Die Trinität Dun-Haru-Mar und Archibald

  • Die Trinität - Dun-Haru-Mar und Archibald


    11.08.203 n.d.A. Die Beißer Kapitel 5, Heimkehr nach Souvagne,
    Magische Mitreisegelegenheit



    Er verharrte vor dem geschändeten Altar, harrte aus und wartete auf die Wiederkehr seines Mündels. Es schien ihm, als wäre es Äonen von Jahren her, als er das erste Mal hier unten gestanden hatte. Nichts weiter als ein sehr einsames, dummes, neugieriges Kind war er gewesen. Ainuwar hatte weder seine Gebete erhört, sich offenbart, noch ihm jemals eine Antwort auf seine Frage geliefert. Sie war schlicht gehalten, beinhaltete aber seine zerstörte Welt. Die Frage lautete – Warum?


    Warum hatte ihn seine Mutter direkt nach der Geburt weggegeben und von einer Amme aufziehen lassen?
    Warum wurde er als Kleinkind jener Amme, die ihn liebte und die er liebte, wieder abgenommen?
    Warum fühlte er sich ständig hol und leer, wie ein Gefäß, für das es keinen passenden Inhalt gab?
    Warum war er überhaupt auf die Welt gekommen, wenn ihn niemand haben wollte?
    Und warum hatte ihn der einzigen Person entrissen, bei der dies genau anders war?


    Warum… eine Frage für tausend Fragen, ein endloses Spiel, voller quälender Gedanken die er nicht aussprach. Nicht aussprechen konnte, ohne in einen Gemütszustand völliger Desorientierung zu geraten.


    Es war wieder einer dieser unsagbar langweiligen Tage gewesen, an denen Dunwin trainierte und er im Herrenhaus stromern ging. Sein Gastgeber Alastair von Hohenfelde hatte nichts dagegen, oder er hatte einfach kein Interesse, die Neugier seines kleinen Permanent-Besuchers einzudämmen. Vielleicht fand er es auch ganz unterhaltsam und hoffte, dass er vom Haus verschluckt wurde, wie es einigen hier ergangen war. Aber im Gegensatz zu den normalen Besuchern, die schon beim Betreten des Herrenhauses mit den Knien schlotterten, liebte Archibald die alten, kalten, finsteren Mauern.


    Er fühlte sich in dem Herrenhaus geborgen. Dem einen war die Dunkelheit ein Feind, für ihn war sie ein schützender Freund. Sie verbarg ihn, schützte ihn vor seinen Anfällen und irgendwann wurde sein Geist scheinbar eins mit ihr. Ihm war es Recht, er hatte dem Licht nichts abzugewinnen, es bedeutete Gefahr und Schmerzen.


    An jenem besonderen Tag, entdeckte er auf seinen unermüdlichen Streifzügen das Siegel. Die Wände des Hauses verschoben sich, was einem gerade noch als offener Weg präsentiert wurde, war Sekunden später eine Sackgasse. Manch einer war schon hier verzweifelt, dem Wahnsinn verfallen oder gestorben, da er nie wieder hinaus gefunden hatte. Für Archibald waren die sich verschiebenden Wände ein wundervolles Rätsel. Ein Labyrinth mit dem man spielen konnte, was scherte es ihn, dass sein einziger Spielkamerad ein uraltes Haus war?


    Das Siegel war nichts weiter, als eine zusätzliche Spielerei, ein neues Rätsel, vor das ihn sein Freund das alte Haus stellte. Archibald liebte Spielzeuge jeder Art, besonders mechanische und technische hatten es ihm angetan. Und so saß er stundenlang zufrieden vor dem Siegel, in fast absoluter Schwärze und knobelte. Als sich das Siegel hob, schaute er in ein tiefes schwarzes Loch, dem Abgrund gleich. Die Finsternis war durchdringend und streckte ihre schwarzen Hände einladend nach ihm aus. Archibald sprang in die Tiefe und wurde mit einem weiteren Rätsel belohnt. Einer Tür, hinter der sich nichts weiter verbarg als tausende Falschen. Das wundervolle an den Fläschchen war, dass Geister darin herumschwebten. Sorgsam stellte er sie zurück, denn er sah auf den ersten Blick, dass es sich hier um eine liebevoll gepflegte Spielzeugsammlung halten musste.


    Der junge Archibald verließ den Raum, auf dem gleichen Weg, wie er ihn betreten hatte. Erneut ein Rätsel, es war leicht zu lösen.
    Man musste es einfach nur erweitern


    333 und Du bist frei.
    666 und ab ins Versteck´s.
    999 und Du kannst bei uns sein…


    Eine witzige Eselsbrücke, auch wenn sie sich nicht ganz reimte.


