Blutrote See - Kapitel 2
Ankunft der Mouette/Wiedersehen alter Freunde
Rene Lothair de Brisay
»Schiff auf 12 Uhr«, brüllte der Ausguck. Kapitän Rene Lothair de Brisay trat an die vordere Reling des Schiffes heran. Er nahm sein Fernglas zur Hand und spähte mit einem Auge hindurch. Er betrachtete die Form des Rumpfes und die Art, wie das Schiff getakelt war. Am Großmast wehte die Flagge. »Souvagnische Flagge«, rief er. »Kriegsbrigg. Weiter darauf zuhalten bis zur Identifikation des Schiffes.« Er war sich relativ sicher, dass dies das Schiff war, welches zu suchen er von der Krone beauftragt worden war. Als sie näher herankamen, bestätigte sich seine Vermutung. Es zeigte sich die gewaltige Größe, gegen welche Renes Mouette wie die kleine Schwester wirkte. Obgleich vom selben Schiffstyp war die Choucas doppelt so lang und entsprechend höher und breiter. Sie lag momentan still an einer Sandbank weitab vom Ufer vor Anker, ein schlafender Riese. Wo die Galeonsfigur der Mouette, die Möwe, weiß ihre ausgebreiteten Schwingen zeigte, bildete eine hölzerne, unlackierte Dohle das Schmuckstück der gewaltigen Choucas. Die Mouette glitt mit weiß gebauschten Segeln rasant näher. Kapitän Rene blieb stehen, wo er war und betrachtete das Treiben auf dem riesigen Schiff, auf das sie zuhielten.
Silvano de Mancini
"Kriegsbrigg von Steuerbord!", brüllte es aus dem Krähennest, während Jaques zu seinem Fernrohr griff und sich das sich nähernde Schiff genau betrachtete. "Besuch von der Mouette, bereit machen zur Front!", brüllte Jaques, während sich Silvano aus der Hängematte schälte und sich so schnell es ging entsprechend anzog. Keine 10 Minuten später gesellte er sich zu Jaques und schaute ebenfalls durchs Fernrohr. "Backbordseite Front bilden!", brüllte Vano. Die Besatzung trat nebeneinander sofortin Passieraufstellung an die Backbordseite und bezog Stellung. In der Form warteten sie den Besuch der Mouette ab. "Nach Gruß, Fender raus Päckchen bilden!", befahl Vano und bezog selbst neben dem ersten Offizier Stellung und wartete die Ankunft von Rene ab.
Rene Lothair de Brisay
Rene ließ seine Mannschaft die Fahrt verlangsamen, während sie weiter auf die Choucas zuhielten. Die Mouette fuhr eine sanfte Kurve und die Segel wurden aus dem Wind genommen, so dass sie genau neben der Choucas zum Stehen kam. Was so einfach aussah, war in Wahrheit das Ergebnis einer seit Jahren aufeinander und auf dieses Schiff eingespielten Mannschaft. Die Holzbrücke wurde zwischen den beiden Schiffen gelegt, als die Mouette gänzlich zum Stillstand gekommen war, und Rene schritt mit donnernden Absätzen seiner Schnallenschuhe hinüber auf die größere Brigg.
Silvano de Mancini
Bevor die Mouette mit der Choucas zu einem Päckchen vertäut wurde, wurden die Fender von der Reeling gehangen. Die restliche Mannschaft verharrte zum Gruß, bis Vano "Wegtreten", befahl und Rene entgegenging. Er wartete bis sein alter Lehrmeister die Choucas betreten hatte und deutete eine leichte Verbeugung an. "Willkommen an Bord der Choucas", sagte er freundlich und man sah ihm an, dass er sich tatsächlich freute Rene wiederzusehen.
Rene Lothair de Brisay
Der alte Kapitän freute sich sehr über die Ehrerbietung, als die Mannschaft Front gemacht hatte und sein Zögling ihn hinterher persönlich begrüßte. All dies waren alte Rituale, doch wenn eine Freundschaft die Beteiligten verband, gewann der Gruß der Seeleute noch einmal an Intensität. »Danke, Silvano«, grüßte Rene zurück und unter seinem braunen Bart schmunzelte er, so dass sein wettergegerbtes Gesicht tiefe Falten schlug. »Wie du dir denken kannst, kommen wir nicht zufällig auf dieser Route entlang. Darf ich mich zu einem Gläslein Rum bei dir einladen? Ich entsinne mich, dass du stets eine vortreffliche Auswahl mit dir zu führen pflegst.«
Silvano de Mancini
"Ich freue mich Dich zu sehen, sicher folge mir in die Kajüte", bat Vano. "Komanndo hast Du Jaques, wir möchten nicht gestört werden", sagte Silvano und gab die Führung. Vor der Kajütentür blieb er stehen, öffnete sie und ließ Rene den Vortritt, wie es sich geziemte. Er hatte seinen alten Käptn schon eine längere Zeit nicht mehr gesehen. Aber es war nicht allein Rene, sondern die ganzen Erinnerungen die er mitbrachte und wachrief. Er war gespannt was sein alter Lehrmeister zum Besten geben wollte. Nachdem sie die Kaüte betreten hatten, schloss Vano hinter sich die Tür und rüttelte kurz Boldizar wach. "Wir haben Besuch. Rene dass ist Boldiszar Boucher, mein Verlobter - Boldi dass ist Chevalier Rene Lothair de Brisay mein alter Lehrmeister und Käptn", stellte Vano sie einander vor. Er stellte den Stuhl des Schreibtisches an den Kartentisch und holte den besten Rum aus seiner Reserve. Er goß jedem von ihnen großzügig ein und bedauerte in den letzten Wochen nicht etwas aufgeräumt zu haben. Aber wenn jemand sein Kajüten-Chaos kannte, dann Rene. "Auf Dich und die Mouette", sagte Vano und hob sein Glas.
