Schwarzwasser
Drustel Hexinger kannte all die miesen Tricks der kleinen und großen Schmuggler. Bis vor kurzem hatte er als gewöhnlicher Soldat gedient. Mit Beginn dieses Jahres war ihm erstmals das Kommando über ein Boot samt Besatzung anvertraut worden. Lange genug hatte es gedauert, von der Sache her war er für diese Beförderung schon etwas alt. Sein Vorgänger hatte sich hartnäckig auf seinem Posten festgefressen und es hatte eines Unfalls bedurft, um den Platz für Drustel zu räumen. Entsprechend begierig war er darauf, sich zu beweisen. Noch war Drustel ein Niemand, die Mannschaft mürrisch und das Wetter schlecht. Von Schmugglern keine Spur.
Wo das Motorboot entlangfuhr, hinterließ es einen dreckigen Schaum aus Eis, Schnee und Chemikalien auf den Wellen. Von Obenza aus war es eine Fahrt von zwei Tagen bis zur verlassenen Bohrinsel. Eine lange Zeit, in der viel passieren konnte.
In den Weiten des Dhunischen Ozeans war die Schmugglerhochburg nur zu finden, wenn man sich mit den Grundlagen der Navigation auskannte. Viele verfuhren sich. Im Schutz der rauen Witterung versuchte manch Glücksritter oder Hoffnungsloser, sich in einem selbstgebauten Gefährt an den Augen der Oltremarini vorbeizumogeln. Jede Ware musste verzollt werden. Was nicht legal war, wurde beschlagnahmt und vernichtet. Dass die Wahrheit oft anders aussah, war ein offenes Geheimnis. Staatliche Legitimation und überlegene Technik war alles, was die Oltremarini von den Kriminellen unterschied, die sie jagten.
Der Wellengang machte der Barrakuda wenig aus. Die Geschwindigkeit strafte ihre klobige Form Lügen. Der LV80 war schließlich für diese Arbeit konzipiert. Mit sieben Metern Länge handelte es sich um eines der kleinen, schnellen Motorboote aus den Reliktbeständen des ledwicker Militärs. Er wurde von zwei im Boden liegenden Schaufelrädern angetrieben, die in der Mitte das Wasser ansaugten und seitlich mit scharfem Strahl wieder ausstießen. Aufgrund der stufenlos um 360 Grad drehbaren Austrittsöffnungen war er extrem manövrierfähig. Um die Leistung zu erhöhen und die Ausfallwahrscheinlichkeit zu senken, wurde das Motorboot von gleich zwei luftgekühlten Kraftstoffmotoren angetrieben. Selbst in sehr flachem Wasser schoss die Barrakuda schneller als die meisten zivilen Boote dahin.
Hier jedoch war die See tief und dunkel, der Wind nahm zu. Lud dieses Wetter nicht dazu ein, es mit den Oltremarini aufzunehmen? Mit dem Fernglas blickte der Offizier hinaus, der Fahrtwind riss an seiner Kleidung. Er trug eine Schneebrille gegen den eisigen Sturm, die dicke Mütze hatte er über die Ohren gezogen und den schwarzen Mantel mit dem Fellfutter hochgeschlagen.
Ein Schemen im Nebel.