Mission in My'shu

  • Sasuke klopfte sich den Schnee vom Mantel und schlich durch die dunklen Gassen My‘shus. Zum Glück hatte es nicht lange geschneit und auf dem Kopfsteinpflaster war nichts liegengeblieben, das seine Schritte dokumentieren konnte. Seine Lederstiefel verursachten keinen Laut, doch er hielt sich im Schatten der Häuser. Der Mond strahlte heute hell und die Augen der Frostalben waren scharf. Sein Ziel war ein Etablissement mit dem Namen Kashmir. Seit Wochen beobachtete er den Kommandanten, wusste wann er aufstand, wann er aß und wann er sich mit den jungen Arashimädchen vergnügte, die mangels Zukunftsaussichten im Kashmir angeheuert hatten. Heute Abend war einer dieser Tage.
    Er näherte sich dem Gebäude von hinten. Seinesgleichen war hier nicht länger willkommen. Die nobleren Bordelle waren ausschließlich für frostalbische Kundschaft reserviert. Wie geplant entledigte er sich seines Mantels und seiner Stiefel, versteckte sie in einer Nische und schlich durch den Kücheneingang, vorbei an den Türmen leerer Kisten und Fässer direkt zum Lastenaufzug, der die Servierwägen in die einzelnen Suiten brachte. Der Aufzug war nicht da, doch Sasuke wollte ihn ohnehin nicht benutzen. Er kletterte parallel an der Wand entlang auf die andere Seite. Dort befand sich eine kleine Vertiefung, in die er sich pressen konnte, sollte der Aufzug plötzlich vorbei fahren. Dann begann der Arashi zu klettern. Kraftvoll und in gleichbleibendem, kontrolliertem Tempo zog er sich Meter um Meter nach oben.


    Sasuke schlüpfte aus dem Aufzugschacht. Direkt daneben befand sich der Eisspender dieser Etage und Sasuke füllte einen Eimer, bevor er sich zur Kaisersuite aufmachte.
    Vor der Tür standen zwei Leibwächter des Kommandanten und unterhielten sich leise. Sasuke trat vor, verbeugte sich und hielt den Eimer hoch.
    „Der Kommandant hat heute keine Männer bestellt“, sagte einer der Soldaten.
    „Geschenk des Hauses“, erwiderte Sasuke.
    Die beiden Forstalben sahen sich kurz an, dann öffneten sie die Türe und schoben Sasuke in den Raum. Der Wohnraum der Suite war leer, doch aus dem Schlafzimmer drangen die Töne des Liebesspiels, die je stoppten, als die Tür mit einem Klicken ins Schloss fiel.
    „Was ist?“, knurrte der Kommandant.
    „Entschuldigung für die Störung“
    , rief einer der Soldaten ohne in das Zimmer zu sehen. „Hier ist ein Freier, der sagt, er sei ein Geschenk des Hauses.“ Er zögerte kurz, doch fügte dann an: „Das letzte Mal, als wir solch ein Angebot abwiesen, da wart ihr außer euch –“
    „Schickt ihn rein und verschwindet!“, unterbrach ihn der Kommandant.
    Die Männer gaben Sasuke einen Stoß in Richtung Türe und gingen wieder nach außen. Der junge Arashi betrat langsam den Raum und fand den Kommandanten dort nackt zwischen zwei jungen Mädchen mit einem lüsternen Grinsen im Gesicht. Das große zweiflügliche Fenster stand offen und die weißen Vorhänge wurden vom eisigen Wind hineingeblasen.
    „Ausziehen“, befahl der Kommandant und Sasuke folgte seinem Wunsch ohne eine Miene zu verziehen.
    „Nicht schlecht“, pfiff der Frostalb und musterte Sasuke. „Einen derart trainierten Freier hatte ich noch nie. Reib dich mit dem Eis ein und dann komm her! Ich kann nicht ausstehen, wenn eure Körper vor Hitze dampfen.“
    Sasuke bezweifelte, dass hier irgendwer dampfte. Im Raum war es eiskalt und die Mädchen schienen zu frieren. Der Kommandant bemerkte seinen Blick. „Oh ja“, grinster er, „ich mag es, wenn ihr friert und zittert wie hilflose kleine Ratten.“
    Sasuke nahm eine Hand voll Eis aus dem Eimer und rieb es sich über den Oberkörper, die Arme und Beine. Eine Gänsehaut breitete sich auf seiner Haut aus. Dann ging er langsam auf das Bett zu und stieg auf Knien hinein. Sofort packte ihn der Kommandant im Schritt, doch der Arashi ließ es geschehen und nahm den Kopf des Frostalben in beide Hände. Während sich auf dessen Gesicht noch ein wildes Grinsen ausbreitete, packte Sasuke zu und mit einer einzigen schnellen Bewegung war das Genick des Mannes gebrochen.
    Eines der Mädchen schrie auf, doch Sasuke beachtete sie nicht weiter. In diesen Räumlichkeiten schrien die Frauen und Mädchen oft.
    „Sobald ich diesen Raum verlassen habe, werdet ihr die Leibwächter holen und ihnen sagen, dass der Freier den Kommandanten umgebracht hat und durch das Fenster geflohen ist. Ihr werdet ihnen weiterhin sagen, dass, sollten Unschuldige dieses Etablissements zu Schaden kommen, weitere Morde folgen werden.“
    Sasuke hatte den Mädchen den Rücken zugewandt. Sie durften sich sein Gesicht nicht einprägen. Er zog seine Kleider wieder an und ging ein paar Schritte auf das geöffnete Fenster zu. „Und gebt ihnen dies.“
    Er warf eine gelbe Blüte nach hinten auf das Bett. Dann stieg er aus dem Fenster, balancierte das kleine Fenstersims entlang und griff mit beiden Händen die Regenrinne. Binnen Sekunden war er nach unten gerutscht, landete lautlos und eilte zu Mantel und Stiefeln. Als er aus dem Hinterhof schlüpfte, konnte er die ersten Rufe aus dem Gebäude hören. Sie würden ihn niemals finden.

    Ein schwacher Körper schwächt die Seele

    Jean-Jaques Rousseau

  • Als Sasuke nach Hause kam, entfachte er als erstes ein Feuer in dem kleinen offenen Kamin. Er hatte dort grundsätzlich ein Gittertürmchen aus Holzscheiten vorbereitet, in dessen Mitte etwas Reisig nur darauf wartete entfacht zu werden. So konnte er jederzeit für Wärme sorgen. Als das Feuer kurz darauf fröhlich in seiner steinernen Höhle tanzte, schmolz Sasuke einen der großen Eiszapfen, die trotz der zuletzt etwas wärmeren Tage noch immer den Giebel vor dem Fenster zierten. Er füllte das Wasser in eine Waschschüssel und wusch sich ausführlich. Anschließend vollendete er den Reinigungsprozess mit einem Gebet und einer mehrminütigen Meditation, indem er sich kreuzbeinig auf den kleinen handgewebten Teppich vor seinen Schrein setzte. Auf dem schemelartigen Tisch lagen ein golden eingefärbtes Holzmodell zweier gekreuzter Schwerter und ein glatt polierter Kieselstein, zur Hälfte weiß, zur Hälfte schwarz bemalt, von zwei Kerzen flankiert und von den seichten Schwaden eines Patchouli-Räucherstäbchens verschleiert. Sasuke bat Segira um Bestätigung, dass sein Mord ehrenhafter Natur gewesen war und um die Freigabe seiner Seele. Zu Malgorion-Oril sprach er mit der Bitte, ihm trotz der Tat weiter innere Balance zu schenken und gelobte auch zukünftig stets auf ein ausgeglichenes Verhältnis heller und dunkler Handlungen zu achten, weiter den Weg der Mitte zu verfolgen. Schließlich senkte er ehrfürchtig das Haupt, legte die Stirn auf dem Boden ab und befreite sich von allen Gedanken. Sasuke dankte beiden Göttern und richtete sich wieder auf, die Augen nun geschlossen, um seinen Geist für einige Augenblicke aus dem Strudel der Gedanken und Entscheidungen zu ziehen und ihm Ruhe zu gewähren.


    Nach der Reinigung setzte sich der Arashi mit einer Tasse honiggesüßten Kräutertees neben seine Bettstatt und holte das Notizheft aus dem Nachttisch. Er schlug die nächste freie Seite auf und begann seinen Auftrag aus dem Kashmir bis in kleinste Detail aufzuschreiben. Welchen Weg er gegangen war, wie viele Leute er passiert hatte und welche; er notierte sich haargenau, wie die beiden Leibwächter ausgesehen hatten, und wie die beiden Prostituierten, beschrieb den Klang ihrer Stimmen und ihren Geruch. Dann holte er aus dem Einband ein zusammengefaltetes Stück Papier und breitete es auf dem Boden vor sich aus. Es zeigte ein spinnennetzartiges Schaubild aus akkurat gezogenen Linien mit winzigen handschriftlichen Ergänzung und den Namen verschiedenster Personen. Sasuke nahm einen roten Wachsstift aus der Schublade seines Nachttisches und markierte den Namen des Kommandanten mit einem roten Kreuz. Es war bereits das fünfte auf dem Schaubild. Die Augen des Arashi folgten den Linien, die vom Kommandanten abgingen. Zwei führten direkt zu seinen Kompanien – eine in der Stadt und eine davor stationiert. Die anderen Linien bewegten sich ins Zentrum des Gebildes, zum Regierungsrat der Besatzer und zu wichtigen Zentren der Mitläuferparteien der My’shuer. Hier lag Sasukes nächste Aufgabe: beobachten, belauschen, manipulieren. Der Mord würde sie alle in irgendeiner Form zum Handeln zwingen. Er würde auch Emotionen wecken; Zorn, Furcht, es war einerlei. Im Bann des vorherrschenden Gefühls würden die hohen Herren Sasuke mehr preisgeben, als sie wünschten. Vor allem, weil sie nicht ahnten, was er bereits alles wusste. Vier, fünf weitere Linien des Schaubilds führten direkt vor ihre Haustüre.
    Das Geräusch von Schritten auf der Treppe riss Sasuke aus seinen Gedanken. Eilig faltete er den Plan zusammen und packte das Buch zurück. Da klopfte es auch schon an seiner Türe und die Stimme der Haushälterin ertönte. Es war bereits Morgen.
    „Hier ist Post für Sie, Herr Mokiri.“
    „Kommen Sie herein, die Türe ist offen“, antwortete Sasuke und stand auf.
    Die Haushälterin war eine alte Arashi-Dame, der die Jahre deutlich ins Gesicht geschrieben standen. Sie war eine gute Frau, wenn auch von schlichtem Gemüt.
    „Ich habe Haferschleim gekocht. Wenn Sie bereit für ein Frühstück sind, können Sie nach unten in die Küche kommen“, sagte sie und reichte Sasuke den Brief. „Und“, sie war auf halbem Wege aus dem Zimmer noch einmal stehen geblieben, „wenn Sie später vom Hafen kommen, dürfte ich Sie bitten, sich das Dach einmal anzusehen? Ich habe die Befürchtung, ein paar Ziegel sind gebrochen. Bei diesen Temperaturschwankungen wäre das kein Wunder.“
    „Natürlich“, antwortete Sasuke und lächelte sie freundlich an. „Das Abflussrohr hält nun?“
    „Oh ja, besser als je zuvor!“, rief sie freudig aus. „Wenn ich Sie nicht hätte, Herr Mokiri, die alten Knochen lassen mich doch langsam im Stich.“
    „Ich helfe gern, immerhin geben Sie mir ein Zuhause.“
    „Für das Sie sehr gewissenhaft bezahlen“, sie lächelte zurück. „Nun lasse ich Sie aber alleine. Ich muss sowieso nach dem Essen sehen, bevor es anbrennt.“
    Sasuke schloss die Türe hinter ihr und öffnete den Brief. Er war von Aisika, seiner Frau. Sasuke las ihn mehrmals. Schließlich war er sich sicher, dass keine verschlüsselten Informationen der Partei enthalten waren, Aisika ihm lediglich ein wenig von zu Hause erzählen wollte. Er drehte den Brief um und betrachtete den Handabdruck, mit dem die kleine Konika jeden Brief stempelte. Mit dem Zettel in der Hand ging er zu dem losen Dielenbrett, hebelte es vorsichtig aus und fischte den letzten Brief heraus. Sollte je sein Zimmer durchsucht werden, so sollten sie zumindest nicht erfahren, dass er eine Familie hatte. Er legte die Briefe nebeneinander. Sie war schon wieder gewachsen. Sasuke seufzte. Gefühle stiegen in ihm auf, heiß wie Wasserdampf über dem Herd; Sehnsucht, Freude und Trauer: er benötigte Abdrücke der Hände, um zu sehen, wie sie aufwuchs. Er schloss einige Minuten die Augen, um die Flut der Emotionen greifen und kontrollieren zu können. Es war in Ordnung, dass sie kamen. Gefühle wie diese unterschieden ihn von den kaltblütigen Mördern auf der Welt, doch niemals durfte er sich von ihnen beherrschen lassen. „Beschütze meine kleine Kriegerin“, sagte er sanft mit Blick zu Segiras Schrein. Es musste so sein. Er musste ihre Sicherheit in die Hände seiner Göttin geben; und in Aisikas. <Du wirst mit Einigem fertig>, dachte er und strich mit dem Finger über ihre Unterschrift. Sein Platz war nun hier. Er musste dazu beitragen, dass seine Tochter und die folgenden Generationen in einer besseren Welt leben konnten, als er.


    Später schnappte Sasuke schon auf dem Weg zu den Docks die ersten Gerüchte auf. Ein hohes Tier seitens der Besatzer sei umgekommen. „Vergiftet“, versicherte eine Verkäuferin ihren Kunden, während sie Getreidesäcke abwog. Zwei Straßenkehrer waren hingegen der Meinung, es habe einen Attentäter in den eigenen Reihen gegeben und so häuften und überschlugen sich die Neuigkeiten. Auch in den Patrouillen der Frostalben gab es Gemurmel, das jedoch immer sofort eingestellt wurde, wenn sie in die Nähe von Passanten kamen.
    Am Hafen angekommen wurde Sasuke sofort von Nikuro empfangen. „Hast du schon gehört?“ rief er aus. „Einer der Kommandanten ist tot.“
    Sasuke winkte ab. „Die Leute reden von nichts anderem“, antwortete er. „Ich habe unterwegs schon ein Dutzend unterschiedlicher Todesursachen gehört.“
    „Haltet die Klappe!“, mischte sich Saeko ein. „Der Aufseher hat ein Sprechverbot verhängt.“
    „Oh“, grinste Nikuro. „Dann halten wir uns lieber daran. Mir schmerzt noch der Rücken von der letzten Strafe.“
    Sasuke sah seinen Kollegen mitleidig an. Nikuro war ein guter Mann, aber er war langsam und ungeschickt und es kam nicht selten vor, dass er eine Kiste voller Güter im Meer versenkte. <Ganz zu schweigen von den Unmengen an Fisch, die er im Jahr heimlich an die streunenden Hafenkatzen verteilt>, dachte Sasuke.
    Die drei Männer meldeten sich bei ihrem Vorarbeiter an und ließen sich einweisen. Dann verbrachten sie den Tag damit, Schiffe zu be- und entladen, die Waren zu sortieren und auf die Wagen der wartenden Kaufleute zu verteilen. Die höhere Präsenz der frostalbischen Aufseher war nicht zu übersehen. <Sie lauschen und beobachten>, dachte Sasuke. Der Hafen war voller junger Arashi mit kräftigen Händen; Hände, mit denen man ohne weiteres einem Mann das Genick brechen konnte. Mit Sicherheit rechneten sie zudem mit der Flucht des Mörders und die war in My’shu per Schiff nun doch am realistischsten. Sasuke war, obwohl er seine Arbeit wie gewöhnlich verrichtete, immer mit einem Auge und Ohr bei den Soldaten. Geduldig studierte er ihre Körpersprache und fing den ein oder anderen Gesprächsfetzen auf. Schnell kam er zu dem Schluss, dass die einfachen Krieger nicht in die Details des Mordes involviert worden waren. Ein gutes Zeichen; die Obrigkeiten wollten die eigene Verwundbarkeit vertuschen. <Wie erwartet>, dachte Sasuke. Alles verlief wie geplant. Die Unwissenheit würde nicht nur die Suche nach dem Mörder erschweren, sie würde auch nach und nach für Unmut in den Reihen der Soldaten sorgen und sich wie eine Zündschnur einen Weg durch die Truppen und Institutionen brennen, der von überall angezapft werden konnte, um Gerüchte zu sähen und Verwirrung zu stiften.