Boldiszàr
Boldiszàr, der das feierliche Antreten zum Gruße der anderen Mannschaft verschlafen hatte, weil noch immer die Nachwirkungen des Übermaßes an Rum ihn plagten, sprang nun hastig aus der Hängematte, drosch die Faust auf sein Herz und verneigte sich vor dem alten Kapitän. Er war noch nicht einmal dazu gekommen, ihn sich anzuschauen. Das einzige, was von dem flüchtigen Eindruck hängen geblieben war, war ein mit einem Federberg beladener Krempenhut und ein zu langer Oberlippen- und Kinnbart, wobei die Enden des Oberlippenbartes genau wie die Augenbrauen keck nach oben gezwirbelt waren. »Kapitän«, grüßte Boldiszàr heiser und ließ sich dann an einen der Stühle plumsen, die um den Kartentisch standen, in der Hoffnung, er würde ebenfalls ein weiteres Glas Rum abbekommen, wenn Silvano und Rene anstießen.
Rene Lothair de Brisay
Rene grüßte Boldiszàr zurück und verkniff es sich, ihn allzu neugierig zu mustern. »Angenehm«, sagte er nur. Er hob sein Glas. »Und auf dich, Silvano, auf deinen Verlobten und die Choucas«, erwiderte er und trank den Rum in einem Zug leer. »Mein Gedächtnis hat mich nicht getäuscht, der Rum in deinen Räumen ist stets vorzüglich."
Silvano de Mancini
Vano konnte kaum gucken wie schnell Boldi aus der Hängematte gesprungen war und wie schnell er danach am Tisch saß, als würde es gleich etwas zu essen geben. Wobei das war eine gute Idee. Er wusste nicht ob Rene schon etwas gegessen hatte, aber ein kleiner Imbiss konnte nicht schaden. "Auf uns", sagte Vano und kippte auch den Rum auf Ex herunter und stellte dann das Glas ab. "Eine Sekunde bitte", bat er seinen Gast freundlich und ging kurz nach draußen. Es dauerte nicht lange, dann kam Vano zurück und deutete Rene an, Platz zu nehmen. "Ich habe uns einen kleinen Snack organisiert, immerhin weiß ich nicht ob Du schon zu mittag gegessen hast. Wie dem auch sei, gleich gibt es für uns etwas Leckeres. Setz Dich bitte und fühl Dich wie Zuhause. Was verschafft mir die Ehre Deines Besuchs?", fragte Silvano und schüttete ihnen direkt von dem Rum nach. Er schob die Flasche in die Mitte des Tisches. "Ab jetzt Selbstbedienung, nur zu", schmunzelte er gut gelaunt. "Erzähl, ich bin neugierig", bat er und leerte das nächste Glas.
Rene Lothair de Brisay
»Der Duc und Prince Ciel haben mich gebeten, ich zitiere, dich zur Vernunft zu bringen. Sie sind sehr besorgt. Wie man mir mitteilte, hast du den gesamten Bugraum voller Menschenfresser. Ein Vampir soll auch darunter sein, der, wie dir bekannt sein sollte, der gesuchte Massenmörder Archibald von Dornburg ist. Da ich dich gut kenne und weiß, dass du dich stets durch besondere Loyalität ausgezeichnet hast, gehe ich davon aus, dass dies ein sehr verqueres Missverständnis sein muss. Stimmt dies alles oder irren die Hoheiten? Und falls es stimmt, bitte erkläre mir, was beim Klabauter du dir dabei gedacht hast?« Rene wurde zu keinem Zeitpunkt laut und in seiner Stimme schwang auch kein Vorwurf mit, nur völlige Verwunderung.
Silvano de Mancini
"Wieviel Zeit hast Du mitgebracht? Ich erkläre es mal in Kurzform. Also mach Dich auf einiges gefasst, die Geschichte ist etwas länger und komplizierter. Es fing alles damit an, dass ich an den Hof musste. Bis dato war die Welt noch in Ordnung, wenn Du so möchtest Rene. Also ich ging zu Hofe um Bericht zu erstatten, wie üblich und da bin ich Boldiszar über den Weg gelaufen. Ich habe ihn gesehen und ich habe mich ihn in verknallt. Einfach so hat der Blitz eingeschlagen. Das dachte ich zumindest zu der Zeit. Denn dahinter verbirgt sich mehr. Ich habe also Boldiszar später nachdem ich den Bericht abgegeben hatte unter einer fadenscheinigen Lüge mitgeteilt, dass er mich begleiten müsse, da es um die Nationale Sicherheit ging. Er hat den Köder geschluckt, er war am Haken und ich habe ihn mit an Bord genommen und... klargemacht. Ich bin nicht gut darin um wen zu werben und ich dachte mir, bevor ich gar nicht bekomme, bekomme ich lieber "kleinen Spaß". Boldi sah das anders, wir hatten danach öfter noch Spaß und es wurde ziemlich schnell, wesentlich mehr. Also ging ich erneut an den Hof, wurde beim Duc vorstellig und bat darum Boldiszar käuflich erwerben zu dürfen, damit wir zusammen sein können. Ab dato begann das Problem. Boldiszar wurde mir verwehrt. Wieso? Weil er ein Sohn der Agenten der Autarkie ist und ich ebenso. Aber nicht nur das. Wir beide sind die Söhne der ehemaligen Rädelsführer des scheinbares Putschversuchs der Agenten - Berzan und Mercer. Man