Ein Zuhause für Louis

  • Ein Zuhause für Louis



    Benito
    Die erste Aufregung war vorüber und Benito atmete erleichtert auf. Nicht wortwörtlich, sondern im übertragenen Sinne. Moritz, der Mann dessen Seele sich traubenartig in mehrere Seelen gespalten hatte, wurde gerettet. Das klang so einfach, so lapidar, dabei war es ein Meisterwerk der Magie gewesen. Jede einzelne dieser abgestaltenen Seelen hatte ihren eigenen Körper bekommen und damit ihre eigene Chance auf ein selbständiges Leben. Der Preis? Horrende, wenn man die Leben bedachte, die dafür geopfert werden mussten. Aber niemand wusste so gut wie Benito, dass Heilung und Horror nur zwei Enden der gleichen Brücke waren. Genau wie Wahnsinn und Genialität, es lag nicht nur im Auge des Betrachters, aber vieles war eine Ansichtssage. Ein Gnadenschuss werteten manche als Erlösung, andere als heimtükischen Mord. Eine Lebenserhaltung um jeden Preis, werteten einige als Kunst, andere als Folter und Leidensverlängerung. Ein Heiler war auch immer ein Vermittler von Werten, seinen, die seiner Überzeugung, die seines Ordens - wenn er denn einem Orden angehörte und denen seines Standes. Aber manchmal musste man durch das Schwarz waten, das Grau durchschwimmen um im Weißen ankommen zu können. Diesen Weg hatten Moritz und seine Seelenbrüder hinter sich gebracht und er hatte seinen Anteil dazu geleistet. Benito war stolz darauf, auch wenn er damit anderen Seelen den Körper genommen hatte. Sein Augenmerk hatte Souvagnern zu gelten und Moritz war einer von ihnen. Zudem hatte ihn die Herausforderung interessiert, er wollte wissen, ob eine Seelentransplantation wirklich machbar wäre. Denn wenn dies einmal gelang mit vereinten Kräften, dann würde es auch wieder gelingen. Er wollte nicht weiter darüber nachdenken, jedenfalls jetzt noch nicht. Ein ein Gedanke manifestierte sich trotzdem in seinem alten, halb-kahlen Schädel - Unsterblichkeit. Nicht nur auf dem Papier durch seine geleisteten Werke. Tatsächliche Unsterblichkeit mit der Anhäufung extremen Wissens. Für ewig existieren und forschen... ein Traum! Alles was er musste war rechtzeitig in einen neuen Körper umziehen! Heute war er nicht an der Reihe, heute zog ein anderer Mann in sein neues Zuhause und zwar Louis. Die junge Seele hatte er adoptiert, er würde es ganz offiziell machen, aber vor den Behördengängen stand der Umzug nach Hause. Benito schaute Louis an, der neben ihn auf der Bastfußmatte stand. Er drückte aufmunternd die Hand des Jungen und klopfte an die eigene Haustür. Er war auf Ettis Gesicht gespannt.


    Louis
    Louis war nervös. Er kannte Etienne nicht und wenn Benito auch erzählt hatte, was für ein guter Mann er doch sei, war er doch derjenige, der die Macht hatte, Louis sein neues zu Hause zu verwehren. Seine Finger umklammerten die alte, faltige Hand des Heilers, als sich Schritte der Tür näherten.


    Etienne de Sonzier
    Etienne öffnete die Tür. Das Lächeln blieb ihm schlagartig im Halse stecken, zusammen mit der Begrüßung, als er Benito mit einem jungen Mann händchenhaltend vor dem Eingang stehen sah. Er musterte den Burschen feindselig.
    Bitte melde dich an, um diesen Link zu sehen.
    Er erinnerte ihn an Nathan, kurzes, rotbraunes Haar, riesengroße Augen und treudoofer Blick. Sogar das Bärtchen an Kinn und Oberlippe war ähnlich, auch wenn es in dem Falle nur aus Stoppeln bestand. Einzig die prominente Nase war anders. Etienne hatte Lust, sie ihm mit der Faust ins Gesicht zu drücken. »Ich pack dann mal meine Sachen.« Er drehte sich um und ging ins Wohnzimmer, wo er seinen herumliegenden Krempel einzusammeln begann. Das Heulen verschob er auf später.


