Teebeutel Kapitel IV - Zwischen den Fronten

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    Hier spielte der dritte Teil der Reise:
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    Urako war schon lange da, denn auf Flügeln war er schneller als die anderen in ihrem Fluggefährt. Der Heißluftballon landete fauchend. Töli stürzte als erste heraus und begann sich wie bekloppt zu drehen und nach ihrem Schwanz zu jagen. Urako zielte mit einem beherzten Tritt in ihre Richtung. Das letzte, was er gebrauchen konnte, war sich gleich bei ihrer Ankunft in Rantamar bei den Bewohnern lächerlich zu machen! "Reiß dich zusammen", schnauzte er.


    Dann ging er zu dem Ballon, um Firxas galant das Türchen aufzuhalten. Der ging an ihm vorbei, ohne ihn auch nur mit seinem dicken Arsch anzusehen. Er trug kein Oberteil, so dass Urako nicht nur seinen überquellenden Hüftspeck und den Beginn seiner Arschrille sah, sondern auch die schlimmen Narben bei seinen Schulterblättern. Urako biss sich auf die Lippe und wandte den Kopf ab.


    Er wartete nicht ab, ob man Firxas nach einer Bezahlung fragen würde, denn Geld hatte dieser natürlich keines, genau so wenig wie Urako. Die einzigen, die Geld besaßen, waren die Goblins, welche ihr stümperhaft zusammengeschustertes Schiff verkauft hatten und die den Flug ruhig bezahlen konnten. Er wollte Firxas am Arm greifen, um ihn ein Stück abseits zu führen, doch der stieß ihm grob gegen die Brust, so dass Urako rückwärts gegen eine Laterne stolperte. "Fass mich bloß nicht an", grollte er.


    "Mach ich nicht, keine Sorge", schnauzte Urako. "Niemals wieder. Du bist mir eh zu fett. Richtig widerlich bist du geworden!" Das war gelogen, er liebte Firxas` Speckröllchen und wenn es nach ihm ginge, könnte Firxas gut und gerne noch einen Zentner mehr wiegen, doch Urako wollte ihn mit allem verletzen, von dem er wusste, dass es tief treffen würde, also ergänzte er auch noch: "Du Krüppel!" Firxas verpasste ihm einen Schlag in die Fresse, ein Lichtblitz explodierte in seinem Schädel. Urakos Kopf wurde zu Seite geschleudert und er stürzte auf das Kopfsteinpflaster. Dabei schürfte er sich die Handfläche und den Ellebogen auf und verrenkte sich die Schulter. Er zog blitzschnell die Beine an, um seine Unterseite zu schützen und Firxas treten zu können, sollte dieser auf ihn losgehen, doch der trottete einfach davon, ohne Urako auch nur einmal anzusehen. Wohin, wusste der Geier. Urako war stinksauer und unglücklich zugleich. Man hatte ihn verschmäht, niedergeschlagen und öffentlich gedemütigt. Und er hatte nicht einmal Geld, um sein Elend zu ertränken oder im Freudenhaus seine Seele und andere Dinge streicheln zu lassen.


    Er rappelte sich auf, stand da, mitten in einer fremden Stadt in einem fremden Land und plötzlich fühlte er sich allein. Die Goblins gingen vorbei, einige starrten ihn neugierig, andere voll Abscheu an. Was sollte er tun? Und wie konnte er an Geld gelangen? Keinesfalls wollte er die Nacht unter freiem Himmel verbringen. Er sehnte sich nach zwei Jahren Wildnis nach einem Bett und einem guten Essen, nach einem heißen Bad. Als erstes musste er herausfinden, wie er an Arbeit kommen konnte. Vielleicht brauchte die Stadt ja einen Henker - oder einen Koch.


    Sein erster Weg führte ihn also zu einem Offizier, denn ganz offensichtlich hatten in einer Festung die Militärs das Sagen. Es handelte sich um Felik Garsnik, wie man ihm gesagt hatte, Sohn des Generals Tonik Garnsik. Eine kleine Eskorte brachte ihn dorthin.


    "Ich suche Arbeit!" posante Urako sofort heraus, ohne ihn zu begrüßen.

  • Der kräftige Tritt des Tieflings brachte Arafis erst wieder zur Vernunft. Die Goblins grinsten sie hämisch an, offensichtlich waren sie glücklich darüber, dass die gefährliche Bestie zurechtgewiesen wurde. Urako verschwand bald in der Menge und die Wölfin verspürte nicht das geringste Bedürfnis, ihm zu folgen. Sie blickte sich um. Den armen Selan, der auf der Ballonfahrt in Ohnmacht gefallen war, schleppten gerade ein Duzend Goblins auf einer hastig herbeorderten Trage davon. Firxas, der anscheinend nicht recht wusste, wohin er sich wenden sollte, zottelte schliesslich in eine andere Richtung davon, aus der es kräftig nach Speis und Trank roch.


    Arafis beschloss, die Stadt genauer unter die Lupe zu nehmen. Sie würde ihre Gefährten schon wieder auffinden, wenn sie dies beabsichtigte. Schliesslich waren der Teeduft von Selan und das Gebrüll von Urako schwerlich zu verkennen und sie müsste bloss die Goblins belauschen, um herauszuhören, wo sich die seltsamsten Gestalten der Stadt so tummelten.
    So machte sie sich alleine auf den Weg, immer misstrauisch beäugt von den grünen Winzlingen.


    Die Strassen waren verwinkelt und oft lief Arafis in eine Sackgasse hinein, wenn sie meinte eine Abzweigung in eine neue Gasse gefunden zu haben. Sie versuchte den Blicken der Goblins auszuweichen, doch erst als einige jüngere Kerle sie mit Steinen bewarfen, um sie zu verscheuchen, entschied sie, dass Rantamar und sie eine gegenseitige Abneigung füreinander empfanden. Eine Stadt auf einem Berg, das war nichts für sie. Seit langer Zeit vermisste sie einmal wieder ihre Heimat, wo sie in einem Walddorf aufgewachsen war.


    Da Arafis zwischen den Goblins hin und wieder grossgebaute Menschen erblicke, überlegte sie sich schliesslich, ob sie nicht besser fahren würde, wenn sie als Albin durch die Stadt ging. Verständlicherweise fürchteten sich die kleinen Bewohner vor einem scharfzähnigen Wolf, doch einer Waldalbin würden sie bestimmt freundlichere Blicke schenken.
    So begab sie sich nun stattdessen in den abgelegenen Gassen auf die Suche nach einer Wäscheleine, denn ohne jegliche Kleidung wäre sie noch absonderlicher als jetzt schon. Tatsächlich wurde sie fündig. Glücklicherweise lebten auch Almanen in Rantamar und diese hatten eine stattlichere Figur als die kurzbeinigen Goblins.


    Arafis duckte sich hinter einen Stapel Kisten während ihrer Wandlung. Es fühlte sich an, als würden tausend Ameisen unter ihrem Fell herumkrabbeln, dann spannte sich ihre Haut und ihr Körper begann sich zu verändern. Sie unterdrückte ein schmerzliches Aufjaulen, doch dann war es bereits wieder vorbei.
    Schwer atmend kniete die nackte Frau auf dem rauen Boden. Inzwischen konnte man gut erkennen, dass sie keine gewöhnliche Albin war, denn der Fellstreifen auf ihrer Wirbelsäule, Armen und Beinen hat sich bereits etwas weiter ausgedehnt. Auch ihre Ohren, Stirn und Nase waren mit weichem hellbraunem Fell bedeckt. Arafis fuhr mit ihrer Zunge ihrem Maul entlang und bemerkte die leicht zugespitzten Backenzähne.


    Sie wollte sich gerade aufrappeln, als sie eine Bewegung hinter sich vernahm. Arafis fuhr reflexartig herum. Doch sie konnte nichts erkennen. Dann hörte sie ein Krächzen über sich: „Spioooon, Spioooon!“
    Einige Meter über ihr sass auf der Wäscheleine ein grünlicher Papagei. Er beobachtete sie aus giftig gelben Augen heraus aufmerksam und flatterte ungehalten mit den Flügeln. „Gschhht, sei ruhig!“, fauchte die Albin ihn wütend an, denn sie wollte in ihrer Situation keine Bewohner auf sich aufmerksam machen. „Spioooon!“, kreischte der Vogel jedoch unbeeindruckt weiter.


    Arafis hatte es nun plötzlich eilig. Sie schob die Kisten zu einer Treppe zusammen und kletterte behände hoch, um an die Wäscheleine zu gelangen. Als sie an einem Gewand zerrte, flatterte der Papagei schimpfend davon. Erleichtert schnappte sich die Albin einige Kleidungsstücke, um dann auf den Boden zu springen.
    Gerade als sie ein rosafarbenes Stück aufgehoben hatte, hörte sie Fussgetrappel. Erschrocken wandte sich die noch immer nackte Frau um, als auch schon eine ganze Horde Goblinwachen um die Ecke geschossen kam. Über ihnen flog der Papagei seine Runden und kreischte wild: „Spioooon! Spioooooon!“


    Einen Moment starrten die kleinen Männer die Frauen perplex an. Bevor sie reagieren konnten, warf sich Arafis das Gewand über. Es war ein langes Nachtgewand, das offensichtlich einer Almanenfrau gehörte, denn es schlabberte an dem Körper der Albin und die weiten Stösse bedeckten ihre gesamten Füsse. „Hände in die Höhe! Keine Bewegung!“, endlich kam Bewegung in die Goblins. Wie eine Schar Ameisen umringten sie die Albin, um die vermeintliche Spionen in ihre Mitte zu nehmen. „Sie sind festgenommen!“, piepste ein Goblin mit ernster Miene. „Sie wurden beim Diebstahl erwischt. Ausserdem besteht der Verdacht auf unbefugtes Eindringen in die Stadt für Spionagezwecke! Sie werden einem Verhör unterstellt, bis dahin kommen sie zur Verwahrung in den Kerker.“


    Arafis war zu perplex, um sich zu wehren. Ausserdem belustigte sie die Situation auch ein wenig. Erst als einer der Goblins eine seltsam anmutende Waffe auf sie richtete, setzte sich die Albin folgsam in Bewegung. Dem Papageien, der sich wieder auf der Wäscheleine niedergelassen hatte und sich dabei zufrieden aufplusterte, warf sie einen letzten giftigen Blick zu.
    Sie hätte wohl doch besser in Wolfsgestalt verbleiben sollen… Immerhin hätte sie dann die Goblins als Häppchen verspeisen können, anstatt von diesem Rudel in ein Gefängnis geworfen zu werden!


    Obwohl die Albin versuchte, Klarheit zu schaffen und zu erklären, dass sie zusammen mit den Tieflingen und dem fliegenden Ballon in die Festung gelangt war, schenkte man ihr kein Gehör. Arafis musste das rosa Nachthemd hochraffen, um nicht zu stolpern. So bahnte sich die seltsame Prozession einen Weg durch die Stadt, um die frisch ertappte Spionin ihrem Urteil zu unterwerfen.

  • "Beeindruckend, sehr beeindrucken, diese Gebäude, diese Technik!", murmelte Selan vor sich hin, als er die Straßen der Stadt entlang ging. Architektur und Technik waren eine kleine, jedoch gut gepflegte Leidenschaften von Selan und was ihm hier geboten wurde, spottete jeglicher Beschreibung. War Selan viel herumgekommen und hatte viel gesehen, doch die Baukunst der kleinen Goblins war enorm. Vom Estetischen Standpunkt her, konnte man sich gut und gern über die Stadt streiten, denn Goblins bauen eher nach pragmatisch Gesichtspunkten, weniger nach Estetischen.