unterstellte uns oder nahm an, dass wir von dem Umstand wissen und uns aus Rachegründen zusammengetan haben. Wir wussten nichts von unserer Herkunft Rene. Das schwöre ich Dir. Prince Ciel gab uns die Chance uns zu beweisen. So kam heraus, dass damals eine Verschwörung lief und nicht nur die Agenten der Autarkie die Opfer waren, sondern auch der damalige Duc Alain und sein Sohn Bernard. Verschwörerin und Hochverräterin war die alte Duchesse, Duc Maximiliens Mutter. Gemeinsam mit dem Himmelsauge Parcival. Als der Verrat aufgedeckt wurde, schenkte uns Jules unsere alten Erinnerungen teilweise zurück. Denn das war damals ein Akt der Gnade - die Agenten wurden ausgelöscht, aber ihre Kinder durften leben. Man löschte unser Gedächtnis und verteilte uns auf die Kinderheime in Souvagne. Wir sahen in der Erinnerung, wie Parcival mit einem anderen Mann unsere Mütter tötete. In der Zwischenzeit erging eine Information ein, dass die Gruppe der Beißer gesucht würde. Menschenfresser, Anführer ein Archibald von Dornburg. Alle wären zu inhaftieren bis auf diesen Dornburg. Anbei in der Truppe ein Lich, dieser wäre nicht anzugreifen, da tödlich gefährlich. Soweit bis dato unser Wissensstand. Boldiszar musste zurück zum Dienst, denn er verfolgte mit der Unite B und Massimo dem neuen Palaisin genau jene Gruppe. Dort kam es dann zum Gewaltausbruch zwischen Parcival und Ciel. Der Prince wurde von Paricval angegriffen und der Duc höchstpersönlich streckte das Schwein nieder. So war zwar die Sache geklärt, aber wir hatten keinen Frontmagier mehr, der den Kopfschlag gegen den Lich setzte. Gut. Weiter gewartet und die Gruppe bewegte sich weiterhin auf Cantillion zu. Ziel der Menschenfresser war es, sich in der alten Dupont-Ruine einzunisten. Die Unite B hatte genau dazwischen Stellung bezogen um die Feinde abzufangen. Die Gruppe kam und kam aber nicht. Die Himmelsaugen berichteten, dass sie unterwegs waren. Sie nisteten sich in einer Jagdhütte ein. Der Zugriff scheiterte. Einer aus der Gruppe war Boldiszars Bruder - Robere. Beide wuchsen im Heim auf. Boldi als Agentensohn. Robere als sein Freund. Robere rettete ihm damals das Leben", erklärte Silvano.
Silvano de Mancini
Der Smut brachte gemeinsam bei der kurzen Unterbrechung ein großes Tablett voller Knabberkram, Vor-, Haupt- und Nachspeise herein, sowie zusätzlich einige Getränke, verneigte sich und verließ wieder so leise den Raum wie er gekommen war.
Silvano de Mancini
"Nehmt Euch bitte", bat Vano. "Boldiszar und Bellamy kamen mit an Bord. Robere ebenso und wurde dingfest gemacht. Da ich nicht wollte, dass er seine Familie verliert, zeitgleich aber Boldi und Belly schützen musste, trat ich Robere von Bord. Hätte jemand gefragt, hätten die beiden nichts ausplaudern können, sie haben nichts gewusst. So hatte Robere die Chance die ich nicht hatte, meine Familie zu retten. Er rannte zurück zur Hütte, warnte seine Leute und sie konnten fliehen. Wohin flohen sie? Genau, zum Hafen und erbaten Asyl auf meinem Schiff. Ich gewährte es ihnen für Boldi, der alten Zeiten willen. Dem Lich allerdings nicht! Und da kam auch schon der mentale Befehl von Massimo dem Palaisin, dass genau die Gruppe an Bord wäre, was stimmte, aber auch der Lich. Was zu keiner Zeit gestimmt hat. Und der Klopper war - die Choucas wäre zu versenken um den Lich auszulöschen. Gut in dem Moment war mir gleich wer Massimo ist, denn ich wollte nur noch mein Schiff retten. Wir liefen sofort aus und ließen sogar Conni und Fran zurück, die an Land einen Auftrag hatten. Unwichtig welchen. Wir bezogen Stellung vor der Landeszone in den Gewässern und warteten ab. Prince Ciel kam kurz an Bord mit einem Flugvieh und brachte nach einer Bitte sogar Conni und Fran zurück an Bord. Nun ist er wieder an Land, gemeinsam abgereist mit Conni. Sachstand ist also - die Truppe Menschenfresser ist immer noch an Bord. Ebenfalls ihr Truppführer der Vampir. Ebenso der Wahlbruder von Boldi - Robere. Der nun leider auch ein Vampir ist. Der Lich war zu keiner Zeit an Bord. Aber Rene, ich habe überlegt den Mann zu retten, da es heißt er kann Tote wiedererwecken, jeden Toten. Du weißt an wen ich denke hm? Du weißt wen ich vermisst habe all die Jahre. Sag mir was ich tun soll, ich brauche Deinen Rat mehr denn je. Ich kann nicht gegen meinen Mann oder gegen mein Schiff entscheiden. Das kann doch keiner verlangen. Nehmt bitte", sagte Vano und nahm sich selbst etwas Knabberzeug, dass er ganz gemächlich aß. Abwartend musterte er Rene.
