Beiträge von Kasimir

    "Eine Tätowierung?" Kasimir überlegte. "Das ist kein schlechter Gedanke, denn wer Carnac unterwandern möchte, müsste sich dafür dauerhaft zeichnen, das wird die Hemmschwelle erhöhen, es überhaupt zu versuchen und er ist später leichter wieder ausfindig zu machen. Wie sollte diese Tätowierung denn aussehen? Register für das Einwohnermeldeamt muss man nicht selbst herstellen, man kann sie fertig kaufen bei jedem Schreiber oder Buchbinder, der sich auf den Vertrieb von Schreibstubenzubehör spezialisiert hat."


    Sein Magen knurrte inzwischen gewaltig und er merkte, dass er sabberte. Er zog ein Stofftaschentuch hervor und tupfte vornehm seinen Mund ab. Er schielte zu dem Lavasee, wo sich die frische Beute befinden sollte.


    "Entschuldigt mich, der Hunger ist gar zu groß und bevor ich der Unvernunft anheimfalle, werde ich besser eine Trinkmahlzeit zu mir nehmen."


    Eilends entfernte Kasimir sich und hielt nach den Personen Ausschau, die als Blutspender herhalten mussten. Er hoffte, er würde sie finden und man würde ihm seine Nahrung aushändigen, sonst müsste er Archibalds Beispiel folgen und auf die Jagd fliegen.

    "Dann bitte ich darum, einen Clan für die Schwachen leiten zu dürfen, Herr. Einen Clan für Vampire, die zum Jagen zu schwach sind und jene, welche die Jagd verabscheuen und dennoch leben wollen. Einen Clan, welcher ausschließlich von Blutspenden lebt, ein Clan von Bettlern, welcher sich der Wohltätigkeit verschreibt. 'Scherbensonne' soll sein Name sein, in Erinnerung an die Gunst des Lichts, die wir verloren und an unsere gebrochenen Herzen. Ein Clan, welcher ein Krankenhaus ebenso leitet wie eine Armenküche. Solche Dinge, denn manchmal ist auch ein Jäger des Jagens müde. Erhalte ich dafür Euren Segen? Ich bin sicher, mein lieber Bisssohn Archibald wird mit Freuden dabei helfen, diesen Clan auf die Beine zu stellen und mir bei der Leitung zu helfen, denn er gab mir sein Wort, dass er sich ändern wolle. Mit diesem Clan kann er es unter Beweis stellen. Allein, wo Archibald weilt, vermag ich nicht zu sagen. Ich hoffe nur, er gibt auf sich Acht und frönt keinem Unrecht."


    Kasimir rieb sich bedauernd seine klauenbewehrten Hände und zog ein betrübtes Gesicht, denn ihm schwante, dass all die Hoffnungen, die er in Archibalds Rettung gelegt hatte, womöglich vergebens gewesen waren.

    "So viel Hass in Eurem Herzen", sagte Kasimir und schüttelte den Kopf betrübt. "Woher rührt dieser Hass? Ist er in Eurer Vergangenheit zu suchen?


    Heute ist der Tag, an dem Ihr Euer Reich Carnac ins Leben ruft, einen sicheren Rückzugsort für die Kinder der Schatten. Es sollte ein Tag der Liebe sein. Oril wendet sich von niemandem ab, Herr, nicht einmal von jenen, die ihn verabscheuen und seinen heiligen Namen schmähen. Seine Liebe schließt auch die Zwerge mit ein - und Euch, Milothir", sprach Kasimir sanft.


    "Jeder Clan darf eine Stadt führen, sagt Ihr. Gibt es denn schon den einen oder anderen Clan? Ich nehme an, dass Ihr selbst auch einen Clan Euer Eigen nennen werdet."

    Kasimir suchte Milothir auf. Als er vor ihm stand, rieb er sich nervös seine Hände.


    "Verehrter Herr, ich bringe Euch Kunde von der Unterwelt. Wenngleich sie andere weniger erfreuen wird, wird sie Euch sicher zur Freude gereichen, denn Schattenschimmer ist nun keiner bedrohung vom Westen aus mehr ausesetzt. Doch Schadenfreude ist fehl am Platz.