    Nachdem er den Raum hinter der Tür mit dem Stern betreten hatte, blieb er erführchtig stehen. Der Raum war wie eine dreiblättrige Blume angelegt. Die runden Alkoven bildeten in der Mitte eine Erhöhung wie der Stempel der Blüte. Auf dieser Empore thronte ein schwarzer Altar, der die gleiche Form in Miniatur wiederspiegelte, die der gewaltige Raum vorgab. Auf dem Altar lagen drei Männer, ihre Köpfe trafen sich in der Mitte des Altars, so als ob sie einen Traum teilen wollten. In den Alkoven des Raumes standen seltsame Apparaturen, die Archibald vorher noch nie gesehen hatte. Dicke Leitungen gingen von seltsamen Tanks ab und kamen vor dem Altar wieder aus dem Boden. Die drei Männer auf dem Altar waren jeweils einen Altarflügel und somit einem bestimmten Alkovenflügel angeschlossen. Untereinander waren sie ebenfalls durch eine Vielzahl kaum überschaubarer Leitungen verbunden.


    Das Ganze erinnerte Archibald an eine Blume in einem Spinnennetz. Vorsichtig malte er die Leitungen nach, aber er konnte nicht ergründen welchem Zweck sie dienten. Also schaute er sich die Tanks an. Er stellte sich auf die Zehenspitzen um in einen der großen Messingstanks hineinschauen zu können. Der obere Glaskörper war jedoch zu weit entfernt, als dass er einen Blick hätte hineinwerfen können. In dem Moment wo er sich zurück auf die Fersen sinken ließ, spürte er, dass er nicht mehr allein im Raum war.


    Jemand, besser gesagt Etwas war anwesend.


    Arch drehte sich in Zeitlupe um. Über den drei Körpern in der Mitte des Raumes schwebte eine Gestalt über dem Altar. Hunderte weiße, leuchtende Fäden schlängelten sich aus dem Rücken und dem unteren Ende der Wesenheit. Eine seltsame Leuchtkraft ging von diesem Geschöpf aus, einem Paradoxon gleich, absorbierte sein Strahlen sämtliches Licht und schenkte Finsternis. Die Erscheinung war im permanenten Wandel wie fließendes Wasser. Es bestand aus drei Wesenheiten, von denen sich eine stets völlig materialisierte und mit Gesicht zeigte.


    Archibald fiel auf die Knie und zitterte hemmungslos.
    Aber im Gegensatz zu all den anderen, die jemals einen Blick auf diese Erscheinung erhaschen mussten, zitterte er nicht aus Angst.
    Er lag nicht im Staub und bettelte um sein Leben.


    Er betete!


    Er lag dort, hatte sein Gesicht abgewandt, weil er niemals zuvor in seinem Leben etwas Schöneres und Erhabeneres gesehen hatte als diese Erscheinung. Der Blick der Wesenheit wandelte sich von erbost in neugieriges Erstaunen.


    Es schwebte näher… berührte ihn… segnete ihn….
    Und beantwortete all seine Fragen nach dem Warum…
    Sogar wer und was es war…


    Sie waren die Ältesten…
    Sie hatten den wahren Pfad der Tugend erschaffen…
    Sie verkörperten die Dunkelheit und ein jeder Ältere repräsentierte eine der Drei größten Tugenden…


    Hinterhältigkeit…
    Reichtum…
    Mord…


    All dies galt es sich anzueignen, wenn man dem Weg der Älteren folgten wollte. Sie waren hart, sie waren grausam, sie waren brutal aber sie waren auch gütig, anerkennend, liebend und schützend. Ihre Verehrung versprach grenzenlose Macht und ebensolchen Beistand, dafür erwarteten sie unumstößliche Loyalität und Treue.


    Der mächtigste Älteste unterhielt sich lange mit ihm. Augen so hell und kalt wie Packeis leuchteten wie zwei kleine blaue Sonnen in seinem Schädel, die langen tintenschwarzen Haare nichts Dunkelheit und Rauch die seine Schultern umwabberten. Der Älteste sprach mit den vertrockneten Lippen eines Jahrtausende alten Greises, aber die Zähne dahinter waren so weiß und scharf, wie die eines Hais. Die Arme des Ältesten waren ungeheuer lang und mit seltsamen Runen bedeckt. Seine Nägel verdienten diese herabwürdigende Bezeichnung nicht, es waren messerscharfe Klauen.


    Aber nichts was im Leben von Wert war gab es umsonst, erklärte der Älteste.


    Zähne und Klauen mussten sich ihre Anhänger verdienen, dass Rüstzeug um in einer Welt voller Beute zu bestehen, musste man sich selbst zu einem Jäger erheben. Und man musste sein Fell, seine Haut für andere Jäger kenntlich machen. Denn nichts war eine größere Schande, als wenn ein Jäger einen anderen Jäger jagte.


    Archibald saugte jedes Wort und die kleinste Aufmerksamkeit des Ältesten auf, er glaubte…


    …Heute waren die Ältesten keine Glaubensfrage mehr, sondern eine festzementierte Tatsache in seinem Verstand. Die Grundfeste seines Verstandes war an diesem Tag erschüttert worden, als man den Tempel der Ältesten geschändet hatte.



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