    Ein schwacher Körper schwächt die Seele

    Jean-Jaques Rousseau

  • Kiste um Kiste schleppte Sasuke von A nach B und pausierte nur, um gelegentlich einen Schluck Wasser zu nehmen. Dann blickte er meist gen Norden, wo sich die kargen Gipfel des nahen Gebirges erhoben und ihn an zu Hause erinnerten. Dort würden die braun-grauen Felswände um diese Uhrzeit wahrscheinlich schon derart von der Sonne vergoldet, dass das warme sirupartige Licht bis in den Garten ihres kleinen Reichs zurückstrahlte. Sashime würde vielleicht die letzten Schüsseln, Vasen und Karaffen zum Ruhen in ihre Gitterregale einräumen und dabei ihr von den zunehmenden Falten nur noch freundlicher gestaltetes Gesicht immer wieder in den warmen Schein halten. Aisika würde an den Gemüsebeeten zugange sein oder die Schafe füttern, während die kleine Konika auf einer der bunten Wolldecken herumkroch und mit ihrer Stoffpuppe spielte. Er schloss die Augen und konnte fast das Klimpern der Perlenvorhänge hören, mit denen der stetige Wind seine Melodie spielte, bevor sie von den schweren Woll- und Lederteppichen zugehängt würden, um die nächtliche Kälte auszusperren.
    In einem dieser kurzen Momente der Ruhe vernahm er eine bekannte Stimme.
    „Keine Auffälligkeiten?“, fragte einer der Leibwächter.
    „Nein, mein Herr“, antwortete ein Aufseher. „Wir lassen niemanden unbefugt an Bord der Schiffe und jedes einzelne vor dem Ablegen Durchsuchen.“
    „Und die Arbeiter? Sind heute Morgen alle erschienen?“
    „Jawohl. Wir haben alle Vorarbeiter befragt und die Listen geprüft.“
    „Hm“, machte der Leibwächter und Sasuke, der halb verdeckt und mit dem Rücken zu ihnen stand, spürte seine Enttäuschung. Gerne hätten sie über den einen berichtet, der nicht zur Arbeit erschienen war. Die beiden entfernten sich langsam, bis das Gespräch nicht mehr zu hören war.
    Sasuke stellte die Flasche weg und schulterte den nächsten Sack Mehl. Er war zu abgeklärt, um sich wegen der Anwesenheit des Leibwächters Gedanken zu machen. Selbst wenn sie den Aufsehern und den Vorarbeitern eine Beschreibung seines Aussehens gegeben hätten, und nach seinen neusten Erkenntnissen war er sich sicher, das hatten sie nicht, hätte sie nie genau genug sein können, um ihn von den anderen rauen Burschen der Arbeiter unterscheiden zu können. Er musste lediglich vermeiden, dass die beiden ihn direkt zu Gesicht bekamen. Sie würden alle Hände voll zu tun haben, wenn sie die vielen möglichen Aufenthaltsorte des Mörders abklappern wollten, ohne die einfachen Soldaten in die Details einzubeziehen. Für Sasuke würde es so ein Leichtes sein, sich verborgen zu halten. Höher gestellte und dadurch vielleicht eingeweihte Krieger waren auffällig wie ein buntes Yak.
    Nach Schichtende ging Sasuke die Route über den Marktplatz zurück. Er wollte noch Honig, Obst und Hirsefladen kaufen und ging zügig, da er fürchtete, die Kleinhändlerinnen würden ihre Marktstände bereits schließen. Er hatte Glück: seine Stammhändlerin war noch da. Bei ihr wusste er, dass der Honig ausschließlich aus den Hochebenen stammte und Sasuke liebte den würzig-blumigen Geschmack, den es sonst nirgends gab. Zudem galten die Hochlagen und Gipfel bei vielen Arashi als heilig und Lebensmitteln aus diesen Regionen wurden besondere Kräfte beim Vertreiben böser Geister nachgesagt. Sasuke gab den Honig vor allem für seinen morgendlichen Entgiftungsprozess in eine Tasse warmes Wasser und achtete daher er besonders auf dessen Herkunft. Nachdem er bezahlt hatte, überquerte Sasuke den Rest des Marktplatzes und passierte die Ruinen eines zerstörten Gebetsladens im Zeichen Malgorion-Orils. Hier hatte man Talismans, Gebetsteppiche und heilige Alltagsgegenstände wie Waagen und Sanduhren kaufen können, bevor die Besatzer alle Einrichtungen mit Bezug zum gespaltenen Gott überfallen und heruntergerichtet hatten. Viele Gläubige waren geflohen und andere verleugneten fortan ihren Glauben, da die Frostalben ihn als Gotteslästerung betrachteten und mit Folter und Tod bestraften. Sasuke gedachte all jenen, die dieses Schicksal ereilt hatte und murmelte ein kurzes Stoßgebet, als er in eine kleinere Gasse einbog, die ihn am schnellsten zu seiner Wohnung bringen würde.


    Beinahe wäre er mit ihr zusammengestoßen. Ihr Gesicht war seltsam leer, doch dann breitete sich der Ausdruck des Wiedererkennens auf ihm aus.
    „Du!“, stieß das Mädchen aus dem Kashmir hervor. „Ich erkenne dich wieder.“
    Einen Moment lang war Sasuke versucht zu lügen, ihre Bekanntschaft zu verleugnen, doch sein Ehrgefühl war zu stark.
    „Guten Abend“, sagte er höflich mit einer angedeuteten Verbeugung. „Ich hoffe es geht Euch gut?“
    Ihr Gesicht veränderte sich und Falten der Wut nahmen ihm seine zierliche Schönheit. „Was für eine Frage!“, sagte sie empört. „Leute wie ihr denkt ihr tut Gutes, rettet die Welt, nicht wahr?“ Sie lachte verächtlich. „Ihr strebt nach dem Palast auf dem höchsten Gipfel und achtet dabei nicht auf die mühevoll aufgebauten Lehmhütten, die ihr unterwegs zertrampelt.“
    „Hat man Euch etwas angetan?“
    Wieder lachte sie trocken. „Weißt du, bis du kamst, war mein Leben nicht gut, jetzt aber ist es die Hölle.“
    „Keine Sorge, liebe Frau“, sagte Sasuke mit fester Stimme. „Das werde ich ihnen nicht durchgehen lassen. Ich habe ihnen befohlen, die Unschuldigen des Kashmir außenvor zu lassen und ich werde dafür sorgen, dass es Euch besser geht.“
    „Lass uns einfach in Ruhe. Du hast schon genug angerichtet.“ Sie drückte sich an ihm vorbei.
    „Ich könnte dich verraten, weißt du?“ Sie hatte sich noch einmal nach ihm umgedreht. „Aber ich habe keine Lust auf weitere Verhöre, auf Durchsuchungen und Quälerei. Im Gegensatz zu Leuten wie dir, mische ich mich nicht in das Leben anderer ein, sondern verlange nur mein eigenes leben zu können – und ist es auch noch so kümmerlich.“ Sie ging weiter.
    „Wartet!“, rief Sasuke. „Ich kann wirklich helfen. Ich hole Euch da raus und ich kenne Leute, die Eure Wunden heilen können.“
    Ein letztes Mal drehte sie sich um. „Es gibt Wunden, die heilen nicht.“

    Ein schwacher Körper schwächt die Seele

    Jean-Jaques Rousseau

  • Tief in Gedanken versunken ging Sasuke weiter. Zu Hause sah er sich wie versprochen das Dach an, doch weder dabei, noch bei einer ausführlichen Trainingseinheit und nicht einmal bei der anschließenden Meditation konnte er die junge Frau aus seinen Gedanken verbannen. Wie sollte er nun handeln? Nach langer Grübelei beschloss er etwas zu tun, das er nur in Notfällen tun sollte: die Verbindungsperson der Partei in My’shu aufsuchen. Sein Auftrag war eindeutig und geklärt und auch deshalb würde sein Besuch Unmut erregen. Er konnte die wütende Stimme von Shakuro Aisako fast schon hören: „Du gehst das Risiko ein, dass wir auffliegen, nur, um dein Gewissen zu beruhigen?“ Und doch wollte er sich Rat holen und gegebenenfalls die Erlaubnis vom Plan abzuweichen. <Dazu musst du zuerst beichten, dass du bereits abgewichen bist>, dachte er bei sich. <Du solltest kein Pläuschchen führen, sondern lediglich die Blume ablegen.> Er seufzte; es würde auf jeden Fall Ärger geben.


    Shakuro wohnte unweit des Stadtzentrums und betrieb dort einen Gemischtwarenladen. Die Verkaufsräume waren im Erdgeschoss, seine Wohnräume im ersten Stock des kleinen Gebäudes. Sasuke war erst einmal dort gewesen, kurz nachdem er in My’shu angekommen war und er wusste zu gut, dass unangekündigte Besuche nicht erwünscht waren. So überraschte ihn Shakuros Gesichtsausdruck nicht im Geringsten, als er in den Laden trat und das Klingeln der kleinen Messingglöckchen den anderen Arashi aufblicken ließen.
    Der Laden war leer und so kam Sasuke direkt zur Sache. „Entschuldige mein Erscheinen, Shakuro. Könnten wir kurz sprechen?“
    Shakuro zögerte und musterte Sasuke ernst. „Fünf Minuten“, knurrte er und ging zur Türe, um das Schild auf „Geschlossen“ zu drehen. Dann führte er Sasuke nach oben in den kleinen Empfangsraum, in dem er auch beim letzten Besuch empfangen worden war und bot ihm Tee an. Selbst im größten Unmut wurde auf die Gastfreundlichkeit geachtet. „Was gibt es?“ fragte Shakuro, als sie sich beide gesetzt hatten. „Dein Einsatz im Kashmir ist doch wie geplant verlaufen, warum kommst du her?“
    „Ich möchte um deinen Rat bitten“, antwortete Sasuke und trank von seinem Tee.
    „Was ist passiert?“
    „Die Prostituierten aus dem Kashmir haben aufgrund der Tat zu leiden und ich habe die Befürchtung, das ist meine Schuld.“
    „Wir können nie wissen, welche Wellen ein Mord in seinem Umfeld schlägt, Sasuke. Damit ist immer zu rechnen und das solltest du wissen.“
    „Es gibt etwas, dass ich dazu beichten muss.“ Er schluckte und legte sich die Worte noch einmal zurecht. „Ich habe womöglich einen Fehler gemacht, denn ich habe mich nicht komplett an den Plan gehalten.“
    Shakuro kräuselte die Lippen. „Sondern?“
    „Ich habe mit den Prostituierten gesprochen. Ich sagte, sie sollen den Hergang des Mordes beschreiben, um ihre eigene Unschuld zu beweisen… und sie sollten eine Drohung weitergeben.“ Shakuro schüttelte den Kopf, sagte aber nichts sondern bedeutete Sasuke weiter zu sprechen. „Ich sagte, sollten Unschuldige zu Schaden kommen, würden weitere Morde folgen.“
    Einen Moment sahen sich die Männer an und dann, als er merkte, dass Shakuro eine Erklärung verlangte, sprach Sasuke weiter. „Es war ein spontaner Einfall. Ich sah die beiden verschüchterten Mädchen und ich hatte den Drang irgendetwas zu tun, um ihre Sicherheit zu gewährleisten. Und jetzt habe ich die Befürchtung, genau das Gegenteil bewirkt zu haben.“
    „Hm“, Shakuro fuhr sich mit Daumen und Zeigefinger über die Stirn. „Du hast auf jeden Fall eine Angriffsfläche geschaffen, sollten die Mädchen deine Worte weitergegeben zu haben. Du hast den Frostalben etwas in die Hand gegeben, womit sie dich ködern können. Das war dumm, Sasuke.“ Er sah ihn eindringlich an und Sasuke nickte und blickte zu Boden. „Trotzdem: gesehen ist geschehen, was soll ich dich jetzt schelten? Es ist gut, dass du gekommen bist.“
    Erstaunt sah Sasuke auf.
    „Ja, ganz richtig. Ich muss alle Details kennen, um unseren Einsatz hier exakt bewerten und planen zu können. Wenn ich weitere Schritte auf falschen Tatsachen entwickle, ist unser Vorhaben zum Scheitern verurteilt. Also: wozu möchtest du nun meinen Rat?“
    Einen Moment war Sasuke zu erstaunt, um antworten zu können. „Ich, also… ich kann nicht aufhören an das Leid der Mädchen zu denken“, sagte er dann. „Ich habe gestern eine von ihnen getroffen und ihr ging es nicht gut." Er räusperte sich. „Aber ich weiß, dass ein Vergeltungsschlag noch weitere Abweichungen von unserem Plan nach sich ziehen würde. Hinzu kommt, dass dieses Mädchen meine angebotene Hilfe abschlug. Und doch kann ich nicht umhin zu denken, dass ich ihnen helfen könnte. Ich könnte sie hier raus holen, vielleicht in unbesetztes Gebiet schleusen und ihnen ein neues Leben ermöglichen.“
    „Du bist in der Tat in einer schwierigen Situation. Übst du einen Vergeltungsschlag, wirst du einen weiteren Stein lostreten, der wiederum einen anderen ins Rollen bringt und so weiter, bis das Morden und das Leid einer Lawine gleich immer mehr unschuldige wie schuldige mit sich reißt. Tust du es nicht, so hast du eine leere Drohung ausgesprochen... was uns in die Karten spielen könnte. Allerdings wird es einen Kratzer in deiner Ehre hinterlassen.“ Er pausierte kurz zum Nachdenken. „Was die Mädchen betrifft, so denke ich nicht, dass du ihnen helfen kannst, solange sie die Hilfe nicht wollen. Sie jetzt gegen ihren Willen von hier fort zu bringen, käme einer Entführung gleich und die Gefahr in all dem Tumult zu viel Aufsehen zu erregen ist zu groß, als dass ich es dir erlauben könnte.“
    Sasuke ließ die Worte Shakuros auf sich wirken.
    „Soll ich also einfach nichts tun?“
    „Im Grunde wäre das das Beste. Bitte Segira um Vergebung für deine leere Drohung und lerne dein schlechtes Gewissen als ehrliches Gefühl deines Unterbewusstseins zu schätzen, denn es wird dir helfen, das nächste Mal besser zu handeln.“
    Sasuke nickte. „Dann behalten wir den bisherigen Plan bei?“
    „Ja“, antwortete Shakuro. „Versuche noch ein paar Tage so viel herauszubekommen wie möglich und dann fang an, Gerüchte zu streuen.“


    Sasukes Gedanken waren ruhiger, als er nach Hause ging, wenn noch immer nicht befreit von seinen Schuldgefühlen. Er besann sich auf Shakuros Worte und seine Ausbildung. Das schlechte Gewissen, das er verspürte, wollte ihn keinesfalls strafen, noch war es eine schlechte Eigenschaft oder eine Schwäche. Es war seine Chance zu lernen. Er würde es akzeptieren und zähmen und so auch seine Gefühle in den Griff kriegen.
    Zu Hause angekommen betete er zu Segira. Er bat um Vergebung für seine leere Drohung und er flehte sie an, die beiden Mädchen vor weiteren Qualen zu schützen. Schließlich ging er zeitig zu Bett und schlief auch erstaunlich ruhig. Seine Zuversicht, dass sein Fehler keinen größeren Schaden nach sich ziehen würde, war deutlich gewachsen. Doch es sollte anders kommen.