    Das Zwergenreich Niewar wurde von einer unterirdischen Flut heimgesucht. Wasser strömte durch die Gänge wie reißende Bäche und spülte alles und jeden in die Tiefe. Wer nicht ertrank, dessen Knochen wurden zerschmettert von der Gewalt, den Nyels kaltes Element in ihr Reich brachte. Woher das Wasser kam, wurde mir nicht gesagt, da niemand es wusste. Einige sprechen von einer Explosion des Hauptvulkans der Insel Firasani, andere davon, dass der große Kristall, der das Dach der Hauptstadt bildete, geborsten war.


    Nur eines konnte man mir mit Gewissheit sagen: Niewar ist nicht mehr. Wie viele Zwerge überlebten, ist ungewiss. Gewiss ist, dass die Blütezeit von Skaldors Volk ihr Ende gefunden hat. Ohne Hilfe von außen sind sie verloren und die Überlebenden Freiwild für jene, die ihre stützende Decke vielleicht sabotierten und anderes Geschmeiß.


    Wir sollten darüber nachdenken, Hilfe zu senden, Herr. Eine solche Katastrophe kann jeden treffen und die Völker sollten einander beistehen, in guten wie in schlechten Zeiten."

    "In den Postämtern, die es in jeder größeren Stadt gibt."


    Kasimir wies in Richtung eines Stadtplanes, der an der Wand hing. Zu sehen war Obenza, einmal von oben aus betrachtet und einmal als Aufriss, so dass auch die vertikale Schichtung berücksichtigt wurde. Auch das Postamt war eingezeichnet.

    "Herr Wolfram weilt derzeit in Souvagne, wo er ein bescheidenes Häuslein bezogen hat. Die Kontaktaufnahme könnte via Brieftaube, Brieffalke oder Humus-Express erfolgen." Kasimir betrachtete den Zwerg. "Wenn ich eine Empfehlung aussprechen darf, wählt eine Brieftaube. Sie ist nicht viel teurer als der Express, aber eindeutig zuverlässiger."


    Er wandte sich an Osmund.


    "Archibald war in Souvagne, ja. Er reiste jedoch gemeinsam mit mir nach Schattenschimmer ab und von dort verschwand er spurlos. Oder ist er inzwischen in dieses Land zurückgekehrt? Wenn ja, wo kann ich ihn finden?"

    Kasimirs freundlicher Gesichtsausdruck wurde von einem Schatten der Unglückseligkeit umwogt, als Osmund ihn als "einen wie euch" bezeichnete und Zwerg und Nekromant sich auch noch anzugiften begannen.


    "Ich bitte um ruhige Konversation", flehte Kasimir. "Wir haben hier ein ernstes Problem, das es zu lösen gilt. Dies erreicht man nicht durch Wortgewalt, wenn Oril so will. Dieser tapfere Krieger, der Land und Familie mit seinem Leben verteidigte, hat offenbar ein Trauma erlitten, das zur Verschleierung seines Gedächtnisses führte. Ein Streit würde dieses Problem womöglich verschlimmern!"


    Er wandte sich nun an den Nekromanten.


    "Was Eure Frage anbelangt, Baron von Wigberg, mich verschlug die Suche nach einem guten Freund Eurer Familie an diesen lasterhaften Ort. Ich bin nicht gern hier, das könnt Ihr mir glauben. Ja, ich war Leibdiener des Brandur, der mich verstieß. Aber wer will es ihm verübeln? So ist es mein Schicksal, seit auch die Sonne mir ihre Gunst entzog. Verloren ging Archibald von Dornburg, er kam mir abhanden vor Ende seiner seelischen Genesung und ich fürchte Schlimmstes. Ich suchte ihn in Schattenschimmer, ich suchte ihn in Beaufort und ich suchte ihn in Obenza. Von der dunkelsten Höhle durch prächtigste Paläste und hinab in den Pfuhl aller Laster führte meine Reise. Doch nirgends gab es einen Hinweis auf seinen Verbleib. Könnt Ihr mir womöglich weiterhelfen?"


    Kasimir bestellte sich ein Glas Wasser, nippte und verzog das Gesicht. Früher hatte er nur Wasser und Tee getrunken, doch heute wollte es ihm nicht munden. Er griff nach der Speisekarte, studierte sie, indem er nach einem bestimmten Getränk suchte, das es nicht einmal hier in den Tavernen gab und schloss sie mit frustriertem Gesichtsausdruck wieder. Er legte die Karte beiseite.


