Kapitel 2 - Verspätete Rache - Wiedersehen mit Antoine

  • (Einige Wochen davor)


    Sie jagten ihn seit Stunden. Die Hitze des Tages war gewichen und nun war es Nacht. Er trug den Sommer auf der Haut, barfuß, in kurzen Lumpen und mit braungebrannter Haut, die sein helles Haar leuchten ließ. Er verbrachte fast den gesamten Tag unter freiem Himmel, schlug sich mit kleinen Diebstählen und Betteln durch. Dafür, dass er auf der Straße lebte, war er gut in Form, denn wer gut aussah, hatte es leichter, sich die eine oder andere Mahlzeit ausgeben zu lassen oder sonstige Geschenke zu erhalten. Dahingehend ging es ihm seit zweieinhalb Jahrzehnten ganz gut. Doch die Nacht warf schwarze Schatten und die Sommerhitze wich der Kälte der Sterne und der beiden Monde.
    Antoine hatte schon das eine oder andere Mal am öffentlichen Pranger gestanden, doch heute war er zu weit gegangen. Die Leibgarde des Großherzogs Höchstselbst war ihm auf den Fersen. Er glaubte nicht, dass er noch lange genug durchhalten würde, um den nächsten Sonnenaufgang in Freiheit zu erleben. Warum sie ihn so erbittert jagten, wusste Antoine nicht. Der feuchte Staub von herabgebröckeltem Putz verklebte seine Zehen, als er durch das verlassene Industriegebiet rannte. Lagerhallen und schweres Gerät zum Verladen dominierten das Viertel. Bei Nacht war hier nichts los, die Arbeiter waren nur am Tage zugegen. Es gab hier entsprechend kaum Licht, dem er ausweichen musste, von dem der beiden Vollmonde abgesehen.
    Zwölf Mann waren es, die an seinen Fersen klebten, in enge schwarze Kleidung gehüllt, von einer leichten, ebenfalls schwarzen Rüstung geschützt, die Gesichter von Visierhelmen verdeckt. Antoine hatte nicht damit gerechnet, dass sie ihm derart weit vom Palast weg folgen würden. Er war davon ausgegangen, dass sie bald umkehren und die Büttel der Stadtwache informieren würden, so dass er ein Zeitfenster erhielt. Stattdessen jagten sie ihn gnadenlos wie ein Rudel ausgehungerter Raubtiere einen einsamen Hirsch. Schnelligkeit war immer sein Freund gewesen, doch die Leibgardisten waren ausdauernd wie Wölfe und genau so gerissen. Sie schienen seine Fluchtroute vorherzusehen und hatten sich aufgeteilt, um ihm alle Wege abzuschneiden. Vier waren unmittelbar hinter ihm. Sie zeigten sich offen, gaben sich keine Mühe, in Deckung zu gehen, waren immer gerade weit genug weg, als dass er die Hoffnung nicht ganz verlor, sie vielleicht doch noch abzuhängen und weiter rannte, anstatt aufzugeben. Er wusste, dass sie ihn erschöpfen wollten. Er wusste es und war doch machtlos dagegen.
    Antoine kletterte eine verrostete Eisenleiter hoch und rannte über ein Laufgitter, das um das Gebäude herumführte. Seine Fußsohlen waren steinhart von Hornhaut und das Eisen störte ihn so wenig wie zuvor der scharfkantige Schutt. Die Leibgardisten legten die behelmten Köpfe in den Nacken und sahen ihm nach. Sie teilten sich erneut auf, zwei folgten ihm hinauf und zwei rannten unter dem Gitter entlang.
    Antoines Füße hämmerten auf dem Eisen, Rost rieselte hinab. Er konnte nicht mehr rennen, er schleppte sich nur noch vorwärts. Die Leibgardisten waren besser trainiert, agierten wie ein Mann, der sich in mehreren Körpern befand. Sie waren ein perfekt eingespielter Trupp von Elitekämpfern und sie hatten ihn bald. Was dann geschehen würde, wusste er nicht. In Anbetracht dessen, dass er im Anwesen des Ducs herumgeschlichen war, auf der Suche nach lohnenswertem Diebesgut, wurden ihm vielleicht die Hände abgehackt. Immerhin war er ins Heiligtum der Krone eingedrungen, das war noch etwas anderes, als auf dem Markt ein paar Würstchen zu entwenden oder bei einer einsamen Dame im Gegenzug für Schmeicheleien Geld zu leihen, dass er niemals zurückzahlte.
    Weil er nicht wusste, wo er sonst hin ausweichen sollte, kletterte hinauf er auf das Flachdach. Und dort standen drei Männer in Schwarz. Antoine konnte in seinen Gedanken regelrecht ihr gehässiges Grinsen hinter den Visieren sehen. In selbstsicherer Manier schlenderten sie auf ihn zu. Er blickte unter sich die Leiter hinab. Dort standen zwei weitere Gardisten und warteten. Sie kamen nicht hinterhergeklettert, sondern blickten nur hinauf. Er war gefangen, hing zwischen Himmel und Erde auf den rostigen Metallstreben, die nur wackelig mit der Wand verbunden waren.
    Er war kein Leichtgewicht, sondern war groß und stand gut im Futter. Jetzt im Sommer besonders, wo es überall in den Vorgärten Früchte zu holen gab und Vogelnester, die man plündern konnte. Er hielt die Leiter fest umklammert und ruckte mit dem ganzen Körper nach hinten, ein Mal, zwei Mal. Beim dritten Mal riss sie aus der Verankerung und kippte mit ihr über die eiserne Brüstung hinweg nach hinten. Der Horizont kippte ebenfalls. Antoine löste seine Füße und hielt sich nur noch mit den Händen fest, während er samt Leiter fiel. Die Leiter wurde immer weiter aus der Wand gerissen, die Schrauben lösten sich aus der Wand und flogen wie Geschosse durch die Luft. Fluchend gingen die Leibgardisten in Deckung.
    Etliche Meter über dem Boden traf sich die Leiter mit dem Geländer, das Eisen bog sich kreischend durch. Antoine ließ los und fiel die letzten Meter. Der Stoß des Aufpralls breitete sich in seine Beine aus und schien in seinen Knien zu explodieren. Er stürzte und rappelte sich langsam wieder auf, zu langsam.
    Ein Tritt in den Rücken schickte ihn wieder zu Boden. Erschrocken fuhr er herum. Die Vier Gardisten, die ihn gehetzt hatten, zogen ihren Kreis enger, die drei vom Dach seilten sich gerade ab. Antoine kam auf Hände und Knie und kassierte einen Schlag ins Gesicht. Sein Kopf flog herum, erneut landete er im Dreck. Diesmal blieb er liegen, in der Hoffnung, weiteren Misshandlungen zu entgehen.
    »Ich ergebe mich«, keuchte er. »Aufhören!« Er hob im Liegen die Hände. Eine gepanzerte Stiefelspitze wurde von hinten zwischen seine Beine gerammt und Antoine quollen die Augen aus den Höhlen. Er kotzte einen Schluck Magensäure aus. Seine Arme wurden auf seinen Rücken verdreht und fest miteinander verschnürt.
    »Aufstehen!« Die Gardisten traten ihn in die Seite, bis er mit tränennassem Gesicht auf die Füße kam. Wacklig blieb er stehen. Einer der Gardisten hatte sich vor ihm aufgebaut. Der Körperhaltung nach musste er sich zusammenreißen, den Dieb nicht an Ort und Stelle zu einem blutigen Klumpen zu verarbeiten. Antoine konnte sich nicht erklären, warum die Typen ihn dermaßen auf dem Kieker hatten, nur weil er in den Palast eingedrungen war! Er war nur ein lausiger Kleinkrimineller auf der Suche nach etwas Handlichem, das er mitgehen lassen konnte und jagten ihn wie einen Serienmörder.
    »Es tut mir leid«, ächzte er. »Ich wollte keinem etwas Böses, ich wollte nur irgendwas klauen. Ich bin von der Straße.«
    »Es war klar, dass du so geendet bist«, schnauzte der Leibgardist. »Hinterfotzigkeit war schon immer deine bevorzugte Art. Du hast in deinem Leben nie etwas zustande gebracht, hast dich deinen Problemen nie gestellt, sondern versucht, sie zu umgehen. Der leichte Weg, das ist dein Weg.«
    Antoine starrte den Leibgardisten mit offenem Mund an. Das Visier war wie eine schwarze Maske aus Eisen mit Luftschlitzen. »Wer seid Ihr? Kennen wir uns?«
    »Du wirst mich noch kennenlernen«, schnauzte der Mann. »Bringt die Drecksau ins Verlies B.«
    Antoine strengte sein Gedächtnis an, aber er konnte sich beim besten Willen nicht an die Stimme erinnern oder daran, irgendeinen Leibgardisten persönlich zu kennen. Vielleicht kannte er ihn aus einer Taverne? Sie führten den humpelnden und vor Schmerzen stöhnenden Mann zurück zum Palast und warfen ihn dort in einen unterirdischen Kerker. Sie zogen ihn aus und durchsuchten alle Körperöffnungen. Dabei gingen sie gründlicher vor, alses nach Antoines Meinung hätte sein müssen. Sie wechselten sich damit sogar ab und kontrollierten alles mehrmals. Panik stieg ihn ihm auf, als er merkte, in welche Richtung das Ganze sich entwickelte. Sie rückten von allen Seiten enger an ihn heran.
    »Leute, ich bin nur ein kleiner Dieb von der Straße«, beschwor er sie. »Ich habe nie irgendwem etwas getan! Nur ein paar Kleinigkeiten geklaut!«
    »Lüge, Toni. Ganz böse Lüge«, knurrte der Leibgardist, der gerade mit den Fingern seinen Hintern spreizte und dabei gar nicht sanft vorging.
    »Woher kennt Ihr meinen Namen? Hört auf damit!«, ächzte er.
    Der Kerl stand auf, packte ihn am Genick und presste ihn an die Wand. »Beine auseinander«, befahl er. Antoine rückte die Füße ein winziges Stück auseinander.
    Einer der umstehenden Leibgardisten, der bisher an der Wand gelehnt und zugeschaut hatte, trat nun herzu. Der Statur nach war es derjenige, der Antoine gestellt hatte und vermutlich der Anführer der Einheit. Er war nicht sehr groß, dafür bullig. Er öffnete den Verschluss unter seinem Kinn und nahm den Helm ab. Antoine traf fast der Schlag. Der Kerl hatte eine dicke rosa Narbe vom Mundwinkel bis fast zum Ohr. Wenn er ihn nicht an der Knollnase, den eisblauen Augen und den schwarzen, mittlerweile angegrauten Haaren erkannt hätte, dann an dieser Narbe, die er selbst ihm einst verpasst hatte.
    »Hör mal, Boldi...«, begann Antoine versöhnlich.
    »Gönn dir deinen Spaß, Robby«, sagte der zu dem Gardisten, der hinter Antoine stand, ohne auf den Gefangenen einzugehen. War das denn die Möglichkeit, der auch hier?! Wie viel Pech konnte man haben!
    Der Rest der Truppe stand um sie herum und riss einen blöden Spruch nach dem anderen. Robere machte sich rücksichtslos an Antoine zu schaffen, so wie er ihn schon während ihrer Kindheit gequält hatte. Nur, dass seine Grausamkeit nun, da sie erwachsen waren, jene aus ihrer Kindheit um ein Vielfaches übertraf. Boldiszàr verfolgte das Schauspiel mit ausdruckslosem Gesicht. Er selbst machte sich die Finger nicht schmutzig. Er tat jedoch auch nichts, um seinen Vollstrecker auszubremsen, sondern ließ ihm und den anderen, die mitspielen wollten, freie Hand. Als nacktes Häuflein Elend sank Antoine schließlich in der Zelle zusammen.
    Als die Leibgardisten endlich das Interesse an ihrem Spielzeug verloren und von ihm abließen, unterhielten sie sich über den morgigen Dienstplan. Antoine lag wie ein benutztes, zusammengeknülltes und weggeworfenes Taschentuch zwischen ihnen auf dem Boden. Stiefel traten über ihn Hinweg und die Eisentür wurde verschlossen. Antoine kroch in eine Ecke und versuchte, Speichel und die anderen Flüssigkeiten an der Wand abzuwischen. Eingerollt und in der Kälte des Verlieses frierend wartete er auf sein Verhör und seine Verurteilung. Die Hoffnung, dass er hier lebend rauskommen würde, hatte er sich aus dem Kopf geschlagen.

  • Gilbert Jardine
    Nachdem Antoine sein Glück innerhalb der Palastmauern versucht hatte, war nichts mehr wie zuvor. Nicht nur dass ihn die Leibgarde wie einen räudigen Straßenköter durch die dunklen Gassen der Nacht gehetzt hatte, nein sie hatten ihn auch gestellt. Aber damit hörte seine Tourtur noch lange nicht auf. Ein sehr altes Wiedersehen fand in der Zelle statt. Aber nun stand Antoine nicht mehr einfach einem Gleichen gegenüber, sondern einem Gardisten der Unite B und zwar DEM Gardisten. Die Narbe, die er ihm einst verpasst hatte, das halbseitige, ewige schiefe Grinsen dass er in das Gesicht von Boldi geschnitten hatte, grinste nun ihn verhöhnend und triumphierend an. Und sie kosteten ihren Sieg aus. Wie die billigste Straßendirne hatten sie sich an ihm bedient und ihn herumgereicht wie alte Flasche Fusel. Geschändet hatten sie ihn zurückgelassen und keines Blickes mehr gewürdigt. Das, was er als Nahrung erhalten musste, wurde ihm wie ein Tier in die Zelle geworfen. Mehr war er nicht für sie. Vielleicht hätten sie sogar ein Tier besser behandelt, denn hier unten ging es um weit mehr, als den reinen Versuch eines Diebstahls. Es ging um eine alte Schuld und Boldi hatte Antoine die Rechnung präsentiert. Antoine war gerade in einen unruhigen, schmerzerfüllten Schlaf gefallen, als ihn jemand an den Haaren auf die Beine und somit aus den Schlaf riss. Unsanft wurde er in einen anderen Raum verfrachtet, auf einen Stuhl gedonnert und man befestigte seine seiner Hände an einer stählernen Schlinge, die in einen massiven Tisch eingelassen war. Eine Chance auf Flucht konnte sich Antoine nicht ausrechnen. Der Stuhl, auf dem er saß und auch der Tisch waren fest am Boden verschraubt. Der Gardist, der kein Wort mit ihm gewechselt hatte, verpasste ihm einen Schlag vor den Hinterkopf und verließ wortlos den Raum. Erneut musste Antoine warten. Diesmal allerdings nicht so lange. Ein Mann betrat den Raum. Er hatte andere Kleidung an, als die Gardisten, wirkte aber von seiner Statur und seiner Körperhaltung ganz ähnlich. Sein auffälligstes Merkmal war eine lange Narbe die sein Gesicht zierte. Er setzte sich Antoine gegenüber hin, legte sein Schreibbrett ab und seinen Bleistift.


    Gilbert Jardine
    »Grüße. Mein Name ist Gilbert Jardine und ich bin der eingesetzte Büttel, der Dich zu Deinen Anschuldigungen verhören wird. Fangen wir mit Deinen persönlichen Daten an. Name!«, sagte Gilbert.


    Antoine
    »Antoine Davout«, antwortete der Gefangene leise und starrte auf die eisernen Handschellen, die seine Hände über eine Kette mit dem Tisch verbanden. Die höllischen Schmerzen, die er überall verspürte, verabschiedeten sich vollkommen in den Hintergrund. Er hatte große Angst davor, dass dieser Büttel ihn genau so behandeln würde wie die Gardisten und wagte nicht, ihm in die Augen zu sehen, sondern schaute nur auf seine gefesselten Hände.


    Gilbert Jardine
    »Antoine Davout, ohne festen Wohnsitz, geboren wann und wo, falls bekannt? Bist Du in einem Armenhaus gemeldet, oder verdingst Du Dich als Landstreicher?«, hakte Gilbert nach und notierte den Namen von Antoine auf seinem Bogen. Er musterte den Gefangenen genau und machte auch dazu einige Notizen, so dass man ihn jederzeit einwandfrei wiedererkennen konnte.


    Antoine
    »Irgendwann im Sommer 164. Wo, weiß ich nicht. Ich bin nirgendwo gemeldet.« Verstohlen schaute Antoine dem Büttel auf die Narbe und hoffte, dass der Kerl sie nicht auf die selbe Weise erhalten hatte wie Boldiszàr und er nun stellvertretend ein zweites Mal das Opfer einer verspätete Rache wurde. »Wann darf ich wieder gehen?«


    Gilbert Jardine
    »Die Fragen stelle ich Antoine. Aber da ich kein Unmensch bin, sobald Du abgeurteilt wurdest. Vermutlich Sommer 164, Geburtsort unbekannt. Hm. Wo bist Du aufgewachsen, weshalb ist Dir Dein Geburtsort unbekannt? Du weißt was Dir zur Last gelegt wird?«, hakte Gilbert nach. Er tippte sich kurz mit dem Stift gegen die Schläfe und schaute Antoine lange an. »Möchtest Du etwas trinken?«


    Antoine
    Antoine nickte. »Ja, bitte.« Er hoffte, dass der Büttel sah, dass er mitarbeiten wollte, indem er das Wasser annahm. Er klimperte mit der Kette, als er seine Hände bewegte und ihm fiel ein Stein vom Herzen, dass er offenbar irgendwann wieder freigelassen wurde und die Antwort nicht ›Überhaupt nicht‹ gelautet hatte. Zumindest, wenn Jardine nicht log, damit er mitspielte. Antoine leckte sich über die Lippen. »Waisenhaus Saint Aumery. Gehört zu den de Duponts. Ich wurde da abgegeben.«


    Gilbert Jardine
    Gilbert nickte zustimmend, ging kurz vor die Tür und etwas später brachte eine Dienerin Wasser, die Antoine aber keines Blickes würdigte. Gilbert goss ihm einen Becher ein und stellte ihm Antoine vor die Nase und notierte das Gesagte von Antoine fein säuberlich. »Du bist also Waise, im Waisenhaus aufgewachsen und dann auf der Straße gelandet. Die Scholle auf der Du lebest, war jene der Duponts. Bist Du je bei Deinen Herren vorstellig geworden und hast um Arbeit gebeten oder dergleichen?«, hakte Gil nach und lehnte sich zurück um sein Gegenüber genau zu mustern.


    Antoine
    Antoine trank etwas Wasser. Er musste den Becher dafür mit beiden Händen umklammert halten und stellte ihn anschließend wieder auf die Tischplatte. Er ließ ihn aber nicht los. »Nein, hab ich nicht. Und, äh, mir wird vermutlich zur Last gelegt, dass ich in den Palast eingedrungen bin. Weil Sie fragten.«


    Gilbert Jardine
    »Korrekt. Unerlaubtes Eindringen in den Palast samt Hof - gewertet als Einbruch, versuchter Diebstahl, Widerstand gegen die Staatsgewalt - ergo die Gardisten, Flucht vor dem Zugriff der Staatsgewalt. Das sind die schwerwiegensten Anklagepunkte. Ich möchte jetzt Deine Aussage dazu aufnehmen, wie sich der vor genannte Vorfall nach Deiner Wahrnehmung abgespielt hat. Beginnen wir ganz von vorne. Unerlaubtes Eindringen in den Palast. Erzähle«, wies Gil Antoine an und zückte den Stift. Dabei musterte er ihn aufmerksam und neutral. Es lag keine Feindseeligkeit in seinem Blick.