    Jedoch was die kleinen grünen Kerle leisteten, war enorm. Da gab es Wasserspringbrunnen vor ihm, weniger Meter dahinter gab es so eine Art Hebesystem für schwere Steine, wenn Selan die Goblins richtig verstand, nannten sie es Kran. Hier und da, zwischen den Engen Gassen, konnte er Teile der Verteidigungsanlage sehen. Riesige Geschütze, die in alle Richtungen zeigten, Luftschiffe die hier und da am Himmel zu sehen waren. Ja es stimmte, was die Goblins nicht in den Muskeln hatten, hatten sie im Kopf.


    Einzig was Selan an der Stadt nicht gefiel, es gab keine Teestuben. Alle rannten wild hin und her, waren hektische am Arbeiten. Das Treiben musste einen als Nichtgoblin sehr verwirren. Keiner hatte Zeit für ihn, wollte er hier und da ein kleines Gespräch anfangen oder Goblins auf einen Tee einladen, bekam er nur Ablehnungen. Gern hätte er mehr von der Stadt erfahren, doch Fremdenführer gab es hier nicht udn zu allem Überfluss war das Angebot an Speis und Trank nicht sehr Appetit Anregend.


    Zu gern probierte Selan die einheimischen Speisen anderer Völker, doch so glaubte er, konnte er es zulassen bei den Goblins eine Ausnahme zu machen. Egal welches Wirtshaus, so fern man es so nennen konnte, er besuchte, überall gab es Merkwürdiges essen.


    Schweinesteak in Schokoladensoße auf Brokkoli graniert. Zitronen-Kartoffel-Pudding und ... weiter lesen wollte Selan nicht. Die ersten zwei bis drei Gerichte reichten ihm schon aus, um den Appetit zu verderben. Einen Kamillentee, was gäb Selan für einfachen Kamillentee, doch daraus wurde nichts.


    So machte er sich fest entschlossen auf das Militär aufzusuchen. Selan hatte es nicht vergessen. Irgendwo da draußen ist Rakshor und bereitet einen Krieg vor, der alles verschlingen könnte. Fest entschlossen war er, die Leute zu warnen. Was vor so langer Zeit einmal war, durfte sich nie wiederholen.


    Felik Garsnik, Sohn des Generals Tonik Garnsik, wurde ihm als erster Ansprechpartner empfohlen, er sollte hier in der Festung das Sagen haben. Kurzerhand machte Selan sich auf. Dutzende male musste der Tiefling einen der herum wuselndenen Goblins nach dem Weg fragen, denn eines konnte man in der Stadt sicher, sich verlaufen.


    Nach einer gefühlten Ewegkeit kam er in ein größeres Hölzernes Tor und unterbreitete der Wache sein anliegen, die ihm sofort zu Felik Garsnik bringen wollte. Doch seine Verwunderung war groß, als er in den Raum geführt wurde, der das Büro von Felik Garsnik sein sollte.


    "Ich suche Arbeit!"


    "Urako, du hier?", staunte Selan.


    "Ich bin beeindruckt, ich habe also doch bei deiner Ausbildung alles richtig gemacht!", strahlte Selan und rannte mit breit ausgrestreckten Armen Urako entgegen.


    "Immer noch hegte ich Zweifel, ich Narr. Dabei war alles nur eine Finte! Gut gemacht, unseren Feind werden wir damit überraschen und nun können wir beide, du und ich endlich gemeinsam Rakshor das Handwerk legen. Ja ich sehe es vor mir. Du und ich, Seite an Seite gegen die drohende Finsternis. Ich bin ja so Stolz, dass du mein Lehrling bist, wenn auch nicht der talentierteste. Aber keine Sorge, Papa Selan wird dir alles bei bringen was er weiß und wird dich zu einem guten Nekromanten machen. Wir werden der Welt Frieden bringen, nieder mit Rakshor!", lamentierte Selan und keuchte einige Athemzüge danach.


    "Im übrigenss, dein Lohn der letzten Monate, ich hatte ihn die vergessen zu geben, verzeih und ... ohhh ... Verzeihung, sie müssen Felik Garsnik sein?"

    Nur ein Tag mit Tee, ist ein lebenswerter Tag. (von Selan Todaric)


    Wenn sie mit dir streiten wollen, biete Tee an. Wenn das nicht hilft, schlag sie tot! (von Selan Todaric)


    Kleine Legende:
    "Text" -> Gesprochener Text /\ >Text< -> Gedachter Text

  • "Papa Selan?!", zischte Urako und warf dem anderen Tiefling einen feindseligen Blick zu. "Brauchst dich gar nicht versuchen einzukratzen! Zwei Jahre lang hast du dich vor deinen Pflichten als Ausbilder gedrückt und so meine Lebenszeit vergeudet! Und du hast vergessen, mich zu bezahlen! Das kannst du in deinem Leben nicht wieder gut machen!" Dass sie auf einer einsamen Insel festgesteckt hatten und noch dazu an entgegengesetzten Enden, ließ er außen vor.


    "Und darum steht ihr zwei Knallköppe jetzt hier und bettelt um Arbeit, ja?" Trotz seiner geringen Körpergröße wirkte der Goblinoffizier durchaus ehrfurchgebietend. Der kleine Mann war stämmig gebaut und unter seinem spitzen Zinken war ein Mund mit schmalen, zusammengepressten Lippen. Sein schwarzes Haar hatte er streng mit einer lackähnlichen Substanz nach hinten gegelt. Obwohl es windig war, wehte nicht ein einziges Haar, die Frisur saß, als bestünde sie aus Gusseisen. "Durch den Krieg haben wir immer Bedarf an Fachkräften: an Ingenieuren, Ärzten, Alchimisten. Was könnt ihr?"


    "Ich bin Henker", sagte Urako und wurde sich gleichzeitig bewusst, wie plump das klang. "Ehemaliger fürstlicher Scharfrichter zu Phintias. Ich habe mehr als zweitausend Exekutionen sauber und fachgerecht durchgeführt. Umständehalber ... eh ... bin ich arbeitslos geworden. Braucht ihr nicht einen hier, der euch um die Last von ein paar Schwerverbrechern erleichtert? Die machen eh nur Dreck und kosten Geld. Geld, was ihr besser im Krieg verwenden könntet."


    Felik Garsnik sah ernsthaft aus, als würde er überlegen. Er strich dabei zärtlich über seine Frisur. "Ein Tiefling, der Goblins hinrichtet ... die Wirkung wäre natürlich eine ganz andere, als wenn das einer von uns ausführt. Hm. Ich werde das mit meinem Vorgesetzten besprechen müssen. Einstweilen kannst du aber im Verlies arbeiten. Der Kerkermeister ist nicht mehr der Jüngste, der kann Unterstützung gebrauchen. Melde dich in der Stadtverwaltung und richte ihnen schöne Grüße von Hauptmann Felik Garsnik aus. Das sollte genügen. Und der andere?"


    Während der Goblin sich Selan zuwandte, begab sich Urako zum Rathaus, von wo aus man ihn zum Verlies brachte. Es handelte sich um eine feuchte, finstere Kelleranlage, die scheinbar in direkter Verbindung mit der Kanalisation stand. Möglicher Weise war sie sogar Teil von dieser. Der Kerkermeister war ein Kerl, der selbst für einen Goblin winzig und dürr war, mit Haaren, die in alle Richtungen abstanden. Und wie es sich für einen Kerkermeister gehörte, ging er gebeugt und mit schlurfenden und humpelnden Schritten.


    "Daff da ift unfere neue Deliquentin", verkündete er. "Eine Aufländerin! Fpinoafe!"
    "Hä?", fragte Urako.
    "Bift du taub? Eine aufländiffe Fpionin! Du follft fie fürf Erfte verhören und in Erfahrung bringen, waf fie hier will! Faffffffffff...tft du daf gut, erhälft du vieleiiiiift eine Anftellung. Fürf Erfte bift du hier nur auf Probe!"
    Damit verschwand das verhutzelte Männlein in den Tiefen des Verlieses, wobei er im Gehen ein Bein hinter sich her zog.


    Urako wandte sich der Deliquentin zu. Es handelte sich um eine ansehnliche junge Frau in einem rosa Rüschennachthemd. Seine Mundwinkel zogen sich auseinander, so dass man sein zahnloses Zahnfleisch sah. Er nahm den Schlüssel zur Hand, den der Goblin ihm gegeben hatte, öffnete die schwere Gittertür, um sie hinter sich wieder zu verschließen und baute sich dann vor der Albin auf.


    "Redest du freiwillig oder muss ich nachhelfen?" Er knackte mit den Fäusten. "Wenn du keinen Ärger machst, mache ich es bei deiner Hinrichtung kurz und schmerzlos. Vielleicht. Also! Wer schickt dich und was sollst du in Erfahrung bringen?"

  • Arafis hatte sich in eine Ecke ihres Verlieses geduckt und zitterte vor Kälte. Das Rüschenkleid schützte sie nicht einmal ansatzweise vor der Feuchtigkeit des düsteren Ortes. Die Dunkelheit machte ihr jedoch wenig zu schaffen, denn ihre Augen hatten sich schnell daran gewöhnt. Anders verhielt es sich mit dem Gestank. Das Odeur der Kanalisation fuhr in jede Ritze des unterirdischen Kerkers und selbst durch den Mund zu atmen, brachte der Gestaltwandlerin nur eine geringe Linderung ein.
    Anfangs hatte sie in einem unbeobachteten Augenblick die Gitterstäbe untersucht, doch auch als Wölfin hätte sie kaum hindurchgepasst. Dann hatte sie wie ein eingesperrtes Raubtier Runden durch die Zelle gezogen. Doch als sie sich dadurch nur noch eingeengter fühlte, beendete sie ihr Tun.
    Nun verharrte sie von einem nackten Fuss auf den anderen tretend an einer Stelle, der kommenden Dinge harrend.


    In ihrem Innern tobten die Gefühle. Wut, Beunruhigung und Ekel rangen um die Wette.
    Ekel vor dem Ort, an dem die Goblins sie eingesperrt hatten, wobei die Ratten sie noch am wenigsten störten. Doch das Stöhnen und schleimige Husten der anderen Gefangen zerrten an ihrem Gemüt und die Enge machte ihr zu schaffen. Ihre Beine wurden langsam müde von dem anstrengenden Tag, doch sich in eine der miefenden bräunlich grünen Pfützen zu setzen, kam sogar für die unkomplizierte Naturfreundin nicht in Frage. Stattdessen rümpfte sie bloss angewidert ihr angegriffenes Näschen.


    Beunruhigung ab ihrer misslichen Lage, in welche sie dank einem dämlichen Vogel geraten war. Obwohl sie keine Angst verspürte, denn Arafis war sich sicher, dass sie den Goblins in Wolfsgestalt bald wieder entkommen würde, sobald man ihr die Pforte öffnete, sorgte sie sich.
    Es würde einen Trubel auslösen, wenn eine Frau sich in eine Wölfin verwandelte. Womöglich würde die ganze Stadt in Aufruhr sein. Wie sollte sie da von dem Berg entkommen? Und wie sollte sie in dem Durcheinander bloss Selan und Urako finden? Oder… wollte sie überhaupt noch mit den beiden Tieflingen reisen?


