Regen in der Wüste

  • Die Gliedmaßen fühlten sich schwer an, als Farael allmählich sein Bewusstsein wiedererlangte. Sein Schlaf war lang nicht so erholsam, wie er diesen nach der letzten Nacht gebraucht hätte. Er fuhr sich mit der Rechten über die Stirn, schließlich ein paar Centimeter herab, an der er mit Zeigefinger und Daumen seinen Nasenrücken massierte. Offensichtlich hatte er sich doch überanstrengt. Die Verletzungen brannten, die Muskeln streikten und auch die Müdigkeit konnte er nicht wie sonst einfach abschütteln.


    „Guten Morgen“, grüßte er schließlich in den Raum herein. Neben sich spürte er keinerlei Gewicht. Vermutlich war Ana bereits aufgestanden und saß am Tisch. Doch es war viel zu ruhig in seinem Haus. Langsam öffnete Farael seine Augen und hob den Kopf an. Wo ist sie hin? Im gesamten Raum war nichts von der Schönheit zu sehen, mit der zuvor noch das Bett geteilt und sich letzten Abend – gestritten hatte. So sehr hatte er sich gewünscht, es nach seinem Schlaf einfach zu vergessen. Zumindest hatte es für eine kurze Zeit funktioniert.


    Doch jetzt lag er da und ließ seinen Kopf wieder in das Kissen sinken. Sein Blick gen Decke gerichtet, überschlug er noch einmal die Geschehnisse vom vorherigen Abend. Konnte man dies wirklich einen Streit nennen? Sicherlich war dies kein Grund, einfach zu verschwinden oder ihn allein zu lassen. Zumindest nicht, ohne ihm Bescheid zu geben.


    Müheselig richtet sich Farael auf und setzte die Füße auf den Boden. Von ihren Sachen war keine Spur zu sehen. Vielleicht war sie doch einkaufen gegangen? Augenblicklich schüttelte er mit seinem Kopf. Sie hatte kein Geld, wie sollte sie einkaufen gehen? Eine Ahnung kroch durch seinen Kopf. Augenblicklich bildete sich ein Knoten in seinem Bauch. Jedoch konnte er sich bei einer Sache sicher sein: Sie würde niemals ohne ihre Laute gehen. Das Instrument bedeutete ihr zu viel. Das war sein Anhaltspunkt. Dieser würde Gewissheit schaffen.


    Tief in sich spürte er Angst aufkeimen, Unsicherheit. Wollte er es wirklich wissen? Hin- und hergerissen zwischen Wissen und bewusster Unwissenheit waren seine Füße bereits von allein zur Kommode gelaufen. Der Durst nach Gewissheit ließ seine Hand zum untersten Fach seiner Kommode vorschnellen und diese öffnen.


    In diesem Moment wünschte er sich, er hätte diese verdammte Schublade niemals geöffnet.


    Ihr Lautenkasten war verschwunden. Ebenso ihre Kleidung und jede einzelne Habseligkeit von ihr. Inklusive Faraels Hemd. Sie konnte nicht einfach gegangen sein. Ohne ein Wort. Ohne ihn zu wecken. Ohne sich zu verabschieden. Das konnte nicht sein. Farael konnte sich nicht so sehr in einem Menschen irren. Erst recht nicht Gefühle für diesen Menschen entwickeln, wenn er nicht vertrauenswürdig war.


    Damit war sich Farael auch sicher, dass Ana im Laufe des Tages zurückkehren würde und ihm davon berichten sollte, was sie getrieben hatte. Sicher grinste Farael, als er seine Vermutung als richtig ansah. Ana zog es immer wieder zum Meer. Ihrer wahren Heimat. Sie hatte offensichtlich nur genug von der stickigen Luft der Stadt und hatte sich eine Brise des Salzwassers holen wollen. Vor seinen Augen zeichnete sich das Bild der jungen Norkara ab, die am Strand von Obenza mit ihrer Laute den Tag begrüßte.


    Also wartete Farael auf seine Freundin. Den neuen Tag nutzte er, um sein Haus auf Vordermann zu bringen. Es war lang überfällig gewesen, dass er sich dem Chaos in seinen eigenen vier Wänden widmete. Auch an seiner Waschstelle, dort wo Zuber, Waschbrett und Wäscheleine waren, brauchte es Pflege. Dort fand er auch die schmutzigen Sachen Anas, die er im selben Zug ebenso wusch und aufhing.


    Als sie jedoch zum Mittag noch immer nicht erschienen war und Farael selbst die Zeit ausging, um auf sie zu warten, schrieb er ihr kurzerhand einen Zettel.


    Zitat

    A.
    Ich bin auf der Arbeit, mich mit den anderen treffen und weiter an dem Projekt arbeiten.
    F.


    Diesen Zettel klemmte Farael an seiner Tür, schloss diese ab und machte sich auf den Weg zum alten Söldnerlager. Wie immer um die Mittagszeit waren die Straßen voll und die Bewohner gingen ihren Geschäften nach. Von seinem Haus aus war es ein weiter Weg bis zum Söldnerlager, einen Umstand, den er in Zukunft zu ändern gedachte. Doch stimmte zu dem Zeitpunkt weder die Kasse, noch die Möglichkeit etwas daran zu ändern. Dabei gingen seine Überlegungen in jene Richtung, schon Aufträge anzunehmen und zu verteilen, um die ersten Gewinne und somit Investitionsmöglichkeiten zu erzeugen. Doch ohne feste Unterkunft, hätte er Sodo, Cherax und Bolgur einen ungeheuerlichen Anteil zahlen müssen, damit sie sich selbst versorgen konnten. Da wäre nichts übriggeblieben. Also schob er diese Gedanken beiseite.


    Kaum war er bei dem alten Söldnerlager eingetroffen, traf er sich wie üblich mit den drei Söldnern. Sie fuhren ihre gemeinsame Arbeit fort, unterhielten sich, lernten sich besser kennen und schafften obendrein ein gutes Stück der Arbeit. Doch von Ana blieb keine Spur. Langsam kroch Farael das Gefühl der Sorge die Kehle hinauf. Seine Gedanken kreisten die meiste Zeit um sie und ihren Verbleib. War sie wirklich einfach gegangen? Schon wieder diese Frage in seinem Kopf, die er nicht beantworten wollte. Vehement redete er sich ein, dass sie wiederkommen würde. Dabei war er sich ganz sicher.


    Entgegen jeder seiner Erwartung und Hoffnung, bekam Farael Anas wunderschönes Gesicht an diesem Tag nicht mehr zu sehen. Am Abend versuchte er sein Glück in einigen, nahegelegenen Schenken, doch konnte er sie auch dort nicht finden. Geschlagen begab er sich am selben Abend nach Hause, nur um den Zettel vorzufinden, wie er ihn hinterlassen hatte. Sie war nicht einmal zurückgekehrt. Das wollte und konnte Farael nicht akzeptieren. Das aufkeimende Gefühl, von ihr verlassen worden zu sein, war absurd. Diese Frau hatte sich vor ein paar Tagen in sein Leben begeben. Doch er fühlte diese unheimliche Leere, wenn sie nicht in der Nähe war. Das durfte nicht wahr sein!


    Doch es wurde wahr. Und gestaltete seine Zeit, nach der Ana spurlos verschwunden blieb. Die erste Woche verging langsam, beinahe quälend. Weiterhin wollte sich Farael nicht mit den Gedanken abfinden, dass Ana einfach gegangen war, weil sie eine einfache Bettgeschichte dargestellt hatte. Es musste einfach wesentlich mehr dahinterstecken, als es schien. Entgegen der Situation glaubte er fest daran, dass ihr etwas zugestoßen sein musste. Häufig fand sich Farael nach der Arbeit im Söldnerlager auf den Straßen Obenzas wieder, um nach ihr Ausschau zu halten. Nebenbei musste er noch Geld mit kleineren Aufträgen verdienen, damit er nicht aus seinem Haus flog oder kein Essen mehr hatte.


    Ana blieb derweilen verschwunden. Sporadisch erhielt Farael die Information von Wirten und trunkenen Männern, dass seine verschwundene Geliebte in einer Taverne gesichtet wurde. Doch sie schien ein Händchen dafür zu haben, ihm aus den Weg zu gehen. Immer mehr wandelte sich seine verzweifelte Hoffnung in bittere Wahrheit. Nach der dritten Woche nach Anas Verschwinden gab er schließlich seine Suche ganz auf. Widerwillig hatte er akzeptieren müssen, dass Ana nicht gefunden werden wollte und eine Meisterin darin war, in der Stadt unterzugehen. Der Gedanke, dass sie sich mit anderen Männern oder Frauen traf, um mit diesen das Bett zu teilen, ließ Farael keine Ruhe.


    Aufgewühlt verbrachte er die Nächte in seinem Bett. Er schreckte hoch, wenn er jemanden vor seiner Haustür hörte, der nicht wie ein betrunkener Kerl wirkte. Noch immer lag Anas gewaschene Kleidung auf seiner Kommode. Fein säuberlich zusammengelegt und darauf wartend, dass sich ihre Besitzerin endlich meldete. Doch sie kam nicht und so war die Kleidung Anas dazu verdammt, ein Erinnerungsstück zu sein. Eine Erinnerung die in Verbindung mit seinen Gefühlen, aber auch mit ihren gemeinsamen Nächten zu tun hatte. Auch wenn diese schmerzten, so schaffte er es nicht loszulassen und die Kleidung wegzuwerfen. Etwas hinderte ihn daran. Dabei bemerkte Farael, wie er Ana nicht loslassen konnte. Sie verblieb in seinem Kopf, in seinen Gedanken. Doch ihr Fehlen machte dieses Bild zu einer grausamen Tortur, die er ertragen musste. Er fühlte sich wie ein Schuljunge, der sich in ein Mädchen verknallt hatte. Er war so naiv. Dennoch zerriss es sein Herz.


    Schnell schlug die Trauer in Bitterkeit um. Farael konnte das Geschehene nicht akzeptieren. Genau so wenig, wie er den Schmerz ertrug, den er durch das Verschwinden Anas und ihrem Verhalten erdulden musste. Seine Einnahmen durch kleinere Aufträge wurden deutlich geschmälert, als Alkohol das Schmerzmittel für seinen Kummer wurde. Das Gefühl der Trunkenheit betäubte seine Sinne, besonders zum Abend, als der Schmerz am stärksten wurde.


    So kam es, als er eines Abends, vier Wochen nach ihrem verschwunden nach Hause torkelte. Der Geruch von billigem Schnaps und Bier haftete ihm an, verfolgte ihn wie ein Schatten. Seine Hände zitterten etwas, die Welt drehte sich leicht und dennoch war er nicht betrunken. Diesen Zustand konnte er sich nicht leisten. Auch wenn mittlerweile seine Wunden verheilt waren, er kein Geld hatte, was ihm gestohlen werden konnte, und es niemanden gab, auf den er achten musste. Dennoch war es seine Vernunft, die verhinderte, dass er sich allein abschoss und somit sein Leben ruinierte.


    Die Nacht war kühl. Auf den Straßen waren die Laternen entzündet worden und die Menschenmassen hatten sich zu zwielichtigen Gestalten und Betrunkenen ausgedünnt. Obenza verwandelte sich nachts zu einer Stadt, in der allein das Wandern mit dem Tod enden konnte. Doch dieser Zustand war Farael egal. Was hatte er noch groß zu verlieren? Seine erste große Liebe war einfach geflüchtet. Obendrein war er pleite und musste sich darüber sorgen, wie er seine Miete, zudem noch Sodo bezahlen sollte.


    Da kümmerte es ihn auch nicht mehr, dass eine Gestalt vor seinem Haus herumlungerte. Eine Frau. Vermutlich Ana, ihren Gesichtszügen nach. Doch was sollte es schon? Sie war doch eh nicht da und würde nicht wiederkommen. Also warum sollte er sie schon groß beachten? Eher griff er seinen Schlüssel in seiner Tasche und schloss die Tür auf.


    Bis er schlagartig nüchtern wurde. Faraels Blick schoss mit klarem Blick hinunter auf dem Boden neben seiner Tür, neben der Ana saß. Ihre Gesichtszüge waren blass, beinahe kränklich. Hatte sie abgenommen? Ihre Wangenknochen waren deutlicher zu erkennen. Ihre gesamte Gestalt schien schmaler. Dann noch diese ungepflegten Haare. Sie war ein Schatten ihrer Selbst. Mit weit aufgerissenen Augen betrachtete er das kränkliche Bündel vor sich, welches ebenso baff seinen Blick erwiderte. Zögerlich streckte Farael seine Hand nach ihr aus, berührte ihre Wange, die sich eiskalt unter seiner Berührung anfühlte. „Ana?“, fragte er ungläubig. Für ihn schien es völlig fern von jeder Realität, jene Frau vor sich sitzen zu haben, durch welche er die letzten Wochen durch die Hölle gegangen war.

  • Ana stürzte zur Tür hinaus und fiel auf die Knie. Es kam nicht viel, denn sie hatte tags zuvor kaum gegessen und so würgte sie mehr, als dass sie erbrach. Als ihr Körper sich wieder beruhigt hatte, versuchte sie ihre Gedanken zu sammeln. Wo war sie gestern gewesen? Es passierte nicht selten, dass sie von Übelkeit erwachte und im ersten Moment nicht wusste, wo sie war. Nach einigen Augenblicken kamen stets die ersten Fragmente ihrer Erinnerung zurück, die ihr für einen groben Anhaltspunkt meist reichten. Dieses Mal weitete die Erkenntnis ihre Augen vor Überraschung. Sie hatte überhaupt nicht getrunken! Sie war nüchtern ins Bett gegangen, das sich in einem gut situierten Gasthaus befand. Vor dem Auftritt war sie viel zu aufgeregt, danach viel zu erschöpft gewesen, um wie sonst gleich einen großen Teil ihrer Gage in Flüssiges einzutauschen. Nein. Sie war nüchtern. Und doch rebellierte ihr Körper wie nach dem schlimmsten Rausch. Ana japste nach Luft und setzte sich zurück an die Hauswand. Wenn es ihr selbst nach einer abszinenten Nacht so ging, konnte sie ebenso gut ordentlich trinken. Immerhin hätte sie dann wenigstens Spaß zuvor. Für einen Moment schloss sie die Augen und wischte sich den kalten Schweiß von der Stirn. Passanten murrten beim Vorbeigehen.
    "Das Gesinde erobert noch die ganze Stadt", brummte einer.
    Ana ignorierte sie. Bauchkrämpfe nahmen ihr die Luft zum Atmen und wenn sie aussah, wie sie sich fühlte, hätte es ohnehin nicht geklappt, den Leuten weis zu machen, sie sei weder Alkohol noch einer anderen Droge erlegen; im Augenblick zumindest nicht. Mühsam versuchte sie ihren Atem in gleichmäßige Bahnen zu zwingen, zog die Knie so eng an den Körper, wie es nur ging und wartete, das der Schmerz nachließ und sie es wagen konnte, aufzustehen.


    Spätestens die ehrliche Besorgnis der Wirtin hätte Ana in Erinnerung gerufen, dass sie in einem hochwertigen Gasthaus genächtigt hatte. Auch nach dem fünften vorgeschlagenen Frühstück gab sie nicht auf und brühte zumindest einen starken Kräutertee auf.
    "Mädchen, Mädchen...du wirst doch nicht Dhanga nehmen? Nein...", korrigierte sie sich unmittelbar selbst, "das würde ich erkennen, jawohl."
    Sie murmelte kopfschüttelnd weiter vor sich hin, aber Ana hörte nicht zu. Sie war dankbar, keine Frage, doch die Anstrengung war zu groß. Der Tee tat gut, aber sie wusste, dass sie essen musste. Nur was?
    "Hier, Kleines", drang die Wirtin in ihren Geist und presste ihr ein nasses Tuch auf die Stirn. "Halte das eine Weile hin. Ich habe es in einer Essenz eingelegt, die meine Großmutter schon verwendet hat. Es beruhigt den Geist und kühlt das Blut, hat sie immer gesagt und ein ruhiger Geist heilt den Körper."
    Und ein vergifteter Geist? Vergiftet der den Körper? Das hätte Ana gerne gefragt, stattdessen flüsterte sie nur ein "Danke" und tat wie ihr geheißen.


    Die Bauchkrämpfe wurden schlimmer. Es gab Tage, da konnte Ana kaum aufstehen und vermutlich hätte sie sich ihrem Schicksal einfach ergeben, wenn die Wirtin nicht zwei Mal pro Tag mit dick eingekochten Suppen bei ihr aufgeschlagen wäre, um sie zum Essen zu zwingen. Womit sie diese Fürsorge verdiente, wusste Ana nicht, denn zahlen konnte sie schon seit zwei Tagen nicht mehr. Die Wirtin hatte das bislang noch mit keinem Wort erwähnt, aber Ana nagte es am Gewissen. Ja - sie war eine Diebin und eine Lügnerin und es war ihr ein Leichtes von Unbekannten zu nehmen oder gar von solchen, die ihr feindlich gesinnt waren. Niemals aber stahl sie von Bedürftigen. Niemals nutzte sie Menschen aus, die freimütig mit ihr teilten und niemals betrog sie jene, die es ehrlich mit ihr meinten. "Wirklich?", schoss es ihr durch den Kopf, bitter wie Galle. "Und was ist mit Farael?" Von einem auf den anderen Augenblick brach sie in haltloses Schluchzen aus. Sie konnte nicht aufhören. Selbst, als schon lange keinen Tränen mehr kamen, schluchzte sie weiter. Ihr Kopf dröhnte, als wollte er bald zerspringen und ihr Hals war wund und rau, als die Wirtin abends nach oben kam. Sie warf einen Blick auf sie, stockte und eilte zu ihr, nahm sie in ihre Arme und wiegte sie wie ein kleines Kind.
    "Kind... wann hattest du zuletzt deine Blutung?", fragte sie leise, nachdem Ana sich einigermaßen beruhigt hatte.
    Ana zwang sich darüber nachzudenken. "Ich weiß nicht."
    "Ich habe fünf Kinder. Es hat ein bisschen gedauert, doch ich meine, eine Schwangerschaft zu erkennen, wenn ich eine sehe. Ist das möglich?"
    Wie viel Tage waren vergangen, seit sie zuletzt mit jemandem geschlafen hatte? Die Zahlen drehten sich in Anas Kopf und ihr war schwindelig. Nein. Nein, nein, nein. Das durfte nicht sein!
    "Es ist möglich", hörte sie sich selbst sagen. Sie war wie paralysiert.
    "Ich kenne einen Heiler, der gelernt hat den Geist frühen Lebens in einem Körper zu erspüren. Soll ich ihn holen lassen?"
    "Ich habe kein Geld."
    "Ach!" Die Stimme der Wirtin klang gereizt. "Geld, Geld, Geld! Mach dir deshalb mal keinen Kopf. Wenn es dich so bedrückt, kannst du es nachher in Form eines Gratisauftrittes zurück zahlen. Viel wichtiger ist deine Gesundheit. Und die des kleinen Sprosses, sollte es einen geben."
    Ana wollte das nicht hören. Gewaltsam versuchte sie ihren Geist gegen diese Möglichkeit zu verschließen, aber es war zwecklos und das Schluchzen kam zurück.