    Antoine
    Antoine umklammerte den Becher fest. »Ich wollte mir den Palast einmal von innen ansehen. Man hört so viele Gerüchte darüber und, äh, man kann sich das alles gar nicht vorstellen, wenn man so lebt, wie ich. Man hätte mich nicht reingelassen, man wird auch so dauernd irgendwo davongejagt, weil man schmutzig ist und die Leute denken, man will sie beklauen. Drum habe ich mich reingeschlichen und mich umgesehen. Aber diese Gardisten mit der Schwarzen Rüstung, sie sahen mich, da hatte ich noch nicht einmal den Eingangsbereich richtig verlassen. Sie wollten, dass ich sofort den Palast verlasse und ich bin davongerannt - nach innen. Ich hatte ja noch nichts weiter gesehen. Drum riefen sie wohl ihre Kumpels, es wurden irgendwie immer mehr und ich bekam Panik. Also flüchtete ich doch nach draußen und dachte, wenn ich den Hof verlassen habe, ist alles wieder gut. Aber das war es nicht, sie wollten, dass ich stehen bleibe. Ich wollte nicht verhaftet werden, drum rannte ich. Sie verfolgten mich über Stunden! Und bei den Lagerhäusern, da konnte ich nicht mehr. Sie haben mich verprügelt und mitgenommen, mich eingesperrt und wieder verprügelt.« Er verzichtete darauf, die Gardisten anzuschwärzen, ehe er nicht wusste, ob das nicht weitere Maßnahmen nach sich ziehen würde, weil der Kerl vielleicht mit ihnen verbündet war. »Und dann wurde ich hierhergebracht und jetzt kamen Sie. Also geklaut habe ich nichts, die haben mich durchsucht und ich habe auch keinen Widerstand geleistet, sondern mich ergeben.«


    Gilbert Jardine
    Gilbert musste bei der Beschreibung von Antoine doch hier und da schmunzeln. »Du hättest also gerne eine Führung durch den Palast gebucht, aber da es schon reichlich spät war, bist Du selbst durch die Räume flaniert, hast Dir die ausgestellte Kunst angeschaut, Dir Gedanken zu den Fresken und Deckengemälden gemacht und Dich gefragt wo die Hofbibliothek ist, als gerade die Gardisten um die Ecke geschossen kamen und feststellten, dass Du schmutzige Finger hast. Daraufhin haben sie Dich durch den Palast und die Nacht gehetzt? Ist das so richtig?«, lachte Gil.


    Antoine
    »Na ja, fast«, erwiderte Antoine. »Ich weiß nicht so viel über Kunst. Aber ich hab mir alles anschauen wollen, wie die Reichen so leben, ja.«


    Gilbert Jardine
    »Na dass kann ich nachvollziehen, aber um es Dir mitzuteilen, Du hättest den Palast zu einer Audienz betreten dürfen. Dann wird niemand abgewiesen, kein Bettler, kein Marquis. Du kannst sogar beim Duc vorstellig werden. Alles was Du tun musst, ist Dich anmelden und anstellen. Das funktioniert übrigens bei jedem Herren so, vom Chevalier bis zu unserer Majestät. Zurück zum ernst der Lage - hast Du etwas gestohlen? Beantworte die Frage ehrlich. Ich bin nicht Dein Feind, ich bin hier die einzige neutrale Person Antoine. Also verspiele Dir Deine letzte Chance nicht durch eine Lüge. Du bist kein Gauner, Du bist arm. Dass ist ein Unterschied in meinem Augen. Also, hast Du etwas gestohlen ja oder nein?«, fragte Gil ernst.


    Antoine
    »Ich wurde gründlich durchsucht, es wurde nichts gefunden, Sie können Ihre Kollegen fragen. Ich wusste nicht, dass man zu einer Audienz gehen kann. Das hat mir niemand gesagt.«


    Gilbert Jardine
    »Das war nicht meine Frage Antoine. Ich wiederhole, hast Du etwas gestohlen ja oder nein? Dein Diebesgut kannst Du auch auf der Flucht entsorgt haben oder Du hast es versteckt. Das man nichts gefunden hat, heißt nicht, dass Du nichts gestohlen hast. Es ist eine Tatsache die Du mir glauben kannst, wie alles andere auch. Jeder Souvagner kann seinen Herrn vom geringsten bis zum höchsten aufsuchen. Ob Du dran kommst, ist etwas anderes. Wenn 100 andere Personen vor Dir stehen, sieht es an dem Tag vermutlich schlecht aus. Also hast Du etwas mitgehen lassen?«, fragte Gil erneut.


    Antoine
    »Sie glauben mir doch eh nicht, wenn ich Nein sage. Und was für einen Unterschied würde es machen, wenn ich tatsächlich etwas geklaut hätte? Für mich einen Großen - entweder, weil ich davon was zu Essen kaufen kann oder, weil mir dafür die Hände abgehackt werden. Aber für die Adligen macht das überhaupt keinen Unterschied, egal, ob was fehlt oder nicht. Die würden das gar nicht merken.«


    Gilbert Jardine
    »Erstens, ob ich Dir glaube oder nicht, spielt keine Rolle. Ich werte die Fakten aus. Zweitens, woran machst Du es fest, ob jemand den Verlust bemerkt? Gleichgültig wie viel oder wenig jemand besitzt, es gibt ihm nicht das Recht zum Diebstahl. Sicher mag ein Adliger wesentlich mehr haben als Du, aber vielleicht hast Du etwas gestohlen, dass ihm viel bedeutet? Manche Dinge mögen viel wert sein und der Verlust schmerzt nicht. Manche Dinge sind kaum etwas wert, haben aber einen persönlichen Wert, den niemand ersetzen kann. Was wenn man Dir etwas derartiges nehmen würde? Zudem hättest Du ins Armenhaus gehen können, für die Verköstigung. Auf der Straße hausieren, dass muss niemand. Das Antoine ist entweder pure Unwissenheit oder freiwillig gewähltes Schicksal. Erstes kann und muss man verzeihen und korrigieren. Letzteres kann man nicht dulden. Landstreicherei muss hart bestraft werden. Denn man verweigert sich nur einem Armenhaus, wenn man nicht bereit ist, sich an Regeln zu halten, sich Regeln zu beugen und auch für seinen Lebensunterhalt etwas zu leisten. Jeder der hier etwas beitragen möchte, sei die Arbeit noch so nieder, wird hier auch satt. Ich spreche nicht davon Reichtümer anzuhäufen, sondern Deine tägliche Mahlzeit auf dem Teller zu haben. Nur davon. Verhungern muss niemand, der gewillt zur Leistung ist. Und wer gewillt ist, sein Leben ehrlich zu führen, wird in der Not zum Armenhaus gehen oder zum Lehnsherrn. Also Antoine, es macht einen himmelweiten Unterschied ob Du gestohlen hast und vor allem was. Hättest Du in der Küche eine gebratene Gans gestohlen, wird das völlig anderes gewertet, als wenn Du eine Kristallvase stiehlst. Verstehst Du das?«, erklärte Gil eindringlich.


    Antoine
    »Ja, das verstehe ich«, antwortete Antoine. »Aber waren Sie mal in einem Armenhaus? Wissen Sie, wie es da zugeht? Ich kenne viele, die lieber hungern und im Winter draußen übernachten, als dort. Da sind ein Haufen stinkender, übellauniger Besoffener, die dir das letzte Bisschen nehmen oder rübergerückt kommen und man kann kein Auge zutun. Schlafen Sie da mal nur eine Nacht und ich weiß, Sie werden Nein sagen. Die ganzen Gründe, die dagegen sprechen, gehen auch mir durch den Kopf. Es ist eklig, es stinkt, es ist eng, es ist gefährlich. Ich verstehe, dass Sie nur ihre Arbeit machen und nicht mit mir diskutieren wollen. Ich wollte Ihnen das nur mal sagen. Das ist nicht so einfach, wie Sie es darstellen. Und ich wusste nicht, dass man einfach einen Lehnsherren fragen kann. Die Adligen gucken nicht gerade freundlich und meistens geben die Armen mehr, wenn man bettelt, als die Reichen. Im Gegenteil, die wimmeln einen ab, wenn man sie um ein paar Kupferlinge anbettelt, schicken ihre Gardisten und die jagen einen fort. Drum kommt man da doch nicht auf die Idee.«


    Gilbert Jardine
    »Ich höre zu und ich versuche jenen zu helfen, die nicht kriminell sind. Denn genau dass ist die Aufgabe eines Büttels, die Rechschaffenen vor den Kriminellen zu bewahren. Wir sind die letzte Bastion am unteren Ende zwischen den Ehrlichen und dem Dreck. Und mit Dreck meine ich ganz gewiss nicht arme Menschen. Arm sein ist keine Schande. Das hat sich niemand ausgesucht. Es gibt sogar Adlige die verarmen und dann zu ihrem höheren Lehnsherrn gehen müssen. Solange Du bettelst, kann Dich jeder wegschicken. Aber wenn Du um Hilfe bittest, darf Dich kein Lehnsherr abweisen. Er kann es natürlich tun. Aber sollte sich Dein Chevalier-Lehnsherr so verhalten, könntest Du zum Comte gehen und davon berichten. Gut, welcher kleine Mann weiß dies und falls er es weiß, wer wagt es? Denn Du gehörst dann noch immer jenem Chevalier, der sich für das Anschwärzen irgendwann bedankt. Zu Deiner Erkläuterung der Armenhäuser. Ja leider geht es dort so zu. Die Frage die Du Dir stellen musst, ist warum. Das ist ja keine Regel die an der Tür ausgegeben wird. Jeder der dort übernachtet, den anderen bestiehlt, angeht oder angreift, trägt selbst dazu bei. Wieso gibt es kein Miteinander, keinen Zusammenhalt unter den Armen? Wieso ist es ein Gegeneinander? Fragt man sich zwangsläufig. Sicher kannst Du aufführen, hungere mal, dann weißt Du warum. Jeder kämpft um das letzte Stück Brot. Auch das verstehe ich. Aber in der Gemeinschaft würdet Ihr Schutz finden, so zerstört Ihr das bisschen selbst was ihr noch habt. Und wenn es Dich dermaßen stört, warum änderst Du es nicht? Du bist jung, wirkst nicht schwächlich, also wenn Du sowas mitbekommst, warum schweigst Du? Dort seid Ihr alle gleich. Wenn alle schweigen Antoine, dann wird sich nie etwas ändern. Wenn Du vielleicht einmal den Mund aufmachst und nur ein weiterer Bettler darüber nachdenkt, warum er gerade dem anderen grundlos das Leben schwer machte, hast Du vielleicht mehr erreicht als Du glaubst. Und dafür stehen unter anderem Büttel. Wir sind keine bezahlten Schläger, die ihren Unmut am Bettler auslassen. Aber auch Büttel sind Menschen, so kann es auch vorkommen, dass wenn man hundert mal vom selben Bettler geärgert wird, er es auf schmerzhafte Weise lernen muss, sich zu benehmen. Also ist im Grunde ein Rad und dreht sich weiter. Das Du verstehst, was ich Dir erkläre freut mich. Aber Du hast trotzdem geschickt versucht meine Frage nicht zu beantworten«, erklärte Gil.


    Antoine
    »Es gibt Zusammenhalt, sogar großen. Aber immer nur zwischen zwei oder drei Leuten, vielleicht auch mal vier oder fünf. Aber man bleibt nicht immer am selben Ort, Leute verschwinden plötzlich, weil sie weitergezogen oder umgekommen sind. Es wird immer wieder auseinandergerissen. Wenn man gemeinsam unterwegs ist, natürlich passt man aufeinander auf. Muss man, weil manche Leute einen angreifen nur dafür, dass man ein Landstreicher ist. Und man geht nicht in ein Armenhaus, wenn man allein ist, sondern immer zusammen, sonst ist es zu gefährlich. Man passt da schon aufeinander auf. Aber man will auch seine Ruhe haben und ist erschöpft. Wenn alle nur ihre Ruhe wöllten, ja klar, dann wäre es gut. Aber so ist es nicht. Irgendwer pöbelt immer, will was klauen oder ist einfach besoffen. Ich bin wehrhaft, aber will ich mich wehren, wenn ich eigentlich schlafen will? Es ist, wie sie das sagen, das ist ein Rad, das sich immer weiter dreht. Meist führt es in den Abgrund. Aber schauen Sie, ich gehöre zu den ganz wenigen, die kaum Trinken und keine Drogen nehmen. Das müssen Sie mir doch zugutehalten und gebadet bin ich im Sommer auch immer. Und sich so ein bisschen Würde zu bewahren ist nicht einfach, besonders im Winter, weil Schnaps gut wärmt und einen besser schlafen lässt trotz der Kälte. Auch bekommt man es manchmal geschenkt und will man immer ein Geschenk ausschlagen? Verstehen Sie? Trotzdem bin ich keiner von denen, die an irgendwas hängen geblieben sind und ich kenn da echt nicht viele. Also Sie meinen, ich brauch nur zu den Duponts gehen? Und was mach ich dann? Was soll ich denen sagen? Chevalier de Dupont, ich bin Landstreicher?« Antoine zuckte resigniert mit den Schultern. »Und jetzt werden mir auch noch die Hände abgehackt.«


    Gilbert Jardine
    »Dass Du einer ihrer Landsmänner bist, dass Du in Not bist und dass Du um ihren Schutz und um Hilfe bittest. Und genau dass müssten sie Dir gewähren. Du bist ihr Mann, ein Stück ihres Landes, ihr Schutzbefohlener, einer ihrer Herde. Wenn sie so nachlässig mit ihrem Gut umgehen, sollten sie überlegen was sie tun. Jedem Herr ist dran gelegen, dass es seinen Leuten gut geht. Denn geht es ihnen gut, geht es dem Land gut und er fährt gute Erträge ein. Damit geht es allen auf der Scholle gut. Kümmert er sich nicht, gibt es Landstreicher und Diebstähle, dann werden auch die arbeitenden Leute unzufrieden, fühlen sich nicht mehr sicher. Schlimmstenfalls muss ein anderer Lehnsherr einschreiten und dort für Ruhe sorgen. Würde das wie eine Grippe um sich greifen, dann müsste der Duc für Ruhe sorgen indem die Unruheherde ausgemerzt werden. Folglich ist es seine Pflicht schon einem einzigen Mann zu helfen, als kleiner Lehnsherr. So leicht kann man Frieden bewahren, indem man etwas gibt. Das hat nichts mit Almosen zu tun. Er soll Dir eine Arbeit geben, Verköstigung, einen Schlafplatz und Kleidung. Sagen wir, er hätte Dich bei sich am Hof untergebracht, auf einem Bauernhof oder ähnlichem. Ab dato hast Du Arbeit, Essen, Kleidung und keinen Grund kriminell zu werden. Wenn es Dir um Deinen Lebensunterhalt geht. Davon reden wir hier gerade. Nicht von jenen die Leute überfallen um sich zu bereichern. Die gibt es leider immer und die sind meist sogar nicht gerade arm Antoine. Du bekommst gar nichts abgehackt. Ihr findet Euch also in Grüppchen zusammen, nun das ist auch eine Lösung. Aber keine die dauerhaft wirkt oder? Tja wer kann jemandem verdenken sich am Schnaps zu wärmen, wenn er sonst nichts hat? Niemand, aber auch da muss ich wieder aufs Armenhaus verweisen. Und damit schließt sich dann der Kreis. Denn diese Person möchte aus den von Dir genannten Gründen dort nicht übernachten und wählt genau deshalb den Schnaps. Freiheit und Unfreiheit in einem, seltsam und traurig zugleich. Also hast Du gestohlen? Wenn Du Hilfe möchtest, antworte und antworte ehrlich«.


    Antoine
    Antoine seufzte und es war ein Geräusch der Erleichterung, weil er von den vorhandenen Wunden abgesehen unversehrt blieb und tiefster Resignation gleichermaßen. Er trank noch etwas Wasser. »Können Sie mir denn überhaupt helfen? Wie würde Ihre Hilfe aussehen?«


    Gilbert Jardine
    »Fürsprache, aber dafür muss ich wissen ob Du gestohlen hast, oder nicht. Und wenn Du gestohlen hast, was es wahr. Dann reden wir weiter«, schmunzelte Gil.


    Antoine
    Antoine grinste schief und feixte kurz. Er war, wie die meisten Landstreicher, niemand, der mit seinen Gefühlen hinter dem Berg hielt. »Sie machen das ganz schön geschickt. Jetzt muss ich aber wieder fragen, was Ihre Fürsprache denn für einen Unterschied macht vom Strafmaß her?«


    Gilbert Jardine
    »Das kann ich Dir ehrlich gesagt nicht beantworten. Aber es wird einen Unterschied machen, ob ich sage, ich halte ihn für umerziehbar, er ist ein Guter der nur Hunger hatte und Arm ist, oder ob ich nichts sage. Oder ob ich sagen muss Du bist krimineller Abschaum. Das wird schon etwas bewirken, denke ich«, grinste Gil.


    Antoine
    »Haben Sie den keine Erfahrungswerte? Klar haben Sie die. Macht Ihr Wort einen Unterschied, ich meine, Boldi wird auch seine Meinung vortragen und der hat mehr zu melden als Sie, oder? Ich will das hier echt nicht, ich will eigentlich nur hier weg und es Ihnen nicht schwer machen, aber Sie machen es mir auch nicht grad leicht, auch wenn Sie ein netter Büttel sind.«


    Gilbert Jardine
    »Danke, nun ich denke Boldi wird auch einen Bericht geschrieben haben. Und letztendlich wird der Duc über Dich entscheiden, da Du in sein Zuhause eingedrungen bist. Er könnte genausogut unsere Berichte zerreißen und sagen, Block. Oder er sieht Dich, hört Dich an und lässt Dich frei. Dazwischen ist alles möglich, aber wie jeder weiß, ist er ein gerechter und meist milder Mann, was seine Landsleute angeht. Du bist doch kein Fremdländer oder? Ich meine Du hast dahingehend hoffentlich nicht gelogen«, mahnte Gil.


    Antoine
    Antoine stöhnte gequält und rieb sich über das Gesicht. »Ich will gar nicht wissen, was der in seinen Bericht alles reingeschrieben hat, der hasst mich! Kann ich Sie nicht irgendwie bestechen, also das heißt dazu überreden, für mich zu sprechen? Ich hab nicht viel, aber das würde ich ihnen geben! Oder ich besorg ihnen, was Sie wollen oder ich arbeite es ab! Nein, ich bin kein Fremdländer, außer wenn meine Eltern Fremdländer waren.«


    Gilbert Jardine
    »Abarbeiten ist ein schönes Stichwort, den Rest des Angebotes habe ich akustisch nicht verstanden Antoine. Es lohnt sich auch für Dich garantiert nicht, diesen Satz zu wiederholen. Aber bleiben wir beim Thema Arbeit, welche Arbeit möchtest Du gerne annehmen?«, hakte Gil neugierig nach.


    Antoine
    »Hab ich mir schon gedacht, der letzte Büttel wollte da auch nicht mit sich reden lassen und der davor auch nicht. Entweder das stimmt überhaupt nicht, dass ihr alle korrupt seid, oder ich mach was falsch. Vielleicht sieht man mir an, dass es sich eh nicht lohnen würde.« Er grinste müde. »Ich kann nicht viel, aber ich bin stark und schnell. Ich kann auch gut klettern und schleichen. Und ich bin nett, wie sie ja sehen. Aber ich kann auch stinkig werden. Mehr kann ich nicht. Und ich sehe gut aus.« Er grinste etwas breiter.


    Gilbert Jardine
    »Nein....«, sagte Gil ganz langsam und extrem gedehnt, »wir sind nicht alle korrupt. Vielleicht mag es der eine oder andere Büttel sein, aber kein Mann wird Büttel wegen dem Verdienst. Sonst könnte er diesen Job nicht machen! Nun Du könntest einer von uns werden, eine Zeitlang um zu sehen wovon Du da überhaupt sprichst. Als Hilfskraft. Dein Aussehen interessiert keinen, echt nicht«, gab Gil zurück.


    Antoine
    »Echt? Sie würden mir so eine Arbeit besorgen? Hab ich Ihr Wort? Was springt für mich dabei raus, also wie viel verdiene ich? Ich hab ja auch gar nicht gesagt, dass Sie alle korrupt sind, das sagen andere, es ist nur ein Gerücht, ich hab`s nur mal ausprobiert, ob da was dran ist.«


    Gilbert Jardine
    Als ungelernte Arbeiter zum Beispiel als Tagelöhner, Knecht, Lehrling, Knappe, Stallbursche, Schankmagd, Waschfrau, Leichtmatrosin verdient man pro Tag oder einige Stunden dauerndem Auftrag 1 bis 6 Kupferlinge. Nicht mehr. Das Existenzminimum kannst Du mit einem Kupferling pro Tag und Person bewerten, dass ist der Wert von zwei Schalen Roggengrütze oder Bohnensuppe und ein Schlafplatz in der Scheune. Sprich das was Du zahlen würdest, wenn Du Dein Minimum selbst decken würdest, was sonst Dein Herr aufbringt. Je fähiger Du bist oder wirst, je höher steigt auch Dein Lohn. Aber als ungelernter fängst Du sehr klein an. Du hast mein Wort, wenn Du freigesprochen wirst, ansonsten würde Dir meine Zusage auch nichts nützen. Gerüchte gibt es viele, auch über Bettler und Landsteicher, würde ich dem glauben, dürfte ich nicht mal mit Dir reden oder? Irgendwo ist an jedem Gerücht ein Körnchen Wahrheit, weil es eine Person aus dem Bereich gab, die sich genau so verhielt. Aber darüber müssen wir uns jetzt keine Gedanken machen, sondern ich warte immer noch auf Deine Antwort Antoine«, sagte Gil.


