Beiträge von Floh

    Floh meinte direkt wieder ihren gepeinigten Hintern zu spüren vom letzten Treppensturz, doch sie kam Ginimo hinterher, allerdings ohne seinen gefährlichen Hopser zu imitieren, der ihr ein amüsiertes Kichern entlockte.
    Auf seine Worte hin betrachtete sie neugierig die Wand und fuhr mit der Hand über die raue Struktur. Tatsächlich konnte sie das Loch erkennen und stecke promt ihren Finger rein, um das Gemäuer zu ertasten. Dies entlockte Ginimo ein Lächeln. Floh war überrascht, dass er sich für das Haus und seine Geschichte interessierte.
    Doch was hatte sie erwartet? Dass er sich nur für Musik begeistern konnte? Naja, eigentlich schon. Im Grunde hatte sie nie darüber nachgedacht, was hinter dem Künstler noch alles stecken mochte. Sie hatte bloss sein Bühnen-Ich angehimmelt.


    „Dieser Zott ist schon etwas unheimlich. Er muss von weither stammen. Und wie alt er wohl ist? Ich finde es ekelig, sich in Stoffstreifen einzuhüllen… Ob er sich zwischendurch auch mal wäscht?“, sie kicherte bei dem Gedanken an die Mumie im Schaumbad.
    „Alles okay, Floh? Willst du lieber runter? Das Lied musst du nicht hören, wenn du nicht magst“, meinte da ihr Begleiter plötzlich und blickte sie erwartungsvoll an. Offensichtlich war sie mit ihren Gedanken wieder abgeschweift und hatte dabei an ihrem Daumen rumgeknabbert. Schnell nahm sie die Hand runter und steckte sie peinlich berührt in die Taschen ihres Kleidchens.
    „Entschuldige, ich wieder. Klar möch…“, weiter kam sie nicht, denn die Tür zum Treppenhaus wurde aufgerissen und mit lautem Gepolter kam ein junger Almane kam hochgerannt.
    Beinahe hätte er die beiden Goblins übersehen, blieb dann jedoch abrupt stehen, als er Ginimo erkannte. Der Bursche trug eine verschmutzte Schürze und gehörte offensichtlich in die Küche.
    Er war ganz aufgeregt und plapperte auch gleich los: „In einer Stunde müssen alle aus dem Schluckspecht draussen sein, die nicht an einem weit entfernten Ort landen wollen. Die Rakshaner sind im Anmarsch und plündern bereits nahe gelegene Dörfer, die Bewohner von Trux packen bereits ihr Hab und Gut zusammen und fliehen vor der Bedrohung. Zott hat irgendwas von einem Regler gesagt und dass er den Schluckspecht nicht der Verwüstung preisgeben will. Ich soll alle Gäste davon unterrichten!“, mit diesen Worten stürmte er weiter, um an Türen zu klopfen und die Leute zu informieren.


    Floh starrte Ginimo bestürzt an.
    „Meine Familie!“, waren die ersten Worte, die sie hervorstotterte.
    „Ich muss ihnen helfen. Bestimmt packen sie auch die Sachen zusammen. Meine Mutter hat bereits davon gesprochen, doch Vater hat sie immer beruhigt und gemeint, der Krieg gehe an uns vorüber. Wenn die Hendrix-Familie von nebenan flieht, wird Mutter aber bestimmt nicht mehr bleiben wollen. Sie ist sehr besorgt immer!“
    Unruhig trat sie von einem Fuss auf den anderen und ihre Schlappohren wippten unglücklich mit. Die Musik war völlig vergessen, denn jetzt galt es, ihre Eltern zu unterstützen. Oder waren sie vielleicht bereits auf der Suche nach Floh und machten sich Sorgen?
    „Hast du auch eine Familie in der Stadt? Wir könnten zusammen nach Trux gehen, unseren Familien helfen und vielleicht können wir dann alle gemeinsam losreisen. Es ist bestimmt auch sicherer, als alleine kopflos zu fliehen“, meinte sie schliesslich zu Ginimo und blickte ihn ängstlich an. Nur ungern wollte sie den Goblin wieder aus den Augen verlieren, doch die Furcht vor den Rakshanern schlich sich bereits wie ein Gift in ihre Gedanken und drängte sie zum Aufbruch.

    Ginimo


    Ginimo war total fokussiert. Nur mit dem Gedanken hinauf schnellstmöglich einen Stift zu besorgen, kam er oben an. Die Tür öffnete er mit viel Elan. Sofort fand er einen Stift, etwas abgekaut vom vielen Nachdenken, aber immerhin...Nein! Dachte er sich. Er konnte doch nicht einen abgekauten Stift für diese wundersame und hübsche, junge Dame benutzen. Also suchte er weiter.
    Er hatte hier irgendwo versteckt einen uralten Füller, den er schon lange nciht mehr benutzt. Zuletzt bei der Arie vom verlorenen Sohn, ein dreistufiger Choral in einer schönen Moll-Tonlage. Ursprünglich gedacht für eine schöne Frauenstimme...Ginimo überlegte. Ob Floh wohl singen konnte?
    Hastig suchte er weiter nach dem Füller. Minuten waren inzwischen vergangen und die schlappohrige Floh musste sich inwzischen bestimmt denken, dass der blöde Ginimo sie veraschen wollte.
    Doch da war er endlich: Juhu! Hörte man ihn rufen, als er mit feinster Schönschrift seinen Namen auf ein Stück Papier hinterließ. Freudig rannte er die Treppe runter und strahlte sie an.
    "Ich hab einen gefunden", rief er ihr zu. Er japste nach Luft, da er sich so beeilt hatte und schaute ihr in die Augen. Ein charmantes Lächeln setzte sich auf seinen Mund.


    Floh


    Floh waren die wenigen Minuten des Wartens wie eine halbe Ewigkeit vorgekommen. Das Rumgejohle der anderen Gäste behagte ihr nicht sonderlich und sie fürchtete, dass Ginimo es sich womöglich doch noch einmal anders überlegt hatte.
    Doch dann stand er plötzlich wie aus dem Nix vor ihr und sein Lächeln liess die Goblin erröten. Er wirkte völlig aus der Puste und seine spitzen Ohren schienen vor Aufregung zu vibrieren. Mit einer charmanten Geste überreichte er ihr das Pergament. Floh starrte darauf wie auf einen lang ersehnten Schatz. Sie würde es unter ihr Kopfkissen legen und niemals wieder ohne dieses Andenken einschlafen wollen. Sie musste sich zusammenreissen, ihre Goblinnase nicht an das Papier zu drücken, um den Geruch einzuatmen.
    Erst als das Schweigen andauerte bemerkte sie, dass sie Ginimo völlig vergessen hatte.
    «Oh, vielen Dank! Ich, also… nun ja, für Dich ist das ja nichts Aussergewöhnliches», plapperte sie schliesslich etwas unbeholfen los, «aber ich liebe Eure Musik. Nur ist es nicht so einfach, an ein Konzert zu gelangen. Und naja, meine Freunde verstehen das auch nicht so ganz… Es ist schön, wenn jemand einmal nicht denkt, dass Lieder unnütze Zeitverschwundung sind! Ich weiss gar nicht, wie ich mich bei Dir bedanken kann!»
    Floh wackelte verunsichert mit ihren Zehen und starrte immer wieder beinahe ungläubig auf das Pergament mit der fein säuberlichen Handschrift.


    Ginimo


    Ginimo lächelte, als sie sich so sehr freute. Doch als sie sich dazu äußerte, dass ein Konzertbesuch für sie schwer zu besuchen war, Ginimo kannte die Verkaufszahlen (worüber er sich immer wunderte), kam ihm sofort ein fixer Gedanke: "Komm mit! Ich hab oben ein Klavier. Ich zeig dir mein neuestes Stück. Mir gefällt es bisher ganz gut", fing er an zu plappern. Er schaute abwechselnd ihr in die Augen und dann wieder nach oben. Doch er wollte sie nicht unter Druck setzen.
    "Hier oben wirds langsam ungemütlich". Eine Vase flog gefährlich nah in ihre Richtung, als kurz darauf der Shezem Shocai auftauchte und die Scherben aufsammelte.


    Floh


    Floh zuckte schuldbewusst zusammen, als er das Klavier erwähnte. Sie wusste ja bereits von dem Klavier und seinen wundervollen Klangfarben. Sehnsüchtig dachte sie daran, wie sogar ihre eigenen tollpatschigen Finger dem Instrument warme Töne entlocken konnten.
    Und er wollte ihr gar etwas vorspielen… und diesmal müsste sie sich dabei nicht unter dem Bett verstecken und mit aller Mühe versuchen, einem Niesen zu widerstehen. Nun ja, dafür würde sie vermutlich auch seinen attraktiven Goblinfüssen nicht mehr so nahe kommen… doch das wäre zu verkraften – sie hatte ja noch die Socke, und nun gar noch seine Handschrift!
    «Ich hätte gerne beides», sprudelte es aus Floh heraus, bevor sie sich davon abhalten konnte.
    «Also.. ich meine, wenn der Tavernenbesitzer es erlaubt, können wir unser Getränk ja einfach mitnehmen.»
    Die Vase bestätigte die beiden Goblins darin, dass es hier langsam gefährlich würde. So trippelte Floh schliesslich hinter Ginimo her zur Theke und kurz darauf hatte sie eine Schoggi in der Hand, die sie vorsichtig durch die Menge balancierte.


    Ginimo


    Ginimo war ein Gentleman und drauf bedacht, dass Floh nicht zufällig in eine Schlägerei hineinstolperte, so tollpatschig sie war. Vorsichtig nahm er ihre Hand und schob sie sanft zur Seite, als er seine Bestellung aufgeben wollte. Eher aus Gewohnheit hatte er sie charmant berührt, aber bemerkte sofort ihre Aufregung. Und auch ihn kribbelte es innerlich. Wieso hatte sich das nur so gut angefühlt?
    Für einen Bruchteil schaute er sie an, verwundert in seinem Blick und gleichzeitig doch dabei so verletzlich, weil in seinem Blick mitschwang, dass er sie anziehend fand. Doch er setzt schnell seine gelassene Miene wieder auf.
    "Ich nehme nen Pott Serbander Kellerkaffe, Zott", schrie er ihm brüderlich zu. Er verstand sich gut mit dem Wirt. Doch diesem war nicht gerade dem Reden zu Mute.
    "Ach warte. Bevor ich es vergesse. Bereite uns noch zwei Gläser Rachendrachen vor."
    "Hast du schon mal Pfefferlikör getrunken, Floh? Ich lade dich ein. Du musst es probieren!", sagte er euphorisch.


    Floh


    Die junge Goblin schwebte auf Wolke 7 und hatte bloss noch Augen für Ginimo. Am liebsten hätte sie gleich sofort allen von ihrem ganz persönlichen Glück erzählt, doch es war niemand da, der sich dafür interessiert hätte. Wenn ihre Mutter wüsste! Obwohl, die würde vermutlich bloss wissen wollen, wie viel der Kerl verdiente, und wann er gedachte, ihre Tochter zu ehelichen.
    Seine Berührung prickelte auf ihrer Haut, doch Floh war schon so sehr in Aufregung, dass dies nicht mehr weiter ins Gewicht fiel.
    Sie nickte bloss eifrig ab seinem Vorschlag und betrachtete dann neugierig den Likör, der die Farbe von roten Pfefferkörnern besass und in kleinen Gläschen ausgeschenkt wurde.
    Floh hatte noch nie Schnaps getrunken. Sie ging auch nicht allzu oft abends fort, denn sie musste ja ihre Schützlinge hüten.
    Fragend blickte sie Ginimo an und schnupperte an dem Getränk. Augenblicklich nahm ein starkes Kitzeln überhand und ein lautes Niesen ertönte von der kleinen Goblin, so dass ihre Ohren um die Wette zuckelten.


    Ginimo


    Ginimo beobachtete sie interessiert, wie drollig sie sich verhielt, als sie den Schnaps zu sich nahm. Er wusste nicht wieso, doch ihre Ohren, die er zuvor für hässlich gehalten hatte, schienen ihn nun immer mehr zu gefallen. Insgesamt begann er die Kleine in einem positivem Licht zu sehen. War es der Alkohol? Das Glas Rotwein? Nein, Ginimo schüttelte den Kopf.
    Er musste ehrlich zu sein: Er fand Floh sehr toll. Er lächelte freudig in der Vorstellung sie nochmal berühren zu dürfen.
    Er selbst kannte das Getränk bereits gut und trank es gerne. Er nahm einen kurzen ersten Schluck, während sich eine wohlige Wärme in ihm ausbreitete. Wie ausgetauscht schien der zuvor so unsichere Ginimo. Plötzlich war er wieder der selbstbewusste junge Mann, sowie ihn die Frauen kannten.
    "Bist du häufig hier in der Taverne", fragte er sie, während er sein Glas abstellte. Er blieb noch weiter an der Bar und unterhielt sich weiter mit ihr.


    Floh


    Verlegen schielte Floh zu Ginimo, doch er machte sich nicht über ihren Niesanfall lustig. Stattdessen hatte sich etwas in seinem Blick verändert, was die Goblin jedoch nicht so richtig einzuordnen vermochte. Für sie war es auch allzu schwer vorstellbar, dass der grosse Ginimo ein Auge auf sie geworfen haben könnte.
    Das Pergament hatte sie vorsichtig in ihrer Tasche verstaut, damit es nicht noch versehentlich vollgeschüttet wurde, es ging hier ja nicht gerade sanft zu und her.
    «Bist du häufiger hier in der Taverne?»
    Floh überlegte kurz, ob sie flunkern sollte, um einen besseren Eindruck zu hinterlassen, entschied sich dann jedoch dagegen, da sie im Grunde eine ehrliche Haut war.
    «Häufig ist übertrieben. Gelegentlich… aber meistens muss ich auf die Kleinen aufpassen. Magst Du Kinder?»
    Im nächsten Moment erschien ihr die Frage aber bereits zu intim, weswegen sie sich schnell ihrem Glas widmete und schliesslich vorsichtig daran nippte.
    Der Schnapps rann ungewohnt warm ihre Kehle hinab und Floh riss erstaunt ihre goldgelben Augen auf. Wie lecker!
    Obwohl so gar nicht süss, mochte sie die ungewohnte Schärfe. Ihre Zunge fuhr genüsslich über ihre Lippen, um den Geschmack voll auszukosten.


