise eine vage Spur zur Familie führen könnte und obendrein weiß, dass diese Person sich über einen Sohn freuen würde wie Sau, dann kann ich das nicht ignorieren. Ich würde Robby gern herholen, am liebsten auf der Stelle. Aber er ist verschwunden. Fort. Wenn er von meiner Vermutung wüsste, würde er freiwillig zurückkehren, um zu schauen, ob ich richtig liege! Es ist doch zum Kotzen!«


    Sacha Bonnet
    Sacha starrte Boldiszàr vollkommen fassungslos an. Er war dankbar, dass sein Kapitän ihn vom Kletterdienst freigestellt hatte. In ihm tobte das Chaos. Am schlimmsten war die Angst, dass Boldiszàr sich irrte. Furcht und Hoffnung wechselten sich ab wie eine flackernde Kerze im Wind und Sacha verspürte das Bedürfnis nach einem kräftigen Schluck Rum, um sich zu beruhigen. Er fasste sich gedankenverloren an die trockene Kehle.


    Silvano de Mancini
    Silvano dachte angestrengt über das Thema nach. Wie konnte man jemanden aufspüren, der spurlos verschwunden war? Und die zweite Frage war, wie konnte er sein Hintergrundwissen so preisgeben, ohne gleich mit wehenden Fahnen zu verraten woher er eigentlich kam. Ganz einfach, schoss es ihm in den Kopf, sein Vater finanzierte das Waisenhaus, folglich konnte er sein Hintergrundwissen auf die Buchführung schieben. Oder er konnte direkt ehrlich mit Boldi sein. Wobei das vielleicht etwas viel auf einmal war, falls nicht für Boldi, dann für ihn. Er trug nicht nur die Maske aufgrund der Narbe, auch wenn sie der Hauptgrund dafür war. Die Schminke, die Kleidung, die Geschmeide, das Parfüm, all das verdeckte und kaschierte was er wirklich war - ein Gossenzwerg. Das Boldi so freimütig darüber sprach verunsicherte ihn und zeitgleich rang es ihm gewaltigen Respekt ab. Sacha konnte es freimütig sagen, was hatte er zu verlieren? Nichts. Er hatte weder Stand noch hatte er irgendeinen Rang inne. Und Boldi? Nun, vermutlich hatte er nie damit angefangen sich für etwas zu schämen, wofür er selbst nichts konnte. Wer konnte sich schon sein Schicksal aussuchen? Niemand. Und Boldi hatte mehr ertragen als er. Er wurde nicht adoptiert, er musste sich von jeher selbst durchschlagen. Er hatte das nicht gemusst, jedenfalls nicht auf die Weise wie Sacha oder Boldi, er musste lernen jemand zu sein, der er eigentlich nicht war. Und um dieser jemand zu bleiben, musste er stets eine Spur besser, härter, cleverer und rücksichtsloser sein. In die Schicht, in die er aufgestiegen war, galt es seinen Wert unter Beweis zu stellen, wenn man angeheiratet oder angenommen war. Vano schaute Sacha an und er sah das gleiche Chaos in dessen Augen, was sich gerade in seinem eigenen Schädel abspielte. Kaum merklich nickte er ihm zu, als Zeichen dass er ihn verstand. Ein Geständnis seinerseits. So minimal es auf den ersten Blick war, für ihn war es gewaltig. »Die Kombüse«, sagte Vano leise und nickte Richtung Schiffsküche, als Aufforderung sich einen kräftigen Schluck zu holen.


    Sacha Bonnet
    »Danke«, sagte Sacha und schwankte davon, als hätte er bereits einen sitzen.


    Boldiszàr
    »Du siehst fertig aus«, fand Boldiszàr und streichelte Silvanos Hüfte. »Hey, mach dir keine Sorgen um mich. Mir geht es gut, ja? Und der Kleine wird sich auch wieder beruhigen. Sagt mal, habt ihr einen Geistmagier hier? Ich könnte ihm meine Erinnerung zu Robby zeigen und er zeigt sie dir. Dann siehst du, warum ich so aufgekratzt bin.«


    Silvano de Mancini
    »Geld Boldi... wenn jemand spurlos verschwindet, dann folgt man der Spur des Geldes. Ohne Geld kommt man nicht weit. Wieviel Geld hatte Dein Kumpel einstecken? Weißt Du mit wem er abgereist ist? Offiziell kann ich mich nicht umhören, für mich besteht kein Grund nach ihm zu ermitteln. Das sähe anders aus, wäre es einer meiner Leute oder die eines Kollegen. Wollen wir in die Kajüte gehen?«, bot Vano an. Er lächelte verlegen, als sich Boldi nach seinem Befinden erkundigte. »Danke, das Thema nimmt mich mit, da ich ihn schon lange kenne. Ja nur ist er nicht an Bord, da er wie alle anderen Landgang hat. Bis auf die Notbesatzung versteht sich. Aber er kommt am Abend zurück. Das Auslesen der Erinnerung ist eine gute Idee. Mich würde wirklich interessieren, wie dieser Robby aussieht. Folge mir«, bat Vano. Mancini ging langsam zur Kajüte vor und grübelte. »Du bist im Waisenhaus aufgewachsen? In welchem?«, fragte er freundlich. Der Weg zur Kajüte war nicht weit, denn sie lag direkt hinter dem Steuerrad. Mancini öffnete die Tür und hielt sie Boldi auf.


