Der Namenlose an der Bar

  • Der namenlose Krieger betritt den Schluckspecht. Völlig erschöpft begibt er sich langsam zum Tresen. Er schaut den Barkeeper an.
    "Ein Turzwachter Gold und das ein wenig zackig.", bellt er.
    Mit etwas beleidigter Mine füllt der Barkeeper dem Zwerg ein Bier ein und reicht es ihm. Der Barkeeper fragt: "Schlechte Laune heute oder was? Ich habe dich hier noch nie gesehen. Wie heißt du?"
    "Keine Ahnung."
    "Wie? Keine Ahnung?"
    "Ja, so wie ich es gesagt hab. Keine Ahnung. Ich weiß nicht wer ich bin und meinen Namen weiß ich auch nicht. Ich vermute nur, dass ich wohl ein Krieger bin."
    Der Barkeeper schaut erstaunt.
    Der Zwerg keift: "Willst du mich jetzt weiter anglotzen oder hast du noch nen Job zu tun? Bring mir noch ein Bier"
    Der Barkeeper bringt dem Zwerg ein Bier und zieht sich beleidigt zurück. Der Zwerg trinkt sein zweites Bier weiter.

  • Eine schlanke Gestalt in weißer Mönchsrobe, auf der ein silberner Mond prangte, saß zwei Hocker weiter an der Bar. Der Mönch trank nichts, sondern beschränkte sich darauf, mit den anderen Gästen zu plaudern und ihnen die Lehren des Oril nahezubringen. Nun wandte er seine Aufmerksamkeit den brummligen Zwergen zu. Dieser Mann war offenbar ein Verirrter. Kasimir war nicht der Einzige, der dem neuen Gast einen verwunderten Blick schenkte. Der bärtige Mann war nicht sehr freundlich gestimmt, andererseits wäre Kasimir auch nicht erfreut, hätte er seinen Namen vergessen.


    "Gelobt sei Oril. Entschuldigen Sie die Störung, werter Herr", sprach Kasimir höflich. "Habe ich das recht verstanden, Sie leiden an Amnesie?" Ungefragt rutschte er einen Barhocker näher, um nicht so herumschreien zu müssen.

  • "Frater Kasimir LaVaney, auch bekannt als Bruder Kasimir", antwortete der neue Sitznachbar des Zwergen unverändert freundlich. "Mönch des Oril. Was hat es mit Ihrer Amnesie auf sich? Wie fanden Sie hierher, oder wachten Sie am Tresen auf? Das würde den Gedächtnisschwund allerdings erklären." Kasimirs Blick blieb an den beiden Bierkrügen hängen, die vor dem Bärtigen standen.

  • "Deine blöden Sprüche kannste dir sparen.", entgegnet der Zwerg gereizt. Er führt mit seiner rauen Tonlage aus: "Aber wenn du's unbedingt wissen willst, ich bin nicht am Tresen sondern irgendwo im Nirgendwo außerhalb der Stadt aufgewacht. Das einzige woran ich mich noch erinnern konnte sind ein paar Fetzen aus einer Schlacht. Ich bin einfach planlos losgegangen und bin dann hier in der Stadt angekommen. Irgendwann fand ich diese Kneipe und bin hier reingekommen. Mehr weiß ich auch nicht."

  • Kasimir ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. Als Mönch und Seelsorger hatte er schon ganz andere Kaliber betreut, unter anderem den Mann, den hier zu finden er erhofft hatte. Doch Archibald war und blieb verschwunden, weder in Schattenschimmer noch in Beaufort noch in Obenza war er zu finden gewesen. Nun wusste Kasimir nicht, wo er noch nach seinem Sorgenschüler suchen sollte und saß allein in dieser Spelunke zwischen Verirrten und Verlorenen. Vielleicht konnte er wenigstens das Leid des Zwerges mindern, dann wäre seine Reise nicht ganz vergebens gewesen.


    "Ein Geistmagier könnte womöglich Abhilfe schaffen", informierte Kasimir den Zwerg. "Manche von ihnen verstehen sich auf die Rekonstruktion scheinbar erloschener Erinnerungen."

  • Der uralte Nekromant an der Bar beobachtete amüsiert das Treiben des Orils Priesters. Langsam drehte er den Weinkelch zwischen seinen langen Klauen. Er genoss nicht nur den Wein, sondern auch die Energie der Gäste, ob er wollte oder nicht, dieser Umstand war jedem Lich zu eigen.


    Er hatte Souvagne verlassen und auf dem Weg nach Hause einen kleinen Abstecher nach Obenza gemacht. Für einen Nekromaten war dieser Ort ein Tummelplatz der Gelüste. Wenn man über das nötige Wissen oder Kleingeld verfügte.


    Osmund nippte an seinem Kelch und wandte sich an den Untoten, ein Vampir, erbaulich wie er fand. Auch wenn es kein Werk eines Kollegen war, so betrachtete er Vampire doch äußerst gerne.