    Antoine
    »Sie vergessen auch gar nichts. Jetzt bin ich aber in einer Zwickmühle«, maulte Antoine. »Weil angenommen, ich hätte wirklich was geklaut. Und es draußen versteckt, um es später abzuholen ... dann könnte ich das Ihnen jetzt nicht mehr sagen. Weil dann bin ich ein Dieb und kann nicht bei einem Büttel als Hilfskraft arbeiten und werde vermutlich auch so noch viel härter bestraft, als wenn ich nur im Palast mal gucken gewesen wäre.«


    Gilbert Jardine
    »Ja es sei denn Du hast dort einen Rinderbraten versteckt... gut den würde ich nun nicht mehr abholen und mir ins Gesicht drücken, dass könnte böse enden. Jedenfalls Verdauungstechnisch. Also spuck es aus, vielleicht höre ich nicht gut, falls es zu schlimm ist«, bot Gil an.


    Antoine
    Antoine drehte den Becher in seinen Fingern und blickte betreten sein verzerrtes, wackelndes Spiegelbild auf der Wasseroberfläche an. »Na schön«, schnaufte er. »Ehe die Leibgardisten wieder anrücken müssen ... es war so eine Diamantrose oder Glasrose.«



    Gilbert Jardine
    »Das ist nicht gerade etwas, dass man in der Kategorie »fällt nicht weiter auf« ablegen könnte. Eine Rose hat meist eine andere Bedeutung die ich Dir sicher nicht erläutern muss. Und das sie vermisst wird, ist selbstverständlich. Also Du warst geständig. Wo befindet sich das Diebesgut?«, hakte Gilbert nach
    .
    Antoine
    »Ich hab die Rose bei den Lagerhallen versteckt, als absehbar war, dass ich nicht davonkomme. Dann ist sie wirklich aus Diamant? Mann, hätte ich bloß nichts gesagt.«


    Gilbert Jardine
    »Das weiß ich nicht Antoine, vermutlich aus Glas oder Kristall. Aber eines wissen wir beide, es war vermutlich ein Liebesgeschenk. Und selbst wenn sie aus Diamant ist, möchtest Du dafür den Kopf verlieren? Ist sie das wert? Ich denke nicht. Gut wo genau hast Du die Rose versteckt, wir werden sie zurückholen und abgeben«, sagte Gil.


    Antoine
    »Kennen Sie sich da aus? Also da ist die gepflasterte Hauptstraße, die zu der Fuhrwerksstation führt. Dort ist ein Ladekran. Die Winde davon ist im oberen Stück hol. Da liegt immer Laub drin und dort hab ich sie reingesteckt.«


    Gilbert Jardine
    »Gut, wir beide werden die Rose abholen. Ich hoffe Du hast nicht gelogen. Und bitte, keine Fluchtversuche oder dergleichen Antoine. Du bist schnell zu Fuß, aber mein Hund Lex ist schneller. Also wirst Du mich brav begleiten, die Rose zurück bringen und dann sehen wir weiter. Du warst bis jetzt einsichtig und geständig. Versaue es Dir nicht. Sonst kommt es am Ende noch so, wie Du es nicht wolltest. Vielleicht schaffst Du es zurück auf den guten Weg, mit etwas gutem Willen sollte dass möglich sein. Und Deinen guten Willen zeigst Du damit auch dem Duc«, erkärte Gil.


    Antoine
    »Ich mach keinen Fluchtversuch. Legen wir die Rose einfach wieder zurück oder wolle Sie das da mit aufschreiben?« Er nickte in Richtung von Gilberts Unterlagen.


    Gilbert Jardine
    »Wir können die Rose nicht einfach zurücklegen. Was wäre, wenn wir genau dabei erwischt werden? Dann hätten wir Dir garantiert keinen Gefallen getan. Und ich gehe davon aus, dass dies hier der Anfang wird, endlich ehrlich zu werden. Fangen wir also direkt damit an. Du wirst die Rose dem Duc aushändigen, bei Deinem Verhör oder bei Deiner Verurteilung. Ich lasse Dir Sachen aushändigen und dann gehen wir los«, sagte Gil.


    Antoine
    »In Ordnung«, sagte Antoine und schloss kurz die Augen, schluckte und trank den Rest seines Glases aus, weil seine Kehle plötzlich so trocken zu sein schien. »So machen wir das. Ich mach nix Falsches. Ich bin sehr dankbar, echt, weil das müssen Sie nicht machen, Sie sind echt ein guter Mann, wirklich.« Antoine war zutiefst gerührt, so menschlich behandelt worden zu sein, nachdem man ihn erst derart gequält hatte. »Ich nutz die Chance und ich werd mein Bestes geben. Ich hab nur die eine Chance noch und ich war so lange auf der Straße. Irgendwann reicht es, ich werd auch nicht jünger.«


    Gilbert Jardine
    »Das wird keiner von uns, aber schön dass Du es so siehst«, antwortete Gil und ging zur Tür. Er sprach kurz mit dem Gardisten draußen und der Mann kam zurück, der Antoine zuerst in den Verhörraum geführt hatte. Er löste die Fesseln und zerrte ihn auf die Beine. Danach verpasste er ihm einen Stoß Richtung Ausgang. Vor der Tür mussten sie noch einen Moment warten, bis eine der Dienerinnen Antoine einfache Kleidung aushändigte. Es war ein schlichtes Hemd und eine Hose. Die würden fürs erste ausreichen, wenn sie unterwegs waren. Immerhin sollte er sich nicht noch als Flitzer schuldig machen. Gil wartete ab bis Antoine sich angezogen hatte, dann führte er ihn nach oben, wo Lex auf ihn wartete. »Nun denn, auf gehts«, sagte er zu Antoine.


    Antoine
    Antoine stolperte, als er in den Rücken gestoßen wurde. »Diese Leibgardisten stecken alle unter der selben Decke«, murrte er leise. »Einer hasst mich und jetzt hassen die mich alle, obwohl ich denen nie was getan habe.« Er zog sich an und freute sich, saubere, nicht stinkende und nicht zerrissene Kleider tragen zu können. »Soll ich vorgehen, ja? Oder wollen Sie Ihr Handschellendingsda mitnehmen?«


    Gilbert Jardine
    »Wir gehen gemeinsam und ich benötige die Handschellen der Gardisten nicht, ich habe eigene. So siehst Du wenigstens wieder vernünftig aus. Na komm. Sie halten zusammen Antoine, was hast Du erwartet? Dass sie sich bei Dir für den nächtlichen Dauerlauf bedanken?«, fragte Gil grinsend.


    Antoine
    »Die können ja zusammenhalten, aber müssen die deswegen immer alle die selbe Meinung haben? Und immerhin werden sie dafür bezahlt, dass sie ein bisschen rumgelaufen sind. Also ich finde, die übertreiben, echt.« Er zeigte Gilbert den Weg, aber sie kamen nur langsam voran, weil Antoine nur winzige Schritte gehen konnte. So dauerte es, ehe sie die Verladestation bei den Lagerhallen erreichten. »Was dürfen die Gardisten eigentlich alles? Dürfen die einen Gefangenen foltern?«


    Gilbert Jardine
    »Die Leibgardisten des Ducs dürfen alles um ihren Herrn zu beschützen. Also im Grunde ja, sie dürfen alles. Sie müssen für ihr Handeln nur den passenden Grund finden und schon ist fast jede Handlung legitim. Es sei denn sie betrifft jemanden, der einer anderen Obrigkeit untersteht. Dies wäre nur bei Leibeigenen der Fall. Also wenn die Gardisten jetzt den Leibeigenen von Comte xyz bewusst foltern, ohne dass ein Grund vorlag. Dann könnte der Comte Aufklärung verlangen. Aber behaupten die Gardisten, der Leibeigene hat durch seine Handlungen den Duc bedroht oder seine Sicherheit gefährdet, dann wird es schon schwierig. Normal sind sie eben dafür da, den Duc samt Familie zu beschützen und dafür haben sie weitreichende Freiheiten. Wo diese enden, tja. Und wenn es nötig sein sollte, an dringende Informationen zu kommen ist sogar Folter unter Umständen legitim. Stell Dir vor, ein Prince wurde entführt. Eine Person weiß wo er ist, schweigt aber. Was ist nun wichtiger? Das diese Person die es weiß nicht gefoltert wird? Dann stirbt der Prince vielleicht. Oder lässt man die Folter zu, erhält die Information und rettet den Prince? Folglich ist Folter bei Gefahr im Verzug oder bei Gefahr auf Leib und Leben erlaubt. Nicht nur bei der Leibgarde, generell bei der Garde oder bei den Bütteln. Es gilt bei uns der Opferschutz, kein Täterschutz. Der Täter hat sein Recht auf Unversehrtheit in dem Moment verwirkt, wo er zum Täter wurde. Kooperiert er nicht, wird die Staatsgewalt genau das anwenden was der Name verspricht. Gewalt. Folglich ja, sie dürfen foltern«, erklärte Gil freundlich.


    Antoine
    »Hm, war ja klar, dann finden die jetzt in Zukunft ziemlich viele Gründe, warum ich den Duc bedroht hätte. Die werden mir das Leben zum Abgrund machen oder mich umbringen«, murrte er und zeigte auf den Verladekran. »Da ist das Versteck.«


    Gilbert Jardine
    »Na noch bist Du nicht gefoltert oder ermordet worden. Hol die Rose raus, worauf wartest Du denn? Du wirst auch sprechen dürfen, davon gehe ich aus. Hast Du einen von ihnen angegriffen?«, fragte Gil vorsichtshalber nach.


    Antoine
    »Nein, ich bin nur abgehauen. Jetzt muss ich da aber hochklettern.« Der Kran wurde mit einem Seilzugsystem bedient und in einem horizontalen Zahnrad war von oben Laub hineingefallen. Antoine stieg einen Schritt nach oben und griff hinein, wühlte. Wühlte hektischer. Er kletterte ganz hinauf und warf das Laub heraus. »Sie war hier«, rief er gehetzt, »genau hier drin!« Es war kein Laub mehr darin, auch keine Glasrose, nur eine Art große Schraube. »Das gibt es doch nicht, ich schwöre, sie war genau in dem Loch!«


    Gilbert Jardine
    »Na die Schraube wirst Du kaum aus dem Palast gestohlen haben. Komm runter, wir gehen zurück. Also war dort die Rose? Falls nicht und sie ist woanders, sage es gleich Antoine. Für Spielchen dieser Art bin ich zu alt. Es geht um Deinen Kopf, nicht um meinen«, erinnerte Gil, während Lex Antoine musterte.


    Antoine
    Antoine kletterte wieder herunter und rieb sich verzweifelt die Haare. »Ich will Sie nicht verarschen, ich will ja die Arbeit haben! Ich hätte Ihnen doch sonst gar nicht gesagt, dass ich das Ding überhaupt mitgenommen habe!«


    Gilbert Jardine
    »Doch um zu wissen wie wertvoll es ist, die anderen hätten es Dir kaum gesagt«, hielt Gil dagegen. »Also sie war dort und ist nun weg. Entweder hat sie Ainuwar geholt, Du hast gelogen oder es war einer der Gardisten und der hat Dir ein schönes stinkendes Ei gelegt«, grinste Gil.


    Antoine
    Antoine sog scharf die Luft ein. »Na klar, das kann sein, die haben bestimmt gesehen, dass ich hier was versteckt habe! Was mach ich denn jetzt?« Ängstlich betrachtete er den Hund, der von der wachsenden Nervosität des Gefangenen scheinbar bereits unruhig würde. »Der ist gut erzogen, ja? Der beißt nicht einfach so?«


    Gilbert Jardine
    »Doch wenn er mich beschützen muss, beißt er einfach so. Ansonsten wenn ich ihm den Befehl erteile. Lass uns zurückgehen, ich werde mit den Gardisten reden. Na komm, es bringt ja nichts in ein leeres Versteck zu starren«, sagte Gil.


    Antoine
    Aufgelöst begleitete Antoine den Büttel zurück zum Palast.


    Gilbert Jardine
    Gilbert führte Antoine zurück zum Palast. »Am besten sagst Du wie es gewesen ist. Ich werde schauen, wann Du Deine Verhandlung hast«, erklärt Gil Antoine und ging mit ihm gemeinsam zu Boldi. »Hier ist der Gefangene wieder. Wann steht seine Verhandlung an?«, fragte er freundlich.


    Boldiszàr
    Boldiszàr ignorierte Antoine vollständig und blickte nur Gilbert an. »Übermorgen, er ist gleich früh der Erste.« Er war wenig begeistert, dass man dem Kerl saubere Kleidung ausgehändigt hatte, anstatt ihm seine alten Lumpen zu geben.


    Gilbert Jardine
    »Gut dann bin ich übermorgen früh wieder hier. Ich führe ihn zurück in seine Zelle«, sagte Gil und nahm Antoine mit sich. »Möchtest Du mir noch etwas sagen?«, hakte er nach und schaute sich dabei Antoine ganz genau an. Er hatte kein gutes Gefühl ihn hier noch einige Tage zurück zu lassen. Vermutlich würde er einen bedauerlichen Unfall erleiden. Das sagte ihm sein Instinkt und der hatte ihn noch nie betrogen.


    Antoine
    »Ja! Ich hab die Rose genau da versteckt, genau in dem Loch! Und noch was! Ich würde mich nie erhängen oder so was. Falls ich an meiner Unterhose an den Gitterstäben aufgehängt tot gefunden werde, dann waren die das! Ich mach so was nicht, ich mag mein Leben und ich will hier raus! Können Sie denen nicht sagen, dass ich fast schon so was wie Ihr Kollege bin?«


    Gilbert Jardine
    »Ich glaube Dir, dass Du Dich nie an Deiner Unterhose aufhängen würdest Antoine, Du hast keine an«, grinste Gilbert. »Dass wäre dann schon eine weitere Frage wert, woher die Unterhose kommt. Es sei denn Du hast sie einem Gardisten gestohlen«, erklärte Gilbert und führte Antoine zurück in den Palast und durch die Flure.


    Antoine
    »Sie haben Nerven«, ächzte Antoine. »Das war nur ein blödes Beispiel.«


    Gilbert Jardine
    »Ja die habe ich gerade wirklich...«, stimmte Gilbert Antoine zu und schob ihn vor den Thronsaal. »Wir bitten um eine Audienz«, sagte er zu dem wachhabenden Gardisten.


    Patrice de Vertcuis
    Patrice, der gerade Dienst als Wache des Thronsaals hatte, nickte kurz und trat ein. Er ging zum Thron und kniete in gebührendem Abstand nieder. »Majestät, ein Büttel bittet mit einem Gefangenen im Schlepptau um eine Audienz.«


    Maximilien Rivenet de Souvagne
    »Gestattet, bestelle sie herein, wir werden sie empfangen«, antwortete Maximilien freundlich.


    Patrice de Vertcuis
    Patrice verneigte sich und ging rückwärts wieder hinaus. Bei der Tür richtete er sich wieder auf. »Seine Majestät gewährt euch die Audienz«, antworte er. »Ihr dürft eintreten.«


    (Fortsetzung folgt)

  • (Fortsetzung)


    Gilbert Jardine
    Gilbert wartete einen Moment nach der Ankündigung, ehe er Antoine beschwörend anschaute. »Du wirst Dich dort drinnen absolut höflich und würdevoll verhalten. So gut, wie Du Dich noch nie im Leben benommen hast. Denn genau das steht auf dem Spiel - Dein Leben. Wir gehen hinein, Du wirst dem Duc und seinem Sohn nicht in die Augen schauen und Du wirst mit mir im ausreichenden Abstand stehen bleiben. Dort knien wir nieder. Warum ist klar, er ist unser aller Herrscher. Falls Du respektlos sein solltet, bringen Dir die Gardisten bestenfalls Respekt bei, schlimmstenfalls könntest Du als Krimineller Dein Leben verwirkt haben. Nicht dass der Duc jemanden für eine Kleinigkeit töten lassen würde, aber wissen wir ob er von einer Kleinigkeit ausgeht? Wir beide wissen nicht was im Bericht der Garde steht. Folglich geh vom Schlimmsten aus und hoffe das Beste. Bereit oder nicht, es geht los«, sagte Gilbert. Mit gemäßigtem Schritt betrat er den Thronsaal, dabei hoffte er, dass ihm Antoine folgte. Im ausreichenden Abstand blieb er vor dem Thron des Duc und seines Sohnes stehen verbeugte sich tief und ging auf ein Knie. »Herr habt Dank, dass Ihr uns ohne Termin empfangt. Unser Erscheinen ist von großer Eile. Der Beschuldigte Antoine versicherte glaubthaft, kein Verbrechen begehen zu wollen, vielmehr trieb ihn die Not. Da er einige Auseinandersetzungen im Kerker hatte, habe ich ihn direkt zu Euch gebracht in der Hoffnung, dass Ihr sofort über ihn Urteilen mögt«, erklärte Gilbert respektvoll.


    Maximilien Rivenet de Souvagne
    Maximilien musterte die beiden, die spontan um eine Audienz gebeten hatten. »Die Audienz wurde von uns gewährt. Tritt vor«, befahl Max Antoine.


    Antoine
    Antoine ging neben Gilbert, aber einen halben Schritt weiter hinten, damit er sich abschauen konnte, was dieser tat. So kniete auch er nieder. Sein Herz schlug so schnell, als würde er erneut gehetzt werden und seine schmerzenden Muskeln zitterten. Auf die Aufforderung des Ducs hin erhob er sich. Bei der Bewegung spannten sich seine Muskeln an und es wurde Flüssigkeit aus seinem Hintern gepresst. Antoine hoffte, dass man es nicht durch die Hose sah, da man ihm keine Unterhose ausgehändigt hatte. Er hatte große Angst und starke Schmerzen. Einen Moment blickte er hilfesuchend zu Gilbert, ehe er auf den Fußboden vor dem Thron blickte. »Hier bin ich, soll ich was sagen?«, fragte er ängstlich.


    Maximilien Rivenet de Souvagne
    »Du wurdest inhafiert aufgrund Einbruchs in unseren Palast, Diebstahl, Widerstand gegen die Staatsgewalt und so weiter und so fort. Dazu sollst Du logischerweise etwas sagen. Das heißt, wir gewähren Dir die Chance dazu etwas zu sagen, Du kannst auch schweigen und Dein Urteil empfangen. Wir raten Dir allerdings dazu Dich zu erklären«, sagte Max.


    Antoine
    »Also dazu möchte ich sagen, dass es mir leid tut. Ich hab was gestohlen, das gebe ich zu und es tut mir sehr leid, ich wusste nicht, dass es so schlimm für Sie ist. Da Sie doch so viel haben und ich fast nichts. Es ist nicht richtig, das weiß ich, man klaut nicht, aber ich hab kein Geld und gar nichts. Ich wollte es aber zurückgeben, doch jetzt ist es weg! Das ist keine Lüge, es ist verschwunden. Mir hat der nette Büttel hier gesagt, dass ich für ihn arbeiten kann und ich hab mir überlegt, dass ich das Geklaute vielleicht von meinem Lohn ersetzen kann. Also dass ich es abarbeite. Und ich ollte noch sagen, dass ich keinen Widerstand geleistet habe gegen die Gardisten, ich bin denen nur weggerannt.«


    Maximilien Rivenet de Souvagne
    »Sich der Verhaftung zu entziehen, ist Widerstand gegen die Staatsgewalt. Du hast der Order der Ordnungshüter nicht Folge geleistet, demzufolge haben sie Dich verfolgt und gestellt. Du bereust also Deine Tat, bist einsichtig und wirst uns den entstandenen Schaden zuzüglich einer Wiedergutmachung an die Gardisten leisten, indem Du Deine Schuld abarbeitest? Und Büttel Jardine ist bereit für Dich zu bürgen und Dich in seine Obhut zu nehmen? Wenn dies so ist, gewähren wir Dir eine zweite Chance. Wir sind stets dafür, jemanden eine zweite Chance zu gewähren. Du solltest also nicht leichtfertig damit umgehen. Bürgt er für Dich?«, hakte der Duc nach.