Rene Lothair de Brisay
Rene nahm sich erst einmal zu Essen und aß genussvoll die Hälfte seiner Portion, ohne zu antworten. Er gab jedoch einige Geräusche des Wohlbehagens von sich. Dann lehnte er sich zurück und zwirbelte seinen Bart, so wie er es immer tat, wenn er intensiv nachdachte. Mit dieser Angewohnheit konnte er manchen in den Wahnsinn treiben, doch Rene pflegte diese Unart, da sie ihn entspannte und nahm die Verzweiflung seiner Mitmenschen mit Humor. »Mein lieber Silvano«, begann er langsam. »Lass mich den Versuch einer Zusammenfassung unternehmen. Du hast eine Gruppe gesuchter Krimineller an Bord genommen, weil einer davon deinem Mann nahesteht. Du hast aber nicht nur diesen einen aufgenommen, sondern gleich dessen ganze Anhängsel - da diese einer Person nahestehen, die einer dir nahestehenden Person nahesteht. Wenn diese Anhängsel weitere ihnen über Dritte nahestehende Leute anbringen würden und der eine den anderen darum bäte, bis man in der Kette gegenseitiger Gefälligkeiten wieder bei dir angelangte, würdest du vermutlich erneut zustimmen. Was deinen Mann angeht, kannst du einfach nicht Nein sagen. Das konntest du noch nie. Ich verstehe die Gründe, aber eine solche Beeinflussbarkeit macht dich manipulierbar und du als Kapitän eines Kriegsschiffes kannst ein sehr machtvolles Werkzeug sein. Ich unterstelle nicht Boldiszàr, dich zu manipulieren - aber womöglich wird er selbst manipuliert von diesem Robere. Lass uns erst einmal darüber sprechen, bevor wir zu deinem Wunsch kommen, was die Totenerweckung anbelangt.«
Silvano de Mancini
Silvano nickte zustimmend und aß eine Handvoll Nüsse. "Damit hast Du leider Recht, dass war bei Davet so und es ist bei Boldiszar so. Aber Boldi hat nie um eine derartige Gefälligkeit gebeten. Ich kann Dir nur auf ganzer Linie zustimmen, dass mich Robere an der Kette hat, durch Boldi. Du meinst ich soll dienstlich entscheiden und das private davon abkappen", stellte Vano fest und schaute Rene dabei zu, wie er sich den Schnurbart zwirbelte. Jeder hatte einen anderen Feitz und dies war jener von Rene. Vano mochte die Angewohnheit, sie erinnerte ihn an ihre alte Zeiten, ein Rene der sich nicht den Schnurbart zwirbelte war keiner.
Rene Lothair de Brisay
»Genau das meine ich«, sprach Rene und zwirbelte nun die andere Seite seines Bartes. »Du fürchtest, deinen Mann zu verletzen, wenn du seinen Freund verletzt. So weit so gut, einen einzigen guten Freund hätte man vielleicht, auch wenn er auf die schiefe Bahn geriet, irgendwie durch eine Gesetzeslücke rutschen lassen können. Aber wir reden hier von einer kriminellen Organisation, die nun auf deinem Schiff ein so sicheres Hauptquartier gefunden hat, wie kaum an einem anderen Ort. Hat Robere dir den Floh ins Ohr gesetzt, der Lich könne deine Eltern zurückrufen?«
Silvano de Mancini
Mancini musterte Rene einen langen Moment, ehe er knapp nickte. "Genau genommen sein Vater und ich habe dann Robere gefragt ob es den Tatsachen entspricht. Naja ziemlich dumme Idee. Immerhin wird er mir keine negative Seite des Lichs präsentieren, sie sind seine Gefolgsleute Rene, sie sind so etwas wie seine Jünger. Sie beten ihn an, sie verbreiten Angst und Schmerz in seinem Namen. Und das genau wäre der Preis für meine Eltern. Ich muss in seinem Namen töten und Schrecken verbreiten. Wo wir beim Thema wären - Schrecken. Die Frage ist privater Natur alter Freund. Ich beabsichtige die Insel erneut aufzusuchen und zu kateographieren. Und wenn uns die Einheimischen "zufällig" angreifen, werde ich sie komplett auslöschen. Vollständig bis auf die letzte Handtasche. Würdest Du mich auf dieser Forschungsreise begleiten? Ich finanziere auch die zusätzlich nötigen Mittel für Bewaffnung und so weiter. Was sagst Du?", fragte Vano leise und legte die restlichen Nüsse weg, da er satt war.
Boldiszàr
Boldiszàr, der ununterbrochen aß und dabei sehr gestresst wirkte, griff nach den Nüssen und fegte sie zu sich herüber. Mit der einen Hand schob er sich den Löffel in den Mund, mit der anderen warf er die Nüsse hinterher. Er hielt nur inne, um mit Rum nachzuspülen, damit es schneller rutschte und er nicht so lange kauen musste.
Rene Lothair de Brisay
»Gibst du deinem Mann nichts zu essen?«, fragte Rene. Er nahm diese Frage zum Vorwand, sich Boldiszàr einmal genauer anzuschauen. Der Mann sah völlig anders aus als Davet, aber war genau wie dieser ein Krieger. Sein Beruf stand ihm ins Gesicht geschrieben in Form einer auffälligen Narbe, aber wer Bescheid wusste, hätte es auch an seinen muskulösen und innen mit einer dicken Hornhaut beschichteten Händen erkannt. Boldiszàr war ihm vom ersten Eindruck her nicht unsympathisch, aber Rene empfand Misstrauen aufgrund von dessen Anhängseln. »Bei der Forschungsreise wird die Mouette dich unterstützen, Silvano. Behalte dein Geld und nutze es für eine bestmögliche Vorbereitung der Choucas. Die Äußerung von Roberes Vater wird nicht zufällig gefallen sein. Das ist dir hoffentlich bewusst. Verrate mir, wie es weitergehen soll?«
Silvano de Mancini
Vano lief puterrot an, als Rene ihn fragte, ob er seinen Mann hungern ließ. "Doch natürlich und er kann jederzeit in die Kombüse gehen und sich etwas zu essen holen. Das ist ein Überbleibsel aus seiner Vergangenheit", entschuldigte Vano Boldi und verpasste ihm unter dem Tisch einen sanften Tritt, etwas langsamer zu essen. Vano nahm sich sein Dessert und aß einige Löffel beim Nachdenken. "Ich hatte vor sie im Bugraum auszuräuchern, sprich den Bugraum räumen zu lassen. Eigentlich müsste ich sie alle den Bütteln an Land übergeben. Ich hatte sogar vor sie aufknüpfen zu lassen, da sie einen der ihren schändlich behandelten. Der Mann ist gemeinsam mit dem Prince von Bord gegangen. Von wohlgemerkt, nicht über - also keine Panik. Einerseits möchte ich die Truppe loswerden, andererseits steht dem Boldi im Weg - ohne das er darum bat und hinzu kommt, dass sie auf der Expidition nützlich wären mit ihren Fähigkeiten. Ich könnte sie ja auch nach der Expidition ausliefern oder?", schlug Vano vor und grinste Rene entschuldigend an, während er noch einen Löffel vom Dessert aß. "Für Deine Hilfe hast Du was gut bei mir, gleich was es ist, dass sollst Du wissen. Die Choucas hat den Bauch voller Wasser, Sprengstoff, einer Relikie und noch einigen anderen netten Überraschungen die ins Jenseits befördern Rene", gab Vano zu und stellte den Rest seines Desserts Boldi vor die Nase.