    Und schlussendlich Wut. Hätte Urako sich nicht aus dem Staub gemacht, wäre sie wohl kaum den Goblins zum Opfer gefallen. Mit einem Tritt hatte er sich gar von ihr verabschiedet. Nicht einmal um Selan hatte er sich gesorgt, der Flug mehr schlecht als recht überstanden hatte mit seiner Ohnmacht.
    Unwillkürlich zog sie die Lippen auseinander und ein animalisches Knurren entrang sich ihrer Kehle. Und diese dämlichen Goblins!
    Misstrauische, eifrige Kerlchen waren das. Sie hatten sich nicht einmal die Zeit genommen, ihr zuzuhören, geschweige denn, ihr etwas anderes zum Ankleiden zu geben.
    Bei den Waldalben wurden sogar Schwerverbrecher besser behandelt… und dabei war sie doch bloss eine Besucherin in dieser schrecklichen Stadt.


    Arafis hätte sich gerne verwandelt, doch ihre Vernunft hielt sie davon ab. Der Goblin würde wohl kaum das Törchen öffnen, bei dem sie nebenbei sogar den Kopf einziehen musste um nicht eine Beule davonzutragen, wenn dahinter eine wütende Wölfin stand, die ihn beinahe überragte.
    Während sie sich also andere Fluchtmöglichkeiten überlegte, näherten sich plötzlich Schritte.


    Die Albin spitzte ihre langen Ohren und erkannte die schlurfenden Schritte des Gefängniswärters, der ihr zuvor einmal eine Schüssel mit einer undefinierbaren Brühe hingestellt hatte, welche Arafis mit den Zehenspitzen in die hintere Ecke ihres Gefängnisses verbannt hatte. Wegwerfen wollte sie das vermeintliche Essen nicht, denn sie konnte ja nicht wissen, wie lange sie noch hier ausharren sollte.Anscheinend war er in Gesellschaft, denn weitere Geräusche hallten in dem Gang wieder.


    Als die beiden Männer vor der Zelle zum Stehen kamen, verschlug es Arafis die Sprache. Ungläubig starrte sie Urako an und konnte sich gerade noch verkneifen seinen Namen herauszuposaunen.
    "Bift du taub? Eine aufländiffe Fpionin! Du follft fie fürf Erfte verhören und in Erfahrung bringen, waf fie hier will! Faffffffffff...tft du daf gut, erhälft du vieleiiiiift eine Anftellung. Fürf Erfte bift du hier nur auf Probe!"
    Nachdem das Hunzelmännchen seinem Nachfolger die Aufgabe erklärt hatte, humpelte er mit einem zufriedenen Grinsen davon. Wenn dieser Grünschnabel die Spionin übernahm, konnte er in aller Ruhe ein Nickerchen geniessen. Er würde erst später wieder gebraucht werden, wenn die Bande ihr Abendessen bekam. Bis dahin…


    Als der Tiefling sich ihr zuwandte und hämisch grinste, zuckte Arafis zusammen. Vermutlich legte ihr Gegenüber es als Angst aus, doch tatsächlich war die Albin noch viel zu perplex, um Furcht zu empfinden. Gerne hätte sie ihm ihre Vorwürfe ins Gesicht geschleudert, doch er hätte sie wohl für verrückt erklärt.
    Im nächsten Moment bewegte sich Urako schneller, als sie es ihm zugetraut hätte und stand plötzlich nur eine Armlänge von ihr entfernt in der Zelle. Die Tür fiel mit einem Ächzen ins Schloss, noch bevor die überrumpelte Albin reagieren konnte.
    "Redest du freiwillig oder muss ich nachhelfen?" Urako knackte mit den Fäusten.


    Was sollte sie ihm antworten?
    Offensichtlich hatte er ihre Gestalt nicht erkannt, was vermutlich ein Glücksfall war. Nun gut, in den zwei bis drei Jahren hatte sie sich stark verändert und der Tiefling würde sich kaum an eine Waldalbin erinnern mögen, auch wenn sie es gewesen war, die ihm einst seinen pinken Wutstein geschenkt hatte.
    Einen Moment überlegte sie, ob sie sich vor seinen Augen in seine von ihm akzeptierte Töli verwandeln sollte. Doch als sie das Szenario abspielte, entschied sie sich mit einem schwachen Kopfschütteln dagegen. Er wäre womöglich so überrascht und in Rage geraten, dass er sie mit blossen Fäusten erschlagen würde.
    Sollte sie ihn mit Worten von ihrem Wesen überzeugen? Sollte sie womöglich Selan erwähnen? Doch auch davor schreckte sie ab seinem Desinteresse für den Gefährten zurück.


    "Wenn du keinen Ärger machst, mache ich es bei deiner Hinrichtung kurz und schmerzlos. Vielleicht. Also! Wer schickt dich und was sollst du in Erfahrung bringen?"
    Seine Worte brachten sie in die Gegenwart zurück. Sie blickte in seine Augen und stellte mit Schrecken fest, dass ihm die prekäre Situation gefiel. Er hatte Macht über sein Opfer und war ganz in seinem Metier. Ein süsslicher Geschmack breitete sich in ihrem Mund aus und sie realisierte, dass sie sich vor Aufregung auf die Zunge gebissen hatte und ihr eigenes Blut schmeckte.


    „Ich..“, setzte sie zu einer Erklärung an, verstummte dann aber mitten im Satz.
    Sie wollten sie hinrichten!
    Nun breitete sich doch ein Gefühl der Angst in Arafis aus.
    Und was ist mit der Möglichkeit, sich zu verteidigen? Kennen Goblins keine Gerechtigkeit? Oder ist das blosse Zeitverschwendung…
    Blitzschnell überlegte sie, während Urako mit seinen Fäusten knackte und sein breites gehässiges Grinsen einem ungeduldigen Zucken seiner Mundwinkel Platz machte.
    Aus den Augenwinkeln bemerkte sie zu ihrer Überraschung beinahe liebevoll, wie sein Pinkpuschel in vertrauter Bewegung hin und her schwang, ohne dabei der stinkenden Brühe zu nahe zu kommen. Beinahe hätte sie ab seiner Eitelkeit gelächelt.
    Stattdessen sprach sie mit wie sie hoffte fester, einschmeichelnder Stimme:
    "Nun gut, ihr habt mich gestellt. Ich sehe natürlich ein, dass ich verloren habe, denn gegen ein solches Kraftpaket würde ich niemals ankommen…“
    Sie liess ihre Worte wirken, dann fuhr sie fort:
    „Tatsächlich bin ich eine Spionin. Und natürlich wurde ich darin geschult, jegliche Foltermöglichkeiten auszuhalten oder mich selbst mit einem mächtigen Zauber ins Jenseits zu befördern, sollte mein Wille zu brechen drohen.“


    Arafis versuchte ihre Worte überzeugt klingen zu lassen, obwohl sie bloss in einem rosa Nachthemd vor dem Tiefling stand, und zwang sich, einen Schritt auf Urako zuzutun und ihn mit ihren Augen aufzuspiessen.
    „Doch dies würde euch bestimmt nicht das Wohlwollen eures Arbeitgebers eintragen, wenn dieser erführe, welch fetter Fang an Informationen ihm durch die Lappen gegangen ist.“
    Arafis hoffte, dass sie Urako inzwischen gut genug kannte, um seine Reaktionen abschätzen zu können, doch sicher war sie sich nicht.
    Weder wollte sie gefoltert, noch hingerichtet werden. Doch eine Hinrichtung bot immerhin einen Aufschub und die Chance zu entkommen, während eine Folter ihr bloss schaden konnte.
    Und womöglich vermochte sie ihn mit einem guten Angebot zu überzeugen.
    „Vielleicht finden wir gemeinsam einen Weg, der uns beiden zu unserem Glück verhilft“, schnurrte die Albin nun plötzlich sanft und musste sich gleichzeitig zusammenreissen, ihm nicht ihre Zähne zu zeigen.

  • "Nun gut, ihr habt mich gestellt. Ich sehe natürlich ein, dass ich verloren habe, denn gegen ein solches Kraftpaket würde ich niemals ankommen…“
    [p]Bei diesen Worten wuchs Urako unwillkürlich um einige Zentimeter.[/p]
    [p]„Tatsächlich bin ich eine Spionin. Und natürlich wurde ich darin geschult, jegliche Foltermöglichkeiten auszuhalten oder mich selbst mit einem mächtigen Zauber ins Jenseits zu befördern, sollte mein Wille zu brechen drohen.“ [/p]
    [p]Und er schrumpfte sogleich wieder. Schöne Scheiße. Was jetzt? Den Deliquenten noch vor der Hinrichtung zu verlieren, wäre das Dümmste, was ihm passieren konnte. Nicht nur, dass er seine neue Arbeit sogleich wieder los wäre, man würde ihn auch keinesfalls ungestraft davonkommen lassen. Er war nur der Vollstrecker des Gesetzes, nicht derjenige, der zu entscheiden befugt war, ob ein Leben verwirkt war, oder nicht.[/p]
    [p]„Doch dies würde euch bestimmt nicht das Wohlwollen eures Arbeitgebers eintragen, wenn dieser erführe, welch fetter Fang an Informationen ihm durch die Lappen gegangen ist.“[/p]
    [p]Sie erhob sich - er prüfte routiniert die Details ihrer Anatomie, die sich eventuell unter dem leichten Nachthemd abheben mochten und wurde nicht enttäuscht - und ihr Gesichtsausdruck änderte sich, als sie senen Blick bemerkte. „Vielleicht finden wir gemeinsam einen Weg, der uns beiden zu unserem Glück verhilft“, schnurrte sie.[/p]
    [p]Urako grinste leicht gequält.
    "Du meinst also, du hast du mich jetzt am Sack mit deinem Suizidzauber, Hübsche. Aber was ist, wenn ich dir versichere, einige Jahre in der Lehre des namhaften Nekromanten Selan Todaric gewesen zu sein? Ich kenne alle schmutzigen Tricks dieser Kunst. Du stirbst - und ich hole dich zurück und nehme mir alle Informationen, die ich haben will. Und fortan bist du meine willenlose Marionette, anstatt nach der Hinrichtung selig in Ainuwars zeitlosem Reich zu schlummern, in einem ewigen Traum vom Glück. Einfacher für dich wäre es, gleich zu plaudern. Und wer weiß? Vielleicht kommst du ja mit einem Verweis des Landes davon, wenn du kooperierst." [/p]
    [p]Er stülpte einen Holzeimer um, der für die Notdurft gedacht, aber noch leer war, und setzte sich darauf. Mit verschränkten Fingern harrte er ihrer Antwort. Nebenbei vertrieb er sich die Zeit damit, ungeniert ihre Gestalt zu mustern. Sie war etwas haarig. Eine so haarige Frau hatte er noch nie gehabt, nicht einmal die brutale Zwergin im Freudenhaus zum Sündenpfuhl hatte solch einen Pelz gehabt. Eine Erweiterung seines Erfahrungsschatzes war nie verkehrt. Er fragte sich, wie die Dame wohl unter ihrem Nachthemd aussehen mochte. Ihr Gesicht kam ihm irgendwie bekannt vor, doch das hielt er für Einbildung. An eine solch auffällige Frau würde er sich garantiert erinnern.[/p]

  • Das Gefieder schimmerte in der aufgehenden Sonne wie hunderte Kristalle und war weithin über die Ebene zu sehen. Die junge Harpyie, welche es so unbesonnen zur Schau stellte, war Ilvara.
    Während sie ihren Körper in den Strahlen wärmte, fuhren ihre klauenartigen Finger sanft durch die Federn, um Ordnung hineinzubringen.
    Sie trug noch immer keine Kleidung am Körper, obwohl sie inzwischen nicht mehr bloss auf Schlachtfeldern danach hätte suchen können. Sie war viel zu eitel, um ihr beinahe schneeweisses Gefieder zu verbergen. Und weshalb unbequeme Lumpen überstülpen, wenn sie doch bereits wie eine Prinzessin gekleidet war?