    Antoine
    »Ja, das hat er gesagt«, sprach Antoine und warf einen rückversichernden Blick in Richtung von Gilbert. Das hatte der zwar nicht gesagt, aber würde er nicht für ihn bürgen, hätte er ihn sicher nicht hierher gebracht. »Ja, ich bereue, dass ich geklaut habe. Und ich geb mein Bestes, um es wieder gut zu machen. Aber die Gardisten werden doch schon bezahlt für ihre Arbeit und die waren echt nicht freundlich, muss ich denen wirklich eine Entschädigung leisten?«


    Maximilien Rivenet de Souvagne
    Maximilien schmunzelte über die Erklärung von Antoine. »Die Gardisten werden von uns nicht nur bezahlt, sie unterstehen uns vollumfänglich. Unsere Gardisten haben wohl erwägte Aufgaben unter anderem den Schutz der Krone. Wenn nun jemand, wie Du, einen Einsatz der Gardisten außerhalb ihres Tätigkeitsfeldes verursacht, sind von dieser Person auch dahin gehend die Kosten zu tragen. Man nennt dies Verursacherprinzip. Du hast einen Gardisten-Einsatz verschuldet und somit hättest Du normalerweise den kompletten Einsatz der Gardisten auch bezahlen müssen. Jeden Mann und jede angefangene Stunde. Es kann nicht sein, dass die Allgemeinheit, oder wir für den Fehler eines anderen aufkommen, den dieser bewusst verursacht hat. Folglich werden normalerweise dem Verursacher auch die Einsätze in Rechnung gestellt. Der Einsatz war in Deinem Fall zwigend erforderlich, da Gefahr im Verzug war. Die Gardisten hatten weder die Zeit noch die Möglichkeit eine Einheit Büttel zu rufen um Deine Ergreifung in Auftrag zu geben. Damit war ihr Einsatz recht- wie auch zweckmäßig und von Dir wären diese Kosten zu tragen. Da Du aber mittellos bist, fallen die entstandenen Kosten der Staatskasse anheim. Das heißt unsere Person übernimmt für Dich persönlich diese Schuld. Du bist Gebührenschuldner was diesen Einsatz angeht, aber wir verzichten und schlagen diese Forderung nieder, da die Beitreibung bei weitem die entstandenen Kosten übersteigen würde. Ferner ist von der Erhebung einer Schuld abstand zu nehmen, wenn sie die zu belastende Person in Existenznot bringen würde. Du bist bereits in Existenznot, also wirst Du mit den Einsatzkosten nicht belastet. Da Du Dich aber freiwillig angeboten hast, das Diebesgut pikunär also geldlich zu ersetzen und einsichtig bist, sind wir Dir hier entgegen gekommen. Die Gardisten werden nicht dafür bezahlt freundlich zu sein. Bei Gardisten handelt es sich nicht um Service- sondern um Schutzpersonal. Wären sie freundlich gewesen, hätten sie ihren Job nicht ordnungsgemäß ausgeführt Antoine. Ich denke dass ist ehr in Deinem Sinne, als eine Brandmarkung als Dieb. Wir können Dir keine zweite Chance einräumen und Dich gleichzeitig finanziell ruinieren. Allerdings solltest auch Du gut überlegen, was Du den Gardisten unterstellst. All dies wäre nicht geschehen, wärst Du nicht in den Palast eingedrungen. Es lag in Deiner Hand, es war Deine Entscheidung. Noch Fragen?«, hakte Maximilien nach.


    Antoine
    »Darf ich wirklich was fragen?«, fragte Antoine. »Oder wird mir das dann auch irgendwie berechnet oder zur Last gelegt? Ich mein das nicht ironisch, aber ich bin so froh, dass ich diese Chance kriege und nicht auch noch ruiniert werde. Ich will das nicht wegen einer blöden Frage kaputt machen. Wobei, ich bin eigentlich nicht zu ruinieren, weil ich das schon bin. Aber ich will dann nicht irgendwas abgehackt kriegen oder eingesperrt werden.«


    Maximilien Rivenet de Souvagne
    »Wir meinen in unserem Amt stets dass was wir sagen Antoine. Wenn wir Dir erlauben uns etwas zu fragen, dann ist dies so. Also frage was Du uns fragen möchtest«, erklärte Max umgänglich.


    Antoine
    »Danke, das ist nett von Ihnen. Also erstens wollte ich fragen, wie hoch die Kosten sind, die ich zurückzahlen muss. Weil ganz ehrlich, ich glaube, der ganze Einsatz war viel teurer als die blöde Glasblume, die jetzt weg ist. Es sei denn, die ist doch aus Diamant, was ich ein bisschen gehofft habe, jetzt aber nicht mehr hoffe, weil dann zahl ich bis an mein Lebensende. Und dann wollt ich noch fragen, ob die Leibgardisten echt alles dürfen? Der Monsieur Jardine hat gesagt, dass das so ist. Aber dann könnten die das ja theoretisch auch ausnutzen und keiner macht was dagegen.«


    Maximilien Rivenet de Souvagne
    »Wie hoch die Kosten sind würde berechnet werden, müsste man Dir den Einsatz in Rechnung stellen. Das wird aber nicht geschehen. Von daher ist es müßig, jetzt das rechnen anzufangen oder eine Kostenaufstellung auszuarbeiten, die nicht beglichen wird. Die Blume war aus Kristall und nicht aus Diamant. Die Leibardisten sind der verlängerte Arm von uns über den Palaisin. Der Palaisin vertritt uns als Person als ausführende Gewalt in der Öffentlichkeit. Er vertritt uns, setzt unseren Willen um, er schützt unsere Person samt unserer Familie und unserem Hof. Da dies kein Mann allein bewerkstelligen kann hat der Palaisin die Leibgarde unter sich. Der Leibgarde ist alles gestattet um ihrer Aufgabe gerecht zu werden. Selbstredend könnte dies ausgenutzt werden. Hier greift die uralte Frage - wer wacht über die Wächter? Antwort - der Palaisin und in letzter Instanz unsere Person. Eventuell hast Du mitbekommen, was mit Wächtern passiert, die ihre Aufgabe zum Privatvergnügen missbrauchen. Sie werden öffentlich passend abgestraft. Und selbst ein Palaisin ist vor Strafe nicht gefeit, wenn er sein Amt missbraucht. Wer in so einem Amt wie auch Beruf nicht über die nötige Reife, Weitsicht und Loyalität verfügt ist nicht tragbar und wird von uns des Amtes verwiesen«, erläuterte der Duc.


    Antoine
    »Das hab ich so am Rande mitgekriegt, es wurde darüber geredet. Aber ich weiß nichts weiter da drüber. Was hatten die denn gemacht? Und wenn ich der Meinung bin, die haben mich zum Privatvergnügen gequält, was kann ich da machen? Der Büttel hier sagt, ich kann gar nichts machen.«


    Maximilien Rivenet de Souvagne
    »Hast Du für Deine Anschuldigung, dass Dich die Gardisten gequält haben sollen, Beweise?«, fragte der Duc offen. »Falls nicht, sind es nichts weiter als das - Anschuldigungen. Sollte es den Gardisten zu Ohren kommen und sie sich über Dich als Gefangenen beklagen wäre dies üble Nachrede oder sogar Verleumdung. Damit hättest Du erneut eine Straftat begangen. Verleumdung bedeutet Auspeitschung und Pranger. Also hast Du für Deine Anschuldigung Beweise in Form von Zeugen oder ähnlichem? Kannst Du zum Beispiel glaubhaft versichern, wer Dir geschadet haben soll? Falls ja, werden wir einen Geistmagier dazuziehen. Falls dieser feststellt dass Du gelogen hast, landest Du am Pranger, nachdem Du öffentlich ausgepeitscht wurdest. Denn in dem Fall hast Du versucht dass Ansehen der großherzoglichen Garde nachhaltig zu beflecken«, antwortete Max.


    Antoine
    »Beweise? Meinen Hintern«, lachte Antoine. »Also von einem weiß ich, wer das war, der bescheuerte Robere! Die anderen kenne ich nicht, aber die haben auch mitgemacht. Die sind sich alle gegenseitig Zeugen, aber werden wahrscheinlich eh lügen.«


    Maximilien Rivenet de Souvagne
    »Robere?«, fragte der Duc Retour. »Was genau tat er mit Deinem Hintern? Die Einheiten halten generell zusammen, da oft ihr Leben davon abhängt. Also berichte, was hat Robere Dir angetan? Und woher kennst Du den Gardisten namentlich?«.


    Maximilien Rivenet de Souvagne
    #


    Antoine
    »Er hat mich gefingert und gefickt«, antwortete Antoine unverblümt. »Was soll ich da um den heißen Brei reden. So war das. Ich kenn den und Boldi noch von früher, wir waren im selben Waisenhaus und konnten uns da auch schon nicht leiden. Ich kann ja nicht ahnen, dass die jetzt ausgerechnet hier sind!«


    Maximilien Rivenet de Souvagne
    »Wir vertagen Dein Urteil bis zur Klärung des Missbrauchs. Du wirst Dich unverzüglich beim Hofarzt einfinden und Dein Rektur untersuchen lassen. Danach wirst Du bei einem der Himmelsaugen vorstellig und zwar bei Chevalier Jules Seymour de Mireault. Er wird Deine Gedanken und Erinnerungen auslesen und im Gegenzug selbstverständlich die von Robere. Nach Klärung des Vorfalls urteilen wir. Solltest Du die Wahrheit gesagt haben, erlassen wir Dir sämtliche Kosten, da Du durch unsere Gardisten missbraucht worden bist. Solltest Du gelogen haben, wird Dein Strafmaß dementsprechend erhöht. Dein Begleiter wird Dich beim Hofarzt und bei Chevalier de Mireault abliefern. Wir sprechen uns nach Deiner Untersuchung und Auslesung wieder. Fürs Protokoll, das Urteil von Antoine ist bis zur vollständigen Aufklärung des Sachverhaltes ausgesetzt. Der Gardist der Unite B - Robere ist sofort über den vorgenannten Vorfall zu verhören«, befahl der Duc, ehe er sich erneut an Antoine und Gilbert wandte. »Deine Befehle sind Dir bekannt, Ihr dürft Euch verabschieden«, sagte der Duc.


    Antoine
    »Hey, danke«, freute Antoine sich und guckte, was Gilbert machte, um ihn imitieren zu können.


    Gilbert Jardine
    »Vielen Dank Eure Majestät«, sagte Gil. Gilbert verneigte sich tief, stand auf und verließ rückwärts den Thronsaal. Er gab Antoine ein Zeichen es ebenso zu halten und ihm zu folgen. Draußen vor der Tür wartete er auf ihn.


    Antoine
    Antoine ahmte Gilberts Verneigung und das Rückwärtsgehen nach, auch wenn es ihm ziemliche Schmerzen bereitete. Draußen richtete er sich auf und strahlte über beide Ohren. »Meinst du, das klappt? Das wär ja genial! Keine Strafzahlung und Robere kriegt sein Fett weg!« Die Gardisten neben der Tür versteiften sich etwas. Sicherheitshalber trat Antoine ein Stück weg. »Wo gehen wir als erstes hin?«


    Gilbert Jardine
    Gilbert starrte Antoine auf die Hose, als dieser rückwärts ging und musste sich ein Keuchen verkneifen. »Sag mal hast Du da drinnen nass gefurzt? Das ist doch wohl die Höhe!«, schnaubte Gil wütend.


    Antoine
    »Nee, ich hab doch gesagt, was die mit mir gemacht haben! Das läuft jetzt alles raus, wenn ich mich bewege. Sieht man das durch die Hose? Schöne Kacke.« Er grinste gequält.


    Gilbert Jardine
    Gilbert atmete tief durch und nickte knapp. »Ja man sieht es, zum Glück geht man rückwärts aus dem Thronsaal. Aber gut, dass ist ja ein Beweis. Mehr Beweis kann es nicht geben, es sei denn Du hast mit denen bewusst eine Orgie gefeiert. Komm wir müssen zum Medicus, wie der Duc befohlen hat. Bitt schwöre mir, dass Du nicht gelogen hast«, flehte Gil und gab den Weg vor.


    Antoine
    »Ich schwör es Ihnen«, erklärte Antoine fest. »Da wär ich ja schön blöd. Ich will ja die Arbeit haben. Ich hab noch nie gearbeitet! Einmal im Leben sollte man alles mal ausprobiert haben.« Er grinste immer noch. Trotz der Schmerzen und der Demütigungen, die er hatte erfahren müssen, schien er guter Laune zu sein.


    Gilbert Jardine
    Gilbert nickte anerkennend, auch wenn Antoine es flappsig sagte, aber die Bedeutung dahinter verstand er sehr wohl. Es machte ihn traurig und froh zugleich. »Gut, naja was heißt gut. Leider ist es dann passiert. Gut war daran gar nichts. Da hättest Du vermutlich lieber das Geld abgearbeitet, als das mitzumachen«, sagte Gil und ging Richtung Heilstube. Er hoffte das Benito anwesend war und dass der Heiler Zeit hatte. Falls nicht, dann mussten sie warten, anders ging es nicht. »Kannst Du zur Not überhaupt lange sitzen?«, fragte Gil besorgt.


    Antoine
    »Notfalls kann ich eine Weile stehen. Im Winter schlafe ich oft im Stehen, wenn es zu kalt ist zum Liegen oder zu nass und ich keinen ordentlichen Schlafplatz habe. Das geht schon. Was geschieht mit Robere, wenn die rauskriegen, dass es wahr ist?«


    Gilbert Jardine
    »Er wurde schon einmal für so etwas verurteilt, er ist dann ein Wiederholungstäter. Vermutlich wird die Strafe dann wesentlich härter. Damals, kam er an den Pranger, wurde ausgepeitscht und mit einem... also... so einem... Ding gebumst, so wie er sein Opfer schändete«, erklärte Gil. »Ja im Winter schlafen wir auch manchmal im Stehen, aber nicht aus Faulheit, sondern weil manche Einsätze so lange gehen und wir Bereitschaft haben. Du bist da, aber im Grunde doch nicht. Aber falls was ist, musst Du sofort da sein«, grinste er schief.


    Antoine
    »Ach, Sie schlafen im Dienst?«, fragte Antoine schmunzelnd. »Dann kann ich das Wichtigste ja schon mal, im Stehen schlafen und so tun, als sei ich aufmerksam. Dass der Robere so geendet ist, das wundert mich überhaupt nicht, der war als Kind schon ein Arsch. Der hat kleine Katzen gefressen und Mäuse und überhaupt alles, was sich bewegt hat der einfach aufgefressen. Der war wie ein Heuschreckenschwarm, da hat bald nix mehr gelebt außer die Leute. Vögel, Tauben, Eidechsen, Frösche, auch Insekten und Spinnen. Wird er da wieder öffentlich gebumst, wenn der das schon mal gemacht hat? Wieso darf so einer überhaupt noch seinen Dienst machen?« Antoine war gespannt auf den Heiler. Er war noch nie bei einem Heiler gewesen.


    Gilbert Jardine
    »Weil er wie Du eine zweite Chance erhalten hat. Jeder bekommt sie, oder fast jeder. Ein Mörder natürlich nicht. Ich schlafe nicht im Dienst, sondern in der Bereitschaft. Das ist kein Dienst, wird auch nicht angerechnet, jedenfalls nicht voll. Das klingt extrem seltsam, aber wenn ein Mensch Hunger hat, dann kann man mit allem rechnen. Wer weiß, was wir essen würden? Naja oder Du schon gegessen hast oder essen musstest? Davon kann sich niemand freisprechen. Ich würde auch lieber Insekten essen bevor ich verhungere. Ich meine, was er getan hat war grausam, wenn es stimmt. Aber deshalb ist er nicht an jedem Unrecht schuld. Es sei denn, wir weisen es ihm nach«, schmunzelte Gil und betrat die Heilstube. Antoine schlug ein Geruch von Kräutern und anderen Dingen entgegen die er gar nicht benennen konnte. Die Heilstube war leer. Niemand saß vorne und wartete.


    Antoine
    »Jedenfalls kann ich den nicht leiden«, erklärte Antoine. »Und ich hab auch schon Katzen gegessen, wer hat das nicht, aber ich hab sie nicht gequält. Und Spinnen, das ist mal echt ekelhaft, niemand hat da Spinnen gegessen, obwohl es nicht viel gab. Der war wie eine Fressraupe, kaum, dass Boldi weg war.« Neugierig schaute er sich in der Heilstube um.


    Gilbert Jardine
    »Setz Dich bitte hin, wenn es geht. Wobei nein, klopf mal, oder bimmele mit der Klingel an der Theke. So weiß ja niemand das wir hier sind«, grinste Gil. »Eigentlich könnte man sich Robere im Haus halten, falls man Ungeziefer hat«, flüsterte Jardine.


    Antoine
    Antoine feixte. »Der sollte es mal als Kammerjäger versuchen.« Er ging zur Theke und klingelte. Dann trat er zurück und guckte unsicher. Jetzt bekam er doch etwas Angst.


    Benito
    Als sich Antoine kurz zu Gil umdrehte und wieder Richtung Heilstube guckte, stand der Heiler vor ihm, ohne dass er ihn kommen gehört hatte. Benito musterte ihn total ernst von oben bis unten. »Da ist nichts mehr zu machen«, sagte er tonlos.


    Antoine
    Antoine erschrak dermaßen, dass er mit dem gesamten Körper zusammenzuckte. »Wa-was? Werde ich sterben?«, kreischte er fast ohne Stimme.


    Benito
    »Das auch, aber nicht heute, hier oder jetzt. Die Hose, sie ist völlig ruiniert. Der Fleck wird nie wider herausgehen. Ich rate zu einem neuen Beinkleid. So wie kann ich Dir helfen?«, fragte der Heiler freundlich.


    Gilbert Jardine
    Gil hatte die Luft angehalten und ließ sie nun geräuschvoll entweichen. Er wischte sich den Schweiß von der Stirn und blinzelte Antoine verstört an.


    Antoine
    »Bei Ainuwar«, ächzte Antoine. »SIE haben Nerven! Das hab ich vorhin schon zu dem Büttel gesagt, aber Sie sind ja echt noch viel übler!« Sein panischer Gesichtsausdruck wurde zu einem Feixen. »Sie sollen sich meinen Hintern anschauen, meint der Duc.«


    Benito
    »Dann folge mir bitte nach hinten um Deinen Hintern zu entblößen. Erzähl mir was passiert ist. Irgendwas reingesteckt was nicht hineingehört? Muss es geborgen werden?«, fragte der Heiler grinsend.


    Antoine
    »Hehe«, lachte Antoine und folgte dem Heiler um die Ecke. »Da wurden viele Dinge reingesteckt, die da nix drin zu suchen haben, aber ich hoffe, die hängen alle noch an ihren Besitzern.« Er zog sich die besudelte Hose aus.


    Benito
    »Vermutlich hängen sie dort nicht mehr lange, wenn das so ist. Man kann schließlich nicht nur Hände und Köpfe abhacken«, gab Benito zurück. Er zündete einen eine große Öllampe an und stellte sie neben Antoine. Als dieser schon befürchten musste, der Heiler wollte ihn abfackeln, desinfizierte er sich mit der Flamme die Hände. Er untersuchte Antoine genau, ehe er ihn reinigte und behandelte. Antoine fühlte wie der Heiler ihn auch innerlich abtastete, aber dann war der Schmerz auf einmal verschwunden, ohne das er sagen konnte weshalb. Alles was zurückblieb war ein entspanntes Gefühl und Müdigkeit. Benito desinfizierte erneut seine Hände und deutete Antoine an aufzustehen. »Du wurdest geschändet, mehrfach und das nicht gerade sanft. Du warst verletzt, eingerissen und es hätte sich vermutlich noch schlimmer entzündet als es schon war. Nun ist alles in Ordnung. Du wirst Dich noch einige Tage schonen müssen, aber ich habe Dich geheilt durch Magie. Alles andere wäre wohl sehr langwierig und auch schmerzvoll geworden«, sagte der Heiler freundlich.