    Ein schwacher Körper schwächt die Seele

    Jean-Jaques Rousseau

  • Die darauffolgenden Tage waren zunächst ruhig verlaufen. Hier und da hatte der Arashi Gespräche belauscht und Leute verfolgt, doch es deutete alles darauf hin, dass sie den ungelösten Mordfall eher in die Vergessenheit abschieben wollten. Es wurde ruhiger, gab weniger Sitzungen zwischen den Besatzern und den Vorstehern der Stadt, in denen letztere erst noch zu drastischen Kontroll- und Einschüchterungsmaßnahmen dem gemeinen Volk gegenüber gedrängt worden waren. Schließlich kehrte langsam wieder der normale, wenn auch düstere Alltag ein in My’shu und Sasuke zog in Erwägung, den nächsten Schritt des Plans zu ergreifen.
    Dann aber, am sechsten Tag nach seinem Besuch bei Shakuro, geschah es.


    Eigentlich war Sasuke nur zufällig am Kashmir vorbeigegangen, denn normalerweise nahm er einen anderen Weg vom Gerber nach Hause, wenn er diesem ab und zu die Wagenladung vom Hafen selbst lieferte. Als er die große Ansammlung von Menschen sah, dachte er zuerst, es seien einmal wieder fahrende Händler in der Stadt, da diese momentan die einzigen waren, die es schafften so viele Arashi gleichzeitig auf die unsicheren Straßen My’shus zu locken. Dann bemerkte er, dass die Blicke der Leute allesamt auf die Fassade des Kashmir gerichtet waren und ein nervöses Gemurmel die Straße füllte. Böses ahnend folgte Sasuke dem Starren der Leute und japste nach Luft. Ein Mädchen hing dort, an beiden Handgelenken von Seilen gehalten, etwa in der Mitte des Gebäudes. Sie war nackt und Sasuke konnte selbst aus der Entfernung die vielen Blessuren auf ihrem Körper erkennen. Ihr Kopf hing nach vorne, doch Sasuke musste ihr Gesicht nicht sehen, um zu wissen wer sie war. Er hielt sich die Hand vor den Mund als fürchte er sein wild klopfendes Herz könnte jeden Moment hinaus springen. Über dem Mädchen war ein Banner befestigt, auf dem in großen Buchstaben stand:


    Tod den Rebellen! Unschuldige sterben ihretwegen!


    Sie hatten die Taktik gewechselt. Sie wollten ihre Zeit nicht länger mit den fruchtlosen Ermittlungen vergeuden, sie bestimmten die Täter einfach und verdrehten deren Absicht ins Gegenteil. Sie machten sie zum Feind des Volkes, statt zu deren Verfechtern. Sasuke wusste, dass dieser Plan aufgehen würde. Nicht wenige Arashi hatten sich mit der Besatzung der Frostalben abgefunden und lebten lieber ein unterdrücktes Leben, als in ewigem Krieg für eine Befreiung, an die sie nicht mehr glaubten. Doch das war unerheblich für Sasukes Mission. Er brauchte das Volk nicht zum Freund, noch nicht.
    Etwas anderes wurmte ihn mehr: er musste wissen, wer dem Mädchen das angetan hatte und die zweite wahrscheinlich noch gefangen hielt.


    Sasuke lauerte dem Leibwächter des Kommandanten in einer kleinen Seitengasse unweit des Kashmir auf. Es war so leicht gewesen, seine Vermutungen bezüglich des Strippenziehers hinter Folter der Prostituierten bestätigt zu kriegen. Sasuke hatte das zur Schenke umfunktionierte Lokal noch nicht einmal betreten müssen, um sein Geprale zu hören und mit jedem selbstgefälligen Wort des Alben hatte das Vorhaben in Sasukes Kopf weiter Form angenommen.
    Er spürte die Kälte der Dolchklinge an seinem Bein, doch er hoffte ihn nicht benutzen zu müssen. Waffen gaben zu viele Anhaltspukte. Der Leibwächter betrat die Gasse und Sasuke wollte gerade ansetzen, sich aus dem Schatten des Mauervorsprungs zu schälen, als eine zweite Person dem Frostalben ums Eck folgte. Der Arashi zögerte. Er könnte mit zweien fertig werden, doch es würde schwer sein, es unauffällig und leise zu erledigen. Er blickte in der Gasse umher. Es gab keine Flucht- oder gute Versteckmöglichkeit – immerhin hatte er sie deshalb ausgewählt; er saß in der Falle.
    Stück für Stück kamen die beiden näher und Sasuke bereitete sich auf den Angriff vor. Er würde warten, bis sie auf seiner Höhe waren und den zweiten Mann, einen Arashi, anspringen und bewusstlos schlagen. Ein gezielter Hieb mit der Handkante hinter die Ohren sollte ausreichen. Dann musste er hoffen, dass der Leibwächter nicht zu schnell reagierte, denn er plante zu ihm aufgeschlossen zu haben und ihm das Genick zu brechen, noch bevor sein Komplize scheppernd auf dem Boden aufschlug. Die Männer erreichten ihn. Lautlos trat Sasuke vor und überwältigte den Arashi wie geplant. Sofort sprang er nach vorne, doch der Leibwächter hatte sich bereits umgedreht. Gerade rechtzeitig brach Sasuke den Sprung ab und rollte sich am Boden ab. Das Eisschwert des Alben sauste über ihn hinweg.
    „Du!“, knurrte er. „Wir wussten, du würdest kommen. Sei froh, dass sie dich lebend wollen, sonst würde ich dich hier und jetzt einen Kopf kürzer machen.“
    Er griff zum Gürtel und Sasuke schnellte nach vorne. Mit einem kraftvollen Fußtritt schlug er dem Frostalben das Horn aus der Hand, das einige Meter weiter hinten auf dem Boden landete.
    „Na gut, dann keine Verstärkung“, sagte dieser mit gefletschten Zähnen und nahm das Schwert wieder in beide Hände. Sasuke nahm die nach vorne gerichtete Tatsi Kum Fußstellung ein, die Hände hatte er vor dem Körper erhoben. Der Leibwächter machte zwei schnelle Schritte und stach mit dem Schwert zu. Geduldig wartete Sasuke bis er zum Schwerthieb ansetzte und wich erst dann zur Seite aus. Er leitete mit seinem rechten Arme den Schwertarm des Frostalben an sich vorbei, packte zu und rammte ihm den linken Ellenbogen zwischen Brust- und Rückenpanzer in die Rippen. Der Alb setzte zu einem wütenden Schwinger an, doch stand zu nahe an Sasuke und so konnte dieser den Arm problemlos abblocken. Nur Millisekunden nach dem Block schlug seine zweite Faust am Ellenbogen des Frostalben ein...


    „Noch einmal.“
    Sein Meister griff erneut an. Sasuke wartete ab und kurz vor dem Einschlag der Faust vollführte er seinen Block und setzte zur Konterbewegung an… da stachen die Fingerspitzen seines Lehrers schon in seinen Solarplexus und er japste nach Luft.
    „Noch einmal.“
    Sasuke nahm Aufstellung, rief sich die einzelnen Schritte ins Gedächtnis, doch das Ergebnis war dasselbe.
    „Noch einmal.“
    Er hatte schon lange aufgehört, die Runden zu zählen, als er schließlich auf den Boden sank und nicht mehr aufstand.
    „Ich schaffe es nicht“, schluchzte er. „Ich mache schon so schnell ich kann.“
    „Du bist auch nicht zu langsam“, antwortete Hishoko. „Du machst es falsch.“
    Der Junge sah fragend zu seinem Meister auf. „Warten – Blocken – Kontern, das tue ich doch.“
    „Lass mir dir eine Geschichte erzählen“, setzte Hishoko an. „Es waren einmal zwei Brüder, die sich alles teilten. Das Haus, die Frau, die Nahrung und auch das Geld. Eines Tages bat der eine Bruder den anderen einen Geldkoffer von ihm zu übernehmen. Er würde ihn vor die Türe stellen und dort sollte der andere ihn abholen. Also ging er hinaus auf die Straße, stellte den Koffer dort ab und ging zurück ins Haus. Der andere Bruder ging hinaus, doch der Koffer war schon längst nicht mehr dort.“ Er sah seinen Schüler eindringlich an.
    „Diese beiden Brüder sind deine Hände, Sasuke. Der Wechsel muss vor der Türe erfolgen, hier vorne.“ Er nahm beide Hände nach vorne und vollführte ganz langsam einen Faustwechsel. „Der Moment, in dem du die Technik wechselst, zum Beispiel von der Abwehr zum Angriff, muss in einem winzigen, nicht wahrzunehmenden Zeitfenster erfolgen. Und zwar hier vorne.“ Er hielt beide Fäuste vor den Körper. „Wenn du das nicht begreifst, passt immer ein Angriff dazwischen. Und dort draußen in der Welt bohren sich dann keine Fingerspitzen in deinen Leib, sondern ein Messer oder schlimmer.“
    Er vollführte mehrere Wechsel verschiedener Handtechniken. „Du musst diesen Wechsel üben. Immer und immer wieder, erst ganz langsam, dann immer schneller, bis er dir komplett ins Blut übergegangen ist. Denk immer daran, mein junger Schüler: mit Waffen zu kämpfen, muss man können, ohne Waffen zu kämpfen, muss man beherrschen.“


    Tausende Stunden Training hatten Sasukes Bewegungen optimiert. Er erinnerte sich ganz genau an jede einzelne und sein Körper auch.
    So hatte sein Gegner nicht einmal Zeit zu blinzeln, bevor die Faust ihr Ziel erreichte. Es knackte; der Arm des Leibwächters war gebrochen. Der Alb schrie auf und ließ das Schwert fallen, doch Sasuke machte sich nicht einmal die Mühe es wegzutreten. Er griff sofort nach dem verwundeten Arm, um jegliche Konterversuche des Gegners bereits im Keim ersticken zu können. Der Leibwächter schrie auf und wand sich vor Schmerzen, als Sasuke die verletzte Stelle taxierte. Der Arashi trat nach vorne. „Das ist für die Mädchen“, sagte er ruhig, ließ von dem Arm ab und drehte seinem Gegenüber den Hals um.

    Ein schwacher Körper schwächt die Seele

    Jean-Jaques Rousseau

  • Der Frostalb sank reglos zu Boden und Sasuke drehte sich um, um sich auf den Rückweg zu machen. Mitten in der Drehung hielt er inne. Er hatte etwas gehört. Vorsichtig ging er rückwärts auf die Wand der Gasse zu und senkte seinen Körperschwerpunkt soweit ab, dass er sofort würde reagieren können. Seine Hand glitt in die Nähe des Dolchgriffs und er wartete.
    Sie waren zu fünft. Drei traten von der einen, zwei von der anderen Seite in die Gasse. Sie hatten alle ihre Waffen gezückt. <Das sind zu viele>, dachte Sasuke. Sein Vorteil war die Enge der Gasse, sodass sie ihn zumindest nicht zu fünft würden angreifen können und die Tatsache, dass sie ihn lebend brauchten. Trotzdem waren sie ihm zahlenmäßig weit überlegen und er hatte nur den Dolch als Waffe bei sich. Mit seinem Schwert hätte es ganz anders ausgesehen.
    Hatten sie wissen können, dass er hier war? Vieleicht hatte der Leibwächter seit dem Mord an dem Mädchen immer ein kleine Einheit im Schlepptau gehabt… aber wie hätte Sasuke das entgehen können? <Ich war geblendet von meinem Wunsch nach Vergeltung!> schalt er sich. Oder waren sie zufällig hier? Es war egal. Er brauchte einen Plan.
    Die Frostalben gingen nur langsam auf ihn zu. Sasuke hoffte, dass sie dies aus arroganter Selbstsicherheit taten, weil sie ihn in der Falle wussten und nicht aus Respekt vor seinen Fähigkeiten. Er musste die Liste seiner Vorteile unbedingt erweitern.
    „Wir verhaften dich, Mörder“, sagte einer von ihnen schließlich. „Du wirst verhört und dein Urteil entscheidet sich je nach Kooperationsbereitschaft.“
    Sasuke dachte erneut über seine Chancen nach. Wenn er sowieso verlieren würde, könnte er sich freiwillig abführen lassen. Unverletzt würde sich die Flucht leichter gestalten. Andererseits… die minimalste Hoffnung zu entkommen, wäre einen Angriff bereits wert. Er würde in einem Verhör nichts preisgeben und sie würden ihn mit Sicherheit foltern und verstümmeln.
    „Gib auf, du hast keine Chance! Oder sollen wir dich in Einzelteilen hier wegschaffen?“ Er ging noch ein Stück auf Sasuke zu und richtete seinen Eisspeer auf dessen Brust. Ein großer Fehler. Sasuke packte die Waffe am oberen Ende des Schaftes und nutzte die Hebelwirkung, verstärkt durch den natürlichen Reflex des Alben, die Waffe zurück zu ziehen, um sich herum zu schwingen. Der Halbkreistritt traf den Mann an der Schläfe und er stürzte bewusstlos zu Boden. Sasuke landete mit erhobenem Speer zwischen den beiden Gruppen und mit der Häuserwand zum Schutz im Rücken. Seine Gegner knurrten wütend und zwei setzten zum Angriff an. Sasuke konnte einen Schwerthieb mit dem Speer abwehren, doch der zweite setzte ihm einen Schnitt an der Wade zu. Er knickte leicht mit dem Bein ein, kam aber schnell genug wieder nach oben, um den nächsten Hieb zu parieren. Heiß floss das Blut sein Bein hinab, doch er ignorierte den Schmerz so gut es ging. Wenn er nur an eines der Schwerter heran käme… mit einem Speer war er nicht sehr vertraut. Er änderte seine Taktik, drehte sich seitlich, sodass er die einen direkt fixieren konnte und den anderen scheinbar leichtsinnig den Rücken kehrte. Der Vorteil des Speeres war seine Länge. Er musste sie nutzen. Und er musste darauf vertrauen, dass sie ihn wieder zeitgleich angriffen. Der Mann gegenüber machte sich bereit. „Du brauchst weder Arme noch Beine zum Sprechen“, grinste er. Dann griff er an. Sasuke ging ein hohes Risiko ein, den Angriff mit der freien Hand abzuwehren, doch er musste es versuchen. Während er behände die Fußstellung wechselte und seinen Arm angewinkelt von innen nach außen schnellen ließ, um den Schwertarm entscheidend abzulenken, stieß er mit der anderen Hand den Speer zwischen Körper und Arm blindlings nach hinten. Beides geschah absolut zeitgleich und der Arashi legte die Kraft seines ganzen Körpers von den fest aufstellten Beinen an hinein, verstärkt durch Joi, den Kampfschrei des Jiu Jitsu.
    Er verwandelte sich in einen Schmerzensschrei, als sich eine Klinge in Sasukes Schulter bohrte. Der Widerstand hatte ihm verraten, dass der Speer sein Ziel getroffen hatte, doch sie hatten ihn zu zweit von hinten attackiert. Er wollte herum fahren, um wieder seitlich zu seinen Gegnern zu stehen, doch da verpasste ihm der erste Alb, dessen Schwerthieb er eben noch erfolgreich abgewehrt hatte, einen saftigen Haken und er ging zu Boden. Sein rechter Arm war kaum mehr zu gebrauchen, die Wunde an der Schulter machte jede Bewegung zu einer Qual. Sasukes Blick war verschwommen von dem Schlag und er schob sich zurück an die Wand. Der Speer streckte tief im Leib des einen Frostalben, der zwar noch röchelte, doch bereits im Sterben lag. Trotzdem waren sie immer noch zu dritt und der Anführer konnte jeden Augenblick wieder erwachen. Es sah nicht gut aus für Sasuke.