    Irgendwann war es zu viel. Ana konnte die Großzügigkeit der Wirtin nicht länger ertragen. Eine weitere Schmach, ein weiterer schwarzer Fleck auf ihrer Seele, die durch die ungewollte Schwangerschaft ohnehin schon am Rande des Abgrunds hing. Also kapitulierte sie; mithilfe einer weiteren Lüge. Machte die denn noch einen Unterschied? Ana versicherte der Hausherrin, den Vater des Kindes aufzusuchen, denn sie wusste, anders hätte sie sie nicht gehen lassen. Aus gutem Grund. Wo sollte sie hin? Sie hatte kein Geld, keinen Zufluchtsort, nichts. Ein Gedanke kam ihr. Reela. Nach ihrem Verschwinden bei Farael war sie der jungen Frau eher zufällig über den Weg gelaufen und, obwohl sie sich zuvor nur ein einziges Mal begegnet waren, hatte diese sie ohne lange zu überlegen in einer Nacht mit zu sich nach Hause genommen. Erst viel später war Ana klar geworden, welch miserables Bild sie abgegeben haben musste. Ungewaschen, betrunken, verheult und krank. Eigentlich, so dachte sie, war es ein Wunder, dass sie das Kind in der frühen Anfangszeit nicht verloren hatte. Nun zog es sie unwillkürlich wieder vor Reelas Tür.
    Der Nebel um Anas Geist lichtete sich genug, um Freude darüber zuzulassen, dass Reela sich des alten Kerls entledigt und einen neuen gefunden hatte. Er schien anständig zu sein und gestattete Ana bei ihnen zu wohnen. Auch die Tatsache, dass sich die beiden Frauen das Bett teilten, störte ihn nicht. Er wich in einen anderen Raum aus und ließ zu, dass Ana sich in die Zärtlichkeit von Reelas Armen flüchtete. Nach ein paar Tagen, wie als hätte sie eine Schonfrist abgewartet, sprach diese sie an.
    "Weißt du, wer der Vater ist?"
    Ana sah verdutzt von ihrem Frühstück auf. Sie hatte Reela nichts von der Schwangerschaft erzählt.
    "Ach komm schon! Hast du gedacht, ich würde es nicht merken?"
    Das hatte sie. Sie nickte. "Ich glaube schon."
    "Du glaubst?"
    "Eigentlich kann es nur einer sein. Mit den anderen..."
    Dankbar brach sie ab, als Reelas Nicken ihr verriet, dass sie verstanden hatte und weitere Ausführungen nicht nötig waren.
    "Und er? Weiß er davon?"
    Ana schüttelte nur den Kopf.
    "Du willst das Kind nicht", stellte Reela fest.
    "Ich weiß nicht." Anas Stimme war nur ein Flüstern. "Ich weiß es einfach nicht."
    "Diese Entscheidung kannst nur du alleine treffen. Niemand kann dir dabei helfen, niemand sollte es. Aber versprich mir eines." Sie legte ihre Hand an Anas Wange, um ihren Blick zu fangen. "Wenn du dich dagegen entscheidest, sag ihm nichts davon."
    "Keine Sorge. Er ist sowieso Geschichte."
    Kurz machte es den Eindruck als wolle Reela etwas entgegnen, doch sie blieb still und das Gespräch war beendet.


    Ana war erstaunt und geschockt, wie leicht sie sich an ein Leben bei Reela und Jesper gewöhnen hätte können, wäre da nicht die offene Entscheidung gewesen, die sie wie ein düsterer Schatten überall hin verfolgte. Sie hatte es bei Farael nicht eine Unze schlechter gehabt. Wieso hatte sie sich dort nicht ebenso wohl fühlen können? Was hatte er getan, dass ihre Reaktion rechtfertigte? Er liebt mich, dachte sie. Das ist sein Verbrechen. Ana seufzte und fuhr fort, ihre Laute zu polieren. Wie gerne hätte sie in solchen Momenten zur Flasche gegriffen! Es war so einfach, dem Strudel für ein paar Stunden zu entfliehen. Doch sie hatte es Reela versprochen. Bis ihre Entscheidung bezüglich des Kindes getroffen war, würde sie nicht trinken. Ihr Geld verdiente sie sich wieder mit Musik. Reela und Jesper berechneten ihr nichts für die Bleibe, doch zumindest für ihre Ernährung wollte sie selbst sorgen. Es tat ihr gut, das Instrument zu spielen und mit geschlossenen Augen den Klängen nachzugehen. Das war aber auch das einzig Positive. Ständig plagte sie die Angst, sie könne Farael über den Weg laufen und was dann? Hinzu kam der Entzug von einer Sucht, die sie zuvor als solche gar nicht wahrgenommen hatte. Nicht zu trinken fiel ihr wirklich am schwersten. Ihr zweites Laster hatte sich zum Glück beruhigt, seit sie bei Reela wohnte und mit ihr schlief. Trotzdem dachte Ana ungern an die ersten Nächte nach ihrem Ausbruch bei Farael zurück. Gerade im Hinblick auf die zärtlichen Nächte, die sie mit ihm verbracht hatte, erfüllte die Erinnerung an die folgenden sie mit Abscheu. Doch was sie auch alles belasten mochte, es war nichts im Vergleich zur der ausstehenden Entscheidung, die erhaben und gnadenlos über allem schwebte. Sie konnte es nicht länger hinausschieben. Noch war der Gedanke, dass etwas in ihr wuchs - dass ein Kind in ihr wuchs - abstrus, aber würde sie nicht bald schon die Rundung ihre Bauches sehen können, die ersten Tritte und das Herzklopfen spüren? Um wie viel schwerer würde ihr die Entscheidung dann fallen? Es musste jetzt sein.



    Mit zitternden Händen gab Ana ein paar Tage später das Pulver in das Glas. Sie folgte den kreisenden Partikeln mit den Augen, rührte, schaute, rührte, schaute. Man hatte ihr versichert es sei unfehlbar, sei schmerzfrei und nach wenigen Stunden würde sie das schwache Leben, das sich in ihr regte in Form von schleimigen Blut ausscheiden, nicht viel anders als bei ihren regelmäßigen Blutungen. Wie hypnotisiert starrte sie das Glas an. Sie war sich sicher. Es musste sein. Sie konnte kaum für sich selbst sorgen. Wie sollte sie ein Neugeborenes über die Runden bringen? Sie hatte nicht einmal ein festes Dach über dem Kopf, denn so freundlich sie auch waren, stand doch fest, dass sie nicht ewig bei Jesper und Reela bleiben konnte. "Du hättest eines haben können", sagte sie sich mit bitterer Stimme. Der Gedanke an Farael schmerzte. Vor ebendiesem Dach war sie weggelaufen. Wie damals. Wie jedes Mal. Und mit welchem Ergebnis? Jetzt konnte sie noch nicht einmal sicher sein, dass das Kind von ihm war. "Natürlich ist es das!", zischte sie so laut, dass sich einige der Insassen zu ihr umdrehten. Ana beugte sich tiefer über den Tresen und warf sich das Haar als Sichtschutz vor das Gesicht. Farael... Es passte von der Zeit und sie hatte sich mit niemanden auf die gleiche Weise vereint wie mit dem Alben. Trotzdem nagten Zweifel an ihr. Doch sei es drum. So oder so durfte er es nicht erfahren. Niemals würde er zulassen, dass sie ihr Vorhaben in die Tat umsetzte, niemals, solange es den kleinsten Funken Hoffnung gab, dass es sein Spross war, der in ihr heran wuchs. Bei der Vorstellung einer Miniversion von Farael wuchs ihr ein Kloß im Hals. Nur mit Mühe rang sie die Bilder nieder. Nicht einen Augenblick zweifelte sie daran, dass er ein guter Vater wäre. Umso mehr an ihren Fähigkeiten als Mutter. Und als treue Gefährtin.
    Es gab keinen Ausweg. Ana streckte die Finger nach dem Getränk aus. Dann - urplötzlich - stieß sie es mit Wucht von der Theke. Das Glas zerschellte auf dem Boden, während sich sein Inhalt und damit Anas gesamtes hart verdientes Geld der letzten Tage auf den Dielen ergoss. Unkontrollierte Schluchzer schüttelten sie und sie ließ sich vom Hocker gleiten. Mehr als ein paar finstere Blicke und etwas Gemurmel begleiteten sie nicht aus der Spelunke. An Orten wie diesen scherte sich niemand um Freud und Leid eines anderen. Ana stolperte hinaus in die Gasse und einige Schritte die Hauswand entlang, bis sie einfach daran hinunterrutschte und die Knie umklammerte. Sie hatte es nicht gekonnt. Sie hatte das kleine Herz, das unter ihrem eigenen zum Leben erwacht war nicht einfach zum Schweigen bringen können. Eine gefühlte Ewigkeit saß sie so da und weinte. Einen zweiten Versuch, das stand fest, würde sie nicht unternehmen.


    Reela fand sie.
    "Ana?" Ihre Stimme klang aufgeregt. "Was hast du getan?"
    Ein schwaches Kopfschüttel war Anas einzige Antwort.
    "Komm her, schon gut." Reela ging neben ihr in die Knie und schloss sie in ihre Arme. "Es war die richtige Entscheidung, glaub mir."
    In ihrer Verzweiflung suchte Ana Reelas Lippen, doch diese wich zurück.
    "Nein, Ana. Du musst aufhören, deine Seelenqualen in Extremen zu ersäufen. Du trinkst und du flüchtest dich in körperliches Empfinden, um dich nicht mit deinen Problemen beschäftigen zu müssen. Merkst du nicht, dass du so niemals zu einer Lösung kommen wirst?"
    "Natürlich tue ich das", entgegnete Ana schwach.
    "Geh zu ihm."
    "Was?"
    "Du hast mich verstanden. Es ist offensichtlich, dass dir etwas an ihm liegt."
    "Er ist einer wie jeder andere."
    "Wir wissen beide, dass das nicht stimmt." Reela strich ihr die Haare aus dem Gesicht. "Wenn du darauf bestehst, dich selbst zu belügen, soll mir das Recht sein. Doch wenn es um micht geht, habe ich ein Wörtchen mitzurenden. Geh zu ihm."
    Ana sparte sich eine Erwiderung. Stattdessen verstärkte sie den Druck ihrer Arme und ließ all ihre Dankbarkeit in die Umarmung mit der kleinen Frau strömen.


    Am nächsten Morgen machte sie sich auf den Weg. Unsicherheit lähmte sie und die körperlichen Beschwerden waren nicht gerade hilfreich. Trotzdem ging sie auf direktem Wege zu Faraels Haus, bevor sie es sich doch noch anders überlegen konnte. Exakt denselben Weg war sie zuletzt mit ihm gemeinsam gegangen. Bevor... Eilig verwarf sie den Gedanken, trat ohne Umschweife an die Tür und klopfte an. Keine Reaktion. Sie klopfte erneut... Nichts. Ana rüttelte an der Tür, spähte durch ein Fenster, ging sogar ums Eck, doch alles wirkte verlassen.
    "Was hast du gedacht? Dass er mit dem roten Teppich auf dich wartet, an einem reich gedeckten Tisch? Blumen in einer Vase?" Wie lang war sie nun fort? Sie wusste es nicht und darüber nachzudenken, strengte sie an. Vermutlich hatte er sie schon vergessen oder ersetzt oder hatte Obenza gar verlassen. Zugleich fühlte sie, dass nichts davon der Fall war. Zwar hatte sie ihn nicht nach ihr suchen sehen, doch sie wusste, dass er es versucht hatte. Und war es nicht so gewesen, dass sie nicht gefunden werden wollte?
    Eine Weile stand sie einfach vor seinem Haus. Zweifel nagten an ihr. War es falsch gewesen, her zu kommen? Die Krämpfe im Bauch begannen erneut und Ana konnte nicht länger stehen. Unentschlossen, was sie sonst tun sollte, trat sie wieder ans Haus heran und setzte sich an Ort und Stelle nieder. Es schien, sie hätte ihr Leben nun endgültig gegen die Wand gefahren. Wen kümmerte es schon, wenn sie hier und jetzt einfach starb? Terry... Ana wünschte, ihr Bruder wäre in der Stadt. Doch sie war auf sich allein gestellt. Noch schlimmer: sie war jetzt alleine für zwei Leben verantwortlich. Mit diesen frustrierenden Gedanken im Kopf erlag sie schließlich der Erschöpfung und fiel in einen traumlosen Schlummer, aus dem sie bei jedem kleinen Geräusch hochschrak. So auch, als Schritte sich dem Haus näherten...

    Whisk(e)y ist flüssiges Sonnenlicht
    ~ George Bernard Shaw ~

  • Ana:
    Träge sah Ana in Faraels Gesicht. Sie hatte sich gefragt, wie sich das Wiedersehen anfühlen würde, ob sie von Freude erfüllt wäre oder am liebsten auf dem Absatz kehrt machen würde, weil die alte Panik wieder in ihr hochkochte. Nichts davon war der Fall. Sie war müde, mehr nicht. "Hallo", flüsterte sie und lächelte matt. "Ich habe geklopft, aber du warst nicht zu Hause." Eine schwachsinnige Anmerkung, doch Ana hatte den Drang ihr Herumlungern zu rechtfertigen. In Faraels Augen las sie Sorge und noch mehr... sie war nicht ganz sicher. Auf jeden Fall hatte er getrunken, sie roch es deutlich in seinem Atem, auch wenn seine Haltung nicht die eines Berauschten war. Ana ließ zu, dass Farael ihr half, auf die Beine zu kommen. Da standen sie nun und musterten sich. Es war nur wenige Wochen her, dass Ana dieses Haus verlassen hatte, doch es kam ihr vor wie eine Ewigkeit. Andererseits schien es ihr, als kenne sie Farael schon viel länger, sodass sich diese Verzerrung gewissermaßen aufhob. "Wie geht es dir?", fragte sie schließlich, um etwas zu sagen. Sie fühlte sich nicht bereit direkt mit dem Grund ihres Erscheinens herauszurücken.


    Farael:
    Die Überraschung war ganz seinerseits. Für Farael blieb es unbegreiflich, Ana vor seinem Haus wiederzusehen und schließlich auch noch in dem Zustand, in dem sie zu diesem Zeitpunkt war. Augenblicklich spürte er, wie er zurückzufallen drohte. Wie sich Sorge um sie in seinen Geist schlich. Die Flamme, welche sie vor einem Monat geschürt hatte, begehrte in ihm auf und wollte ihm jede Vernunft berauben. Doch zugleich wusste er, was es bedeutet hätte, sich diesen Mustern hinzugeben. Stattdessen kämpfte er dagegen an. Ihre Worte schienen belanglos. Sie dienten offenbar dazu, die unangenehme Ruhe zwischen ihnen zu füllen, obwohl die Worte an sich nicht wirklich etwas zur Annehmlichkeit beitrugen. Im Gegenteil. Sie wirkten künstlich. Deswegen schüttelte Farael als Antwort nur mit dem Kopf. Mit steinerner Miene griff er nach ihrer Hand. Sie fühlte sich so eiskalte wie ihre Wange an. Was hatte sie bloß getrieben? Und warum sah sie so fertig aus? Fragen, denen Farael auf den Grund gehen wollte. Erst wenn er die Wahrheit kannte, wollte er entscheiden, was weiter geschieht. Doch vorerst konnte er nicht anders, als die Norkara an der Hand in sein Haus zu führen und sie zu seinem Sessel zu geleiten, damit sie es sich bequem machen konnte. Nebenbei entfachte er ein wärmendes Feuer im Kamin, setzte Tee auf und reichte Ana eine Decke. Dabei sprach er nicht. Gab keinen Laut von sich. Und auch wenn Ana etwas sagte, so antwortete er nicht. Noch wollte er nicht. Zuerst wollte er, dass die Ruhe zwischen ihnen einkehrt. Als schließlich der Tee fertig war, füllte er diesen in zwei Tassen ab, süßte ihn mit Honig und reichte eine Portion des Getränkes Ana. Darauf setzte er sich ihr gegenüber und durchbrach die Stille, die er die letzten Minuten rigoros aufrechterhalten hatte: „Du siehst echt beschissen aus Ana, weißt du das?“ Mit seinem Blick tastete er ihren Körper ab, ihre Gesichtszüge, untersuchte sie auf Verletzungen. Doch zugleich wärmte der dennoch kränkliche Anblick sein Herz. „Du siehst so beschissen aus und bist dennoch die schönste Frau, die ich je gesehen habe. Wie machst du das?“, entfuhr es ihm. Dabei war es ihm egal, ob die Worte unüberlegt waren oder nicht.


    Ana:
    Betreten folgte Ana Farael ins Haus. Vermutlich war es sein gutes Recht ihr nicht zu antworten. Ebenso schnell und grundlos wie sie verschwunden war, war sie nun wiederaufgetaucht. Ana stellte ein wenig überrascht fest, dass ihr dieser Gedanke erst jetzt kam. Vielleicht besser so... andernfalls wäre sie möglicherweise gar nicht gekommen. "Danke", flüsterte sie, nahm die Decke entgegen und hüllte sich augenblicklich darin ein. Wärme... "Es ist ganz schön kalt heute." Die Worte verpufften in der Luft wie der Dampf, der von dem erhitzten Wasser aufstieg. War Farael zornig? Ana war unsicher. Er wirkte angespannt, doch er hatte sie mit hineingenommen und er kochte ihr Tee, den sie dankend annahm. Mit geschlossenen Augen atmete sie den Duft des heißen Getränks ein und genoss die Wärme der Tasse an ihren Händen. "Hm?", horchte sie auf und sah, wie Farael sie musterte. Bei seinen nächsten Worten zog sich ihr Innerstes zusammen. In diesem Moment erwachten all die Gefühle zum Leben. Die warme Zuneigung, die sie mit ihm geteilt hatte ebenso wie die Qual der letzten Wochen und all das gepaart mit furchtbaren Schuldgefühlen. Tränen schossen ihr in die Augen und eilig sah sie weg. Ihr Blick fiel auf die Kommode und da erblickte sie ihre Kleidung, offenbar gewaschen und ordentlich zusammengelegt. Das war zu viel für Ana. "Es tut mir so leid", presste sie noch hervor, dann konnte sie die Tränen nicht länger zurückhalten.