    Ginimo


    „Kinder sind toll. Ich habe selbst keine“, sagte er und schüttelte dann den Kopf. Natürlich hatte er keine. Was redete er für einen Stuss.
    „Also ich hab auch keine Partnerin…eigentlich bin ich sehr alleine. Das Leben als Berühmtheit. Es ist schön. Ich kann von meiner Musik leben. Aber das ist auch schon das Einzige“.
    Warum er ihr das erzählte war ihm schleierhaft. Kurz ermahnte er sich, ihr nicht zu vertrauen, doch eine innere Stimme schien ihm zu sagen, dass alles in Ordnung war, sowie es war.
    „Ich selbst halte mich für mittelklassig. Meine Musik…ach was soll ich sagen. Mir gefallen gelegentlich ein paar Dinge.“
    „Aber das neueste Lied ist echt gut. Nach langer Zeit nochmal etwas, was mir gefällt. Warte…“
    Plötzlich stellte er schnell sein Glas auf die Barthresen und meinte euphorisch:
    „Komm mit!“
    Er vermied es sie zu berühren, um sie nicht unter Druck zu setzen.
    „Deine Schoggi kannst du mitnehmen.
    Ich möchte dir gerne das Stück zeigen. Es bedeutet mir viel.“


    Floh


    Ein Kerl, der zugab, dass er Kinder mochte. Sogleich stieg Ginimo in Flohs Achtung, wenn das denn noch möglich war. Er schien ja ein richtiger Softie zu sein!
    Nichtsdesto trotz konnte Floh nicht verstehen, wie er an seinem Talent zweifeln konnte.
    «Mittelklassig?», sie starrte ihn bloss ungläubig an und schüttelte verwundert den Kopf.
    «Ich find Dich bombastisch», sprudelte es aus ihre heraus.
    «Also ähm, Deine Musik meinte ich natürlich», verbesserte sie sich rasch, als ihr der Sinn ihrer Worte bewusst wurde.
    Im nächsten Moment sprang Ginimo auch schon auf die Füsse. Floh war fasziniert von seinem Tatendrang und liess sich von seiner Euphorie mitreissen.
    «Komm mit!»
    Floh liess sich das nicht zweimal sagen, griff nach ihrer Schoggi und tapste dann Ginimo hinterher. Sie hatte Mühe Schritt zu halten, so zügig wuselte er durch die Menge. Er war sich das eindeutig gewohnt, im Gegensatz zu ihr, welche schon vor sich sah, wie ein dicker Ork ihre zarten Goblinfüsse zermantschte.
    Bevor Ginimo zwischen zwei Almanen hindurchzischen konnte, griff Floh schnell nach seiner Hand, bevor sie ihn noch aus den Augen verlöre.

    "Ich habe den Fehler gemacht. Mein Verhalten ist unentschuldbar. Du, ich...", fing Ginimo einen Satz an. Seine Körpersprache ließ eindeutig darauf zurückschließen, dass es ihm leidtat.
    Floh musterte ihn einen Moment überrascht. Dann schlich sich ein vorsichtiges Lächeln auf ihre Lippen, das schnell breiter wurde.
    «Ich bin ja schon froh, dass ich Dich überhaupt noch einholen konnte! Für einen Moment dachte ich, Du würdest hinter der nächsten Ecke für immer verschwinden. Mit Deinem Spurt hättest Du sogar einem Hasen Konkurrenz gemacht!»
    Dann bemerkte sie jedoch seinen betroffenen Blick und plötzlich wirkte er ganz hilflos, wie er da so vor ihr stand.
    Mensch Floh, was plapperst Du denn da! Wenn Du weiter solche Sachen laberst, nimmer er gleich wieder die Hände in die Füsse!
    Etwas irritiert war die Goblin jedoch schon darüber, dass der grosse Ginimo auf einmal ganz und gar nicht mehr so gross wirkte, wie er es auf der Bühne immer tat. Stattdessen machte er den Anschein, als wäre er am liebsten auf der Stelle im Boden versunken.


    Umso erleichterter fühlte sich die junge Frau, als der Künstler richtiggehend aufblühte, kaum hatte sie ihr Anliegen vorgebracht.
    "Ein Autogramm!", jauchzte er auf einmal euphorisch auf.
    "Was für eine Ehre!"
    «Naja, als bekannter Musiker steht das für Dich bestimmt an der Tagesordnung», murmelte Floh verlegen, und freute sich aber trotzdem darüber, dass er ihre Bitte so ernst nahm und nicht als lästige Pflicht abtat.
    Umso ärgerlicher, als sich herausstellte, dass Finimi keinen Stift bei sich trug – oder war es doch das Glück, das hier seine Finger im Spiel hatte? – denn ab den nächsten Worten Ginimos hätte nun Floh am liebsten einen lauten Freudenquietscher von sich gegeben.
    Stattdessen klappte sie schnell ihren Mund zu als sie realisierte, wie sie den gutaussehenden Goblin verdattert anstarrte.
    «Ist das ein Deal?»… Bestimmt hatte sie ihn missverstanden!
    Floh drehte sich der Kopf, ab der neuen Information, die sie gerade zu verarbeiten hatte.
    Dieser Goblin war ja noch verdrehter als sie selbst!
    Zuerst lud er sie zum Essen ein, dann rannte er davon und liess sie auf einer horrenden Rechnung sitzen und nun wollte er sie mit nach Hause nehmen!
    Was für ein Kuddelmuddel… aber zugegebenermassen ein gigantisch-gewaltig-elephantös-fantastischer Kuddelmuddel!


    Ginimo hatte sie so aus der Bahn geworfen, dass sie bloss eifrig nicken konnte, so dass die Schlappohren lustig herumhüpften.
    «Die Zeit nehme ich mir gerne», strahlte sie ihn dann voller Glückseligkeit an.
    So kam es also, dass Floh barfuss, aber fröhlich neben ihrem Begleiter herging und sich zusammenreissen musste, nicht gut gelaunt falsche Melodien zu trällern, Purzelbäume zu schlagen, ihr Idol begeistert anzuglupschen oder sich anderweitig seltsam zu verhalten.
    Sie ging sogar so weit, dass sie sich das Plappern verbot – das Risiko war zu enorm, dass er seine wankelmütige Meinung noch einmal ändern könnte!
    Bis wir bei der Taverne sind, wird er gar nicht merken, dass ich da bin!
    Also verhalt Dich normal.
    Hör auf damit, Dir auf die Lippen zu beissen und denk nicht einmal dran, am Daumen zu lutschen!
    Und unterlass endlich die Selbstgespräche…


    Als sie bei der Taverne ankamen, war Floh das reinste Nervenbündel, so sehr war sie darum bemüht, einen guten Eindruck zu hinterlassen.
    Vom Innern des Gasthauses war indessen dumpfes Gegröle zu vernehmen und im nächsten Moment lautes Gepolter und Geklirre. Etwas verunsichert schaute Finimo ihren Begleiter an, zuckelte ihm dann jedoch artig hinterher, als dieser sich von den Geräuschen nicht beirren liess und ihr galant die Tür aufhielt.
    Es herrschte das reinste Chaos. Ein Ork thronte auf einem umgekippten Tisch und plusterte sich auf wie ein stolzer Kampfgockel. Als der Ork sprach, stellte Floh verwirrt fest, dass es sich dabei um ein weibliches Exemplar handeln musste.
    Einige der Gäste waren aufgestanden, um das Schauspiel zu betrachten, andere tauschten mit mürrischen beziehungsweise siegesgewissen Mienen Münzen aus, je nachdem ob sie die Wette verloren oder gewonnen hatten.
    «Also ich ähm… warte dann Mal hier», nuschelte Floh, wobei ihr jedoch anzusehen war, dass sie sich nicht sonderlich wohl fühlte in der emotional aufgeladenen Meute. Unruhig trippelte sie von einem Fuss auf den anderen, darauf bedacht, nicht versehentlich in eine der vielen Scherben zu treten.

    Genau drei Sekunden brauchte Floh um zu begreifen, dass Ginimo sie gerade wieder vor den Kopf gestossen hatte. Ungläubig hafteten die goldgelben Augen an ihrem Idol, das gerade bekundet hatte, dass das Abendessen mit ihr keine gute Idee war und sie offensichtlich ziemlich schnell loswerden wollte.
    Für einen Moment sackten die Schlappohren der Goblin noch einige Zentimeter weiter in die Tiefe und offenbarten ihre Enttäuschung.
    Seine Hand fühlte sich verschwitzt an, als er sich verabschiedete. Ausserdem wirkte er sichtlich gestresst und sein Gesicht schien um zwei Farbtöne dunkler zu sein als gewöhnlich. Dann verlangte er auch schon die Rechnung, welche er linkisch beglich.
    „Ich habe jetzt zu tun“, waren die letzten Worte und dann eilte der grosse Ginimo bereits davon.


    Floh blieb auf ihrer eigenen, nicht gerade geringen, Rechnung sitzen.
    Was für ein Desaster!
    In ihrem Kopf ratterten die Rädchen, als sie den Abend noch einmal vor ihrem inneren Auge abspulte.
    Dann hopste sie plötzlich von dem Hocker runter, kramte in ihrer Tasche nach den Münzen und kurz darauf rauschte sie aus der Tür des Gasthauses hinaus.
    Es war bereits eingedunkelt und Laternen erleuchteten die Stadt.
    Wo war er hingegangen?
    Die junge Goblin suchte die Strassen ab und erkannte in der Ferne einen Goblin, der beinahe schwebte, so schnell bewegten sich seine Füsse voran.
    Sie beeilte sich ihm zu folgen, stolperte jedoch mit ihren hübschen Schuhen über einen Stein und wäre beinahe auf die Nase gefallen.
    Ohne zu zögern wankte Floh kurz einbeinig wie ein Storch vor dem Restaurant herum, während sie die Schuhe von ihren Füssen klaubte. Sie hatte nicht einmal Zeit, befreit mit ihren Zehen zu wackeln, da düste sie auch schon Ginimo hinterher, welcher um eine Ecke gebogen war.


    Die orangen Haare und ihre grünen Schlappohren flatterten in völliger Unordnung hinter ihr her, doch es war ihr genauso egal, wie ihre verstaubten Füsse.
    „Warte Ginimo“, rief Floh als sie um die Kurve kam und den Goblin am Ende der Strasse gehen sah. Einen Moment sah es aus, als würde er zusammenzucken und seine Schritte noch beschleunigen, doch schliesslich blieb er wie angewurzelt stehen und wandte sich langsam zu Floh um.
    Sein Gesicht lag im Schatten, so dass Floh seine Miene nicht erkennen konnte, als sie völlig ausser Atem vor ihm zum Stehen kam.
    Sie schnappte nach Luft und hielt sich einen Moment die Seite, als sie ein unangenehmes Stechen darin verspürte. Mit vollem Magen einen Orientierungslauf zu unternehmen, stand eindeutig nicht zuoberst auf ihrer To-Do-Liste.


    „Tut mir Leid… ich… will Dich nicht lange aufhalten“, entschuldigte sie sich schliesslich zwischen den Atemzügen bei ihm.
    „Du musst nie mehr ein Wort mit mir sprechen, grosses Ehrenwort. Und Du darfst mich und das Abendessen aus deinem Gedächtnis tilgen. Nur… würdest Du mir vorher vielleicht doch bitte noch ein Autogramm geben? Sonst denke ich Morgen, ich hätte das alles bloss geträumt. Und eine solche Gelegenheit werde ich wohl mein Leben lang nicht mehr erhalten. Und ich will doch meinen Enkelkindern, wenn es wirklich einmal so weit kommen sollte – meine Mutter betet sogar zu Ardemia deswegen, nicht sagen müssen, dass ich die Chance nicht ergriffen hätte, als sie sich bot!“
    Inzwischen waren Flohs Wangen gerötet, ob vor Anstrengung oder weil sie peinlich berührt war, konnte nicht so einfach bestimmt werden. Sie traute sich nicht, ihre hoffnungsvollen Augen nach dem Redeschwall zu lange auf ihn zu richten und fokussierte stattdessen interessiert ihre grosse Zehe mit dem orangefarbenen Nagellack.
    Sein Schweigen verunsicherte sie, weshalb sie schliesslich die Schuhe auf den Boden fallen liess und unbeholfen ihre Tasche nach etwas durchwühlte, wohin er seine Unterschrift setzen könnte.
    Zu ihrem Entsetzen stellte sie fest, dass sie zwar ein blaues Taschentuch dabei hatte, welches sich als Autogrammkarte verwenden liesse, jedoch weder einen Kohlestift noch ein anderes Schreibutensil.

    Es hatte doch so vielversprechend begonnen…
    Die Unterhaltung verlief super, sie hatten gemeinsame Interessen, das Mahl war erstklassig zubereitet und Floh fühlte sich pudelwohl in Jorix Gesellschaft, gewürzt mit einer klitzekleinen Portion Nervosität.