    Boldiszàr
    Boldiszàr trat ein. »Ein Sofa fehlt oder ein Bett, irgendwas zum fläzen«, fand er und setzte sich auf einen Stuhl. Lieber würde er sich mit Silvano nun zusammenkuscheln. »Da Robby nicht so viel ausgibt, dürfte das eine ganze Stange sein. Das Meiste geht für die Miete seines Zimmers drauf und für Rauchstangen, das war es aber auch schon. Den Rest spart er, weil er nicht weiß, was er damit soll. Da geht es ihm wie mir, drum gehen wir manchmal viel zu teuer essen. Wir sind in Saint Aumery aufgewachsen, dem alten Dreckloch in Ex-Dupont. Chouinard heißt die Scholle heute, glaub ich. Tut mir echt leid, dass du jetzt einen dicken Kopf hast deswegen, ich wusste nicht, dass Sacha dir so wichtig ist, sonst hätte ich das mit dir unter vier Augen geklärt. Ähm, drei. Entschuldige.«


    Silvano de Mancini
    Silvano schloss die Tür leise hinter sich und nickte knapp, da er nicht wollte dass ihm bei der Antwort die Stimme versagte. Er ging wortlos an dem sitzenden Boldi vorbeit und strich ihm liebevoll über die Schulter, ehe er die Hängematte ausrollte. Er drückte sie in der Mitte herunter und setzte sich darauf. Mit baumelnden Beinen machte er eine einladende Geste, dass sich Boldi neben ihn setzen sollte. Mancini musterte Boldi ernst und setzte an etwas zu sagen, schaute dann aber weg und überlegte erneut. Absolut durch den Wind und verunsichert kaute er auf seiner Innenwange herum, ehe er Boldi wieder musterte. Scheinbar war er nun aus unerfindlichen Gründen wütend auf ihn. Jedenfalls sprach sein Blick für einen kurzen Moment solche Bände. Es dauerte fast ganze zehn Minuten, ehe sich Vano soweit gefasst hatte, dass er Boldi wieder richtig anschauen konnte. »Ich muss ehrlich zu Dir sein, ich kann Dich nicht anlügen... verstehst Du das nicht?«, zischte er Boldi grundlos an, als ob dieser ihn zu der Lüge die er viel lieber erzählen wollte gezwungen hätte. Vano atmete extrem langsam aus und schaute Boldi hilfesuchend an. »Eliot Lyon... Waisenhaus in Mancini«, presste er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor, »adoptiert... adoptiert von... Chevalier Curzio Santo Mancini. Er hat keine leiblichen Kinder...«


    Boldiszàr
    Boldiszar setzte sich nicht, sondern legte sich hinter Silvano, so dass er sich mit dem Körper um seinen sitzenden Hintern herumwickelte. Dabei legte er die Finger auf Silvanos Hüfte, bis dieser ihn derart giftig musterte, dass er sofort die Hand zurückzog. Was war denn jetzt los? Vor Boldiszàrs innerem Auge zersplitterte ihr Versprechen, es miteinander zu versuchen, in tausend Scherben. Boldiszàr setzte sich wieder auf und musterte Silvano stumm, verzweifelt, während er auf den Hammerschlag wartete. Doch er kam nicht. Stattdessen kam eine ehrliche Antwort zu seiner Herkunft. Erleichtert keuchte Boldiszàr, warf sich wieder in die Hängematte und rieb sich mit beiden Händen das Gesicht. »Mach das nie wieder ... mich so anzuschauen, ohne mir den Grund zu sagen. Gifte mich voll, verpasse mir eine Ohrfeige, aber schweige mich nie wieder mit so einem Gesichtsausdruck an. Ich dachte, das war es zwischen uns.« Er packte Silvano an dessen feinen Kleidern und zerrte ihn auf sich drauf. Mit beiden Armen umschlang er ihn, mehr noch, auch mit den Beinen. »Dann macht dich gar nicht Sacha so fertig ... sondern du dich selbst. Ich schweige, Vano. Ist es sehr hart, so zu leben?« Er küsste ihn glücklich.