    Farael:
    Ein leises Seufzen entglitt Faraels Kehle. Innerlich zog sich alles zusammen, als er Ana weinen sah. Sie wirkte nicht wie eine Frau, die einfach weglief. Zumindest nicht in diesem Moment. Jeder Blick, den er in ihre Augen erhaschen konnte, war gefüllt mit Schuld und Reue. Jede ihrer Bewegungen wirkte unsicher und doch saß sie vor ihm. Trotz ihrer Tränen voller Stärke. Sie war wieder zurück und wer weiß, was sie durch gemacht oder sich dabei gedacht hatte. Dennoch konnte er sie nicht einfach mit offenen Armen empfangen und so tun, als ob nie etwas gewesen wäre. Jeden seiner Instinkte kämpfte er nieder. Farael durfte nicht einfach aufstehen und sie trösten. Ana wusste ganz offensichtlich, welchen Fehler sie begangen hatte und dennoch war sie ihm eine Erklärung schuldig. „Beruhige dich. Ich bin nicht hier, um über dich zu urteilen“, meinte Farael schließlich ruhig, jedoch eindringlich. Er wollte nicht, dass Ana dachte, sie würde in einem Verhör sitzen. Noch weniger sollte sie sich unwohl fühlen. Zwischen Härte und Liebe entstand ein Konflikt, den Farael kaum begreifen konnte. Sollte er ihr nicht doch einfach helfen und ihr verzeihen? Oder wäre es besser, sie für sich allein zu lassen, damit sie begreifen konnte, was sie angestellt hatte? Nebenbei nahm er einen Schluck seines Tees, wobei er für einen Moment die Augen schloss und sich zurücklehnte. Was sollte er nur tun? Seicht schüttelte er mit dem Kopf. Er war ein absoluter Idiot. „Wenn du willst, komm her zu mir. Und bring die Decke mit“, sprach er schließlich in einem ernsten Ton, doch den Hauch des Liebevollen konnte er nicht verbergen. Sachte stellte Farael seinen Tee auf den Tisch ab, setzte sich gerade auf und blickte Ana ruhig an. Dabei hielt er seine Arme offen. Entgegen seiner ersten Gedanken sollte Ana darin Zuflucht finden, auch wenn sie ihm weiterhin Rechenschaft schuldig war.

    Ana:

    Das Auf und Ab der Gefühle, das sie die letzten Wochen schon begleitet hatte und das, wie sie nun wusste, in der Schwangerschaft begründet lag, leistete auch nun wieder volle Arbeit. Niemals hätte Ana sonst vor jemandem geweint, nicht auf diese Weise. Doch sie konnte nichts dagegen tun, saß regungslos da, ihren Emotionen erlegen. Eine entsetzlich lange Zeit passierte nichts. Ana fühlte sich allein und bloßgestellt, brachte aber auch kein weiteres Wort über die Lippen und schaffte es nicht, auf Farael zuzugehen, der recht reserviert wirkte. Dann brach er denn Bann. Ana sah auf, erkannte Wärme in seinem Blick, doch auch, dass er mit sich rang. Langsam stand sie auf und ging wie ein kleines Kind mit der Decke in der einen, der Tasse in der anderen Hand auf ihn zu. Sie ließ sich in seine Umarmung sinken, legte den Kopf auf seiner Schulter ab und hoffte inständig, die Tränen würden versiegen. Schließlich fühlte sie sich gesetzt genug, um zu sprechen. "Ich hätte niemals weglaufen sollen... wenn ich gewusst hätte...", sie brach ab und schluckte schwer. "Tut mir leid", wiederholte sie, "ich habe Panik gekriegt... ich..." Die Worte verließen sie und sie besann sich ganz auf die Wärme, die Faraels Körper ausstrahlte und auf den festen Halt, den er bot.

    Farael:

    Als sich Ana erhob, spürte Farael, wie sein Herz für einen kurzen Augenblick aussetzte. Hatte er es wirklich gewollt oder sprach nur das tiefe Gefühl, welches er für Ana empfand? Verdammt, er hatte sich ihretwegen vor einer Stunde noch betrunken und nun hatte er sie wieder in seine Arme eingeladen. Ein weiteres Mal wurde er belehrt, dass Ana die erste Frau in seinem Leben war, die ihn zugleich verletzen und bezaubern konnte. Nicht einmal die schönste Liebschaft konnte es mit der Zuneigung aufnehmen, die er mit Ana teilte. Dieses Gefühl wurde nur noch weiter verstärkt, als er ihren zarten Körper auf seinem Schoß spürte. Wie sie ihren Leib an seinen presste, ihren Kopf an seiner Schulter versankt und sich scheinbar in seiner Umarmung entspannte, gar beruhigte – in dieser Handlung lag der Zauber inne, mit dem sie ihn belegt hatte. Behutsam zog er sie so weiter zu sich. Ein unbändiger Wunsch in ihm keimte auf, ihren kalten Körper zu wärmen, die Sorgen aus ihrem Kopf zu vertreiben. So legte er seine Arme um sie, griff die Decke die mitgebracht hatte, um sie schließlich über sie und sich zu ziehen. Nur ihre Köpfe ragten aus dem warmen Geflecht heraus. Ana Tee nahm Farael ihr ab, um ihn auf den Tisch zu stellen. Stattdessen wollte er sie so nah bei sich wissen, wie es überhaupt nur möglich war. Ihre Atmung und Herzschlag spüren. Er wollte, dass sie lebte. So lehnte er seinen Kopf gegen ihren. Sanft wog er sie in seiner Umarmung. Auch wenn sein Gesicht weder ein Lächeln noch Freude ausstrahlte, beruhigte ihn allein der Gedanke, dass Ana nun wieder sicher war. „Wir alle machen Fehler. Manchmal wiederholen wir sie. Wichtig ist, dass du dich beruhigst und entspannst. Doch ich möchte, dass du mir ehrlich und aufrichtig erzählst, was passiert ist. Wenn du mir nicht vertraust, kann ich dir nicht vertrauen.“


    Ana:
    Es tat gut. Die Wärme, die Nähe, der Halt, es tat einfach gut. Warum konnte es das nicht immer? Oder eher: Warum konnte sie nicht zulassen, dass es das immer tat? Ana wusste aber auch, dass sie diesem Moment nicht anhaften konnten. Erklärungen mussten her. "Ich bin davongelaufen, im wahrsten Sinne des Wortes", setzte sie mühsam an. "Bindungen jagen mir Angst ein, darüber haben wir ja schon gesprochen. Es sind alte Muster, denen ich zu entfliehen versuche und gerade dadurch immer und immer wieder hinein gerate..." Sie pausierte einen Moment und legte sich die Worte zurecht. "Also habe ich getan, was ich immer tue - ich habe mich in den Exzess gestürzt, um nicht mehr nachdenken zu müssen, um nicht länger vergangene Entscheidungen abzuwägen. Aber diese Mal ging es nicht. Ich kam nicht los von den Grübeleien und außerdem... ging es mir nicht gut. Ich war krank." Ana wusste nicht, warum sie nicht direkt mit der Sprache rausrückte, doch wann immer sie die Worte aussprechen wollte, war es, als wüchse ihr ein riesiger Kloß im Hals und ließ es nicht zu. "Eine Wirtin half mir und schließlich kam ich bei einer... Bekannten unter." Wieder hielt sie inne. Nun war es an der Zeit zu erklären, warum sie zurückgekommen war. Allerdings... wie mochte das auf Farael wirken? Sie kam nur zurück, weil sie ein Kind von ihm erwartete und es nicht alleine großziehen konnte? War das der einzige Grund? Nein... oder doch? Die Gedanken begannen wieder wild zu kreisen und schnürten Ana die Luft ab, sodass sie nicht weitersprechen konnte.


    Farael:
    Etwas stimmte nicht. Farael spürte es. Es versteckte sich mehr in ihren Worten, als sie zugeben wollte und doch konnte er es nicht genau herauskristallisieren, was es war. Letzten Endes wollte er Ana nicht zu einer Antwort zwingen, jedoch wollte er nicht auf seine Forderung verzichten. Dennoch wäre es mehr als schlecht gewesen, wäre er mit der Tür ins Haus gefallen. Einfach nur zu verlangen, so war es ihm bewusst, wäre der sichere Weg für den Keil zwischen ihnen gewesen. Stattdessen hörte er geduldig ihren Worten zu. Dabei wog er Ana weiterhin, streichelte sanft mit seiner Hand durch ihr Haar und gab ihr jede Möglichkeit, um sich zu fangen. Ihre Beschreibungen der vier Wochen wiegelte die Sorge Faraels trotzdem auf. Sie sprach von Exzessen, von Krankheit und einer Bekannten. Farael wusste, dass sie auch auf Frauen stand. Ob sie ihn betrogen hatte? Als ihm dieser Gedanke gekommen war, zog sich abermals alles in ihm zusammen. Trotz dessen, dass dem Gedanken jede Logik fehlte. Wie sollte sie ihn betrügen, wenn sie kaum als ein Paar hätten bezeichnet werden können. Darauf wollte er sich nicht stürzen. Seine Eifersucht war unfair und obendrein unangebracht. Damit wollte er sie nicht konfrontieren. Also schluckte er dieses Gefühl herunter und konzentrierte sich auf die anderen Aspekte. „Du warst krank?“, hakte er nach. „Ich meine, du siehst noch immer kränklich aus. Geht es dir denn besser?“


    Ana:
    Und nun? Was sollte sie sagen? Es war ein Teufelskreis. Zum einen konnte Ana es nicht aussprechen, hatte sogar schon überlegt, es einfach nicht zu tun, zum anderen merkte sie, wie es mit jeder Minute, die verstrich merkwürdiger werden würde, wenn es herauskäme und das würde es bestimmt früher oder später. Sofern sie nicht für immer die Stadt verließ, fügte sie halb im Scherz in Gedanken hinzu. "Mir geht es ein wenig besser. Es hilft, die Ursache zu kennen." Ana löste sich ein wenig, damit sie Farael in die Augen sehen konnte. Ihr Herzschlag beschleunigte sich und das Blut dröhnte ihr in den Ohren. Sie begann sogar zu schwitzen, so aufgeregt war sie. "Farael", begann sie, hielt aber noch einmal furchtsam inne. Gleichzeitig spürte sie, dass dies der richtige Augenblick war. Wenn sie es jetzt nicht sagte, würde sie den Mut nicht wiederfinden. "Ich bekomme ein Kind von dir." Tatsächlich war es das erste Mal, dass sie die Worte auf diese Weise aussprach. Auch vor Reela und vor sich selbst hatte sie es nie so ausgedrückt. Auf einmal breitete sich ein warmes Gefühl in ihrem Bauch aus. Sie trug ein junges Leben in sich! War das nicht ein Wunder? Ein überraschtes Lachen entfuhr ihr und sie nahm die Hand vor den Mund. Es war das allererste Mal, dass sie Freude darüber empfand.


    Farael:
    Zu aller erst beruhigte sich Faraels Sorge, als er hörte, dass es Ana besser ging und sie auch die Ursache für die Krankheit kannte. Umso besser konnte man diese behandeln und nach ihrer Aussage musste sie das getan haben. Deshalb war er auch froh. Schließlich lag sie ihm doch am Herzen. Auch wenn er es am Anfang am liebsten weggeschoben hätte. So schnell wie die Erleichterung gekommen war, wich sie plötzliches Unbehagen. Ana setzte sich plötzlich auf, blickte Farael direkt in die Augen und der Blick war ernster, als er es bei ihr jemals gesehen hatte. Sie wirkte trotz des Ernster, der in ihren Zügen ruhte, äußerst nervös. Ihr ganzer Körper schien zu zittern und auch ihre Atmung hatte sich beschleunigt. Was kam jetzt? Sie sprach seinen Namen aus. Die Zeit stand still. Irgendeine Hiobsbotschaft stand bevor. Die Sekunden vergingen in quälender Ewigkeit. Die Nerven Faraels wurden bis aufs Zerreißen gespannt. Dann sagte Ana einen Satz, der das komplette Leben Faraels auf den Kopf stellen sollte. Augenblicklich entglitten ihm alle Gesichtszüge. „Ähm … ich …“, stammelte er hervor. Sein Kopf war plötzlich eine gähnende Leere, in der diese Nachricht widerhallte. Farael ahnte, dass dies nicht der Grund gewesen sein konnte, dass sie geflohen war. Die Leere wurde schließlich von einer Flut unterschiedlichster Gedanken heimgesucht. Doch eines blieb gewiss: Er hielt Ana weiterhin so liebevoll, wie er sie in seiner Umarmung empfangen hatte. „Das ist … ähm …“ Irritiert schüttelte Farael mit dem Kopf. Ein Kind? Von ihm? Wie konnte das denn passieren?! Doch schnell kamen ihm die Erinnerungen ihrer letzten gemeinsamen Nacht zurück. Behutsam zog er einer seiner Hände zurück. Die Freude die Ana gerade eben ausgedrückt hatte, fühlte sich seltsam zusammen. Fast wie von allein glitt seine Hand hinab, zum Saum ihres Oberteils, ehe sie sich einen Weg zu Anas Bauch bahnte. Dort ließ er schließlich seine Handfläche ruhen. Darunter spürte er ihren mittlerweile warmen Körper. „Ich … ähm … ich will nicht undankbar klingen, oder … oder dir nicht glauben. Doch … bist du dir ganz sicher, dass ich der Vater bin?“ Innerlich wusste er es. Er spürte es. Es konnte nicht anders sein. Ihre gemeinsame Vereinigung war so voller Zuneigung und Hingabe gewesen, dass dabei ein Kind entstehen musste. Ardemia hatte es sicherlich gewollt.


    Ana:
    Erst als sie Faraels verdatterten Gesichtsausdruck und sein Wringen um Worte sah, wurde Ana bewusst, wie ungeheuerlich diese Nachricht eigentlich war. Sie ließ ihm die Zeit, die er brauchte, war selbst recht dankbar für den Moment, sich zu sammeln. Immerhin war es nicht selbstverständlich, dass sie diese Neuigkeit überhaupt überbringen konnte oder hätte sie das kleine Leben nicht erst tags zuvor beinahe ausgelöscht? Das durfte er nicht erfahren. Was würde er von ihr halten? Faraels Geste riss sie aus ihren Gedanken und sie schmunzelte. Dann stellte er die unvermeidliche Frage und das Lächeln verblasste. Ana war hin und hergerissen. Sie war verletzt, dass er im Prinzip davon ausging, dass sie andere Männer gehabt hatte, im selben Augenblick war sie beschämt und wütend auf sich selbst, dass sie so denken konnte, wo er doch mehr als Recht hatte, das zu hinterfragen. Auch ärgerte sich, dass ihr das Entsetzen wohl ins Gesicht geschrieben stand, wo sie doch hätte positive Zuversicht ausstrahlen sollen. "Ich bin mir sicher", sagte sie trotzdem, konnte damit aber nicht alle Zweifel aus seinem Gesicht wischen. Er wusste es. Er wusste, dass sie ihn gewissermaßen betrogen hatte. Ana flehte, er möge ihr glauben, dass es sein Spross war, der in ihr wuchs.


    Farael:
    Die Stille hing über sie, während Farael auf seine Antwort wartete. Selbstverständlich war seine Frage ungeheuerlich, er wusste es und konnte die Auswirkung seiner Worte an ihrem schwindenden Lächeln erkennen. Letzten Endes wollte er nur Gewissheit. Doch ob er sich allein auf ihre Worte verlassen konnte? Wieder drang sich die Angst, aber auch die Zweifel auf. Noch immer wollte er sie nicht verletzen. Farael wollte nur die Wahrheit erfahren. Es war sein gutes Recht. Wer wollte schon ein Kind großziehen, welches nicht von ihm stammt? Bei seiner Geschichte konnte so ziemlich jede hübsche Frau vor seiner Tür stehen und behaupten, dass er mit ihr ein Kind gezeugt hätte. Und auch wenn Ana eine unsichere Frau ist, die weglief und ihn zurückließ, konnte er ihr das nicht zutrauen. Ihre nächsten Worte, die seine Frage positiv beantwortete, untermalten seine Gedanken gekonnt. Ana konnte nicht lügen. Ihr aufrichtiger Blick, trotz ihrer Schwäche, stärkte seine Gedanken zu ihr. Wenn er sich vorstellte, wie er kurz zuvor noch über sie gedacht hatte, wirkte der Moment nahezu unwirklich. Seine Hände behielt er dennoch an ihrem Körper. Mit der Rechten begann er nun, zart ihren Bauch zu streicheln, während die Linke sie sanft zu ihm zog. Genau in einen liebevollen Kuss hinein, der nicht lang währte, doch als Antwort auf ihre Erwiderung reichen sollte. Trotzdem explodierte sein Herz, als sich ihre Lippen trafen. Es fühlte sich so richtig an, auch wenn Ana ihm so viele Schmerzen und den Kummer bereitet hatte. Ihre zarten Lippen waren Entschädigung und Belohnung zugleich. Auch wenn er noch nichts mit der Situation anzufangen wusste, so wollte er sich zumindest einen Anteil einfordern. Und dies war Ana selbst. Als sie sich schließlich voneinander lösten, war der steinerne Gesichtsausdruck Faraels zu einem warmen Lächeln geworden. „Ich möchte, dass du hierbleibst. Bei mir. In Sicherheit. Mit unserem Kind“, sagte er sanft, aber bestimmend. „Auch wenn ich es nicht fassen kann, welches Wunder soeben durch meine Tür gekommen ist, und ich bei Weitem dafür nicht bereit bin, muss ich dennoch die Verantwortung dafür übernehmen. Du auch.“ Farael biss sich auf seine Unterlippe. Sollte er es ihr sagen? Vermutlich hatte sie es zu diesem Zeitpunkt schon geahnt. „Auch wenn wir uns nur ein paar Tage kennen. Also, tatsächlich ein paar Tage. So muss ich…“ Augenblicklich spürte Farael, wie die Hitze in seinen Kopf schoss. „Ich liebe dich Ana. Du bist einzigartig.“ Kurz schüttelte er den Kopf. „Das … das muss jetzt nicht heißen, dass du es erwidern musst! Einfach nur … dass du es weißt. Bleibe hier. Bei mir. Und wenn es nicht für mich ist, dann für unser Kind.“ Plötzlich wich er mit seinem Blick aus. Abermals stotterte er etwas hervor: „Ich … ich meine … du bist die Erste, für die ich sowas empfinde. Naja, jetzt wanderst du mit unserem Spross in dir durch meine Tür. Das ist einfach unglaublich. Habe ich dir eigentlich schon einmal gesagt, wie schön du eigentlich bist?“ Ein unsicheres Lachen ertönte aus Faraels Mund, wobei er schließlich unschuldig mit den Schultern zuckte und lächelte.