    Doch warum musste sie auch dieses blöde Glas verschütten!
    Natürlich versuchte sie den Schaden zu beheben, doch ihre Begleitung war von dem Unfall wohl so verärgert, dass er sie ungehalten abwies und Floh ohne ein weiteres Wort mit der Serviette am Tisch stehen liess.
    Die junge Goblin liess die Schultern hängen und blickte dem bekleckerten Jorix perplex und entmutigt zugleich hinterher.
    Sie konnte verstehen, dass er über ihr Missgeschickt nicht erfreut war, bestimmt kostete das Hemd ein Vermögen!
    Sie würde es ihm rückerstatten, das war das Mindeste was sie tun konnte.
    Und dann werde ich vor Scham im Boden versinken und mich nie mehr bei ihm blicken lassen!
    Ihre Mutter würde vermutlich bloss wieder die Augen verdrehen ab ihrer Tollpatschigkeit. Manchmal fragte sie sich, woher sie dieses Talent geerbt hatte.
    In Gedanken nicht ganz bei der Sache begann Floh ihre Sachen zusammenzupacken. Sie wühlte in ihrer Tasche bis sie den Geldbeutel fand. Diese Rechnung würde sie selbst begleichen müssen.
    Gleichzeitig begann sie sich jedoch bereits über Jorix zu ärgern. Bei allem Respekt gegenüber der befleckten Kleidung, doch etwas höflicher hätte er schon sein können.
    Sie hatte sich doch bei ihm entschuldigt und sich wirklich nicht mit Absicht so doof angestellt!


    Endlich hatte sie ihren Kram beisammen und ging zielstrebig dem Ausgang entgegen, als sie Jorix in der Diskussion mit dem Keller beobachtete. Er stand mit dem Rücken zu ihr und war gerade dabei, das Hemd auszuziehen. Da sie gut erzogen war, wollte sie sich trotzdem von ihm verabschieden.
    Gerade, als sie in Hörweite kam, meinte der Keller: „Wie Ihr wünscht, grosser Ginimo!“
    Hatte sie sich da etwa verhört?
    Im selben Moment sah sie das Kissen am Boden liegen. Und selbst Floh konnte eins und eins zusammenzählen.
    Verdattert starrte sie Ginimo an, der plötzlich um einiges abgenommen hatte und ihrem Idol nun abgesehen von Brille und Bart wie aus dem Gesicht geschnitten war.
    "Ähhh, ja! Hallo...", begrüßte Ginimo sie.
    "Das war alles ein Test...ähh. Ich bin eigentlich Ginimo."

    Er hatte ihr die ganze Zeit über etwas vorgemacht!
    Ihr Blick verdüsterte sich für einen kurzen Moment, als sie daran dachte, wie sehr sie seine Gegenwart genossen hatte.
    Alles bloss Schall und Rauch!
    Im nächsten Moment verpasste sie ihm eine leidenschaftliche Ohrfeige.
    „Das war für Deine Respektlosigkeit!“
    Der Kellner blickte entsetzt zwischen ihr und Ginimo hin und her, während Floh nun ihre Hände in die Hüften stemmte.
    Ihre goldgelben Augen funkelten den Grünling herausfordernd an, dann glitt ihre Aufmerksamkeit an seiner Verkleidung entlang und sie musterte sein Gesicht.
    Nun war es an ihm, sich in seiner Haut nicht mehr gar so wohl zu fühlen.
    Kurz hielt sie ihre strenge Miene noch aufrecht, dann jedoch zuckten bereits ihre Mundwinkel.
    Wie er so dastand kam er ihr gerade so vor wie Bino, wenn er etwas ausgefressen und dabei erwischt worden war.
    „Beinahe wäre ich nicht hinter Deine Scharade gekommen. Ist der Bart echt?“
    Ein belustigtes Lächeln bildete sich nun in ihrem Gesicht und der Kellner schnaufte erleichtert auf.
    Floh hatte die Devise, die Dinge so zu nehmen, wie sie auf einen zukamen und dann das Beste daraus zu machen. Trotzdem wollte sie den Goblin nicht einfach so davonkommen lassen. Immerhin hatte er sich ein Spiel daraus gemacht, sie zum Narren zu halten.
    „Also, was für ein Test soll das sein? Ist das so ein Spiel unter Musikern?“, sie blickte ihn mit hochgezogener Augenbraue skeptisch an.


    Nachdem der Kellner dem Goblin freundlicherweise doch noch ein frisches Hemd besorgt und Floh darauf bestanden hatte an der hauseigenen Bar einen süssen Punsch zu trinken, sassen die beiden etwas abseits von den anderen Gästen auf ihren Hockern.
    Es herrschte ein peinliches Schweigen zwischen ihnen und keiner schien so richtig den Anfang machen zu wollen.
    Inzwischen war der jungen Frau zusätzlich auch wieder bewusst geworden, dass dies kein gewöhnlicher Jorix sondern der grosse Ginimo höchstpersönlich war, dem sie zuvor noch eine Ohrfeige verpasst hatte. Bei dem Gedanken errötete sie sogleich, auch wenn er es ihrer Ansicht nach mehr als verdient hatte!
    Schliesslich raffte sich Floh aber doch auf.
    „Also hallo Ginimo. Freut mich Dich kennenzulernen. Mein Name ist Finimi, doch meine Freunde nennen mich Floh! Und was tust Du so beruflich?“, dabei schaute sie ihn freundlich an und wartete ab, ob er auf ihr Friedensangebot einsteigen würde.
    „Also ich hätte da so eine Idee, wie Du das vermasselte Abendessen wieder gutmachen könntest…“, meinte sie etwas später mit einem unschuldigen Augenaufschlag.
    „Ich kenne da so jemanden, der wäre wirklich glücklich darüber, Freikarten für ein Konzert von Ghuls’n’Goblins zu bekommen…“

    Floh war sich Komplimente nicht gewohnt, am meisten davon erhielt sie noch von ihren Ziehkindern, wenn sie sich die Zeit damit vertrieben, lustige Dinge zueinander zu sagen („Du hast hübsche Hasenohren“ und „Deine Haare sehen aus wie Erdbeerbonbons“, waren noch die niedlichsten darunter). Vor Allem ihre Frisur war ständig ein Grund sich mit ihrer Mutter zu zanken, welche sich oft darüber beklagte, dass Floh nicht dem gängigen Bild einer Goblin entsprach.
    Und ausgerechnet für ihre Haarfarbe hatte der charmante Mann ein Lob übrig!
    Und als er sogar noch bemerkte, dass sie sich an der Farbgebung des Kleides orientierte, hätte Floh ihn am liebsten auf der Stelle geheiratet.
    Stattdessen errötete sie von der Nasenspitze bis zu ihren Schlappohren und bedankte sich mit einem strahlenden Lächeln für seine Worte.
    „Und Ihr habt Euren Bart gestutzt! Ihr seht so viel jünger aus. Also nicht, dass Ihr vorher alt ausgesehen hättet… also, es betont Euer Gesicht vorteilhaft“, sprudelte sie verlegen hervor.
    „Meine Mutter Dorli würde jetzt sagen, dass es 1000 Gründe gibt, eine Frau nicht jeden Abend auszuführen. Zu der Tatsache hin, dass eine Mahlzeit zu Hause weniger kostspielig und zeitaufwendig ist, würde sie behaupten, dass die Frau das Kochen ja noch verlernen würde.“
    Doch vermutlich wäre es ihr Recht, wenn Floh jeden Abend von einem Herrn ausgeführt würde, wenn sie dadurch nur endlich unter die Haube kommen sollte. Und um ihre Kochkünste wäre es auch nicht schade, denn diese beschränkten sich hauptsächlich auf Süssgerichte aller Art.


    Finimi war froh, dass Jorix ihr mit der Speisekarte behilflich war. Dabei nahm sie seine Nähe wahr, als er aufrückte und sich gemeinsam mit ihr über die Auswahl beugte. Wann war ihr ein männlicher Goblin das letzte Mal so nah gekommen?
    Vermutlich als sie vor einem Jahr an den Windpocken erkrankt war und zu einem Priester musste, der ihr eine fiese Spritze verpasste. Schnell schob sie den Gedanken beiseite.
    Sie hatte bereits befürchtet, dass es in dem Restaurant bloss Almanische Küche gäbe, doch dem war glücklicherweise nicht so. Mit neuem Eifer studierte sie die Liste, und war beeindruckt von der Auswahl.
    Schlussendlich stand sie vor der Entscheidung zwischen "heisser Vanillesuppe samt Gemüseknödeln und mit Räucherfleisch garniert" oder "einer Fleischroulade gefüllt mit Erdbeeren und Ananas, dazu eine Minzschokosauce". Obwohl sie fürchtete, dass ihr Bauch danach platzen müsste, entschied sie sich für die vollmundigere zweite Variation.


    Interessiert hörte sie ihm zu, als er von seiner beruflichen Karriere erzählte. Sie war erstaunt darüber, dass er keine höhere Ausbildung abgeschlossen hatte und von einer einfachen Kellnertätigkeit sprach und trotzdem gelegentlich in einem solch edlen Restaurant speiste. Vielleicht war er ihr ja ähnlicher, als sie vermutet hatte und legte einfach viel Wert auf gutes Essen, so wie sie ihre Zeit damit „vergeudete“ ihre Haare zu färben oder mit den Kindern Fangen zu spielen, anstatt Rechenaufgaben zu erläutern. Der Goblin wurde ihr immer sympathischer.
    „Ach wisst Ihr, ich habe zwar ein Studium der Architektur begonnen, aber es niemals abgeschlossen. Ich habe schon immer lieber Kurven als Geraden gezeichnet. Und nachdem ich mich ebenfalls für kurze Zeit in einem Restaurant versucht hatte, habe ich schliesslich den Malerberuf erlernt. Leider ist selbst da die Kreativität eingeschränkt, wer möchte denn schon Blumen auf der Häuserfassade haben?“, sie seufzte einen Moment scheinbar bedrückt ab der Eintönigkeit ihres Volkes, was Farben und Kunst betraf.
    Aber jetzt habe ich ja die Kinder“, sofort stahl sich ein liebevolles Lächeln auf ihr Gesicht und betonte ihre runden Wangen.
    „Zwei von ihnen habt Ihr ja bereits kennen gelernt. Ich hüte und erziehe Goblinkinder, damit die Eltern Ihrer Arbeit nachgehen können. Es ist ein toller Beruf und erstaunlicherweise sehr gefragt. Ich kann mir damit gut meinen Lebensunterhalt verdienen.“
    „In welcher Taverne arbeitet Ihr denn? Dann könnte ich an einem freien Abend einmal vorbeikommen, um eine Schokolade zu trinken. Oder noch besser, ich nehme die Kinder mit, dann könnt Ihr Bino ja noch seinen versprochenen Finderlohn spendieren“, sie blickte ihn erwartungsvoll an.


    Als Jorix begann von Ghul´n´Goblins zu sprechen, hing Floh förmlich an seinen Lippen.
    „Also ich muss sagen, ich liebe ihre Musik. Wissen Sie, ich bin dem grossen Ginimo einmal begegnet, und obwohl er als Goblin wohl nicht sehr umgänglich ist, als Musiker ist er doch ein Ass! Und er soll ja alle Stücke selbst komponieren. Können Sie sich so etwas vorstellen?“
    Während sie sprach und dabei mit ihrer Gestik die Worte bestärkte, wippten ihre orangen Haare und die Schlappohren fröhlich um die Wette.
    „Leider komme ich nicht oft dazu, mir Konzerte anzuhören, weswegen ich mir immer genau überlegen muss, welche ich besuche. Von den geflügelten Boten des Todes kenne ich leider kein Stück, doch wenn Sie es mir so wärmstens empfehlen, werde ich mich nach einem Auftritt umhören.“
    Floh freute sich darüber, dass endlich einmal jemand ihre Vorliebe für musikalische Klänge mit ihr teilte, denn auch darüber schüttelten ihre Eltern bloss den Kopf.
    Währen Jorix sprach, beugte sie sich über den Tisch, um ihm besser folgen zu können und legte dabei den Blick auf ein hübsches Dekolleté frei.


    „Oh, die Flötenklänge sind wundervoll. Wie ein so kleines Instrument eine solche Wirkung erzielen kann. Als wir uns auf dem Markt begegnet sind, konnte ich der Versuchung kaum widerstehen, mir ebenfalls eine zuzulegen. Leider werde ich mir wohl niemals Unterricht leisten können oder überhaupt die Zeit dafür aufbringen. Beherrscht Ihr auch ein Instrument? Solch eine Gabe muss doch wohl in der Familie liegen. Vielleicht könntet Ihr mir ja zeigen, wie man einem Musikinstrument seine Klangfolgen entlockt!“
    Floh war immer beeindruckter von Jorix. Er schien die ganze Band bestens zu kennen und über ihre Vorlieben und Macken Bescheid zu wissen.


    Während sie seinen Ausführungen zu Zakrok Lautentod lauschte, wollte sie nach dem Glas mit Alkohol greifen, das der Kellner ihnen zuvorkommend eingeschenkt hatte, um mit dem Goblin anzustossen.
    Sie war jedoch so aufgeregt und fahrig zugleich, dass sie es verfehlte und nur unbeholfen dagegen stiess, da ihr Blick noch an dem Mann hing, der so unglaublich mitreissend reden konnte.
    „Oh nein“, stiess sie entsetzt hervor, als das Glas umkippte und sich der rote Inhalt unaufhaltsam über der Tischdenke und dem Hemd ihres Begleiters entlud.
    Floh schlug sich die Hände vor den Mund, unfähig zu reagieren vor Schreck.
    Dann sprang sie wie von der Tarantel gestochen auf, schnappte sich eine Serviette und wollte damit Jorix über Brust und Bauch wischen, wo sich der Fleck deutlich abzeichnete, dabei drohten Tränen der Wut über ihre Tollpatschigkeit ihren Blick zu verschleiern.

    Floh war so aufgeregt wie schon lange nicht mehr. Blusen, Hosen und Kleider, die zuvor ordentlich nach Farben sortiert in den Regalen gestapelt waren, landeten eines nach dem anderen auf einem unordentlichen Haufen neben ihrem Schrank, nachdem sie sich dagegen entschieden hatte. Manche waren zu bunt, andere zu gepunktet, wieder andere zu kurz, oder mit zu vielen beziehungsweise zu wenigen Rüschen. Was sollte sie bloss anziehen?
    Nichts schien ihr gut genug für eine Einladung zum Essen, obwohl sie sich ansonsten nicht allzu viel daraus machte, was andere über sie dachten.