    Benito
    Benito ging Etienne lächelnd hinterher und zog Louis mit sich. "Ich fühle mich von so einer Begrüßung wirklich geschmeichelt. Dermaßen eifersüchtig auf so einen alten Mann wie mich? Das geht runter wie Öl, dass muss ich Dir schon sagen. Hör auf damit Etti, Du kannst später noch Deine Unordnung aufräumen. Ich möchte Dir jemanden vorstellen", grinste Benito und umfasste mit seiner freien Hand das Handgelenk von Etienne. "Etienne das ist Louis - Louis dass ist mein Verlobter Etienne. Etti, Louis ist eine der geretteten Seelen, er ist optisch vielleicht schon ein erwachsener Kerl, aber mental ist er es noch lange nicht. Ich habe beschlossen ihm bei uns ein neues Zuhause zu geben. Er hatte nichts Schatz, weder ein Heim, Eltern, noch einen eigenen Körper. Ich finde es wird Zeit das zu ändern. Seinen Körper bekam er dank unserer unvergleichlichen Fähigkeiten, das Zuhause bekommt er, weil ich den kleinen Kerl ins Herz geschlossen habe. Wir beide Etti werden seine Eltern sein, Du und ich. Also begrüße ihn doch bitte entsprechend, es besteht kein Grund für Groll. Ich hoffe Du akzeptierst meine Entscheidung und lässt das mit dem "Aufräumen" sein", sagte Benito liebevoll.


    Etienne de Sonzier
    Etienne ließ seine Hose wieder aufs Sofa fallen und spießte Louis dermaßen mit einem Blick auf, dass dieser sich hinter Benito versteckte. Etienne trat vor seinen Mann, legte ihm eine Hand auf die Schulter und küsste ihn lange. Sehr lange, damit Louis gleich verstand, was Benito ihm bedeutete. »Warum sollte ich nicht eifersüchtig sein? Du bist Heiler, jeder steht auf Heiler und obendrein bist du ein besonders scharfer Hecht.« Er zog den alten Mann mit sich und drückte ihn in das Sofa, ehe er sich neben ihn plumpsen ließ. Die ganze Wohnstube zeigte deutlich, dass Etienne hier wohnte, denn sie war ausgesprochen unordentlich. Über den Stühlen hingen Klamotten, auf dem Boden lagen welche und auf jeder freien Fläche stand benutztes Geschirr. Was an Platz noch übrig war, wurde von allen möglichen Pergamenten, Schreibzeug, Kämmen, Suppenkellen, Körbchen und einem einzigen kleinen Stapel sauberer Wäsche eingenommen. Er bestand nur aus Benitos Sachen. Louis stand mitten im Raum, jetzt wo sein Versteck auf dem Sofa saß, und knetete seine Hände. Etienne betrachtete es zufrieden. Er legte einen Arm um Benito. »Du meinst also, du möchtest ihn adoptieren? Als unser Sohn? Er ist dann auch adlig und ich bin der älteste Sohn, das weißt du.«