    "Und was Sie anbelangt, Herr Zwerg ... so hat jener Baron von Wigberg in der violetten Robe fähige Geistmagier in seiner Familie vorzuweisen. Was würde eine geistmagische Behandlung unter der tröstlichen Obhut der Familie von Wigberg kosten, Baron?", fragte Kasimir und schickte ein Stoßgebet hinauf zu Oril, dass die beiden ruhig blieben. Warum der Lich hier saß, wagte er nicht zu fragen, er konnte es sich denken. Der Mann speiste auf seine Weise.

    Kasimir ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. Als Mönch und Seelsorger hatte er schon ganz andere Kaliber betreut, unter anderem den Mann, den hier zu finden er erhofft hatte. Doch Archibald war und blieb verschwunden, weder in Schattenschimmer noch in Beaufort noch in Obenza war er zu finden gewesen. Nun wusste Kasimir nicht, wo er noch nach seinem Sorgenschüler suchen sollte und saß allein in dieser Spelunke zwischen Verirrten und Verlorenen. Vielleicht konnte er wenigstens das Leid des Zwerges mindern, dann wäre seine Reise nicht ganz vergebens gewesen.


    "Ein Geistmagier könnte womöglich Abhilfe schaffen", informierte Kasimir den Zwerg. "Manche von ihnen verstehen sich auf die Rekonstruktion scheinbar erloschener Erinnerungen."

    "Frater Kasimir LaVaney, auch bekannt als Bruder Kasimir", antwortete der neue Sitznachbar des Zwergen unverändert freundlich. "Mönch des Oril. Was hat es mit Ihrer Amnesie auf sich? Wie fanden Sie hierher, oder wachten Sie am Tresen auf? Das würde den Gedächtnisschwund allerdings erklären." Kasimirs Blick blieb an den beiden Bierkrügen hängen, die vor dem Bärtigen standen.

    Eine schlanke Gestalt in weißer Mönchsrobe, auf der ein silberner Mond prangte, saß zwei Hocker weiter an der Bar. Der Mönch trank nichts, sondern beschränkte sich darauf, mit den anderen Gästen zu plaudern und ihnen die Lehren des Oril nahezubringen. Nun wandte er seine Aufmerksamkeit den brummligen Zwergen zu. Dieser Mann war offenbar ein Verirrter. Kasimir war nicht der Einzige, der dem neuen Gast einen verwunderten Blick schenkte. Der bärtige Mann war nicht sehr freundlich gestimmt, andererseits wäre Kasimir auch nicht erfreut, hätte er seinen Namen vergessen.


    "Gelobt sei Oril. Entschuldigen Sie die Störung, werter Herr", sprach Kasimir höflich. "Habe ich das recht verstanden, Sie leiden an Amnesie?" Ungefragt rutschte er einen Barhocker näher, um nicht so herumschreien zu müssen.

    "Die Kleidung lag ordentlich zusammengelegt in der Villa, die ich für Archibald und mich ausgesucht habe. Da der ursprüngliche Besitzer wohl keinen Anspruch mehr darauf erheben wird, ist es, denke ich, nicht als Diebstahl zu werten. Ich werde meine Augen nach Zeph offenhalten", versprach Kasimir.


    "Darf ich fragen, wo ihr beiden eure Wohnstatt gefunden habt? Für den Fall, dass man Informationen austauschen oder einfach ein wenig plaudern möchte, wäre dies doch gut zu wissen, wenn schon kein Einwohnermeldeamt geplant ist. Sollten die Zwerge erneut nahen, wäre eine Möglichkeit gewesen, die entstehenden Unterlagen dem Lavasee zu überantworten. Aber ich kann auch nachvollziehen, dass Ihr Euch gegenwärtig nicht mit der Verwaltungsarbeit auseinandersetzen wollt, dies ist schließlich keine Aufgabe, welche man gern erledigt, zumindest gilt dies wohl für die meisten von uns. Allerdings kenne ich mich mit Schreibtischarbeit recht gut aus. Solltet Ihr doch einmal Hilfe benötigen, scheut Euch nicht, mich anzusprechen."

    "Danke, Herr", sprach Kasimir freundlich. "Über die Kleidersammlung werde sicher nicht nur ich mich freuen. Ich werde für Archibald und mich ein einfaches und bescheidenes Haus am Randbezirk von Schattenschimmer suchen. Ich denke nicht, dass Herrn von Dornburg etwas geschehen ist. Er vermag besser als so manch anderer, auf seine Haut achtzugeben."