    Ana:
    Farael ging nicht weiter darauf ein und Ana fielen mehrere Steine vom Herzen. Verdiente sie eine derart gute Behandlung überhaupt? Sei es drum... das war momentan nicht wichtig. Noch immer lag Faraels Hand auf ihrem Bauch. Sie versuchte sich vorzustellen, was wohl in ihm vorging. Noch war äußerlich nichts zu erkennen, doch allein die Vorstellung, dass sich unter seiner Hand etwas regte, war nicht von dieser Welt. Irgendwo verbargen sich all die Zweifel, doch im Hier und Jetzt konnte Ana sich entspannen und sich über Faraels Reaktion freuen. Auch als er ihr seine Gefühle gestand, warf sie das nicht aus der Bahn. Sie nickte sanft und lächelte. "Das werde ich, wenn du mich erneut in deinem Heim willkommen heißen möchtest. Und was den Rest betrifft... ich mag dich wirklich gerne, mehr kann und möchte ich jetzt nicht sagen." Stattdessen strich sie ihm über die Wange und küsste ihn wieder. Vor Jahren hatte sie sich geschworen, die Wörter "ich liebe dich" nie wieder in den Mund zu nehmen. Dass Farael es nicht einforderte, rechnete sie ihm hoch an. Um ihm trotzdem etwas zurückzugeben, versuchte sie ihre Zuneigung in den Kuss zu packen. Sie wollte ihn nicht kränken und ihm auch nicht weh tun, falls sie das durch ihr Verschwinden nicht schon hatte. Langsam löste sie sich von ihm. "Ich weiß, das hört ihr Männer nicht gern", schmunzelte sie, "aber du bist ganz schön goldig." Sie wuselte ihm durch das Haar, wie er es immer so gerne bei ihr getan hatte.


    Farael:
    Mit dem größten Genuss ließ sich Farael in den Kuss ziehen, wobei er augenblicklich die Lider schloss. In jeder einzelnen Bewegung spürte er die Zuneigung Anas, welche er zu keinem Moment anzweifelte. Zwar waren ihre ausweichenden Worte auf sein Geständnis schwierig zu begreifen, schließlich hatte er diese Worte das erste Mal in seinem Leben zu einer Frau gesagt. Doch ahnte er, wieso sie es nicht erwidern konnte oder wollte.


    Also genoss Farael in vollen Zügen die Zuneigung des Kusses, in Verbindung mit ihrer liebevollen Leidenschaft. Selbst als sie sich wieder voneinander lösten, schmeckte er weiterhin ihre Lippen und die elektrisierende Wirkung dieser Geste verblieb auf seinen eigenen. Immer mehr wurde ihm bewusst, dass er Ana nicht böse gesinnt war. Vor allem, weil sie nun seinen Spross in ihrem Bauch trug. Ein Fakt, der für Farael noch immer schwer zu begreifen oder gar zu verstehen war. Innerlich sagte er sich vorher, dass der wahre Schock und die damit verbundene Flut an Sorgen noch einsetzen sollte. Momentan lebte er aber im Augenblick. Für ihn war das alles, was tatsächlich zählte.


    Drum brachte der Kommentar Anas ihn auch zum Lachen, zumal sie ihm mit ihrer Geste seine früheren Vergehen zurückzahlte. „Ach, aus dem richtigen Mund gesprochen, kann man auch mal eine Ausnahme machen“, grinste er sie frech an, worauf er zwinkerte. Seine Hände nahm er nun schlichtweg auf ihre Hüften. Dabei konnte er seinen Blick nicht von dem ihren fernhalten. Trotz ihrer gemeinsamen Zweisamkeit und der Freude über das Wiedersehen, sah er Ana die Erschöpfung der letzten Tage, sowie ihren geschwächten Zustand an. Auch er wurde allmählich müde. Dennoch wollte er wach bleiben. In einer Ecke seines Raumes waren einige gerettete Dokumente aus dem Söldnerlager, die er durchgehen wollte.


    „Du siehst wirklich fertig aus, weißt du das?“, fragte er ein weiteres Mal, auch wenn er keine Antwort darauf erwartete. Prüfend tastete Farael das Gesicht Anas mit seinen Augen ab. Behutsam hob er seine Rechte, wischte einige Haarsträhnen, welche ihr ins Gesicht hingen, beiseite, worauf er ihre Wange streichelte. „Wie wäre es, wenn du dich ein wenig ausruhst. Du kannst es dir im Bett schon einmal gemütlich machen, ich habe noch ein wenig zu tun. Falls du etwas Frisches davor anziehen magst, liegen deine sauberen Sachen auf der Kommode“, sein Blick richtete sich auf ihren Oberkörper, „oder in der Kommode sind ein paar meiner sauberen Hemden.“ Den letzten Teil seiner Aussage quittierte er mit einem breiten Grinsen. Ana konnte offenbar mit allem bei ihm durchkommen und je länger sie in seiner Nähe war, desto bewusster wurde ihm das.


    Ana:
    "Danke für das Kompliment", feixte Ana, obwohl er natürlich Recht hatte und ihr jede Sehne, jeder Muskel schmerzte. Die Erschöpfung hatte aber auch etwas Gutes: sie betäubte den Strudel ihrer Gedanken. Die Ereignisse der letzten Tage und Stunden waren noch lange nicht aufgearbeitet, das wusste sie. Ein wenig kam es ihr vor wie die Ruhe vor dem Sturm. Irgendwann musste doch der Schock einsetzen, dass sie beinahe ein frühes Leben genommen hätte, die Zweifel, ob es richtig gewesen war, zu Farael zu gehen, vielleicht auch schlechtes Gewissen... Ob Farael der Fels in der Brandung sein könnte, wenn es so weit war? Sie verlangte unausgesprochen so viel von ihm... Mehr als ein dankbares Lächeln brachte sie bei dieser Erkenntnis und seinem Angebot der frischen Kleidung trotzdem nicht zustande. "Tut mir leid wegen diesem...", sagte sie und deutete auf das verdreckte Hemd. "Ich kann es morgen waschen." Sie zog es sich über den Kopf. Für Scham war es nun wirklich zu spät. Mit entblößtem Oberkörper ging sie zur Kommode und strich über die akurat eingeräumten Hemden, suchte sich eines aus und zog es über. Dann entledigte sie sich ihrer Hose und begab sich zum Bett.


    Farael:
    Mehr als ein Abwinken war das schmutzige Hemd für Farael nicht wert. Letzten Endes war es nur Schmutz, den man herauswaschen konnte, womit die Sache auch erledigt war. Ihm kam der Gedanke, dass es viel schöner war, dass sie das Hemd überhaupt anbehalten hatte. Doch mit diesem, für ihn kitschigem, Gedanken, wollte er sich erst einmal zurückhalten. Ana hatte eine klare Linie gezogen und einen klaren Standpunkt bezogen. Zudem war sie erschöpft, was Farael selbstverständlich sehen und spüren konnte. Vor ein paar Minuten hatte er noch Angst gehabt, dass sie ihm erfrieren würde, so kalt wie sich ihre Haut angefühlt hatte.


    Was ihm wiederum mehr überraschte, war das Entblößen Anas noch auf seinem Schoß. Sie machte sich offenbar keine Gedanken mehr darum. Entgegen jeder seiner Erwartungen kroch aber keine Lust in ihm hoch. Im Gegenteil. Sein Bauch füllte sich vielleicht mit Wärme, aber war es doch mehr das erneute Vertrauen, welches Ana Farael entgegenbrachte. Er nahm seine Hände von ihr und ließ sie sich erheben. Sein Blick folgte ihr, schon rein aus dem Verlangen zu wissen, welches Hemd sie greifen wollte. Wobei die Antwort auf diese Frage ihm ein Grinsen auf die Lippen zauberte.


    Während sich Ana umkleidete, erhob sich auch Farael, wobei er sein Schwert und die Rüstung ablegte. Diese Dinge verstaute an ihre angestammten Plätze, wobei sich Ana zeitgleich unter der Decke verkroch. Behutsam setzte er sich auf die Bettkante und schaute mit einem warmen Lächeln auf sie herab. Mit seiner Rechten griff er einer ihre Hände. "Ruhe dich aus und schlafe gut. Ich würde mich dann nachher zu dir legen. Ist das in Ordnung?" Sanft ließ er seinen Daumen über ihren Handrücken streicheln, während er seine Worte sprach. Ihm war klar, dass er Ana viele Freiheiten geben und sie dennoch an sich binden musste, damit so ein Debakel nicht noch einmal passierte.


    Ana:
    Wie gut tat es in einem bequemen Bett zu liegen! Hätte Ana an Götter geglaubt, hätte sie ihnen dafür gedankt. Die Decke umschmiegte ihre nackten Beine und ihr Kopf sank angenehm in das Kissen. Ausruhen war wirklich dringend nötig.
    "Wenn du Platz findest... ich mache gern den Seestern." Um ihre Worte zu unterstreichen, streckte Ana alle viere von sich und grinste. Tatsächlich hatte sich schon der ein oder andere Bettgenosse über ihren Platzbedarf beschwert. Farael nicht, fiel ihr in diesem Moment auf und als sei es eine Neuigkeit, war sie erstaunt festzustellen, dass sie hier schon mehr als einmal geschlafen hatte. War das ein gutes oder ein schlechtes Zeichen? Sie ließ den Blick durch den kleinen Raum schweifen. Könnte sie sich hier zu Hause fühlen? Warum eigentlich nicht? Es war ein schönes Haus und Farael war ordentlich und sauber und er kümmerte sich liebevoll um sie. Warum fiel es ihr so unfassbar schwer, die Sache einfach locker anzugehen? Sie seufzte. Farael saß noch immer bei ihr. "Musst du noch viel machen?", fragte sie ihn schon etwas schläfrig. Sie hatte gar nicht nachgefragt, wie es um Faraels Arbeit stand. Vielleicht hatte er einen neuen Auftrag oder es war mit dem Söldnerlager bergauf gegangen. Auch dieser Gedanke versetzte ihr einen Stich. Sie hatte versprochen zu helfen und war nach dem ersten Arbeitstag schon verschwunden. Zeit zu schlafen, dachte sie. Schlafen und die Gedanken endgültig ausschalten.


    Farael:
    Wieder einmal brachte Ana Farael zum Grinsen, als sie sich selbst als Seestern bezeichnete. Dabei dachte er für einen kurzen Moment darüber nach, ob dies tatsächlich der Wahrheit entsprach. Wirklich mitbekommen hatte er es nicht, aber als er darüber nachdachte merkte er, wie breit sie sich für diesen schlanken Körper gern machte. Wenn er es genau bedachte, würde sie locker in die kleinsten Ritzen passen. Der innere Anführer in ihm meinte anschließend, dass sie mit der richtigen Ausbildung sicherlich eine gute Spionin wäre. Doch diese Art von Gedanken vertrieb er schnell wieder aus seinem Kopf. Niemals hätte Farael zugelassen, dass sich Ana in diesem Augenblick in Gefahr begab. Sie musste schließlich für zwei Leben sorgen, nicht nur für sich selbst.
    Statt sich also weiter mit diesem Gedanken zu beschäftigen, zupfte Farael die Decke über Ana zurecht, ehe er ihr in die Augen blickte. „Nur ein paar alte Dokumente durchgehen, die noch von der alten Verwaltung des Söldnerlagers stammen. Nichts Besonders und sollte auch nicht zu viel Zeit beanspruchen“, erzählte er lächelnd, doch Ana war in diesem Moment bereits weggenickt. Ihre Brust hob und senkte sich in einem langsamen Rhythmus. Farael konnte ihr förmlich ansehen, wie sie immer tiefer in ihren Schlaf entglitt. Dabei wollte er sie auch nicht weiter stören, weshalb er sich vorsichtig von dem Bett erhob, eine Ledertasche neben der Kommode griff und mit dieser zum Tisch nahe dem brennenden Kamin ging. Leise zog er sich den Stuhl zurecht, wie er ihn braucht, ehe die Tasche auf dem Tisch entleerte. Zum Vorschein kamen zahlreiche Dokumente, die von den Flammen unversehrt geblieben waren und das Interesse Faraels erweckt hatten.
    Anfangs sortierte er sie nach seiner groben Einschätzung, in welche Kategorie sie gehörten. Finanzen, Pläne, Berichte von und über Söldner. Aber auch ein Register freier Söldner, die sich in Obenza aufhielten und sich ohne Festanstellung regelmäßig an Aufträgen bediente. Das wohl interessanteste Stück der gesamten Sammlung. Fraglich blieb darauf nur, ob er diese Söldner finden konnte. Einige von ihnen waren sicherlich gewillt, an einem wachsenden Lager teilzuhaben – inklusive der Beute.


    So vergingen Minuten wie im Fluge. Hin und wieder wagte Farael einen Blick auf Ana, die sich bewegte, mal etwas im Schlaf murmelte und auch die komplette Fläche des Bettes auf eine Art ausnutzte, die selbst Farael noch nie gesehen hatte. „Ja, ein Seestern, in der Tat“, murmelte er vor sich, ohne dass er das breite Grinsen hatte weglassen können.
    Seine eigenen Augen wurden mittlerweile trüge und die Konzentration ließ nach. Es war spät und bei einem Blick aus dem Fenster verriet der Stand des Mondes, dass es Mitternacht war. Ein herzhaftes Gähnen entfuhr Farael, während er sich aufrichtete und streckte. Seine Glieder waren vom krummen Sitzen steif geworden. Er brauchte dringend einen besseren Stuhl, vielleicht gar einen Schreibtisch. Bei dieser Idee blickte er auf und tastete mit seinem Blick sein Haus ab. Viel Platz für eine solche Anschaffung war nicht, geschweige denn das Geld um sich diese leisten zu können. Gerade noch fiel sein Blick auf einem tatsächlich geräumigen Platz unter dem Fenster, welches auf die Straße gerichtet war.


    Plötzlich erkannte er durch das Glas ein paar Augen, die unter einer dunklen Kapuze hervorblitzten!


    Die Person schien zu erkennen, dass Farael sie gesehen hatte. Ruckartig zog sie sich vom Fenster weg und verschwand nach rechts. Darauf konnte Farael nur einen Instinkt reagieren lassen. Auch wenn er nicht lautlos war, so bemühte er sich, so leise wie möglich zu seinem Schwert zu hasten, darauf zur Tür und diese mit einem Ruck aufzuziehen. Noch in der selben Bewegung zog er sein Schwert. Hastige Schritten hallten in der Entfernung von den Wänden ab. An einer der weiter entfernten Häuser erspähte Farael einen Umhang, der im Wind um eine Ecke verschwand. Kurz darauf erstarben die Schritte. Farael wusste, dass es keinen Sinn ergeben hätte, diese Person zu verfolgen. Der Vorsprung war viel zu groß. Auch wenn ihm die Situation gar nicht gefiel, hatte er keine andere Wahl gehabt. Stattdessen sammelte er seine in der Hast weggeworfene Schwertscheide wieder ein, verstaute sein Schwert darin und ging schließlich zurück ins Haus. Hinter sich schloss und verriegelte er die Tür.
    Kaum hatte Farael sein Schwert an den angestammten Platz gestellt, verwunderte es ihn umso mehr, dass Ana bei dem Tumult nicht wachgeworden war. Noch immer lag sie da, vor sich hin murmelnd und in Seelenruhe, als ob nie etwas passiert wäre. Doch zugleich stieg ein kalter Schauer in Faraels Rücken. Eine solche Begegnung konnte er ganz und gar nicht gebrauchen. Doch vorerst konnte er nicht daran ändern. Dennoch nahm er sich am nächsten Tag vor, die Nachbarn zu fragen. Vielleicht hatte jemand von diesen etwas gesehen.


    Doch nun galt es, sich der Müdigkeit hinzugeben, die ihn zuvor gepackte hatte. Allerdings nicht ohne zuvor die Vorhänge zuzuziehen und noch einmal die Tür zu überprüfen. Nachdem dieser geringe Schutz stand, konnte sich Farael immerhin beruhigen. Erst in diesem Moment merkte er, wie schnell sein Herz schlug und es einen langsameren Rhythmus anstrebte. Farael atmete noch einmal tief durch. Sicherlich nur ein Spinner, der gern in die Fenster fremder Leute glotzte.
    Nach einigen Momenten der Ruhe, begann Farael sich bis auf die Unterhose zu entkleiden. Mit Anas Leib an seiner Seite wurde es erfahrungsgemäß sehr warm im Bett. Fein säuberlich legte er seine Kleidung zusammen und stellte sich schließlich vor das Bett. Ana hatte zu keinem Moment übertrieben. Sie lag quer, mit ausgestreckten Gliedmaßen. Beinahe als ob sie nicht wollte, dass Farael ihr Gesellschaft leisten sollte. Doch natürlich wusste er, dass Ana seine Gesellschaft wollte. Also schob er sie sanft und liebevoll zugleich etwas zusammen, stieg über sie hinweg und krabbelte zu ihr unter die Decke. Aus Gewohnheit schmiegte er sich direkt an ihrem Rücken, spürte die Wärme Anas Leib an seinem gesamten Körper. Mit seinem Armen umschlang er sie, worauf sie im Schlaf nach seinen Armen griff und sie nach ihrer Bequemlichkeit zurecht zog.