    So in ihre Pflege vertieft bemerkte sie nicht den riesigen dunklen Wolf, der sich ihr von hinten annäherte. Normalerweise war es Fleygur, ihr Greif, der wachsam die Umgebung im Auge behielt. Er hatte ihr aufgetragen, sich unauffällig zu verhalten, während er sich auf die Jagd begeben hatte. Ilvara hatte in ihrer Naivität keine dezentere Zeitüberbrückung bis zur Rückkehr ihres Freundes gefunden, als ihr Gefieder in der aufgehenden Sonne zu pflegen. Schliesslich war das gut für die weisse Farbe und Lärm machte sie damit auch keinen!


    Der Werwolf, der er eigentlich war, pirschte sich bereits in geduckter Haltung an die Harpyie heran. Er lebte schon lange in den Wäldern rund um Rantamar herum, und hatte bereits manchen unvorsichtigen Goblin verspeist. Vor sehr langer Zeit hatte er einmal ein zivilisiertes Leben geführt, doch seit man sein Geheimnis gelüftet und ihn vertrieben hatte, suchte er keinen Kontakt mehr zu den anderen Völkern. Er war langsam verwildert und nur noch ein kleiner Funke seiner Menschlichkeit war ihm geblieben.


    Er konnte bereits den Geruch des Geflügels wahrnehmen, für das er die Harpyie hielt. Oh ja, sie würde eine ausgiebige Mahlzeit abgeben!
    Diese kleinen Goblins, die meist dazu noch ziemlich zäh waren, stillten seinen Hunger nur für kurze Zeit.
    Der Werwolf war nur noch drei Sprünge von ihr entfernt. Das dämliche Geschöpf achtete in keinster Weise auf seine Umgebung, was das Raubtier doch etwas irritierte. Nun gut, so hatte er eben leichteres Spiel.


    Er konnte bereits die einzelnen weissen Federn erkennen, welche in ihren Spitzen in ein dunkles Braun übergingen. Ein menschlicher Funke flüsterte ihm zu, dass sie schön war. Und lecker.
    Gerade als er nah genug war, um zum tödlichen Sprung anzusetzen, nahm sein scharfes Gehör Schritte war. Er spitzte die Ohren und sein Blick zog in die Ferne. Tatsächlich. Da näherte sich eine Gestalt.
    Der Werwolf gab ein wütendes Knurren von sich, was die Harpyie doch noch aus ihrer Traumwelt riss. Ihr Blick traf auf die goldgelben Augen des Raubtiers und ihr Schreck war die einzige Genugtuung, die dem Tier noch blieb. Im nächsten Moment machte er kehrt, stürmte in den Wald davon und liess eine völlig aufgelöste Ilvara zurück. Zwei Gegnern würde er sich nicht stellen, davor warnte ihn noch immer seine menschliche Vernunft.

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  • Empört ab der dreisten Lüge schoss es wie aus der Pistole aus ihr heraus: „Glücklicherweise weiss ich, dass dem nicht so ist! Ausserdem hast du Selan schmählich sitzen gelassen. Ihn, der dich wie einen eigenen Sohn angenommen und all deine miesen Launen stets mit Ruhe ertragen hat“, während sie sprach, begann sie sich in Rage zu reden.
    „Stattdessen hast du dich lieber mit diesem Widerling Firxas abgegeben. Aber sogar diesen armseligen Tropf hast du schlussendlich vergrault. Und nun willst du dich damit aufplustern, dass du als ach so gelehriger Schüler von dem namhaften Nekromanten gelernt hast?“


    In ihrer humanoiden Gestalt schienen die Gefühle der Loyalität und eigenwilligen Zuneigung zu dem Tiefling plötzlich rasant zu schwinden. Stattdessen spürte sie einen lang gehegten Groll in sich aufsteigen. Zweitrangig wurden die unbeholfenen Streicheleinheiten, die gemeinsamen Jagdausflüge oder die langen Zwiegespräche, welche er in unbeobachteten Momenten mit ihr geführt hatte.
    Alte Erinnerungen stiegen in ihr auf, zurück bis zu dem Augenblick, wo sie mit angesehen hatte, wie er ihre Freundin hinrichtete.
    Und offensichtlich hatte er sich nicht geändert. Sie konnte seine Erregung förmlich spüren, wenn er davon sprach, sie zum Reden zu bringen. Dass er gleich wieder zum Henkersknecht wurde, war doch der beste Beweis, dass er noch immer der Alte war!


    In ihrer Wut war sie näher getreten, so dass er nun zu ihr aufsehen musste. Seine selbstsichere und überhebliche Miene ärgerte sie.
    Was glaubte dieser Kerl eigentlich? Dass er alle herumschikanieren konnte, sich dann aber selbst bemitleidete, wenn die Leute sich von ihm abwandten?
    Schade, dass Selan so gutmütig war. Er hätte sich schon viel früher von diesem miesepetrigen Schmarotzer trennen sollen!
    Ihre Hände ballten sich zu Fäusten, während sie ihn gehässig anfunkelte. Als er sie dann auch noch ungeniert mit den Augen auszuziehen schien, platzte Arafis der Kragen.
    Sie konnte sich gerade noch zusammen reissen, um sich nicht zu wandeln und ihm an die Gurgel zu springen, stattdessen gab sie ein tiefes wolfsähnliches Knurren von sich und entblösste dabei scharfe Reisszähne.
    „Sicher, dass Du mich um einen Kopf kürzen willst? Immerhin hättest Du dann erfolgreich auch noch die Letzte deiner Gefährten vom Spielbrett gewischt. Das würde ja ganz gut zu Dir passen."

  • Unter 1000 anderen hätte er dieses Knurren erkannt. Über Jahre hinweg war diese Stimme das einzige gewesen, dass eine Konstante gebildet hatte, ein Quell der Entspannung, der Zuversicht und von so etwas wie Zuneigung. Ja, er hatte seine Hündin gemocht. Und jetzt, da sie ihr wahres Gesicht offenbarte, da offenbarte sie auch, dass selbst sie ihn verraten hatte. die Welt war ein Sumpf des Leidens, ein Ort der Feindseligkeit und alle Hoffnung nicht mehr als ein einzelner Sonnenstrahl, den dunkle Wolken zugleich wieder verdeckten, ein Vogel, der mit verkrüppelten Flügeln aus dem Ei schlüpfte, um bei seinem ersten Flug in den Tod zu stürzen, ein guter Wein, der zu Essig wurde, bevor er den Gaumen des Verdurstenenden benetzen konnte, eine Fata Morgana und weiter nichts.


    „Und du, Töli“, sprach Urako finster. „Und du hast dich eingereiht in die Armee meiner Peiniger wie alle anderen vor dir. Möge die Tollwut dich holen!“


    Er zog seinen Wutstein aus der Hosentasche, betrachtete ihn noch einen Moment und warf ihn ihr dann vor die nackten Füße. Dann machte er einen Schritt nach vorn, ergriff den Anhänger an der ledernen Kette um ihren Hals, den er unter ihrem verfilzten Haar erst jetzt entdeckt hatte und riss ihn ab. Er umschloss die kleine Axt mit seiner Faust. Keiner seiner Blicke ging noch in ihre Richtung, sie irrten nur über nacktes Gestein und eiserne Gitterstäbe. Er kramte den Schlüsselbund hervor und öffnete quietschend die Gittertür. Er ging hinaus in den Gang ohne sie hinter sich zu schließen, ignorierte das Rufen der Gefangenen und trat auf die schmutzige kleine Straße, die am Eingang des Gefängnises vorbei führte.


    Direkt hinter dem Eingangsbereich befand sich die haushohe Stadtmauer, denn das Gefängnis war in ihren Sockel hineingebaut worden. Es roch nach Feuchtigkeit und nach Urin, aufgeweichtes Papier klebte auf dem Pflaster. Es war nicht gerade die nobelste Gegend. Der Eingangsbereich war bewacht, die Wachstube war von außen durch ein Gitterfenster einsehbar, doch von außen nicht ohne Weiteres zu betreten. Die Tür hatte auf dieser Seite keine Klinke, nicht mal ein Schloss. Wahrscheinlich gab es noch einen anderen geheimen Eingang. Abweisende Blicke trafen Urako von der im Inneren an einem langen Tisch sitzenden Wachmannschaft. Urako hatte keine Ahnung, wie er den Weg freiräumen sollte, damit auch Töli hinausgelangen konnte. Die kleinen grünen Männer waren alles andere als dumm und würden sich nicht so einfach ablenken lassen und er kam auch nicht an sie heran, um mit ihnen zu kämpfen. Obendrein waren sie bis unter die Zähne bewaffnet und er nur ein einfacher Henker.


    Über ihnen erhob sich fauchend ein Heißluftballon über die Mauer. Wenn es tatsächlich ein Schicksal gab, dann hatte es soeben Urako es innerste Gedanken gehört. Doch war ihm trotz dieser Fügung nicht zum Lächeln zumute. Er hob die Hand und ließ eine Flamme zwischen seinen gekrümmten Fingern entstehen. Sie nahm die Gestalt eines kleinen Vogels an, der eigentlich ein Feuerfalke sein sollte, doch nur die Größe eines Spatzen besaß. Als das magische Tier sich erhob, zog es ein Band aus Rauch hinter sich her. Der Vogel stieg in den Himmel und näherte sich dem Ballon. Die Insassen erkannten zu spät, was passieren würde und selbst wenn sie es rechtzeitig erkannt hätten, wäre da keine Möglichkeit gewesen, dem unheilvollen Schicksal zu entrinnen, was auf sie wartete. Der Feuerspatz zischte hinein in die Öffnung des Ballons und im gleichen Moment gab es einen riesigen Knall und einen Feuerball vom Ausmaß eines Marktplatzes. Urako hatte die Größe unterschätzt, die er einnehmen würde und keine Deckung aufgesucht. Zu spät riss er Unterarme und Flügel vor das Gesicht. Die Stichflamme traf ihn wie der Hieb eines göttlichen Streitkolbens und warf ihn um. Die brennende Hülle und der Korb mit den sterbenden Insassen stürzten vor der Wachstube auf die Straße. Heulend und schreiend wälzt Urako sich über das Pflaster, um seine brennenden Haare und seine Kleidung zu löschen.

  • Allein schlenderte Selan durch die Straßen. Traurig waren seine Augen und leer blickende sie durch die gerade am Mittag belebten Straßen. Eigentlich waren die Straßen immer belebt, es war eine Goblin Stadt. Keiner hatte Zeit zu verlieren, es war ihre Art. Jede Sekunde war kostbar, doch wer konnte es ihnen verdenken, sie hatten nur ein kurzes Leben und das sollte ausgefüllt sein.


    Ja das Leben... Selan kam ins Grübeln. Was war nur alles geschehen, warum war Urako so sauer auf ihn? Was hatte er ihn getan? Hatte er ihn zu selten zum Tee eingeladen? War das Teewasser zu warm? Hätte er ihn doch einmal in Bars und Kneipen begleiten sollen, wie er sich es doch oft wünschte. Doch hätten diese eine gute Teeauswahl? Mit Nichten...