    Silvano de Mancini
    Vano ließ sich einfach von Boldi packen und zu sich ziehen. Was immer Boldi für eine Reaktion erwartete, sicher nicht dass Silvano einen Moment später losprustete vor Lachen, dass übergangslos in einem Heulkrampf endete. Seine Finger grub er in Boldis Arme und hielt sich an ihm fest. Als er sich gefangen hatte, befreite er sich etwas und rollte sich herum, so dass sie Bauch auf Bauch lagen. Er drückte seinen Kopf unter den von Boldizar und beruhigte sich wieder. So an Boldi gekuschelt blieb er liegen und streichelte seinen Freund sanft mit den Fingerspitzen. Er schaute zu ihm auf und küsste ihn aufs Kinn. »Entschuldige den Gefühlsausbruch, keine Ahnung was Du nun von mir halten musst. Nein natürlich ist es nicht hart im Luxus zu leben, es wäre eine Frechheit Dir das als hart verkaufen zu wollen. Ich hatte Glück von dort fortgeholt zu werden. Aber ganz bist Du dort trotzdem nie weg. Angeheiratet oder angenommen, Du hast Erwartungen zu erfüllen, die gebürtige Adlige niemals erfüllen müssen. Ich war wütend auf Dich Boldi, da ich vor Dir die Maske nicht aufrechterhalten konnte. Ich hätte Dich gerne belogen, wie jeden anderen auch, aber ich konnte es nicht und dafür hätte ich Dich am liebsten gerade... gar nichts hätte ich Boldi. Ich kann nicht von Wahrheit reden und unsere Beziehung mit einer Lüge beginnen. Und das ist der Punkt, ständiges Lügen, Verschweigen und sich beweisen. Du sollst wissen wer ich bin, oder wenigstens wie sie mich damals nannten. Denn auch das ist nicht mein wahrer Name, ich habe den gleichen Hintergrund wie Sacha, ich war ein Findelkind«, flüsterte Vano Boldi zu und küsste ihn erneut. »Verzeih mir mein Gezicke bitte«, bat er inständig.


    Boldiszàr
    Boldiszàr streichelte Silvano und genoss es, dass sie Bauch an Bauch lagen. So war es in der Hängematte sogar recht kuschlig. »Ich verzeih dir fast alles. Ich war nur erschrocken, da ich dachte, jetzt ist alles vorbei, weil du es dir anders überlegt hast. Eliot Lyon ... wie soll ich dich nennen, wenn wir unter uns sind? Weiterhin Vano oder lieber Eliot? Ob ich wirklich Boldiszàr heiße, wage ich zu bezweifeln, aber ich hab es damit ganz gut getroffen. Mal ehrlich, ich seh doch aus wie ein Boldi, oder?« Er grinste schief. »Du hast es auf deine Art hart gehabt. Danke, dass du mich nicht belogen hast, obwohl das so ein persönliches Thema ist. Wie alt warst du, als sie dich da rausgeholt haben? Liebst du deine Adoptiveltern?«


    Silvano de Mancini
    Silvano legte sich platt wie eine Flunder auf Boldi ab. »Silvano, Vano, Vanni von Giovanni. Benutze bitte niemals den anderen Namen und sprich niemals in der Öffentlichkeit darüber. Ich kenne diese Person nicht, ich weiß nicht wer es ist und ich möchte es auch gar nicht wissen. Ich wurde mit fünf Jahren von meinem Vater adoptiert und ja ich liebe ihn. Er ist ein guter und liebevoller Vater. Er hat mich stets gefördert und unterstützt, aber er hat auch einiges verlangt. Zu Recht, zu Unrecht - ich kann es Dir nicht sagen. Nur eines weiß ich, ich wäre nicht heute der, der ich bin oder das was ich bin, hätte es ihn nicht gegeben. Meine Mutter hat mich einfach gerne gehabt und geliebt. Sie hat nichts verlangt, sie hat nur gegeben. Wenn Du weißt, Du gehörst nun zu diesem Kreis, dann wirst Du es den anderen auch beweisen, dass sie Entscheidung nicht grundlos gefallen ist. Ja Du siehst aus wie mein Boldi. Nun ich war ebenso erschrocken, ich habe es nicht übers Herz gebracht Dir ins Gesicht zu lügen. Gerade weil ich nicht möchte, dass es aus ist oder mit einer Lüge beginnt. Du weißt nun die Wahrheit, aber schweige drüber in Ordnung? Ich überlege mir gar nichts anders, sonst hätte ich nicht so... überreagiert. Ich meine... ich bekomme das nicht gerade oft im Doppelpack vorgesetzt, verstehst Du?«, flüsterte Vano und küsste Boldi auf den Hals und auf den Mund. »Du bist ein Lieber«, grinste er glücklich und legte sich wieder hin. »Boldi passt sehr gut zu Dir, doch Du siehst aus wie ein Boldi«, antwortete Vano und umarmte ihn fest.