Rene Lothair de Brisay
Während sich Boldiszàr keinen deut langsamer über die Süßspeise hermachte und sie in Windeseile verputzte, wartete Rene darauf, dass er versehentlich die Schüssel mit auffraß. Das tat er nicht, aber er leckte sie dermaßen sauber, dass der Smut sie hätte wieder in den Schrank einsortieren können, ohne dass es wem auffiel. Sogar die Außenseite leckte er blitzeblank. Der Mann war ein wahrer Scheunendrescher. »Wenn er auf dich genau so gierig ist, musst du dir keine Gedanken machen, dass bei euch irgendwann die Leidenschaft abflaut.« Rene grinste amüsiert und stieß mit ihnen beiden an, um ein weiteres Glas zu trinken. »Du würdest nicht in Gegenwart von deinem Mann so von den Beißern sprechen, wenn du den Gedanken, sie aufzuknüpfen oder an die Büttel auszuhändigen, nicht längst verworfen hättest. Kenne dich selbst, Silvano. Du brauchst meinen Rat nicht, du hast dich längst entschieden. Was du dir von mir erbittest, ist mein Segen. Absolution, ein eigentlich für einen Kapitän undenkbares Verhalten wider aller Vernunft durchzuziehen, weil dein Herz sich nach Harmonie sehnt und keinen Streit verträgt.«
Silvano de Mancini
"Kann man so sagen, ich habe keinen Grund zu klagen", grinste Vano breit. Durch seine Narbe bekam das Grinsen ein unheimliches Aussehen. "Du kennst mich besser als mir lieb ist Rene, ja ich erbitte Deine Zustimmung, Deinen Segen - Absolution. Falls ich sie nicht bekomme, werde ich erneut nachdenken müssen und ich hoffe gemeinsam mit Deiner Hilfe. Ich weiß nicht warum ich mich immer dermaßen in die Scheiße reite", gestand Vano und nahm sich seine Hauptmahlzeit. Er schaute kurz auf den Teller und stellte ihn dann Boldi vor die Nase und nahm sich selbst die Vorspeise. "Ich muss die Krokos auslöschen, ich muss Rene. Sie haben mir alles genommen, sie haben mich fast umgebracht, sie haben ihn umgebracht. Das lasse ich so nicht stehen. Sie haben zweimal versucht mich zu ermorden und ich lebe noch. Einen dritten Versuch werden sie nicht bekommen. Nummer Drei ist meine Nummer und ihr Ende. Ich bombe sie zurück ins Nichts, wenn es sein muss und ihre verrottenden Kadaver werden im Ungelöschten Kalk aufgelöst. Ich kann Dir nicht sagen wie abgrundtief ich diese Kreaturen verabscheue. Da machen sich Leute Gedanken um Rakshaner. Mit denen kann man verhandeln. Aber mit Handtaschen? Erinnere Dich wir hatten nichts getan, sie kamen nachts an Bord um zu morden. Sie fragten nicht wer wir sind, was wir wollten, warum wir dort lagen. Sie kamen um zu töten. Gut, DASS kann ich auch! Und ich vergesse nichts, niemanden. Keinen einzigen Mann! Es gilt Davet zu rächen und 49 Mannschafts-Maaten! Ich hatte vor James anzuhauen, den Kurzen von meinem Ersten, Käptn der Cygnus. Was sagst Du?", fragte Vano und löffelte seine Suppe, während er ihnen allen erneut Rum nachschenkte und sein Glas auf Ex leerte.
Rene Lothair de Brisay
»Ich habe eine viel bessere Idee, Silvano. Warte, bis Prince Ciel eintrifft. Rede mit ihm. Ich greife schon mal ein wenig vor und verspreche dir, dass es sich lohnen würde, sich den Prince mit ins Boot zu holen. Er und ich hatten ein interessantes Gespräch, wenngleich ich nicht mit all seinen Ideen einverstanden bin. Man darf nicht über die Krone lästern, aber wir sind hier unter uns. Der kleine Prince leidet manchmal unter einer ziemlichen Fantasterei. Wenn ich dir sage, was er mit meiner Lady vorhat, wirst du glauben, ich würde dich veralbern.«
Silvano de Mancini
"Solange es nicht versenken ist, glaube ich sehr gerne alles. Erzähl ich bin neugierig. Nun auf der anderen Seite, ist das kein Lästern Rene. Wir reden zwar über ihn, anstatt mit ihm, aber manche Entscheidungen sind wunderlich. Und auf der anderen Seite ist mir ein Mann mit Visionen lieber, als jemand der keine hat. Den an die unterirdische Stadt. Oder die Himmelsspeere. Oder die Luftschiffe. Keine Ahnung, aber welches Land bemüht sich um so etwas? Ich würde gerne mal mit einem fliegen, ob sie sich steuern wie unsere? Wer weiß? Der Wind leitet auch sie, warum also nicht? Erzähl mir was er vorhat. Und was sagst Du dazu James einzuweihen? Er ist jung, aber er ist hart und taff und er ist ein guter Maat, ein Team Spieler, so wie sein Bruder. Wie alle Dusoliers. Also erzähl", bat Vano.
Rene Lothair de Brisay
»Erneut muss ich dir sagen, dass du dich doch längst entschieden hast, Jamie mitzunehmen. Und ich stimme dir in dem Falle zu, er ist eine gute Wahl. Ein anständiger Mann wie sein Bruder. Visionen, so kann man Hirnfürze natürlich auch nennen. Ciel gedenkt, aus der Mouette einen fahrbaren Ainuwartempel zu machen, mit Priestern, Heilern und so weiter. Weil er seine schwangere Verlobte auf die Mission mitnehmen will. Einen Tempel«, klagte Rene und schenkte sich Rum nach.