    Antoine
    »Oh, danke«, antwortete Antoine schläfrig. Er rieb sich die Augen mit der Faust. »Das ist echt nett. Hier sind alle so freundlich zu mir. Da muss man fast ein schlechtes Gewissen haben, was geklaut zu haben. Hacken Sie denen echt die Nudel ab? Das wär ja was.« Er gluckste leise.


    Benito
    »Keine Ahnung, aber glimpflich wird jemand bei so einer Tat nicht davon kommen. Davon kannst Du ausgehen. Du solltest Dir wirklich eine neue Hose geben lassen im Dienstbotenflügel. Sonst nützt die beste Heilung nichts, wenn Du verdreckt herumläufst. Stehlen muss hier niemand. Nun Du bist soweit wieder auf dem Damm und kannst los. Da Du zu mir gekommen bist, denke ich, Dich hat einer vom Hof geschickt«, sagte Ben.


    Antoine
    »Ja, der Duc war das«, erklärte Antoine und gähnte herzhaft. Er fühlte sich rundum wohl. »Mann, Sie würde ich öfter besuchen, wenn Sie mein Heiler wären.« Er zog seine schmuddlige Hose wieder über und ging zurück zu Gilbert. »Bin wieder fit.«


    Benito
    Benito verabschiedete Antoine mit einem freundlichen Lächeln und einem Kopfschütteln. »Normalerweise sind die Leute froh, wenn sie gesund sind. Dennoch, Danke für das Kompliment«, sagte er gut gelaunt und verabschiedete sich wieder in seine Heilstube.


    Gilbert Jardine
    Gilbert schaute sich Antoine genau an. Er ging aufrechter und nicht mehr schmerzgeplagt. »Du siehst besser aus, es scheint Dir auch besser zu gehen. Wie fühlst Du Dich?


    Antoine
    »Super, ich bin wieder gesund. Er hat mir einen Schuss Heilmagie verpasst. Aber ein bisschen müde bin ich jetzt. Wie bei einem langen Sonnenbad fühl ich mich gerade. Wo mussten wir noch hin?«


    Gilbert Jardine
    »Wir müssen noch zu einem Himmelsauge damit er Dich ausliest. Ich hoffe das geht gut. Denk bitte kein unanständiges Zeug, damit Du uns nicht blamierst. Ich hoffe das wirkt. Oder möchtest Du Dich erstmal eine Runde ausruhen?«, fragte Gil.


    Antoine
    »Kein unanständiges Zeug? An was soll ich denn sonst denken?« Er lachte, es klang leiser als sonst. Er rieb sich wieder die Augen. »Wenn wir schon mal dabei sind, gehen wir doch gleich zu dem Himmelsauge. Ich will nicht wieder so schnell zurück in die Zelle, ich kann später immer noch schlafen.«


    Gilbert Jardine
    »Ich meinte auch nicht in die Zelle, sondern dass wir uns draußen irgendwo hinsetzen, wo Du etwas dösen kannst. Kein unanständiges Zeug, außerhalb des Vorfalls. Nicht dass er uns noch rausschmeißt, oder denkt Du hast Dir alles zusammengesponnen. Bleib mit den Gedanken bei einem Thema. Wie sows funktioniert, weiß ich nicht. Aber beim Thema bleiben ist nie schlecht«, riet Gil Antoine.


    Antoine
    »Muss ich danach in die Zelle? Nein, ich will das hinter mir haben, lassen Sie uns bitte gleich da hin gehen. Ich denk nichts Schlimmes, versprochen. Sonst muss ich das bestimmt auch abbezahlen, den Einsatz vom Himmelsauge und dem seine blanken Nerven.«


    Gilbert Jardine
    Gil musste bei der Vorstellung losprusten, wie der Chevalier Antoine jeden einzelnen falschen Gedanken in Rechnung stellte. »Von mir aus, gehen wir direkt durch«, lachte er leise und führte Antoine zurück in den Palast. Er selbst war noch nicht in den Räumen der Himmelsaugen gewesen, also fragte er sich durch, bis er vor der Stube stand, die ihnen hier als Anlaufstelle diente. Er klopfte kurz und trat ein.


    Antoine
    Antoine hielt sich die ganze Zeit bei Gilbert und versuchte weder zu fliehen, noch verhielt er sich sonst auffällig, abgesehen davon, dass er ungepflegt war, zum Himmel stank, eine schmutzige Hose trug und sich sehr neugierig umschaute.


    Gilbert Jardine
    In der Stube war ein Schreiber anwesend der kurz aufschaute und ihnen zur Begrüßung zunickte. Dann kam ihnen auch schon ein junger Mann entgegen. »Wie kann ich Euch behilflich sein?«, fragte er freundlich. »Wir möchten zu Chevalier Jules Seymour de Mireault. Es geht um eine Klärung in einem Straffall. Er soll auf Anweisung des Duc, bitte diesen Mann und dessen Erinnerung auslesen«, sagte Gilbert freundlich. Der Mann nickte kurz und verschwand kurz im Hinterraum, ehe er wieder zurückkam. »Der Chevalier ist gleich bei Euch. Kommt bitte mit nach hinten durch«, sagte der junge Mann freundlich und brachte sie nach hinten, in eine kleine Bürostube. Dort deutete er auf einige Stühle, wo sie Platz nehmen konnten. Etwas zweifelnd schaute er die Hose von Antoine an und holte kurzerhand eine Tischdecke. »Setz Dich bitte darauf, damit die Möbel nicht eingesaut werden. Danke«, sagte er freundlich und ließ Gil und Antoine allein. Sie hatten ungefähr 10 Minuten zu warten, dann betrat ein hagerer, sehnig durchtrainierter Mann den Raum, dessen Gesicht noch mehr Narben zierten, als das von Gil. Und seine Narben waren nicht weniger auffällig. Er lächelte sie kurz zur Begrüßung an, was ihn eher schief grinsend aussehen ließ, durch die Narbe die quer über seinen Mund verlief.


    Jules de Mireault
    »Willkommen in der höfischen Amtsstube der Himmelsaugen. Ich hörte Ihr beide benötigt meinen Beistand? Worum geht es genau? Ich könnte Euch auch auslesen, aber zuerst möchte ich berichtet bekommen worum es ging. Der Duc höchstpersönlich schickt Euch also«, sagte Jules und setzte sich ihnen gegenüber.

  • (Fortsetzung)


    Antoine
    Etwas eingeschüchtert von dem Chevalier saß Antoine auf dem Stuhl, die Tischdecke unter seinem Hintern. »Es geht um mich. Sie sollen bitte meinen Kopf überprüfen, wegen den Erinnerungen. Die Herren in Schwarz waren nicht sehr freundlich und ich hab mich über die beschwert. Sie sollen bitte schauen, also vom Duc aus, dass ich nicht gelogen habe. Er glaubt mir nicht so richtig, glaub ich.«


    Khawa
    Im Hintergrund machte Khawa für alle Kaffee, während er leise vor sich hin sang. Er trug vorbildlichste Souvagnische Kleidung und seit seiner Nobilitierung einen kurzen Haarschnitt. Nach seinem Turban hatte er sich mit der langen Filzmähne von seinem letzten Stück rakshanischem Kulturgut am Leib getrennt, ohne Jules vorzuwarnen.


    Jules de Mireault
    Jules lehnte sich entspannt zurück und schaute Antoine ernst an. "Welches Verbrechens hast Du die Gardisten beschuldigt? Wurdest Du schon einmal ausgelesen? Ich warne Dich vorher, rein zu Deinem Schutz. Lass locker, bleibt locker, bekomme keine Panik und wehre Dich nicht, ansonsten wird das Auslesen sehr schmerzhaft. Das wollen wir beide nicht, denn Du möchtest ja Deine Aussage bestätigt haben. Ich werde sehen ob Du gelogen hast, Dir etwas eingebildet hast oder ob Deine Aussage den Tatsachen entspricht. Ich sehe was Du gesehen hast, ich fühle was Du gefühlt hast. Ich lese Deine Gedanken wie ein Buch oder erlebe sie mit. Aus dem Grund frage ich Dich vorher, was haben die Gardisten getan? Du wirst mich einfach als fremde Präsenz in Deinen Gedanken spüren. So wie wenn Du denkst, ist da plötzlich wer anderes anwesend. Ich verspreche Dir es schmerzt nicht, solange Du Dich nicht wehrst. Also erzähl vorher etwas, danach schaust Du mir genau in die Augen, so geht es leichter. Die Augen sind das Tor zur Seele", erklärte Jules und freute sich riesig als Khawa zu Besuch kam. Nur musste er zweimal hinschauen, da Khawa seine Haare abgeschnitten hatte.


    Antoine
    »Also das wird dann jetzt peinlich.« Antoine grinste gequält. »Also wie ich dem Duc schon sagte, die haben mich verprügelt und gefickt. Ich wurde noch nie ausgelesen, aber ich bin da echt drauf gespannt. Man hört immer so viel davon.«


    Jules de Mireault
    "Dir muss nichts peinlich sein, wenn Du wüsstest, was wir schon alles gelesen haben und täglich lesen", antwortete Jules und schaute Antoine tief in die Augen, so als wollte er in den Augen seines Gegenübers etwas überprüfen. Einen winzigen Moment später spürte Antoine, dass er in seinem Kopf nicht mehr allein war. Er fühlte wie Jules sich umschaute und für einen Moment verharrte. `Hier bin ich, entspann Dich´, übermittelte er ihm mental. Antoine hörte die Worte nicht wirklich, sondern sie wurden in seinem Kopf von einem fremden Bewusstsein gedacht. Und so wie das fremde Bewusstsein von Jules Nachrichten dachte, so griff es nun auch auf seine Erinnerungen zu. Antoine wurde zum Zuschauer in seinem eigenen Kopf. Beiseite geschoben, aber nicht abgeschoben. Nur konnte er nicht verhindern, was sich der Magier anschaute und wie genau. Die letzten Erinnerungen wurden aufgerufen. Der Besuch im Palast, die Flucht durch die Nacht, die Gefangennahme, das Wiedererkennen und auch die Rache für eine uralte Wunde die zwar in einem Gesicht, aber niemals auf einer Seele verheilt war. Jules schaute sich alles an, neutral, sachlich, ohne Wertung - falls er wertete, bekam Antoine davon nichts mit. Allerdings erlebte er dass, was Jules aufrief erneut. Er litt Angst und Schmerzen und nach einer gefühlten Ewigkeit war er wieder im Hier und Jetzt und spürte wie sich die Präsenz von Jules von ihm löste. Das Loslassen dauerte seltsamerweise etwas länger. So als wurden unsichtbare Tentakeln aus seinem Geist zurückgezogen. Schlagartig war er in seinem Geist wieder allein und den Hauch eines Moments fühlte er sich seltsamerweise einsam, ehe er den Stuhl wieder unter seinem geschundenen Hintern spürte. "Du hast die Wahrheit gesprochen", sagte Jules und riss Antoine damit aus seinen Gedanken.


    Antoine
    Antoine rieb seine Stirn, auf der sich ein Film von kaltem Schweiß abgesetzt hatte. Sein Herz hämmerte und er keuchte. Es dauerte, ehe er wieder ganz im Hier und Jetzt war, so als wäre er gerade aus einem Albtraum hochgeschreckt. »Ah ... in Ordnung. Und was bedeutet das jetzt?«


    Jules de Mireault
    "Das bedeutet, dass Du absolut die Wahrheit gesprochen hast. Alles was Du gesagt hast, ist wahr", erklärte Jules, was Gilbert erleichtert aufatmen ließ.


    Antoine
    Fragend blickte Antoine Gilbert an. »Aber das hab ich doch von Anfang an gesagt. Ich will ja bei Ihnen arbeiten. Und was machen wir jetzt? Das dem Duc sagen? Oder machen Sie das, Monsieur Mireault?«


    Khawa
    "Chevalier de Mireault", korrigierte Khawa mit mildem Tadel und verteilte Kaffee.


    Jules de Mireault
    "Das mache ich und zwar umgehend. Also einen Moment Ruhe bitte", sagte Jules und übermittelte alles an den Duc. Nachdem das erledigt war, musterte er Khawa dankbar und trank in Ruhe seinen Kaffee. "Die Strafe wird härter ausfallen als unter Bellamy. Nicht für den neuen Palaisin, denn dieser kann nichts für alte Gräul seiner Leute. Er ist neu im Amt. Aber wenn man ihm aus genau dem Grund die Strafe überlässt, rollen Köpfe", erklärte Jules, kramte einen Keks aus seiner Schreibtischschublade hervor und ditschte ihn in den Kaffee.


    Khawa
    Antoine trank dankbar den heißen Kaffee. "Hm, der ist gut. Ich wusste gar nicht, dass Rakshaner Kaffee kennen. Was man nicht alles lernt hier. Wann erfahren wir, was mit den Kerlen gemacht wird?"


    Jules de Mireault
    "Entweder in der Urteilsverkündung oder gar nicht direkt. Denn wenn der Duc nun über Dich urteilt, spricht er Dich frei oder schuldig oder beides. Schuldig des Diebstahls und so weiter, aber gibt Dir noch eine Chance. Robere hingegen erhält seine eigene Verhandlung für sein Vergehen oder der Duc verurteilt ihn sofort", antwortete Jules während der ein aufgeweichten Keks aß und Khawa beobachtete, wie er im Büro herumwirbelte.


    Antoine
    "Und die anderen, die mitgemacht haben?", bohrte Antoine hoffnungsvoll nach. "Das war ja nicht nur er alleine."


    Jules de Mireault
    "Die werden ebenso pro Person bestraft. Jeder wird sein Urteil erhalten, ob Mitläufer oder aktiver Mittäter. Und ich werde vermutlich jeden auslesen müssen. Sprich weshalb sie so handelten, was sie dabei empfanden, was ihr Grund war. Wollen, oder Angst vor Robere? Das macht beim Urteil schon einen gewaltigen Unterschied aus".


    Antoine
    "Ah, das finde ich gut! Und wann ist das? Heute?" Antoine griff nach den Keksen, die zum Ditschen gedacht waren, und aß sie so.


    Khawa
    Missbilligend schüttelte Khawa etwas den Kopf.


    Jules de Mireault
    "Man fragt bevor man an anderer Leute Dinge geht, oder soll ich dem Duc melden, dass Du Kekse gestohlen hast?", grinste Jules und schob die Kekse rüber, damit Antoine sich bedienen konnte. "Hier iss, meine Güte, wenn Du Hunger hast. Deine Aburteilung ist heute, so wie ich erfahren habe. Da Deine Verhandlung nur unterbrochen wurde. Die der anderen kann ich Dir nicht sagen Antoine", gab Jules zurück.


    Antoine
    Antoine hatte sogar großen Hunger. Es war ihm nicht möglich, langsam zu essen oder die Kekse einzuteilen. Er aß sie in Windeseile, als wären sie keine Beilage, sondern eine Hauptmahlzeit und würden ihm allein gehören. Hinterher leckte er sich den Finger an und tippte damit auf die Krümel, damit sie kleben blieben und er sie auch noch essen konnte. "Danke."


    Jules de Mireault
    Jules blinzelte in Zeitlupe und starrte dann Antoine an. "So war das zwar nicht gedacht gewesen, aber gut. Du scheinst es nötig gehabt zu haben. Khawa gib ihm noch einen Kaffee, ehe er uns vom Fleisch fällt oder die Haare vom Kopf frisst", grinste Jules.


    Khawa
    Khawa erkannte, was da los war. Er brachte Antoine nicht nur einen weiteren Kaffee, sondern schlug einen großen Berg Kekse in eine Serviette ein, deren Zipfel er verknotete. Das Päckchchen stellte er Antoine hin. "Versuch, sie langsam zu essen, auch wenn es schwer ist", merkte er freundlich an.


    Jules de Mireault
    Jules nickte anerkennend und stupste seinen Schatz mental an. Er fand die Geste mehr als lieb, gleichgültig was andere von Khawa hielten, er hatte eine extrem herzliche und hilfsbereite Seite und dass konnte ihm niemand absprechen. Vielleicht würde das auch irgendwann Massimo einsehen, oder ihn zumindest in Ruhe lassen.


    Antoine
    "Tausend Dank", sagte Antoine erfreut. "Ich wusste nicht, wie freundlich man hier zu mir ist, sonst hätte ich nichts geklaut. Aber ich schwöre es, ich mach es wieder gut."


    Jules de Mireault
    "Indem Du für uns alle Kekse bäckst von ersten eigenen Lohn?", schlug Jules lachend vor.


    Antoine
    "Mach ich, versprochen. Wenn ich die Arbeit noch kriege. Ich muss noch auf das Urteil warten."


    Jules de Mireault
    "Die Arbeit von Deinem Fürsprecher wirst Du bekommen. Weshalb solltest Du ein schlechtes Urteil erhalten? Du hast die Wahrheit gesagt", gab Jules freundlich zu bedenken.


    Antoine
    "Na ja, es haben schon viele Leute alles mögliche versprochen", druckste er herum. "Drum bin ich da vorsichtig. Ich freu mich lieber erst, wenn ich die Arbeit habe. Kommen Sie mit zum Duc, um dem das alles zu sagen?"


    Jules de Mireault
    "Das habe ich dem Duc gerade bereits alles gesagt, gedanklich Antoine. Ich glaube er muss es nicht zweimal hören. Aber Du solltest wirklich so langsam zurückgehen. Danach solltest Du Dir neue Kleidung aushändigen lassen im Dienstbotenflügel. So kannst Du nicht weiter herumlaufen".


    Antoine
    "Dabei hab ich lange nicht eine so saubere Hose getragen." Antoine trank den Kaffee aus und nahm sein Bündel Kekse, das er zum Abschiedsgruß hochhob und dabei nickte. "Danke ihr beiden." Er stand auf und ging raus. Er wartete auf Gilbert, damit sie gemeinsam zurück zum Thronsaal gehen konnten.


    Gilbert Jardine
    Gil nickte Khawa und Jules dankbar zu. "Vielen Dank für alles, wir sehen uns", verabschiedete er sich freundlich. Zeitgleich mit der Tür die ins Schloss fiel, fiel Gilbert ein Stein vom Herzen. Er hatte Antoine geglaubt und sein Glaube war nicht verraten worden. Er gesellte sich zu Antoine, der das Päckchen Kekse wie eine Trophäe hielt und deutete ihm an, dass sie zurückgehen mussten. "Du kennst ja den Weg. Wir werden zurück zum Thronsaal gehen und dann hast Du es hoffentlich bald hinter Dir. Positiv gemeint", grinste Gil.


    Antoine
    "Danke noch mal für alles, Monsieur Jardine." Die Kekse an sich gepresst ging Antoine den Weg zum Thronsaal zurück. Diesmal war er es, der zu den Gardisten sagte: "Wir wollen zum Duc!"


    Gilbert Jardine
    Der zweite Gardist nickte, klopfte an und betrat dann den Thronsaal. Er verkündete, dass Antoine zurückgekehrt sei und erneut um eine Audienz bitten würde. Antoines Ankunft wurde schon erwartet und das teilte ihm der Gardist auch mit. "Du kannst reingehen, seine Majestät erwartet Dich", sagte der Gardist.


    Antoine
    Zaghaft ging Antoine herein, aber nicht ganz so ängstlich wie beim ersten Mal. Er machte alles genau so, wie Gilbert es ihm beigebracht hat, kniete sich nieder und schaute weder dem Duc noch dessen Sohn in die Augen. "Ich bin wieder da und ich bin jetzt gesund und dieser Mireault hat meinen Kopf ausgelesen. Ich hab nicht gelogen!"


    Maximilien Rivenet de Souvagne
    Max musterte Antoine und wartete kurz ab. "Das ist korrekt, über den Umstand hat uns bereits Chevalier de Mirelaut informiert. Du wurdest nicht nur von einem, sondern von mehreren Gardisten geschändet. Dein Urteil steht noch aus. Kraft unseres Amtes verurteilen wir Dich zur Wiedergutmachung des erlittenen Schadens was die gestohlene Ware, eine Kristallrose, angelangt. Wir setzen den Wert der Rose auf zweihundert Taler fest. Wir folgen dem Vorschlag des Beschuldigen und gewähren ihm die Möglichkeit der Abarbeitung. Ferner wirst Du dazu verurteilt, Deine Schulden im Hilfsdienst des Büttels Jardine abzuarbeiten. Alle weiteren Anklagepunkte stehen hinter dem Schaden an, den Du durch die Verhaftung erdulden musstest. Zwar wurde die Verfolgung und Festnahme durch Dein Fehlverhalten hervorgerufen, nicht jedoch die weit höher wiegende Straftat einer Körperverletzung. Solltest Du Dich im Dienst von Büttel Jardine als fähig erweisen, werden wir Dir die Schulden zugunsten Deines neuen Lebenswandels erlassen. Andernfalls ist spätestens bis zum Jahresende die Schuld des Diebstahls abzutragen. Die Einsatzkosten, Gerichtskosten und so weiter und so fort fallen der Staatskasse anheim. Wir gewähren Dir hiermit eine zweite Chance, nutze sie weise", urteilte der Duc.