    Im nächsten Augenblick wuselte eine zweite Goblin ins Zimmer, die Floh sehr ähnelte, jedoch etwas grösser gewachsen war, keine Schlappohren besass und hellbraune, kurz geschnittene Haare aufwies. Ausserdem zierten bereits Sorgenfalten ihr Gesicht.
    „Ach Finimi Liebling, ich bin sooo stolz auf dich! Eine Einladung von einem richtigen, bodenständigen Goblin. Kein solcher Tunichtgut, der sich nicht auf die wichtigen Dinge im Leben konzentrieren kann. So wie du ihn mir beschrieben hast, muss er ein ehrgeiziger Mann sein. Und es wird auch langsam Zeit, dass du endlich einmal einen ordentlichen Kerl Heim bringst.“
    Floh verdrehte hinter dem Rücken ihrer Mutter Dorli die goldgelben Augen. Tatsächlich hatte sie der Goblin von der Begegnung berichtet, da diese ihr sofort angemerkt hatte, dass etwas im Busch war. So hatte sie ihr von dem stattlichen Mann mit der Brille und dem Bart erzählt, was für ihre Mutter auf einen Professor oder Geschäftsmann hindeutete. Die Kleidung war bescheiden ausgefallen, doch gut gepflegt. Die Aussagen, als Kellner in einer Taverne zu arbeiten und ein Cousin von dem grossen Ginimo zu sein, hatte sie ihrer Mutter wohlweislich verschwiegen, da diese wenig von Musikern und Künstlern hielt.
    „Ich habe hier noch einen Rock und eine Bluse gefunden, sie würden sich perfekt für ein Abendessen eignen“, stocherte die Frau weiter, worauf Floh hoffnungsvoll herumwirbelte.
    Dorli hielt ihr eine weisse Bluse hin, und einen orange-gelb-braun gestreiften Rock, der bis über die Knie fiel.
    „Das geht doch nicht mit den Haaren zusammen!“, entrüstete sich die jüngere Goblin enttäuscht. Im nächsten Moment lachte sie jedoch fröhlich auf.
    „Hilf mir Mutti, wir werden meine Haare einfach dem Rock anpassen!“, dieses Mal war es Dorli, welche die Augen in nur halb gespielter Verzweiflung verdrehte.



    So kam es, dass Floh einige Stunden später an der Ecke des „La Vigne“ auf ihren Begleiter wartete. Nervös zupfte sie an ihrem Rock herum und kringelte die Haare ungeduldig um ihren Finger.
    Als sie den Goblin schliesslich zügigen Schrittes daherkommen sah, winkte sie ihm freudig zu. Er blickte sie einen Moment irritiert an, was Floh ihm nicht verdenken konnte – vermutlich hatte er einen auffällig pinken Haarschopf erwartet.
    Stattdessen begrüsste ihn die Goblin nun mit einer orangen Haarpracht, die zu ihrer Kleidung passte, in einer stürmischen Umarmung wie es sich für Noldis gehörte.
    „Guten Abend. Ich glaube, wir haben uns noch nicht einmal richtig vorgestellt beim letzten spontanen Zusammentreffen. Mein Name ist Finimi, doch meine Freunde nennen mich Floh. Wart ihr schon öfters hier?“
    Beim Warten hatte sie die Leute beobachtet, welche hier ein und aus gingen. Ihr waren dabei Zweifel gekommen, am richtigen Ort zu sein und sie strich unauffällig ihren Rock glatt.


    Schliesslich liess sie sich von ihrem Begleiter ins Lokal hineinführen, wo ein aufmerksamer Almane ihnen die Mäntel abnahm. Floh versuchte ihre Begeisterung und ihr Erstaunen zu verbergen, doch immer wieder blieben ihre Blicke an den eleganten Tischdecken, den verspielten Kronleuchtern und den Gästen in edlen Gewandungen hängen, während ein schlanker Almane sie in einen Teil des Gasthauses führte, der extra für Goblins hergerichtet war.
    Dies war kein gewöhnliches Wirtshaus, wo man bunt durcheinandergewürfelt ass und trank und die Goblins oftmals zu den anderen aufzuschauen hatten. Nein, sogar der Kellner, der ihnen nun eine Speisekarte vorlegte und eine Getränkebestellung aufnahm, war ein waschechter Goblin.
    „Ich möchte Ihnen noch einmal für die Einladung danken“, plauderte Floh schliesslich verlegen los.
    „Es ist lange her, dass ich zum Essen ausgeführt wurde“, im selben Moment röteten sich ihre Pausbacken und sie studierte scheinbar sehr interessiert die Karte. Irritiert wanderte ihr Blick über die Auswahl.
    „Kugelfisch Fungu“, „Tausendjährige Eier“ und „Algensalat mit knusprigen Schweinsöhrchen“ waren als Vorspeisen aufgelistet.
    „Ähm… also Ihr kennt Euch hier ja gut aus. Welches Menü würdet Ihr mir denn empfehlen?


    Während ihr Gegenüber nun ebenfalls die Speisen musterte, beobachtete Floh ihn eingehender. Seine Ähnlichkeit zum grossen Ginimo war unübersehbar, nachdem sie nun darum wusste. Einzig die Brille, der dichte Bart, die Kleidung und das leicht hervorstehende Bäuchlein hatten sie darüber hinweggetäuscht. Ihre Mutter würde jetzt behaupten, dass es ein Zeichen für Wohlstand sei. Und offensichtlich musste Floh ihr da zustimmen, denn umsonst würde dieses Abendessen nicht sein. Etwas unbehaglich rutschte sie auf ihrem Stuhl herum.
    Vielleicht unterstützte ja der grosse Ginimo seine Familie mit einem grosszügigen Zustupf. So musste es sein, überlegte Floh.
    Sogleich war das Idol ein noch grösserer Held in ihren Augen.
    „Arbeitet Ihr vollberuflich als Kellner? Oder studiert Ihr nebenbei?“, hakte Floh schliesslich vorsichtig nach.
    Auch ihre Eltern hätten gerne gesehen, wenn Finimi ein Studium abgeschlossen hätte. Doch Architektur war ihr nicht gelegen und so war sie Malerin geworden und arbeitete nun als Kindermädchen. Was für ein Lebenslauf.
    Davon erzählte sie dem Goblin besser nichts beim ersten Treffen, auch wenn sie ihre Arbeit mit den Kindern liebte.


    Im nächsten Moment kam der goblinische Kellner wieder angewuselt. Einen Moment lang starrte er ihren Begleiter verdutzt an, seine Stirn krauste sich, er wollte etwas sagen, verschluckte seine Worte jedoch und stellte Ihnen stattdessen eine kristallene Karaffe mit süssem Alkohol hin.
    „Was darf ich Ihnen zum Essen bringen?“, fragte er schliesslich höflich und sowohl er als auch Floh blickten Ginimo erwartungsvoll an.
    Nachdem er mit der Bestellung abgezischt war, konnte sich Floh ein Kichern nicht mehr verkneifen.
    „Der hat ausgesehen, als wäre er gerade einem Gespenst begegnet! Eigentlich dachte ich, dass ich hier fehl am Platz sei, aber er war eindeutig von Euch irritiert. Ich frage mich, warum. Vielleicht ist ihm Eure Ähnlichkeit zum grossen Ginimo aufgefallen. Nachdem Ihr mir davon erzählt habt, ist es mir nun auch bewusstgeworden!“
    „Wisst Ihr, ich bin ein grosser Fan von Ghul’n’Goblins“, beteuerte sie, während sie vorsichtig an ihrem Glas nippte und ihre Augen funkelten vor Begeisterung.
    „Habt Ihr schon vielen Konzerten beigewohnt? Als Cousin habt Ihr bestimmt Zugang zu jeglichen Anlässen. Oh, wie ich Euch darum beneide!“

    Endlich schaffte es Floh, die beiden Zwerge von den Trommeln und Flöten loszulösen. Nur mit grosser Überredungskunst und dem Versprechen Erdbeerbohnen zu kaufen, konnte sie ein lautstarkes Drama verhindern. Manchmal staunte sie über die Fähigkeit der Knirpse, innerhalb von Sekunden Tränen in Strömen fliessen zu lassen. Da sie die unwillige Miene eines wartenden Kunden bemerkte war sie jedoch heil froh, schliesslich mit Bino und Lilli Hand in Hand abzuziehen.


    Gemeinsam schlängelten sie sich zwischen den Marktbesuchern hindurch, um schliesslich die versprochenen Süssigkeiten einzuheimsen.
    Obwohl der Ausflug nicht einmal eine Stunde gedauert haben konnte, fühlte sich Floh total erschöpft, als sie sich mit den beiden munter auf den Bohnen kauenden Goblins auf den Rückweg machte.
    «Hier, du musst auch eine Erdbeerbohne probieren!», raunte ihr Bino zu und hielt ihr mit einem strahlenden Lächeln eine Handvoll der Süssigkeiten entgegen. Dabei blitzen seine Zähne rosarot zwischen seinen grünen Lippen auf, was wohl den kleinen süssen Dingern geschuldet war.
    Als auch Lilli sie dazu drängte, konnte Floh nicht weiter widerstehen. Genüsslich kaute sie auf der Leckerei herum und sich an ihre eigene Kindheit zurückerinnerte, als ihre Mutter grösste Mühen gehabt hatte, sie von den Bonbons fernzuhalten.


    Gerade, als sie in eine Strasse einbogen, fiel ihr ein Goblin in die Augen. Sein Gang kam ihr seltsam bekannt vor, doch sie vermochte ihn nicht zuzuordnen. Als sie noch überlegte bemerkte sie, wie ihm im Gehen etwas aus seiner Tasche rutschte und unbemerkt auf der Strasse liegen blieb.
    Auch Lilli hatte es gesehen: «Der hat was verloren!», rief sie auch sogleich und zerrte an Flohs Hand. Etwas musste man den Kindern lassen – sie waren gut erzogen – und so war es für die beiden selbstverständlich, den Eigentümer auf seinen Verlust hinzuweisen.
    Zu dritt stolperten sie also dem Goblin hinterher. Bino klaubte den Schlüsselbund vom Boden auf, nicht ohne ihn dabei mit seinen klebrigen rosaroten Fingern vollzuschmieren.
    «Hey, Sie da!», Lilli hatte sich von Floh befreit und stürmte auf den Herren zu und zupfte mutig an seinem Rockzipfel, um ihn auf sich aufmerksam zu machen.


    Als er sich zu ihnen umwandte, erkannte Floh den Goblin vom Marktstand wieder. Seine Miene war noch immer angespannt, zeigte jedoch Erleichterung, als da bloss ein Goblinkind vor ihm stand und mit unschuldigem Blick zu ihm aufschaute.
    «Sie haben Ihren Schlüsselbund verloren!», plapperte da auch gleich Bino los, der nun zusammen mit dem Kindermädchen herangelaufen kam.
    «Gib ihn dem Herrn!», fauchte ihn da auch schon seine ältere Schwester an, worauf ihr Bruder dem Bartträger den Fund stolz entgegenreckte.
    Auch Floh hatte ihren Blick nun auf den Goblin gerichtet, der ein Paket unterm Arm hielt. Offensichtlich war sein Einkauf erfolgreich verlaufen.


    Nachdem der Herr den Schlüssel eingesteckt hatte, starrte Bino ihn eine Weile erwartungsvoll an. Als das erhoffte Ereignis jedoch nicht eintrat, zupfte er an Flohs himmelblauem Kleidchen, bis sie sich zu ihm hinunterbückte.
    «Bekommen wir denn jetzt keinen Finderlohn?», flüsterte er unschuldig und für alle hörbar. Floh konnte ein Grinsen nicht unterdrücken. Typisch Goblin, aus allem musste Kapital geschlagen werden.
    Sie wandte sich an den Herrn, der ihr mit seinen spitzen Ohren ziemlich attraktiv war: «Entschuldigen Sie die Kinder. Sie sind nicht oft ausserhalb des Hauses unterwegs. Vielleicht können wir ja ein Stück weit zusammengehen? Wir müssen in dieselbe Richtung.»
    Damit schubste sie die beiden Zwerge auch bereits liebevoll vor und drückte ihnen die Erdbeerbohnentüte in die Hand, so dass der Finderlohn schnell vergessen war.


    «Sind Sie auch ein Fan von Ghuls´n´Goblins? Entschuldigen Sie meine Neugierde, ich habe Sie zuvor am Marktstand eine Melodie pfeifen hören», begann sie sogleich nichtsahnend das Gespräch mit dem Goblin, neben dem sie nun herschritt. Dabei hatte sie Bino und Lilli jedoch fest im Blick, was es ihr nicht erlaubte, genauer ihren Wegbegleiter in Betracht zu nehmen.
    Ihr Gespräch wurde abrupt unterbrochen, als die beiden Kinder in Streit gerieten, wer die letzten Leckereien bekommen dürfte, und Bino dabei über einen losen Pflasterstein stolperte.
    Lautes Geplärre und ein offenes Knie waren die Folge.
    Lilli stand gleichmütig daneben und stopfte schnell die letzten Bohnen in den Mund, während Floh den kleinen Goblin tröstete.
    Entschuldigend blickte Floh zu dem Herren auf.
    «Hier trennen sich wohl unsere Wege sowieso. Das Haus der Familie ist gleich in der nächsten Nebengasse. Hat mich gefreut, mit ihnen zu plaudern! Vielleicht läuft man sich ja wieder einmal über den Weg?»


    Kurz darauf zottelte das Dreiergespann davon – Unter einem Arm hatte Floh den Korb mit den Einkäufen, an der anderen Hand führte sie Bino, dem der Rotz zur Stubsnase herunterlief. Währenddessen hüpfte Lilli gutgelaunt neben den beiden einher.