Silvano de Mancini
Vano lachte schallend los und knuffte Rene gut gelaunt vor die Schulter. "Darauf falle ich nicht rein, ein Schiff voller Pfaffen? Ja klar und Go-go-Tänzerinnen oder was? Jetzt erzähl mir die Wahrheit", prustete Vano. Allein bei der Vorstellung wie sich die Matrosen bei den Pfaffen verhielten, musste er noch heftiger lachen. "Ein schwimmender Tempel", gibbelte er. "Das wäre kein Hirnfurz, das wäre eine Furzgewitterfront Stufe 12", prustete Mancini.
Rene Lothair de Brisay
»Ich sagte doch, du würdest mir nicht glauben. Tänzerinnen haben auf einem Tempelschiff nichts verloren, dafür alte Mönche mit muffligen Gesichtern, bei denen alles runterhängt, was nur runterhängen kann. Die Begründung war, dass an Bord der Kriegsschiffe keine Priester geduldet werden würden und man diesen Missstand umgehen könnte, indem man gleich ein gesondertes Schiff für die Pfaffen einrichtet.«
Silvano de Mancini
Vano hörte schlagartig mit dem Gegackere auf und musterte Rene mitfühlend. "Ja aber wieso Deins, warum bekommen die kein eigenes Schiff? Gut vielleicht weil sie nicht segeln können. Da empfehle ich eine Galeere die wird gerudert, dass werden die Pfaffen wohl können. Am Riemen reißen tun die sonst sicher auch, nur an anderen. Und da bekämen sie einmal vom Arbeiten Schwielen an den Händen, nicht nur einseitig versteht sich. Wie kommt der Prince darauf, dass die Mouette kein Kriegsschiff ist? Warum nimmt er kein Zivilschiff für die Pfaffen-Fracht?", fragte Vano grummelig.
Rene Lothair de Brisay
»Wegen seiner schwangeren Verlobten. In einem Tempel wird nicht nur gebetet sondern auch geheilt und das ist vielleicht das Einzige, womit sich die Mönche und Priester und was da nicht alles rumspukt nützlich machen. Seine Verlobte soll ein fahrendes Krankenhaus zu Verfügung haben. Wobei ich mich frage, warum er sie nicht einfach an Land lässt, wenn er derart besorgt ist.«
Silvano de Mancini
"Welche schwangere Verlo... oh, ich verstehe. Weil die Verlobte ein Salzbuckel ist, aber das zu erklären wäre sehr kompliziert. Hm einen Heilmagier an Bord zu haben wäre nicht schlecht, aber ein Pfaffe muss er nicht sein. Wir benötigen auch einen zweiten Heiler und einen neuen Magier. Wird Ciel auf der Mouette mitreisen? Andernfalls schlag ihm vor, dass Schiff von James zu nutzen, böse ich weiß, aber der Kurze muss sich noch bewähren und das wäre doch die Gelegenheit seine Nervenstärke zu testen. Zudem hat er sicher mehr davon als wir beide zusammen. Du kennst sein Haus, der steckt die Pfaffen locker weg. Aber wir beide? Wir gehen nach fünf Minuten am Stock. Wollte Prince Ciel auch einen Tempel auf Deck bauen lassen?", grinste Vano.
Rene Lothair de Brisay
»So weit ich weiß, wollte er auf der Choucas reisen, um wegen der Beißer nach dem Rechten zu sehen, wie er es ausdrückte. Scheinbar hatte er nicht vor, sie sofort exekutieren zu lassen, aber frag mich nicht, was er stattdessen mit ihnen vorhat. Er hat mich nicht eingeweiht. Jamie die Pfaffen aufdrücken?« Renes Schnurrbart bog sich an beiden Seiten nach oben und darunter kamen in Anbetracht seines Alters erstaunlich weiße Zähne zum Vorschein. »Ich bin dabei. Wir müssen nur James und den Prince davon überzeugen.«
Silvano de Mancini
Vano musste erneut lachen, als er seinen alten Mentor dermaßen grinsen sah. "Wir müssen...", gackerte Vano und nahm zur Beruhigung einen Schluck Rum. "So jetzt mal ernst hier", lachte er sich schlapp und räusperte sich. "Also wir müssen nur den Prince davon überzeugen. Ist er felsenfest davon überzeugt, dass James sein Mann ist, kann der eh nichts machen. Gut könnte er - er ist der Kapitän. Aber die Befehle bekommen wir von der Krone. Wie wir sie umsetzen - unsere Sache, da unsere Schiffe. Aber der Prince könnte das schon durchdrücken. Und warum sollte James widersprechen, ist das keine Ehre?", fragte Vano und schüttete ihnen gut gelaunt noch großzügig Rum nach.