    Benito
    Benito schaute Etienne an und stutze. Daran hatte er gar nicht mehr gedacht! Und unverfroren hatte er sich quasi selbst in den Stand eingeladen, mit der unausgesprochenen Frage der Fragen. Es kam nicht oft vor, aber diesmal wurde sogar Benito rot. "Etti, Etienne... daran habe ich mit keiner Silbe mehr gedacht. Ich wollte Dich schon eine ganze Weile fragen. Aber ich wollte mich gewiss nicht selbst in den Stand erheben, oder ohne Deine Zustimmung Louis adoptieren. Zudem ist er dann zwar Dein Sohn, aber wenn Du möchtest, dass er den gleichen Namen und sogar Deinen Adelstitel tragen darf, muss Du dies beim Duc höchstpersönlich beantragen. Eine Adelung von Adoptivkindern kann nur er vornehmen. Durch Adoption sind sie nicht automatisch adelig. Das hieße er wäre Louis Sonzier oder Louis Brassac, ohne jedes de, kein von. Das ist mir jetzt peinlich, aber Louis kann nichts dafür. Ich habe nicht aufgepasst. Aber ich habe eine gute Idee, ich adopierte ihn. So trägt er meinen Namen und Du musst Dir keine Sorgen machen. Dann kannst Du über die Frage, die ich Dir bald stelle, in Ruhe nachdenken", bot Benito an und stellte fest, dass es wohl kaum komplizierter ging.


    Etienne de Sonzier Heute, 22:43
    »Versuchst du gerade, mich charmant um den Finger zu wickeln, indem du einen verpackten Heiratsantrag an dem Tag aussprichst, an dem du auch Louis anschleppst?« Etienne schmunzelte und zog Benito ganz nah an sich heran. Er drückte ihm einen Kuss auf die Halbglatze. Seine Lippen fühlten sich heiß an auf Benitos Haut. »Zuerst müsste ich dich meinem Vater vorstellen. Er ist vom alten Schlag, ein Chevalier wie aus dem Lehrbuch. Ich denke, Jules und Massimo würden ihn mögen und das sagt vermutlich alles. Vater weiß noch nicht, dass ich unter der Haube bin und was für einen glücklichen Fang ich gemacht habe. Er schickt mir andauernd Briefe mit seinen neuesten Ideen, wen ich kennenlernen sollte. Das letzte war eine Dupont! Sie sind gerade heimgekehrt und versuchen nun scheinbar, ihre Töchter gut unterzubringen beziehungsweise endlich loszuwerden. Wobei die Duponttöchter eine Augenweide sein sollen.« Etienne hörte auf zu sprechen und musterte seinen Freund voller Zärtlichkeit. »Ich liebe aber dich. Es wäre nur eine Hochzeit, um den Fortbestand der Linie zu sichern.«


    Benito
    "Das verstehe ich und es ist völlig legitim. Du kannst aber auch ein Kind mit einer Beifrau zeugen, oder einer Brutmutter wie man so schön sagt. Nein, ich nahm es nur zum Anlass, der Plan Dich zu fragen ist älter also Louis so wie er dort dank meinen Fähigkeiten steht. Mit meinen Fähigkeiten Eier in der Hose zu haben, was die Frage angeht, ist es allerdings nicht weit her. Ich weiß noch nicht was ich sagen soll, aber ich habe alles bereits hier, was ich dafür benötige. Du kannst Dich ja selbst überzeugen gehen, wenn Du mir nicht glaubst. Nur wollte ich eine wirklich passende Frage zu diesem wundervollen Anlass finden. Fand ich aber noch nicht. Alles was mir einfiel klingt einfallslos. Ich hatte sogar überlegt, Dir einfach ein Rezept zu schreiben und Dir eine Hochzeit mit mir zu "verordnen", dass fand ich dann aber zu dreist. Warte einen Moment", bat Benito und stand auf. Er ging kurz ins Schlafzimmer und kam mit einer kleinen Schatulle zurück die er öffnete.
    Bitte melde dich an, um diesen Link zu sehen. ... silber.jpg
    "Das sind unsere Ringe. Das Symbol der Hände mit Herz und Krone ist uralt. Es wird als Freundschaftsring, Verlobungsring oder Eheringe getragen. Bei uns sind es Eheringe. Unsere Ringe zeigen zwei Hände, die ein Herz mit einer Krone halten. Das Herz symbolisiert Liebe, die Hände Freundschaft und Vertrauen, die Krone Treue.... damit weißt Du auch, was Du mir bedeutest. Also frage ich Dich hiermit Etienne de Sonzier, möchtest Du mein Mann werden?", fragte Benito nervös.