    Antoine
    Antoines Gesicht verzog sich zu einer Grimasse, die man im ersten Moment nicht deuten konnte. Es schien, als sei jeder einzelne Gesichtsmuskel aufs Äußerste gespannt, die Augen waren zusammengepresst zu faltigen Löchern, die Mundwinkel nach hinten gezerrt. Erst nach einigen Sekunden kam er wieder zu Atem und es offenbarte sich, dass er vor Freude weinte. »Danke, das mach ich! Vielen Dank! Ich zahl die Rose ab und die Kekse auch!« Er wischte sich die Tränen mit den Händen ab, aber er weinte immer noch und schluchzte, als er rückwärts wieder in Richtung der Tür marschierte.


    Maximilien Rivenet de Souvagne
    "Nicht bezahlen, benehmen Antoine - dann ist das Bezahlen nicht nötig", erinnerte der Duc freundlich.


    Antoine
    "Ich bezahl die Rose trotzdem", schluchzte Antoine, "und back neue Kekse." Er verschwand rückwärts zur Tür hinaus.


    Gilbert Jardine
    Gilbert hatte diesmal vor dem Thronsaal gewartet. Er wartete und endlich kam Antoine wieder heraus. Er sah verheult aus, fertig und irgendwie zeitgleich noch geschafft. Gil ging ihm entgegen und musterte ihn besorgt. "Was ist passiert? Wie ist es ausgegangen?", fragte er direkt ohne Umschweife nach.


    Antoine
    "Ich wurde verurteilt", keuchte Antoine. "Dazu, bei Ihnen zu arbeiten. Und wenn ich gut arbeite, werden mir die Kosten für die Rose sogar erlassen und der Rest auch. Aber ich bezahl die Rose und bring auch die Kekse dem Chevalier vorbei, versprochen! Was machen wir jetzt? Bekomme ich jetzt solche Sachen wie Sie? Und wer sagt Boldi und Robere Bescheid?"


    Gilbert Jardine
    "Glaube mir, die werden früh genug informiert. Entweder von einer anderen Einheit oder von den Himmelsaugen. Nein solche Sachen wie ich bekommst Du nicht, Du bekommst erstmal normale, saubere Kleidung. Dass Du bei mir arbeiten sollst, freut mich. Das hatte ich Dir ja versprochen und das es umgesetzt wurde ist schön. Du wirst Dich beweisen müssen, aber ich denke dass wirst Du auch. Schwer ist vielleicht nur die Umstellung der Sichtweise auf die Welt. Aber auch das wirst Du hinbekommen. Keiner verlangt, dass Du morgen alles kannst. Lass uns Dir ein paar neue Kleidungsstücke besorgen und ein Bad täte Dir auch gut. Ich glaube dass sollten wir als erstes in Angriff nehmen. Eine Komplettreinigung, dass wird fast eine Sanierung", grinste Gil.


    Antoine
    "Und wo darf ich wohnen?", fragte Antoine und folgte Gilbert. "Und wie muss ich Sie jetzt ansprechen? Normal Monsieur Jardine oder auch irgendwie speziell mit ihrem Dienstrang und so?"


    Gilbert Jardine
    "Du nennst mich Gil, sonst wird das ein bisschen seltsam mit der Zusammenarbeit. Da ich Dich da rausgeholt habe, werde ich Dich vorerst bei mir unterbringen. Aber ich warne Dich gleich, meine Dinge bleiben auch meine Dinge. Selbst wenn ich schlafe Antoine. Gefährde unser frische Kollegialität und eventuelle Freundschaft nicht, indem Du lange Finger machst. Lex würde Dich daran hindern und zwischen uns wäre es aus, die Vereinbarung würde enden. Ich hoffe Dir ist das bewusst und meine Warnung war nur ein unnötiger Hinweis. In allen anderen Dingen warst Du schließlich auch ehrlich. Also bei mir wirst Du wohnen. Es ist kein Luxustempel, ehr klein, aber zum Schlafen und zum Essen reicht es allemale", sagte Gil freundlich.


    Antoine
    "Gil klingt gut. Du darfst Toni sagen", antwortete Antoine freundlich. "Ich klau nix, du hast mir den Kopf vom Block gezogen und mich vor Boldi gerettet. Freunde beklaut man nicht. Ich seh dich jedenfalls als Freund an, du kannst ja damit noch warten. Mir ist egal, ob das Haus klein ist, es ist ein Haus! Ich schlaf auch auf dem Fußboden, alles egal!" Antoine lachte vor guter Laune.


    Gilbert Jardine
    "Nun Leute zu retten oder zu beschützen ist mein Job und nun auch Deiner. Gut ich bin dabei, versuchen wir es als Kollegen und Freunde. Du kannst es Dir wie ein kleines Zimmer in einer Taverne vorstellen. Ein Zimmer, dass etwas unterteilt ist mit Küche, Schlafstelle und eine Gammelecke. Einen kleinen Keller hat es auch, dort lagere ich die Vorräte. Der Zuber und das Klo sind draußen", grinste Gil.


    Antoine
    "Ein Klo!" Antoine lachte sich scheckig darüber. "Weißt du, wann ich das letzte Mal auf einem KLO war? Ich nicht! Letztes Jahr irgendwann, vermutlich. Schlaf ich auf dem Fußboden, auf dem Sofa oder auf einem Bett? Mir ist es egal, ich will es nur wissen."


    Gilbert Jardine
    "Auf einer Schlafmatte so wie ich. Die rollen wir nachts aus, so haben wir tagsüber mehr Platz. Wir sind ja nicht immer Unterwegs, sondern haben auch mal frei. Und da ist leider nicht immer gutes Wetter, dass man draußen sitzen kann. Folglich wozu ein Bett ins Haus stellen? Eine Schlafmatte tut es auch und wird es im Winter doch mal sehr kalt, packe ich einen Strohsack drunter und ein Lammfell drauf. Besser geht es nicht. Na es ist ein ganz normales Plumpsklo. Ein Verschlag mit einem Holzbänkchen wo Du Dein Geschäft machst und es nach unten fällt. Nicht so wie im Palast oder bei manchen Badern. Du wirst Dich schon zu Recht finden, dass ist nicht schwer. Du sitzt beim Kacken, anstatt zu hocken, ist bequemer", lachte Gil.


    Antoine
    "Dann müssen wir noch eine Schlafmatte für mich besorgen. Ich brauch kein Bett, ich hab noch nie eins gebraucht. Und wie es beim Bader aussieht, weiß ich nicht, ich war noch nie bei einem."


    Gilbert Jardine
    "Ich war schon einige Male dort, da gute Bader eben nicht nur Baden und so weiter, sondern auch kleinere Eingriffe machen oder Heilungen. Zum Beispiel bei Zahnschmerzen, ganz wichtig zu wissen. Und das schöne an der Sache ist, sie sind meist nicht so grob und man kann sich die Behandlung leisten, ohne dass es einen fast den ganzen Monatssold raubt. Ich habe zwei Schlafmatten Antoine, manchmal hat man Besuch, weißt Du?", gibbelte Gil.


    Antoine
    "Dann brauchst du jetzt eine Dritte", antwortete Antoine grinsend. "Erstmal muss ich alle Schulden abtragen und wenn dann was übrig ist, geh ich vielleicht auch mal zum Bader."


    Gilbert Jardine
    "Es kostet nicht viel, es sei denn Du möchtest was großes machen lassen. Ansonsten opfere ein zwei Taler für einen guten Haarschnitt und eine Rasur. Oder opere fünf Taler und lass Dir auch die Zähne machen", schlug Gil vor.


    Antoine
    "Das mach ich, sobald ich das Geld habe, damit ich dich nicht so vollmüffle."


    Gilbert Jardine
    "Du wirst heute schon baden Antoine, damit wartest Du nicht bis zum ersten Lohn, dass geht nicht. Wer weiß was da alles noch aus Deinem Hintern sickert", gab Gil zu bedenken.


    Antoine
    "Aber ich hab keine zwei Taler! Es sei denn, du legst es mir aus. Oder ich bade einfach im Fluss."


    Gilbert Jardine
    "Du badest in meinem Zuber den Du danach wieder säuberst. Ich habe doch gesagt, er steht draußen neben dem Haus, neben dem Klohäuschen Antoine höre mir doch zu", lachte Gil.


    Antoine
    Antoine grinste entschuldigend. "Ich bin so viel Sauberkeit einfach nicht gewohnt. Das mach ich."


    Gilbert Jardine
    "Ja Du wirst Dich dran gewöhnen, spätestens wenn es Dir danach besser geht. Du wirst schon sehen, dann bist Du bald wieder fit. Neue Kleidung benötigst Du vorher aber auf alle Fälle. Was nützt das beste Bad, wenn Du die alten Lappen wieder anziehst? Nichts. Also auf nach Beaufort komm", sagte Gil und gab den Weg vor.

  • Boldiszàr
    Als Boldiszàr an diesem Tag Feierabend machte, wusste er noch nicht, wie ungemütlich dieser heute werden würde. Er kehrte gerade mit einem Klemmbrett von einer Besprechung mit den anderen Coutiliers zurück und war auf dem Weg zum Quartier seiner Einheit, wo er seine Rüstung abgelegen, sich in den heißen Zuber legen und anschließend gemütlichere Kleidung anlegen wollte. Anschließend würde er die verbleibende Stunde Freizeit, bevor es ins Bett ging, noch eine Runde mit seinen Männern Karten spielen. Das letzte Mal hatte er verloren. So konnte das natürlich nicht stehenbleiben.


    Jules de Mireault
    Gerade als Boldi den Weg in Gedanken entlang flanierte, passierte es. Er spürte einen grauenvollen Schlag vor den Kopf und ein Gewicht riss in zu Boden. Im gleichen Augenblick spürte er einen ähnlichen Schlag innerhalb seines Kopfes. Eigentlich ein Unterfangen, das überhaupt nicht möglich sein durfte. Gerade als der Schmerz innerlich wie äußerlich nachließ und er sich aufrappeln wollte, waren sie schon über ihm. Die Gruppe der Unite A, hatten sich ihn geschnappt, ihn am Boden fixiert und in die Acht gelegt. Einer der Männer riss ihn an den auf den Rücken gefesselten Armen auf die Beine, ein weiterer packte ihn unter dem Kinn, so dass er dem Chevalier in die Augen schauen musste. »Boldiszar Du bist verhaftet, aufgrund tätlichen Angriffs und sexueller Schändung eines Gefangenen«, erklärte Jules eindringlich und starrte ihm in die Augen. Das Himmelsauge streckte seine Hand aus und Gufo kehrte auf seinen Arm zurück. Der große Uhu war eine absichernde Runde geflogen, nachdem er Boldi mit Wucht umgerissen hatte. »Abführen ins Verhörzimmer«, befahl Jules und die Gardisten zerrten Boldi hinter Jules her.


    Boldiszàr
    »Geht`s noch?«, schnaubte Boldiszàr. »Was soll die Scheiße!« Etwas Sinnvolleres zu äußern war er in Anbetracht des extremen Kopfschmerzes nicht imstande. Er hatte keine Ahnung, was los war und machte sich extra schwer und schlaff, damit die Kameraden von der A es möglichst schwer hatten, ihn vom Fleck zu bekommen. Seine Hände waren gefesselt, aber seine Beine waren frei. Er trat dem Mann rechts neben sich mit voller Wucht ins Knie.


    Jules de Mireault
    Grunzend kassierte der Kerl den Tritt und antwortete seinerseits damit, indem er die Fesseln auf Boldis Rücken höher riss, so dass seine Schultern vor Schmerz aufglühten. Der Tritt hatte gesessen, hinkend und mit funkelndem Blick führte der Gardist Boldi bis ins Verhörzimmer des Himmelsauges. Die Kollegen der Unite A donnerten ihn fester als nötig auf den Verhörstuhl und schnallten ihn fest, so dass er am Ende vollfixiert war. Was das bedeutete wusste Boldi. Der Geistmagier würde ihn zur Not foltern um an die Ergebnisse zu kommen. Jules gab den Männern ein Zeichen, dass sie sich nun zurückziehen konnten. Er stellte sich genau vor Boldi, schnappte sich ein Blatt und hielt es ihm kurz vor die Augen. »Du wurdest angeklagt einen Dir übertragenen Gefangenen misshandelt und sexuell geschändet zu haben. Und dies in Form einer Gruppenschändung. Besonders hervorgehoben wurden Deine Gräul und die von Robere. Hast Du etwas zu der Anklage zu sagen?«, hakte Jules nach und legte das Blatt beiseite, während Gufo von seinem Arm hüpfte und auf dem Tisch Platz nahm. Der große Uhu musterte Boldi aus stechenden Augen und legte seinen Kopf schief.


    Boldiszàr
    »Antoine Davout, richtig?«, ächzte Boldiszàr, der auf die Schnelle das Blatt nicht hatte lesen können. »Er lügt und übertreibt, er hasst mich. Schau in mein Gesicht, dann weißt du, wie sehr und wozu der Kerl fähig ist.« Boldi machte sich nicht die Mühe, die Fixierung auf Schwächen zu überprüfen. Er wusste, dass er keine finden würde. Ihm dröhnte der Schädel und seine Schultern fühlten sich an, als wären sie kurzzeitig ausgekugelt gewesen.


    Jules de Mireault
    Jules setzte sich auf den Schreibtisch, so dass er Boldi gegenübersaß. Einen weiteren Stuhl außer den Verhörstuhl gab es nicht, da man bei der Tätigkeit des Folterns stand. Zudem war um den Stuhl weiträumig Platz um mobile Wagen mit allerlei Instrument darum verteilen zu können, falls eine andere Form der Befragung gewählt werden sollte. Das sich Jules also setzte und ihn vorerst nur anschaute, war ein großes Zugeständnis. Er stützte sich sogar auf einer Hand ab, behielt Boldi dennoch stets im Blick. Seine Augen hatten etwas Stechendes, Fixierendes, ganz anders, als wenn man ihm sonst ins Gesicht schaute. »Ich gebe Dir die Chance, Dich zu erklären Boldiszar. Du hast bis dato gut der Krone gedient. Was hat Dich geritten, den Gefangenen zu reiten?«, fragte Jules offen.


    Boldiszàr
    »Ich habe ihn nicht angefasst«, beharrte Boldiszàr. »Das Einzige, was ich getan habe, ist, ihm eine gröbere Behandlung, als vielleicht nötig gewesen wäre, durch meine Einheit angedeihen zu lassen. Wenn man jemandem unerwartet gegenübersteht, der einem vor Jahren so einen Schnitt verpasst hat, ist es schwer, ruhig zu bleiben. Ich wäre wegen dem fast krepiert.«


    Jules de Mireault
    Jules nickte in Zeitlupe. »Gut, Du behauptest er lügt. Das gleiche behauptet der Geschädigte auch von Dir. Wenn Du die Wahrheit sagst, wirst Du Dich von mir auslesen lassen. Solange Du Dich freiwillig auslesen lässt, wirst Du keine Schmerzen haben. Ich möchte sehen, was er Dir angetan hat«, erklärte Jules. »Wir haben alles was für und gegen Dich spricht gleichermaßen zu ermitteln. Mit wir meine ich meinen Orden. Ich habe die Aufgabe übernommen, da wir hier beide der Krone dienen. Also falls Du gelogen hast, gestehe es, bevor ich es lese oder gar zwangslesen muss Boldi«, sagte Jules ruhig, während der Kopf von Gufo auf die andere Seite pendelte.


    Boldiszàr
    »Einige meiner Gardisten haben ihn geschändet«, räumte Boldiszàr widerwillig ein. »Ich habe es ihnen erlaubt. Dann lies halt nach.« Boldiszàr machte sich bereit. Es war nicht das erste Mal, das er ausgelesen wurde, jeder Leibgardist wurde das, bevor er seinen Posten bekam. Er hasste das Gefühl. Dass er sich noch einmal im Detail an seine Niederlage in der Kindheit erinnern sollte, passte ihm wenig.


    Jules de Mireault
    »Ich lese Dich gleich aus, entspanne Dich etwas. Noch sehe ich Dich als Kollegen Boldi, also koch runter, es ist nur zu Deinem Besten. Warum hast Du es ihnen erlaubt? Was beim Abgrund war los mit Dir? Ich meine Deine Abteilung ist nicht gerade dafür bekannt andere mit Samthandschuhen anzufassen. Aber dafür ist niemand aus der Leibgarde bekannt und dann wärt Ihr auch fehl am Platz. Aber auf Euch muss Verlass sein. Da sage ich Dir doch nichts neues Boldi! Staatsgewalt heißt, die Gewalt liegt in der Hand des Staates, also der Krone. Ihr seid die ausführenden Organe. Eure Strafe mag hart sein, aber sie muss auch stets gerecht sein. Ich sehe im Wort Gerecht immer auch das Wort Recht. Aber auch eine weitere Form - Ge-rächt. Wenn jemandem ein Leid zugefügt wurde, dann übt Ihr im Namen der Gerechtigkeit die Rache, habt für das Opfer ge-rächt. Aber Ihr seid keine Täter. Ich habe mitbekommen, wie Du Robere und vorher Bellamy die Schande erspart hast, bespuckt, beschimpft und beworfen zu werden. Du bist kein Arschloch Boldi, Du bist ein harter Hund, aber Du bist kein Drecksack. Also sage mir was los war, warum Du so ins Klo gegriffen hast. Ich werde Dich auslesen und ich werde Dich foltern, wenn ich das muss Boldi. Aber gerne tue ich das ganz sicher nicht. Drum rede doch einfach«, sagte Jules.


    Boldiszàr
    Boldiszàr nahm sich Zeit, ehe er antwortete, um ein wenig runterzufahren. Sein Körper wie auch sein Geist waren darauf trainiert, in solchen Situationen in höchster Alarmbereitschaft zu sein, um sofort effektiv handeln zu können. Es war nicht einfach, sich nun genau zum Gegenteil zu zwingen, nichts zu tun, als zu reden und das auch noch in der gegenteiligen Position wie sonst. »Was genau willst du hören? Robby, ich und Antoine waren im selben Waisenhaus, Saint Aumery, falls dir das Drecksloch was sagt. Antoine war schon damals ein Dieb und hat gern geprügelt, nicht nur mit den Fäusten. Er hat mir ein Messer ins Gesicht gerammt und durchgezogen. Ohne Robbys Hilfe wäre ich tot. Als ich den Kerl wiedersah und auch noch im Palast auf Diebestour, sind die Pferde mit mir durchgegangen.«


    Jules de Mireault
    »Ich fasse Dich an und lese Deine Wunden und Gefühle aus, beruhige Dich, sonst wird das verfälscht und das nützt Dir nichts. Du hast rot gesehen, als Du Deinen alten Peiniger unerwartet gegenüber gestanden hast korrekt?«, fragte Jules schloss die Augen zu schmale Schlitze und zog sich einen Handschuh aus. Mit zwei Fingern fuhr er Boldis Narbe ganz langsam entlang. Er war zu seinem Gefangenen nicht grob, auch nicht zärtlich, sondern die Geste fühlte sich mitfühlend und warm an, während Jules die Narbe ergründete. Boldi fühlte, dass von Jules für ihn nichts Böses ausging, solange er ihn dazu nicht zwang.