    Ohne es zu merken lief Selan immer weiter. Vorbei an Geschäften und Läden. Vorbei an schreienden Erfindern, vorbei an den kulinarischen Köstlichkeiten die die Goblins zu bieten hatten. Lachs mit Schokosoße und Zitrone, Pudding mit Krebsfleisch flambiert, ungerupftes Huhn in Pfeffer-Paprika Panade, dazu wird Orangensaft gereicht. Selan hob die Nase, eindeutig nichts für seine sonst so erlese Nase.


    Es dauerte eine weile, wie lange konnte Selan nicht sagen. 30 Minuten oder doch eine Stunde? Es war Selan sowieso egal, melancholisch war das eheste Wort was den traurigen Tiefling beschreiben konnte. Schwer war sein Gang, tief hing sein Gesicht und ab und an lief eine Träne über das sonst so fröhlich gelbe Gesicht.


    Was sollte er nur machen? Arafis war schon vor Monaten verschwunden, sein einstiger Schüler vor über einem Jahr gestorben, Urako der nichts mehr mit ihm zu tun haben möchte und ein Waagen voller Tee der... Ja, was war eigentlich mit seinem Teewaagen? Wo waren seine Pferde? Hatte er sie vergessen?


    Selan war verwirrt und schüttelt den Kopf. Schon zum zweiten mal in seinem Leben wusste er nicht was er machen sollte.


    Der Tiefling setzte sich inmitten des Waldes auf einen Stein, um nachzudenken. Ruhig war es. Die Luft roch nach frischen Blumen und kein Mensch war weit und breit, ein Ort der Einsamkeit.


    Stille schwelgte in der Luft, bis Selan ein Knacken vernahm. Es war kein gewöhnliches Knacken. Es war ein Knacken des Holzes welches leicht war, beinahe als würde sich jemand anschleichen. Doch wer sollte sich an Selan hier heran schleichen? Selan erhob sich und blickte sich um. Niemand war zu sehen und Selan beschloss sich etwas umzusehen.


    Es dauerte nicht lange dann erspähte er etwas. Ein Werwolf und ein Greif. Eindeutig was hier vor sich ging. Rasches Handeln war gefordert sonst würde bald ein Greif weniger auf Asamura wandeln, aber auch den Werwolf wollte er nichts tun. Warum sollte jemand Schaden nehmen, nur weil er Hunger hatte?


    Selan hatte also keine Wahl und konzentrierte sich. Eiligst murmelte er seinen Zauber und nur Sekunden später entfaltete er seine Wirkung. Faulige Gase breiteten sich rasch in der näheren Umgebung aus. Unendliche Nuancen an braunem Nebel waberten durch die Bäume. Ein Gestank breite sich aus, den selbst Tote als widerlich empfinden würde. Der Zauber des Leichengestanks war Selan wieder einmal geglückt. Konnte er nur hoffen, dass der Geruch den Werwolf nicht sehr angenehm sein würde.

    Nur ein Tag mit Tee, ist ein lebenswerter Tag. (von Selan Todaric)


    Wenn sie mit dir streiten wollen, biete Tee an. Wenn das nicht hilft, schlag sie tot! (von Selan Todaric)


    Kleine Legende:
    "Text" -> Gesprochener Text /\ >Text< -> Gedachter Text

  • Arafis starrte gebannt auf den stacheligen Stein, der ihr zu Füssen am Boden lag wie ein wertloses Stück Abfall. Als Urako ihr den Anhänger entriss, wollte sie ihn im ersten Moment abwehren, doch der Ausdruck in seinen Augen hielt sie davon ab.
    Er hatte sie keines Blickes mehr gewürdigt und war gegangen, so als hätte es sie nie gegeben.
    Im ersten Moment realisierte sie nicht einmal, dass er die Türe offengelassen hatte, so sehr beschäftigte sie dieser Gedanke. Normalerweise fluchte er herum, beschimpfte alles und jeden, wenn er wütend war. Doch dieses Mal – war er einfach gegangen.
    Na und? Sei doch froh, dass er dich nicht gleich erwürgt hat, murmelte die nervige Stimme in ihrem Kopf.
    Du mochtest ihn doch sowieso nie, oder?!
    Widerstrebend schüttelte Arafis den Kopf.
    Nein, natürlich nicht. Wer konnte solch einen aufgeblasenen Grobian schon mögen?


    Noch ganz in der inneren Diskussion gefangen, schrak sie wie ein ängstliches Karnickel zusammen, als plötzlich ein explosionsartiger Knall ertönte. Der Boden bebte unter ihren Füssen und sie wurde gegen die Wand geschleudert.
    Au, das hatte weh getan.
    Etwas benebelt tastete sie ihren Hinterkopf ab, doch ihr Dickschädel schien keinen Schaden genommen zu haben.
    Ihre Augen blieben an der offenen Gittertür hängen und ihre Stirn runzelte sich. Hatte das Beben sie beschädigt oder hatte sie bereits zuvor offen gestanden? Aber das hätte ja bedeutet… nein, es musste dem Knall zu verdanken sein, dass sie ihrer Freiheit wieder einen Schritt näher war.
    Aber schlussendlich spielte es ja auch keine Rolle.
    Sie sprang so schnell auf die Füsse, dass ihr schwindelig wurde und sie innehielt.
    Der Wutstein. Sie griff nach dem pinken Gegenstand, und stolperte dann zu ihrem Gefängnis hinaus.
    Die Gefangenen um sie herum schrien ohrenbetäubend und streckten ihre dreckigen Hände nach ihr aus.


    Arafis ging im Laufschritt in die Richtung, aus der sie den Ausgang vermutete. Doch noch bevor sie das orangerote Flackern an den Wänden bemerkte, kratzte der unverwechselbare Geruch des Rauches in ihrer empfindlichen Nase. Wie angewurzelt blieb die Albin stehen. Nein, das durfte nicht sein.
    Nicht ausgerechnet die Flammen durften ihr den Weg versperren!

    Sie zögerte, doch dann hörte sie hinter sich bereits das aufgeregte Trippeln von einer Schar Goblinfüsse.
    Oooh… sie rannte los, ohne auf die Wärme zu achten, die zunahm, sobald sie die Tür im Blick hatte.


    Draussen herrschte das reinste Chaos!
    Die Wächter waren alle verschwunden, niemand achtete auf die Gefangene, welche rasch durch die Pforte schlüpfte und sich im Schatten schweratmend an die Mauer presste. Arafis versuchte sich einen Überblick über das Gesehene zu verschaffen. Das Feuer kam von einem korbartigen Etwas, das mehr einem Trümmerhaufen glich und die Gasse Richtung Osten versperrte. Als Arafis in den Himmel blickte und dort noch immer angekokelte Fetzchen der Ballonhülle herunterschwebten, hätte sie beinahe gewürgt. In so ein Ding hatte man sie hineingezwungen!


    Sie hörte verzweifelte Schmerzensschreie und presste entsetzt den Wutstein an sich, der die Stacheln daraufhin beruhigend in ihre Handfläche bohrte. Bereits eilten Goblins herbei, um die Flammen an den Resten des Ballons zu löschen und Übergriffe auf umliegende Gebäude möglichst gering zu halten. Ausnahmsweise einmal wirkten sie gänzlich unorganisiert.
    Wie sollte sie bloss von hier wegkommen?
    Dies war eindeutig die Beste Gelegenheit und womöglich auch ihre Letzte. Sie wollte sich gerade abwenden, als sie grässlich bekannte Schreie unter den anderen wahrnahm.


    Arafis wirbelte herum, und erkannte auf der gegenüberliegenden Seite der Gasse eine Gestalt, welche unbeachtet von den eifrigen Goblins heulte und schrie und sich über den Boden wälzte – Urako stand in Flammen!
    Verschwinde von hier, raunte ihr die Stimme der Vernunft zu.
    „Ach, zum Guguck!“, sie rannte los ohne zu wissen, was sie tun sollte. Im Vorbeirennen entriss sie einem Goblin den Eimer Wasser, wobei der kleine Wicht zu Boden purzelte.
    Urakos Kleidung brannte, auch seine Haare hatten Feuer gefangen.
    Die Angst vor der züngelnden Gefahr liess sie schliesslich kurz vor ihm zum Stehen kommen, dann schüttete sie geistesgegenwärtig das kühle Nass über seinem Kopf aus. Tatsächlich konnten damit die die Haare und ein Teil seiner Kleidung gelöscht werden, doch der Pinkpuschel brannten noch immer lichterloh und auch Fetzen seiner Hose.


    Da die Goblins einen Bogen um das kuriose Paar machte, zog sie kurzerhand das schmutzige Rüschenkleid aus, in dem Versuch, damit Urakos Beinpartie zu löschen. Ein heftiger Hieb riss sie zurück, als der Tiefling unkontrolliert herumschlug, dabei landete sie auf dessen Schweif, womit sie zwar die zischende Flamme erstickte, aber Urako auch einen empörten Laut entlockte. Der Wutstein kullerte unbeeindruckt neben den beiden auf den Boden.
    Da sie keine andere Möglichkeit sah, warf sie sich bedenkenlos auf Urako, und versuchte das Feuer an Oberschenkeln und Hintern mit ihrem Gewicht und dem ehemals hübschen Kleidchen zu ersticken.
    Selbst als sie von dem Geruch nach verbranntem Fleisch und Haaren würgen musste, hielt sie seinem Gezappel stand und übergab sich schliesslich kurzerhand auf Urakos linken Flügel.

  • Die Harpyie starrte dem Wolf erschrocken hinterher, der immer kleiner wurde und schliesslich zwischen den nahen Bäumen untertauchte.
    Dieses Vieh wollte sie angreifen! Es wollte sie vermutlich als Mittagessen verspeisen! Wo war bloss ihr Greif, wenn man ihn denn brauchte?
    Noch ganz aus dem Häuschen starrte sie auf die Stelle, wo das Tier verschwunden war, als sie plötzlich einen grausamen Gestank wahrnahm. Wuääh...
    Entsetzt schnupperte Ilvara an ihren Armen, doch der Geruch kam eindeutig nicht von ihr.
    Lag hier etwa eine Leiche, und sie hatte sie noch nicht gesehen?!
    Bestürzt blickte sie von ihrem Felsen herunter, doch auch rund um den Stein war nichts zu erkennen, was diesen fauligen Duft verursacht hatte.


    Egal, was es war, sie wollte weg hier, sonst würde ihr Gefieder noch den Geruch annehmen und das wollte sie keinesfalls verantworten. Der Greif würde sie auch an einem anderen Ort finden.
    Sie sprang auf ihre Beine und wollte gerade die Flügel spannen, als sie nicht weit entfernt einen Mann erkannte, der sie zu beobachten schien.
    Dachte er vielleicht, dass sie diesen Gestank verursachte?
    Obwohl es ihr egal hätte sein können, war sie zu eitel, um ihn in diesem Irrglauben zu belassen.
    So sprang sie elegant von dem Felsen und bewegte sich mit schwingenden Hüften auf den Menschen zu, der er bei näherer Betrachtung offensichtlich nicht war.


    Seine olivgrüne Haut gefiel ihr und auch die kräftige Statur machte einen guten Eindruck. Bei ihm angekommen, musste sie ihren Kopf in den Nacken legen - der Tiefling musste mehr als zwei Meter gross sein!
    „Guten Tag! Ich würde Euch nicht raten, da lang zu gehen. Der furchtbare Geruch stammt nämlich nicht von mir, sondern muss bei dem Felsen seine Ursache haben. Ich glaube, dort verwest eine Leiche, die jemand oder etwas verbuddelt hat!“, angeekelt zog sie ihre Nase kraus und auf ihrer Stirn bildete sich eine leichte Falte.
    „Ausserdem lauern auch noch andere Gefahren. Gerade wollte mich eine wilde Bestie angreifen!“, mit den Armen versuchte sie die Grösse des Wolfes aufzuzeigen.