    Seit jenem Abend war einiges an Zeit vergangen. Einige Wochen, gar Monate trennten Floh von der Begegnung mit dem grossen Ginimo und oftmals meinte sie, dass es nur ein ziemlich fantastischer und schrecklicher Traum zugleich sein konnte. Erst wenn sie abends nach der roten Socke tastete, welche sie unter ihrem Kopfkissen versteckt hatte – natürlich ohne sie vorher zu waschen – holte die Wahrheit sie wieder ein.


    Noch immer sah sie jedes Detail seines Zimmers vor ihnen Augen, hörte seine aufgebrachte Stimme schimpfen, roch den Duft seiner Käsefüsse und spürte die Tasten seines Klaviers unter ihren unbeholfenen Fingern vibrieren.
    Gleichzeitig war sie sich ihrer Schmach bewusst. Obgleich sie den jungen Goblin beschimpft hatte, und sich dabei nicht ganz im Unrecht fühlte, war sie sich durchaus bewusst, dass sie zu weit gegangen war. Ihm sein musikalisches Talent abzusprechen, dazu war sie eindeutig nicht in der richtigen Position.
    Floh hatte sich nicht mehr in den Schluckspecht getraut und auch sonst hielt sie sich von den Auftritten der Band fern, was ihr nicht immer ganz leicht fiel. Die Musik bedeutete ihr viel.


    „Floh, was summst du da?“, piepste da eine Kinderstimme direkt neben ihr. Die Goblin schreckte auf und betrachtete das fragende Kindergesicht mit der dicken Knubbelnase und den grossen Kulleraugen nachdenklich.
    „Ach nichts, nur ein Lied, das ich einmal gehört habe“, antwortete sie. Es war eine der Melodien gewesen, die sie als ungebetener Gast in Ginimos Gemach belauscht hatte.
    „Mammi sagt, dass Singen unnütze Zeitverschwendung ist“, mischte sich da die Schwester des kleinen Goblinjungen ein und blickte Lob heischend zu Floh auf. Obwohl Floh dies innerlich verneinte, nickte sie dem Mädchen resigniert zu.


    Die beiden Geschwister waren ihre Hütekinder. Normalerweise verliess sie mit den Küken das sichere Haus nicht, doch die beiden hatten sie rumgekriegt. Bei dem Gedanken, dass sie Kekse backen wollten, konnte Floh bloss lächeln. In einigen Jahren würden sie beide dies vermutlich ebenfalls als Zeitverschwendung abtun, doch solange dies nicht der Fall war, wollte sich Floh dieses Vergnügen nicht entgehen lassen. Da es jedoch keine Kakaobohnen mehr im Vorratsschrank der Mammigoblin zu finden gab (oder nie gegeben hatte), mussten sie zusammen einkaufen gehen.


    Floh hatte Mühe, die beiden Zwirbel in ihrer Nähe zu halten. Immer wieder wollten sie ausbüxen, um die bunten Marktstände genauer unter die Lupe zu nehmen oder Leckereien zu erhaschen. Schliesslich hatte Floh sie fest an den Händen genommen und ihnen gedroht sofort umzudrehen, falls sie nicht bei ihr bleiben wollten. Es schien Wirkung zu zeigen.


    Trotzdem war es nicht einfach, sich zwischen den grossen und kleinen Gestalten hindurchzuzwängen.
    „Da sind die Süssigkeiten“, Lilli zerrte an Flohs rechter Hand, um sie auf einen Stand aufmerksam zu machen, der über und über mit bunten Bonbons in allen Formen und Farben befüllt war.
    Gleichzeitig jedoch zog plötzlich Bino in die entgegengesetzte Richtung, um auf einen düsteren Stand zuzusteuern. Mit einem kurzen Blick erkannte Floh die zwiebelartigen Spinnen mit den glühendroten Augen in den Käfigen, welche offenbar das Interesse des Goblinjungen erweckt hatte.


    „Hey, jetzt wartet doch! Wir können nicht überall gleichzeitig hingehen!“, doch die beiden Kinder hörten nicht auf Floh. Mit einem Ruck riss Bino sich plötzlich von der jungen Goblinfrau los und rannte zwischen den Beinen der Marktbesucher hindurch davon.
    „Mäusemist! Biinooo!“, versuchte Floh über den Lärm hinweg zu rufen, doch der Goblin konnte oder wollte sie nicht hören.
    „Du hast geflucht!“, mit vor Aufregung runden Augen und roten Wangen starrte klein Lilli Floh an.
    Was? Nein… hab ich nicht… da drüben… kann man Mäusemist kaufen!“, wurstelte Floh wirr, dann zog sie das Mädchen hinter ihrem Bruder her durch das Gewühl.


    Als sie bei dem Stand mit dem seltsamen Getier ankamen, war jedoch kein Bino zu sehen. Lilli betrachtete nun ihrerseits begeistert eine flauschige sandfarbene Kugel, die in einem Behälter unruhig umhertrollte.
    „Möchte die Lady vielleicht das Kuli streicheln?“, bemerkte der Verkäufer, ein dicker Zwerg, das Interesse des Mädchens.
    Bevor Lilli etwas erwidern konnte, hatte Floh ihren Bruder entdeckt. Ohne abzuwarten stürmte das Kindermädchen erleichtert samt ihrem Küken unter den entrüsteten Blicken des Händlers zum Stand auf der gegenüberliegenden Seite hin.


    „Bino! Habe ich dir nicht gesagt, dass wir zusammen bleiben müssen?! Weisst du nicht wie gefährlich das ist, in der Stadt verloren zu gehen? Deine Mammi kündet mir noch meine Stelle, wenn sie davon erfährt – dann gibt’s keine Kekse mehr und auch kein Fangenspiel in Mammi’s und Papi’s Schlafzimmer!“
    Der kleine Goblin blickte betreten zu Boden und bereits füllten sich seine grossen Kulleraugen mit Tränen. Floh war hin- und hergerissen. Am liebsten hätte sie ihn in den Arm genommen und geknuddelt, gleichzeitig wäre sie vor Sorge um den kleinen Wicht jedoch beinahe gestorben und musste streng bleiben.


    Lilli lenkte sie von ihrem Dilemma ab, als sie an Flohs (heute himmelblauen) Flickenkleidchen zupfte.
    „Guck mal. Was ist das da?“
    Erst als die junge Goblinfrau ihren Blick umwandte, erkannte sie, was Bino hierhergelockt hatte. Der Stand gehörte einem Instrumentenhändler. Auf dem Tisch lagen unterschiedlichste Flöten in allen Holzvariationen und Formen. Einige waren grösser als Floh selbst.
    Lillis Finger zeigte auf ein Arsenal an Trommeln, die mit Leder und anderen Materialien bezogen waren und zum Musizieren einluden.


    „Das, meine Kinder, sind Instrumente. Sie wurden uns einfachen Geschöpfen von der Gottheit Noldil geschenkt, damit wir Erinnerungen und Gefühle in Form von Musik in die Welt hinaustragen können“, die Antwort kam von dem älteren Verkäufer, der belustigt die staunenden Kinder beobachtete. Er war schlicht angezogen, doch um seinen Hals hing eine Unmenge an bunten Trillerpfeifen und anderem Krimskrams, das auch Floh nicht zuzuordnen vermochte und auf seinem Haupt thronte eine gelbe Mütze.


    Der Händler war so freundlich, den Kleinen das Spielen auf den Trommeln zu zeigen, während Floh sehnsüchtig die Flöten betrachtete. Eine hatte es ihr besonders angetan und sie nahm sie beinahe ehrfurchtsvoll in die Hand, um das Holz zwischen ihren Fingern zu spüren.

    Im ersten Moment wollte die kleine Goblin wütend losschimpfen, doch Worte wie „Trampeltier, Dummbo oder Blindwurm“ blieben ihr im Hals stecken, als der Blick an dem vertraut gestreiften Pyjamastoff und den moosgrünen Füssen haften blieb.
    Benommen liess sie sich aufhelfen und meinte danach ein Kribbeln zu spüren, dort wo seine langen Finger sie berührten. Hatte der Sturz sie so verwirrt, dass sie nun schon Gespenster sah?
    Doch nein, die Stimme, welche sich gerade bei ihr entschuldigte, gehörte eindeutig dem grossen Ginimo.
    Was für ein Abend – und er war noch nicht vorüber!


    Unverwandt starrte sie den Goblin an, und war sich dabei nicht bewusst, dass sie ihn geradezu mit den Augen auszuziehen schien.
    Erst seine nächsten Worte rissen sie aus ihrer Lethargie und sie schnappte aufgeregt nach Luft.
    „Ich hab Euch nicht gesehen.“


    Er hat mich nicht gesehen?!
    Enttäuschung durchflutete sie in mächtigen Wellen und ihr Körper versteifte sich. Plötzlich türmten sich Erinnerungen vor ihr auf, und ein Déjà vu jagte das nächste. Als kleines Kind wäre sie einmal beinahe von einem Ork zertrampelt worden. Bei der Arbeit in der Küche hatte der Koch sie zwischen den vielen Mehl-, Erbsen und Getreidesäcken in der Vorratskammer übersehen und sie über Nacht versehentlich eingeschlossen. Beim Kinderhüten musste sie Angst haben, für einen ihrer Schützlinge gehalten zu werden, wenn sie mit den Kleinen draussen spielte. Und als sie einmal den Wunsch hatte, auf einem Pony zu reiten, hatte man sie auf ein zotteliges Hausschwein verwiesen, das ihr danach den restlichen Tag fröhlich grunzend hinterhergetrottet war, um seine Streicheleinheiten einzufordern.


    "Ich bin Ginimo", stellte sich da ihr Gegenüber vor. "Braucht Ihr irgendwie ein Lappen, oder so?"
    "Hallo?
    ", fragte er etwas verwirrt. "Hört Ihr mich?"
    Flohs Blick klarte sich auf und sie erkannte, dass er sie freundlich anlächelte. Doch so liebenswert schien ihr sein Lächeln plötzlich nicht mehr zu sein. Ihr ganzer angestauter Frust über die Ungerechtigkeit, mit welcher diese Welt der Grossen alle Kleinen behandelte, brodelte aus ihr heraus.


    „Ihr habt mich übersehen? So ist das also ja? Nur weil ihr hier in dieser Spelunke ein bekannter Musiker seid und im richtigen Moment die richtigen Töne von Euch zu geben in der Lage seid, heisst das noch lange nicht, dass Ihr Euch für was Bessres halten müsst!“
    Ihre Augen funkelten den ahnungslosen Ginimo wütend an.
    „Euer selbstgefälliges Grinsen könnt Ihr Euch sparen! Darauf falle ich nicht herein! Nur weil ich eine kleine Frau bin, heisst das noch lange nicht, dass ich mich wie ein Hühnchen herumschubsen lasse!“
    „Und natürlich höre ich Euch! Im Gegensatz zu Euch spaziere ich mit offnen Augen und Ohren durch diese Welt.“


    Inzwischen hatte sich eine kleine Menschentraube um die beiden geschart und beobachtete amüsiert, wie die kleine Dame mit den pinken Haaren und langen Schlappohren mit empörtem Stimmchen auf den Goblinmann ein schimpfte.
    Erst als sie mit der roten Socke vor seinem Gesicht herumwedelte und das Grölen der Umstehenden sie aus ihrer Tirade riss, wurde ihr auf einen Schlag bewusst, was sie da gerade machte.
    Sie beschimpfte den grossen Ginimo! Ihr Ein und Alles! Ihr Idol!


    Mit einem Mal wurde ihr heiss und kalt zu gleich und sie spürte, wie ihr Gesicht rosa anlief. Oh, was mache ich da bloss! Mir wird gleich schlecht, dachte sie voller Panik.
    „Und so toll ist deine Musik gar nicht, mir gefällt Ali Gammelghul sowieso viel besser!“, schleuderte sie dem verwirrten Goblin noch hilflos an den Kopf, bevor sie ihr triefendes Kleidchen raffte und die Flucht ergriff. Bloss raus hier, an die frische Luft - und bloss nicht umdrehen!

    Name: Floh vom Ziffix-Clan
    Volk: Naridische Goblin
    Fraktion: Handelsallianz
    Alter: Junge Erwachsene
    Grösse: 88 cm
    Sprache: Asameisch
    Beruf: gelernte Malerin, nun als Kindermädchen tätig
    Glaube: Noldil, Dal, Clawis, Ainuwar


    Beruf
    Floh konnte sich nie sonderlich fürs Handeln begeistern zur Enttäuschung von Dorli und auch technisch ist sie im Gegensatz zu ihrem Vater Alfi nicht sehr versiert. Trotzdem wurde sie von ihrer Mutter zu Fleiss erzogen. Sie überredete ihre Tochter zu einem Architekturstudium, wo die junge Goblin jedoch bald rausfaulte. Anfangs arbeitete sie als Tellerwäscherin, doch weil sie sich oft tollpatschig anstellte und dabei unzählige Teller in die Brüche gingen, so dass auch der Ausspruch „Scherben bringen Glück“ ihr nicht mehr weiterhalf, wurde sie schliesslich von ihrem Chef fortgeschickt – dahin wo der Pfeffer wächst!


    Da Finimi, wie sie eigentlich heisst, gerne kreativ ist, bewarb sie sich schliesslich als Malerin. Bald wurde es ihr jedoch zu langweilig die goblinischen Häuser in eintönigen Farben zu bemalen. Nachdem sie ihre Lehre trotzdem erfolgreich beendet hatte, wollte es der Zufall, dass sie in ihren neuen Beruf hineinfand.
    Eine Freundin ihrer Mutter beklagte sich bei einer Drei-Minuten-Tasse-Kakao darüber, dass es einfach keine goblinischen Kindermädchen gäbe. Und sie wolle doch ihr Kind nicht einer Arashi oder einer Norkara anvertrauen, die dem zartbeseiteten Goblinkind bloss falsche Verhaltensweisen wie Faulenzen und Feiern unterjubeln würden.
    Dorli roch sofort die Lunte und überzeugte ihre Freundin mit gut gewählten Worten davon, dass Floh bestens für diese Aufgabe geeignet sei.


