Davet und Vano – Väterlicher Verrat - 188 n.d.A.

  • Davet und Vano – Väterlicher Verrat - 188 n.d.A.



    "Foufou schläft noch und Du hattest mir versprochen mir die Geschichte zwischen Dir und Deinem Vater zu erzählen", sagte Vano und kraulte Davet.
    "Du wolltest es doch deuten, reicht das nicht?", fragte Davet und streichelte Vano.


    "Gut. Dann deute ich das mal. Schreib mir schon mal seinen Namen und seine Adresse auf und gib mir von ihm ein Bild, dann hab ich es leichter. Ganz ehrliche Ansage, Du bist geflohen weil er Dich geschlagen hat. Und er hat Dir zuerst eine geklatscht oder?


    Wenn Du sauer wirst lässt einen einfach stehen. Du versuchst erst zu diskutieren, genau wie ich. Heißt im Umkehrschluss für mich, er hat Dich angegriffen und Du hast Dich gewehrt.


    Wenn Du Dich überhaupt gegen ihn gewehrt hast oder wehren konntest. Ich meine dass jetzt nicht fies, aber ich denke er hat Dich eingesackt im Kampf. Du bist gut, aber Du bist Soldat und kein gedrillter Assassine oder was immer er war. Du deutest es ja nur an, was Dein Vater beruflich gewesen ist.


    Du kannst kämpfen, ohne Frage. Aber konntest Du das damals auch? Jetzt würde ich behaupten ja, eindeutig, Du kannst kämpfen und Dich gut zu Wehr setzen, aber seine Art zu kämpfen ist nicht Dein Fachgebiet. Wenn er es richtig gut drauf hat, hat er Dich fertig gemacht.


    Er war größer als Du, somit genießt er den Vorteil der Reichweite.
    Er war schwerer als Du, somit hat er den Vorteil Dich unten halten zu können.


    Glück für Dich, wenn Ihr eine Familie seid und wie Pech und Schwefel zusammenhaltet.
    Scheiße sobald wenn Ihr zu Feinden werdet. Warst Du jemals wieder Zuhause? Bitte beantworte das“, bat Vano ernst.


    „Nein war ich nicht und ich werde auch nie wieder dahin zurückkehren. Das kann ich Dir schwören. Rest - stimmt. Ich erzähle es Dir Kleiner. Er hat mich zusammengeschlagen und das wegen meinem Wunsch zur See zu fahren. Total verrückt! Der Kerl hat mich Krankenhausreif geschlagen und ich habe ihm die Nase gebrochen. Das muss Eindruck hinterlassen haben, ein einziger Hieb der ankam.


    Was er beruflich war, kann ich Dir nicht eindeutig beantworten. Er ist so etwas wie ein Himmelsauge gewesen. Wir Seesoldaten sind mit denen nicht zu vergleichen. Sie kämpfen im Dienst zudem mit Waffen und Magie. Aber Magie hat er nicht gegen mich angewandt, soviel Anstand schien er noch zu haben. Aber eines war klar, er schlug hart, schnell, treffsicher und gnadenlos zu.


    Ich war noch eine Sprotte, ein Jugendlicher und ich gab alles was ich hatte. Der Kerl hat mich aufgemischt und ich konnte es nicht verhindern.


    Das Nein zur Seefahrt von meinem Vater sah wie folgt aus - mehrfach gebrochene Nase, eingeschlagene Kauleiste, zig Brüche und Frakturen, Milzriss und überall Blut.


    Seiner Meinung nach hätte ich ihn kein zweites Mal für den Scheiß um Erlaubnis fragen dürfen. Weißt Du, als ich floh und wenig später im Krankenhaus lag ist mir etwas bewusst geworden -
    Freiheit ist nutzlos, wenn Du niemanden hast. Ich hatte niemanden", erklärte Davet leise.