    „Ihr solltet nicht alleine reisen. Ich tu das auch nicht, aber mein Freund… ist noch unterwegs und ich wollte hier auf ihn warten.“
    Sie musterte den Tiefling aufmerksam und realisierte interessiert die fledermausartigen Flügel, die ein beträchtliches Ausmass haben mussten, wenn sie aufgespannt waren.
    Sofort brachte sie ihre eigenen weissbefiederten Schwingen unauffällig in Szene, indem sie sie leicht vom Körper abspreizte, so dass das Licht der Sonne sich darin verfing.

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  • Urako brüllte wie am Spieß. Die enorme Hitze versegte ihn, ohne dass sein Wälzen und Schreien etwas nützte, dann spürte er plötzlich einen Schwall eisiges Wasser, von dem er sofort mehr auf seinem von Agonie gebeutelten Körper wollte. "Wasseeeer!", brüllte er steinerweichend und streckte eine brennende Hand aus. Doch Töli schlug ihn stattdessen, er konnte deutlich spüren, dass sie ihn schlug und er konnte sich nicht wehren, sie setzte sich auf ihn, um ihn daran zu hindern, dass er sich weiter wälzen und die Flammen so ersticken konnte und dann erbrach sie sich mutwillig auf ihn, um ihn ihre Überlegenheit spüren zu lassen und ihn noch weiter zu demütigen. Urako jaulte und winselte, er klang wie ein waidwundes Tier, er war nicht in der Lage, sich zielgerichtet gegen die Misshandlung der Albin zu wehren, er bäumte sich unkontrolliert auf und schrie.


    Endlich ließ das Gefühl der Hitze nach, sei es durch ein Wunder oder weil das schnell Flammen fangende Brennmaterial des Feuers aufgebraucht war, und Urako lag auf dem Rücken und heulte jämmerlich. Tränen, die ihm nunmehr kalt erschienen, rannen aus seinen Augen und liefen seine Schläfen hinab. In diesem Augenblick wünschte er sich, dass Firxas aus einer Gasse geeilt kam, weil er seine Schreie gehört hätte, ihn in seine weichen Arme nahm. Doch da war kein Firxas. Auch kein Selan, der ihn mit väterlicher Zuneigung tröstete und seine Wunden versorgte, so sorgfältig, als sei er dessen Sohn. Selan? Wo war nur Selan? Wo waren sie alle? Er sah nur Goblins, die aufgeregt umhereilten, redeten und ihre verkohlten Toten aus den Überresten des inzwischen gelöschten Ballons zogen. Und Töli, die nunmehr halb nackt auf ihm saß, so dass er ihre kleinen, haarigen Brüste über sich sah. Arafis, korrigierte er sich gedanklich, denn auch seine Töli war nicht mehr. "Warum?!", heulte er. "Warum nur?" Am ganzen Leib zitternd drehte er sich um, so dass sie von ihm hinunterrutschte.


    Auf Knien hockte er da, keuchend, schlotternd und betrachtete seine Hände. Sie waren rot und schwarz gefleckt, teilweise hatten sie aber auch noch seine normale bleiche Hautfarbe, wennauch stark gerötet. Alle Armhaare waren fort. Es war Urako nicht möglich, auf den ersten Blick festzustellen, ob die dunklen Partien seine verkohlte Haut an diesen Stellen oder Rußreste von seiner verbrannten Kleidung waren, die er breitgeschmiert hatte. Ein Teil seiner Klauen war angeschmort und geschmolzen. Von seiner Kleidung war kaum noch etwas übrig, die trockenen Fasern hatten gebrannt wie Zunder. In schwarzen Fetzen hingen die Reste von Oberteil und Hose von seiner Hüfte wie ein verschmorter Lendenschurz. Lediglich die Fußlappen waren weitestgehend intakt geblieben. Zittrig betastete Urako sein Gesicht. Es war ihm nicht möglich zu beurteilen, ob der brennende Schmerz bei der Berührung von seinen Fingerkuppen herrührte oder von der Gesichtshaut. Jedoch konnte er ertasten, dass von seinen Kopfhaaren nichts mehr übrig war als ein paar bröckelige Klumpen, die mit seiner Haut verschmolzen waren. Die Hörner waren angeschmort wie die Klauen und stanken zum Himmel, schienen aber im Großen und Ganzen in Ordnung zu sein. Recht gut hingegen erhalten war die Quaste seines Schweifes, wobei auch die etwas abbekommen hatte. Immerhin konnte Urako noch sehen, abgesehen von lauter tanzenden weißen Flecken vor seinen Augen. Er schlug die Flügel nach vorn, um sie zu überprüfen. Ihm bot sich ein Schlachtfeld der Flammen dar. Sie zeigten schwere Verbrennungen, waren rot und mit etlichen Blasen übersät und eine schwarze Kruste überzog sie an vielen Stellen. Er hatte sie, als die Stichflamme auf ihn zugerast war, zusammen mit seinen Armen reflexartig nach vorn gerissen, um sich zu schützen. Sie hatten die größte Wucht abbekommen. Das war gut und schlecht zugleich. Er konnte nur hoffen, dass die Flugmembranen heilen würden, ohne dauerhafte Löcher zu hinterlassen, doch er war dahingehend wenig zuversichtlich. Es sah wirklich übel aus. Vielleicht war er nun selbst der Krüppel, als den er Firxas beschimpft hatte.


    Niemand half ihm. Mühsam kam Urako auf die Beine. Mit abgehackten Schritten taumelte er zu einem Springbrunnen, den er zuvor gesehen hatte und der ihm nun unendlich weit weg vorkam. Es schien eine Ewigkeit zu dauern, ehe er ihn erreichte. Unter größten Qualen stieg er über den Rand und legte sich in das eisige Nass und ließ die Fontäne über sich regnen. "Ein Arzt", winselte er und streckte seine verbrannte Hand in Richtung der Vorbeigehenden aus. "Einen Arzt oder einen Heiler!" Doch die Goblins glotzten nur blöde.

  • Arafis war Urako gefolgt, stand hilflos mit hängenden Armen neben dem Brunnen, und beobachtete mit Mitleid in den Augen das Geschehen. Gleichzeitig zermarterte sie sich den Kopf darüber, was sie tun konnte.
    Dies lenkte sie immerhin von dem Anblick ab, den der Tiefling bot. In ihrem Leben hatte die Albin noch nie jemanden brennen gesehen, doch das Bild der Zerstörung würde sie nicht mehr aus ihrem Gedächtnis löschen können. Noch schlimmer war jedoch der Geruch, der ihren Würgereiz aufs Neue herausforderte. Die Mischung aus verbranntem Horn, Haaren und Haut verursachten ihr Übelkeit. Zusätzlich lag noch immer der Qualm des Feuers in der Luft und das Geschrei der Goblins.


    Urakos Rufe übertönten die anderen Geräusche, doch die Goblins glotzen nur doof, um dann weiter ihren Lösch- und Aufräumtätigkeiten nachzurennen.
    Was sollte sie tun?
    Die umherschwirrenden Grünlinge blickten sie bereits argwöhnisch an, und auch den Tiefling musterten sie mit Ekel. Sie schienen sich nicht um sein Leid zu kümmern.
    Arafis verfluchte die Stadt. Wären sie irgendwo im Wald gewesen, hätte sie wenigstens gewusst, welche Heilkräuter die Schmerzen lindern konnten. Doch zwischen all den steinernen Gebäuden gab es keine Pflanzen.


    Sie wollte sich gerade damit abfinden, dass sie dem Tiefling nicht helfen konnte und besser um ihr eigenes Wohl besorgt sein sollte, als ein Goblin im schwarzen Kittel und zerzauster Frisur zielstrebig auf sie zugespurtet kam.
    Neben ihr kam er zum Stehen, starrte einen Moment die halbnackte, behaarte Frau an, dann wanderte sein Blick zu Urako und für kurze Zeit zuckten seine Mundwinkel zu einem gierigen Lächeln hoch, das jedoch niemand bemerkte.
    „Ich sehe, ihr braucht meine Hilfe. Darf ich vorstellen, Bozzy vom Garsnik Clan, Heilkundiger und nebenberuflicher Wissenschaftler, stets zu Euren Diensten“, der relativ junge Goblin verneigte sich akkurat vor der Albin, „und nun sollten wir uns beeilen. Na los, fasst Euren Kumpanen, mein Haus befindet sich ganz in der Nähe, dort bewahre ich auch meine Heilmittel auf!“
    Er schien davon überzeugt zu sein, dass die Frau seinen Worten Folge leisten würde, was Arafis auch tat, im Scheine ihrer Hilflosigkeit.


    Es war nicht einfach, Urako aus dem Brunnen zu bekommen, denn er wehrte sich mit unglaublicher Kraft dagegen, das kühle Nass zu verlassen. Als der Goblin bemerkte, dass sie es nicht schaffen würde, den tobenden Tiefling zu bewegen, kam er rasch zurückgewuselt und drückte ihr Spritze in die Hand.
    „Haut ihm das in den Allerwertesten und er wird zahm wie ein Finnellum. Sorgt Euch nicht, ich kenne mich mit schwierigen Patienten aus.“
    Dies behagte Arafis wenig, doch die scheinbare Ausweglosigkeit der Situation liess sie jede Hilfe annehmen. Dabei bemerkte sie die verächtlichen und misstrauischen Blicke der umstehenden Goblins nicht, welche jedoch nicht ihnen galten, sondern ihrem Retter in der Not.
    Die Albin schloss die Augen, als sie Urako schliesslich mit einer Spur Häme die Spritze in den Hintern jagte.


    Kurze Zeit darauf kam das kuriose Trio in der Behausung von Bozzy an. Der Tiefling hing mehr an Arafis, als dass er sich selbst bewegte und lallte unzusammenhängende Worte vor sich hin. Die Albin war dankbar, als sie das Goblinhaus betraten und sie ihre Last loswurde. Sie bemerkte nicht, wie Bozzy sogleich die Haustüre mit einer Kombination aus Schlössern verhängte, bevor er sich zu ihnen gesellte.
    Da die Albin noch nie in einer Goblinhöhle war, blickte sie sich nun staunend um. Die Einrichtung war in dunklen Tönen gehalten und nur durch kleine Fenster drang Licht in den Raum. An den Wänden hingen Masken und andere Artefakte und in den Regalen standen Glasbehälter herum, in denen seltsame Körper in einer gelblichen Flüssigkeit schwammen.
    Ob er diese wohl zum Kochen verwendete?