    Ein schwacher Körper schwächt die Seele

    Jean-Jaques Rousseau

  • Sie kamen zu dritt auf ihn zu, hämisch grinsend. „So, du dreckiger Rebell… ich würde sagen, wir machen dich ein Stück leichter. Lasst uns ein bisschen was abschneiden, Kollegen.“
    Sasuke schaute zu den Alben auf. Sein Blick hatte sich geklärt, doch seine sitzende Position machte eine Verteidigung fast unmöglich… fast… Er hatte einen Einfall. Vorsichtig führte er die gesunde Hand in Richtung des Dolches, der sich Gott sei Dank auf der richtigen Seite befand und wartete. Als die drei Soldaten nahe genug bei ihm angekommen waren, setzte Sasuke zu seinem Angriff an. Mit vor Schmerz zusammengebissenen Zähnen drückte er sich auf die Hände und drehte seinen Körper in Bodennähe schnell im Kreis, sodass er zwei der Männer auf Knöchelhöhe treffen und niedertreten konnte. Er sprang auf und stieß dem am nächsten liegenden Alb den Dolch in die Kehle, fuhr herum und wich dem wütenden und deshalb unplatzierten Schwerthieb des einen aus und trat dem anderen, der gerade aufgestanden war, mit einem vorwärts gerichteten Schnapptritt so gegen die Brust, dass dieser direkt wieder zu Boden ging.
    Der nächste Angriff folgte mit einem Wutschrei und Sasuke konnte dem Schwert nur durch eine Seitwärtsrolle ausweichen. Er kam schnell wieder auf die Füße, doch die Wunde an der Schulter begann Tribut zu zollen. Er spürte, wie seine Bewegungen langsamer wurden.
    „Ich sage scheiß auf die Befehle“, sagte der eine zum anderen. „Machen wir den Penner kalt.“
    „Bist du wahnsinnig? Dumolon Eisträumer lässt uns die Köpfe abschlagen!“
    „Wir sagen es war Notw- …“
    Ein Geräusch hinter der Gruppe ließ ihn verstummen. Der Arashi, der den Leibwächter begleitet hatte, kam stöhnend auf die Füße. Die beiden Frostalben sahen sich an, dann Sasuke.
    „Den zu töten warst du dir zu schade, was?“ Er lachte hohl. „Dann sollst du dafür büßen. He, Shukero! Ich habe einen Auftrag für dich.“
    Der Arashi sah noch etwas durcheinander aus, doch dann erblickte er erst den reglosen Leibwächter, dann Sasuke und sein Blick verhärtete sich.
    „Geh Verstärkung holen“, fuhr der Soldat fort. „Na los, schnell!“
    Shukero nickte. „Rebellenpack!“ spuckte er aus und eilte aus der Gasse.
    „So und nun zu dir. Die Sache hat jetzt ein Ende.“
    Beide stürzten auf Sasuke zu, der die Hand mit dem Dolch schützend vor sich, die andere eng am Körper hielt, um die Schulter möglichst zu entlasten. Kurz bevor sie ihn erreichten, stürzte er sich im Hechtsprung nach vorne zwischen den Beinen der beiden hindurch und rollte sich schwer atmend ab.
    „Das gibt es doch nicht!“ brüllte der eine. Genervt drehten sie sich wieder zu Sasuke um. Hinter ihnen kam der Anführer zu Bewusstsein und Sasuke kämpfte gegen den Schwindel an, der ihn mit immer drängenderer Kraft zu übermannen drohte. Seine Augenlieder wurden bereits schwer und er wusste, dass er einem weiteren Angriff nicht würde standhalten können… und auch die Verstärkung konnte jeden Moment eintreffen. Er meinte gar schon am Eingang der Gasse einen Schatten zu sehen.

    Ein schwacher Körper schwächt die Seele

    Jean-Jaques Rousseau

  • Ein Kampf dieses Ausmaßes war genau nach Segiras Geschmack. Ein tapferer Krieger, der sich ehrenvoll verhielt und ihre Hilfe brauchte… Eine ausweglose Situation… Ein übermächtiger Feind ... Ein Kampf, der viel Blut und Action versprach!


    Segira hatte in einer Häuserspalte die Auseinandersetzung beobachtet. Es war nicht so, dass sie so herzlos war und kein Mitleid mit dem jungen Arashi hatte. Seine Verwundung trug er aber mit Stolz. Würdevoll erledigte er einen Frostalb. Jetzt wo er in die Ecke gedrängt wurde, schien sein Schicksal beendet. Doch dann richtete er sich erneut auf, konnte die beiden Männer niedertreten und den nächstliegenden Alb mit einem Sprung nach oben in der Kehle treffen.


    Segira war stets dort, wo ein Kampf spannend war und auch für sie eine Herausforderung darstellte. Von ihrer Position aus, wo sie stand, entsandte sie ihren Geist in die Lüfte, kurz nachdem der Arashi an ihr vorbeilief und nach der Verstärkung rief. Dieser Arashi und auch die Frostalben konnte sie gar nicht sehen, da sie einen astralen Schirm um sich herumgebildet hatte. Nur wenn man wusste, dass sie dort war, konnte man sie sehen. Aber da man es nicht wusste, ging der Blick automatisch an ihr vorbei, denn nur ein konzentrierter Blick vermochte es den astralen Schirm zu durchbrechen. Ein Blick aus der seitlichen Peripherie des Auges reichte dafür nicht.
    Der Blick in die Lüfte gab der Göttin die Informationen, die sie brauchte. Eine Truppe mit 30 Mann, aus Frostalben und Arashi bestehend samt ihren Oberfeldwebel, waren auf dem Weg nach hier. Verfluchte Schwächlinge! Segira spuckte aus Abscheu aus.


    So etwas Unehrenhaftes hatte sie bei Frostalben noch nie gesehen. Dieser Pimpf musste wohl ein wichtiger Arashi sein und für die Rebellion der gelben Blüte eine tragende Rolle spielen. Wie wichtig, das konnte nur Ainuwar beantworten. Es ging Segira hier aber nicht um die Unterstützung ihres Lieblingsvolkes. Nein, die Arashi hatten sich durch eigene Dummheit in diese Situation gebracht. Kein Gott sollte einen derart politischen Einfluss auf die Sterbliche ausüben. Anders als Dal, Infiniatus oder Rakshor verachtete die Göttin des Krieges derlei Eingreifen.
    Die Völker Asamuras können nur durch Lektionen zur Ehre erzogen werden. Und nicht durch politisches Winkeladvokatenspiel, wie Dal es machte.


    Diese Frostalben verhielten sich unehrenhaft. Es war an der Zeit ihnen beizubringen, welchen Namen sie im Kampf da immer huldigten. Denn die Frostalben beteten auch zu Segira. Im Moment verrieten sie aber alle Ideale, die die Göttin vertrat. Es wurde Zeit für eine Lektion.
    Mit diesen Gedanken trat die Göttin aus ihrem Astralschirm. Sie kam nur wenige Sekunden später in das Blickfeld des jungen Arashi, als dieser bereits auf dem Boden lag und mit der Bewusstseinslosigkeit kämpfte.


    „Ihr habt Unehre über eure Familien gebracht. Ihr werdet euren Kindern noch lange von diesem Tag berichten, an dem euch beibgeracht wurde, was Ehre heißt“, sprach Segira voller Stolz und Würde. Sie hatte die Gestalt eines alten Arashi Lehrmeisters angenommen. Es war keine lebende Person, sondern rein nach ihrem Vorstellungsempfinden nachempfunden. Auf einem Stock gestützt, schritt sie gebrechlich auf die Frostalben zu. Das weiße Haar des Arashi Lehrmeisters war zu einem Zopf zusammengebunden. Sie hatte einen Spitzbart, und alte knochige Gesichtszüge, die von einem langen Leben berichteten. Unter dem Gewand (Kimono) hatte sie ein Katana, und ein Wakizashi verborgen. Es war eine ganz einfache Kampfausrüstung. Zusätzlich zur kargen Kampfausstattung hatte Segira ihre Fähigkeiten auf ein absolutes Minium zurückgeschraubt, nämlich auf die tatsächliche Fähigkeiten, wie ein alter Mann in dem Alter noch kämpfen konnte. Sie wollte es heute auch für sich besonders spannend machen.


    Als die drei verbliebenden Frostalben ihre Stimme vernahmen, drehten sie sich um, und ließen den Arashi am Boden in Ruhe. Man sah wie die Frostalben schweiglos ihre Blicke kreuzten. Sie brauchten nicht vieler Worte, doch ihre Blicke verrieten Verachtung und Überheblichkeit.
    Zu dritt kamen sie auf Segira zu und umkreisten die Göttin, wie ein Jäger seine Beute. Ehe überhaupt etwas passierte holte Segira mit einem Ausfallschritt bereits zum Kampf aus und es gelang ihr mit der Spitze des Katanas den Frostalben direkt gegenüber von ihr am Handrücken zu treffen, der daraufhin aus Reflex seine Waffe fallen ließ und entwaffnet war. Die Reaktionen der beiden Frostalben ließen nicht auf sich warten. Nur durch seitliches Drehen zu den beiden Gegnern hin konnte sie mit ihrer Klinge direkt beide Schwerthiebe der Frostalben abblocken. Nun stand sie aber mit dem Rücken direkt zum Frostalben, den sie zu Beginn entwaffnet hatte. Natürlich wusste das Segira. Sie dachte nicht lange nach und hatte sofort eine Idee. Dank der Enge der Gasse konnte sie in einem galanten Sprung gegen die Wand springen. Von dort aus landete sie direkt auf den Frostalben, der inzwischen seine Waffe wieder gefunden hatte…aber nun auch die Spitze von Segiras Waffe in seiner Brust stecken hatte.


    Da ein Herausziehen der Waffe aus dem leblosen Körper des Frostalben zu lange dauern würde, musste sich die Kriegsgöttin zur Seite, über seine Leiche hinweg, abrollen und den kommenden Schwertschlag des Frostalben mit ihrem Wakizashi abblocken. Sie bemerkte aber, dass sie bereits außer Puste war und dieser Körper bereits jetzt weniger hergab, als sie gewohnt war.
    Aber das genau gefiel ihr und voller Stolz verkündete sie die erste Lektion, die sie den Frostalben heute mitgeben wollte:
    „Vermeide es gegen Gegner zu kämpfen, die dir unterlegen sind. Suche dir stets einen gleichstarken Gegner, der die gleichen Chancen zu gewinnen hat.“
    Die Frostalben schwiegen weiterhin, denn es waren keinerlei Worte notwendig in dieser Situation. Ein zu hektisches Vorgehen des zweiten Frostalben, während sich Segira gerade nach hinten bewegte, bewirkte dass Segira seinen Schlag abwehren konnte und seinen Hieb umlenken konnte, sodass sein Schwertarm zum Boden hin zeigte. Wenig später erreichte das Wakizashi von Segira seine Kehle und schlitzte diese auf.
    „Willst du nicht weglaufen und wieder nach Unterstützung suchen? Oder schaffst du es alleine, wie jeder Krieger kämpfen sollte?“, fragte Segira den letzten Krieger vorwurfsvoll.
    „Maul halten, Arashi Abschaum. Malgorion hat uns als höchste Rasse auserkoren.“, antwortete er bloß.


    Der Gegner war aber zu weit weg, sodass Segira die Klinge des letzten Frostalbs aufheben konnte, und nun wieder eine funktionsfähige Waffe hatte. Das Eisschwert war zwar nicht ihre Lieblingsklinge, doch die Göttin beherrschte den Umgang mit jeder Waffe.
    „Kannst du kämpfen?“, rief sie Sasuke zu, als sie mit dem Eisschwert bewaffnet nach hinten schritt. Sie unterhielt sich mit Sasuke, während der Frostalb auf sie einschlug. Ohne Probleme konnte sie dessen nächsten Kampfschritt voraussehen. Ihre viele geschlagenen Schlachten und gefallenen Gegner hatte ihr inzwischen eine Intuition gegeben, gegnerische Züge voraussehen zu können.


    Und es passierte genau, wie sie gedacht hatte. Der Schlag ging in Richtung ihres Kopfes. Segira duckte sich bereits unter ihm hinweg, während der Gegner diesen Angriff vollzog. Sie stand plötzlich neben ihm, schaute ihn emotionslos an und sagte eiskalt: „Grüß deine toten Freunde von mir. Du hast unehrenhaft gekämpft. Du wirst es bald verstehen.“
    Mit diesen Worten durchbohrte sie sein Herz.
    Dem Arashi auf dem Boden half sie auf und stützte ihn so gut wie möglich ab. „Wir müssen uns beeilen. Ich zählte 30 weitere Frostalben auf dem Weg nach hier. Sie dürften gleich hier sein. Es sei denn du willst kämpfen...ehrlich gesagt hätte ich auch nichts dagegen“, sagte sie mit einem leichten Lächeln auf den Lippen. Ein Lächeln wie es ungewöhnlich war für Segira - die Eiserne. Heute war ein guter Tag!