    Kasimir verneigte sich so elegant, wie das als Fledermaus möglich war und flatterte davon. Er schaute nach, welche Häuser noch frei waren. Nach einigem Suchen fand er eine Villa mit Blick auf den Lavafall. Der Anblick der langsam fließenden, orange glühenden Masse gefiel ihm und so wählte er dieses Gebäude als Wohnort für sich und Archibald, auch wenn er eine Villa etwas übertrieben fand. Zudem war es hier angenehm warm, was für jemanden, der seine Körpertemperatur nicht mehr allein aufrecht erhalten konnte, sehr angenehm war. Er verwandelte sich zurück in seine albische Gestalt. Zu seiner Freude war das Haus voll möbiliert von seinen Vorbesitzern hinterlassen worden, samt mit Kleidung befüllter Schlafzimmerschränke. Die Hosen reichten nur bis zu seinen Waden, aber er fand ein Oberteil, welches lang genug für ihn war, um nicht als bauchfrei zu gelten. Er drehte das Namensschild neben dem Eingang um und Beschriftete die Rückseite: Archibald von Dornburg & Kasimir LaVaney.


    Er steckte den Schlüssel ein und ging zu Fuß in die Stadt zurück, um zu schauen, was die anderen Vampire gerade so trieben. Nebenbei musste er zu seinem Leidwesen feststellen, dass er langsam Hunger bekam. Also kehrte er nach einer Weile des Flanierens zu Milothir zurück.


    "Herr, mich plagt der Hunger", klagte Kasimir. "Zudem habe ich ein Haus für Archibald und mich bezogen. Gibt es ein Einwohnermeldeamt, wo ich die Anschrift hinterlegen muss? Mir geht es auch darum, dass Archibald herausfinden kann, wo er wohnt, sollte er hier eintreffen."

    Eine weiße Fledermaus landete auf dem Boden zu Milothirs Füßen. Sie schüttelte ihren Pelz und das Köpfchen mit den langen Ohren. Sogleich war sie umgeben von einem Häufchen Sand.


    "Werter Herr", sprach Kasimir den Urvampir, der turmgroß vor ihm stand, mit seinem Piepsstimmchen freundlich an. "Darf ich Euch kurz stören? Drei Dinge liegen mir auf dem Herzen." Er hob den Flügel und zeigte drei lange dürre Fledermausfinger, die mit einer Flughaut verbunden waren. "Als erstes darf ich Euch berichten, dass die Zwerge wie gewünscht ein gutes Stück hinaus in die Wüste eskortiert wurden. Dann wurden wir jedoch von einem Sandsturm überrascht und ich musste als Fledermaus in einer Gesteinsspalte Schutz suchen. Als der Sturm sich gelegt hatte, konnte ich die Zwerge nirgends sehen und der Sturm hatte alle Spuren verweht. So musste ich zurückkehren." Die Fledermaus klappte einen ihrer Finger ein, so dass nur noch zwei zu sehen waren.


    " Zweitens. Mein Begleiter, Mündel und Freund Archibald ist seit dem Sandsturm verschollen. Ich hoffe nicht, dass ihm etwas zugestoßen ist. Leider muss ich jedoch sagen, würde es ebenso zu ihm passen, dass er die Gelegenheit nutzt, um wieder einmal eigener Wege zu gehen, ohne mir oder jemand anderem Bescheid zu geben. Sollte dies so sein, vermute ich, dass er vielleicht seinen kleinen und sehr liebenswürdigen Freund Nathan in Souvagne besuchen geflogen ist. Drittens."


    Nur noch ein Finger war ausgeklappt und dieser bildete den mahnenden Zeigefinger.


    "Ich möchte ein Kleiderdepot für Hinzugeflogene anregen. Momentan sind nahezu alle Vampire in Schattenschimmer unbekleidet, da sie als Fledermäuse anreisten. Dies ist nicht sittsam. Darum spreche ich als Fledermaus zu euch, da ich alles andere als respektlos und unhöflich empfände."


    Aus schwarzen Äuglein blickte Kasimir zu Milothir hinauf.


    "Dies fände ich sehr hilfreich."

    "Wenn sie die Stadt durch das Haupttor verlassen, müssen sie über eine sehr lange Strecke durch rakshanisches Gebiet."


    Kasimir runzelte besorgt die Stirn.


    "Öde Wüstenei, Steppen und Dornstrauchsavannen. Das wäre ihr sicherer Tod. Denkbar wäre ein Geleitschutz, wenn es denn dieser Weg sein muss, oder eine Eskorte durch die Unterwelt, welche eine gute Möglichkeit wäre, um die unterirdischen Gänge mit fachkundiger Führung zu erkunden."