    Boldiszàr
    Dass Jules die Narbe anfasst, war unangenehm, denn Boldiszàr hasste sein Aussehen. Er hasste es, wenn sein Gegenüber ihm auf die Narbe starrte anstatt ihm in die Augen zu sehen und die meisten Menschen taten genau das, wenn er keinen Helm trug. Die Einzigen, die dermaßen an den Anblick gewöhnt waren, dass sie die Narbe nicht mehr beachteten und nicht nur so taten, waren die Leibgardisten. Die Berührung war zwar nicht grob, aber für Boldiszàr dennoch unschön, da es dabei um sehr persönliche Erlebnisse ging. Widerwillig ließ Boldiszàr zu, dass der Mann in seinen Geist eindrang. Jules sah, wie Antoine dem zwölfjährigen Boldiszàr ein Holzmesser in den Mund rammte und dann zur Seite wegriss. Er spürte, wie hundeelend es dem Jungen in den Wochen danach gegangen war und dass es den Tatsachen entsprach, dass er nicht nur fast an einer Wundinfektion gestorben wäre, sondern ihn die Mönche des Waisenhauses auch fast hatten verhungern lassen und ihm auch ansonsten nicht weiter halfen. Der Einzige, der ihm half, war Robere, der ihm selbstgejagte Haustiere brachte, die er roh an ihn verfütterte. »Willst du noch was wissen«, zischte Boldiszàr geqält, um sich selbst ein Stück zurück in die Wirklichkeit zu holen. »Ja, ich habe Rot gesehen und jetzt weißt du, warum.«


    Jules de Mireault
    Die Verbindung zu Jules brach ab und der Magier legte ihm eine Hand auf den Kopf. »Du bist für mich nicht Deine Narbe Boldi, sondern Deine Narbe rettet Dir gerade Deinen Hals. Jedenfalls gehe ich davon aus. Höre zu, ich erkläre Dir etwas. Es gibt Dinge, die verstehen die meisten Menschen nicht. Dinge die Magie betreffen. Warum ich Dir das erzähle? Weil es Dich und Deinen Hals betrifft. Die meisten denken, wir lesen eine Person aus un schon wissen wir die Wahrheit. Tatsache ist, genau das ist nicht der Fall. Es stimmt nicht. Wenn fünf Personen das selbe beobachten und ich lese diese fünf Personen aus, dann sehe und spüre ich genau dass, was diese fünf Personen einzeln wahrgenommen haben. Der erste hatte soviel Angst, dass er die Täter kaum beschreiben kann. Seine Angst überlagert alles. Der zweite erinnert sich an jedes Barthaar, an jeden Knopf, so genau ist seine Erinnerung, getrieben von einer perversen Schaulust. Der dritte Zeuge stand zwar dabei, hat aber für sich nur nach einem schnellen Fluchtweg gesucht, was logisch und nicht verwerflich ist bei einem Zivilisten. Was ich Dir damit sagen möchte ist folgendes, weder Antoine noch Du haben gelogen. Deine Erinnerungen stimmen mit dem Gesagten überein. Das Antoine geschändet wurde und Du das zugelassen hast, dass muss und wird bestraft werden Boldi. Darüber sind wir uns beide einig oder? Aber warum Du es zugelassen hast, mit diesem Hintergrund, dass kann ich nachvollziehen. Du hast es nicht bewusst entschieden, sondern die Situation hat es für sich entschieden. Du selbst hast ja nicht einmal Rache geübt, es war kein bewusstes Wegschauen. Ihr beide wart Kinder und ihr beide wart Opfer der Umstände. Ihr wurdet zu dem gemacht, was Ihr wart und heute seid. Die Summe Eurer Erfahrungen, dass geht jedem Menschen so. Nur waren Deine Erfahrungen, grausam und Antoine hat sein Fett weg bekommen nach all den Jahren. Boldi hättest Du ihm eine verpasst, wärt Ihr quitt. Aber Du hast die Einheit mit reingezogen. Gestehe genau dass, was ich gelesen habe, ich werde für Dich sprechen und es bestätigen. Ich lüge für niemanden Boldi, aber da gibt es auch nichts zu lügen. Ich werde dem Duc erklären was ich sah und fühlte. Deine kompletten Erinnerung. Es war kein Sadismus der Dich trieb, sondern blinde Rache. Kapierst Du was ich Dir sagen möchte?«, fragte Jules.


    Boldiszàr
    »Ja«, murrte Boldiszàr. »Ich gestehe. Ich habe meiner Einheit erlaubt, für mich Rache zu üben. Das war Mist, weil sie nun auch Dreck am Stecken haben. Ich hätte es, wenn überhaupt, dann selbst tun sollen. Ich gestehe und bereue, auch wenn sich mein Mitleid in Grenzen hält. Trotzdem war es falsch.«


    Jules de Mireault
    »Keiner verlangt von Dir Mitleid zu empfinden, ich jedenfalls nicht. Dass wäre an den Haaren herbeigezogen. Du hättest dem Kerl draußen einfach allein richtig auf die Schnauze hauen sollen. Und damit wäre die Sache geklärt gewesen Boldi. Aber das war wirklich große Scheiße, die Du da verzapft hast. Vor allem für Robere. Das einzige was Du bereust, ist dass Du einen Fehler in Deinem Amt gemacht hast. Du warst nicht proffessionell. Niemand ist das immer, aber dann zieh andere da nicht mit rein. Es war ein Ding zwischen Dir, Robere und Antoine Boldi. Möchtest Du noch etwas dazu sagen, was die Strafe mildern könnte?«, hakte Jules nach.


    Boldiszàr
    »Ja, das wäre besser gewesen, aber ich war dermaßen wütend, ich wollte ihn am liebsten auf der Stelle tot sehen. Ich krieg jetzt schon wieder Puls, wenn ich nur an seine Fresse denke. Ich weiß nicht, was mildernd sein könnte, ohne dass ich eine Arie zusammenlüge. Hilf mir auf die Sprünge und stell mir bitte eine Frage.«


    Jules de Mireault
    »Er hat Dich mit seiner dreisten Art zu behaupten sich nur den Palast ansehen zu wollen doch provoziert oder? Also mich hätte so eine Art provoziert. Dann musstet Ihr noch durch die Nacht und die ganze Gegend rennen, anstatt dass er gleich klein beigegeben hätte. Das hat das Ganze nicht besser gemacht. Sondern so hat er die Situation immer weiter aufgeschaukelt. So war es doch richtig?«, grinste Jules schräg.


    Boldiszàr
    »Ja, so war das. Er hat uns gezielt provoziert, obwohl wir ihn am Anfang wirklich höflich behandelt haben, man will ja keinen schlechten Eindruck machen bei den Gästen am Hof. Er hat uns die halbe Nacht durch die Stadt laufen lassen und Unitè C musste Vertretung für uns schieben. Das ging drunter und drüber, die Sicherheit des Ducs musste gewährleistet und gleichzeitig dieser dreiste Kriminelle gejagt werden. Natürlich gerät man dabei in Stress. Er hat außerdem meine Männer gefährdet, indem sie wegen ihm auf marode Eisenleitern klettern und über ungesicherte Dächer laufen mussten.«


    Jules de Mireault
    »Er hat Euch verhöhnt und wollte Euch an der Nase herumführen um dann vor seinen Diebeskollegen zu prahlen. Und wie hätte die königliche Leibgarde dann da gestanden? Wenn jeder dahergelaufene Strolch einfach in den Palast marschieren kann ohne Konsequenzen. So war es doch oder? Und als nach all dem, die durchjagte Nacht, die Hetze, die Sorge um den Duc, die Kollegen, die eigene Sicherheit, als ihr ihn dann endlich hattet, dann hast Du auch noch erkannt, das es Dein alter Widersacher war und da hat bei Dir alles ausgesetzt. Das habe ich mir doch so richtig gemerkt ja?«, fragte Jules.


    Boldiszàr
    »Richtig.« Boldiszàr nickte dankbar. »So hat es sich zugetragen.«


    Jules de Mireault
    »Gut dann gebe ich es genau so weiter«, erklärte Jules, setzte sich an den Schreibtisch und schrieb es fein säuberlich genauso auf. »Wo ist Robere Boldi?«, fragte Jules beim Schreiben.


    Boldiszàr
    »Na im Mannschaftsquartier, nehme ich an. Um die Uhrzeit finden sich alle dort ein.«


    Jules de Mireault
    »Nein er wurde einige Zeit nicht mehr am Hofe gesehen Boldi«, erklärte Jules und schaute ihn dann ernst an. »Hat er Urlaub?«


    Boldiszàr
    »Nein«, erwiderte Boldiszàr verwirrt.


    Jules de Mireault
    »Darum muss ich mir dann später Gedanken machen, jetzt geht es erstmal um Dich. Kommst Du freiwillig mit, oder muss ich die A´er herbestellen Boldi?«, fragte Jules freundlich, während Gufo auf seine Schulter hüpfte und sich die gewaltigen, messerscharfen Klauen putzte.


    Boldiszàr
    »Das ist nicht nötig.« Boldiszàr überlegte, wo Robere abgeblieben sein könnte, aber ihm fiel nichts ein, da der eigentlich sehr auf seine Einheit fixiert war. Es sei denn, die anderen machten auch einen Ausflug in die Stadt.


    Jules de Mireault
    Jules befreite Boldi von seinen Fesseln und legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Komm mit, sei friedlich, gestehe und preise den Herrn, dass Du ein mildes Urteil bekommst«, schmunzelte Jules und klemmte sich sein Klemmbrett unter den Arm, während Gufo Boldi beäugte.


    Boldiszàr
    Boldiszàr erhob sich, bewegte seine schmerzenden Schultern und lockerte seine abgeschnürten Arme und Beine kurz, ehe er Jules folgte.


    Jules de Mireault
    Jules führte Boldizar zur Amtsstube des Duc und deutete ihm an, sich kurz zu setzen. Er ging alleine hinein, gab den Bericht ab und erläuterte, was er gelesen hatte. Es dauerte eine Weile, die Boldi vor der Amtsstube sitzen bleiben musste. Weg konnte er nicht, da die Gardisten an der Tür ihn im Auge behielten. Dann endlich kam Jules zurück und deutete Boldi an, einzutreten. »Du wirst erwartet«, sagte er leise.


    Boldiszàr
    Boldiszàr hatte die ganze Zeit über ruhig auf seinem Stuhl gewartet. Nun erhob er sich und trat mit einem flauen Gefühl im Magen ein. »Majestät.« Er verneigte sich.


    Maximilien Rivenet de Souvagne
    Maximilien musterte Boldi und deutete ihm an näherzutreten und sich zu setzen. »Wir haben Deine Aussage bezüglich des Geschädigten Antoine gelesen. Antoine hat seine Chance diesbezüglich erhalten. Er hat einen Diebstahl begangen, er hat gestanden, er gelobte Besserung. Was gelobst Du?«, fragte Max und legte den Bericht von Jules zur Seite.


    Boldiszàr
    »Besserung. Ich bitte um Verzeihung, Majestät. Ich war sehr wütend. Künftig werde ich meine Einheit aus meinen privaten Angelegenheiten heraushalten, aber das ist manchmal schwierig, wenn Privatleben und Beruf sich vermischen. Genau das geschah, als Antoine aufkreuzte.«


    Maximilien Rivenet de Souvagne
    Max lehnte sich in seinem gewaltigen Sessel zurück und schaute Boldi an. »Ihr beiden seit quitt, Patt, hast Du das verstanden Boldiszar? Antoine hat von mir eine zweite Chance bekommen. Er ist ein Kleinkrimineller, der genau jenen Pfad verlassen möchte. Wir haben es ihm gewährt, da er seine Strafe abarbeiten wird. Er zeigte Reue und Einsicht und er wurde jemandem unterstellt um ein nützliches Mitglied der Gesellschaft zu werden. Können wir davon ausgehen, dass dies ein einmaliger Ausrutscher Deinerseits war Boldiszar?«, fragte der Duc.


    Boldiszàr
    »Ja, Herr«, antwortete Boldiszàr. Er hoffte innerlich, dass Antoine ein fettes Trauma erlitten hatte, das ihm für die nächsten Jahre den Schlaf zur Hölle machen würde.


    Maximilien Rivenet de Souvagne
    »Du hast mir eine Ewigkeit treu gedient. Du hast Deinen Job erledigt, Du hast uns und die unseren beschützt. Letztendlich bist Du über die Identität des Diebes gestolpert Boldiszar. Aber mit dem Hintergrund und der Bedeutung dessen, dass Du daran fast gestorben wärst und Du Dich nicht persönlich an der Bestrafung beteiligt hast, werden wir jetzt genau ein einziges mal das tun, was Du getan hast - wegschauen. Schönen Tag Coutilier Unite´B«, erklärte Maximilien und zerriss den Bericht.


    Boldiszàr
    »Danke, Majestät«, keuchte Boldiszàr erleichtert. »Ihr werdet es nicht bereuen und ich werde Euch so zuverlässig dienen, wie Ihr es von mir gewohnt seid. Meine Männer haben keine Strafe zu befürchten?«


    Maximilien Rivenet de Souvagne
    »Coutilier, ich weiß nicht wovon Ihr sprecht, nun geht endlich«, sagte Maximilien und widmete sich wieder seinen Unterlagen.


    Boldiszàr
    Das war eindeutig, Boldiszàr verließ schleunigst die Amtsstube und schaute, ob er Jules noch irgendwo sah.


    Jules de Mireault
    Jules wartete vor der privaten Amtsstube des Duc und schaute Boldi abwartend an, als dieser die Stube verließ. »Gehen wir ein Stück?«, bot er an. Die Aburteilung schien glimpflich verlaufen zu sein, ansonsten wäre Boliszar nicht herausgekommen, sondern die Gardisten wären hineinbestellt worden.


    Boldiszàr • Gestern, 21:46
    »Ja«, antwortete Boldiszàr und wischte sich Schweiß von der Stirn. »Du hast was gut bei mir. Und du weißt, das ist mehr als eine Floskel, wenn ich das sage.«


    Jules de Mireault
    »Das weiß ich, also wie ist es gelaufen. Garten jähten für die nächsten drei Wochen? Flugstände der Himmelsaugen ausmisten? Was? Erzähl schon«, schmunzelte Jules.


    Boldiszàr
    »Er hat den Bericht zerrissen. Keine Ahnung, womit ich das verdient habe. Ich habe mir schon Gedanken gemacht, welcher unfähige Depp jetzt mein Nachfolger wird und meine Einheit ruiniert.«


    Jules de Mireault
    »Der Duc ist kein Unmensch. Jemanden etwas aus Bosheit antun ist das eine. Aber wenn es eine Vorgeschichte hat und zwar so eine wie Deine, dann sollte man sich auch zumindest erwähnen. Du hast den Kerl ja nicht ohne Grund den Wölfen überlassen, auch wenn die Aktion beschissen war, sie hatte einen Grund. Berufsmäßig war die Aktion voll daneben, Vergangenheitstechnisch hat er die Abreibung verdient. Zudem war er ja nicht hier um uns Gutes zu tun, Du bist jeden Tag genau deshalb hier, lebst hier, malochst hier. Das erkennt der Duc an. Du bist einer von uns, und wenn ein Krimineller seine Chance bekommt, weil er es schwer hatte. Dann Du auch. Nur dass muss der Duc wissen, sonst sähe die Strafe ganz anders aus. Du kannst mir ein Bier ausgeben, darauf hätte ich Lust«, grinste Jules.


    Boldiszàr
    Boldiszàr grinste mit der gesunden Seite, die andere konnte das nicht. »Gehen wir zum Markt, da haben sie Fressbuden. Ja, der Kerl ist auch noch in meinem Zuständigkeitsbereich rumgeschlichen, da platzt einem doch der Kragen! Du weißt jetzt, woher ich meine Narbe habe, zumindest die auffälligste. Woher hast du deine? Ich hoffe, die Geschichte ist spannender als meine.«


    Jules de Mireault
    »Welche denn genau?«, lachte Jules, »Ist ja nicht so, dass ich nur eine hätte. Was zu Essen ist eine prima Idee, da sage ich nicht nein. Die meisten Narben habe ich mir bei meiner Arbeit zugezogen Boldi, aber ich denke Du meinst die im Gesicht. Rakshaner, vor langer Zeit. Einmal fast ein Auge verloren und einmal eins quer übers Maul bekommen. Lehrgeld, mit dem Gesicht schneller wegzuzucken, als der Gegner zuschlägt und Knochenwaffen nicht in der Reichweite zu unterschätzen. Ich war auch mal jung. Worauf hast Du Hunger?«.


    Boldiszàr
    »Die haben da überbackene Brote, mit Pilzen und Käse, ganz frisch aus dem Steinofen, die sind richtig gut. Es gibt sie auch mit anderem Belag, aber die finde ich am besten. Mit Rakshanern brauche ich mich zum Glück nicht herumärgern, einer der Vorteile, wenn man bei der Leibgarde ist. Es sei denn, der Duc bekommt Lust, die Nordgrenze zu inspizieren.«


    Jules de Mireault
    »Ehrliche Ansage unter uns beiden? Der Duc wird niemals wieder irgendwelche Grenzen inspizieren, jedenfalls nicht von der anderen Seite. Der hat wie wir alle, die Schnauze davon voll. Er war einmal in der Fremde und das hat ihm gereicht. Sind wir ehrlich, er war dort für einen guten Zweck. Nicht mal für sich selbst, sondern für andere. Aber was hat es gebracht? Letztendlich den Almanen aus der Hohen Mark endlich einen Herrscher, der sich ihrer auch annimmt und sie beschützt. Aber das hätte er auch hier gekonnt. Ich hätte nicht gedacht, dass gerade der Fürst aus Alkena so vernünftig ist. Aber man täuscht sich und das haben wir alle. Vielleicht täuschen wir uns auch in den Zwergen die die Tage über hier sind. Vielleicht haben auch sie dazugelernt. Wünschenswert wäre es. Aber nochmal in die Fremde? Der Duc, wir, überhaupt einer vom Hof? Ich glaube da winken alle gemeinschaftlich ab Boldi, ganz ehrlich. Allen voran Massimo. Du hättest mental mal seine Schimpftiraden hören müssen. Also unterhaltsam war es allein durch den Läuterer. Aber es ging um eine ernste Sache, gleichgültig wie sehr uns der Comte den Aufenthalt durch seine Knurrerei versüßt hat«, lachte sich Jules sich kringelig.


    Boldiszàr
    »Der neue Palaisin hat bisher noch nicht mit den Coutiliers gesprochen. Vielleicht war ich draum auch so gereizt, ich schmeiße gerade für Belly die Vertretung, was die Leibgarde anbelangt. Ich mach das gerne, aber das ist ein Haufen Mehrarbeit und sich mit den anderen Coutiliers zu einigen ... kann mir Entspannenderes vorstellen. Da bin ich ja beruhigt, dass der Duc keine Lust hat zu reisen, ich nämlich auch nicht. Was machst du in deiner Freizeit überhaupt so, man sieht dich nie in Gesellschaft, von Khawa abgesehen.«


    Jules de Mireault
    Jules überlegte was er sonst so tat. Eigentlich nichts groß, außer zu trainieren. »Also wenn ich ehrlich bin, tue ich nichts besonders großes. Ich trainiere in meiner Freizeit. Mit Gufo, mit dem Schwert und anderen Waffen, ich trainiere Magie und die Kombination damit von Waffen, den Kampf gemeinsam mit Gufo. Eigentlich war Gufo bis zu Khawas Auftauchen in meinem Leben meine andere Hälfte. Zwar können wir einiges, was normal Sterblichen verwehrt bleibt, aber deshalb ist mein Leben nicht gerade interessanter, als das anderer. Ich glaube die meisten wirklich spannenden Erinnerungen die ich habe, habe ich eh von anderen ausgelesen. Ich habe fast den gleichen Beruf wie Du. Wir sorgen für Recht und Ordnung und mein Beruf war und ist immer noch mein Leben. Nur gehört Khawa jetzt mit dazu. Wie es wäre sich richtig niederzulassen, ein eigenes Heim zu gründen, ein Haus zu kaufen, kann ich Dir nicht sagen. Das alles hatte ich nie, ich habe es auch nie vermisst Boldi. Ich habe meinen gefiederten Freund, meinen Orden und meine Magie. Ich war immer rundum glücklich und zufrieden mit dem was ich hatte. Ich habe keine großen Ansprüche, was das anbelangt. Gegen ein bisschen Spaß im Leben habe ich auch nichts und dass ich ausgerechnet mal mit einem Rakshaner zusammenkommen werde, damit habe ich nicht gerechnt. Niemals um ehrlich zu sein. Aber wir werden heiraten und wir werden uns ein Haus anschaffen und ich habe davor sogar etwas Angst, dass gestehe ich. Aber ich freue mich auch drauf. Ein Zuhause das uns gehört, wohin ich nach dem Dienst zurückkehren kann. Was eigenes. Wie sieht es bei Dir aus?«, fragte Jules.