    Etienne de Sonzier
    »Von Herzen gern«, antwortete Etienne gerührt. Er nahm jedoch nicht die Ringe, weil er zuerst seinen Verlobten umarmen musste. Er hielt ihn an sein Herz gepresst, ehe er ihn mehrmals küsste und nun besah er sich die Ringe genau. »Sie sind wunderschön, und man kann sie auch als Kerl guten Gewissens tragen. Das mit der Brutmutter würden die Duponts vermutlich nicht mitmachen, ich denke, die wollen sie fest unter der Haube wissen. Ich muss dich so schnell wie möglich meinem Vater vorstellen, ich brauche ein paar Tage Urlaub.« Etienne war glücklich. Nun betrachtete er auch Louis freundlicher. »Es ist zwar nicht mein Haus, aber setzt dich doch.«


    Louis Heute, 23:03
    Mit winzigen, zaghaften Schritten ging Louis zum Sessel, legte die Sachen darauf ordentlich zusammen, drapierte sie auf dem Stapel mit der sauberen Wäsche und nahm Platz. »Krieg ich einen Kakao?«, fragte er schüchtern und setzte sich.


    Benito
    "Das freut mich, Du hast keine Ahnung wie glücklich Du mich mit dieser Antwort machst", sagte Ben ergriffen und nahm die Hand von Etienne. Er schob ihm einen der Ringe auf den Finger und hielt ihm dann das Kästchen hin. "Lass uns Deinen Vater informieren und es ist unser Haus Etienne, wir beide wohnen hier und nun wohnen wir drei hier. Eine Dupont mag das nicht mitmachen, vielleicht eine andere Frau, wenn Dein Vater darauf besteht. Ich weiß gar nicht ob Du Geschwister hast, fällt mir dabei ein. Hast Du Brüder? Meinen Bruder kennst Du bereits, Dantoine oder kurz Dan. Meist ganz umgänglich und einer der wenigen Menschen denen ich vertraue. Auch wenn er manchmal nervig sein kann, aber das ist eben so bei kleinen Brüdern", antwortete Benito und stand erneut auf. "Einen Kakao kannst Du sehr gerne haben, ich mache Dir einen", sagte Ben und tat genau das. Es dauerte einige Minuten, dann kam er mit Tablett auf dem drei Becher Kakao standen zurück aus der Küche. "Für jeden einen, wenn ich schon dabei bin", sagte er und stellte das Tablett auf dem Tisch ab. Er verteilte die Becher und stieß mit Louis und Etti an. "Lasst es Euch schmecken", grinste Ben.


    Louis
    Louis rieb sich die Augen mit den Fäusten. Sie waren gerötet, weil er heimlich geweint hatte. Dass Henri tot war, war für ihn so schlimm wie die Tatsache, plötzlich in einem völlig neuen Körper aufzuwachen, zu einer anderen Zeit. Alles war anders als noch vor dreizehn Jahren. Es gab andere Geschäfte, die Mode war anders und alle redeten von Dingen, von denen er noch nie etwas gehört hatte. Über den Kakao freute er sich aber. Mit beiden Händen umschloss er die große Tasse, die seine Finger wärmte. Mit den Lippen zupfte er von dem weißen Berg Schlagsahne. »Danke«, wisperte er leise, um die beiden nicht zu stören.