    Es sprach sich bald herum, dass ein goblinisches Kindermädchen in der Stadt war, welches die Winzlinge nach den Tugenden der Goblins erzog, während die Eltern beruhigt ihren Tätigkeiten nachgehen konnten.
    So kam es, dass Floh manchmal bis spät abends eine Handvoll kleine Grünlinge hütete und dabei nicht wenig die Ohren vollgeheult und ihre Kleider vollgekleckert bekam.
    Trotzdem konnte sie sich oft keine bessere Arbeit vorstellen, denn jeder Tag bedeutete für sie eine neue Herausforderung oder gar ein Abenteuer.


    Glaube
    Dal hier, Clawis da, Ainuwar dort. Schon von der Geburt an wurde Finimi der Glaube an die Götter mit der Muttermilch eingeflösst. In der Ingenieursfamilie hatte besonders Clawis einen hohen Stellenwert, da ihm als Erbauer der Welt für die Baukunst, die Architektur und das Handwerk gehuldigt wurde. Ainuwar hingegen war für Floh schon immer etwas unheimlich. Als Kind fürchtete sie die Bildnisse dieser dunkel gekleideten Gestalt, welche sie immer mit der Endlichkeit der Dinge gleichsetzte.
    Dal ist es jedoch, für welche die junge Frau am wenigsten Sympathie hegt. Oft stellt sich Floh die Göttin als grosse Schwester vor, an deren Tugenden ihre Eltern sie selbst bemessen. Doch die ehrliche kleine Goblin empfindet keine Freude am Handel oder daran, andere Leute geschickt übers Ohr zu hauen.
    Stattdessen entdeckte sie ihren Glauben an Noldil, den sie jedoch vor ihrer Familie verheimlichte. Wo sie in Dal die ältere Schwester erkannte, der es nachzueifern galt, war Noldil für sie wie eine Freundin oder ein Freund, mit der sie die lustvollen Dinge im Leben geniessen konnte. Die Gottheit war ein Verbündeter in der oftmals viel zu eifrigen Welt der Goblins.


    Aussehen
    Im Gegensatz zu vielen anderen Goblinfrauen geniesst es Floh ihre Haare etwas länger zu tragen. Gerne bindet sie die knapp schulterlangen Strähnen zu Zöpfen oder Schwänzen zusammen oder steckt sie locker in die Höhe, so dass ihr Hals und die langen Schlappohren zur Geltung kommen. Jedoch benötigt sie dafür nach Goblinmanier nicht länger als zwei Minuten, weshalb die Frisur oft nicht ganz perfekt sitzt. Zurzeit sind die strubbeligen Haare in einem grellen Pink gehalten, doch je nach Laune können sie auch schon mal veilchenblau oder sonnengelb leuchten. Nicht einmal Dorli vermochte ihrer Tochter diese Zeitverschwendung des Haare Färbens auszutreiben.


    Flohs Haut ist grasgrün, ihre grossen Augen sind goldfarben. Ausserdem thront ein auffälliger Goblinzinken in ihrem Gesicht, Pausbacken und ein voller Mund runden das Bild der jungen Frau ab.
    Die Goblin liegt grössentechnisch weit unter dem Durchschnitt mit ihren 88cm. Sie behauptet jedoch gerne 90cm gross zu sein, da ganze Zahlen einen besseren Eindruck hinterlassen.
    Floh wirkt ein wenig pummelig, was wohl damit zusammenhängt, dass sie einem süssen Leckerbissen nicht abgeneigt ist, dafür jedoch einen Bogen um neumodische Diäten macht.


    Sie kleidet sich bequem ein und versäumt es gerne Schuhe zu tragen, da sie sich lieber ihre Zehenfreiheit erhält. Ihre Füsse weisen deshalb eine dicke Hornhaut auf und sind oft dreckverschmutzt.
    Die Klamotten sind nicht auffälliger als die anderer Goblins, sind aber meist mit bunten Flicken übersät. Da Floh gerne klettert, was ihre Hütekinder immer mit Begeisterung aufnehmen, wenn sie dann alle zusammen im Wohnzimmer über Tische und Regale krabbeln, passiert es auch ab und an, dass ihre Hosen einreissen und wieder zusammengenäht werden müssen.


    Nur zu besonderen Anlässen nimmt sich Floh die Zeit, ihre Haare ordentlich zu frisieren, Ohrstecker und Armreife anzuziehen und ihre Finger- und Zehennägel bunt zu lackieren. Manchmal trägt sie dann sogar Schuhe und auch schon ein Kleid, anstatt nur eintönige Hosen und Hemdchen.


    Charakter
    Floh ist ein sehr begeisterungsfähiges Persönchen und entlockt mit ihrer Fröhlichkeit auch dem grössten Griesgram noch ein Lächeln.
    Ihr einzigartiger Charme setzt sich zusammen aus einer Prise Natürlichkeit mit der sie der Welt jeden Tag begegnet, sowie drei Löffel voll von ihrer Fähigkeit, überall das Besondere zu entdecken. So ist keine Schnecke davor gefeit, von ihr bewundert zu werden und das Trinken einer Tasse Kakao stellt für sie nicht bloss eine Gewohnheit, sondern einen leidenschaftlichen Genuss dar.


    Die junge Frau entspricht kaum dem gängigen Bild einer Goblin. Obwohl sie sehr wohl zu Fleiss und Tatendrang herangezogen wurde, geniesst sie das Leben mit all seinen Facetten in vollen Zügen. Wo traditionelle Goblins den Schwerpunkt auf die Finanzen und die Arbeit legen, liebt es Floh, mit den Kindern Schokobomben zu backen oder ein Konzert ihrer Lieblingsband Ghul´n´Goblins zu besuchen. Ihre Leidenschaft zur Musik zeigt sich immer wieder, wenn sie munter summend und singend durch die Stadt läuft, und dabei auch vor falschen Tönen keinen Halt macht.


    Floh hätte auch immer gerne ein Instrument erlernt, doch ihre Eltern hielten dies für reine Zeitverschwendung. Sowieso sind sie nicht mit all den Vorlieben ihrer Tochter einverstanden und verwerfen oft die Hände über den Köpfen, wenn sie wieder einmal mit einer neuen Haarfarbe und einem möglichst bunten Kleidchen durch die Wohnung tanzt.
    Trotzdem lieben sie Finimi von ganzem Herzen, ist sie doch etwas ganz Besonderes.


    Floh ist immer auf Draht, ihre Welt scheint nie still zu stehen. Deshalb ist es auch nicht verwunderlich, dass die Kinder sich gerne um sie scharen, denn mit ihr wird es nie langweilig. Das Kindermädchen ist sich nie zu gut dafür, mit ihnen Fangen zu spielen, Grimassen für die Kinder zu schneiden oder anderen Schabernack zu treiben. Floh liebt es einfach möglichst bunt und quirlig.


    Trotzdem hat auch sie so ihre Macken. Aus Gewohnheit lutscht sie gerne an ihrem Daumen, sobald eine Situation sie verunsichert oder zum starken Nachdenken anregt.
    Nicht sehr goblinisch ist auch ihre Unfähigkeit zum Handeln, so dass die junge Frau auf dem Markt oft über den Tisch gezogen wird und das dreifache vom eigentlichen Preis für einen Kohlkopf bezahlt.
    In technischen Belangen ist Floh ebenfalls eine Niete, und auch wenn sie Forscher und ihre exzentrischen Apparaturen stets bewunderte.


    Auch ihre Neugier nimmt manchmal ungesunde Züge an, so dass sich die kleine Goblin in unangenehmen Situationen wiederfindet, welche sich mit ihrem Hang zur Tollpatschigkeit oftmals noch haarsträubender gestalten.
    Ihre Sturheit trägt zusätzlich dazu bei, dass sie nicht gerne nachgibt, und ihren Standpunkt bis aufs Letzte zu verteidigen versucht. Dank dieser Eigenschaft hat sie es jedoch auch geschafft, sich selbst treu zu bleiben und sich nicht den Vorstellungen anderer zu beugen.


    Zuletzt kann noch genannt werden, dass die Goblin ein Zehenfetischist ist und stolze Besitzerin einer roten Stinkesocke vom grossen Ginimo höchstpersönlich.


    Lebenslauf
    Dorli und Alfi
    Dorli, die Mutter von Floh lernte ihren Mann Alfi auf dem Markt kennen. Sie verkaufte gerade eine neue Serie von unterschiedlichsten Nussknackern und hatte Dal darum gebeten, ihr heute einen guten Gewinn zu verheissen. Dorlis Bitte ging in Form von Alfi in Erfüllung. Der Alleinstehende Ingenieur war gut betucht und konnte es sich leisten, etwas mehr Gold auszugeben, als die meisten anderen Goblins. Er war ausserdem ein gutmütiger Kerl und besass einen scharfen Blick für schöne Dinge. So entging ihm die fröhliche Goblinfrau nicht, welche an ihrem Stand munter mit den Leuten quatschte und deren Lachen über den ganzen Marktplatz hinweghallte. Völlig bezaubert kaufte Alfi die ganze Serie der Nussknacker und eroberte das Herz von Dorli so gleich mit. Kurz darauf heirateten die beiden und ein Jahr später kam Floh zur Welt.


    Kindheit
    Finimi wuchs als naridische Goblin zwischen unterschiedlichsten Völkern auf, die sich im Bunde der Handelsallianz gefunden hatten. Obwohl ihre Eltern in einem eher goblinisch bevölkerten Stadtteil lebten, kam das Kind doch früh in Kontakt mit anderen Wesen. Schon bald musste Finimi lernen, dass ihre «Grösse» ihr sowohl zum Vor- als auch zum Nachteil gereichen konnte. Mit ihren goldgelben Augen konnte sie fast jeden rumkriegen, genauso oft wurde sie wegen ihres Kleinwuchses jedoch auch einfach übersehen.


    Finimi wird zu Floh
    Nachdem das Mädel die Kleinkindphase überstanden hatte ohne grössere Schäden davonzutragen als ein paar Schrammen und Beulen, lernte sie in der Schule das Lesen, Schreiben und Rechnen plus vielen anderen Kram, den sie wohl niemals wieder benötigen würde.
    Sogar in der Goblinklasse war sie die Kleinste. Dies und ihre Sprunghaftigkeit trugen ihr bald den Übernamen «Floh» ein, den ausser ihrem Vater und den Grosseltern bald alle rege nutzten.
    In ihrer Kindheit war Finimi sehr beliebt bei den Gleichaltrigen, denn sie hatte dauernd ein lustiges und verrücktes Spiel in petto oder war für Streiche immer zu haben.


    Die Rebellin
    Dies änderte sich auch nicht, als Floh auf eine höhere Schule wechselte. Sie steckte nun mitten in der Pubertät, begann sich für Jungs zu interessieren und ihre Nägel zu lackieren. Ihre Schlappohren waren ihr plötzlich peinlich, denn sie galten als Schönheitsmakel unter den Goblins. Sie verschaffte sich Abhilfe, indem sie sie mit riesigen und schweren Ohrklunkern behängte, und damit einen neuen Trend unter den rebellischen Jugendlichen startete. In dieser Altersklasse galten die sehr fleissigen Goblins noch als Streber, was sich jedoch bald ändern sollte.


    Ihre Leidenschaft
    Dies war auch die Zeit, wo Floh zum ersten Mal Ghul’n’Goblins spielen hörte. Sie hatte sich heimlich auf ein Konzert geschlichen, hauptsächlich aus dem Grund, dass sie ihren Schwarm beeindrucken wollte. Den vergass sie während der Aufführung jedoch völlig und hatte nur noch Augen und Ohren für die Band. Ihre Liebe zur Musik war seit daher unersättlich.
    Gerade als die Eltern bereits anfingen sich Sorgen zu machen, dass aus ihrer Tochter nie eine fleissige und anständige Goblin würde, schien sich die Lage zu beruhigen.


    Wirtschaft oder doch lieber Architektur?
    Die Schule nahte ihrem Ende und die Frage der Wahl des Berufes rückte immer näher. Floh weigerte sich standhaft ein Wirtschaftsstudium zu absolvieren, denn mit Finanzen hatte sie nicht viel am Hut. Schliesslich liess sie sich von ihren Eltern nach langem Zureden und viel Türenschlagen zu einem Architekturstudium überreden.
    Von Anfang an fühlte sich Finimi fehl am Platz. Obwohl sie fleissig war, sagten ihr die Fächer nicht zu. Ihre Mitstudenten blickten mitleidig auf sie herab, denn sie entsprach nicht dem Bild eines typischen Goblinstudenten.
    Doch Floh wollte sich nicht anpassen. Bevor ihre Noten ins bodenlose sanken, brach sie das Studium ab und beschloss, ihren eigenen Weg zu gehen.


    Kreative Lehre
    Ihr Vater war so enttäuscht und wütend, dass er sie eine Zeit lang nicht sehen wollte. Damals hielt sich die junge Frau als Tellerwäscherin über Wasser, überlebte aber auch in dieser Branche wegen ihrer chronischen Tollpatschigkeit nicht allzu lange.
    So kam es, dass sie schliesslich auf ihre kreative Ader zurückgreifen wollte. Floh fand eine Anstellung als Lehrling bei einem Arashi, der die Goblin mit einigen Bedenken einstellte. Finimi stellte sich nicht schlecht an, nachdem der Malermeister extra kleine Farbtöpfe bestellte, und damit die Gefahr des Ausschüttens verringerte. Da Floh schon immer gerne kletterte machte es ihr nichts aus, an wackeligen Gerüsten empor zu kraxeln, um dort die Häuserwände zu bestreichen.
    Trotzdem war sie erleichtert, als die dreijährige Lehre vorbei war, denn die immerselben faden Farbtöne begannen sie zu langweilen. Viel lieber hätte sie die Häuser in Grün, Rot oder gar mit Punkten bemalt.