    "Frater LaVaney, als Kollege sollte ich Euch aufklären. Die "Amnesie" eines Zwerges endet meist ganz von allein und zwar morgens nach dem Aufwachen mit einem riesigen Kater", schmunzelte Osmund und starrte dem Frater genau in die Augen um ihm zu verdeutlichen, dass er wusste was er war.


    "Sollte er wirklich an Gedächtnisverlust leiden, der sich ohne Kater korrigieren lässt und der nicht darauf zurückzuführen ist, dass er sich den Verstand weggesoffen hat, dann mein lieber Frater, habt Ihr Recht. Er könnte die erquickenden Dienste eines Geistmagiers in Anspruch nehmen.


    Allerdings bei der Freundlichkeit die dieser Zwerg an den Tag legt, was Hilfsbereitschaft anbelangt, wird der Preis garantiert das Doppelte kosten, wenn nicht sogar das Dreifache. Ihr wisst doch sicher um den weisen Spruch wer Vögeln möchte, muss freundlich sein. So verhält es sich bei Hilfe auch.


    Was verschlug einen der Euren in diese Gegend Frater?", fragte Osmund und tupfte sich die Mundwinkel ab, während der Ghul neben ihn Kasimir hirnlos angaffte.

  • Der Zwerg schaut zum Nekromanten und entgegnet: "Du laberst was von Freundlichkeit, aber kommst hier einfach rein und unterbrichst unser Gespräch mit deiner Scheiße. Das würden die meisten auch nicht als freundlich bezeichnen. Und nein, ich war nicht besoffen, denn wenn ich besoffen gewesen wäre, dann wäre ich heute wesentlich unfreundlicher und hätte deinen Schädel für die Unterbrechung einfach mit meiner Axt gespalten."
    Danach schaut er wieder zum Mönch. "Du hast mich tatsächlich neugierig gemacht. Also, der Geistermagier, wo findet man so jemanden?"

  • Osmund lachte kopfschüttelnd und machte eine wegwerfende Handbewegung.


    "Falsch, Deine Scheiße Zwerg. Gerade sollte sich Kasimir seine Sprüche sparen. Ich habe keine Amnesie. Gib Deine paar Kröten lieber für Fusel aus. Ein Geistmagier ist teuer. Aber vielleicht spendiert Dir der Frater eine Runde Erinnerungen und bezahlt die Rechnung", sagte Osmund ungerührt.


    Der Nekromant schaute Kasimir an.


    "Na wie sieht es aus Frater? Heute in Geberlaune? Du bist doch der Leibdiener von Brandur von Hohenfelde! Doch ich meine dem ist so. Wir haben uns auf der Hochzeit von Davard gesehen, als Dein Herr sich selbst eingeladen hat. Unfeiner Zug sowas", kicherte Osmund während der Ghul neben ihm anfing hungrig zu sabbern.

  • Kasimirs freundlicher Gesichtsausdruck wurde von einem Schatten der Unglückseligkeit umwogt, als Osmund ihn als "einen wie euch" bezeichnete und Zwerg und Nekromant sich auch noch anzugiften begannen.


    "Ich bitte um ruhige Konversation", flehte Kasimir. "Wir haben hier ein ernstes Problem, das es zu lösen gilt. Dies erreicht man nicht durch Wortgewalt, wenn Oril so will. Dieser tapfere Krieger, der Land und Familie mit seinem Leben verteidigte, hat offenbar ein Trauma erlitten, das zur Verschleierung seines Gedächtnisses führte. Ein Streit würde dieses Problem womöglich verschlimmern!"


    Er wandte sich nun an den Nekromanten.


    "Was Eure Frage anbelangt, Baron von Wigberg, mich verschlug die Suche nach einem guten Freund Eurer Familie an diesen lasterhaften Ort. Ich bin nicht gern hier, das könnt Ihr mir glauben. Ja, ich war Leibdiener des Brandur, der mich verstieß. Aber wer will es ihm verübeln? So ist es mein Schicksal, seit auch die Sonne mir ihre Gunst entzog. Verloren ging Archibald von Dornburg, er kam mir abhanden vor Ende seiner seelischen Genesung und ich fürchte Schlimmstes. Ich suchte ihn in Schattenschimmer, ich suchte ihn in Beaufort und ich suchte ihn in Obenza. Von der dunkelsten Höhle durch prächtigste Paläste und hinab in den Pfuhl aller Laster führte meine Reise. Doch nirgends gab es einen Hinweis auf seinen Verbleib. Könnt Ihr mir womöglich weiterhelfen?"


    Kasimir bestellte sich ein Glas Wasser, nippte und verzog das Gesicht. Früher hatte er nur Wasser und Tee getrunken, doch heute wollte es ihm nicht munden. Er griff nach der Speisekarte, studierte sie, indem er nach einem bestimmten Getränk suchte, das es nicht einmal hier in den Tavernen gab und schloss sie mit frustriertem Gesichtsausdruck wieder. Er legte die Karte beiseite.