    Kasimir faltete verzückt die nun leider klauenbewehrten Hände und lächelte selig. Er hatte nicht damit gerechnet, dass die angespannten Gemüter beider Seiten zu einer einvernehmlichen Lösung bereit wären. Zu viel hatte er schon erleben müssen, um daran zu glauben, dass ein jeder der Vernunft zugänglich war. Doch diesmal war Oril ihnen allen gewogen.


    "Ich dachte an das Gold als einen symbolischen Ausgleich, denn welchen tatsächlichen Wert in Talern könnte man einem zu Hause beimessen? Heimat ist unbezahlbar, ebenso wie Familie, Freunde und andere immaterielle Werte. Warum die Stadt leer war, dafür könnte es viele Gründe geben und mir sind sie nicht bekannt. Eine Seuche? Der Abbau von Eisenerz war nicht mehr ertragreich, die Goldadern erschöpft? Oder fanden sie einfach woanders einen besseren Ort? Was auch immer geschah, wir vermögen es nicht zu ändern, nur den Weg in die Zukunft zu bereiten, der hoffentlich ein friedlicher sein wird."


    Lächelnd blickte er nach oben, wo hinter tonnen von kaltem Gestein hoch am Firmament Orils leuchtendes Sternenschiff seine ewigen Runden um den Planeten zog. Kasimir schickte ihm seinen Dank empor. Dann widmete er seine Aufmerksamkeit wieder dem Weltlichen, legte er den Kopf schief und blickte abwartend Milothir an, im Vertrauen darauf, dass dieser den Zwergen das Gold aushändigen würde und die kleinen Männer ziehen ließ.

    Kasimir blickte sich entsetzt um. Plötzlich war er von einer Vampirarmee umringt, die einen kleinen Trupp zwergischer Kundschafter umzingelt hatten. Das Schicksal der kleinen, bärtigen Gäste schien besiegelt, doch entgegen dem, was Kasimir erwartet hatte, fiel man nicht über sie her. Noch nicht. Vielleicht konnte er dazu beitragen, das Schlimmste zu verhindern.


    »Werte Mitvampire«, begann er höflich, »liebe Gäste. Mein Name ist Kasimir LaVaney, besser bekannt als Frater Kasimir oder Bruder Kasimir. Ich bin nur ein einfacher Mönch und obendrein selbst nur Gast in diesen Hallen. Doch sind mir die Betrübnisse des Krieges leider nicht fremd. Darum bitte ich Euch, lasst nicht die Waffen sprechen, sondern Worte.


    Ihr, liebe Zwergenfreunde, werdet einen Grund haben für euren Zorn. Vermutlich wünscht ihr freien Abzug in eure Heimat, um zurück zu euren Familien kehren zu können. Ich bin sicher, dass euch dieser gewährt wird, wenn die Regeln der Höflichkeit und der gegenseitigen Achtung gewahrt bleiben.


    Und ihr, werter Herr von Schattenschimmer, bitte zürnt den Gästen nicht, bevor ihr nicht wisst, was sie wünschen. Wir sind Vampire, doch das muss uns nicht zu Mördern machen. Was Ihr, Herr Milothir, suchtet, das war ein zu Hause. Ihr habt es gefunden in dieser verlassenen Stadt. Leider scheinen die Zwerge darüber nicht erfreut zu sein, dass Euer Volk hier Einzug hielt.


    Doch anstelle von Kampfhandlungen nur aufgrund unterschiedlicher Interessen sollten wir eine einvernehmliche Lösung erarbeiten. Ich sah einen Stapel von Gold, in dem eine junge Dame gar vergnüglich badete. Vielleicht können wir die Stadt den Zwergen abkaufen?«

    Während sie ins Innere gingen, beantwortete Kasimir höflich die Fragen des Hausherren.


    "Sehr erfreut, Herr Milothir. Wir kamen durch die Tür, vermutlich den Haupteingang, der Größe nach zu urteilen. Sie stand offen und so nahmen wir an, dass Gäste erwünscht sind. Hättet Ihr die Güte, uns einfache Kleidung zu borgen? Wir werden schließlich von einer Dame begleitet.