    Traumberufung
    Mit den Eltern verstand sie sich indessen wieder besser, obwohl der Vater noch immer sehr ungern über ihre Berufswahl diskutierte.
    Ihre Mutter war es schliesslich, welche Floh den Beruf als Kinderhüterin vermittelte. Was anfangs als kleiner Nebenverdienst gedacht war, entwickelte sich schnell zu einem Vollzeitjob, denn goblinische Kindermädchen waren selbst in Nordnaridien höchst selten anzutreffen. Wer also etwas auf sich hielt unter den Goblineltern, stellte die junge Finimi ein.
    So ist die Frau nun häufig mit kleinen Grünlingen anzutreffen und nicht selten bleiben die Blicke der Stadtbewohner an dem quietschfidelen Trüppchen hängen, das hüpfend und lachend über den Markt bummelt.

    Unter dem Bett verborgen hatte sich Floh die Socke in den Mund gestopft, um vor Begeisterung nicht freudig zu piepsen. Das musste ein Traum sein!
    Etwas anderes wäre allzu unglaublich. Doch der käsige Geschmack und die Fusel in ihrem Mund belehrten sie eines Besseren. Allzu gerne hätte sie den Kopf aus ihrem Versteck hervorgereckt, doch die Angst vor einer Entdeckung liess sie Vorsicht walten. Stattdessen beobachtete sie entzückt, wie sich der grosse Ginimo sozusagen vor ihr entkleidete. Die Klamotten landeten auf einem ordentlichen Haufen am Boden.
    Floh hielt den Atem an und meinte zu erröten, als die nackten Füsse des Goblins nur wenige Zentimeter von ihr entfernt über den Boden schlurften. Unwillkürlich wackelte Floh mit ihren eigenen Zehen und ihre Augen funkelten vor Erregung. Als er sich aufs Bett plumpsen liess, knarrten die Federn und die Matratze wölbte sich ihr entgegen.
    „Was werden die anderen bloss sagen, wenn ich ihnen erzähle, dass der grosse Ginimo über mir gelegen hat?“, sie beschloss dabei auszulassen, dass eine Matratze sie von ihrem Sternchen trennte und er nicht einmal Kenntnis von ihr besass.


    Im nächsten Moment zuckte sie erschrocken zusammen, als plötzlich seine Stimme erklang. Aus der Nähe tönte sie noch viel aufregender als bei den Konzerten. Sie konnte sich direkt vorstellen, wie er mit seinen Kumpanen Scherze riss oder einer Frau romantische Liedtexte ins Ohr wisperte. Jetzt jedoch war sie nachdenklich gestimmt und Floh begriff nach dem ersten Schreck, dass er künstlerische Selbstgespräche führte.
    Zwischendurch hörte sie das kratzende Geräusch einer Feder, die eilig über das Pergament geführt wurde.


    Der Staub kitzelte Floh in der Nase und sie musste einen Nieser unterdrücken. Nur ein leises Schnauben war zu erahnen, das jedoch in den goblinischen Ausführungen unterging.
    Als sich Ginimo darauf jedoch hörbar bewegte und das Bett ächzte, meinte Floh, in Ohnmacht fallen zu müssen. Er hat mich bemerkt!, zuckte ihr der Gedanke durch den Kopf.
    Wie soll ich ihm meine Anwesenheit bloss erklären? Unter seinem Bett?? Ich kann schwer behaupten, dass ich mich verlaufen hätte!
    Doch zu ihrer Erleichterung tauchte kein krummer Goblinzinken und erbost funkelnde Augen in ihrem Gesichtsfeld auf, stattdessen bewegten sich die Füsse vom Bett weg, um sich kurz darauf bei einem Klavierschemel niederzulassen.


    Was nun folgte, versetzte Floh in andächtiges Lauschen.
    Für das Goblinmädel waren die losen Tonabfolgen schöner als jedes Liedstück, das der grosse Ginimo bereits gespielt hatte. Denn diese Musik war nicht für die Öffentlichkeit bestimmt und bloss ihre eigenen bescheidenen Schlappohren kamen in den Genuss, den Klängen zu lauschen, welche von aufgeschlossenem Geklimper in eine weiche, melancholische Melodie übergingen, um dann wieder härter und beschwingter vorangetrieben zu werden. Egal, was Ginimo spielte, Floh war verzaubert.
    Sie begriff nicht, was er dauernd dazwischen laberte und am liebsten hätte sie ihm zugerufen endlich das Maul zu halten und sich von der Melodie dahintreiben zu lassen, wie sie selbst es gerne getan und sich zu der Melodie bewegt hätte. So hielt sie einfach ihre goldfarbenen Augen geschlossen und wippte sanft mit dem Kopf dazu.


    Doch plötzlich wurde Floh abrupt aus ihrer Ekstase gerissen, als der Goblin wie eine Furie loswetterte. Die Enttäuschung war ihm anzuhören und Floh hatte das ungezähmte Bedürfnis, ihn zu trösten. Sie kam jedoch schnell wieder von dem Gefühl los, als sie sich vorstellte, wie sie mitten in seinem Wutanfall unter dem Bett hervorgekrochen käme. Unvorstellbar!
    Dann wurde der Stuhl weggeschoben, und im nächsten Augenblick entfernten sich die moosgrünen Füsse, welche halb unter einer langen, gestreiften Pyjamahose hervorlugten.
    Die Tür knallte zu, dann verschwanden die Schritte in Richtung der Taverne.


    „Ist er weg?“, Floh murmelte die Worte ganz unbewusst und schlug sich schnell die Socke vor den Mund. Doch es blieb still, nichts regte sich in dem Zimmer.
    Hektisch krabbelte sie unter dem Bett hervor, nachdem sie sich mit vorsichtigen Blicken davon überzeugt hatte, dass der betörende Musiker verschwunden war. Ihr Kleidchen war von einer Staubschicht bedeckt, und ihre Beine fühlten sich verkrampft an.
    Erst jetzt quietsche sie vor Freude los und hüpfte wie ein Flummi durch das Zimmer, um ihrer angestauten Aufregung Luft zu machen. Als sie sich wieder einigermassen gefasst hatte, trippelte sie zum Klavierhocker hinüber. Liebevoll strich ihre Hand über das Leder und sie konnte die Wärme fühlen, welche SEIN Körper darauf hinterlassen hat.
    Ob sie wohl einige Töne spielen konnte?
    Ihr Blick glitt misstrauisch zur Tür hinüber, welche jeden Moment aufgerissen werden konnte.


    Floh hatte noch niemals ein Klavier aus solcher Nähe gesehen, geschweige denn berührt.
    Zögerlich rutschte sie mit ihrem Po auf den Hocker, welcher etwas zu tief gelegen war, als dass sie bequem an die Tasten gelangen konnte. Etwas mutiger geworden, kniete sie sich schliesslich hin und hatte nun einen guten Überblick über das Instrument.
    Als wäre es aus Glas liess sie ihre Finger über das Holz streicheln. Damit konnte der grosse Ginimo solch wundervolle Melodien hervorbringen.
    Nachdem sie ein letztes Mal zur Tür geschaut hatte, siegte ihre Neugier.
    Nur ganz leicht berührte sie eine Taste an der unteren Hälfte der Tastatur. Ein tiefer Klang erfüllte den Raum und etwas perplex liess Floh den Finger davonschnellen. War es wirklich so einfach?


    Vergessen war, dass sich Ginimo gerade noch hier befunden hatte, vergessen, dass er irgendwann zurückkehren würde.
    Ihre Finger glitten über das Klavier und entlockten ihm unzusammenhängende Töne, welche mal weicher und mal härter im Raum verklangen. Ein seeliges Lächeln hatte sich auf Flohs Gesicht ausgebreitet. Das war ja einfach toll!


    Erst nachdem sie eine gefühlte Ewigkeit lang jenste Kombinationen von Tasten ausprobiert und dazu leiste mitgesummt hatte, erkannte sie, dass sie sich wieder von dem Instrument trennen musste. Immer grösser wurde die Gefahr, entdeckt zu werden.
    Mit einem wehmütigen Blick schnappte sie sich also ihre Socke, denn diese wollte sie auf keinen Fall zurücklassen – zu viel hatten sie in dieser kurzen Zeitspanne bereits miteinander durchlebt.


    Dann stapfte die kleine Goblinfrau zur Tür, welche glücklicherweise nicht mehr abgeschlossen war. Sie prägte sich noch einmal jedes kleinste Detail ein, sog die Bilder in sich auf, um sie schubladenweise in ihren Erinnerungen zu stapeln. Die Öllampe, welche unruhig flackerte, die Spinne, die in einer Ecke ihr Netz baute, die Pergamentblätter, welche lose herumlagen, der Spitzhut über der Stuhllehne und natürlich dieses einzigartige Instrument und die nackten Goblinmännnerfüsse,…


    Dann öffnete sie die Pforte einen Spalt breit und schlüpfte hindurch. Sie fühlte sich, als würde sie langsam aus einem Traum erwachen. Kaum war die Tür zum Paradies geschlossen, holte die Realität sie ein.
    Schnell trippelte sie den Flur entlang und erreichte die Treppe, die in die Gaststube hinunterführte.
    Als sie hinter sich plötzlich unbekannte Stimmen vernahm, nahm sie gleich zwei Stufen auf einmal, übersah dabei aber einen Tritt, der durch die viele Benützung ziemlich abgeschliffen war und rutschte aus. Stolpernd purzelte sie die Treppe hinunter. Vor Schreck kam sie nicht einmal dazu, einen Schrei auszustossen. Erst als sie am Fusse hart auf dem Bauch aufkam entrang sich ein Schluchzen ihrer Kehle. Sie rappelte sich hoch und betastete ihren Zinken. Nichts gebrochen!


    Von oben näherten sich Schritte. Floh bewegte sich leicht humpelnd und die Finger um die Socke gekrampft den Gang entlang, dann stiess sie das Tor auf, das in die Gaststube führte.
    Erleichtert tauchte sie in der Menge unter, welche noch immer die Taverne bevölkerte und inzwischen ziemlich angeheitert war. Der Geruch von Bier und Rauch umhüllte sie wie ein schweres Parfum. Sie rieb sich die Augen, denn noch immer tränten sie von dem schmerzlichen Aufprall.
    Dabei stiess sie mit jemandem hart zusammen, und ein Schwall Bier verteilte sich klebrig und nass über ihre Schultern und das inzwischen nicht mehr ganz so hübsche Flickenkleid. Wie konnte man nur so viel Glück und so viel Pech an einem einzigen Abend zugleich haben?!

    Floh, wie ihre Freunde sie immer nannten, da sie sogar für eine Goblinfrau sehr klein gewachsen war, bibberte vor Aufregung. Heute würde sie endlich ihre Lieblingsband hören!
    Auf dem grossen Markt hatten die Leute eifrig gemunkelt, dass Ghuls’n’Goblins in der Taverne zum Schluckspecht spielen würden. Ghuls’n’Goblins! Nur schon der Name sagte doch alles aus! Eine spritzige Mischung von gut aussehenden Goblins und… nun ja, einem nicht ganz so attraktiven Ghul. Doch das mochte man ihm verzeihen, wenn man erst hörte, welch wundervolle Klangfarben er seiner Knochenflöte entlockte.


    Verträumt hüpfte sie deshalb an diesem Abend in einem Kleidchen, das viele bunte Flicken aufwies und ihre stämmigen Goblinbeinchen zur Geltung brachte, den beleuchteten Weg entlang, der zu der weithin bekannten Gaststätte führte. Ihre pinkgefärbten Haare hatte sie mit getupften Bändern zu zwei vorwitzigen Schwänzen zusammengebunden. Ihre langen spitzen Lauscher waren mit bunten Ohrsteckern versehen. Ihre Mutter nannte sie zwar oft liebevoll Schlappohr, doch trotzdem mochte Floh ihre leicht hängenden Ohren gerne.
    Ausnahmsweise trug sie sogar ein Paar Schuhe, was sie normalerweise nicht für nötig befand, weil sie lieber die Freiheit hatte, mit den Zehen herum zu wackeln. Nichts desto trotz hatte sie sowohl die Finger- als auch die Zehennägel passen zu ihren Haaren lackiert.


    Die Nacht war bereits hereingebrochen und so herrschte ein reges Treiben vor dem Schluckspecht. Eine riesige Schlange hatte sich vor dem Eingang gebildet und alle möglichen und unmöglichen Kreaturen warteten darauf, eingelassen zu werden. Es herrschte ein reges Gedränge und bereits waren genervte Stimmen zu vernehmen.
    Floh trippelte unruhig von einem Fuss auf den anderen und versuchte einen Blick auf die Tür zu erhaschen. Einmal mehr schimpfte sie über ihre Grösse – sie erreichte gerade einmal 88cm, obwohl sie immer steif und fest behauptete 90cm gross zu sein. Leider nützten ihr diese Behauptungen im Augenblick wenig, denn obwohl auch viele Goblins anwesend waren, um die Band zu sehen, war sie eindeutig die kleinste Persönlichkeit hier.
    Als ein junger Alb sie beinahe über den Haufen rannte, funkelte sie ihn wütend an und schimpfte ihn einen Kamelfuss, was ihr jedoch keine weitere Beachtung einbrachte.
    Kurz überlegte Floh, sich durch die vielen Beine hindurchzuzwängen, doch schnell verwarf sie diesen lebensmüden Gedanken wieder. Nicht einmal einen Blick durch eines der Fenster konnte sie erhaschen, denn zu viele andere hatten sich bereits dort versammelt und kämpften darum, einen Blick ins Innere des Hauses zu erhaschen.