    Boldiszàr
    Boldiszàr genoss es, wie Silvano auf ihm herumflunderte. Er spreizte seine Beine, so dass Silvano bequem dazwischen liegen konnte. Natürlich spielten auch unlautere Gedanken eine Rolle. Er wollte Silvanos Schritt auf seinem spüren. »Dein Boldi«, bestätigte er. »Ich freue mich für dich, dass du liebe Eltern gefunden hast. Jetzt hast du auch noch einen Partner und ich geb mir Mühe, dir ein schönes Leben zu machen, wenn du es so lange mit mir aushältst.« Boldiszàr angelte nach der Decke und zog sie über sie beide. Vielleicht sollte er öfter Möbel herumschmeißen, das Ergebnis war hervorragend. Er fuhr mit der Hand unter Silvanos Kinn, drückte dessen Kopf in die richtige Position und küsste Silvano innig. »Mein Vano«, ergänzte er zufrieden.

    Silvano de Mancini
    »So lieb sie sind und so lieb ich sie habe, es fehlt trotzdem etwas eigenes. Aber Dir muss ich das nicht erklären. Wir haben soviel gemeinsam, dass es fast unheimlich ist. Ist Dir das mal aufgefallen? Du bist was eigenes Boldi. Wir bemühen uns beide für und miteinander, ich mag es nah, nett und gemütlich. Und ich mag es eng und kuschlig. Absolut Deiner, wohlverdient Boldi. Du hast mich harpuniert und am Haken, mehr geht nicht«, grinste er zufrieden und mummelte sich auf Boldi ein. »Größere Hängematte morgen kaufen, denk bitte mit dran«, murmelte er leise.

  • Am Morgen hatten sie sich in der Kapitänskajüte der Choucas geliebt und ihren Bund besiegelt. Den Tag hatten sie gemeinsam in Cantillion verbracht. Entgegen seiner sonstigen Art, hatte sich Silvano nicht geschminkt. Er hatte sich wie üblich gekleidet und trug selbstverständlich auch seine Augenklappe, aber seine Maske trug er nicht. Obwohl er sich die erste Zeit unter den Landgängern ziemlich unsicher fühlte, riss er sich zusammen. Dieser Tag gehörte Boldizar und ihm. Die letzten gemeinsamen Stunden mit seinem Mann wollte er nicht damit zubringen, sein Gesicht vor Boldi hinter einer Maske zu verstecken.


    In der Hafengegend schauten sie sich um, gönnten sich eine Kleinigkeit zu essen und kauften die Zwei-Mann-Hängematte. Den Nachmittag ließen sie in einer Hafenkneipe ausklingen. Der Schnaps der dort serviert wurde, war dermaßen stark, dass man ihn gut als Desinfektionsmittel hätte verwenden können. Boldi spürte wie sogar ihm das Gebräu zu Kopf stieg. Als der Abend hereinbrach machten sie sich beide auf den Weg hinab zu Meer. Ihr Weg führte sie weg vom Hafen, weiter hoch Richtung Naturstrand. Sie hatten es nicht eilig, denn keiner der beiden wollte sich vom anderen trennen.


    Weder fragte der Gardist nach der Uhrzeit, noch schaute der Chevalier ein einziges Mal auf seine Taschenuhr. Sie suchten sich ein gemütliches Plätzchen und machten es sich am Strand bequem. Den Blick Richtung Meer gewandt schmiegte sich Silvano an Boldi an. Eine ganze Weile saßen sie beide schweigend in absoluter Harmonie nebeneinander und genossen die Nähe des anderen. Vano räusperte sich leise.


    „Zu Davet, ich hatte Dir versprochen Dir von ihm zu erzählen, aber eines noch einmal vorneweg. Vergleiche Dich nicht mit ihm, vergleiche Dich mit niemandem. Jede Person steht für sich selbst, mit ihren Stärken und Schwächen. Niemand vergleicht Äpfel mit Birnen, also warum vergleichen Menschen einander, obwohl jeder unterschiedliche Fähigkeiten hat?


    Es gibt keinen Vergleich oder Ersatz für einen Menschen. Weder für Dich noch für andere Boldi. Du kannst nicht ersetzt werden, es gibt keinen zweiten Boldi. Gleichgültig was geschieht, Du hast immer einen Platz in meinem Herzen und Leben. Ebenso hat Davet einen festen Platz, der mit Dir aber nichts zu tun hat.


    Davet und ich teilten ein anderes Leben Boldi. Ich war ein junger Mann, der trotz zwei sehender Augen manche Dinge nicht wahrgenommen hat. Diesen Mann gibt es nicht mehr, er ist genauso tot wie Davet. Er starb allerdings einige Jahre später als Davet, im Jahre 193 um genau zu sein, allerdings durch den gleichen Feind.