    Silvano nickte traurig. Er lag gemütlich in Davets Armen und mummelte ihn fest mit in die Decke ein. Liebevoll strich er ihm die wilden widerspenstigen Locken aus dem Gesicht und rutschte näher. Davet schmunzelte trotz des ernsten Themas gut gelaunt und küsste Mancini, während er ihn zärtlich kraulte.

    „War er immer so zu Dir, oder nur als Du darum gebeten hattest zur See fahren zu dürfen?“, hakte Silvano nach.
    „Er war immer ein harter Mann, hart zu sich, zu seinen Leuten und zu mir. Ich war froh, wenn er nicht Zuhause war“, antwortete Davet und legte seinen Kopf auf dem von Vano ab.

    „Was war mit Deiner Mutter?“, fragte Vano und spielte mit Davets Haaren.


    „Meine Mutter kenne ich nicht Vano und habe sie auch nie kennengelernt. Ich weiß nicht einmal ihren Namen oder wie sie aussah. Ich weiß gar nichts von ihr und ich habe nur ein einziges Mal nach ihr gefragt. Die Antwort war eine Tracht Prügel, also stellte ich die Frage kein zweites Mal.


    Ich bin bei meinem Onkel aufgewachsen. Er hat eine kleine Hütte mit einem angrenzenden Feld, dass er bewirtschaftet. Er baut Zuckerrüben an. Allerdings verkauft er sie nicht als Viehfutter, sondern verarbeitet die Rüben weiter. Daraus wird dann Rübenkraut.

    Falls Du es nicht kennst, Rübenkraut ist gleichmäßig dunkelbraun, zähflüssig und entsteht ohne Verwendung von Extendern also Zusatzstoffen durch Eindicken des Rübensaftes. Den Saft erhältst Du aus den gekochten Rübenschnitzeln, diese werden ausgepresst und so erhältst Du den Saft.


    Der Saft wird gefiltert und weiter eingekocht, bis ein Sirup entsteht der bei Zimmertemperatur streichfähig ist. Das Rübenkraut kann danach auch mit Apfelsirup oder Birnensirup vermischt werden, so dass einen anderen Geschmack erhält.


    Apfelsirup oder Birnensirup stellt man genauso wie Zuckerrübensirup her. In früheren Zeiten war Zuckerrübensirup, Birnenschmaus und Apfelkraut eine der wenigen Möglichkeiten, im Winter verfügbares energiereiches Lebensmittel zu erhalten.


    Zuckerrübensirup wird in lokalen Krautpressen oder Krautküchen hergestellt. In manchen Obstanbauregionen hat jedes Dorf eine eigene Krautpresse. Einige Höfe haben auch ihre eigenen Pressen, so dass die Herstellung auch im bäuerlichen Haushalt üblich ist.


    Oft ist das Krautkochen ein gesellschaftliches Ereignis, zu dem nach der Ernte das gesamte Dorf zusammenkommt. Die Bezeichnung Krautpresse beruht auf einem Schritt der handwerklichen Fertigung, bei dem das mehrere Stunden lang gekochte Obst ausgepresst wird. Der so gewonnene Saft wird gesiebt und weiter eingekocht. Wie ich gerade schon erklärte. Die Rüben werden dafür vorher noch in Schnitzel, also in kleine Scheiben geschnitten.

    Bei Apfel- und Birnensirup musst Du beachten, dass es beides eigentlich immer nur in Kombination gibt. Der natürliche Pektingehalt der Äpfel unterstützt das Gelieren des Apfelkrauts. Birnen werden meist als Zutat für Apfelkraut verwendet, weil sie eine nur geringe Lagerfähigkeit besitzen und schnell verwertet werden müssen.


    Zudem hat Birnensaft einen höheren Zuckergehalt als Apfelsaft, das verbesserte die Haltbarkeit des Apfelkrauts und machte es süßer. Andererseits muss Birnenkraut Äpfel enthalten, da der Pektingehalt von Birnen alleine zu niedrig ist, um die gewünschte Gelierung zu erreichen. Sprich reines Birnenkraut wäre viel zu flüssig.