    Mit diesem Bild und der Wärme, die Farael spürte, schlief er mit einem Lächeln auf den Lippen ein…


    Ana:
    Bauchschmerzen weckten Ana. Sie rollte sich so eng zusammen, wie sie konnte, doch es half nichts. An schlafen war nicht mehr zu denken. Sie öffnete die Augen einen Spalt breit. Es war noch nicht richtig hell. Sachte hob sie Faraels Arm an und drehte sich zu ihm um. Die Wunden seiner Verletzung waren gut verheilt, doch noch immer sichtbar. Sie erinnerten Ana daran, dass er ein gefährliches Leben führte, auch wenn er gerade vollkommen friedlich da lag. Ein neuer, stärkerer Schub schnürte ihren Leib zusammen und nahm ihr die Luft zum Atmen. Ana stöhnte auf und schlüpfte vorsichtig aus der Decke. Zwar wusste sie nicht, was sie tun sollte, um die Schmerzen zu lindern, doch liegen bleiben konnte sie nicht mehr. Mit auf den Leib gepressten Armen ging sie kreuz und quer durch den kleinen Raum und versuchte ruhig zu atmen. Es gelang ihr nicht. Stattdessen versuchte sie sich abzulenken, indem sie Faraels Aufzeichnungen betrachtete, was aufgrund ihrer fehlenden Lesekenntnisse allerdings ein schwacher Versuch war. Schließlich gab sie auf und ließ sich an der Wand hinunterrutschen, zog die Beine so fest es ging zu sich heran und wiegte sich hin und her. "Du tust mir weh", flüsterte sie ihrem Bauch zu. "Ein kleiner Kämpfer, hm?" Wie als Antwort, lähmte sie der nächste Krampf. Ein Jammern entfuhr ihr. Während sie noch überlegte, ob sie Farael wecken sollte, um ihn nach schmerzlindernden Kräutern zu fragen, begann der Alb von selbst sich zu regen.

    Farael:

    Die dunkle Gestalt, diese unheimlichen Augen, sie verfolgten Farael in seine Träume. Immer wieder sah er sie vor seinem Fenster, wie sie ihn anblickten und jedes Mal, wenn er sich regte, verschwanden sie, um nicht gefangen zu werden. Doch kaum gönnte er sich die Ruhe, kamen sie wieder und suchten ihn wieder heim. Dieses Spiel ging Minuten lang, zog sich schließlich zu Stunden, in dem sie ihm im Schlaf quälten.


    Doch ein Wimmern war die Rettung aus Faraels Albträumen, jedoch auch ein weiterer Grund zur Sorge. Er spürte Ana nicht mehr neben sich, ihre Wärme fehlte und nur der Rest ihrer Körperwärme, welche noch am Laken haftete, zeugte von ihrer Anwesenheit. Dann wieder ein Jammern und Farael schlug sofort die Augen auf. Das Licht im Raum blendete ihn, doch seine Augen gewöhnten sich schnell an das Licht. Doch der Anblick, der ihm beschert wurde, gab ihm nur weiteren Grund zur Besorgnis.
    Ana hockte zusammengekrümmt an der Wand, hielt sich den Bauch und ihren Gesichtszügen nach, schien sie entsetzliche Schmerzen zu haben. Augenblicklich erhob sich Farael aus dem Bett und eilte zu Ana herüber. „Was ist los?“, fragte er hastig, verschlafen und doch besorgt zugleich. Ihre Miene und wie sie sich den Bauch hielt gaben jedoch Antwort genug. „Nicht reden. Komm her.“ Ohne auf eine Reaktion ihrerseits zu warten, schlang er je einen Arm unter ihren Kniekehlen, aber auch um ihre Schultern. Sie hatte keine äußerliche Verletzung, nichts was darauf hindeutete. Zwar hatten Faraels Zeit als Söldner ihn so einiges gelehrt, wie man Schmerzen ertrug und Wunden notdürftig behandelte, doch ein Arzt war er nicht. Sicher war er sich aber allemal, dass der Boden kein geeigneter Ort war, um die Schmerzen auszuhalten. „Warum weckst du mich denn nicht?“, brummelte er hervor, während er die Norkara anhob und zum Bett bugsierte.
    „Ich bin kein Arzt“, stellte er unnötigerweise fest, was jedoch auch eine Rechtfertigung für einen eventuellen Fehler sein sollte. Dennoch versuchte er, wie jemand zu handeln, der wusste was er tat. Hoffentlich lag er mit seinem Wissen nicht ganz daneben. „Du musst dich entspannen. Du darfst nicht so stark verkrampfen.“ Vorsichtig, aber dennoch bestimmend löste er ihren kalten Griff und schob sie auf den Rücken. Dabei wieder mit sanften Druck an, dass sie sich lang machen und mit jeder Möglichkeit, entgegen jedes Krampfes entspannen sollte. „Ganz ruhig. Verkrampfe dich nicht zusätzlich, Reiterin.“
    Eilig schritt er von dannen und holte die Reste des Tees, die sie am Abend stehen gelassen hatten. Er war vielleicht kalt und schmeckte nicht mehr so gut, seine entspannende Wirkung trug, so hoffte Farael, dennoch zur Schmerzlinderung bei. Ehe er ihr den Tee gab, legte Farael ihre Arme auf seine Schulter, ihre Hände sollten diese greifen können. „Krall dich fest, so stark wie du kannst und willst. Nebenbei versuche zu trinken, hier.“ Behutsam hob er ihren Kopf und hob die Tasse mit dem Tee an ihre Lippen.


    Ana:
    Ana ließ zu, dass Farael sie hochhob und zum Bett brachte, sie ließ zu - wenn auch wiederwillig, dass er ihre Arme löste und sie lang ausstreckte und versuchte seinem Rat Folge zu leisten. Im ersten Moment war die ausgestreckte Lage schlimm, doch schnell merkte Ana, dass sie nun viel besser gegen den Schmerz atmen konnte. Dankbar nahm sie einen Schluck Tee. Es tat gut, die Kraft von Faraels Armen zu spüren. Sie trank erneut und merkte erleichtert, dass die Krämpfe nachließen. "Danke", flüsterte sie. "Ich hoffe, dem Baby geht es gut. Ich weiß nicht, ob das normal ist", sprach sie schließlich eine Sorge aus, derer sie sich bis dato gar nicht richtig bewusst gewesen war. Vorsichtig stellte sie die leere Tasse Tee ab und anstelle sich in seine Arme zu krallen, legte sie ihm die Hände auf den Rücken und drückte ihn zu sich heran. Eben war ihr noch heiß gewesen, nun fröstelte sie und die Wärme von Faraels Körper schien ihr gerade recht. "Darf ich mich ein wenig auf dich legen?", fragte sie kleinlaut, weil es ihr unangenehm war. Gleichzeitig war sie sich aber sicher, dass die ausgestreckte Haltung in Verbindung mit Faraels Wärme und etwas sanftem Druck, die Krämpfe entgültig würden beseitigen können. Farael folgte ihrer Bitte und seufzend schmiegte Ana ihre Wange an seine Brust. Ihre Hände schob sie unter seinen Rücken und zog sich an ihn heran. Entspannung macht sich breit und sie schloss eine Weile die Augen.
    "Bist du noch lange wach gewesen?", fragte sie schließlich. Farael hatte trotz seiner Alarmbereitschaft müde auf sie gewirkt.

    Farael:

    Mit Freude beobachtete Farael, wie die Schmerzen Anas nachließen und sie selbst auch immer entspannter wirkte. Ihre Worte, ihr Dank, erfüllte sein Herz mit Wärme. Das Bedürfnis sie zu pflegen wuchs immer weiter in ihm heran. Fühlte man sich so als Vater? Dieses Gefühl, dass man sich zu der Mutter des eigenen Kindes so stark hingezogen fühlte und wortwörtlich alles für sie tun würde? Auch wenn er diese Frage nicht beantworten konnte, so wusste Farael, dass er selbst auf diese Weise empfand. „Hey, ich bin für dich da“, erwiderte er auf ihren Dank, auch wenn ihre nächsten Worte ein unsicheres Kribbeln in seinem Bauch auslöste. Genau wie sie, wusste er nicht, ob diese Schmerzen normal waren. Oder ob mit dem Kind alles in Ordnung war. Seine Sorge ebbte nicht ab. Farael war sich sicher, dass er Ana zu einem Heiler bringen musste. Zumindest um sicher zu gehen.
    Schließlich spürte er Ana Arme auf seinem Rücken, worauf er sich bereitwillig zu ihr ziehen ließ. Sanft legte er sich auf sie ab, ihr kompletter Körper war schweißnass und eiskalt. Die Schmerzen und Krämpfe mussten extrem gewesen sein. Drum haderte er nicht, als Ana ihn bat, sich auf ihn legen zu dürfen. Mit einem Nicken beantwortete er ihr Frage, legte sich auf den Rücken neben sie, worauf er ihr schlanken Körper auf seinem spürte. Zeitgleich fühlte er jede einzelne Bewegung Ana, er ahnte ihren Herzschlag und empfand ihre Atmung als wertvolles Geschenk.
    Liebevoll gab Farael Ana einen Kuss auf ihr Haupt, ehe er die Decke griff und über sich und Ana zog. Darauf legte er seine Arme um sie und zog sie noch näher und fester an sich, als sie eh schon auf ihm lag. Ihre Frage jedoch kam überraschend. Farael schluckte. Sollte er Ana von seiner Begegnung erzählen? Seine Entscheidung stand allerdings schnell fest. „Nein, ich war nicht mehr lang wach“, log er, einzig und allein für ihren Schutz. Sie zu beunruhigen brachte gar nichts.
    Um von diesem Thema abzulenken, welches in seiner Hoffnung mit der Notlüge abgespeist war, fokussierte er sich ganz auf das Gefühl zu Ana. Wie sie auf ihm lag und wie er sie spüren konnte. „Ich weiß, du hörst es von mir vielleicht zu oft, aber du bist wunderschön. Beinahe bin ich mir sicher, dass unser Kind eines der schönsten Geschöpfe sein wird, das Asamura je gesehen hat.“

    Ana:

    Wenn er nicht mehr lange wach war, dann hat er zumindest nicht gut geschlafen, dachte Ana und fragte sich, ob sie sich vielleicht wirklich zu breit gemacht hatte. Um etwas in der Art zu erwidern, fühlte sie sich aber zu träge und beließ es deshalb dabei.
    Seine Worte ließen Ana schmunzeln. Ja - wie würde es wohl aussehen? Immer, wenn sie darüber nachgedacht hatte, und das war inmitten der Zweifel der letzten Wochen nicht oft gewesen, hatte sie sich schlicht eine Miniversion von Farael vorgestellt. "Hoffentlich kommt es eher nach dir, zumindest von seinem Charakter her", sagte sie leise und fügte dann, als sie merkte, wie verbittert das klingen musste, sanfter hinzu: "Meinst du, es wird spitze Öhrchen haben?" Der Gedanke ließ sie abermals lächeln. Alles würde ganz klein sein, die Hände und Füße, Nase, Mund und Ohren... Und würde es eher ein Junge werden oder ein Mädchen? Irgendwie rechnete Ana mit einem Buben, doch das lag vermutlich daran, dass sie das Kleine mit Farael in Verbindung brachte. "Ach, ich weiß nicht, ob ich eine gute Mutter sein werde... Ich habe nie gedacht, dass ich jemals ein Kind haben werde." Wobei das nicht ganz stimmte. In der Anfangszeit ihrer Ehe hatte sie selbstverständlich darüber nachgedacht, immerhin gehörte es dazu. Allerdings gehörten auch andere Dinge dazu. Treue zum Beispiel. Ana kniff die Augen zusammen, um die Schatten der Vergangenheit zu verjagen. Hoffentlich würde sie es irgendwann schaffen, sie hinter sich zu lassen.

  • Farael:
    Dieses schelmische Grinsen sah Farael nicht zum ersten Mal bei Ana und er wollte es gewusst haben, was es bedeutet hatte. Zumindest war jedes Mal, nachdem Ana ihren Mundwinkel auf diese Art verzogen hatte, in ihrem Kopf ein Plan entstanden, der in aufregende Abenteuer geendet hatte. Doch was sie sagte und wie sie es sagte, regte die Lust in Farael ein weiteres Mal an. Doch der Tag hatte bereits begonnen und sie konnten nicht warten, bis er wieder bereit war. So hatte er zumindest einen weiteren Grund sich auf den Abend zu freuen, auch wenn er sich nicht ganz sicher war, ob die Idee am Ende wirklich gut war. „Du weißt, ich nehme dich beim Wort. Wenn du heute Abend keine Peitsche oder Gerte zur Hand hast, würde ich sehr enttäuscht sein“, feixte Farael, ließ aber einen subtilen und ernsten Unterton mitschwingen. Einer der Momente, in denen ihm bewusstwurde, wie gern er mit Ana spielte. Sie tat es ebenso auf ihre Weise, drum nahm er sich das Recht heraus, es auch zu tun. Am Ende konnte sich Farael aber darauf verlassen, dass ihre gegenseitige Zuneigung immer eine Grundlage dieses Spiels war. Für einige Augenblicke verharrte er schließlich mit ihr in der selben Position. Farael ließ einer seiner Hände auf Anas Brust wandern, um dort ihren Herzschlag und ihren Atem zu spüren. Allein dieses Gefühl, Ana lebend und sich regend neben sich zu spüren, ließ seinen Mund sich zu einem Lächeln verformen. Leider mussten die schönsten Momente enden, sowie die schlimmsten Zeiten vorbeigingen. „Wir sollten aufstehen“, brachte Farael schließlich aus Überzeugung und Antwort auf Anas Frage zugleich hervor. Gefolgt waren seine Worte, mit einer Berührung seiner Lippen auf den ihren. Farael reckte Ana seine Zunge entgegen, lud sie zu einem verspielten Tanz ein und legte jede Zuneigung, die er für diese Frau empfand, in diesen Kuss hinein. Einige Momente vergingen und schließlich löste er sich wieder, innerlich den Wunsch, sie ein weiteres Mal zu küssen. Doch der Alltag rief. Farael konnte sich nicht zu sehr hingeben, schließlich hatte er noch Aufgaben zu erledigen. Zuletzt erhob sich Farael, stieg aus dem Bett und streckte sich zu seiner vollen Größe, ehe er sich seine Hose überzog. Während er auf den Weg zum Fenster ist, um die Vorhänge aufzuziehen, sprach er: „Soll ich dir eine Salbe auf deinen Hals tun? Das betäubt etwas und hilft, dass sich die Haut erholt. Hat Wunder bei deinem Biss gewirkt, der mir eine echt schicke Narbe einbrachte.“ Mit verschmitzten Lächeln, welches in ein warmes Lachen überschlug, schritt Farael bereits zu seiner Kommode, in der er die Salbe verwahrte.


    Ana:
    Die Decke ein wenig höher ziehend, drehte Ana sich auf die Seite, um Farael beobachten zu können. Vollkommen ungeniert ließ sie den Blick an ihm hinab und wieder hinauf gleiten. "Ach, du hast dafür extra eine Salbe im Haus?", entgegnete sie. "Für all die bissigen Stuten, die hier ein und ausgehen? Oder für die gebissenen?" Sie schwang sich aus dem Bett und reckte ihm den Hals hin. Tatsächlich brannten die Wunden stetig vor sich hin. "Da kann ich sehen, wie ich das bei meinem nächsten Auftritt versteckt kriege", dachte sie automatisch. Sie ließ sich von Farael verarzten und strich ihm dabei über den Bauch, da sie der Versuchung nicht widerstehen konnte.
    "Weißt du, ich fühle mich fit genug, um auch etwas Sinnvolles zu tun", sagte sie schließlich. "Ich könnte Besorgungen machen, falls du etwas brauchst und mich nach Arbeit für heute Abend umsehen." Ihr Unterleib hatte vollkommen Ruhe gegeben und Ana konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, den ganzen Tag herumzuliegen, während Farael arbeitete. Außerdem musste sie ja wohl irgendetwas beschaffen, dass einer Peitsche nahekam, sonst ging ihr dieser Hengst am Ende noch durch.


    Farael:
    Aus einem unbestimmten Grund wusste Farael, dass Ana sich verarzten lassen und zugleich ein paar freche Sprüche klopfen würde. Er hatte seine Kommode erreicht und die Salbe hervorgeholt, da stand Ana in ihrer vollen Pracht bereits vor ihm. Dabei machte Farael keinerlei Anstalten, den Anblick nicht offensichtlich zu genießen. Wenn sie das tat, wollte er es auch tun dürfen. Bei dem Gedanken schlich ihm ein Lächeln auf die Lippen. Vorsichtig neigte er Anas Kopf zur Seite, um die empfindliche Stelle offen zu legen und mit der Behandlung beginnen zu können. „Ach, weißt du“, begann er, während er sich die Stelle seines Bisses anschaute. „Noch niemand hatte es gewagt, mich so zu behandeln wie du es bisher getan hast. Fast alle haben einfach nur mit mir schlafen wollen, weil sie scharf auf was auch immer waren. Einige haben es versucht, mich zu zähmen, doch es war nicht mehr als billige Anmache.“ Farael stellte fest, dass sein Biss ihre Haut durchbrochen und Ana ungewollt hatte bluten lassen. „Du bist die Erste, die weiß, wie man es macht und das gefällt mir. Obendrein gehst du darauf ein, was ich mir wünsche. Das finde ich wirklich schön.“ Auf seinen Lippen zeichnete sich ein Lächeln ab. Währenddessen hatte er sich ein Tuch genommen und die Wunde sauber getupft. „Du bist einzigartig, wie ich dir bereits sagte. Und nun wirst du wohl immer eine Erinnerung von mir auf deiner Haut tragen. Entschuldige noch einmal.“ Der Biss war tiefer als angenommen und Farael war verwundert, dass Ana sich kaum darunter geregt oder gewehrt hatte. Der Blutfluss war jedoch schon versiegt, weshalb es reichte, wenn Farael die Salbe auf die Wunde auftrug. Unter den Berührungen Anas kam er nicht umher, seine Bauchmuskeln anzuspannen, ganz in dem Wissen, wie es ihr zu gefallen schien. „Das wird eine Narbe bleiben und ich kann nicht sagen, dass ich nicht stolz drauf bin“, gab Farael schließlich grinsend zu, als er einen Schritt von Ana wegtrat. Tatsächlich klopfte sein Herz etwas, als er daran dachte, Ana das zurückgegeben zu haben, was sie ihm einst gab. Auch wenn es wohl eine sehr ungewöhnliche Geste war, so hatte sie doch ihre ganz eigene Schönheit inne. Und wieder einmal musste Farael feststellen, dass Ana ihm den Kopf verdreht hatte.
    Schließlich schloss der das Gläschen mit der Salbe und packte das Tuch zu der schmutzigen Wäsche. Dabei lauschte er den Worten Anas, welche bereits den Tag durchzuplanen schien. „Momentan brauche ich nichts, aber wenn du ein paar Münzen für die Kasse beitragen magst, würde mich das sehr freuen“, erwiderte er lächelnd, während er frische Sachen für sich zusammensuchte. „Tatsächlich habe ich heute nicht all zu viel vor. Ich will nur kurz zum Lager, um noch einmal die Dokumente zu sichten. Danach bin ich wieder hier. Vermutlich ein wenig trainieren, damit ich nicht außer Form gerate.“ Nachdem Farael sich die frische Kleidung zurechtgelegt hatte, trat er ein weiteres Mal an Ana heran, blickte ihr direkt in die Augen. „Ich bin stolz auf dich, dass du wieder bist. Obendrein noch dankbar, dass du dich mir anvertraust, aber auch meine wohl ungewöhnlichen Wünsche ernst nimmst.“ Wie gern er Ana in diesem Moment geküsst hätte, doch er wollte sich zurückhalten. Schließlich wusste Farael, dass die Norkara ihren Freiraum manchmal brauchte. „Vielen Dank“, wiederholte er, ehe er ihr kurz über die Wange strich und sich schließlich anzukleiden begann.