    Wir lagen im Jahre 189 vor Firasani und wollten die Insel erkunden und kartographieren. Die Expedition hatte noch nicht begonnen als wir Nachts unliebsamen Besuch von Reptiloiden bekamen, wir nannten sie später die Landkrokos. Die Tiere sind wechselwarm wie alle Reptilien. Und wie ich Dir erklärte, ist die See Nachts warm, statt kalt wie tagsüber. Folglich war das die ideale Zeit für unsere Angreifer. So primitiv die Kreaturen auch sind, so gute Kämpfer sind sie leider auch. Aufgewärmt sind sie schnell, agil und verfügen über eine Stärke, die kein Mann aufbringen kann. Sie sehen tatsächlich aus, wie zweibeinige Krokodile. Ein kurzer, breiter Echsenschädel mit kräftiger Kiefermuskulatur auf einem stämmigen Hals. In ihren Mäulern Reißzähne. Auf ihren Flachschädeln wachsen Hörner, wo Menschen Haare wachsen. Ihre Hände sehen unseren ähnlich, aber enden in messerscharfen Krallen, ebenso ihre Zehe. Sie sind Zehengänger wie Vögel und besitzen einen langen, kräftigen Schwanz.


    Im Grunde sehen sie aus, als hätte sich ein Gott einen Scherz erlaubt und aus einem Krokodil einen Menschen geformt. Den Verstand des Krokos hat die Kreatur weiterhin, allerdings auch die Wildheit und Kampfkraft. Und genau solche Bestien hatten wir Nachts an Bord. Angriffslustig machten sie sich über die Mannschaft her, allerdings schienen sie nicht mit unserer Gegenwehr gerechnet zu haben. Der Kampf tobte auf der Mouette und wir schenkten ihnen keinen Zollbreit unseres Schiffes. Mehrere dieser Kreaturen drangen auf Davet ein, ich selbst konnte ihm nicht zur Hilfe kommen, da es mir nicht besser erging.


    Eines der Landkrokos durchbrach seine Deckung. Es schlitzte ihm mit den Krallen der Länge nach den Bauch auf. Mühelos durchdrangen die Klauen des Scheusals seine Kleidung, sein Fleisch und ich sah wie die Gedärme des Mannes auf unser Deck klatschten den ich liebte. In perverser, nie dagewesener Klarheit, sah ich wie ihm seine Waffe aus der Hand und mit einem Übelkeit erregenden Geräusch in seine Eingeweide fiel.


    Den Bruchteil einer Sekunde später stürzte er selbst zu Boden, sein sich brechender Blick traf meinen…
    In dem Moment wurde mir bewusst, dass ich wie eine Salzsäule mi der Waffe in der Hand auf Deck stand. Ich hatte nicht einmal mehr geatmet.
    Mein Begreifen kam zu spät.


    Eine der Kreaturen packte mich von hinten um den Hals und drückte zu. Blindlings stach ich auf die Bestie ein und traf. Mein Degen bohrte sich in ihre Seite und blieb stecken! Die Kreatur heulte schmerzgepeinigt auf, schlug mich mehrfach auf das Deck und warf mich in blinder Wut über Bord. Als ich rücklings ins Wasser stürzte, wurde langsam alles schwarz um mich herum. Das Letzte was ich sah, war den Rumpf der Mouette an mir vorbeiziehen.


    Mein Körper gehorchte mir nicht mehr und meine Kleidung zog mich nach unten.


    Es war mir gleich, ich akzeptierte mein nasses Grab.
    Die letzte Ruhe in der ewigen Umarmung der See zu finden, ängstige mich nicht.
    Als das letzte Licht schwand, schwanden meine Sinne.


    Ich erwachte Tage später in der Kajüte des Schiffsheilers. Einer aus der Mannschaft ist mir hinterher gesprungen und hat mich herausgefischt. Ich vermute dass es Sacha Bonnet gewesen ist. Er ist ein ausgezeichneter Schwimmer und Taucher“, erzählte Silvano leise.


    Mancini stand auf, zog sich aus und wartete bis Boldi gleichgezogen hatte. Dann führte er Boldi ins warme Meer. Als sie tief genug im Wasser waren, ließen sie sich einfach auf dem Rücken dahintreiben, während sie gemeinsam hoch zum Sternenzelt schauten.

  • Während sie am Strand saßen, leckten die Wellen am Strand. Die Dünen verbargen die Lichter der Häuser und das Rauschen des Wassers übertönte die Stadtgeräusche. Müll im Sand und verkohlte Reste eines Lagerfeuers waren alles, was sie hier draußen von der Zivilisation mitbekamen.


    Um das Meer rankten sich viele Legenden. Manche waren Wirklichkeit, andere Seemannsgarn und die meisten reihten sich irgendwo dazwischen ein. Die Geschichte von dem Tod Davets gehörte zu den wahren Geschichten. Schmucklos, fast sachlich erzählte sie Silvano. Er beschrieb nicht, wie er sich gefühlt hatte, aber das war auch müßig. Auch Boldiszàr hatte Kameraden verloren, so war das, wenn man den Kampf zu seiner Berufung machte. Aber jemanden zu verlieren, den man aus ganzem Herzen liebte, mit dem man sein Leben teilte, musste sein, als ob man selbst mit ihm starb. Nachdem Silvano seine Erzählung beendet hatte, stand er ruhig auf, entledigte sich der Kleidung und ging ins Meer, als wolle er in der warmen Umarmung des Wassers Trost suchen. Silvano glitt durch die Wogen, als wäre er eins mit ihm. Boldiszàr folgte ihm, blieb aber auf halbem Wege stehen und gewöhnte sich an die Temperatur. Das Meer roch anders als ein See oder Fluss. Aufgrund seiner Größe und Tiefe strahlte es unermessliche Erhabenheit aus.