    Der Sirup wird als süßer Brotaufstrich und zum Kochen und zum Backen verwendet. Du kannst ihn genauso gut auf Brot wie auf Reibekuchen schmieren, oder damit Soßen anrühren. Je nach Region stellt man den entsprechenden Sirup her.
    Zurück zum eigentlichen Thema.


    Wie gesagt, meine Mutter habe ich niemals kennengelernt und meine Großeltern sind tot. Nachdem was mir mein Onkel erzählt hat, starb mein Opa auf dem Feld und meine Oma bei seiner Geburt. So lebten mein Vater und er alleine auf dem kleinen Hof. Mein Vater hatte kein Interesse an Feldarbeit.


    Er ging zum Militär, wie mein Onkel mir erklärte. Oder wollte von Anfang an ein Himmelsauge werden, so genau weiß ich das nicht. Denn zugegebenermaßen, derart hat mich mein Vater nie interessiert. Ich war einfach froh und glücklich, wenn er nicht anwesend war.

    Sobald er uns besuchte, stand die ganze Welt Kopf. Jedenfalls meine Welt, denn alles was ich tat oder sagte, war schlichtweg falsch. Man konnte ihm nichts Recht machen. Ich war entweder zu feige, zu weich, zu dumm oder zu langsam.


    Er hatte immer an allem etwas auszusetzen. Seine ganze destruktive Art, zog mich herunter. Ich weiß nicht, wie er dienstlich gelebt hat, oder was er genau beruflich tat. Darüber hat er nie gesprochen. Aber vermutlich trug er permanent eine Maske, denn Zuhause hat er sich dauerhaft ausgekotzt. Ich kenne keine einzige Person Vano über die mein Vater jemals ein gutes Wort verloren hätte.

    Es gab niemanden, der nicht sein Fett wegbekam. Alleine das hat mich schon abgestoßen, so wollte ich nie werden. Hey man sagt doch, wenn Du nichts Freundliches zu sagen hast, sag nichts. Dass stimmt nicht immer mein Kleiner, aber größtenteils schon.


    Stell Dir vor ich würde Dir den ganzen Tag erzählen, warum ich wen nicht leiden kann. Oder ich würde den ganzen Tag auf Deck über jeden einzelnen der Mannschaft herziehen. So musst Du Dir meinen Vater an einem guten Tag vorstellen. Negative Dauerberieselung Stunde für Stunde.

    Dadurch wusste ich allerdings auch über manche Menschen mehr, als mir lieb war. Und das obwohl ich sie persönlich überhaupt nicht kannte. Aber ihre Verfehlungen kannte ich, ihre Nöte, ihre Süchte, ihre Sorgen, ihre Ängste und die Meinung meines Vaters zu all dem.

    Am besten beschreibe ich Dir meinen Vater mit einer kleinen Geschichte aus meiner Kindheit.


    Ich hatte Geburtstag, mein Vater kam zu Besuch und hatte mir einen Ball mitgebracht. So einen richtig schönen Lederball. Es war mein sechster Geburtstag und der Ball wird nicht billig gewesen sein. Ich hatte meinen Spaß an dem Ding und in jeder freien Minute spielte ich damit.


    Jedes Dorf hat seinen Deppen und seine Rabauken. Bei uns waren die Schläger die Brebisson-Brüder. Die Brebisson-Brüder waren Drillinge und keinem von denen wollte man gerne nachts begegnen, oder überhaupt wenn es sich vermeiden ließ.


    Die Drei waren vermutlich so 14 Jahre alt und sie nahmen mir meinen Ball ab. Ich habe versucht mir meinem Ball wiederzuholen, aber ich bekam die Jacke voll, wie man so schön sagt.

    Ich saß abends weinend vor dem Kamin und mein Vater der gerade zu Besuch war, fragte mich, was los wäre. Ich erzählte ihm, dass mir die Brebisson-Brüder meinen Ball abgenommen hätten. Mein Vater fragte mich, was ich daraufhin getan hätte und wo der Ball wäre.