    Als Bozzy ihr Interesse bemerkte, wandte er sich ihr zu und beendete vorübergehend seine Inspektion von Urakos Flügeln, die ihm unter der Betäubung wie zwei Waschlappen vom Rücken hingen.
    „Ihr habt bestimmt Durst. Schafft den Tiefling doch schon einmal nach unten, während ich Euch einen Tee zubereite. Ich komme gleich nach.“
    Arafis nickte. Es war nicht unüblich, dass Heiler ihre Wohnung von ihrem Tätigkeitsbereich trennten. So griff sie behutsam nach ihrem Begleiter und zog ihn zu der Tür, welche über eine Treppe in den Keller hinunterführte.
    Sie gelangten in einen Raum, in dessen Mitte eine seltsame Liege stand. An den Seiten hingen Ketten mit Ringen herunter, offensichtlich hatte er wirklich öfters mit schwierigen Patienten zu tun.
    Arafis Achtung vor dem angeblichen Heiler stieg und sie beorderte Urako auf den Schragen, wo er vor sich hinbrabbelnd sitzen blieb.
    Während des Wartens begutachtete die Albin den Raum. Überall standen seltsame Gerätschaften herum, die sie nicht zuordnen konnte. Teleskope, Lupen, Verdampfungsgeräte, Zangen und sogar eine Säge konnte sie ausmachen. Auf einem Tisch stapelten sich Bücher, Pergamente und auch hier waren die seltsamen Behälter aufgestellt, die sie bereits im Wohnbereich beobachtet hatte.
    Zwei weitere Türen führten aus dem Raum hinaus, hinter einer davon waren seltsam scharrende Laute zu vernehmen. Arafis wollte bereits darauf zugehen, als auch schon Bozzy den Raum betrat mit einer grossen Tasse Tee.


    „Das wird Euch gut tun“, raunte er ihr zu und seine dunklen Augen leuchteten auf, als sie einen Schluck kostete.
    Es war ein seltsamer Geschmack, der sich in ihrem Mund ausbreitete. Sie meinte Minze darin zu erkennen, aber auch ein beruhigendes Mittel, das sie noch aus früheren Zeiten kannte. Und dann noch eine unbekannte Note. Sie war jedoch durstig und leerte das Gebräu in einem Zuge.
    „Könnt Ihr ihm helfen? Wisst Ihr, obwohl wir nicht die besten Freunde sind, hat er das nicht verdient“, sprach sie zu dem Goblin. Gleichzeitig bemerkte sie, wie ihre Zunge schwer wurde.
    Er hat es wohl etwas zu gut gemeint mit dem Beruhigungsmittel, schoss es ihr durch den Kopf.
    Im nächsten Moment spürte sie, wie die Kraft aus ihrem Körper schwand und ihr Kinn auf ihre Brust sackte.
    „Krokus, her mit Dir du unbrauchbarer Stinkstiefel, mach dich nützlich, sonst schick ich dich wieder in dein Loch zurück, aus dem du hergekommen bist! Schaff die Wandlerin in ne Zelle, bevor sie wieder bei Sinnen ist, den Dicken werde ich erst noch schnell versorgen! Und pass auf, dass du sie nicht beschädigst“, ein gieriges Lachen war zu hören. Arafis versuchte sich zu bewegen, doch als eine dunkle Gestalt mit peitschendem Schweif auf sie zukam, verlor sie die Besinnung.

  • Pavo ließ sich im Außenbereich einer Taverne gerade eine üppige Mahlzeit schmecken, als er stutzte. Er hatte ein komisches Gefühl und er vertraute stets auf seinen Instinkt. Irgendetwas geschah, die Luft verdunkelte sich für einige Sekunden. Dann gab es einen ohrenbetäubenden Knall. Schlagartig begriff Pavo, eines der Luftschiffe war in die Luft geflogen. Oder besser gesagt, es war explodiert.


    „WEG HIER!“, brüllte ein Goblin in der Nähe um die anderen umstehenden zu warnen.


    Pavo suchte Schutz im Eingang der Taverne und schaute mit der kalten, analytischen Gleichgültigkeit eines Forschers dem Schauspiel am Himmel zu.


    Der Himmel mit dem brennenden Luftschiff war zuerst noch ein sanftes, düsteres-rotes Glühen, dass man durchaus als schön bezeichnen konnte. Das Leuchten vertrieb die seltsame Schwärze. Asche. Es handelte sich dabei um Asche die von dem Schiff herabregnete.


    Ein Horde von Goblins in der Nähe fuhr herum und stürzte davon. Zeitgleich kamen andere Goblins angerannt um dem brennenden Schiff Herr zu werden und das Flammenmeer zu löschen, dass das Schiff unter sich verursachte. Mit jeder vergehenden Sekunde nahm das Glühen und die Gewalt der Flammen zu, steigerte sich zu einem Orangerot, dann zu Gelb…


    Die Zeit schien stehenzubleiben.


    Ein Tiefling stand genau unter dem brennenden Schiffwrack dass sich noch einen Moment am Himmel hielt. Schützend riss er die Arme nach oben, als könnten diese die Flammen abhalten. Aber die Explosion, das Licht und die Druckwelle waren schneller als der Bursche.


    Er wurde zu Boden geschleudert. Die Hitze folgt unmittelbar. Eine brüllende Feuerwolke walzte sich auf den Tiefling nieder. Walzte sich durch die Gassen, dabei einen lodernden heißen Schlund durch die Stadt brennend wie Drachenatem.


    Holz, Bauwerk und alles Leben was es unmittelbar berührte, versengte es und verbrannte seine Opfer. Die Retter hatten alle Hände voll zu tun.


    Und mitten in diesem Inferno lag der Tiefling am Boden. Die glühende Hand des Feuers nagelte ihn auf dem Pflaster der Straße fest. Der Mann schrie vor Schmerzen grauenvoll auf. Die Luft um ihn herum kochte. Sichtbares Feuer fraß sich gierig in seine Haut und unsichtbares Feuer verbrannte seine Lungen, als er weiter zu atmen versuchten.


    Die Hitze war unbeschreiblich. Selbst aus der Entfernung spürte Pavo wie die Brände wüteten.


    Durch einen Schleier aus Tränen die seine Wangen hinab rannen sah der Tiefling, wie die Flammenwolke tiefer auf ihn hinabstieß. Sein Fleisch brannte. Flammen brüllten unmittelbar auf dem Tiefling, züngelten um ihn herum am Bodenbewuchs, leckten knisternd an seinem Körper.


    Der Tiefling schrie jämmerlich vor Schmerz und Angst, aber das Tosen des Feuers schluckte fast jeden seiner Laute.


    Der alte Goblin sah eine Albin die versuchte den Tiefling zu löschen. Aber der Mann war nicht mehr Herr seiner Sinne. Er schlug weiter um sich, versuchte die Flammen auszuschlagen indem er sich wie besessen auf dem Boden hin- und her wälzte. Zeitgleich überschüttete ihn die Frau mit einem Eimer Wasser und versuchte die Flammen mit ihrer Kleidung zu ersticken und mit bloßen Händen und sogar ihrem Körper auszuschlagen.


    Der ehemalige goblinische Priester schaute gebannt dem Spektakel zu und musste insgeheim den Mut der Albin loben. Auch wenn sie sich selbst dadurch in Gefahr brachte, was Pavo überhaupt nicht nachvollziehen konnte. Aus dem Grund wartete er ab und schaute weiter zu, was zwischen den beiden geschah.


    Der verbrannte Tiefling wankte zum Brunnen. Pavo verließ seinen Ausguck und konnte kurz ein paar Worte mit dem Mann wechseln. Er war verbrannt. Seine Haut war an einigen Stellen schwarz, das Fleisch lag offen und an manchen Stellen hatte seine Haut Blasen geschlagen. Der Tiefling brauchte medizinische Hilfe, die ihm Pavo gerne für eine Gefälligkeit geben wollte.


    Der Tiefling war wütend. Er sprach voller Hass über eine Person die ihn verraten hatte, während Pavo versuchte dem Mann zu helfen. Ein Henker war der Tiefling. Ein kräftiger dazu. Der Mann hatte zwar keinen Taler in der Tasche, so dass er den alten Goblin nicht für seine Heilkunst bezahlen konnte, aber Pavo war clever genug um zu erkennen, dass das Geschäft hier nicht in Form von Talern zu machen war.


    Er selbst war alt, nicht gerade der fitteste und er hatte stets Bedarf an neuen Versuchsobjekten. Der Henker als zeitlich begrenzter, kostenloser Assistent, kam ihm da gerade wie gerufen.


    Urako so hieß der Tiefling, war mit dem Handel einverstanden. Etwas misstrauisch war der Mann. Nun nach dem Erlebten wollte Pavo es ihm nicht verdenken. Der Tiefling bestand darauf einen Nekromanten Namens Selan aufzusuchen. Nun für den Goblin-Heiler war dies kein Problem. Im Gegenteil, einen Nekromanten aufzusuchen, konnte sicher ein hochinteressanter Ausflug werden - wenn damit nicht zu viel Fußmarsch verbunden war.


    Doch gerade in dem Moment wo sie aufbrechen wollten, wurde der Tiefling erneut von einer Schmerzattacke übermannt und stürzte zurück in den Brunnen.


    Die Albin war umgehend an der Seite von Urako. Sie hatte von dem kurzen Gespräch zwischen dem alten Goblin und dem Tiefling nichts mitbekommen. Wie auch? Der Frau war die Sorge ins Gesicht geschrieben.


    Pavo hielt sich erneut im Hintergrund, so wie es alle aus seiner Bande taten, und beobachtete die Szene. Bozzy, ein junger Goblin tauchte auf und bot seine Hilfe an. Bozzy eine genauso zwielichtige Gestalt wie er selbst, lachte Pavo innerlich. Er reichte der Albin eine Spritze. Nachdem die Frau dem Tiefling die Spritze in den Hintern gejagt hatte, folgte ihnen dieser lammfromm wie ein Schoßhund.


    Pavos stahlblaues Auge folgte der Dreiergruppe wie sie gemeinsam in Richtung Bozzys Heim abzogen. Er gewährte ihnen noch einige Minuten, dann nahm er die Verfolgung auf. Das Bozzy neues Material für seine Forschungen benötigte verstand Pavo aus vollem Herzen. Allerdings raubte der kleine Kerl ihm da gerade seinen Assistenten, den er selbst für die gleiche Aufgabe dringend benötigte! Das konnte Pavo nicht hinnehmen.


    Kaum hatten sie das Haus betreten, wartete Pavo die Anstandsminuten vor der Tür ab, bis Bozzys Narkotikum wirken würde. Er war ja kein Ungoblin.


    Danach hämmerte der ehemalige Priester allerdings vor die Tür des Kollegen.


    "Bozzy mach auf, ich bin es Pavo. Du hast versehentlich etwas mitgenommen, dass mir gehört, junger Mann!", rief der alte Goblin.


    Es dauerte erneut einige Minuten, dann wurde die Tür einen Spalt breit geöffnet und Bozzy schaute mit der Nasenspitze heraus.


    "Pavo", grüßte er respektvoll und machte den Weg frei.
    Die beiden Goblins passierten die Tür, die Bozzy nach ihrem Eintreten wieder vielfach verriegelte und verschloss.


    „Willkommen in meinem Heim“, sagte er fast fröhlich.
    "Danke. Wo ist der Tiefling?", fragte der alte Heiler ohne Umschweife.


    Pavo schaute sich neugierig im Heim des Kollegen um, während sich Bozzy sichtlich zu entspannen schien. Der alte Goblin warf Bozzy einen Blick zu und schaute sich dann weiter um. Bozzys Heim war genau wie sein Reich in Shohiro ein chaotisches Museum und Labor in einem. Bozzy schien alles zu sammeln, was ihm irgendwie interessant erschien, und was er noch nicht erforscht oder klassifiziert hatte.


    "Sehr schöne Exponate mein junger Freund", lobte der alte Goblin, während er dem jungen Kerl in den Keller folgte.