    Etienne de Sonzier
    »Danke ebenfalls.« Etienne nahm einen kräftigen Schluck und hob kurz die Brauen, um anzuzeigen, dass es ihm schmeckte. »Ich habe zwei Geschwister, einen kleinen Bruder und eine kleine Schwester. Mein Kleiner, Jordan, schiebt Dienst an der Mauer, wie die meisten meiner Familie. Wir waren schon immer mit der Sicherung der Grenze betraut. Und meine Schwester, Pauline, soll jetzt mit einem Dupont verheiratet werden. Keine Ahnung, was Vater da geritten hat, dass er uns beide mit dieser Familie verbändeln will.«


    Benito
    "Gern geschehen Ihr beiden. Nun um es mal freundlich auszudrücken, den Duponts ist das Glück nicht hold. Dein Vater sollte sich vorsehen, mit den Unglücksraben eine Verbindung einzugehen. In seinen Enkeln wird dann das graue Blut der Unglücksschmiede fließen, ist er sich dessen bewusst? Irgendwann, vor langer Zeit waren die Duponts so normal wie Du und ich. Aber dann passierte etwas, dass ihnen für immer die grauen Wolken ihres Wappens an die Hintern heftete. Sie wurden ab dato vom Unglück verfolgt. Was der Auslöser war, kann ich Dir nicht sagen, nur dass es so gewesen ist. Finden sie den Auslöser, finden sie die Lösung um sich davon zu befreien. Denn bedenke ihre Familiengeschichte, hingerichtet für ein Bild das wirklich grauenvoll ist. Verbannt für Gesang eines Barden der wirklich krumm sang, Gestorben für ein Furzkissen dass einer von ihnen den Duc unter das Thronkissen legte, vielleicht fing alles mit einem Scherz von ihnen an? Vor langer Zeit? Dabei haben sie sogar die Reichsinsignien geschmiedet. Noch heute sind sie in Amt und Würden, sie wurden nicht ins Feuer geworfen. Etti rutsch, dass sich Louis zu uns setzen kann", sagte Ben und schob seinen Mann ein Stück zur Seite, so das auf seiner anderen Seite Louis Platz finden konnte. "Komm her Kurzer", bat er freundlich.


    Louis
    Louis nahm seinen Kakao mit und setzte sich ganz langsam hin, damit er nicht kleckerte. Etienne beobachtete ihn, aber er blickte nicht mehr so finster drein. Eigentlich blickte er sogar recht freundlich. Louis kannte die Duponts nur vom Hörensagen, doch da erhellte sich seine Miene. Endlich konnte er etwas zum Gespräch beitragen! »Die Duponts sind die Wächter der nördlichen Grenze! Da haben sie ihr Lehen, sie wachen über unsere Sicherheit, damit die Rakshaner nicht nach Souvagne kommen. Von Calvin de Dupont weiß ich, er ist ein großer Schmied!«


    Benito
    Benito hielt mitten im Trinken inne und seine Augen huschten zu Louis herüber. "Die Duponts bewachen unsere Nordgrenze? Dort wurde der erste Wall errichtet, das erste Stück der geheiligten Souvagnischen Mauer steht dort. Ich hoffe sie bleibt stehen, nicht das so ein Dupont dagegen pinkelt und seine Säure löst die Mauer auf. Zuzutrauen wäre es ihnen. Sie sind bestimmt schon total verledwickt", grinste Ben und stupste Louis und Etti an.


    Etienne de Sonzier
    Etienne behielt für sich, dass dieses Lehen inzwischen einem Naridier gehörte und dass Calvins Gebeine längst im Moor verstreut bleichten. Der Mann war erschlagen worden, als man die Duponts davonjagte. Aber wenn Louis das erfuhr, gab das vermutlich eine Heultirade. Er durfte es erfahren, wenn irgendwer anders da war, um ihn zu trösten, so etwas war absolut nicht Etiennes Ding. Dafür wurde er liebend gern selbst getröstet. »Am besten, wir fragen Vater selbst, warum er mir ausgerechnet so eine Nebelkrähe aufs Auge drücken will. Er meinte, die Frauen wären hübsch, ich solle Manju kennenlernen. Wie der Pechvogel heißt, den Paulinchen heiraten soll, habe ich allerdings vergessen.«