  • Sasuke nahm seinen ganzen Willen zusammen. Selbst wenn die Verstärkung ankäme, durfte er nicht nachgeben, sich nicht in die weichen Kissen der Bewusstlosigkeit sinken lassen, die sich so verführerisch anboten. Sie würden ihn mitnehmen und er musste wissen wohin. Er musste wach bleiben! Der Arashi konzentrierte sich, sammelte seine Gedanken und fokussierte seine innere Kraft auf die verletzte Schulter. Es gelang ihm, seinen Atem zu beruhigen und den Schmerz zu bändigen. Sein Blickfeld klärte sich in dem Augenblick, in dem er die Stimme vernahm.
    Hätte er es nicht besser gewusst, hätte er glauben wollen, Meister Hishoko stünde dort. Doch das war nicht nur unmöglich, Sasuke konnte nun auch Unterschiede im Aussehen erkennen, obwohl dieser Mann die Haare ähnlich trug wie sein alter Lehrmeister es stets getan hatte. Das war nicht die gefürchtete Verstärkung, so viel war sicher.
    Der Mann strahlte Ruhe aus und als er die Stimme erhob, klang er keinesfalls überheblich, sondern sprach mit der Sicherheit eines jenen, der mit sich und der Welt im Reinen ist. Es musste ein großer Meister sein, der Segiras Lehre bis ins Mark studiert und verinnerlicht hatte.
    Jeder seiner Schritte zeugte von Erfahrung und vollkommener Beherrschung. Obwohl die Frostalben deutlich jünger waren als er, war er ihnen stets einen Schritt voraus. Er nutzte ihre Wut und Überheblichkeit gnadenlos aus und machte sie auf ihre unehrenhafte Kampfweise aufmerksam. Wer war er? Wie war er hier hergekommen und warum half er Sasuke?
    „Ich kann meinen rechten Arm kaum mehr benutzen, großer Meister“, beantwortete Sasuke die Frage des Lehrmeisters, der ihm Hinweise gab, wie er die Belastung der verletzten Stelle vermeiden konnte, während er mit wütenden Angriffen des letzten Gegners befeuert wurde. Dann war es vorbei und der alte Arashi half Sasuke auf.
    30 weitere? Sasuke horchte in sich hinein. „Ich fürchte, ich schaffe keinen weiteren Kampf. Ich wäre euch nur ein Klotz am Bein. Ihr habt sowieso schon so viel für mich getan und ich kenne nicht einmal Euren Namen.“
    Sasuke sehnte sich danach, sich zu waschen und auszuruhen. Aber er musste auch nachdenken, seine Informationen durchgehen und gegebenenfalls noch einmal mit Shakuro Rücksprache halten, wenn dieser nicht schon längst wusste, dass er erneut vom Plan abgewichen war. Er sah hinüber zu seinem Retter.
    „Sollte es zum Kampf kommen, werde ich Euch aber auf jeden Fall zur Seite stehen. Das ist das Mindeste, das ich tun kann.“
    Am liebsten hätte er den Arashimeister mit Fragen gelöchert, doch seine Höflichkeit verbot es ihm.
    Mit einem Nicken zeigte der Alte Sasuke seine Zustimmung und führte ihn über die angrenzende, etwas größere Straße wieder in das Netz der verwinkelten dunklen Gassen My’shus. Dort verlangsamten sie ihr Tempo und der Meister bat Sasuke um Gehör. Er beschwor ihn, stets nur ehrenhaft und gerecht zu kämpfen und zu urteilen, denn dies sei das höchste Gebot, stünde als oberstes Gericht über allem, auch dem eigenen Wohl, der Meinung Dritter und den Anweisungen von Vorgesetzten und Auftraggebern. Nur der, der bereit sei, diesen Weg mit voller Hingabe zu beschreiten, könne Segiras Segen sicher sein. Schließlich lächelte er und deute auf den nächsten Abzweig in der Gasse. Sasuke verbeugte sich dankend und trat um das Eck. Der Weg gab den direkten Blick auf sein Wohnhaus preis. Überrascht blickte er sich um, doch von dem Meister fehlte jede Spur.

    Ein schwacher Körper schwächt die Seele

    Jean-Jaques Rousseau

  • … währenddessen im Hauptquartier der Besatzer …


    Dumolon Eisträumer schritt durch den Raum. Die Holzdielen knarzten leicht, als er langsam einen nackten Fuß hinter den anderen setzte. Der Soldat kniete auf dem Boden, hatte den Kopf gesenkt und das Schwert vor seinen Knien abgelegt. Die herabhängenden Schultern vermochten nur anzudeuten, wie gebrochen der Mann war. Eisträumer erreichte das Ende des Raumes, das komplett von einem riesigen Bett eingenommen wurde. Es gab keine Kissen und keine Decken. Er verharrte kurz, strich mit dem spitzen Zeigefinger der rechten Hand über die Wirbelsäule der zusammengekauerten Frau und drehte sich dann um. Seine Augen waren eiskalt. Er schob das Kinn nach vorne, was seinem Ausdruck nur noch mehr Hochmut und Verachtung beimischte und ging ebenso langsam wieder auf den knienden Soldaten zu. Dieser hob leicht den Kopf und schielte mit den Augen nach oben. Wage und verschwommen nahm er die leblosen Körper links und rechts des Pfades wahr, den sein Herr nun bereits zum dritten Mal beschritt, ebenso die Blutlachen, die sich ihren Weg durch die Maserung der Bodenplanken arbeiteten und die eisigen Pflöcke, die einem jeden aus der Brust ragten. Wieder blieb Dumolon Eisträumer vor ihm stehen und schnell senkte er den Blick. Er sah die weißen Füße des Obersts, makellos und sauber, mit hervortretenden Knochen und Adern. Dann wanden sich die Füße ab und das Spiel begann von vorne.


    Er war nicht zufrieden, nein. Er hatte sie herbestellt; alle, die wichtige Aufgaben bei der Jagd nach dem Pisser von der Gelben Blüte auszuführen gehabt hätten - oder zumindest jene, die sich erdreisteten noch am Leben zu sein - und er hatte jeden einzelnen umgebracht, bis auf den einen. Sie waren von seiner Leibgarde in seine privaten Gemächer geführt worden, um dort Aufstellung zu nehmen, während Eisträumer zu einem Sockelbassin gegangen und den ersten Eispflock herausgenommen hatte.


    „Mylord“, hatte der Anführer angesetzt und da war er herum gewirbelt und hatte diesem den Pfahl durch die Brust gerammt. Seelenruhig war er zum Bassin zurück und dann die Reihe der Soldaten abgegangen, bis er von Zeit zu Zeit vor einem der Männer stehenblieb, ihn musterte und über dessen Leben entschied. Nach und nach erwischte es sie alle, teilweise brutal und schnell, teilweise qualvoll und langsam, je nachdem wie sie sich gebärdeten. Der Oberst hasste Schwäche und schwach waren sie alle. Doch wer auch noch die Dreistigkeit besaß, seine Gegenwart und seine Räumlichkeit mit dieser abstoßenden Charaktereigenschaft zu besudeln, der hatte nicht einen weiteren Atemzug verdient.


    Der Soldat schloss die Augen. Er wusste nicht, worauf sein Herr wartete. Er war ziemlich früh auf die Knie gegangen und hatte ehrfürchtig sein Schwert abgelegt, in der Hoffnung, dies sei die Reaktion, auf die der Oberst wartete. Zwei der Überbliebenen hatten es ihm nach getan und es hatte nur Sekunden gedauert, ehe auch deren Leben ein Ende nahm. Wieso lebte er noch?
    Wieder kam Eisträumer auf ihn zu und blieb vor ihm stehen. Dieses Mal hob er den Kopf, blickte dem Oberst direkt in die kalten Augen und versuchte dem Blick stand zu halten. Dumolon Eisträumer grinste. Er bückte sich zu dem Soldaten hinunter, legte zwei Finger an dessen Hals und tastete sich an den Pulspunkt heran. Nach einiger Zeit löste er die Finger, griff mit beiden Händen den Kragen des Mannes und zerrte ihn hoch auf die Beine. Fast zärtlich ließ er die Hände nach oben wandern, wieder an den Hals seines Untergebenen. Seine scharfen Nägel gruben sich zu beiden Seiten in das Fleisch des Mannes. Einen Moment lang starrten sie sich noch an, dann riss Dumolon Eisträumer dem Soldaten mit bloßen Händen die Pulsadern auf.


    Der Oberst legte den Kopf in den Nacken und sog den Atem des Todes ein. Es gab kein befriedigenderes Gefühl. Außer… er zog den Pflock aus der Brust des letzten Soldaten, der ihn mit weit aufgerissenen leblosen Augen anstarrte und wandte sich damit wieder dem Bett zu. Ein Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus, in dem man Zeichen von Wahnsinn hätte vermuten können, wäre es nicht so berechnend gewesen. Die Frau wimmerte, als der eisige Pflock ihren Körper entlang glitt. Dann waren ihre Schreie bis auf die Straße zu hören.

    Ein schwacher Körper schwächt die Seele

    Jean-Jaques Rousseau

  • Sasuke bemerkte sofort, dass jemand in seinem Zimmer gewesen war. Eine Ecke des Teppichs war umgeklappt und der kleine Hocker stand nicht mehr dort, wo er ihn zurückgelassen hatte. Eilig schloss der Arashi die Türe und ging schnellen Schrittes zu seinem Nachttisch. Er riss die Schublade auf. Sie war leer. Panik schoss Sasuke in die Glieder und er stürzte zu dem losen Dielenbrett. Sämtliche Briefe und sonstige Andenken an seine Familie waren verschwunden. „Nein“, stöhnte Sasuke. Sein Herzschlag donnerte ihm in den Ohren. Er war so töricht! Bilder von dem, was er am meisten fürchtete, das er sogar als einziges fürchtete, zuckten durch seinen Geist. Aisika und Konika… und Sashime, seine Mutter… niemals könnte er es sich verzeihen, sollte ihnen seinetwegen etwas zustoßen… Er musste heim! Er musste sie beschützen! Der Drang war überwältigend. Er eilte zu seinem Schrank und begann Kleidung herauszuzerren, räumte seinen Schrein ab und stopfte alles in den alten Seesack. Wirr ging er im Zimmer umher, blickte sich um, ohne etwas anzusehen und fuhr sich durch die Haare. Dann ließ er die Hände sinken, der Seesack fiel dumpf zu Boden. Er musste sich beruhigen. Unter keinen Umständen durfte er eine Entscheidung aus dem Affekt heraus treffen. Seine Brust hob und senkte sich in kurzen Abständen, seine Hände zitterten und er ging neben der Dielenöffnung auf die Knie. Er war ermattet. Die Verletzung an der Schulter pochte in dumpfem Schmerz, er war ausgezehrt, hatte lange nicht gegessen und nicht geruht und die Nachwehen des Schocks und der Sorge um seine Familie zogen ihm die letzte Energie aus den Adern. Am liebsten hätte er geweint, doch Tränen wollten keine kommen. Konika… sein kleines, liebes Mädchen, das Beste, das er je erschaffen hatte…
    Plötzlich bemerkte der Arashi ein winzig klein gefaltetes Stück Papier in dem verwaisten Geheimfach. Von der Furcht geblendet, war es ihm zuerst gar nicht aufgefallen. Es stammte nicht von ihm. Hastig entfaltete Sasuke den Zettel und las. Erleichterung ummantelte seinen Geist wie Nebel. Shakuro… der Mittelsmann hatte sein Zimmer räumen lassen. Wie gelähmt starrte Sasuke auf das Stück Papier.


    Plan B

    Ein schwacher Körper schwächt die Seele

    Jean-Jaques Rousseau

  • Sasuke presste sich an die kalte Häuserwand. Die Luft klirrte vor Kälte und der Arashi hielt seinen Atem flach, damit der Dampf ihn nicht verriet. In diesem Viertel My’shus konnte man das Meer riechen, denn es gab keinen Kaminrauch, der es überdeckt hätte. Einst war es der Regierungsbezirk, nun fest in frostalbischer Hand. Sasuke zog die Kapuze tiefer in sein Gesicht. Die einzigen Arashi, die sich hier bewegten, waren Diener… oder Sklaven, je nachdem, wie man es ausdrücken wollte. Er sah weder wie das eine, noch wie das andere aus. Besser er blieb ungesehen.
    Eine Gruppe Krieger marschierte an der Gassenöffnung vorbei, dann war es wieder still und der Vollmond tauchte alles in gespenstischen Schein. Sasuke zählte die Striche, die er in die Wand geritzt hatte. Die Patrouillen kamen in festen Abständen von ungefähr einer halben Stunde; mehr als genug Zeit zum Handeln. Im Quartier von Dimulon Eisträumer brannte Licht. Sasuke konnte den Schein deutlich erkennen.
    Einige Tage zuvor hatte er das Haus bei Helligkeit inspiziert. Der Leitspruch des Kaiserhauses war mit Blut verschmiert und Köpfe von Arashi, die sich der Invasion entgegen gesetzt hatten, waren darüber aufgespießt als Zeichen des Triumphs der Besatzer oder als Warnung; vielleicht auch beides.
    Still und ruhig verharrte Sasuke und wartete darauf, dass die Lichter in Eisträumers Gemächern gelöscht wurden. Noch zwei weitere Patrouillen würde er abwarten und dann zur Tat schreiten – so oder so. Die Kälte kroch ihm mittlerweile die Beine hinauf, doch er ignorierte es und stand weiter regungslos und still an der Hauswand. Hinter ihm knackte es. Blitzschnell fuhr Sasukes Hand an das Heft seines Schwerts, doch bevor er die Waffe ziehen und sich umdrehen konnte, spürte er schon kalten Stahl an seiner Kehle. Eine Hand packte den Stoff seines Umhangs am Rücken und schob ihn vorwärts, ohne die Klinge von seinem Hals zu nehmen. Sasuke blieb ganz ruhig. Er unterdrückte den Schluckreiz, denn er fürchtete, diese Bewegung könnte die Waffe bereits in sein Fleisch eindringen lassen. Vorsichtig schielte er nach unten. Die Hand war nackt und schneeweiß; ein Frostalb. Als sie die Hauptstraße erreichten, konnte Sasuke das Hauptquartier sehen und auch die hellerleuchteten Öffnungen des oberen Stockwerks. Durch das Licht im Rücken war er nicht viel mehr als eine Silhouette, doch es gab keinen Zweifel, wer es war. Dimulon Eisträumer hatte ihn erwartet.


    Der Alb führte Sasuke durch das Tor des Gebäudes in den Innenhof. Rings herum standen frostalbische Krieger, gerüstet und bereit. Niemand rührte sich. Es war totenstill, bis auf die dumpfen Schritte von Sasuke und seinem Begleiter, der seinerseits keine Rüstung trug, denn er bewegte sich vollkommen lautlos. Die Holztreppe, die auf die innere Galerie führte, knarzte unnatürlich laut inmitten dieser Friedhofstimmung. Eisträumer hatte ihm den Rücken zugewandt, als sie eintraten und Sasuke nutzte den Moment, sich einen Überblick über den Raum zu verschaffen. Auf dem stirnseitigen Bett kauerte eine nackte Frau, deren Wirbelsäule deutlich hervortrat. Ansonsten gab es nicht viel, keine Möbel, keine Teppiche, keine Vorhänge und keine Habseligkeiten. Die Dielen waren dunkel verfärbt. Blut. Hier waren Leute gestorben. Sasuke hob den Kopf und fand den starren Blick eisblauer Augen auf sich. Eisträumers Gesicht war weiß wie Schnee, ebenso sein Haar und selbst die Lippen waren bar jeglicher Farbe. Die strenge Linie seiner Augenbrauen und die unnatürlich kleinen Pupillen gaben ihm eine boshafte Erscheinung. Er vollführte eine schneidende Geste mit der Hand und die Klinge löste sich von Sasukes Hals. Der Arashi widerstand dem Drang, hinzufassen und zwang sich Eisträumers bohrendem Blick Stand zu halten. Dieser brach die Spannung schließlich und ging vom Fenster auf das Bett zu. Sasuke schielte zur Seite. Der andere Alb hatte neben der Tür Aufstellung genommen und starrte ohne zu blinzeln gerade aus. Ansonsten war niemand im Zimmer. Keine Leibgarde, keine Soldaten. Wie schnell konnte er sein Schwert ziehen? Oder den Dolch? Würde Eisträumers Kopf über den Boden rollen, ehe die Klinge des Alben an der Tür sein Herz von hinten durchbohrte? Der Hauptmann rieb seine Hände an einander und betrachtete Sasuke wieder. Er war barfuß, seine Kleidung auffallend einfach und von einer Waffe keine Spur. Die Minuten zogen sich und niemand sprach, niemand bewegte sich. Sasuke fragte sich, was der Befehlshaber My’shus bezweckte. Wieso hatte man ihm seine Waffen nicht abgenommen?