Rene Lothair de Brisay
»Natürlich«, bestätigte Rene. »Die Verlobte des Prince an Bord des eigenen Kriegsschiffes, eine Frau, dazu eine Schar Geistlicher, die für das Heil unserer Astralkörper beten und Ainuwar um Erfolg anflehen - es kann keinen größeren Ruhm für den Kapitän eines Kriegsschiffes geben. Hast du zu dem Prince einen guten Draht? Sonst versuche ich ihn zu überzeugen. Wie sehen die Argumente für James aus? Ein götterfürchtiger Mann, alte Familie, die zahlreiche Kleriker hervorgebracht hat?«
Silvano de Mancini
"Keine Ahnung wen Du da beschreibst, James ist es nicht. Soll ich Jaques mal herholen? Der kann Dir seine Familie mal genau beschreiben. Also pass auf, die Dusoliers sind 15 Geschwister. Sie leben mit ihren Eltern und ihren Ehepartnern und den Kindern in einem Herrenhaus. Das Herrenhaus wurde zigfach erweitert. Du fühlst Dich dort wie in einem Bienenstock. Aber... und hier kommt ein großes ABER... Du fühlst Dich selten auf Anhieb irgndwo so wohl, dazugehörig und aufgenommen wie bei ihnen mein Bester. Ich schwöre es Dir, bei allem was mir heilig ist. Seit dem ich Jaques das erste mal zu Neujahr zu seiner Familie begleitet habe, bin ich immer mit dabei. Wenigstens für ein paar Tage. Conni und Fran sind auch immer dabei gewesen. Vermutlich ist entweder dieses Jahr Prince Ciel mit von der Partie oder Fran nicht mehr. Fran ist "die Verlobte", mein Heiler. Warte mal, lass mich mal gedanklich durchzählen, wieviele Personen da leben... 62 Personen wohnen dort unter einem Dach. Und ich kann Dir sagen ich kam mit jedem, ehrlich mit jedem super aus. Außer mit Julien, der ist ein kleines bisschen aufdringlich, aber das ist er bei jedem Gast um seine Lage zu checken, Du hättest damals Conni sehen sollen. Das war zum Schreien, aber egal. Das gehört dazu, dass muss man mit Humor nehmen", erklärte Vano und holte eine neue Flasche Rum.
Rene Lothair de Brisay
»Chevalier Silvano de Mancini«, sprach Rene geduldig. »Ich spreche davon, wie wir dem Prince unseren kleinen Jamie als geeigneten Kapitäns-Kandidaten für sein Tempelschiff schmackhaft machen können. Wie James wirklich ist, spielt überhaupt keine Rolle, es sei denn, du willst wirklich mir die Schmach antun, meine Lady geschändet zu sehen. James ist jung, der erträgt so was leichter als ein alter seepockenbesetzter Salzbuckel. Fran ist die schwangere Verlobte von Prince Ciel? Da hast du sie bislang gut getarnt, das muss man dir lassen. Auf den Gedanken, dass Fran eine Frau sein könnte, wäre ich nicht gekommen.«
Silvano de Mancini
"Rene, denk doch mal scharf nach. Ich wollte Dir damit nur sagen, dass wir James gar nicht überzeugen müssen. Ihm wird das nichts ausmachen. Also werden wir unsere ganze Kraft dafür aufbringen Dich vor der Meute Pfaffen zu bewahren, ich möchte nicht dass Du einer derartigen Schmach ausgesetzt bist oder Deine gute alte Mouette. Das bring ich nicht übers Herz. Fran ist keine Frau, er ist ein Mann und eine Frau zugleich, er ist ein Zwitter. Und er ist ein uralter Bekannter aus dem Kinderheim. Aber beides habe ich vorher nicht gewusst, er hat es mir erst offenbart, als er mit Ciel einen Schritt zu weit gegangen ist. Oder vielleicht genau den richtigen, jedenfalls habe ich ihn nie glücklicher und lockerer gesehen als an dem Tag. Ein guter Mann und ein erstklassiger Heiler. Wir werden Prince Ciel sagen, dass er James auch eine Chance geben muss sich zu beweisen und dass dieser nie genug Trubel um sich herum haben kann. Zudem ist er wesentlich offener was Gläubige Fanatisten angeht als wir. Hast Du ein schönes, schmeichelhaftes Wort für Fanatiker?", gibbelte Vano.
Rene Lothair de Brisay
»Religiös motivierter Mensch?«, versuchte Rene sich an einer sensiblen Umschreibung. »Ein Zwitter, schau an. Wie muss man sich so etwas vorstellen? Hat er untenrum beides oder ist er unten weiblich und oben männlich? Fran ist ein guter Mann, keine Frage. Wenn man ihn nach der Offenbarung weiterhin als Mann bezeichnen soll. Ciel hat von ihm als Frau gesprochen.«
Silvano de Mancini
"Ich habe nicht die geringste Vorstellung, denn ich habe ihn niemals nackt gesehen. Womit sich auch erklärt warum. Meine Vermutung ist, beides irgendwie vereint. Aber wie, kann ich Dir nicht sagen. Und zu fragen traue ich mich nicht, obwohl ich da genauso neugierig bin wie Du. Ich denke das ist ganz normal da neugierig zu sein, oder sich zu fragen, wie eine Person die ein Zwitter ist wohl aussieht. Vielleicht auch jeder von ihnen anders oder gleich nur etwas anders ausgeprägt? Nicht alle Männer sind gleich gebaut, der eine ist länger, der andere kürzer, dicker, oder dünner. Frauen haben auch nicht alle die gleichen Brüste. Also vielleicht ist bei ihnen auch so. Wobei ich nicht mal weiß, ob er Brüste hat, oder sie nur abgebunden hat oder so etwas. Er lief immer extrem hoch geschlossen herum, mit Hemd, Weste, Jacke, Mantel. Also zu bis zu den Knöcheln und dazu noch Hut. Ja sehr religiöser Mensch klingt doch super, oder Gläubiger", antwortete Vano.