    Ana:
    "Kann ich mir gar nicht vorstellen auf was sie da scharf hätten sein können..." Ana biss sich auf die Lippe und packte Faraels Hosenbund, zuckte dann aber zusammen, als seine Finger ihre Wunde berührten. "Stolz", fragte sie verwundert. "So markiert ihr Hengste also eure Stuten?" Sie musste lachen, da sie es ja nicht anders mit ihm gemacht hatte. "Aber ich muss sagen, es passt zu meinem wilden Piratenimage."
    Sie nahm sich vor, die Male zur Sicherheit trotzdem heimlich in Faraels Spiegel zu kontrollieren, wenn sich die Möglichkeit bot. Sollte sie darauf angesprochen werden, sei es aus Interesse oder wissendem Zuspruch, wollte sie wissen, wovon sie sprach.


    "In Ordnung. Arbeit bedeutet bei mir aber abends... außer meiner Musik habe ich nicht viel, wofür man mich bezahl. Zumindest nichts, das ich bereit bin zu geben." Den Tag über würde sie herumfragen und bis abends hoffentlich etwas gefunden haben. Auch Ana begann nun sich anzuziehen. Sie griff nach ihrer eigenen Kleidung, die Farael so ordentlich zusammengelegt hatte, dass sie schmunzeln musste. Was hatte der Anblick ihrer Sachen während ihrer Abwesenheit wohl in ihm bewirkt? Hatte es seine Hoffnung aufrechterhalten, sie könnte zurückkommen? Hatte es ihn geschmerzt? Immerhin hatte er ihr gestanden, dass er sie liebte. Die Wochen ohne sie mussten nicht einfach für ihn gewesen sein. Trotzdem trug er ihr nichts nach. Im Gegenteil: er hatte sie aufgenommen und sofort wieder für sie gesorgt, hatte liebevoll das Bett mit ihr geteilt und bedankte sich nun sogar bei ihr. Was für ein Mann... Auf einmal hatte Ana ein schlechtes Gewissen. "Nein", sagte sie. "Ich danke dir."

    Farael:

    Allmählich verschwand Faraels Körper immer mehr in seiner Rüstung und seine Waffen fanden ihren angestammten Platz an seiner Seite. Nichts zeugte von den Abenteuern, die er vor einer Stunde erlebt hatte, geschweige denn die Momente, welche er mit Ana geteilt hatte. Überraschend waren die Worte, die ihren Mund verließen. Etwas wie Dank hatte Farael nicht erwartet. Nicht, weil er Ana für jemanden hielt, der absolut undankbar war, sondern weil er in seinem Ermessen nichts tat, wofür sie ihm danken musste. War es vielleicht dieses Gefühl in seinem Bauch, dass er in ihrer Nähe verspürte? Jenes Gefühl, welches ihm jedes Mal den Kopf verdrehte, wenn er in Ana Augen blickte? Früher noch hatte er Männer mit einem Schmunzeln gestraft, die von ihren Frauen Sprache, von ihrer Liebe und ihren Kindern. Doch nun stand das perfekte Beispiel vor ihm, wie es sich tatsächlich anfühlte.
    Anfangs wollte er etwas sagen, um ihren Dank abzuwimmeln, ihr zu zeigen, was er dachte. Doch zeitgleich meldete sich sein Verstand. Denn das, was er in diesem Moment und den Abend zuvor getan hatte, war ein großes Risiko und obendrein noch eine naive Reaktion gewesen. Also verwarf er seinen Plan, ihren Dank abzulehnen. Im selben Augenblick zog ein belohnendes Kribbeln durch seinen Bauch, als ob sein Körper und sein Geist ihn dafür belohnten, nicht gegen jeden Instinkt zu handeln. „Ich habe es wirklich gern getan Ana. Doch wenn wir Zeit haben, möchte ich gern mehr von dir erfahren. Genau wissen, warum du bist, wer du bist. Natürlich will ich dich nicht zwingen, aber … aber ich wüsste gern, wer die Mutter meines Kindes genau ist. Stück für Stück, nicht alles auf einmal. Ist das in Ordnung für dich?“


    Ana:
    Mutter meines Kindes... wie das klang. Merkwürdig. Surreal. Und schön. Ana hing diesem Gedanken noch nach, wären Faraels Frage zwischen ihnen schwebte. "Hm?", machte sie in dem Augenblick, in dem das Gesagte in ihrem Bewusstsein ankam. "Wer ich bin? Aber das weißt du doch", winkte sie ab. "Eine versoffene, diebische Piratin, unstet wie das Meer aber geschickt an der Laute." Sie grinste schwach. Worauf wollte Farael hinaus? Sie erinnerte sich, wie freimütig er ihr von den Sorgen um seine Mutter und seine Familiensituation erzählt hatte. Auch von der schwarzen Kompanie hatte er etwas preisgegeben. Aber im Grunde kannten sie sich kaum. Das waren vermutlich keine guten Voraussetzungen für werdende Eltern. Was wird er wohl sagen, wenn er von deinen endlosen Bettgeschichten hört?, fragte sie sich selbst bitter. Oder von deiner gescheiterten Ehe? Dem Mann, der sterben musste, weil er sie geliebt hatte? Wollte Farael so etwas überhaupt wissen? Oder vermutete er eine aufregende und bewegte Geschichte, die sie als tapfere Heldin zu dem geformt hatte, was sie war? Ana schluckte. Etwas in ihr war der Meinung, Farael hatte ein Recht alles zu erfahren. Wenn du mir nicht vertraust, kann ich dir nicht vertrauen.... das hatte er ihr gesagt. Darunter fiel vermutlich auch, zu vertrauen, dass er sie auch dann noch mochte, wenn er alles über sie wusste. Aber ob sie das konnte, das wusste sie nicht.


    Farael:
    Lediglich ein Seufzen fuhr aus Faraels Kehle, als er die Antwort Anas hörte. Zwar fragte er sich, warum er etwas Anderes als eine solche Antwort erwartet hatte, doch räumte er sich auch das Recht ein, eine ehrliche Antwort auf diese Frage zu bekommen. Selbst nach ihren Worten, die nur einen schwachen Witz darstellten, war Farael keineswegs beruhigt oder gar zufrieden. Farael konnte es Ana förmlich ansehen, wie es in ihre brodelte, ratterte und arbeitete. Sie dachte nach und nicht zu knapp. Für ihn war es offensichtlich, dass sie innere Dämonen mit sich herumtrug, die sie zu gern begraben wollte. Einerseits kränkte es ihn, dass sie ihm nicht offen und ehrlich die Dinge preisgab, die er wissen wollte. Andererseits hatte Farael Ana bereits so weit einschätzen können, dass einer ihrer Aussagen tatsächlich zutraf. „Unstet wie das Meer, das bist du tatsächlich“, dachte er sich, doch sprach er diesen Gedanken nicht aus. Letzten Endes konnte er nur darauf hoffen, dass sich das Meer beruhigen und seine Geheimnisse offenbaren würde, doch dieser Weg sollte ein langer sein, wie er in diesem Moment zu spüren bekam. Hatte sie Angst? Vielleicht konnte er ihr diese nehmen? Doch wovor hatte sie Angst? Dass er sie nicht mehr lieben könne, nachdem sie ihm alles preisgegeben hätte? Sein Plan, mehr aus ihre herauszubekommen, sollte schwieriger werden, als er gedacht hatte. „Ich nehme dich so, wie du jetzt bist. So mag und, vielleicht willst du es nicht hören, liebe ich dich. Erzähle mir, wer du wirklich bist, wenn du bereit dazu bist. Doch auf lange Sicht möchte ich es wissen. Nicht nur für unser gemeinsames Heil, sondern auch das unseres Kindes.“ Aus einem Reflex heraus trat Farael nach seinen Worten an Ana heran und gab ihr einen liebevollen Kuss auf die Stirn. Es fühlte sich richtig an, auf diese Weise zu reagieren, auch wenn sein Inneres neugierig und fürchterlich ängstlich zugleich war. „Nichts kann schlimmer sein, als die Vorstellungen, die in meinem Kopf sein könnten. Vertraue mir“, betonte er sanft, ließ die Worte zwischen ihnen schweben.


    Ana:
    Irgendwie fand Ana es unfair, dass Farael das Kind erwähnte. Was sollte es dem Kleinen nutzen, wenn Anas Vergangenheit ausgegraben wurde? Recht schnell wurde der Ärger aber durch eigene Maßregelung verdrängt. Wenn sie ehrlich war, war das Einzige, das sie störte, ihr eigenes Wesen oder das, wozu es fähig war. Alles andere war Schein. Erst, wenn sie selbst alles zurücklassen konnte, konnte sie guten Gewissens behaupten, es sei kein Teil mehr von ihr. Faraels nächste Worte weckten ihre Neugierde. Obwohl ihr die Frage unangebracht schien, nachdem sie sich aus seiner herausgewunden hatte, waren die Worte schnell gesprochen. "Was stellst du dir denn vor?" Sie hatte das Gefühl, Farael hätte schon längst fortgemusst, um seine Aufgaben zu abzuarbeiten wie geplant, doch die Neugierde nagte an ihr.


    Farael:
    Etwas seltsam war es schon, dass Ana keineswegs auf seine gesagten Worte einging und obendrein noch eine äußerst komische Frage stellte. Wirklich wissen, was Farael davon hätte halten sollen, konnte er nicht. Doch ihre Augen wirkten wach, neugierig und so fokussierte sich Farael auf die Gedanken, um sie wachzurufen. Wenn auch ungern, was ihm sofort ein flaues Gefühl im Magen bescherte. „Nun, wer weiß wen du in deiner Vergangenheit ans Bein gepisst hast. Vielleicht sind ja hinter die Auftragsmörder her, die jederzeit nach deinem Leben trachten? Oder aber du verbirgst, dass du eigentlich eine Vampirin bist, wobei ich zugeben müsste, nicht viel über diese zu wissen. Oder jemand oder etwas aus deiner Vergangenheit, etwas, was nicht begreifbar ist, trachtet die nach deinem Wohlergehen. Was weiß ich. Das Schlimmste was passieren könnte, ist, dass dir etwas zustößt, ohne, dass ich dagegen etwas tun kann, verstehst du?“


    Ana:
    Ehe sie sich versah, musste Ana lachen. "Oh, entschuldige", fügte sie eilig an, wohlwissend wie unpassend es war. Die Mischung aus Überraschung, Erleichterung und Zuneigung hatte ihr aber nichts anderes übriggelassen. Farael... er dachte nur an ihr Wohlergehen, sorgte sich um sie, fürchtete sie würde verfolgt. Dabei war das einzige, das ihr auf den Fersen war, ihr eigener dunkler Schatten. Sie nahm sein Gesicht in beide Hände und sah ihm tief in die Augen. "Wieso bist du so gut zu mir?", fragte sie leise, dann seufzte sie. "Nichts von deinen Befürchtungen ist der Fall. Eigentlich gibt es wirklich nichts Spektakuläres oder Besonderes in meiner Vergangenheit. Von Seeschlachten vielleicht einmal abgesehen. Ich werde dir davon erzählen, in Ordnung? Aber nicht im Stehen und zwischen Tür und Angel."


    Farael:
    Sofort wanderte Faraels Augenbraue ein gutes Stück nach oben, als Ana zu lachen begann. Zwar entschuldigte sie sich auf diese Geste hin, doch der Anblick war durchaus seltsam. Was gab es bei diesen Dingen zu lachen? Sein Misstrauen verpuffte jedoch schnell, als er die zarte Berührung ihrer Hände an seinen Wangen spürte. Von ihnen ging Wärme aus, die seinem Mund schließlich zu einem Lächeln werden ließ. Ihren tiefen Blick erwiderte er, dabei legte er einer seiner Hände auf ihre Taille, die andere auf einer der ihren. „Das ist in Ordnung. Ich wollte dir nur sagen, dass ich es möchte“, erklärte er sanft auf ihre Worte. Zwar sollte Farael in diesem Moment keinerlei Informationen über ihre Vergangenheit erfahren, doch es war für ihn ein großer Schritt, dass sie ihm diese zugestand. „Du bist mir wichtig“, hauchte er schließlich, als Antwort ihre Frage und Bekundung seiner Zuneigung zugleich. „Ich habe mich viel in den letzten vier Wochen um dich gesorgt.“ Für keinen einzigen Augenblick verfehlten sich ihre Blicke. Farael bekam das Gefühl, dass sich ihre Seelen trafen und miteinander austauschten, ohne auch nur ein einziges von sich zu geben. „Wenn du einen Auftrag zum Spielen hast, darf ich dir dann zuhören?“, wechselte er schließlich das Thema, ohne jedoch die Berührungen zu unterbrechen. „Ich werde nicht lang weg sein und du könntest mir einfach Bescheid geben, wo du spielst, indem du kurz nach Hause kommst.“


    Ana:
    Mit einem Lächeln zog Ana ihre Hände langsam zurück. Komischerweise verspürte sie ein nervöses Ziehen im Bauch, wenn sie daran dachte, vor Farael aufzutreten. "Ja... ja das kann ich machen", antwortete sie trotzdem. "Wenn ich etwas finde, vorausgesetzt... und wenn es eine anständige Taverne ist, in die ich einen Leckerbissen wie dich einladen kann, ohne Sorge zu haben, dass du entführt wirst." Ana zwinkerte die eigene Unsicherheit weg oder versuchte es zumindest. Sie wollte, dass Farael sie gut fand, dass er ihre Musik gut fand. Heute Abend würde sie sich besonders ins Zeug legen müssen. Hoffentlich würden die Schmerzen ausbleiben. Mit Krämpfen im Bauch sang es sich schlecht. "Du...", setzte sie an. "Hast du eventuell Kräuter oder ähnliches im Haus, das ich notfalls gegen die Schmerzen nehmen kann? Ich würde mir selbst etwas besorgen, aber noch habe ich kein Geld..." Ana spürte wie sie erröte. Auch das war ihr komischerweise unangenehm. "... und leider kann ich gerade nichts trinken. Das würde auch helfen." Wieder flüchtete sie sich in einen Scherz. Ana kam mit vielem zurecht, mit eigener Unsicherheit nicht. Vielleicht war das einer der Gründe, warum sie wenige so nahe an sich heranließ.


    Farael:
    Über die positive Antwort seitens Ana konnte sich Farael nur freuen. Zwar hatte er sie nur ein Mal singen hören und doch war er davon so begeistert gewesen, dass er es sich als ein wundervolles Erlebnis vorstellte, wenn sie vor einem ganzen Publikum auftrat. Natürlich hatte es etwas Persönlicheres, wenn sie nur vor ihm sang, doch sie sollte sich nicht verstecken. Schließlich merkte er auch, dass sie nervös wurde, als sie von der Lokalität und überhaupt von der Möglichkeit sprach. Langsam dämmerte es Farael, dass Ana meist mit lasziven oder scherzhaften Worten und Gesten ihre eigene Unsicherheit verbergen wollte. Zumindest dachte er es, wobei er es bereits mehrere Male hatte beobachten können. „Keine Sorge, ich habe mich schon in den ekelhaftesten Absteigen aufgehalten oder gar genächtigt. Obendrein kann ich sowohl auf mich, als auch auf die aufpassen“, erwiderte er darauf zwinkernd. Es fühlte sich ungewohnt befriedigend an, jemanden Schutz zu versprechen, ohne etwas dafür zu erwarten. Herzensgüte oder Liebe kannten Söldner bekanntermaßen nicht und auch auf Farael hatte das bis vor kurzem noch zugetroffen. Drum spürte er im nächsten Moment bereits einen Knoten in seinem Bauch, als Ana ihm von ihrer misslichen Lage berichtete und ihm um Kräuter bat. Sofort legte er eine Hand an sein Kinn und blickte sich in seinem Haus um. Hatte er nicht noch irgendwo Kräuter? Natürlich! Blind wie er war, hatte er beim überfliegen die Kräuter, welche über seinem Kamin hingen, komplett übersehen und sie auch vergessen. Von diesen rupfte er ein paar Blätter ab, wickelte sie zu einem kleinen Bündel und verschnürte dieses mit einer Schnur. „Die hat mir mal ein Heiler gegeben, um die Schmerzen von Kampfverletzungen zu linden. Das sollte auch für solche Schmerzen reichen. Denke ich.“ Behutsam legte Farael Ana das Bündel in die Hand. Selbstverständlich hatte er ihre Röte mitbekommen, weswegen er sich vor sie stellte und ein warmes Lächeln seine Lippen zieren ließ. Sanft sprach er wenige Worte, die, wie er hoffte, ihre Unsicherheit lindern sollten: „Vergiss nicht, dass mein Zuhause nun auch dein Zuhause ist. Mein Schicksal ist nun auch deins. Genau so, wie deines meines ist. Nimm dir, was auch immer du brauchst. Bitte mich darum, woran es dir mangelt. Ich schaue, dass ich es dir erfüllen kann.“ Diese Worte waren so aufrichtig, wie die Wärme seiner Seele, die durch seinen Körper strömte.