    »Ich wollt nur sagen, dass ich keine Eifersucht auf Davet verspüre", sagte Boldiszàr. "Das wäre auch albern, aber manche Leute sind eben so, drum sag ich es dir, dass ich nicht dazu zähle. Ich bin auch nicht gekränkt, wenn du gut von ihm sprichst. Ich habe ja selber nach ihm gefragt, weil ich dich verstehen will. Wie alt war Davet und wie sah er aus? Ich weiß nun, wie er starb, aber ich weiß nicht, wie er war, als er noch lebte. Was hast du an ihm geliebt? Die Farisin sind Tiere, so wie die anderen Nichtmenschen. Sie verdienen nichts Besseres, als wie Schädlinge behandelt zu werden, denn das ist, was sie sind.«


    Boldiszàr kostete vom salzigen Wasser. Es war derart salzig, dass keine noch so versalzene Suppe mithalten konnte und brannte scharf in den Augen. Als Binnenmeer mit nur geringem Süßwasserzufluss war die Azursee besonders salzhaltig. Boldiszàr stieß sich ab, drehte sich ebenso auf den Rücken und ließ sich neben Silvano treiben. Sie lagen nahe beieinander im Wasser und betrachteten den Himmel in dieser sternklaren Nacht.


    »Hast du Mako mal gefragt, ob er es war, der dich aus dem Meer zog? Wenn er wirklich Robbys Sohn ist, würde es zu ihm passen, dass er aufpasst. Dann passt er auch jetzt noch auf, auch wenn du das vielleicht nicht merkst.


    Es ist schön hier draußen, Vano. Besonders jetzt, im Sommer. Ich verstehe nun, warum Seeleute auf dem Meer bestattet werden wollen. Ich hielt es immer für seltsam, einen Toten oder seine Asche in die kalte, dunkle See zu geben. Aber einen Toten unter einer Tonne Erde zu begraben, wo er zerdrückt wird und von Würmern zernagt, ist noch kaltherziger. Hier draußen löst man sich auf und wird Teil der See.«

  • Silvano betrachtete die Sterne und strich mit einem Finger liebevoll über Boldis Schulter.


    "Das hast Du schön gesagt, Du musst den Tod auf dem Meer nicht fürchten Boldi. Einer alten Legende zufolge stammte einst alles Leben aus dem Meer. Schließt sich nicht wirklich der Kreis, wenn man dorthin zurückkehrt?


    Du teilst meine Gedanken und Abneigung was Farisin angeht, dass freut mich.
    Ob mich Sacha rettete, weiß ich nicht, es würde aber sehr zu ihm passen. Ich werde ihn fragen, Du hast Recht.


    Falls Du denkst, ich hätte die Sache mit Davet so auf sich beruhen lassen, oh nein...
    Was ich Dir jetzt hier draußen erzähle, werde ich niemals wiederholen und Du hast es nie gehört


    Als ich meine Lady die Choucas bekam, liefen wir erneut Farasani an. Ich hatte eine Rechnung mit den Landkrokos offen. Die Choucas hielt in reichlich Abstand zu der Insel und wir setzen über. Wichtigste Maxime für die maritime Kriegsführung wie für jede andere auch - kenne Deinen Feind!


    Also habe ich mich über die Flachschädel informiert, überall... sogar bei den Rakshanern. Seit dem spreche ich ihre Sprache. Was die meisten gegen diese Leute haben ist mir persönlich unerklärlich, denn sie traten mir absolut selbstlos und hilfsbereit gegenüber.


    Wie gesagt, wir setzten über, die Choucas weit draußen auf dem Meer, die Segel gerafft und klatschnass durchtränkt in der Takelage hängend wie eine Hafendirne. Die Landkrokos besitzen die Macht des Feuers. Wir setzten erstmals Fuß auf die Insel, tagsüber, denn damals kamen sie Nachts.


    Ich ließ die Kreaturen bluten, Vendetta - Blutrache.
    Das hatte ich ihnen geschworen und das lieferte ich.
    Einer von uns, tausend von Euch.
    Kein geringerer Preis war mir mein Mann wert.


    Und so füllten sich die Fässer im Bauch der Choucas mit feuerfesten Häuten, getrocknetem Krokofleisch, mit feuerfesten Eierschalen und wir aßen so oft Omelette, dass ich heute noch bei dem Gedanken an Crepe satt bin.
    Ich bin ein geflissentlicher Kapitän, also bauten wir auf der Insel einen Stützpunkt, einen Brückenkopf um die Feinde effektiver vernichten zu können.