Rene Lothair de Brisay
»Und da hat der Prince sich trotz allem in ihn verguckt? Fran ist arm wie eine Kirchenmaus. Er ist nicht mal von Stand und sonderlich hübsch anzusehen ist er auch nicht. Man kann für Fran nur hoffen, dass es nicht einfach eine Trophäenjagd ist. Der Wunsch, etwas so seltenes zu Besitzen. Darf ich deine Vorschläge bezüglich Jamie dergestalt deuten, dass du Ciel davon überzeugt, dass sein Schiff sehr viel besser als Tempel geeignet ist als meines?«
Silvano de Mancini
"Auf alle Fälle die Mouette ist mein Geburtsschiff Rene, die wird kein Tempel, das schwöre ich Dir. Notfalls verduften wir beide, wenn es nicht anders geht. Das ist ja noch eine schlimmere Drohung als versenken. Das ist Blasphemie. Nein Fran besitzt nichts, nur das was er vermutlich gespart hat. Richtig, er ist weder von Stand noch hat er Reichtümer. Ich hoffe ebenfalls für ihn, dass er nicht als Trophäe gilt, sondern aufrichtig geliebt und begehrt wird. Oder sagen wir mal, dass sie auf dem Weg zur aufrichtigen Liebe sind. Du hast uns damals unsere Chance gegeben, Du hast es akzeptiert und wir haben uns bemüht auch niemals irgendwem Ärger zu machen, weil wir zusammen sind. Oder gerade deshalb. Und das hat doch auch geklappt. Dienst war Dienst, Privat war Privat. Nun vielleicht in der Anfangszeit nicht immer, mal hier oder da einen winzigen Freiraum gegönnt und einander zugetan gewesen. Sprich da mal kurz auf die Knie gegangen oder gebückt, jeder von uns beiden. Aber ich denke das ist normal und als es eingeschliffen war, war alles gut. Wir waren bei Dir Zuhause Rene, wir waren fünf Jahre bei Dir ein Paar, Zuhause und glücklich. Das vergisst man nicht, ich vergesse Dir das nie. Also nein, ich tue alles in meiner Macht stehende um die Mouette davor zu bewahren alter Freund", sagte Vano ergriffen.
Rene Lothair de Brisay
»Ich habe es akzeptiert, weil ich euch beiden vertraut habe. Ich wusste, euer Dienst würde nicht darunter leiden und ihr würdet keinen Ärger in die Mannschaft tragen. Im Gegenteil, ich finde, ihr habt ein Stück weit Harmonie gebracht. Ihr beide wart so glücklich und entspannt, das steckt unweigerlich an. Meine Matrosen haben keinen Freifahrtsschein, wie du weißt, es gibt Paare, denen ich dergleichen untersage, so lange sie ihre Stelzen auf der Mouette haben. Diese müssen sich ihre Zweisamkeit für die Landgänge aufsparen. Bei euch hat es funktioniert und ich habe es nie bereut.« Rene trank ein Glas, als er an Davet dachte und sein Blick wurde finster. Die buschigen Brauen sanken hinab. »Lassen wir die Chocuas und die Mouette vertäut? Wir sind hier noch in souvagnischen Gewässern und es ist keine Bedrohung zu erwarten, weder durch die Launen des Meeres noch durch zweibeinige Feinde. Wir sollten heute ein Fest schmeißen. Wir haben uns lange nicht gesehen und auch unter unseren Männern gibt es Freundschaften, die aufgefrischt werden wollen.«
Silvano de Mancini
"Danke für das Kompliment in unserer beider Namen, dass bedeutet mir viel und das weißt Du. Lassen wir die beiden Ladys vertäut und feiern wir unser Wiedersehen. Gefahr ist nicht im Verzug und sollte ein Sturm aufziehen, ob per Persona oder vom Meer, lass ich unsere Vertäuung kappen, kein Problem. Wenn Du magst, kannst Du auf der Choucas übernachten, ich lasse Dir eine Kabine herrichten. Wobei bei der Feier, werde ich Deine Lady besuchen, quasi meine die Mutter meiner Seefähigkeiten, wenn Du gestattest. Wenigstens einmal persönlich Hallo sagen und ihr eine Boddel über den Buckel gießen für allseits gute Fahrt und Wind", sagte Vano glücklich.
Rene Lothair de Brisay
»Das war kein Kompliment, sondern die Wahrheit. Ich hoffe, dein jetziger Mann verträgt es, dass ich von dir und Davet spreche. Denn ich werde keine Rücksicht nehmen. Davet war ein großer Mann und entsprechend sind die Fußstapfen, die du auszufüllen hast, Boldi. Es sei denn, du schaffst dir Eigene.« Renes Mimik blieb ernst, doch seine Augen blickten freundlich drein. Boldiszàr blickte nicht freundlich, aber auch nicht feindselig. Sein Blick sagte: Die Herausforderung nehme ich an, alter Mann. Zumindest war es das, wie Rene ihn deutete. Er lachte und stieß mit Boldiszàr und Silvano an. »Die Mouette ist noch immer dein zu Hause, Silvano, wann immer dir danach ist, zu ihr zurückzukehren. So wie ich noch immer den Mentor spiele, den du eigentlich seit Jahren nicht mehr nötig hast. Alles, was ich dir beibringen konnte, habe ich dich gelehrt. Den Rest muss die See dich lehren. Eine Kabine auf der Choucas ist eine vorausschauende Idee, das erspart euch, mich zurück in meine Koje schleppen zu müssen. Auf euer Wohl, ihr beiden.« Er lehrte sein Glas.
Silvano de Mancini
"Auf Dich, Davet und die Wahrheit. Boldi und Davet kann man nicht miteinander vergleichen. Ich tue es auch nicht Rene, beide stehen für sich und würde er noch leben, ständen sie Seite an Seite, würden sie sich akzeptieren. Er war ein erstklassiger Gefährt mit all seinen Stärken und Schwächen. Und das ist Boldi auch, nur hat er eben halt seine eigenen. Was auch richtig und schön ist. Das es kein Kompliment, sondern die Wahrheit ist, macht die Sache noch schöner. Dito, die Choucas ist auch Dein Zuhause, wann immer Du sie brauchst, sie ist da. Dann werde ich "Mama Mouette" mal einen Besuch abstatten. Man lernt nie aus Rene, Du hast zig Jahrzehnte Vorsprung und ich wäre ein Trottel, würde ich Dir genau das absprechen. Du hast mich alles gelehrt was es zu lernen gab und ich werde es stets beherzigen. Du warst für mich mehr Vater als es meiner sein konnte oder mein Adoptivvater je sein durfte. Erfahrung zählt genauso viel mein Bester und davon hast Du reichlich. Nun ich auch, wir können ja tauschen", schmunzelte Vano. "Na das war kein Trick um Dich nicht schleppen zu müssen. Ich habe sogar kürzlich Boldi geschleppt und ist kaum was passiert", lachte Vano und knuffte seinen Mann, ehe er ihm liebevoll über die Wange streichelte.