    Auch der Keller war sehr gut eingerichtet, wie Pavo erfreut feststellte. Bozzy wusste, dass man mit Pavo nicht spaßen durfte. Zwar war der alte Goblin kein Gegner in einem Kampf Mann gegen Mann, aber dafür waren seine "Clangeschwister" mit denen er sich umgab umso gefährlicher. Von Pavos eigener Leidenschaft für Gifte und Hinterhältigkeit ganz zu schweigen.


    Da saß er nun, sein Assistent, mitten auf einer Liege mit Fixatoren.


    "Der Tiefling gehört mir Bozzy. Da gibt es keine Diskussion", erklärte Pavo mit einer Stimme die keinen Widerspruch duldete.
    "Ein Versehen Pavo. Du verstehst dass doch", sagte der junge Goblin.
    "Natürlich, wenn Du mir mein Eigentum aushändigst, vergessen wir die Sache - Kollege", stimmte Pavo freundlich zu.


    "Einverstanden. Nimm ihn mit. Er ist handzahm. Noch wirkt die Gefügigkeitsdroge. Was ist mit der Gestaltwandlerin Pavo? Von ihr hast Du nicht gesprochen. Ich schließe daraus sie ist freies Beutegut oder? Ein bisschen Geschäft musst Du mir auch lassen, von Kollege zu Kollege", warf Bozzy höflich ein.
    "Es geht mir nur um den Tiefling, er ist kein Forschungsgegenstand, er ist mein Assistent. Die Frau schert mich nicht", antwortete Pavo leichthin.


    Der alte Goblin näherte sich der Gestaltwandlerin. Die Albin war in sich zusammengesunken. Der Kopf von ihr war herab gesackt und ihr Kinn ruhte auf ihrer Brust. Pavo trat ganz nah an die Frau heran, griff ihr in die Haare und zerrte ihren Kopf kurz in den Nacken. Er begutachtete sie ohne jede Emotion.


    "Schönes Exemplar. Wird Dir entweder eine gutes Summe bringen, oder Dir viel Freude in der Forschung bereiten. Wandler sind hochinteressante Forschungsobjekte. Falls Du sie sezierst, könntest Du mir einen Anatomiebericht über ihre besondere Physionomie schicken. Das würde mich sehr freuen Bozzy. Ich lese gerne Arbeiten von Nachwuchstalenten. Nur sieh zu, dass Du sie sicher verschließt. Mit Wandlern ist nicht zu spaßen junger Freund", mahnte der alte Goblin und ließ die Albin wieder los.


    "Gerne. Und wie gesagt, dass mit dem Tiefling war ein Missverständnis - nichts für ungut", grinste der junge Forscher. Der alte Heiler nickte gutmütig und versöhnlich.
    "Von nichts anderem bin ich ausgegangen", lächelte Pavo liebenswürdig.


    "Urako folge mir", befahl Pavo mit befehlsgewohnter Stimme und ging langsam vor. Der ehemalige Priester ging wieder nach oben, öffnete die Tür und verließ Bozzys Haus. Der Tiefling folgte seinem neuen Arbeitgeber auf dem Fuße.

  • Die Droge wirkte rasch. Die Beine gaben unter ihrem Körper nach und wie ein Kartoffelsack rutschte sie neben der Liege zu Boden. Urakos Füsse und sein Schweif baumelten direkt neben ihr in der Luft und schienen ihr plötzlich zuzuwinken. Sie wollte sie grüssen und zurückwinken, doch ihre Gliedmassen gehorchten ihr nicht mehr richtig.
    Wie lange sass sie schon da?
    Es konnten erst einige Minuten vergangen sein, doch der Albin kam es wie eine Stunde vor, als ein Goblin an sie herantrat.
    War der schon vorher da gewesen?
    Nein, es war nicht Bozzy. Dieser hier hatte Falten wie ein Runzelschwein. Ein unkontrolliertes Kichern kam über ihre Lippen und endete in einem unverständlichen Geblubber.


    Die beiden Grünschnäbel schienen miteinander zu diskutieren, doch Arafis vermochte ihren Worten nicht zu folgen. Sie dehnten sich unendlich in die Länge, wie in Zeitlupe.
    „Dääär Tiiiieeefliiüüng gehöööört miiüüür…“
    Wieder hickste Arafis belustigt auf und versuchte Urakos Zeh zu fassen, um ihn auf die lustige Redeweise der beiden aufmerksam zu machen.
    Damit lenkte sie jedoch das Interesse des Runzelschweins auf sich.
    Er trat an sie heran, hob ihren Kopf und musterte sie gelassen. Die Albin versuchte sich von ihm los zu winden, brachte jedoch nur ein leichtes Nicken zustande. Ihr Kinn sank zurück auf die haarige Brust, als er von ihr abliess und sie starrte unverwandt auf die schmutzigen Schuhe des Goblins.
    Was für grosse Latschen diese Winzlinge doch hatten, wunderte sie sich. Lustig, dass sie damit überhaupt laufen konnten!


    Erst als Pavo einen Befehl gab, hatte er plötzlich Arafis‘ ungehinderte Aufmerksamkeit.
    „Üüüraaakoooo, foolgäää miiüüür!“, waren seine Worte.
    Dieses Mal jedoch brachte die Sprechweise die Albin ganz und gar nicht zum Kichern.
    Langsam sickerte der Sinn in ihren benebelten Verstand hinein und löste eine Panikattacke in ihr aus, als sich der Tiefling tatsächlich erhob, und hinter dem Runzelschweinchen hertorkelte.
    Er konnte sie hier doch nicht einfach zurücklassen!
    Sie hatte ihm doch helfen wollen, und eigentlich mochte sie den verschrobenen Kerl doch gar nicht so ungern.


    „Aartäää“, brabbelte sie, und griff in einem verzweifelten Versuch nach dem Pinkpuschel, der gerade noch vor ihrer Nase gebaumelt hatte.
    Urako liess sich jedoch nicht aufhalten. In dem Versuch sich aufzurappeln, verlor ihr Körper das Gleichgewicht und kippte unbeholfen zur Seite, wo sie hilflos liegen blieb.
    Ihre Augen verfolgten, wie der Tiefling über die Treppe verschwand und sie bei Bozzy und seinem Handlanger zurückliess.


    Obwohl die Droge sie benebelte, war sie sich plötzlich gewiss, dass sie in eine Falle geraten waren. Und sie selbst war Schuld daran. Hätte sie seine Hilfe doch nicht angenommen und wäre sie doch bloss nicht erst im Gefängnis gelandet.
    Ein Schluchzen rang sich aus ihrer ausgetrockneten Kehle hervor.
    „Sperr sie in die freie Zelle neben den Gargoyle. Dort kann sie ihren Rausch ausschlafen“, grinste Bozzy, der einen Augenblick lang bedauerlich dem Tiefling nachblickte, bevor er mürrisch Krokus anwies, die Albin einzukerkern.
    Sie wurde grob gepackt und weggezerrt.
    Das Tageslicht sollte sie für längere Zeit nicht mehr zu Gesicht bekommen. Nur die Erinnerungen an die warmen Sonnenstrahlen, Selans gutmütiges Lächeln und Urakos unbeholfene Hände in ihrem Fell hielten sie in der folgenden Zeit davon ab, ihre Hoffnung gänzlich aufzugeben.

  • Es blitzte in seinem Kopf.


    Urako verstand gar nichts mehr. Die Zeit schien gestückelt zu verlaufen, abgehackt, ein Fetzen reihte sich sinnlos an den nächsten. Er war in einem gleißenden Feuerball verbrannt, plötzlich lag er in einem Haus. Eine Insel und ein Wildschwein. Er verstand keinerlei Zusammenhänge zwischen diesen Existenzfetzen mehr. Was war dazwischen geschehen? Waren sie nur Träume, Halluzinationen oder erlebte er das alles wirklich?


    Er versuchte, sich zu bewegen. Seine Arme und Beine waren festgeschnallt. Hä? Fesseln? Blitze zischten durch seinen Kopf, ein Liebesspiel mit Firxas, der seine Handgelenke mit einer Liane knebelte und seine Reißzähne über seinen Bauch zog, Urakos Schenkel zuckten, dann war da aber plötzlich ein Goblin, der sich über ihn beugte und ihn nur blöde anglotzte. Wo kam der denn her? Blitz!


    Ein Deckengewölbe, der anschwellende Feuerball! Wallende Hitze, die ihn umstieß. Schmerzen, Schmerzen, Schmerzen! Blitz!


    Ein Regal voller Ramsch. Klimpernde Gläser. Wein? Bier? Urakos Kopf rollte wild hin und her. Seine Pupillen waren abnorm geweitet. Irgendwelche Stimmen, die nur Unsinn faselten. Wieder machte sich jemand an seinen Handgelenken zu schaffen, aber nicht Firxas, sondern irgendwer anders. Zum Henker, wer war dieser grüne Sack? War er in einem verkackten Freudenhaus und hatte sich mit diesem Kerl da eingelassen? Seit wann trieb er es mit Goblins? Und wo war Selan? Blitz!


    Ein Richtbeil in seinem Schädel, wieder und wieder! Urako brüllte vor Schmerzen.


    Plötzlich stand er auf seinen wackeligen Beinen. Sie waren verschmort. Wieso waren seine Beine verschmort?! Urako fing an zu zittern. Alles, alles an ihm war verbrannt, schrumplig und stank! Töli saß an der Wand, völlig zusammengesunken. Die Verräterin. Soeben grabschte sie unbeholfen nach seinem kahlen Schweifende. Sie sah besoffen aus. Das Grabschen nach diesem intimen Körperteil konnte man durchaus als anzügliche Geste deuten. Sie sah gut aus, mit all ihren Haaren. BLITZ!


    Urako machte einen unkoordinierten Schritt in ihre Richtung. Er rang sich ein Grinsen ab, das wegen seiner Verbrennungen derart schief war, dass es aussah wie eine Geisterfraze und streckte nun seinerseits die Hand aus nach ihr. Er kippte nach vorne über und fiel auf die Knie. Einen Moment lang sank er mit der Stirn an ihr Schlüsselbein. Sie roch nach Wolf. "Du ungezogenes Biest", raunte er lallend, da er kaum die Lippen und die Zunge bewegen konnte. "Bist gar kein Hund." Blitz!


    Töli mit ihm auf der Jagd! Töli an seiner Seite! Töli, durch deren Fell er strich! Urako krampfte zusammen und gab einen unartikulierten Laut von sich. Trug sie eigentlich noch sein Glücksäxtchen um den Hals? Aus irgendeinem Grunde wollte er es wissen. Er musste es wissen! Seine steifen, verbrannten Finger tasteten an ihrem Hals herum. Blitz!


    "Urako folge mir."


    BLITZ!


    Die Stimme zog ihn wie an Fäden zu sich. Urako ließ die Hand sinken, erhob sich willenlos, starrte noch einmal glasig auf die zusammengesunkene Frau zu seinen Füßen und drehte sich dann steifbeinig um. Blitzgewitter!


    Feuerball! Brunnen! Firxas ... und Selan? Wo war Selan! Die Blitze fuhren wie Harpunen durch Urakos Kopf. Er wollte zu seinem Lehrmeister, wollte auf der Stelle von ihn verarztet werden! Doch der alte Mann da befahl und er musste gehorchen. Wieso eigentlich? Wurde er dafür bezahlt? Irgendetwas zwang ihn, ihm zu folgen. Magie ... Magie musste es sein. Blitz!


    Ohne noch einmal zu seiner Töli zurückzuschauen, folgte Urako dem fremden alten Goblin.


    Er erinnerte sich später nur an Bruchstücken von alledem.