    Benito
    "Wir müssen ganz dringend mit Deinem Vater reden, ehe sie ihm noch etwas zur Verlobung schmieden. Wie einen Stielkamm, womit er sich vielleicht pfählt oder sich den Kopf spaltet. Die Duponts meinen es immer gut, aber gut gegangen ist bei ihnen noch nichts. Aber mal ehrlich, hast Du je das Bild der Klatschmohn gesehen? Inoffiziell heißt es der Gesichtskrüppel. Wenn so der Vater von Alain aussah, konnte Alain und all seine Nachfahren froh sein, dass sie das Puppengesicht von der Mutter geerbt haben. Ansonsten wären sie vermutlich verschleiert wie die Ledwicker Kollegen. Keine Ahnung ich habe mal versucht zu diagnostizieren was der Mann hatte, aber ich glaube ehr der Zeichner war sturzbetrunken", kicherte Ben.


    Etienne de Sonzier
    Etienne musste lachen. »Der Gesichtskrüppel, ich find das Bild endgeil. Jeder hasst es, aber es hat mir schon so oft den Dienst versüßt. Stell dir eine langweilige Schicht vor und dann die Besucher, die das Machwerk zum ersten Mal entdecken. Ihre Gesichter, die Kommentare, die sie lassen, das ist göttlich! Ich verdanke dem Gesichtskrüppel viel und letztlich hat sich keiner selbst gemacht, nicht mal er.«


    Benito
    "Doch sie haben sich selbst gemacht, jedenfalls bis zu einem gewissen Grad. Das tun viele Adlige, sie selektieren sich nach besonderen Auswahlkriterien. Man könnte es fast als Hochleistungszucht betrachten. Ein Pudel sieht auch nur so aus, weil man darauf geachtet hat, dass alle vorherigen sich ähneln und gleiche Eigenschaften haben Etti. Damit möchte ich nicht die Krone beleidigen, sondern ich möchte nur erklären, warum eine bestimmte Personengruppe so aussieht wie sie aussieht. Zuerst heiraten Adlige nur in einem sehr begrenzten Kreis. Das ist beim normalen Adel der Fall und folglich ist die Inzucht höher. Bei Hochadel, also den absoluten Herrschern ist es wieder weniger Inzucht, da sie manchmal auch Landesübergreifend heiraten. Einige Herrscherdynastien taten es oft, unsere Ducs selten, sie wählen meist eine Duchesse aus dem eigenen Adel. Und Du siehst worauf sie sich selektieren, geistige Fähigkeiten, ebenmäßige Gesichtszüge, blond, blass, Du würdest jederzeit ein Souvagne erkennen ebenso wie Du jederzeit einen Dupont an den Gesichtszügen erkennen würdest, oder einen von den neuen die Hohenfelde. Du erkennst es. Man kann durchaus sagen die Souvagnes halten die hellen Werte hoch, Schönheit, Wissen, Anmut und und und... und genau das wollen sie selbst auch verkörpern. Ich kenne keinen fetten oder unansehnlichen in ihrer Familie oder keine Frau die je aus dem Schema gefallen wäre. Sie achten wie jeder Adlige darauf mit wem sie die Linie fortführen, strenger noch als jeder andere. Siehe selbst Verrill, zuerst verheiratet mit Prince Linhard und nun mit dem Duca di Ledvicco. Wenn es danach ginge hätte er jeden heiraten können, aber er wählte jemanden der seinem Stand gleichkam, sogar überstieg. Finde mal so jemanden in seiner Position. Und warum passte es zwischen ihnen? Weil sie eine gleiche Ebene haben, sie denken vermutlich ähnlich. Und auch die Gedankenwelt ist nicht so frei wie der Mensch es gerne hätte Etti. Jedem ist ein Charakter angeboren, ob Choleriker oder Pazifist. Der Mensch muss das Beste draus machen. Aber wenn Du Jahrhunderte knallharte Kerle hervorbringst, wird der nächste in der Reihe kein zahmer Vogel. Und so ist es auch mit Verrill und Tazio. Das ist nicht einfach nur weil es passt, sondern weil Jahrhunderte ihre Familien gleich dachten und handelten, sie wählten sich stets so, dass das "Endprodukt" mit Stolz betrachtet werden kann. Sie passen weil sie darauf hin ausgewählt wurden, ihr Blut passt. Folglich hat sich keiner selbst gemacht, aber ihre Vorfahren taten es. Oder meinst Du Maximilien würde jemals in Betracht ziehen eine Rakshanerin zu heiraten und zu schwängern, selbst wenn er diese Frau liebt? Oder sagen wir eine Arashi? Die Kinder sähen vermutlich umwerfend schön aus, aber würde er? Würde er zum Beispiel einen Tiefling wählen? Glaube mir, dass würde er niemals. Selbst wenn er es nicht bewusst entscheidet, er fühlt so - sie passt nicht zu mir, sie ist nicht gleich, keine meiner Art. Und das haben ihm seine Vorfahren mitgegeben, den gesunden Blick auf das was wichtig ist. Den Fokus auf das was erhalten bleiben muss. Drum gibt es auch die Mauer, drum gibt es uns heute noch. Etwas bezüglich seiner Herkunft zu hinterfragen, ist ja kein Anzweifeln. Auch wenn es ein Verhaltensmuster ist. Naja ich denke schon wieder zu dienstlich", grinste Ben.