    Boldiszàr
    »Mit Freizeit? Abends bleibt für mich eine Stunde, da lohnt es sich kaum, noch mal rauszugehen. Die verbringe ich meist mit meiner Einheit, wir zocken eine Runde Karten oder sitzen im Palastgarten herum, dann geht es ins Bett. Den Urlaub versuche ich so zu legen, dass wenigstens ein Teil davon mit dem von Robby zusammenfällt. Wir gehen dann gern angeln oder hängen einfach faul rum, irgendwas, wo man sich mal nicht viel bewegen muss. Abends gehen wir manchmal noch tanzen. Das heißt, Robby tanzt und ich stehe rum und trinke ein Bier. Ein eigenes Haus macht nur Arbeit und nagelt einen fest, lass das besser. Nehmt euch eine Mietwohnung. Dass du mit Khawa zusammenbist, habe ich erst für einen Scherz gehalten. Ich habe das erst geglaubt, als ich euch das erste Mal turteln gesehen habe. Gibt es da nicht dauernd Zoff? Ihr seid doch völlig unterschiedlich aufgewachsen.«


    Jules de Mireault
    »Oh ja, den gab es. Und so sind wir auch zusammengekommen. Ich dachte dieser verfluchte Wilde, will mich an den Rand des Wahnsinns treiben. Wollte er auch, aber auf ganz andere Art und zwar im Bett und da ist das gar nicht unangenehm, mal den Verstand zu verlieren. Aber Gefrotzel beiseite, komischerweise läuft es gut bei uns. Er hat mich geärgert, da er mich angemacht hat und ich hatte es erst gar nicht begriffen. In solchen Dingen bin ich nicht gerade ein Schnellmerker. So schräg Khawa manchmal ist, so herzensgut ist er auch. Aus meinem Mund klingt das vielleicht seltsam, so viele wie ich von ihnen schon erschlug. Aber ich erschlug auch Einzelpersonen, so wie sie nicht einfach Souvagner erschlugen, sondern Bauer Delarveux oder Delaroch. Aber um einen Feind zu besiegen, muss er eine gesichtslose Masse bleiben. Man darf nicht zögern. Zögern heißt sterben. In der Liebe ist das anders. In dem Moment sieht man den anderen klar. Keinen Feind, keinen Rakshaner, Khawa. Auch wenn Massimo behauptet, ich sollte genau dass lassen. Er weiß es eigentlich besser. Aber er möchte es nicht mehr wissen. Ich denke er sieht es, aber Fakt ist, seine alte Flamme ist tot. Nun ist er verheiratet und ich hoffe er liebt seine Frau oder mag sie wenigstens. Jedenfalls macht es auf mich den Eindruck. Sie erwarten ein Kind und ich denke deshalb hat sich Massimo etwas gegenüber Khawa zurückgenommen, wobei die beiden sich vor dem Thronsaal gestritten hatten. Zurückgenommen in Massimos Form, er hat meinen Kerl ins Kreuz geboxt«, stöhnte Jules.


    Boldiszàr
    Boldiszàr grinste. »Hört sich nach einer glücklichen Beziehung an. Alles Gute für die Hochzeit, sag ich schon mal. Habt ihr Kinder geplant, mit einer Leihmutter oder so?«


    Jules de Mireault
    Jules schüttelte grinsend den Kopf. »Für solche Planungen wäre wohl er Khawa zuständig. Er hat ja auch mich klargemacht und nicht ich ihn. Daher, ich weiß es nicht ob er an sowas gedacht hat. Ich müsste ihn fragen. Ich genieße einfach die gute Zeit die ich mit ihm habe, liebe ihn und fühle mich geliebt. Und selbst? Einen festen Partner? Oder einen in Aussicht? Du bist nicht mit Robere zusammen oder?«, fragte Jules.


    Boldiszàr
    »Komisch dass das alle fragen. Nimmt man das an oder ist das nur dein Eindruck? Wir sind beides Waisen. Robby ist mein Wahlbruder und ich seiner, wir sind gegenseitig das einzige Stück Familie, das wir haben. Du hast ja gesehen, dass er mich von Mund zu Mund gefüttert hat, trotz der ekelhaften eitrigen Wunde, die andere nicht mal anfassen würden. Ich würde mein Leben für ihn geben. Klar, er kann ein Arsch sein, ach was sag ich, er ist ein Arsch. Aber als ich fast verreckt wäre, war er der Einzige, der da war und mir half. Ich sage es mal so: Wir mögen uns viel zu sehr, um zusammen zu sein. Das würde nur alles kaputt machen.«


    Jules de Mireault
    »Da ist was dran. Entweder würde es alles zerstören oder es wäre die Beziehung schlechthin. Bei mir und Khawa wurde es letzteres. Aber ich glaube, dass ist es bei Euch gar nicht. Wie Du schon richtig sagst, Ihr seid Brüder und keine Gefährten. Und dass ist der Unterschied. Nein nicht jeder nimmt automatisch an, dass Ihr ein Paar seid. Was man sieht ist, dass Ihr Euch unheimlich nah seid, dass sieht man Boldi. Aber jeder benötigt jemanden, dem er nahe sein kann. Ohne Freunde geht es nicht und es muss auch kein Mensch sein, der Dein bester Freund ist. Meiner ist Gufo, auch wenn das für andere schräg oder unverständlich klingt«, erklärte Jules.


    Boldiszàr
    »Das klingt wirklich schräg. Was kann einem ein Uhu geben, was ein Mensch nicht könnte? Ich glaub, Robby ist abgesehen davon ohnehin nicht für was Festes gemacht. Die meisten hauen fluchtartig ab, nachdem sie ihn näher kennenlernen durften. Eigentlich alle bis auf dieser Diener, aber der hat sie auch nicht mehr alle.«


    Jules de Mireault
    »Alles gibt er, nur er spricht halt nicht. Nicht mit Worten. Wenn ich traurig bin, tröstet er mich. Wenn ich gut drauf bin, freut er sich mit. Er scherzt, er lacht, er ist traurig, wie jedes andere Geschöpf auch. Und wir wissen, dass sie eine Seele haben, denn unsere Seelen sind verbunden, wenn wir gemeinsam arbeiten. Unsere Gedanken sind oft Worte in unserer Sprache, er denkt in Bildern. Wir sind Freunde, ein Team und füreinander da. Egal in welcher Situation. Das sind die meisten Menschen nicht, leider. Tja vielleicht mag es Robere auch nicht so eng und lässt das die anderen spüren. Vielleicht ist er gerne für sich«, antwortete Jules.


    Boldiszàr
    »Im Gegengenteil, er hasst es, allein zu sein. Aber er ist halt lieber mit seinen Kameraden unterwegs. Er hat kein anderes Leben, er kriegt richtig Panik, wenn er Urlaub hat. Drum lass ich ihn nie allein Urlaub haben, sondern immer einen dazu. Aber was körperliche Nähe anbelangt, ist er unwahrscheinlich grob. Der haut einem eine runter, wenn er gute Laune hat und feixt dabei. Rempelt, schubst, boxt, zieht einem den Stuhl weg, wenn man sich grad hinsetzen will, so dass man sich fast den Steiß bricht. Das meint der gut, das sind für den kameradschaftliche Neckereien! Wenn der einen scharf findet, ist es noch schlimmer. Aber er ist als Kamerad absolut zuverlässig. Drum wundert es mich so, dass er jetzt einfach verschwunden ist. Wo hast du deinen Gufo eigentlich her, hast du den großgezogen oder schon erwachsen bekommen?«


    Jules de Mireault
    »Gufo habe ich großgezogen. Jedes Himmelsauge zieht seinen Kameraden groß. Also die meisten. Es kann auch sein, dass Du einen verliehen bekommst oder sogar erbst. Aber Gufo bekam ich als Daunenball und habe ihn großgezogen. Das festigt die Bindung. Er ist treu, absolut loyal und zahm. Jedenfalls zu mir. Andere Personen kann er verletzen oder töten. Aber dass kann jeder Diensthund und jedes Dienstpferd ebenso. Wo Vernon hintritt wächst auch kein Gras mehr. Er steht auf die ruppige oder richtig harte Art? Na dann kein Wunder, wer macht das länger mit? Keiner. Leidenschaftlich eine Nummer zu schieben, ist etwas anderes als dabei verdroschen zu werden. Also das was er mit Nathan getan hat, sollte ihm zu denken geben. Allerdings, wenn er einfach spurlos verschwunden ist, könnte auch ihm etwas passiert sein. Kurzum, er ist vielleicht an den Falschen geraten?«


    Boldiszàr
    »Scheiße, ja«, grübelte Boldiszàr. »Möglich wäre es. Das geht mir auch schon die ganze Zeit durch den Kopf. Einfach wegzubleiben, ohne mir Bescheid zu sagen, ist überhaupt nicht seine Art. Das hat er noch nie gemacht. Kannst du nicht mal kurz nach ihm spüren? Geht das?« Boldiszàr kaufte Jules und sich vor lauter Sorge jeweils eines der überbackenen Brote. Essen beruhigte die Nerven. Er reichte Jules das Größere und biss in seines hinein.


    Jules de Mireault
    »Dankeschön«, sagte Jules und biss ebenfalls in sein Brot. »Hast Du etwas von Robere dabei? Dann kann ich nach ihm spüren, ich kenne seine Farben nicht. Also ich würde ihn nicht wiedererkennen, wenn ich einfach grob nach allen Menschen in der Umgebung spüre. Ein Gegenstand von ihm leitet mich, wie wenn ich ein Bild von einer unbekannten Person gesehen hätte. Hast Du was dabei? Sonst gehen wir auf dem Rückweg in der Wachstube vorbei und ich nehme mir dort etwas«, sagte Jules, während er sich das Brot schmecken ließ.


    Boldiszàr
    »Den Schnürsenkel, falls das was hilft. Meiner war gerissen, da hat er mir einen aus einem anderen Stiefel von sich herausgezogen.«


    Jules de Mireault
    »Klar hilft dass, alles was ihm gehörte oder er benutzte. Gib her, dann suche ich umgehend nach ihm und schicke dann Gufo los. Das heißt, falls ich ihn in unserer Reichweite finde«, antwortete Jules mit vollem Mund.


    Boldiszàr
    Da Boldiszàr nicht extra den Schnürsenkel herausziehen wollte, legte er seinen Fuß auf einem gerade nicht benutzten Stuhl ab.


    Jules de Mireault
    »So gehts auch«, grinste Jules und drückte ihm sein Brot in die Hand. Er wischte sich die Finger an der Hose ab und legte die freien Finger auf den Schnürsenkel. Jules ließ sich in Trance fallen und spürte nach Robere. (Wo ist er?)


    Robere
    Robere befand sich mit seiner neuen Bekanntschaft namens Arbogast in einer Kutsche auf dem Weg in Richtung Obenza. Er hatte gerade blendend gute Laune und ziemlichen Appetit.


    Jules de Mireault
    Jules spürte nach den Farben von Robere. Im Nexus waren Raum und Zeit unbedeutend, aber dennoch konnte man die Entfernungen der Welt ausmachen. Ein fähiger und alt eingesessener Magier konnte dies. Jules fand die Seelenfarben von Robere, als er weit genug in den Nexus aufstieg um von oben herab zu schauen, ganz ähnlich seinem Vogel, wie dieser es im Dienst tat um eine große Übersicht über allem zu haben. Robere hatte Souvagne verlassen, schon vor ungefähr zwei Tagen, wenn sich Jules nicht täuschte. Seine Farben waren strahlend und kräftig, er war bester Laune. Er wurde von anderen Farben begleitet, die stetig flackerten. Der Mann schien ebenfalls glücklich zu sein, aber nicht bei bester Gesundheit oder nicht ganz anwesend. Jules zog sich zurück und sammelte sich einen Moment, ehe er Boldi blinzelnd anschaute. »Robere hat vor ungefähr zwei Tagen Souvagne verlassen und ist in Naridien. Er ist glücklich, er strahlt regelrecht. Ein weiterer Mann ist bei ihm, dessen Farben seltsam flackern. Dass heißt entweder ist der Bursche krank, oder nicht ganz bei sich. Betrunken vermute ich. Dann sind die Seelenfarben oft auch so seltsam am pulsieren«, sagte Jules und machte ein nachdenkliches Gesicht. »Wer könnte der Kerl sein?«


    Boldiszàr
    »In Naridien?« Boldiszàr brauchte einen Moment um diese Information sacken zu lassen. »Was will der in diesem Kackland? Und warum weiß ich nichts davon? Das muss mit dem andern Typen zusammenhängen. Ich habe keine Ahnung wer das sein könnte, aber wenn die beide gute Laune haben, ist Robere freiwillig mitgegangen. Da kann ich dir ein paar Eckdaten geben. Der andere ist auf jeden Fall männlich und zwischen fünfundzwanzig und fünfzig Jahren alt. Oder wirkt zumindest, als wäre er innerhalb dieses Alters. Wenn der Robby dazu verleitet hat, abzureisen, ohne mir Bescheid zu sagen, vermutlich am oberen Ende des Spektrums. Er wird schlank sein und vom Charakter her Robby ähnlich. Es wird ein spontaner Spaßausflug sein und kein Jobangebot. Hilft das irgendwas?«


    Jules de Mireault
    »Also doch so etwas wie Urlaub. Spontan-Urlaub mit einer neuen Flamme, die ihn nach Naridien eingeladen hat? Was gibt es da? Oh bin ich dämlich, was wohl... Freudenhäuser, in allen Sorten, für jeden Geschmack. Und das ganz legal. Hier schon mal ein Freudenhaus gesehen? Entweder sind die Töchter bei ihren Väter oder Brüdern, oder sie sind später verheiratet oder in einem Orden. So wie sich das gehört. In Naridien sind Frauen Freiwild, ich sage es Dir. Und Männer übrigens auch. Da achtet die Familie doch nicht darauf, dass sein Mann gut verheiratet wird oder einen guten Beruf findet und eine Unterkunft. Das Robere da freiwillig mitgeht. Da gibt es Orte die sind ein reiner Abgrund, da ist selbst jemand wie Robere ein frischgeborenes Kätzchen Boldi. Und das meine ich so«, warnte Jules.


    Boldiszàr
    »Scheiße«, stöhnte Boldiszàr. »Das passt. Er wurde hier öffentlich bestraft und jetzt sucht er sich ein neues Jagdrevier, wo ihm keiner was nachweisen kann. Warum passiert das mir ... ich würde ja sagen, der kann hervorragend auf sich selbst aufpassen, aber der andere muss ihm richtig das Wasser im Mund zusammenlaufen lassen haben. Sonst hätte er mich um Urlaub gebeten! Er wird gedacht haben, dass ich das nicht so einfach zulasse. Das muss eine ganz krumme Nummer sein, die sie sich überlegt haben. Nein, eine Flamme wird das nicht sein. Dafür hätte er nicht so ein Ding abgezogen. Eher einer, der genau so tickt wie er. Ich hoffe nur, Robby wird diesmal nicht selbst das Hauptgericht. So ein Dreck, kann man da nichts machen? Kannst du ihn nicht von hier aus beeinflussen, dass er umdreht?«


    Jules de Mireault
    »Ich kann ihm eine Botschaft schicken, sobald er schläft, wird er sie als Traumbotschaft erhalten. Aber jemanden dermaßen beeinflussen auf die Entfernung? Nein. Darauf bin ich auch nicht geschult oder ausgerichtet. Ich bin auf meinen Partner Gufo und den direkten Kontakt, geschult. Sprich in jemandes Geist einzudringen der vor mir steht, sich in meiner Nähe befindet. Wir sind Kampfmagier, ich kämpfe mit Schwert und Magie. Ich bin kein reiner Geistmagier. Sprich auf eine Art schon, ich beherrsche nur Geistmagie, aber der »blockierende« Gegenpart ist meine Kampfkunst. Ein Geistmagier, der sich voll und ganz nur der Magie verschrieben hat, so einen benötigen wir. Diese Person kann auch über weitere Entfernungen in den Geist eindringen und auch Botschaften an wache Nichtmagier verschicken. Kurzum Telepathie. Ansonsten funktioniert das nur von Magier zu Magier. So reden wir Himmelsaugen untereinander. Sollte ich so mit Dir reden, hörst Du die Botschaft erst wenn Du schläfst, es sei denn ich komme direkt in Deinen Geist. Dann hörst Du mich auch, wenn ich das möchte. Wie vorhin beim Auslesen. Aber das erfordert dann einiges an Kraft. Da ich wie gesagt sonst nur lese oder schaue bei Nichtmagiern. Kennst Du jemanden?«


    Boldiszàr
    »Nein. Ich hab keinen Kontakt zu Magiern. Sonst sag ihm doch bitte, wenn er schläft, dass er sein verdammtes Heck wieder hier her bewegen soll!« Boldiszàr war in höchster Sorge. »Das gefällt mir gar nicht, absolut nicht. Der andere ist besoffen, sagst du. Kannst du den nicht analysieren? Dann wissen wir vielleicht, was los ist.«


    Jules de Mireault
    »Nein, da seine Seele mal hier und mal dort ist. Stell Dir vor Du möchtest jemanden auslesen. Stell Dir den Geist vor wie ein Buch. Mal hast Du es in Händen, mal ist es zack verschwunden. Mal da, mal weg. So ist das mit der Seele von Besoffenen. Da, wach, anwesend. Dann wieder weg, abwesend, Sekudenschlaf, winzige Ohnmacht. Also ich müsste ständig mit ihm wechseln und dass geht nicht. So bekommt man keine Konzentration zum Lesen hin. So könntest Du auch kein Buch lesen ohne durchzudrehen. Ich schicke ihm eine Botschaft«, sagte Jules und konzentrierte sich erneut.


    Jules de Mireault
    `ROBERE! Hier ist Jules. Wir wissen dass Du vor ungefähr zwei Tagen nach Naridien aufgebrochen bist. Du hast weder Urlaub genommen, noch darfst Du Dich vom Dienst entfernen. Boldi ist zudem in größter Sorge. Kehre um und kehre zurück! Dein Begleiter ist nicht in guter Verfassung, etwas stimmt mit ihm nicht. Säufer? Drogensüchtig? Er ist geistig nicht immer anwesend. Sei wenigstens wachsam. Am besten beweg Deinen Arsch zurück nach Souvagne!´, übermittelte Jules.


    Jules de Mireault
    »Ich habe ihm eine Botschaft übermittelt. -- ROBERE! Hier ist Jules. Wir wissen dass Du vor ungefähr zwei Tagen nach Naridien aufgebrochen bist. Du hast weder Urlaub genommen, noch darfst Du Dich vom Dienst entfernen. Boldi ist zudem in größter Sorge. Kehre um und kehre zurück! Dein Begleiter ist nicht in guter Verfassung, etwas stimmt mit ihm nicht. Säufer? Drogensüchtig? Er ist geistig nicht immer anwesend. Sei wenigstens wachsam. Am besten beweg Deinen Arsch zurück nach Souvagne! -- Das war, was ich ihm mitteilte und ich hoffe, er geht darauf ein, sobald er sie empfangen hat. Mehr kann ich nicht tun. Außer ihm folgen mit einer Einheit, aber dass müsste ich genehmigen lassen«, sagte Jules.


    Boldiszàr
    »Danke. Na, ob Maximilien einen Trupp entsendet nur wegen einem störrischen Gardisten, der obendrein ohnehin schon einmal in Ungnade gefallen ist. Es sei denn, Maximilien wittert eine Bedrohung dadurch ... vielleicht könnte man ihn auf die Weise rumkriegen, dass er wen auf ihn ansetzt«, grübelte Boldiszàr. Er nahm den Stiefel vom Stuhl, knüllte das Papier zusammen, welches es zur Mahlzeit dazu gegeben hatte und warf es in einen Müllkorb. »Kacke. Aber gerade nicht zu ändern. Danke fürs Übersenden der Botschaft. Wir können vorerst nichts anderes machen, als abzuwarten, aber ich bezweifle, dass er darauf reagiert. Er wird es sich gut überlegt haben, abzureisen, ohne irgendwem Bescheid zu geben. Ich geh erstmal wieder zu meiner Einheit. So ein Scheißdreck!«


    Jules de Mireault
    Jules nickte zustimmend. »Absolut, da sagst Du was«, stimmte er Boldi zu und folgte seinem Kollegen zurück zum Palast.