    Frustriert kickte das Goblinmädel nach einem Stein, welcher wie eine kleine Kanonenkugel davonspickte. „Miiiaaaauuu!“, erklang ein schmerzliches Fauchen und eine getigerte Katze huschte wie vom Blitz getroffen um die Ecke herum davon. Schuldbewusst zuckte Floh zusammen. Sie war zwar im Allgemeinen keine Tierliebhaberin, aber bei Katzen machte sie da eine Ausnahme. Der eigensinnige und unabhängige Charakter faszinierte sie, ebenso wie die berechnende Intelligenz dieser Wesen. Da sie momentan sowieso nicht näher ans Haus herankommen würde, beschloss sie, kurz nach der Katze zu sehen. Womöglich war sie verletzt. Und vielleicht gab es hinter dem Haus ja doch noch ein Fenster, wo sie in den Schankraum blicken oder wenigstens die bombastische Musik mithören konnte!


    Ohne zu zögern nahm sie ihre Beinchen in die Hände und rannte der Katze hinterher.
    Von dem Tier war weit und breit nichts zu erkennen, was vielleicht aber auch an der Dunkelheit liegen mochte. Hier war der Geräuschpegel nur noch gedämpft zu vernehmen. Leider auch die Trommel- und Flötenklänge, welche nun plötzlich eingesetzt hatten. Sie wurden von lauten Jubelrufen untergraben und Floh ballte wütend und verzweifelt zugleich ihre kleinen Fäuste.
    „Das ist doch Mäusemist!“, schimpfte sie. Wann kam es schon einmal vor, dass sie am Abend nicht arbeiten musste und gleichzeitig noch Ghuls’n’Goblins ein Konzert gaben? NIE!
    Und ausgerechnet jetzt hatte sie sich keinen Platz ergattern können.


    Plötzlich hörte sie ein Rascheln und ihr Blick wanderte erschrocken in die Höhe. Doch es war nur die Katze, welche sich auf einen Brennholzstapel geflüchtet hatte, der an der Wand der Gaststätte angelehnt war. Die orangefarbenen Augen leuchteten vorwurfsvoll und Floh murmelte eine halbherzige Entschuldigung. „Jetzt sind wir aber quitt, du hast mich auch erschreckt!“, brummte sie der Katze zu. Diese drehte sich um, und zottelte mit hoch erhobenem Schweif über den Stapel hinweg davon.


    Floh stutzte plötzlich. Ihr Blick war an einem Fenster hängen geblieben, welches sich nur etwa eineinhalb Meter über dem ordentlich gestapelten Holzhaufen befand. Ihr Herz jubelte vor Freude auf, als sie erkannte, dass der Schimmer einer Lampe hervorzüngelte und es einen Spalt breit offen stand, damit der Bewohner in den Genuss der kühlen und erfrischenden Nachtluft kommen konnte.
    Einen Moment zögerte sie. Ihre Mutter hatte ihr oft erklärt, dass ihre Kletterkünste keine Tugend seien und sie besser wichtigere Fertigkeiten präzisieren sollte. Denn Floh hatte ihren Namen nicht nur allein wegen ihrer Grösse, sondern auch, weil sie wie ein Floh alles zu erklimmen vermochte, was ihr im Weg stand oder einfach darunter hinwegkroch.
    Als jedoch die Menge im Haus erneut aufjubelte und somit den grossen Ginimo stürmisch begrüsste, war dies für das Goblinmädel Ansporn genug. Sie musste in den Schluckspecht hineingelangen- koste es, was es wolle!


    In ihrem Eifer flogen die Schuhe in hohem Bogen davon und verfehlten nur um Haaresbreite die Katze, welche sich neugierig wieder näher gewagt hatte.
    Dieses Mal hatte Floh jedoch keinen Gedanken für das Tier übrig, stattdessen konzentrierte sie sich auf ihre weiteres Vorgehen. Tatsächlich war es eine Leichtigkeit, den Brennholzstapel zu erklimmen. Ihre beweglichen Zehen nutzten jeden hervorstehenden Ast und ihre kräftigen Finger klammerten sich an das raue Holz, während sie so zwei Meter in die Höhe kletterte.
    Oben angekommen liess sie sich bäuchlings auf die Hölzer plumpsen. Sie war etwas aus der Übung und es hatte sie einiges an Anstrengung gekostet. Mit spitzen Fingern klaubte sie einige Spiessen aus ihren Handflächen, welche sich schmerzhaft hineingebohrt hatten.
    Als jedoch ihr Lieblingsbarde zu trällern begann im Takt mit den Trommeln und der Laute, schob sie ihre Müdigkeit beiseite. Wenn sie sich nicht beeilte, wäre das Konzert schon vorbei, wenn sie endlich drin war!


    Etwas kritischer betrachtete sie nun die Wand vor sich. Glücklicherweise war das Haus aus grobem Sandstein gebaut und schon länger nicht mehr richtig saniert worden. Überall ertastete sie bei der Suche Einbuchtungen, wo ihre Finger und Zehen Halt finden würden. Die ersten zwei Versuche schlugen trotzdem fehl und sie landete unsanft auf ihrem üppigen Hintern. Sie beglückwünschte sich dafür, nicht der neuesten Mode der jüngeren Goblinfrauen zu folgen und Diät zu machen, denn dann wäre die Landung um einiges unangenehmer ausgefallen. Sie würde mit ein paar blauen Flecken davonkommen, doch das ist es allemal wert!
    Auch ihre Haarschwänze lösten sich zunehmend und einige Haarsträhnen standen frech in alle Richtungen ab. Nur ihr Kleidchen war noch mehr in Mitleidenschaft gezogen worden. Es hatte sich immer wieder im Holz verfangen, war an vielen Stellen eingerissen oder durchlöchert.


    Mit einem letzten Kraftakt hievte sich Floh mit einem lauten Schnaufen auf den Fenstersims. Sie hatte sich etwas überschätzt. Ihr Atem ging heftig und sie klammerte sich am Rahmen fest, als es ihr plötzlich schwindlig wurde. „Wuuooh“, kreischte sie auf, als sie trotzdem das Gleichgewicht verlor, und kopfvoran in das Zimmer hineinpurzelte. „Auu“, stöhnte sie auf. Sie hatte sich an einem harten Gegenstand den Kopf gestossen und Sternchen tanzten vor ihren Augen. In einer Stunde sähe sie vermutlich aus wie ein Einhorn.


    Offensichtlich befand sich keiner im Raum, denn niemand schien sich ab ihrer Anwesenheit zu stören. Langsam erlangte sie ihr Sehvermögen wieder zurück. Von unten Pochte der Bass der Trommel herauf und das euphorische Kreischen des Publikums war zu hören. Mindestens die Hälfte des Konzerts musste bereits um sein!
    Floh rappelte sich etwas umständlich hoch und klopfte den Staub von ihrem Flickenkleid. Dann liess sie den Blick durch den Raum schweifen und erstarrte.
    Das Flackern einer Öllampe, die wohl jemand in der Hektik vergessen hatte zu löschen, tauchte das Zimmer in ein warmes Licht, liess jedoch gespenstische Schatten an den Wänden tanzen.
    Doch dies war es nicht, was die kleine Goblinfrau in eine Starre versetzt hatte.


    Ihre Augen krallten sich in das Bild, das nur einige Meter entfernt hing. Es zeigte eine wirklich künstlerisch ausgearbeitete Zeichnung der drei Musiker – in Vollformat!
    Anscheinend war sie im Zimmer eines Fans gelandet.
    Im selben Moment erinnerte sie sich jedoch auch wieder, weshalb sie hier war. Mit wenigen Schritten hatte sie die Tür erreicht, stellte sich auf die Zehenspitzen, zog die Klinke nach unten, um die Tür schwungvoll aufzureissen und… - die Tür liess sich nicht öffnen!
    Erst wütend, dann verzweifelt zerrte Floh an der Türfalle, stemmte sich gegen das Holz und klopfte mit den Fäusten dagegen. Doch die Tür blieb verriegelt und in dem Tumult der unten vorherrschte bestand kaum die Chance, dass jemand sie hören würde.
    Niedergeschlagen liess sich Floh hinabsinken und blieb mit ausgestreckten Stummelbeinchen an die Tür gelehnt sitzen. Ihre Schultern hingen herab und ein Schluchzen entrang sich ihrer Kehle.
    Warum musste das ausgerechnet ihr passieren? Warum konnte sie nicht einmal im Leben wenigstens einen Funken Glück haben?
    Immer trat sie in irgendein Fettnäpfen und wurde von allen nur mitleidig belächelt oder mit einem Kopfschütteln bedacht. Was ja auch verständlich war, wenn man ihre jetzige Situation betrachtete.


    Wütend stand sie auf, und lief wie ein Tiger im Käfig herum. Sie achtete dabei nicht auf ihre Umgebung, so sehr drehten sich ihre Gedanken im Kreis. Wie gerne wäre sie doch ein Stockwerk tiefer gewesen, hätte der Musik gelauscht, wäre im Takt mitgehüpft und hätte mit seeligen Blicken die drei Bandmitglieder angeglubscht. Sie hätte es sogar in Kauf genommen, wenn ihr dabei jemand auf die Zehen getreten wäre!
    Im Flackerschein übersah sie beim Herumtigern einen herumliegenden Gegenstand, und wäre beinahe wieder auf dem Bauch gelandet. Das war für Floh das i – Tüpfelchen. Ihren ganzen Zorn legte sie in den Tritt, als sie ihren nackten Fuss voller Schwung gegen einen in der Nähe befindlichen Gegenstand donnern liess. Es gab ein lautes Knacksen, ein dumpfer Klang wie von einer Trommel tönte durch den Raum und das schmerzliche Aufquietschen von Floh war zu hören.
    Das Goblinmädel unterdrückte den Tränenfluss mit grösster Mühe und zog unüberhörbar den Rotz in ihrer Nase hoch. Ihre grosse Zehe fühlte sich dreimal grösser an als sonst. Sie liess sich auf den Hintern plumpsen und zog ihren Fuss in einer unmöglichen Verrenkung hoch, um das in Mitleidenschaft gezogene Körperteil in ihren Mund zu stecken und wie ein kleines Kind am Daumen daran zu lutschen.


    Als sie sich wieder etwas beruhigt hatte beschloss sie, den Raum genauer unter die Lupe zu nehmen. Eigentlich war es ja ganz interessant, anderer Leute Schlafstätte zu durchwühlen, und wenn er ein Fan war, hatte er vielleicht sogar ein Erinnerungsstück an die Band bei sich.
    Mit neuem Schwung humpelte Floh durch das Zimmer, zog Schubladen auf, guckte neugierig in Schränke und Truhen. Was sie entdeckte, liess sie immer erstaunter werden.


    Auf dem Schreibtisch entdeckte sie ein Tintenfass, Schreibfedern und viele Blätter lagen kreuz und quer darauf verstreut herum. Was jedoch viel spannender war…, dass es nicht irgendwelche Blätter waren… sondern handbeschriebens Pergament mit Noten und dazugehörigen Liedtexten. Die kraxelige Schrift erinnerte stark an die Künstlerklaue eines Goblins, über den Floh alles zu wissen meinte. Jeder Klatschrunde, jedem Aushang war sie gefolgt, um alles über den grossen Ginimo und seine Kumpanen zu erfahren.
    Nun musste sie Gewissheit erlangen. Ungestüm purzelte sie durch den Raum und suchte Anhaltspunkte für ihre Vermutung, nicht ohne dabei ein kleines Chaos zu hinterlassen. Und bald sah sie sich bestätigt. Sie fand unterschiedliche Tinkturen, welche versprachen die Stimme zu ölen, bis selbst das Quietschen einer verrosteten Tür wie Engelsmusik klingen würde. Zudem fand sie eine alte Holzflöte und weitere Zeichnungen und Kritzeleien von den Bandmitgliedern.
    Auf einem Stuhl lag ein Kissen, auf dessen Bezug ein Fan in rosaroten Buchstaben „in Liebe dein grösster Fan Rosie!“ gestickt hatte.
    Über den Boden war ein Stapel mit Ausschnitten von Plakaten verteilt, welche Floh versehentlich umgestossen hatte. Darauf waren die Schlagzeilen mit Neuigkeiten und Lobreden über die Künstler vermerkt, und immer wieder grinste ihr das langnasige Gesicht von dem grossen Ginimo höchstpersönlich entgegen. In einer Ecke stapelten sich Spitzhüte, wie der Barde und Pianist selbst oft auf seinem Haupte trug.


    Floh war im Paradies gelandet!
    Vergessen waren alle Unannehmlichkeiten. Das Schicksal meinte es endlich einmal gut mit ihr. Das war tausendmal besser, als unten mit hunderten anderen Fans um einen Platz zu streiten!
    Sie führte einen Freudentanz auf und humpelte wie eine Verrückte im Zimmer herum.
    Plötzlich fiel ihr auf, dass die Musik ausgesetzt hatte. Machten sie etwa eine Pause? Oder war das Konzert bereits um?!
    Erst jetzt registrierte Floh, dass ihre Lage vielleicht doch ein wenig prekär war. Was würde man von ihr halten, wenn man sie im Zimmer des grossen Ginimo entdeckte?! Man würde sie als Diebin und Spannerin abstempeln… man würde sie ins Gefängnis stecken, oder weit Schlimmeres!


    Sie musste von hier verschwinden… sie wollte zum Fenster stürmen, doch dann beschloss sie, nicht ohne ein Andenken zu gehen. Sie blickte sich im Raum um und erblickte eine Socke, welche lose über dem Bettpfosten hing. Sie griff beherzt danach und hielt sich die Stinkesocke an den Zinken. Für sie war der muffelige Geruch besser als ein Garten voller Rosen.
    Im selben Moment hörte sie, wie der Schlüssel sich im Schloss drehte. „Oh weia!“
    Als die Klinke nach unten gedrückt wurde, krabbelte Floh gerade noch unter das Bett des Goblins, ihren neuen Schatz fest umklammert. Sie meinte, dass man ihren Puls bestimmt wie die Trommeln zuvor, durch das ganze Gasthaus hören müsste.