    „Wie bist du entkommen?“ Beinahe zuckte Sasuke zusammen, als Eisträumers hohle Stimme urplötzlich die Stille durchschnitt.
    „Ein alter Meister eilte mir zu Hilfe“, antwortete Sasuke wahrheitsgemäß und ruhig.
    Das Gesicht des Frostalben blieb eine Maske. Ohne die geringste Regung griff er in das Bassin neben dem Bett und nahm einen Eispflock heraus. Seine langen, dünnen Finger fuhren liebevoll über die Oberfläche, dann wandte er sich zu der Frau um. Mühelos hob er sie hoch und setzte sie so ab, dass Sasuke ihr Gesicht sehen konnte. Seine Befürchtung bestätigte sich, als er in die entsetzlich leeren Augen der zweiten Prostituierten aus dem Kashmir blickte. Trauer zerriss ihm das Herz. Diese Frau war gebrochen, eine tote Hülle… seinetwegen. Die langen dünnen Finger des Frostalben strichen über ihr fahles Gesicht, hoben das Kinn leicht an und tasteten über den Hals. Mit der anderen Hand führte er den eisigen Pflock über ihre Wange, die Kontur des Kiefers entlang und hinab zu ihrem Herzen. Kein Tropfen Tauwasser löste sich von der Waffe, die dasselbe helle blau hatte, wie Eisträumers Augen. Ganz langsam klopfte er mit der Spitze auf die Brust der armen Seele, als ziele er für den finalen Stoß. Dann schien er es sich anderes zu überlegen, setzte sich neben die Frau auf das Bett und führte den Pflock ihren Bauch hinab und zwischen ihre Beine. Ein leises Wimmern entfuhr ihren zitternden Lippen, da eilte Sasuke nach vorne. Er kam nicht weit. Binnen Sekunden hatte der Wächter ihn eingeholt und presste ihm erneut die Klinge an die Kehle. Ein diabolisches Grinsen breitete sich auf Eisträumers Gesicht aus. Er wollte, dass Sasuke zusah.
    „Schluss damit“, presste der Arashi hervor. „Was wollt Ihr wissen?“
    „Einfach alles.“
    Eisträumer ließ von der Frau ab und fixierte ihn erneut eindringlich und hart. Auf ein knappes Nicken hin, löste sein Diener die Klinge wieder von Sasukes Hals, blieb aber unmittelbar hinter ihm stehen. Darauf hatte der Arashi gehofft. In einer fließenden Bewegung drehte er sich um, zog sein Schwert und durchstach dem Mann das Herz. Er wartete nicht, bis er auf dem Boden aufschlug. Behände sprang er nach vorne, um auch den Oberst niederzustrecken, das Schwert über dem Kopf erhoben für einen tödlichen Schwinger… und knallte gegen festen Widerstand. Die Wucht seines eigenen Schlags schleuderte Sasuke zurück auf den Boden. Irritiert blickte er Eisträumer an. Nichts. Sein Hals war entblößt wie zuvor, er hatte sich kein Stück bewegt und starrte den Arashi noch immer an, sein Blick tödlich. Das Rascheln von Kleidung ließ Sasuke herum fahren. Der Wächter war wieder aufgestanden. Ein Stöhnen entfuhr dem Arashi. Endlich verstand er und schalt sich innerlich für seine Dummheit. Wie hatte er das in seinen Nachforschungen übersehen können? Wie hatte er diese Möglichkeit komplett außen vor lassen können? Dimulon Eisträumer war ein Nekromant.

    Ein schwacher Körper schwächt die Seele

    Jean-Jaques Rousseau

  • Es war ein Spiel. Ein Spiel, das nicht gewonnen werden konnte. Sasuke packte sein Schwert fester und ging in Kampfstellung. Sein letzter Schild war zerborsten, seine Ausflucht versperrt, seine größte Stärke eliminiert. Zum ersten Mal in seinem Leben fürchtete Sasuke Mokiri den Tod. Er durfte nicht sterben. Tot nutzte er dem Frostalben viel mehr als lebendig und dass dieser Zustand noch zutraf, konnte nur daran liegen, dass Eisträumer Freude daran hatte, den eigenen Triumph hinaus zu zögern. Er würde alles bekommen. Pläne, Mitglieder und Standorte der gelben Blüte, Information über Transport- und Kommunikationswege in rebellischen Gebieten… und sie. Sasuke verwandelte die aufkeimende Verzweiflung in Entschlossenheit. Er durfte nicht zulassen, dass dieser Alb seine Familie in die Finger bekam. Wenn er es schaffte, den untoten Wächter kurz außer Gefecht zu setzen und aus dem Fenster zu klettern, hatte er eine geringe Chance. Nein. Klettern würde zu lange dauern. Er musste springen. Springen und hoffen, er bräche sich nichts dabei und falls doch, Segira gäbe ihm genug Kraft und Willen, trotzdem nicht aufzugeben. Dann musste er die Stadt verlassen, am besten ins Gebirge ziehen, irgendwo hin, wo sie ihm nicht folgen konnten. Erneut kochte Ärger über sich selbst in Sasuke hoch, dass er diese Option nicht bedacht hatte. Hätte er seine Recherchen anständig gemacht und Eisträumers wahres Sein erkannt, wäre er dem Feind niemals ohne Möglichkeit schnell und viel Feuer zu machen in die Arme gelaufen.


    Dimulon Eisträumers Augen funkelten, als sein Spiel so richtig Fahrt aufnahm und Sasuke sah dunkle Freude darin und Wahnsinn. Dem Alben ging es nicht um My’shu oder irgendeine kleine Rebellenpartei. Es ging ihm um Befriedigung und um Macht. Sasuke hatte ausreichend Zeit damit verbracht, Gesichter, Gestik und Mimik zu studieren, um dies eindeutig lesen zu können. Grob stieß der Frostalb die Frau auf das Bett und ging langsam auf Sasuke und den Wächter zu. Noch immer hielt er den Pflock in der Hand. "Er will mich selbst töten", schoss es Sasuke durch den Kopf. Zeit zum Nachdenken blieb nicht mehr. Blitzschnell schwang er sein Schwert, ohne, dass die Bewegung vorauszuahnen gewesen wäre und Kopf und Körper des Untoten fielen getrennt voneinander auf die verfärbten Bodendielen. Kraftvoll stieß sich der Arashi ab, drehte sich um die eigene Achse, um zum Fenster zu eilen und sah – nichts. Eine absolute Finsternis umgab ihn. Kälte kroch ihm Arme und Beine entlang auf sein Herz zu und ein Gefühl von Beengtheit machte ihm das Atmen schwer. Blind tastete er sich nach vorne, wohlwissend, dass er in diesem Tempo niemals das Fenster erreichen würde, bevor Eisträumer ihn gefasst hatte. Schließlich blieb er stehen. Ganz langsam kam das Licht zurück, als sich die dunklen Nebelschwaden auflösten und Sasuke blickte direkt in Paar eisblauer Augen.

    Ein schwacher Körper schwächt die Seele

    Jean-Jaques Rousseau

  • Sasuke wollte wegsehen, doch er konnte nicht. Er wollte schreien, doch kein Laut kam aus seiner Kehle. Seine Brust hob und senkte sich in Panik, kalter Schweiß trat ihm auf die Stirn, trotz der eisigen Temperaturen. Nein! Er wollte nicht sterben. Vage nahm er war, wie sein Schwert der zittrigen Hand entschlüpfte und klirrend zu Boden fiel und noch immer fixierten ihn Eisträumers Augen, ohne nur ein einziges Mal zu blinzeln. Eine zweite Stimme regte sich in Sasuke. „Schau weg, du Narr. Es ist nur ein Zauber“, drängte sie. Doch Furcht hielt weiterhin sein Herz umklammert, drückte ihre Klauen tief in den Muskel und presste ihm die Luft aus der Lunge. Aus dem Augenwinkel sah er, wie der Frostalb langsam die Arme hob, in der einen Hand den Eispflock, die andere leer, doch deshalb nicht weniger gefährlich. „Er darf dich nicht berühren!“, rief die Stimme und endlich obsiegten Sasukes Instinkte gegen die Starre und er riss mit aller Kraft, die er aufbringen konnte, den Kopf zur Seite und löste den Blickkontakt. Sofort spürte er die Luft kalt und schneidend in seine Lungen strömen und ihm neues Leben einhauchen. Es war, als erwachte er und bemerkte erst nach und nach, dass es nur ein böser Traum gewesen war. Gerade rechtzeitig sprang er zurück, um der nach vorne schnellenden Hand Eisträumers auszuweichen. Er zog den Dolch und ging in die Knie, bereit zum Sprung. Dimulon Eisträumer ging langsam und aufrecht auf ihn zu. Sasuke zweifelte nicht, dass er sich ebenfalls schnell bewegen konnte, doch er hatte es schlicht und einfach nicht nötig. Mit dem Selbstverständnis des eigenen Triumphes im Rücken setzte er einen nackten Fuß vor den anderen. Sein Schweigen begann an Sasuke zu nagen. Es machte ihn nervös und unsicher. Wenn ein Gegner quatschte, konnte man ihn einfach ablenken oder Emotionen in ihm auslösen, ihn wütend machen und zu undurchdachten Handlungen verleiten. Doch Eisträumer sagte nicht ein Wort und das brauchte er auch nicht, Sasuke verstand sehr gut. Versteck dich, kleines Mäuslein. Ich kriege dich sowieso. Und ob du von alleine reden willst oder nicht, ich brauche dir keine Frage zu stellen, denn ich werde in dir lesen wie in einem Buch. Sasuke tat einen weiteren Schritt zurück und erschrak. Ein eiserner Griff legte sich um seinen rechten Knöchel und tote Augen blickten zu ihm auf. Kopf und Körper lagen noch immer nebeneinander, doch Sasuke war dem Wächter direkt in die Arme gelaufen. Er versuchte sich loszureißen, doch der Untote war stark wie ein Bär und Sasukes Fuß bewegte sich keinen Zentimeter. Schnell sank er in die Hocke und trennte mit seinem Dolch die Hand ab, da spürte er schon die zweite an seinem anderen Bein. Auch an dieser machte er sich zu schaffen und befreite sich in dem Moment, in dem weiße, sehnige Füße neben ihm zum Stehen kamen. Ohne zu zögern hackte er seinen Dolch hinein und Eisträumer zischte, trat ihm die Waffe aus der Hand und zog ihn am Kragen nach oben. Sasuke war bemüht, ihm nicht erneut in die Augen zu sehen. Ruhig wartete er, bis er hoch genug war, dann setzte er einen Kopfstoß an, doch Eisträumer wich blitzschnell aus und Sasukes Kopf flog ungebremst nach hinten, als eine scharfe Handkante in seinem Kiefer einschlug. Die Luft flimmerte ihm vor Augen und er drohte das Bewusstsein zu verlieren. Allein seinem harten Training war geschuldet, dass sein Genick nicht gebrochen war. Sein Kiefer schon. Der Geschmack von Eisen füllte seinen Mund und das Blut lief ihm in den Hals, ließ ihn röcheln. Es musste einen Ausweg geben! Irgendetwas… Doch es gab keinen. Das wusste auch Dimulon Eisträumer und das war der einzige Grund, weshalb Sasuke überhaupt noch am Leben war. Kälte breitete sich an seinem Hals aus. Der Pflock… Eisträumer wollte ihn pfählen, wie sie es so gerne taten. Noch ein letztes Mal wand sich der Arashi im Griff des Alben, versuchte ihn mit Armen oder Beinen zu erwischen und stechender Schmerz pulsierte bei jeder Bewegung durch sein Gesicht. Es knallte. Ohrenbetäubend. Holz zerbarst. Schreie ertönten. Metall klirrte auf Metall. Sasuke stürzte nach hinten, als Eisträumer unvermittelt den Griff lockerte. Vor den Fenstern stieg Rauch auf, der Geruch von Feuer drang hinein. Schreie. Eisträumer eilte zum Fenster. Er lehnte sich hinaus und ein Pfeil schoss haarscharf an seinem Kopf vorbei und bohrte sich in den Deckenbalken. Erleichtert stöhnte Sasuke auf. Es war ein Arashipfeil. Eilig kämpfte er sich auf die Beine. Eisträumer kam erneut auf ihn zu, das Gesicht vor Wut verzerrt. Die kühle Maske der Arroganz war verschwunden. Sasuke stolperte mehr, als er ging. Im Hintergrund sah er die ersten Arashi durch die Fenster klettern. Dimulon Eisträumer blieb stehen und auch Sasuke hielt inne. Kurz traf sich ihr Blick noch einmal. Dann wandte sich der Frostalb von Sasuke ab. Die Luft um ihn herum verdichtete sich zu weißem Nebel, Konturen spalteten sich ab und schließlich waren einzelne Körper zu erkennen, die um den Alben herum schwebten. Geister… ein, zwei Schritte ging der Mann gemächlich, wie zuvor, dann stürzte er los. Einer der Arashi warf sich ihm mutig in den Weg und schlug mit dem Schwert zu, einmal, zweimal und Sasuke sah, wie sich einige der Geister zischend auflösten. Ein weiterer Schwerthieb folgte nicht. Stattdessen ertönte ein markzerreißender Schmerzensschrei und grüner Nebel verschluckte den tapferen Angreifer. Er kreischte und schrie und alle anderen Arashi standen hilflos da wie paralysiert, geschockt von dem, was mit ihrem Kameraden geschah. Nach einer Weile löste sich die giftige Wolke um den Mann auf. Keuchend lag er da, das Haar schneeweiß, das Gesicht voller Falten. Von Dimulon Eisträumer fehlte jede Spur.

    Ein schwacher Körper schwächt die Seele

    Jean-Jaques Rousseau

  • Einige Arashi halfen dem gealterten Kollegen auf die Beine und untersuchten ihn, während Sasuke mit den übrigen die Treppe hinunter in den Innenhof eilte. Dort tobte der Kampf, der bereits viele Opfer gefordert hatte. Alben und Arashi starrten gleichermaßen aus leeren Augen in den Nachthimmel, mit aufgerissenen Kehlen, abgetrennten Gliedmaßen und furchtbar zerfetzten Leibern. Dazwischen lagen vereinzelt fremdländische Menschen, wie Sasuke sie manchmal am Hafen sah – Norkara. Zu seiner Überraschung stellte er fest, dass die Menschen auf der Seite der Rebellen kämpften. Sasukes Begleiter stürzten sich sofort in den Kampf, doch er bahnte sich einen Weg aus dem Hof hinaus. Das heftige Pochen in seinem Kiefer verklärte ihm den Blick, aber eiserner Wille trieb ihn an. Er wusste nichts von der Offensive der Rebellen und auch nicht von deren Strategie, doch er hatte noch immer einen Auftrag zu erfüllen. Dimulon Eisträumer musste sterben.


    Die Straßen My’shus waren das pure Gegenteil zur Zeit seiner Ankunft. Männer schrien, Stahl klirrte und hinter allem leuchtete der Horizont im Schein zerstörerischen Feuers. Eisträumer war nirgends zu sehen. Sasuke hatte gehofft, der Alb wäre in einen Kampf verwickelt und aufgehalten worden, doch obwohl auf der Straße Tumult herrschte, war der Mann wie vom Erdboden verschluckt. Eine rasche Entscheidung musste her. Mit Sicherheit würde der Hauptmann die Stadt verlassen, doch in welche Richtung? Über Land oder zu See? Nach kurzem Zögern eilte Sasuke in Richtung von My’shus Zentrum. Die Anwesenheit der fremden Norkara würde auch Eisträumer eines gesagt haben: der Hafen war womöglich nicht länger in der Hand der Besatzer.