    Ana:
    Dankbar nahm Ana die Kräuter entgegen. Allein zu wissen, dass sie etwas tun konnte, würde sie sich besser fühlen lassen. Genau das - dass sie sich besser fühlte - musste auch Farael mit seinen folgenden Worten bezwecken. Er musste ihre Unsicherheit bemerkt haben. Also gab Ana sich alle Mühe, die Reaktion zu zeigen, die die Worte verdienten, obwohl alles in ihr sich sträubte. Sie versuchte es mit einem Lächeln, trat dann aber schnell an ihn heran und umarmte ihn, legte ihren Kopf auf seine Brust, dass er ihre verräterische Mimik nicht mehr sehen konnte. "Idiot, Idiot, Idiot!", schrie sich innerlich an, während sie seinem Oberkörper ein "Danke" zumurmelte. Er meint es wirklich ernst... Er liebt mich... Die Gedanken durchzogen ihren Kopf wie giftige Schlangen und wieder, obwohl sie sich vorgenommen hatte, sich nicht mehr davon beeindrucken zu lassen, fühlte sie sich davon erdrückt. Sie ertappte sich bei dem Wunsch, Farael würde es nicht so oft aussprechen. Doch um so etwas konnte man jemanden wohl kaum bitten. Nachdem sie sich wieder einigermaßen im Griff hatte, löste sich Ana von Farael. "Danke", sagte sie noch einmal. "Dann steht dem Auftritt ja nichts mehr im Wege. Wenn mich jemand will."


    Farael:
    Plötzlich, nach Faraels Worten, wirkte Ana alles andere als zufrieden oder glücklich. Eher benommen oder diffus waren die Ausdrücke, die er anfangs in ihrem Gesicht ablesen konnte. Umso mehr verwirrte es ihn, sie in diesem Moment zu beobachten, wo offensichtlich ganze Gefühlswelten aufeinanderprallten und nichts mit sich anzufangen wussten. Doch bevor Farael auch nur ansatzweise darüber nachdenken konnte, schlossen ihre Arme sich um seinen Körper, ihr Kopf legte sich auf seine Brust. Zuerst zögerlich und anschließend doch erwiderte er die Umarmung zärtlich, auch wenn sich diese äußerst seltsam anfühlte. Hatte er zu viel gesagt? Sein Kopf schwamm vor Gedanken. Am liebsten hätte er ihren Kopf geöffnet und hineingesehen. Es war einer der Momente wo er sich wünschte, ihre Gedanken hören zu können und zu erfahren, was in ihr vorging. Nun war Farael an der Reihe, verunsichert zu sein, auch wenn er der Meinung war, es besser zu verbergen als die Norkara es tat. Gerade noch rechtzeitig. Im nächsten Augenblick löste sie sich wieder von ihm worauf sie ihre Blicke tauschten. „Gern Ana. Wobei ich mir eben nicht vorstellen kann, wer dich nicht haben wollte, um ehrlich zu sein“, lachte er schließlich und knuffte seine Geliebte gegen die Schulter. Darauf wandte er sich der Tür zu und öffnete diese. Doch bevor er vorausging, hielt er in der Tür inne. Seine Miene fühlte sich gesetzt an. Ernst. Wieder richtete er seinen Blick auf Ana. „Wenn dir etwas zu viel ist, sag es mir. Ich bin kein Mann aus Zucker und die Dinge in dich hineinzufressen hilft uns beiden nicht weiter.“ Woher auch immer diese Worte kamen, doch ihn ließ die Vorstellung nicht los, dass er zu viel gesagt hatte. „Jetzt komm, wir haben einen langen Tag vor uns. Lass uns ein Stück zusammen gehen, bevor sich unsere Wege trennen.“ Mit ausgestreckter Hand blickte Farael Ana freundlich entgegen. Ganz zum Trotz seiner vorherigen Aussage.


    Ana:
    "Barden und Vaganten gibt es leider mehr als genug", seufzte sie und sah sich instinktiv nach ihrem Lautenkasten um, bis ihr einfiel, dass sie ihn bei Reela gelassen hatte; für den Fall, dass Farael sie nicht aufnehmen würde oder nicht zu Hause wäre. Bei seinen Worten sah sie auf. Er verstand es immer sie zu durchschauen. Eine Fähigkeit, die sich selbst so gerne zugesprochen hatte - selbst ein Mysterium zu bleiben und die anderen zu lesen wie ein Buch. Einen Unterschied gab es aber doch. Er meinte es ehrlich mit ihr, sie hatte derartige Situationen immer zu ihrem Vorteil genutzt. "Ich... es tut mir leid. Der Gedanke, mir ein Zuhause mit jemandem zu teilen und... es ist ungewohnt für mich. Ich brauche einfach ein bisschen Zeit, mich damit anzufreunden." Ana war dankbar, dass Farael ihr so viel entgegenkam. Wie viel er wohl schon bei ihr gut hatte? Eine Menge... Sie nahm seine Hand und folgte ihm aus dem Haus. "In Ordnung. Gehen wir ein Stück." Anas Gedanken schwirrten zu einem Frühstück und sie merkte, wie ihr Magen knurrte. Jetzt eine Fleischpastete... oder ein Stück Honigbrot... vielleicht einfach beides durcheinander. Irgendwie traute sie sich aber nicht fragen, ob Farael auch etwas frühstücken wollte. Sie würde abwarten, was er vorhatte und sich notfalls eine Kleinigkeit stibitzen, nachdem sie sich getrennt hatten.


    Farael:
    Instinktiv verschränkten sich Faraels Finger mit Anas. Nachdem sie aus dem Haus getreten waren, schloss er hinter sich die Tür ab. Der Abstecher zum Söldnerlager sollte nicht lang dauern. Damit sollte Ana nicht vor verschlossener Tür stehen, wenn sie zurückkehrte. In diesem Moment fiel ihm ein, dass er, sofern das nötige Kleingeld vorhanden war, ein zweiten Schlüssel anfertigen ließ. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte kein Bedarf danach bestanden. Die Worte um ihre Entschuldigung kommentierte er nicht weiter. Er sah er ihr an, wie sehr sie mit sich zu kämpfen schien. Und auch wenn es schwer war, es anzusehen, so dachte er sich, dass es das Beste war. Wenn Anas harte Schale bröckelte und sich ihr wahrer Kern offenbarte, sollte sie sich von dem befreien können, was sie an Ängsten mit sich herumtrug. So glaubte es Farael. Auf sie einzureden wäre jedoch überaus dumm gewesen und hätte sie unnötig in die Ecke gedrängt. So schwieg er auch, mit ihr an seiner Seite, und schlenderte mit ihr in Richtung Söldnerlager. Doch kurz vor der großen Eisenbrücke hielt er mit ihr schließlich inne. Dabei ließ er ihre Hand los, trat direkt vor sie und blickte sie offen an. Seine Hände ließ er auf ihren Schultern ruhen. „Ich kenne keinen Barden und keinen Vaganten, der so schön und talentiert ist, wie du es bist. Du wirst mit großer Sicherheit Arbeit finden. Pass auf dich auf und gerate nicht in Schwierigkeiten.“ Aufmerksam blickte er in ihre Augen, während ein weiteres Mal an diesem Tage, ein Lächeln seine Lippen umspielte.


    Ana:
    Gedankenverloren ließ sich Ana von Farael führen. Die Nähe zum Markt zeigte sich schnell durch verschiedenste Gerüche, für Obenza erstaunlich gut. Nachdem die Kühle der Nacht die Luft zumindest ein wenig geklärt hatte, eroberten die Dämpfe der Garküchen und Backstuben für ein paar Stunden das Terrain. Das würde ihr nächstes Ziel sein. Ana überlegte gerade, ob sie noch weiter mit Farael gehen sollte, da hielt er an. "Warte es ab, du Schmeichler", entgegnete Ana wacker, "du hast bisher ja nur eine Kostprobe bekommen. Und ich und Schwierigkeiten...", sie lachte auf, "niemals! Ich werde zurück ins Haus kommen, wenn ich mehr weiß. Pass auch auf dich auf. Reiße keinen streunenden Banditinnen auf." Ana beugte sich vor und gab Farael einen Kuss auf die Wange. "Bis dann", flüsterte sie und wandte sich ab, um sich ein Frühstück zu erschleichen.

  • Ein sanftes Lachen drang aus Faraels Kehle, als Ana davon sprach, dass er keine Banditinnen aufreißen solle. "Als ob ich so etwas jemals tun würde", antwortete er ihr zwinkernd, ehe sie sich voneinander lösten und sie ihm einen Kuss auf die Wange gab. "Keine Sorge, ich passe auf mich auf. Wir sehen uns dann später." Mit diesen Worten gingen sie auseinander. Während Ana in der Menschenmenge des Marktes verschwand, ahnte Farael schon, dass sie sich definitiv in Schwierigkeiten begeben würde. Seine Hoffnung beruhte auf ihre Fähigkeiten, mit deren Hilfe sie sich zumindest nicht, bei welcher Tat auch immer, erwischt werden sollte. Ob seine Hoffnung erfüllt werden oder Ana wie Faraels Mutter in ein Loch geschmissen werden würde, sollte er am Abend des Tages sehen. Doch zunächst galt es, seine eigenen Pläne zu verfolgen.


    Seine Füße führten Farael über die große Eisenbrücke, das Wahrzeichen Obenzas schlechthin. Mit einem Nicken grüßte er die Wachen, die an jedem Ende der Brücke die Bewohner im Blick behielt und jene aussortierte, die besser in den ärmeren Vierteln der Stadt bleiben sollten. Farael hatte sein Glück und den verdienten Respekt, so dass er nie behelligt wurde, wenn er die Brücke überquerte. Tatsächlich war es für ihn immer ein Genuss, über die riesige, stählerne Konstruktion zu wandern. Zu seiner Rechten konnten er morgens den Sonnenaufgang bewundern. Die sanfte Brise des Meeres wusch die schmutzigen Gerüche der Stadt hinfort und hinterließ das salzige Kribbeln in der Nase, welches jedem Seemann und jeder Seefrau in ihrem Alltag begleitete. Manchmal beneidete er diese Geister. Sie konnten die Welt sehen, über die Meere segeln und frei sein, wenn sie nicht gerade einer Armee angehörten oder auf Auftrag unterwegs waren. Sicherlich wäre er nur zu gern einmal mit Ana über die Meere gefahren, doch bot er mit großer Sicherheit keinen schönen Anblick, wenn er die gesamte Zeit das Deck vollkotzte.


    So in Gedanken versunken, hätte Farael fast gar nicht mitbekommen, wie er die Oberstadt betrat und die Brise des Meeres durch die Düfte der Gärten ersetzt wurde. Doch die Wogen der Blumen konnten nicht über die Korruption hinwegtäuschen, welche besonders in der Oberstadt vorherrschte. Die Reichen blieben reich, weil sie sich mit ihrem Geld jede Art des Schutzes kauften, die nur erdenklich war. Inklusive der Immunität vor einem Richter. Letzten Endes war aber auch Farael ein Werkzeug dieser Männer. Als Söldner war man meist nicht wählerisch und hinterfragte nicht viel, wenn die Summe stimmte. Etwas, was er schon lang versucht hatte abzulegen, doch der Bedarf des Geldes hatte stets dagegengesprochen. Jedes Mal, wenn er darüber nachdachte, bekam er schlechte Laune. Vieles wäre ohne Geld einfacher gewesen, doch war es der Gang der Dinge. Ein Fakt, an den sich Farael anpassen musste.


    Drum versuchte er sich so schnell wie möglich durch dieses Viertel zu bewegen. Wachen und Bewohner ließen ihn zugleich ziehen. Sein Gesicht war nicht ganz unbekannt und zugleich respektiert, auch wenn die Blicke, vor allem die der alten Kameraden, voller Misstrauen waren. Instinktiv legte Farael einer seiner Hände auf den Knauf seines Schwertes. Jeder sollte unmissverständlich wissen, dass er sich zu behaupten wusste und jede Provokation nicht ungesühnt bleiben sollte. Meistens zog diese Geste auch. Genau wie an diesem Tag, an dem er ein weiteres Mal unbehelligt die Oberstadt hinter sich lassen und schlussendlich auf das Stück Land zwischen dem Viertel der Reichen und dem Söldnerlager treten konnte.


    Die Atmosphäre wechselte erneut. Das leise Getuschel der selbsternannten Könige verstummte. Die Vögel waren deutlicher zu hören, während die Gerüche des Meeres und die der Wälder im Norden aufeinandertrafen. Eine herrliche Mischung, die dem Tag eine frische Abwechslung verlieh. Der Anblick von Obenza weg war wunderschön. Weite, unbebaute Landstriche. Dar einzige Makel prangte mitten auf einer schönen Fläche, auf der sicherlich einmal eine Weide gewesen war. Ein großer schwarzer Fleck, welcher das Söldnerlager darstellte, ruinierte das Gesamtbild. Doch gingen die Pläne Faraels auf, sollte dort wieder ein prächtiges Bollwerk der Söldner stehen. Bis dahin war es allerdings ein weiter Weg.


    Als Farael dem Lager näherkam, schien alles so belassen, wie er es mit den Söldnern Sodo, Bolgur und Cherax hinterlassen hatte. Ganz zu seiner Freude, schien sich niemand die Aufräumarbeiten zum Anlass genommen zu haben, seine Zelte dort aufzuschlagen. Farael hatte bereits befürchtet, Obdachlose oder Streuner von diesem Ort wegscheuchen zu müssen. Jedoch war ebenso nichts von den Söldnern zu sehen, mit denen er gemeinsam aufgeräumt hatte. Ungewöhnlich war es schon, da sie die Erlaubnis hatten, sich im Lager niederzulassen. Die Ruhe die Farael dadurch gewann, bot im Gegenzug auch eine Möglichkeit, sich ungestört die Dokumente anzusehen.


    Schnurstracks marschierte Farael auf das weitestgehend intakte Verwaltungsgebäude zu. Letzten Endes wollte er nicht mehr Zeit an diesem Ort verbringen, als es erst einmal nötig war. Rein, neue Dokumente sichten und mitnehmen, worauf er sich auf den Heimweg machen konnte. Ruhigen Schrittes betrat er den Verwaltungstrakt. Ein langer Gang erstreckte sich vor ihm, welcher von den Sonnenstrahlen erhellt wurde, die durch die Fenster zu seiner Rechten schimmerten. Im Schein des Lichtes erkannte er den Staub, der durch den Raum zu gleiten schien. Auch wenn der Verwaltungstrakt intakt war, sauber machen musste dennoch jemand. Irgendwann mal. Definitiv aber nicht Farael. Es ärgert ihn schon immer genug, wenn er sein haus auf Vordermann bringen musste. Ana würde sicherlich noch ihre grauen Haare mit ihm bekommen, wenn sie sich an ihn gewöhnte. Unweigerlich musste Farael auf diesen Gedanken grinsen. Sie sollten noch viel Spaß miteinander haben.


    Die Schritte Faraels hallten durch den Gang. Seine Stiefel ließen bei jedem Tritt nach vorn einen Knall ertönen der durch den gesamten Trakt zu hallen schien. Den Blick nach links gerichtet, suchte Farael die Tür des Archivs und wurde bald fündig. Als er jedoch die Hand auf die Klinke legte, überkam ihm plötzlich ein Kribbeln in seinem Bauch. Farael hielt inne. Sofort richtete er seinen Blick auf, blickte zu beiden Seiten in den Gang. Neben dem Tanz des Staubes war jedoch nichts zu sehen. Dennoch hatte er das Gefühl, dass etwas nicht stimmte. Allerdings konnte das nicht sein. Auch wenn ihm sein Job gelehrt hatte, stets auf sein Bauchgefühl zu hören, schüttelte er mit dem Kopf und damit den Gedanken ab. Wer sollte schon an diesem Ort sein? Für Plünderer gab es an diesem Ort nichts mehr. Schließlich drückte er die Klinke herunter und trat in das Archiv ein.


    Aktenschrank für Aktenschrank reihten sich in den Raum hinein. Sie standen still und stramm, wie die Soldaten zu morgendlichen Appell. Als Farael zuletzt in diesem Raum gewesen war, hatte er gedanklich die Lage potentiell wichtiger Dokumente und Akten kategorisiert. Nichts war schlimmer, als sich ein weiteres Mal durch die Papierberge und das System zu arbeiten. So konnte Farael einfach auf die Reihe der Schränke zugehen, in dem die Objekte seiner Begierde waren, diese entnehmen und zum Schreibtisch bringen, der sich inmitten des Urwaldes aus Behältnisses versteckte. Auf diesem breitete er die Dokumente auf und sah hinein.


    Das erste und wichtigste Stück, welches er für die Mitnahme beiseitelegte, war die Besitzurkunde für das Söldnerlager. Oder besser, die Besitzurkunde für den Grund und Boden, auf dem das Lager stand. Beziehungsweise dessen Ruinen. Dann folgten Schriftstücke, die von der Kommunikation mit der Obrigkeit Obenzas zeugten. Nichts wäre unpraktischer, als eine korrupte Führung der Stadt, die sich in die Geschäfte des Lagers einmischte. Aus diesem Grund wollte Farael sichergehen und wissen, wie die Stadt mit dem Lager bisher umgegangen war. Nicht, weil er sich vor der Obrigkeit fürchtete, sondern weil er sie einschätzen wollte. Sei deinen Freunden nahe, deinen Feinden noch näher.


    Plötzlich riss ein Scharren Farael auf seinen Gedanken. Sein Kopf schießt nach oben und er dreht sich um. Mit der Hand auf dem Schwert blickt er durch den Raum. Die Neugier war der Katze Tod. Entgegen dieser Erkenntnis zog Farael sein Schwert ein Stück aus der Scheide und begann, nach rechts zu laufen. Er fixierte den Blick auf die Reihen an Schränken und deren Durchgänge. Gang für Gang lief er langsam ab, doch fand auf dieser Seite des Raumes nichts. Augenblicklich kehrte das Bauchgefühl zurück, welches Farael vor der Tür verspürt hatte. Trappeln auf Holz. Dann ein weiteres Scharren. Farael wirbelte herum.