    Und ich führte Strichliste...
    1793... letzter Eintrag von Kapitän Silvano Giovanni de Mancini...


    Da sag doch einer mal etwas über meine strategischen Fähigkeiten.
    Ab dieser Anzahl von Häuten, schlug die Taktik unserer Feinde um.


    Das mit den Geräuschen stimmt. Wenn in der Natur plötzlich alles schweigt, sei versichert Du bist nicht mehr alleine. Etwas, ein Feind ist in unmittelbarer Nähe und buchstäblich hält die ganze Natur den Atem an, wenn ein Duell zwischen zwei Raubtieren bevorsteht.


    Nachdem sie den Ersten von uns geholt hatten, waren wir froh über jeden Mucks den die Tiere von sich gaben, egal ob in der Nähe oder fernab von unserem Standort. Laute gab es immer seltener, denn manchmal merkten nicht einmal die Kreaturen auf der Insel, dass jemand bereits im Dickicht, den Bäumen, oder dem Gebüsch lauerte.


    Ganz schlimm war es Nachts, ab 1793 zu 1 herrschte Totenstille.
    Ideal für die dort heimischen Landkrokos. Wenn sie angriffen, sah man es nicht kommen.


    Die Krokos wurden von Tag zu Tag weniger...
    Meine Männer schwanden von Nacht zu Nacht...


    Die Feinde zeigten sich nie lange oder direkt, erst als sie zu übermutig wurden. Dann kam es zur Schlacht von Angesicht zu Angesicht. Wir gegen sie.


    Wir hatten immer noch einen Vorsprung, es stand 1793 zu 49.
    Neunundvierzig mal tausend Köpfe als Blutrache... eine einfache Rechnung nicht wahr?


    Die Schlacht tobte am Strand, ich kann Dir nicht sagen wie viele es gewesen sind, aber es fielen so viele, dass ich hoffte diese Brut im Laufe des kommenden Monats ausgelöscht zu haben. Sie lauerten uns auf, schlichen sich Nachts an unseren Stützpunkt und schlitzten die Schlafenden auf...


    Das dachten sie jedenfalls.


    Wir hatten das Lager aufgegeben und als Falle präpariert. Als ihnen bewusst wurde, was sie dort gefunden hatten, als ihre winzigen Gehirne begriffen, was geschehen war, gingen sie in zig Breitseiten der Choucas unter. Sie kamen Nachts, meine Lady war völlig abgedunkelt, kein Licht, kein Wort, die Geschütze auf unser altes aufgegebenes Lager ausgerichtet, wartend, feuerbereit... und wir feuerten was die Skorpione hergaben. Der Strand färbte sich blutrot...


    Nun stand es 2903 zu 49.


    Legitim sein eigene Koordinaten erneut abzufahren, also haben wir erneut einen Brückenkopf gebildet und uns einen Stützpunkt errichtet, während sich meine Lady aufs Meer zurückzog.


    Es waren Tausende von Krokos gegen 93 meiner Leute.


    Eines Abends sah ich ihn, schwarzgeschuppt, diese Kreatur würde ich niemals vergessen, der Mörder meines Mannes. Ich führte persönlich die Jagd auf ihn. Wir stellten ihn und seine Gruppe, sie kämpften verbissen, aber wir kämpften wesentlich verbissener.


    Ich schlug ihm den Haken seitlich in den Hals und riss ihm die gesamte Kehle heraus. Verblutend lag die Kreatur vor mir. Mit jedem Atemzug traten blutige Blasen aus seiner Wunde, verzweifelt versuchte er die Blutung zu stillen, in dem er seine Hand-Karikaturen darauf presste.


    Mein Tritt beförderte ihn in Rückenlage und ich häutete die Kreatur bei lebendigem Leib. Ich war wie von Sinnen durch den Hass auf diese Kreatur. Zog ihm "das Fell über die Ohren", als Antwort darauf, dass er meinen Mann ausgeweidete hatte.


    Als ich ihm ins Gesicht grinste, ihm die Grüße meines Mannes ausrichtete und mir seine Krokohaut zusammengerollt unter den Arm klemmte, bäumte sich die Kreatur noch einmal auf und schlug mit letzter Kraft zu. Sie raubte mir das halbe Gesicht...


    Seine Krallen zerschnitten mein Gesicht, schabten über meinen Knochen und rissen mir mein Augapfel aus. Reflexartig zuckte ich noch zur Seite und brach in die Knie vor Schmerz. Erneut wurde die Welt schwarz um mich herum. Mit zittriger Hand zückte ich den Haken und rammte ihn dem Untier erneut in den zerstörten Hals.


    So fanden mich meine Leute, blutüberströmt in der tödlichen Umarmung mit meinem gehäuteten Feind.
    Sie hielten mich zuerst für tot, aber ich bin aus hartem Holz geschnitzt.