    Mein Verderber trägt den Namen Varod und ist seines Zeichens Rakshaner. Er frug mich nicht um Erlaubnis, sondern verdarb mein Blut, so dass ich zu dieser Kreatur wurde. Anfangs spielte ich mit dem Gedanken, diesem Dasein ein Ende zu setzen, da es mir nicht mehr vergönnt sein wird, unter Orils strahlendem Antlitz zu wandeln - doch inzwischen glaube ich vielmehr, dass es sich um eine Prüfung des Silberblütigen handelt, um meinen Glauben zu testen. Ich bin gewillt, alle Marter auf mich zu nehmen.


    Zu eurer Frage, was ich vermag: Ich bin ausgebildeter Lichtreiter, ein Kampfmönch vom Orden der Mondpriester. Ich beherrsche die Seelsorge ebenso wie das Streiten mit den unterschiedlichsten Waffen, doch ist das Wort die Waffe meiner Wahl. Das Reiten auf einem Greifen beherrsche ich ebenso, einst besaß ich einen wunderschönen weißen Schneegreif."


    Er wandte sich an seinen Schüler:


    "Archibald, du gabst mir ein Versprechen. Und nun muss ich solche Worte aus deinem Mund vernehmen, die nach Mord und Hinterhalt klingen? Wir werden niemanden töten, Archibald. Dafür erfand der Baron von Hohenfelde schließlich das Instantblut. Wenn du Hilfe benötigst, dann beten wir gemeinsam, sobald wir uns hier eingerichtet haben."


    Zu Zara sprach er:


    "Angenehm, es ist schön, Euch kennenzulernen, wertes Fräulein. Ich hoffe nicht, dass sich die Zwerge hierher verirren, dies würde nur zu unnötigem Zwist führen. Aber Eure komplizierte Geschichte zu hören würde mich doch sehr interessieren. Wir haben Zeit, viel Zeit, da uns kein Alter plaget."

    Kasimir drehte sich in Richtung des Gastgebers. Er blieb ganz ruhig. Da er in seiner Laufbahn als Kampfmönch unter anderem auch als Seelsorger gearbeitet hatte, konnten ihn erhitzte Gemüter nicht so schnell aus der Fassung bringen.


    "Guten Abend, werter Herr", sprach er höflich. "Mein Name ist Kasimir LaVaney, von Berufung Mönch des Oril. Ich stamme ursprünglich aus Avinar und erhielt eine Einladung, mich hier in Schattenschimmer einzufinden. Ich reiste in Begleitung an, doch nicht mit dem freundlichen Fräulein hier, sondern mit einem Herrn, der sich gerade umschaut. Er hatte ebenfalls eine Einladung erhalten.


    Bitte zürnt dem Fräulein nicht, Ihr seht ja anhand der kleinen Flecken an ihrem Kinn, dass sie gerade etwas getrunken hat. Dass der Genuss von Blut bei Vampiren zu extatischen Zuständen führen kann, darüber sind die Gelehrten sich einig und viele von uns kennen es aus persönlicher Erfahrung. Daher erbitte ich Verständnis. Womöglich ist sie ein Jungvampir und ihre Seele gegenüber solchen Eindrücken noch nicht gefestigt."

    Nicht nur Zara, auch zwei weitere Vampire erreichten nach langer reise Schattenschimmer. Eine schwarze und eine weiße Fledermaus flatterten in die große Tür hinein, die aus unerfindlichen Gründen offenstand, so dass die Vampirdame hatte hineingelangen können. Die zwei Fledermäuse folgten dem selben Weg.


    Kasimir gesellte sich zu ihr und verwandelte sich in einen Alben. Leider gab es hier nirgends Kleidung, also verdeckte er seine Scham mit den Händen und sprach höflich:


    "Guten Abend, wertes Fräulein. Bitte verzeihen Sie die Störung und meine gegenwärtige Aufmachung. Vor mir droht keine Gefahr, ich bin ein Mönch des Oril. Der Flug als Fledermaus birgt neben seinen Vorteilen auch einige Nachteile. Mein Name ist Kasimir LaVaney und der Name meines schwarzpelzigen Freundes lautet Archibald von Dornburg. Wir haben eine Einladung erhalten, uns hier in Schattenschimmer einzufinden. Wir sind heute das erste Mal hier. Hätten Sie die Freundlichkeit uns zu erklären, wo wir uns anmelden können?"


    Etwas perplex registrierte er, dass sie in einem Goldhaufen saß, war aber zu höflich, um seine Meinung zu äußern.