    Gerade noch zog er sein Schwert und wirbelte herum, um seine Klinge zwischen sich und einem schwarzen Schatten zu bringen. Zwei Arme, die mit ihren Händen einen Dolch fest in der Hand hielten, schlugen gegen die flache Seite Faraels Schwertes. Die Spitze knapp vor der Nase Faraels. Instinktiv trat er den Angreifer von sich weg und verschaffte sich Raum. Dieser taumelte zurück, fing sich jedoch schnell und ging in eine niedrige Abwehrhaltung. Ohne Farael die Möglichkeit eines Gegenschlages zu lassen, preschte der Angreifer vor. Bevor Farael reagieren konnte, bohrte sich ein Ellenbogen in seine Magengrube. Eine Welle des Schmerzes ließ seinen Körper krampfen und Übelkeit überkam ihn. Doch sah er das Blitzen, welches nachziehen sollte. Farael riss sein Schwert nach oben. Dann traf Metall auf Metall. Ein Klirren erfüllte den Raum. Sofort spannte Farael seine Beine an, sprang dem Angreifer mit der Schulter entgegen und traf diesen gegen die Brust. Ein Keuchen entfuhr der Gestalt. Ein weiteres Mal taumelte sie zurück, doch brauchte sie offensichtlich länger, um sich zu erholen.


    Darauf erhaschte Farael einen Blick auf sein Gegenüber. Eine Gestalt, komplett in schwarzer Rüstung gehüllt. Ihr Kopf war durch eine Kapuze vor Blicken geschützt, der Mund und die Nase mit einem schwarzen Tuch bedeckt. Das war die Person, die er vor seinem Fenster gesehen hatte! Sofort klingelte etwas in ihm: die schwarze Kompanie! Den Moment der Stunde, die der Angreifer zur Ruhe nutzen musste, nutzte Farael für einen Gegenschlag. Sein Schwert in beide Hände nehmend, stach Farael gerade nach vorn. Doch der Attentäter sprang zurück, entging knapp seinem Tod. Farael hatte ihn zurückgedrängt. Sein Schwert hob er mit beiden Händen rechts neben seinen Kopf und ließ die Spitze auf den Angreifer zeigen. Nun war er in Angriffsposition.


    Schließlich ging alles schnell. Farael täuschte einen weiteren Stich an. Die Gestalt wich zur Seite aus. Augenblicklich griff Farael mit der Linken in die Fehlschärfe seines Schwertes. Mit einem Satz nach vorn, schlug er dem Attentäter mit der Parierstange in den Halsbereich. Ein schriller Schrei erhellte den Raum. Die Gestalt verlor die Balance und landete mit dem Bauch voran auf dem Boden. Zeit zum Zögern gab es nicht. Farael setzte nach. Mit einem kraftvollen Stich von oben, durchbohrte er den Rücken des Angreifers. Ein weiterer Schrei ertönte. Dieser war eindeutig weiblich, hielt Farael jedoch nicht von der Vollführung seines Todesstoßes ab. Sofort wurde der Schrei unterbrochen, als Farael mit dem rechten Fuß in das Genick des Angreifers stammte. Ein entsetzliches Knacken ertönte. Dann war es still.


    Langsam trat Farael von der Leiche und entfernte die Klinge aus ihr. Mit dem Fuß drehte er sie auf den Rücken, während er sein Schwert verstaute. Sofort griff er zur Maskierung und zog sie vom Gesicht. Darunter kam ein durchaus hübsches Gesicht hervor. Eine Almanin, wie Farael vermutete. Ihre Augen weit aufgerissen, der Mund offenstehend. Sie hatte sich ihren Job sicherlich einfacher vorgestellt. Farael hingegen seufzte. Sorgfältig tastete er den Leichnam ab, fand bei ihr jedoch nichts, was auf ihre Identität oder Zugehörigkeit hinwies. Ihrer Rüstung nach zur urteilen, musste sie eine Attentäterin der schwarzen Legion sein. Doch es ergab keinerlei Sinn. Woher wussten sie, dass Farael an diesem Ort war. Für einen Moment kam ihm der Kampf in einer der Gassen Obenzas in den Sinn, doch dort hatte er keine Zeugen der schwarzen Kompanie übriggelassen. Farael beschloss, so schnell wie möglich das Lager für das Erste zu verlassen. Die Leiche warf er achtlos aus dem Fenster heraus. Um die konnte er sich später noch kümmern. Darauf sammelte er die Dokumente ein, die er hatte mitnehmen wollen und verließ auf kürzestem Wege das Lager. Noch immer war ihm das Geschehene ein Rätsel. Eine dunkle Ahnung in ihm sagte, dass es womöglich der Anfang von etwas Größerem war. Dieser Gedanke gefiel Farael nicht.


    Der Weg zurück zu seinem Haus, kam Farael wesentlich kürzer vor, als der Hinweg. Vermutlich lag es daran, dass er ein wenig gehetzt war. Immer wieder erwischte er sich dabei, sich misstrauisch umzusehen und seinen Gang zu beschleunigen, wenn er das Gefühl bekam, jemand sei hinter ihm. Allein dieser Angriff hatte ihm Angst eingejagt. Nicht einmal seinetwegen, schließlich war er wehrhaft, doch was sollte geschehen, wenn man etwas über Ana herausbekam? Zu diesem Zeitpunkt wusste Farael bereits, dass er sich niemals hätte verzeihen können, wenn dieser etwas zugestoßen wäre. Ganz zu schweigen von dem Kind, welches sie in ihrem Leib trug. Er musste vorsichtig sein und die Lage beobachten. Eigentlich war er nicht der Mann dafür, Fremden gegenüber misstrauisch zu sein, doch der Überfall hatte dieses Denken umgeworfen. Weder hatte er jemanden, den er in diesen Belangen zu Rate ziehen konnte, noch gab es Anhaltspunkte, woher die Attentäterin gekommen war. Obendrein musste er Ana aus der gesamten Sache heraushalten. So konnte er das Risiko minimieren, dass sie in eine Sache mit hereingezogen würde, welche sie in keiner Weise betraf. So leid es ihm auch tat, doch musste Farael voraussichtlich belügen, um sie zu schützen.


    Mittlerweile war es kurz nach der Mittagsstunde, als Farael zurück an seinem Haus eintraf. Wie vermutet, war Ana noch nicht zurückgekehrt. Offenbar war sie entweder noch auf der Suche nach einer Möglichkeit des Auftritts, oder sie verhandelte in diesem Moment ihre Gage. „Oh Ana, wenn du nur wüsstest“, flüsterte Farael vor sich her, als er an seine Geliebte dachte. Während sie sich einen Auftritt suchte, hatte Farael mit Auftragsmördern und seiner Vergangenheit zu tun, die ihn mehr als nur gedanklich einholte. Was sie dazu wohl sagen würde? Begeistert sollte sie wohl kaum sein, so viel stand fest. Auch wenn Farael sich vorgenommen hatte, ihr davon niemals zu erzählen. Zugleich fühlte es sich schlecht an, sie auf diese Art und Weise zu belügen. Allein der Gedanke brachte ihm Unwohlsein. War er es nicht, der ihr gepredigt hatte, dass sie sich einander anvertrauen können? Jeder hatte seine Geheimnisse. Im Falle von Ana war es nichts, was sie real bedrohte. Doch bei Faraels Geheimnissen?


    In diesen düsteren Gedanken zu verschwinden, sollte keinesfalls die Lösung bleiben. Auch wenn er wusste, dass der Moment kommen sollte, an dem er es ihr sagen musste, wollte er es in diesem Augenblick verdrängen. Beinahe aus Affekt griff er zu einer seiner Flaschen Whisky und nahm einen kräftigen Schluck. Eigentlich war der edle Tropfen zu schade, um sich damit zu besaufen, doch es erfüllte seinen Zweck. Erst als er die Flüssigkeit brennen die Kehle hinabgleiten spürte, gelang es ihm, sich der Gedanken zu entledigen. In den Vordergrund trat sein Hunger, aber auch die Arbeiten und das Training, welches er sich vorgenommen hatte.


    Zu allererst schälte sich Farael aus seiner Rüstung, legte die Waffen ab und sammelte die schmutzige Kleidung auf, die Ana und er im Haus hinterlassen hatten. In mühevoller Arbeit wusch er diese und hängte sie zum Trocknen auf. Darauf folgte sein Training, eine Kombination aus verschiedensten Leibesübungen, wie Liegestütze, Ausfallschritte und Klimmzüge badete seinen Körper in Schweiß. Als er sich selbst im Wasser der Zuber betrachtete, mit dem er sich waschen wollte, musste Farael grinsen. Zu gut wusste er, wie Ana es gefiel, wie er seinen Körper formte. Natürlich war es ein Nebeneffekt des Söldnerdaseins, aber wenn das ein netter Bonus war, konnte man diesen durchaus mitnehmen. Und da die Söldnerarbeit ein wenig schleifte, musste er sich auf andere Art und Weise fit halten. Obendrein wusch er sich penibel und rasierte sich frisch, nur um schließlich im Haus auf Dörrfleisch und altem Brot herumzukauen. Doch es reichte. Ganz nebenbei ging er die Unterlagen durch, die er aus dem Söldnerlager mitgenommen hatte. So merkte Farael gar nicht, wie der Tag sich dem Ende neigte und die Dämmerung einsetzt. Erst als Ana in das Haus zurückkehrte, sollte er aus seiner Konzentration gerissen werden.

  • Obenzas Markt stellte einen, wenn man es sich leisten konnte oder ein geschickter Dieb war, vor die Qual der Wahl. Die unzähligen Kulturen in der Stadt sorgten für ein breites Band an Waren und Speisen. Schon vormittags rauchten die Öfen und es roch nach gebratenem Fisch und Fleisch, Suppentöpfe schaukelten verführerisch über ihrer Glut und daneben gab es die gesamte Palette an kalten Köstlichkeiten. Gebäck, Pasteten, Käse und Wurst, Obst und Gemüse, Nüsse, Trockenfrüchte und Dörrfleisch. Obwohl Ana der Magen krachte, konnte sie sich nicht recht entscheiden. Neben den Lebensmitteln studierte sie auch deren Verkäufer genaustens. Sie achtete darauf, wer wohl genährt und betucht aussah, wer seine Kunden übers Ohr haute und wer grob mit seinen Handlangern umging. Dies waren ihre Opfer. Nach zwei Runden durch die engen Gassen des Marktplatzes hatte Ana sich entschieden. Sie ging nicht weit hinter einer Patrouille der Stadtwache, um sicher zu gehen, dass die Luft hinter ihr rein war und auf diese Weise kam sie schnell zu einem warmen Rosinenbrot und zwei saftigen Pfirsichen. Das sollte reichen. Das Glück blieb ihr hold, als sie einen Taler auf dem Boden fand. Sie schnippte ihn in die Luft und bahnte sich den Weg zu einem Teehändler, den sie gerne hatte.
    "Ana!", grüßte er sie freundlich. "Du strahlst so!"
    "Ich.. wirklich?" Ana spürte, wie sich ein Grinsen auf ihr Gesicht stahl, ohne, dass sie es hätte verhindern können.
    "Aber ja! Einem alten Recken wie mir kannst du in dieser Hinsicht vertrauen. Frisch verliebt?"
    Das Grinsen verblasste.
    "Schon gut, schon gut. Geht mich nichts an. Aber es steht dir." Er zwinkerte. "So... was kann ich für dich tun?"
    "Hast du etwas Feines von den Rabeninseln für mich?"
    "Ana...", er sah sie vorwurfsvoll an. "Was denkst du von mir? Selbstverständlich!"
    Zielstrebig ging er ein paar Schritte nach links und wies auf die Schälchen, die hauptsächlich dunkle, erdfarbene Tees enthielten. "Da hätten wir Morgendunst, Kapitäns Stolz, Meerestiefe..." Als er zu Ana aufsah, weiteten sich seine Augen.
    "Was ist?"
    "Bitte sag mir, dass du nichts angestellt hast... zwei Männer von der Wache kommen direkt auf uns zu... und bei ihnen ist ein dicker Kerl, der in deine Richtung zeigt und schimpft wie ein Rohrspatz."
    Verdammt... "Ich glaube ich möchte doch keinen Tee kaufen."
    Ana wandte sich zur Seite, um im Gedränge einer kleinen Marktgasse zu verschwinden, doch auch in dieser Richtung sah sie Wächter, die wegen des Geschreis des Händlers schon aufmerksam die Menge absuchten. Ana fuhr herum. Der Weg zu ihrer Rechten war viel zu breit, um schnell in die Menge abzutauchen, doch was blieb ihr schon für eine Wahl?
    "Das ist sie ganz sicher!", echauffierte sich der Händler. "Elendiges Pack! Bringt mich noch in den Ruin."
    Viel zu nah, dachte Ana. Sie hatten sie schon fast erreicht und sie brauchte sich nicht umzusehen, um zu wissen, dass auch sich die anderen beiden Wächter in Bewegung gesetzt hatten. Zügigen Schrittes ging sie durch die lockere Menschenmenge. Wenn sie rannte, wüsste jeder hier, dass sie die Gesuchte war und was taten die Leute Obenzas nicht alles für ein bisschen Kupfer aus den Taschen der Stadtwache... Lautes Rattern von hinten kündigte ein Fuhrwerk an. Das konnte ihre Rettung sein.
    "Vorsicht! Aus dem Weg! Platz machen!", brüllte der Wagenlenker in monotonem Singsang. Doch Ana dachte nicht daran. Sie hoffte, der Mann würde seine Pferde abrupt abbremsen müssen, sodass sein Karren ins Schlingern geriet und vielleicht sogar kenterte. In diesem Durcheinander konnte sie dann das Weite suchen.
    "He! Weg da! He! Weibsbild!"
    Etwas packte Ana am Arm und zog sie zur Seite.
    "Was zum..."
    Ana fand sich Angesicht zu Angesicht mit einem jungen Mann.
    "Vorsicht, meine Schöne. Beinahe wärt Ihr von einem Karren überrollt worden."
    "Du Idiot!", fuhr Ana auf. "Das hatte ich vor!" Ihr Blick flog nach links, wo der dicke Händler mit vier Wächtern auf sie zu eilte.
    "Oh..." Die Erkenntnis stand ihrem vermeintlichen Retter ins Gesicht geschrieben. "Ich regle das", sagte er bestimmt. "Geht einfach weiter."
    Ana zog die Augenbrauen zusammen, doch was blieb ihr schon übrig? Schnell wandte sie sich ab.
    "Sinbert?", rief der junge Mann da aus. "Du bist es! Wahrhaftig! Wie lang mag das her sein? Jahre!"
    "Sie entkommt!", rief der aufgebrachte Sinbert.
    "Na, na die Herren", beschwichtigte der Fremde und dann war Ana außer Hörweite. Schnellstmöglich stahl sie sich vom Marktplatz. Soweit käme es noch... wegen einem lausigen Brot und etwas Obst von der Stadtwache eingesperrt zu werden.
    Ana beschloss, direkt mit der Arbeitssuche zu beginnen. Je früher, desto weniger Plätze wären schon vergeben und desto größer die Chance, den ein oder anderen Wirt davon zu überzeugen, dass er unbedingt Musik für sein Abendprogramm brauchte.
    "Ich denke ein Dank wäre angebracht."
    Ana erstarrte mitten im Schritt.
    "Keine Sorge. Ich habe keine bösen Absichten."
    Langsam drehte Ana sich um und sah zum zweiten Mal in das Gesicht des Jünglings, kaum älter als 20. Seine Kleidung verriet seinen Wohlstand. Er trug elegante Stoffhosen, dazu ein Hemd und eine grüne Samtweste, in deren Brusttasche ein Taschentuch steckte.
    "Wenn Sie von Sinbert gestohlen haben, sind wir auf der selben Seite. Und Sie haben doch von ihm gestohlen, oder nicht?"
    Ana musterte ihn misstrauisch, während er einfach weiter sprach.
    "Was war es? Ein Weizenkorn? Sogar dafür würde er einem Hungernden die Wache auf den Hals hetzen. Dabei würde das ein oder andere Korn weniger seine Fülle nicht schaden. Aber - wie unfreundlich von mir. Ich habe mich gar nicht vorgestellt. Eden von Graustein, sehr zu Ihren Diensten, ...?"
    "Ana", entgegnete sie schlicht.
    Der junge Mann musste neu in Obenza sein. Und wenn er nicht aufpasste, war er Kanonenfutter. Vermutlich ein Sohn reicher Eltern, dachte Ana.
    "Ihr seid eine Norkara, nicht? Vom Möwenstamm?" Er lächelte. "Eure Kette verrät es und Eure Tätowierung. Mein Vater hat ein Handelsschiff. Wir wissen, wer auf dem Wasser sein Unwesen treibt." Verschmizt zwinkerte er Ana zu, die ihn überrascht ansah.
    "Ihr seid nicht die erste, die mich unterschätzt", fuhr er fort, als hätte er ihre Gedanken gelesen. Obwohl er sehr von sich überzeugt schien, wirkte er sympathisch.
    "Darf ich ein Stück mit Euch gehen?"
    Ana willigte ein, obwohl sie noch nicht sicher war, was er von ihr wollte. Sie würde vorsichtig sein.
    Eden sprach ohne Punkt und Komma und Ana hörte die meiste Zeit zu. Er wolle ein großes Haus in Obenza erstehen, um sich ein eigenes Standbein aufzubauen. Endlich wollte er unabhängig von seinem Vater sein. Und so weiter und so fort. Trotzdem war es angenehm, ihm zu lauschen.
    "Und Ihr?", fragte er schließlich aus heiterem Himmel. Noch immer siezte er sie höflich. "Was treibt Ihr in dieser aufregenden Stadt?"
    "Ich bin Musikerin."
    "Oh tatsächlich? Ich liebe Musik! Welcher Art ist Eure?"
    "Ich spiele die Laute und singe dazu. Das Instrument habe ich selbst gebaut."
    "Ganz fantastisch! Sagt, könnte ich einmal in den Genuss kommen, Euch zu lauschen? Wann spielt Ihr wieder?" Seine Augen glitzerten.
    "Eigentlich suche ich gerade nach einer Taverne, die mich anheuert."
    Er klatschte in die Hände. "Was für ein Zufall! Ich wohne im Gasthaus "Goldenes Rad" und gestern Abend war es dort so trist ohne musikalische Unterhaltung! Kommt mit mir! Ich kann Euch mit Sicherheit einen Auftritt verschaffen!"
    Völlig verdattert folgte Ana dem aufgeweckten Eden in die besseren Viertel Obenzas. Der Wirt des Goldenen Rads war schnell überzeugt, nachdem Ana eine Kostprobe ihrer Musik zum Besten gegeben hatte und sie konnte ihr Glück kaum fassen. Dass sie Farael hatte Bescheid geben wollen, war in der all der Aufregung und Vorfreude vergessen.

    Whisk(e)y ist flüssiges Sonnenlicht
    ~ George Bernard Shaw ~