    Etienne de Sonzier
    »Wenn man es so betrachtet, hast du wohl recht. In meiner Familie sind viele Rothaarige. Und die Männer sind alle beim Militär. Ich bin schon ein Exot damit, meinen Dienst im Palast zu schieben, alle anderen kümmern sich um die Mauer. Weißt du, in welcher Familie es noch Rothaarige gibt? Bei den La Granges, den Wächtern der Morgenröte. Von dort stammt meine Familie ursprünglich, ehe wir mit dem Lehen unmittelbar bei Beaufort betraut wurden. Mein Vater meint, dass vor vielen Generationen mal ein Marquis der La Granges bei uns dazwischen geschossen hat. Ob das stimmt, weiß ich natürlich nicht, aber die Geschichte wird immer wieder gern erzählt. Was die La Granges und wir gemeinsam haben, ist außer den oft roten Haaren der Wunsch, unser Land vor Eindringlingen zu schützen. Sie bewachen die Ostgrenze nun ohne uns und wir schützen das Herz.« Etienne betrachtete den Ring an seinem Finger, als ihm auffiel, dass er vergessen hatte, Benito seinen überzuschieben. Wie peinlich, verfluchte Nervosität. Er nahm den Ring aus dem Kästchen, ergriff Benitos Hand und küsste jeden Finger einzeln, ehe er ihm den Ring überschob. »Das war eine liebe Überraschung. Ich freu mich und den Nachwuchs hast du auch gleich mitgebracht. Ich denke, Louis und ich werden uns vertragen. Ich hatte es nur anfangs falsch verstanden, als ihr da händchenhaltend vor mir gestanden habt. Nun ist alles gut.« Er küsste noch einmal Benitos Hand und strich dann Louis über die Schulter. »Keine Angst vor mir. Ich bin ein netter Kerl, wenn man mich nicht ärgert.« Er zwinkerte und trank einen Schluck Kakao. Sie verbrachten den restlichen Tag mit Gesprächen, zwischendurch schlief Louis einige Stunden und abends kochten sie gemeinsam und spielten danach noch ein Brettspiel, um sich näher kennenzulernen. Etienne war glücklich und er hoffte, dass auch sein Vater ihm den Segen zu ihrem gemeinsamen Glück geben würde.