    "Und was Sie anbelangt, Herr Zwerg ... so hat jener Baron von Wigberg in der violetten Robe fähige Geistmagier in seiner Familie vorzuweisen. Was würde eine geistmagische Behandlung unter der tröstlichen Obhut der Familie von Wigberg kosten, Baron?", fragte Kasimir und schickte ein Stoßgebet hinauf zu Oril, dass die beiden ruhig blieben. Warum der Lich hier saß, wagte er nicht zu fragen, er konnte es sich denken. Der Mann speiste auf seine Weise.

  • Osmund verschränkte seine Klauen, so dass seine Goldringe aufblitzten.


    "Keine Bange Kasimir ich bin ruhig. Dein Zwerg schreit hier die ganze Zeit. Mein lieber Kasimir, das Problem eines jeden Zwerges sind die Zwerge selbst. Eine winzige Geschichtsstunde für Dich von einem alten Mann wie mir. Viele halten den Zwergen vor im Krieg gegen das Chaos im Jahre 203 zu spät um Hilfe gerufen zu haben. Das würde ich ihnen nicht vorwerfen. Denn alle Parteien, die den Zwergen zur Hilfe eilten um das Chaos abzuwehren haben eines vergessen, sie hätten den Zwergen gar helfen dürfen! Im Jahre 202 überfielen die Zwerge Alkena und machten dieses Land dem Erdboden gleich! Als dann Alkena mit Hilfe des Chaos aufstand und erbitterte Rache schwor, die Zwerge für ihr Handeln also die Quittung bekamen, war das Geheule der kleinen Männer gewaltig groß.


    Archibald von Dornburg? Da kann ich Dir sofort helfen. Er befindet sich in Souvagne und wird wegen Mordes gesucht. Ihm winkt die Hinrichtung sollte man ihn aufspüren. Meines Wissens nach befand er sich zuletzt an Bord eines Schiffes namens Choucas. Nekromantie wurde leider in Souvagne verboten, so bin ich umgezogen.


    Oh ja unsere Sippe ist bekannt dafür, einen hohen Anteil an Magier, Nekromanten und Geistmagier wohlgemerkt, in unseren Reihen zu haben. Wir achten auf die besten Blutsverbindungen, was das angeht. Eine derartige Behandlung ist teuer Kasimir, Geld das Dein Zwerg nicht hat. Bis auf Veyd wüsste ich auch keinen, der anschreiben lässt. Wir sind nicht zu Geld und Macht gekommen, weil unter Mitleid oder Wohltäterschaft leiden.


    Kostenpunkt, der Preis für eine magische Anwendung, also einem Zauber ergibt sich Fertigkeit des Magiers - seinem Magiegrad, der zu nutzenden Macht und der Höhe des Zaubers selbst.


    Sagen wir Dave würde dem Zwerg helfen.
    Dave - Rang Meister, Zauber Auslesen - Rang 2, Dauer - 30 bis 60 Minuten, Preis bis zu 500 Taler.


    Vergessen wir nicht, dass Dave oder jeder andere Geistmagier dazu aber erstmal hierher anreisen muss. Mit An- und Abreise von 750 - 1.000 Taler.


    Dein Zwerg muss also mindestens 500 Taler bei einem guten Magier einplanen, sonst hat er mehr Probleme als vorher. Immerhin greift die Person auf seine Gedanken zu, gleich wie verwaschen und lückenhaft sie sein mögen, der Zwerg will ja den Schaden behoben haben und nicht vor neuen Problemen stehen. Demzufolge rate ich zu einem Meister. Er kann natürlich auch zu jedem Jahrmarktsstümper gehen, es ist sein Kopf", sagte Osmund freundlich zu Kasimir.

  • Osmund tippte sich mit einer seiner langen Krallen an die Stirn.


    "Moment, oder auch nicht! Wolfram! Wolfram würde sicher unentgeltlich helfen. Das tat er immer, er war immer eine hilfsbereite Person. Du müsstest mit ihm Kontakt aufnehmen Kasimir. Ich denke er wird Euch beistehen. Falls nicht, könnt Ihr es immer noch anderweitig versuchen", sagte Osmund und trank einen Schluck Wein.

  • "Herr Wolfram weilt derzeit in Souvagne, wo er ein bescheidenes Häuslein bezogen hat. Die Kontaktaufnahme könnte via Brieftaube, Brieffalke oder Humus-Express erfolgen." Kasimir betrachtete den Zwerg. "Wenn ich eine Empfehlung aussprechen darf, wählt eine Brieftaube. Sie ist nicht viel teurer als der Express, aber eindeutig zuverlässiger."


    Er wandte sich an Osmund.


    "Archibald war in Souvagne, ja. Er reiste jedoch gemeinsam mit mir nach Schattenschimmer ab und von dort verschwand er spurlos. Oder ist er inzwischen in dieses Land zurückgekehrt? Wenn ja, wo kann ich ihn finden?"

  • "In den Postämtern, die es in jeder größeren Stadt gibt."


    Kasimir wies in Richtung eines Stadtplanes, der an der Wand hing. Zu sehen war Obenza, einmal von oben aus betrachtet und einmal als Aufriss, so dass auch die vertikale Schichtung berücksichtigt wurde. Auch das Postamt war eingezeichnet.