    Allerdings bekam ich Wundbrand und musste so ein zweites Mal um mein Leben kämpfen.
    Das war die tapferste Tat die ich je vollbracht habe...
    Ich kämpfte um mein Leben, als ich am liebsten sterben wollte.


    Nur weil die restlichen Überlebenden meiner Mannschaft letztlich solange durchhielten wie keine Expedition zuvor, konnte sie die Verwundeten einschließlich mich von der Insel schaffen. Ohne meinen Bordheiler und meine Mannschaft, besonders der Offiziere würde ich heute kaum mehr leben", berichtete Silvano ohne Boldi dabei anzuschauen.


    Er schloss das Auge und tauchte einmal kurz unter.


    "Davet. Davet war ungefähr so groß wie ich, hatte lange, braune, leicht gewellte Haare, blaue Augen und trug gerne Hut wie Bart. Als wir uns kennenlernten war er 37 und ich 20 Jahre alt. Begegnete man Davet das erste Mal, hatte man leicht den Eindruck, dass der Mann scheinbar alles besser wusste und auf jede Frage eine Antwort parat hatte.


    Lernte man ihn wirklich kennen, merkte man sofort, der erste Eindruck stimmt.


    Aber er war kein Korinthenkacker oder Besserwisser, er wusste viele Dinge tatsächlich. So breitgefächert wie seine Interessen waren, so breitgefächert war auch seine Bildung. Ich habe ein Portrait von ihm in meiner Kajüte hängen, ich werde es Dir zeigen, sobald Du wieder an Bord bist.


    Davet:
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    Und genau das liebte ich an ihm, er interessierte sich für alles. Er merkte sich auch die kleinen Dinge, jene winzigen Dinge, die einen in einer Beziehung glücklich machen. Eines dieser winzigen Dinge ist, dass ich stets das Dessert als Erstes esse. Ich liebe Desserts und er wusste womit er mir den Tag versüßte. Ich mochte seine riesige Nase und seine Fechtkünste. Ich liebte seine Haare die irgendwie immer nach Sandelholz rochen. Er liebte Schmuckfedern für seine Hüte..., das war Davet.


    Und nun etwas für Dich, was er mich lehrte Boldi.
    Trink bitte niemals Meereswasser, gleichgültig wie durstig Du bist!
    Nieren können aus einer Salzkonzentration von mehr als zwei Prozent keinen Urin bilden. Meerwasser besteht zu drei Prozent aus Salz. Wenn Du also Meereswasser trinkst, müssen Deine Nieren das vorhandene Wasser in Deinem Körper dazu nutzen, um das überschüssige Salz dass Du über das Meereswasser aufgenommen hast zu verdünnen sprich zu absorbieren. Was Dich logischerweise noch durstiger werden lässt. Es entsteht ein tödlicher Kreislauf. Meereswasser trinken, Wasserverlust, noch mehr Meereswasser Trinken, noch mehr Wasserverlust. Das wird in einer Durstsituation ein tödlicher Selbstläufer, dass heißt Du trinkst so lange, bis Du an Dehydrierung verstorben bist",
    erklärte Mancini und küsste Boldi.

  • Boldiszàr hatte eine wohl aus der Sicht der meisten Menschen ziemlich unpassende Gefühlsregung, als Silvano in den blutigsten Details von seinem Rachefeldzug berichtete. Als der Kapitän seine Erzählung beendet hatte, zog Boldiszàr ihn im Wasser an sich heran, damit Silvano spürte, was er empfand.


    Boldiszàr grinste schief. "Interessante Vorstellung", erklärte er. "Ich werde kein Meerwasser mehr trinken. Ich wollte es nur mal kosten. In deinem Kopf scheint sich ein wahrer Almanach zu befinden, du weiß scheinbar alles über das Meer. Davet war wohl ein guter Lehrmeister. Er hört sich nach einem anstrengenden, aber anständigen Kerl an."


    Die beiden ließen sich noch lange im warmen Wasser treiben und betrachteten die Sterne, redeten über die Welt und die Götter und lernten einander noch näher kennen. Ein weiteres Mal besiegelten sie ihren Liebesbund, diesmal in der Umarmung des Meeres, das Silvano so sehr liebte. Der weiche Sand am Ufer wurde ihr Lager, während sich um sie herum die Wellen brachen. Erst, als es am Horizont langsam dämmerte zogen sie sich an und kehrten auf das Schiff zurück, um noch ein paar Stunden zu schlafen.


    Boldiszàr bereitete sich innerlich auf den Abschied vor. Zu seiner großen Freude verkündete Silvano jedoch, ihn nach Hause zu bringen - er wollte ihn bis nach Beaufort begleiten, um im Palast den Duc zu bitten, Boldiszàr erwerben zu dürfen. Und so geschah es. Boldiszàrs gesunder Mundwinkel zog sich breit nach hinten, als sie in der Kutsche zurück nach Beaufort reisten und sein Schatz noch immer neben ihm saß.