    Ganz My’shu schien in Kämpfe verwickelt zu sein. Es gab kaum eine freie Gasse und der Gestank des Todes lag schwer in der Luft. Entsetzt sah Sasuke, wie ein Frostalb mit einem wuchtigen Eisbeil den Kopf eines Kriegers spaltete, obwohl dieser einen Helm getragen hatte. Der Alb fletschte die Zähne und sein Blick heftete sich an Sasuke, der, das Schwert mit beiden Händen packend, in Kampfstellung ging. Im Hintergrund erkannte er verschwommen den erbitterten Zweikampf zweier Arashi, der ihn fast mehr grauste als der gestiefelte Tod, der mit hin und her schwingendem Beil auf ihn zu stakste. Auf den letzten Metern beschleunigte er sein Tempo und holte dabei einhändig mit seiner brutalen Waffe aus. Sasuke wartete ruhig, seinem donnernden Herzen zum Trotz und erst als der Hieb seines Widersachers niedersauste, wich er seitlich aus und hob die Klinge. Eis kreischte auf Stahl und Splitter flogen zu allen Seiten. Im Bruchteil einer Sekunden folgte der nächste Schwinger und Sasuke hatte keine Gelegenheit für einen Konter. Während eine wahre Salve an Angriffen auf ihn einprügelte, blieb ihm nichts, als zurückzuweichen und einen Hieb nach dem anderen zu parieren. Langsam aber sicher näherte er sich einer Hauswand, die ihm komplett den Fluchtweg abschnitt. Er musste handeln. Riskant wie es war, ob der übermenschlichen Kraft seines Gegners, packte Sasuke sein Langschwert nun mit einer Hand und exakt in dem Augenblick, in der das Beil erneut auf ihn zuflog, zog er geschwind den Dolch aus seinem Gürtel und warf. Dann ließ er sich zu Boden fallen und rollte sich schnell zur Seite. Er zweifelte, dass er den Hieb einhändig hätte abwehren können, zumindest nicht, ohne sich den Arm zu brechen. Schnell wie eine Katze sprang Sasuke in die Hocke, eine Hand auf dem Boden abgestützt, die andere über der Schulter erhoben, die Schwertspitze nach vorne gerichtet. Erleichtert sah er, dass sein Dolch getroffen hatte. Der Alb tastete überrascht an der Stelle herum, an der ein Heft aus seinem Kehlkopf ragte, dann kippte er vornüber. Sasuke atmete schwer. Der Schmerz in seinem Kiefer drohte ihn zu übermannen, doch er durfte nicht aufgeben. Er brauchte Eisträumer. Mit wachsamem Auge kroch er nach vorne, zog seinen Dolch aus dem toten Alben und verstaute ihn wieder in seinem Gürtel. Dann eilte er weiter die Straße entlang.
    Sein Innerstes zog sich zusammen, als er erkannte, wie viele Arashi auf Seiten der Besatzer kämpften und als einer sich ihm in den Weg stellte, vermochte er ihn nicht zu töten. Stattdessen ließ er den jungen Kerl bewusstlos zurück und bog in eine größere Straße ein. Ein Surren ertönte, er spürte einen Windhauch und es war nur der Axt eines stämmigen Norkara zu verdanken, dass nicht er, sondern eine drahtige Albe sich zu den anderen Opfern in den Rinnstein gesellte. Sasuke wollte sich bedanken, doch der große Mann hieb schon auf den nächsten Feind ein und beförderte ihn in eine der vielen Wasserstraßen, die My’shu in diesem Teil der Stadt durchzogen. Dann endlich sah er ihn.
    Eisträumer war ein Stück weiter in ein Gefecht mit mehreren Arashi verwickelt. Von seinem Geisterschild war kaum noch etwas übrig und seine nackten Füße wurden von vielen Körpern gesäumt. Er hielt ein großes Eisschwert, das er vermutlich einem gefallenen Artgenossen abgenommen hatte und das ebenso blau schimmerte wie der Pflock, mit dem er Sasuke hatte richten wollen. Seine Gegner wirkten verschüchtert, ihre Angriffe kamen vereinzelt und der Kommandant von My’shu bewegte sich schnell und elegant wie ein Raubtier und streckte einen nach dem anderen nieder. Kurz überlegt Sasuke sich von hinten anzuschleichen und ihm das Schwert in den Rücken zu rammen, doch er verwarf den Gedanken gleich wieder. Es wäre nicht ehrenhaft. Und erfolgreich wäre es auch nicht gewesen, denn just in diesem Moment blickte ihn Eisträumer über die Schulter hinweg an. Langsam zog er das Schwert aus dem Rumpf des letzten Kriegers und kam auf Sasuke zu. die Welt schien einzuschrumpfen. All der Lärm ebbte ab, die Umrisse von Sasukes Blickfeld verschwammen, die Bewegungen verlangsamten sich, als spiele sich alles unter Wasser ab. Übernatürlich laut kam Sasuke hingegen das Klatschen von Eisträumers Füßen auf dem Boden vor, als er unweigerlich auf ihn zuschritt und sein Haar wie in Zeitlupe hinter dem Rücken von links nach rechts schwang. Schon fürchtete er, er wäre wieder in einem Zauber gefangen, doch sein Geist war klar, er spürte das Heft des Schwerts deutlich in beiden Händen und den festen Grund unter seinen Füßen. Darauf bedacht, dem Nekromanten nicht direkt in die Augen zu sehen, stand Sasuke da, tief in den Knien, jeden Muskel seines Körpers angespannt. Ein Brüllen durchschnitt die Nacht und Sasuke duckte sich unwillkürlich nach unten ab und nahm die Hände über den Kopf. Ein riesiger Schatten flog über ihn hinweg und mit ihm kam der ganze Lärm und Tumult zurück in Sasukes Bewusstsein. Eisträumer hatte eine weiße Hand erhoben und ein monströser Eisbär kam vor ihm zum Stehen. Mehrere Pfeile steckten in der Flanke und den Hinterläufen des Tieres, das ehrbietungsvoll den Kopf vor dem Frostalben senkte. Eisträumer streichelte ihn im Nacken, dann sprang er behände auf dessen Rücken. Der Bär richtete sich brüllend auf die Hinterbeine auf, dann rannte er in die Nacht davon, über die Körper von Lebenden wie Toten gleichermaßen hinweg. Kurz davor trafen sich jedoch noch einmal die Blicke von Dimulon Eisträumer und Sasuke Mokiri und die Botschaft war eindeutig: Wir sehen uns wieder.

    Ein schwacher Körper schwächt die Seele

    Jean-Jaques Rousseau

  • Arashi waren ein merkwürdiges Völkchen soviel war Ragosh klar, sie hielten mehr von Ehre und ähnlichen Werte wie andere Menschen aus dem Süden. Damit waren sie vielen Orks sympatisch gut man konnte nicht sagen, das sie sich dadurch Freunde schimpften oder auch zusammen arbeiten würden, aber der Grundgedanke war dennoch ein positiver. Die Stadt die sie einnehmen wollten schien ihnen ungemein wichtig, doch ihre Besatzer hatten ebenfalls Arashi als Kämpfer in ihren Reihen das machte es natürlich nicht leichter. "Nieder mit den Besatzern" rief ein Mann an der Seite des Orks, der nur zustimmend grunzte und ihm über eine Leiter auf die Mauer der Stadt folgte. Der Angriff erfolgte von vielen Seiten der Stadt gleichzeitig, es war mitten in der Nacht und nur der Fackelschein spendete Licht für Straßen und mögliche Gassen, ebenso für den Wehrgang der Mauern. Es dauerte nicht lange da war die Stadt und ihre Besatzer erwacht und man hörte überall, wie Stahl auf Stahl traf und die ersten Schreie der Verwundeten ließen nicht lange auf sich warten.


    Ragosh stand auf der Mauer und blickte sich um, der Mann neben ihm dessen Name er sich einfach nicht merken konnte half gerade einem weiterem Mann hinauf. Das Breitschwert in der Hand haltend schaute er nach rechts wo auch prompt die ersten Verteidiger auftauchten. Zwei Männer mit ihren gebogenen Schwertern kamen laut schreiend auf ihn zu, der Ork brüllte ihnen eine Herausforderung entgegen und kam ihnen entgegen. Die Arashi waren besonders flink und verzichteten auf schwere Rüstungen, das machte sie wendiger aber auch leichter verwundbarer doch das machten sie in der Regel mit ihrer Wenigkeit weg. Ragosh der selbst kaum Rüstungsteile am Körper trug bis auf Kleidung aus Leder und Felle die seinen Oberkörper warm hielten, war ihnen an Statur und Kraft überlegen doch war er lange nicht so schnell wie sie. Die beiden Angreifer mussten Brüder sein, den sie verstanden sich ohne zu sprechen, der erste Schlag zielte auf den linken Oberarm des Orks. Ragosh wehrte diesen mit seinem Breitschwert ab und versuchte den Mann zu fassen zu bekommen, doch es gelang ihm nicht. Den der andere Angreifer hatte genau auf diese Bewegung gewartet, er schlug dem Ork mit der flachen Seite auf die Finger als er nach seinem Kumpanen greifen wollte. Erschrocken und wütend zugleich auf diese Finte herein gefallen zu sein grunzte Ragosh auf und wich erschrocken zurück, er musterte zähnefletschend die beiden Männer die nun direkt vor ihm standen. Beide Seiten fingen an sich zu belauern, die beiden Männer schritten ruhig hin und her, der Ork kniff die Augen zusammen und hielt sein Schwert quer vor sich fest mit beiden Händen im Griff.


    Die beiden Angreifer erkannten das hinter dem Ork immer mehr Angreifer die Mauer hinauf kamen, die Zeit war also gegen sie. "Wir müssen Verstärkung herbei rufen!" sprach der eine zu dem anderen, dieser nickte knapp und gleich darauf griffen die beiden den Ork gleichzeitig an. Wieder eine Finte! Diese elendigen trickreichen Mistkerle! Dachte sich der Ork der wieder parierend zurückweichen musste. Doch sein Begleiter mischte sich in den Kampf ein und zwei weitere Kämpfer taten es ihm nach, das Gleichgewicht hatte sich gegen die beiden Männer gestellt die sich dennoch sehr gut schlugen.


    Der Schlagabtausch war heftig und der Ork mischte sich wieder in das Geschehen mit ein, er schlug von oben auf einen der Männer ein. Dieser leitete den Schlag weiter und es sprühten Funken auf ehe das Schwert von Ragosh auf den Boden der Mauer einschlug. Doch der Ork packte den Mann am Schwert arm und zog ihn zu sich heran, der Mann verstand nicht sofort was passiert doch der Ork holte bereits mit seinem Schädel aus um dem Mann eine wuchtige Kopfnuss zu verpassen. Man hörte wie die Nase des Mannes mit einem lauten Knacken nachgab, gleich danach schupste Ragosh den Mann die Mauer hinab in den Innenhof. Der zweite Angreifer jedoch sah hier seine Chance seinen Kumpanen zu rächen und sein Schlag zielte nun auf den Kopf des Orks, der komplett frei lag. Das Gesicht vor Wut verzerrt sprang der Mann nach vorn. Kurz vor dem Hals des Orks kam das Schwert jedoch zum stehen, der Grund war offenkundig der Mann der mit Ragosh die Mauer hinauf geklettert war hatte sein Schwert tief in den Hals des Mannes hinein gestoßen. Mit weit aufgerissenen Augen schaute der Mann Ragosh an eher er Blut würgend zu Boden ging und der Mann sein Schwert wieder aus seinem Hals zog. Es dauerte nicht lange bis sich eine große Blutlache auf der Mauer bildete.


    "Wieso kämpfen diese Bastarde auf Seiten der Spitzohren?!" kam es aus dem Ork heraus geplatzt. Doch der Mann zuckte mit den Achseln "vermutlich, sind sie belohnt worden oder sie fürchten die Alben mehr als uns, los Ork weiter wir müssen den anderen helfen!". Die kleine Schaar war auf insgesamt Fünf Mann angewachsen mit ihm waren es sechs, sie verließen die Mauer und liefen Richtung Stadtkern. Überall waren Frostalben und Arashi in kämpfe verwickelt hier und da sah man aber auch wie, die Menschen gegen Menschen fochten. "Weiter wir müssen Sasuke finden, sofern er noch lebt!" drängte der Mann erneut, der Ork verstand nicht was so wichtig an diesem Mann war dennoch fragen konnte er später immer noch.


    Sie bogen die nächste Straße rechts ab, als die Gruppe direkt in der Straße stand schrie einer der Männer auf. Die Gruppe blieb direkt stehen und sie schauten zu ihrem Gefährten, ihm ragte ein Pfeil aus der Brust. Mit seinen eigenen Händen versuchte er, diesen aus seiner Brust zu ziehen doch der zweite bohrte sich direkt zwischen seine Augen was jegliche Mühe des Mannes erübrigte. Mit zwei Pfeilen gespickt ging er zu Boden, der Schütze tauchte auch prompt aus einer Rauchwolke auf, die durch ein brennendes Haus hinauf stieg. Es war ein Frostalb in kompletter Rüstung, er trug einen Bogen in der rechten Hand und kam auf sie zu im gemütlichen Schritttempo. "Lasst euch nicht täuschen von seiner Anzahl, diese Mistkerle sind zäh" sprach der Mann ebenso wie er hoben alle weiteren ihre Schwerter und schritten ihm entgegen. Ragosh dauerte das alles viel zu lange, er brüllte den Frostalben an und rannte auf ihn zu. "Nein verdammt! Warte!" rief ihm der Anführer der Männer hinterher doch der Ork dachte gar nicht daran. Der Alb schien verwirrt einen Ork zu sehen den er legte den Kopf schief, die Mimik des Mannes konnte man nicht sehen, den der Helm verbarg mit dem Visier jegliche Gesichtszüge. Doch er warf den Bogen bei Seite und zog ein Schwert das unheimlich blau schimmerte, es musste ein Eis-schwert sein diese waren bei den Frostalben sehr beliebt und galten im Norden als tödliche Waffe. Der Schlag war auf den Kopf des Alben gezielt und hätte diesen vermutlich auch getroffen um ihn von den Schultern des Mannes zu trennen, doch dieser duckte sich nach hinten weg, die Wendigkeit war auch hier deutlich zu sehen.


    Der Schlag von Ragosh ging ins leere und ließ den Ork taumeln, da er felsenfest der Überzeugung war er würde treffen. Als er den Blick über die Schulter nach hinten warf sah er den Alb der einfach weiter auf die vier übrigen Männer zu schritt, er ignorierte ihn einfach! Das machte den Ork jedoch noch wütender, er sammelte sich erneut und machte sich drauf und dran den Alb von hinten anzugreifen. Der Alb hatte die vier übrigen Männer erreicht und fokussierte eine Person, auf die er seine Attacken konzentrierte. Die anderen Männer schlugen auf ihn ein doch er parierte ihre Schläge und es sah aus als würde, dieser Alb sich unnatürlich schnell bewegen. Hier parierte er einen Schlag mit seinen Unterarmschienen dort trat er einem Mann direkt in den Bauch und zu guter letzt, parierte er zwei Schwerter mit seinem eigenem. Diese Alben waren ungeheuer schnell und es dauerte nicht lange bis das Eis-Schwert nach vorne stach und dem Mann den Kopf von den Schultern schlug. Da waren es nur noch drei Männer und Ragosh der mittlerweile den Alb und das Getümmel wieder erreicht hatte. Sein Schwertschlag kam dieses mal von unten und richtete sich auf den Bauch des Mannes, dieser leitete den Schlag wiederum mit einem von oben nach unten geführten Hieb zur Seite, doch das brachte Ragosh nah an ihn heran. Der Ork stieß mit seinem Oberkörper nach vorn und der Mann taumelte aus dem Zweikampf heraus, die drei übrig gebliebenen Männer fielen erneut über den Alben her.