    Darauf erklärte ich ihm, dass die Brebissons zu dritt waren, wie immer, viel älter und stärker und mein Ball wäre vermutlich noch bei ihnen. Mein Vater nickte knapp und schon hatte ich seine Faust im Gesicht.

    Er schlug mich dermaßen zusammen, dass ich eine ganze Woche nicht auf dem Feld arbeiten konnte. Meine Rippen schmerzten so grauenvoll, dass ich kaum laufen und nicht richtig atmen konnte.
    Nach der Woche fing er mich irgendwann abends ab und knallte mich gegen die Wand unsere Hütte. Er starrte mir in die Augen und zischte mir ins Gesicht.

    „Davet Du holst Dir jetzt Deinen Ball wieder“.

    Ich versuchte ihm zu erklären, dass mich die drei Brüder auseinander nehmen würden, wie jeden anderen auch. Dass ich keine Chance gegen sie hätte und dass ich Angst vor ihnen hatte.
    Mein Vater erwiderte darauf Folgendes.

    „Du kannst Angst vor den Dreien haben, oder vor mir.
    Kommst Du morgen ohne den Ball nach Hause, erlebst Du die Tracht Prügel Deines Lebens“.

    Von meinem Vater waren das keine leeren Worte. Ich hatte gewaltige Angst vor ihm, mehr als vor den Drillingen. Eigentlich hatte ich immer Angst, wenn er in der Nähe war. Den ganzen Tag drückte ich mich vor dem Feld herum und wusste nicht was ich machen sollte.


    Dann sah ich die drei Brebissons aus ihrer Hütte kommen. Ich rannte hin und wollte sie bitten, mir den Ball wieder zu geben, vielleicht würden sie meine Situation verstehen, wenn ich es ihnen erklären würde. Aber kaum stand ich vor ihnen, bekam ich meinen eigenen Ball voll in die Fresse und schmeckte Blut.


    Da bin ich ausgerastet. Ich bin den ballwerfenden Drilling angesprungen und schlug wie besessen auf ihn ein. Das ließ er sich nicht ohne weiteres gefallen, seine Brüder ebenso wenig. Aber als seine Brüder ihm zur Hilfe eilten, hatte ich seinen Schädel schon mit einem Hagel aus Schlägen eingedeckt, dass er im Dreck kreischte und wimmerte.


    Ich selbst steckte ganz schön ein, aber ich hatte dermaßen Angst vor meinem Vater, dass ich die Schläge schluckte. Einem der Drillinge biss ich ein Ohr ab und er türmte heulend. Von ihrem Gartenzaun riss ich eine Latte ab und prügelte damit auf den letzten Drilling wie von Sinnen ein, bis sich dieser nicht mehr rührte.

    Blutend, heulend und total zerschlagen mit gebrochener Nase, aufgeplatzten Augenbrauen, Veilchen und meinem Ball kehrte ich nach Hause heim.


    Mein Vater fing mich vor der Tür ab und blickte auf mich herab.
    Seinem Gesicht war nicht zu entnehmen was er dachte.
    Für einen winzigen Moment grinste er und beugte sich zu mir herab.

    „Lass Dir nie wieder einfallen, etwas kampflos dem Feind zu überlassen Davet. Geh rein“.

    Das war mein Vater Vano, es gibt keinen Mann den ich mehr verachte.
    Nebenbei, gleichgültig was Du verzapfst ich gebe Dir keine mit. Niemals“, sagte Davet und küsste Vano auf den Kopf.

    „Sag mir wo er lebt“, bat Silvano und küsste Davet auf die Kehle.
    „Nein“, kam die schlichte Antwort.
    „Wie nein? Du weißt doch gar nicht warum ich das wissen möchte“, versuchte es Vano.
    „Doch das weiß ich, darum lautet die Antwort nein, ich möchte Dich behalten“, grinste Davet.
    „Du und Deine Unterstellungen Wuschel“, grinste Vano zurück.