    Dieses mal wurde er auch getroffen nahm hier und dort eine Schnittwunde hin und wich erneut unter Paraden zurück, der Ork schloss sich erneut dem Angriff an und der Alb merkte wie ihm langsam die Initiative verloren ging. Nach kurzem hin und her konnte einer der Männer eine Lücke in seiner unüberwindbaren Verteidigung erzwingen in dem er vor sprang, um sein Schwert seitlich unter die Achseln des Albes zu versenken. Die gewünschte Wirkung war das der Alb aufschrie und sein Blut begann zu fließen doch im gleichen Moment zuckte sein Schwert voran und grub sich in den Bauch des mutigen Mannes, der jaulend zurück sprang. Da war Ragosh bereits heran geeilt und schlug dem Alben sein Schwert von oben mit einem wuchtigen Hieb auf dessen Kopf. Der Helm gab nach und es knackte laut auf, dann ging der Alb zuckend zu Boden. "Diese elendigen Spitzohren, diese Stadt muss euch sehr wichtig sein wenn diese Mistkerle sie besetzt halten!" presste der Ork zwischen seinen Zähnen hervor eher er auf den Toten Feind spuckte. Es waren 2 Krieger gefallen der Mann der ihnen die Lücke ermöglicht hatte war ebenso tot, wie der dessen Kopf nicht mehr auf seinen Schultern ruhte. Zwei Tote für einen Alben siegreich war etwas anderes, der Anführer schaute den Ork an und sprach düster "das ist unser Land diese Monster haben hier nichts zu suchen, los weiter wir müssen Sasuke finden!" drängte er erneut und die kleinere Gruppe machte sich auf den Weg weiter gen Stadtkern.


    Sie liefen ungefähr Fünf weitere Minuten ehe sie ein lautes brüllen hörten, es war ein großes Tier soviel stand fest. Gleich darauf sahen sie aus der Ferne einen Eisbären auf dem ein Alb saß gen Stadtmauern laufen, der Ork wollte ihm schon nach eilen doch er wurde zurück gehalten. "Das könnte eine Falle sein los weiter! Sie bogen in die Straße ab aus der der Eisbär gekommen war und sahen einen Mann dort stehen. "Sasuke endlich geht es dir gut?" rief der Mann der offenbar erleichtert war ihn lebend zu sehen.

  • Vom Hafen her ertönte ohrenbetäubender Lärm und eine falsche Sonne ging auf.
    Terry lachte, er stand am Bug des Skuas, des Flagschiffes der Möwenflotte. Die Bordskorpione spien Feuerkugeln. Terry hatte diese Geschosse in Obenza gekauft, Tonkugeln, gefüllt mir brennbarem Öl und nur einer kleinen Zündschnur, die brannte. Sobald die Tonkugeln aufschlugen, explodierte ein Feuerball. Das Hafenviertel stand in Flammen. Sogar Dinge, die gar nicht brennen dürften, brannten - die Wege, Steinhäuser, Menschen. Die tiefhängende Wolkendecke reflektierte den orangefarbenen Schein, als würde die Sonne aufgehen. Doch das tat sie nicht. Was hier leuchtete, war der Atem des Abgrunds, der sich auftat! Die Piraten johlten. Die vor Anker liegenden Schiffe der Frostalben wurden besetzt, die Anker eingeholt und die Möwenflaggen gehisst.


    "Keine Flucht übers Wasser, ihr Frostbeulen!", brüllte Terry gut gelaunt. "Die Schiffe behalten wir uns als Zoll für den Ärger, den ihr hier macht!"


    Zu seinem tiefsten Bedauern gelang es seinen Leuten nicht, restlos alle Schiffe für sich zu gewinnen oder die übrigen zu versenken. Einige Schiffe konnten die Frostalben in Sicherheit bringen. Vermutlich hatten sie Windmagier an Bord, die ihnen in die Segel bliesen, denn sie rauschten unnatürlich schnell davon. Aber das machte nichts.


    "Bringt die Schiffe aufs offene Meer", befahl er. "Nur unsere eigenen Kriegsschiffe bleiben im Hafen!"


    Als alles, was die Skorpione erreichten, in Flammen stand oder in Trümmern lag, sprangen die Norkara in die Beiboote und ruderten mit lauten Schlachtgesängen an Land. Irgendein Trupp sang lieber ein Sauflied. Hauptsache, sie machten sich gegenseitig Mut und hatten Spaß!


    Terry zückte das geniale Schwert, welches ihm der kleine Shakuro überreicht hatte. Der ihm allen Ernstes Rum mit einer verdammten PIPETTE in den Tee geträufelt hatte. Terry hoffte, dass es dem Kerl gut ging, er fand ihn lustig und wollte ihn gern mal abfüllen und ihm beim Kotzen zusehen. Das ging aber nur, wenn er nicht in der Schlacht fiel. Vielleicht entdeckte er ihn ja unterwegs irgendwo. Terry fing den erstbesten Frostalben ab und nach einem Schwertgefecht, das nur eine Sekunde dauerte, fiel der Mann durchbohrt zu Boden. Terry machte sich nicht die Mühe, zu überprüfen, ob er überhaupt tot war, es reichte, wenn er am Boden lag. So schludrig kämpfte er sich durch die Reihen und seine Männer taten es ihm gleich, sie frästen sich durch die Stadt wie Wölfe, die in einem Schafspferch im blinden Blutrausch um sich bissen, hinterließen einen Haufen Verletzte, aber kaum einen wirklich Toten. Das Hafenviertel ertrank in Feuer und Blut.

  • Der Impuls Eisträumer hinterher zu rennen durchzuckte Sasuke, doch sofort schaltete sich sein Verstand ein. Es war sinnlos. Der Alb war weg. Er hatte versagt. Einen Moment lang stand er da, das Schwert nach unten gerichtet in seiner schlaffen Hand und Enttäuschung flutete ihm durch die Adern. Jemand rief seinen Namen. Benommen drehte Sasuke sich um und erblickte ein bekanntes Gesicht. Erstaunen verdrängte die Resignation. „Mosoro?“ Also war die Gelbe Blüte ausgerückt. Der alte Freund kam schnellen Schrittes auf ihn zu und zog Sasuke in eine kräftige Umarmung. Noch etwas verdattert erwiderte er die Begrüßung, doch sein Blick hatte bereits die nächste Überraschung entdeckt. Einen Ork. Unter den Männern, die Mosoro begleiteten, war tatsächlich ein Ork. Automatisch begann Sasuke zu grübeln, ob er schon jemals einen der ihren gesehen hatte. Wie kam es, dass er Seite an Seite mit den Rebellen kämpfte? Eilte das benachbarte Volk ihnen zur Hilfe, aus Furcht vor der eisigen Bedrohung aus dem Norden, oder war er nur ein Einzelkämpfer? Er war ein Prachtexemplar, stämmig und stark und vermutlich gäbe es keinen passenderen Kumpanen bei einer Mission wie dieser. Trotzdem war es ungewöhnlich. Zeit, nachzufragen blieb nicht. Die Kämpfe hatten sie wieder erreicht und Sasuke drehte sich gerade rechtzeitig, um gemeinsam mit Moroso den Angriff eines schwer bewaffneten Frostalben abzuwehren. Alle Fragen mussten warten, ebenso die Unsicherheit, was Dimulon Eisträumer betraf. Unweit entfernt sah er den großen Ork in einem Gefecht und konnte nicht anders als über dessen Geschick und Kraft zu staunen. Entschlossen schwang Sasuke sein Schwert und setzte zeitgleich zu einem Fußtritt in Richtung Hals an. Wäre die Stadt nicht in ohrenbetäubendem Lärm ertrunken, hätte man das laute Knacken gehört, mit dem das Genick des Alben brach. Mit vor Erstaunen aufgerissenen Augen sank er zu Boden und gesellte sich zu den vielen, vielen anderen Gefallenen, Freund wie Feind. Dieser Angriff musste wohl geplant sein, dachte Sasuke, denn ansonsten hätte er längst schon erwartet, von einer Übermacht eingekreist zu sein. Als hätte er seine Gedanken gelesen, brüllte Moroso zu ihm hinüber. „Wir müssen uns beeilen und die Stadt von Feinden wie Verrätern säubern, bevor sie neue Streitkräfte heranziehen können! Kyako hat einen ganzen Tross bei sich, um My’shu nach Norden und Westen hin zu befestigen!“ Es gab nur einen Kyako, den Sasuke kannte und das bedeutete, dass auch Widerständler von der Partie waren. Widerständler, Norkara und sogar ein Ork, die auf ihrer Seite kämpften. Sein Blick traf den, des hünenhaften Kriegers und er nickte ihm anerkennend zu, um zu zeigen, dass er froh war, an seiner Seite kämpfen zu dürfen. Heute Nacht gab es nur eines, das zählte. Überleben.

    Ein schwacher Körper schwächt die Seele

    Jean-Jaques Rousseau

  • Shakuro Aisako


    Die Tage nach Terrys Besuch waren die schlimmsten, die Shakuro jemals erlebt hatte. Am liebsten wäre ihm gewesen, die Schlacht hätte sofort begonnen, dann hätte er das Für und Wieder seiner Entscheidung nicht Tag für Tag und Nacht für Nacht erneut durch wälzen müssen, während er Reismehl ausversehen in die Teeregale räumte oder stundenlang die dunkle Decke über seinem Bett anstarrte und auf einen Schlaf voller wilder Träume wartete. Laufend wuchsen neue Zweifel. War die Offensive auf die Stadt der richtige Weg? Wie hatte er jemals sicher sein können? Shakuro lechzte nach einem Zeichen Segiras, dass er korrekt handelte. Nun, da alles in die Wege geleitet war, wurde ihm die Tragweite erst richtig bewusst. Unzählige würden sterben, die Besatzer vor Zorn rasen und die Spaltung seines eigenen Volkes möglicherweise unwiderruflich wachsen. Und für was? Für eine Stadt. Wie immer, wenn er dieses Gedankenspiel durchging, kniff Shakuro die Augen zusammen und schüttelte vehement den Kopf. Er hatte alles abgewogen, gründlich durchdacht. Es ging nicht bloß um My’shu. Es ging um alles, das seine Partei und die freien Arashi sich erarbeitet hatten. Es ging um nicht weniger, als die Zukunft Arashimas. Shakuro seufzte. Wie so oft in diesen Momenten blickte er zu dem Rumfass, dass Terry mitgebracht hatte. Ob ein Schluck daraus seine Nerven beruhigen könnte? Nein! „Shakuro, du Narr!“, schalt er sich. Seine Landsmänner und er waren auf jedes Quäntchen von Segiras Segen angewiesen, wie konnte er da nur daran denken, sie kurz davor zu verstimmen?
    Tagelang taumelte Shakuro durch sein Gedankenkarussell, bis die Nacht der Entscheidung endlich gekommen war. Sein Platz war nicht auf dem kundschaftenden Fischerboot, doch immerhin im Hafenviertel, sodass er die Ankunft der Norkara miterleben konnte. Wie eine riesige Welle aus Feuer brachen sie ein, einer Naturgewalt gleich. Es dauerte nicht lange, bis Shakuro Terry entdeckt hatte, der sich mit seiner riesenhaften Gestalt voran kämpfte. Die Unterstützung der Truppe um Shakuro war gar nicht nötig, um den Hafen zu sichern. Trotzdem stürzten sie sich nun auf den Wink eines älteren Arashi namens Yasuri in dem Kampf, um den Männern aus dem Süden beizustehen. Das Hafenviertel musste unbedingt gesichert werden. Es war nicht auszuschließen, dass eine Flotte der Wolfs-Norkara oder ein Schwarm Shezem in der Nähe war. Mit Mühe streckte Shakuro einen jungen Alben nieder. Er war in der Kunst des Schwertkampfes ausgebildet worden, doch richtig gut war er nie darin gewesen. Kein Künstler an der Waffe wie Sasuke, kein Bär wie Terry. Seine Stärken lagen in strategischem Denken, genialen Plänen und Redegewandtheit. Eine Eisharpune zischte haarscharf an seinem Kopf vorbei und Shakuro zuckte zusammen. Aus dem Augenwinkel sah er, wie einer seiner Kollegen fiel, seine Augen tränten vom Rauch und der Lärm war ohrenbetäubend. Erneut kochten Zweifel in ihm hoch, doch nun war es endgültig zu spät. Sie würden My’shu schon wieder aufbauen. Erst galt es, es zurück zu erobern. Klirrend parierte er einen Schwerthieb und hatte kurzen Blickkontakt mit dem feindlichen Arashi. „Ihr bringt nur noch mehr Leid über uns!“, rief dieser. „Diesen Krieg können wir nicht gewinnen.“ Erneut schlug er zu. „Wenn wir nicht kämpfen, haben wir schon verloren! Und kein Arashi wird je wieder in Freiheit leben“, gab Shakuro zurück und sprach damit aus, womit er sich selbst die ganze Zeit auch schon zu beruhigen versucht hatte. Kurz meinte er Zweifel durch die Augen seines Gegenübers blitzen zu sehen und wollte schon ansetzen, ihn zu überreden, einfach die Seiten zu wechseln, da biss dieser entschlossen auf die Zähne und verstärkte seine Angriffsbemühungen. Shakuros Schwert fiel klirrend zu Boden. Er war nun ganz in der Nähe von Terry, konnte dessen massige Gestalt deutlich erkennen. Gerne hätte er den Mann noch einmal gesprochen, hätte ihm danken wollen, dass der Pakt eingehalten worden war und ihm mitteilen mögen, dass er sämtliche Erwartungen übertroffen hatte. Allerdings sah es gerade nicht gut für ihn aus. Er war unbewaffnet und es war nur dem erneuten Zögern des Mitläufers geschuldet, dass er noch lebte. Dieser hob nun langsam sein Schwert an. Um ihn herum waren alle in Gefechte verwickelt, niemand schien seine aussichtslose Situation zu bemerken. Shakuro schloss die Augen und rechnete damit, jeden Augenblick von scharfem Arashistahl durchbohrt zu werden.

    Ein schwacher Körper schwächt die Seele

    Jean-Jaques Rousseau

  • Mosoro! Das war der Name des Mannes! Schalte es wieder in den Kopf von Ragosh der den Mann musterte den sie gesucht und nun auch gefunden hatten. Er war recht drahtig gebaut wie viele Männer der Ashari das Schwert in seiner Hand wirkte etwas gebogen und auch das war für die Menschen hier oben typisch, es glich einem Wunder das dieser Mann noch lebte in dieser Schlacht die an sich keine war. Das was sich in dieser Stadt zutrug war ein Gemetzel und überall waren Männer und Alben in Kämpfe verwickelt. Sasuke hechtete nach vorn und rettete somit Mosoro das leben der wider rum sich fing und sie dazu drängte weiter in die Stadt vorzustoßen um sie weiter zu sichern. Das kurze Nicken das Ragosh entgegen gebracht wurde, sagte mehr als Worte ausgesagt hätten. Es war ein Zeichen des Respekts und er nickte ebenso und folgte den Männern weiter in die Stadt hinein.


    Niemand konnte sagen wie sich die Schlacht entwickelte überall war das blanke Chaos ausgebrochen, sie liefen an Männern vorbei die sich wilde Kämpfe lieferten. Ebenso an Frostalben die versuchten gegen eine Übermacht zu bestehen die von allen Seiten zu kommen schien. Doch es gelang ihnen nur vereinzelnd und hier und da sah man ebenso Frostalben die versuchten sich irgendwie abzusetzen, doch wurden sie dabei niemals gänzlich in Ruhe gelassen. "Wohin wollt ihr Sasuke?" fragte Ragosh gerade heraus als er zu ihm aufschloss.