Beiträge von Jaro Ballivòr

    Ihr Lieben, danke für eure aufbauenden Worte :)

    Ich habe heute immerhin - ganz im Sinne eines SchneckoWriMos - 300 Wörter geschrieben ;D

    Leider habe ich noch nichts lesen könne, deswegen gibt es noch kein neues Feedback.

    Ich wollte einfach nur ein Lebenszeichen senden.

    Posten werde ich, wenn ich noch ein bisschen sortiert habe, denn ich habe zwischenzeitlich ein paar Lücken gelassen, um voran zu kommen.


    Bis die Tage! :)

    Da steckt bestimmt auch Einiges in Arbeit drin, was sich in Worten nicht messen lässt. :tiptop:


    Ich habe zwischenzeitlich aufgegeben und jetzt zwei Tage lang gar nicht geschrieben (obwohl zumindest heute Zeit gewesen wäre).

    Meine Woche war schlimm und dann noch die sich anbahnende Schreibblockade... zusammengenommen taten sie ihr Übriges...

    Neues Ziel für den NaNo: wieder anfangen zu schreiben :klasse:

    Im Grunde nicht schlimm, ich wusste schon, dass die 50.000 schwierig werden. Wenn es dann soweit ist, irgendwie doch frustrierend.

    Ich versuche zeitnah wieder Feedback zu geben.

    Liebe Grüße :)

    Hallo Leute!


    Danke für Euer Feedback. Ich habe einige Inspiration daraus gezogen und noch die ein oder andere Textstelle überarbeitet.

    Danke auch für den Logiktipp: sehr wichtig. Bitte immer gerne auf so etwas hinweisen.

    Es fällt mir tatsächlich schwerer als gedacht, aus Milous Sicht zu schreiben, denn so viele Denkweisen, Redewendungen* und co. passen nicht zu ihrer Art (sowohl Art-Art als auch Charakter). Deswegen ist euer Feedback umso wichtiger :)

    * Beispiel: aus "sie begab sich auf dünnes Eis" habe ich "die Luft wurde dünn" gemacht.

    Das hilft nicht gerade gegen die aufkeimende Schreibblockade, die sich jetzt schon anbahnt :panik:

    So früh im November! Aber ich bleibe dran und habe auch ein paar alte Textentwürfe aus der Story reaktiviert, die ich jetzt umschreibe und eingliedere (ein bisschen geschummelt, aber nur ein bisschen :D)



    WInfin

    Auch bei den letzten Texten hat mir die Glaubhaftigkeit der Erzählperspektive und die Nähe zum Geschehen wieder sehr gefallen. Mir gefiel auch die Passage sehr gut, die Bax erwähnte, wo Basaram sehr nahbar und menschlich erlebt wird. Sollte ich einen Science Fiction Roman aus dem Regal ziehen, wäre mir so etwas in der vielleicht oft kalten und Maschinendominierten Welt besonders wichtig.

    Sehr schön auch die kurze, knackige Beschreibung des Schiffs. Als Leser habe ich das Gefühl, den Augen der Protagonistin zu folgen und habe sofort ein Bild im Kopf.

    Und meine Lieblingsstelle:

    Zitat

    Der Geruch von Maschinerie, Meer und Menschen wich dem Duft von gegrillten Farnsprossen und frischem Brot.

    Toller Kontrast! Und ich liebe "Gerüche in Texten".



    Argh Urr

    Ich finde den Tagebuchroman äußerst interessant. Etwas Derartiges habe ich noch nie gelesen und ich denke mir, dass es wirklich komplex zu schreiben ist. Direkt aufgefallen ist mir, wie schön die Fakten mit der persönlichen Note des "Schreibers" verwoben sind. So wird es auch nicht zu trocken. Ich bin sehr gespannt, wohin die Reise geht.

    Lieblingsstelle:

    Zitat


    Ich schreibe über Tee, doch dies ist kein kulinarischer Führer durch fremde Landen.



    Baxeda

    Über deinen angenehmen Schreibstil muss ich nach unseren gemeinsamen Jahren ja nicht mehr viel sagen *schleim* :P

    Rührend, wie Mauli sich um Serax gekümmert hat!

    Sehr gut gefällt mir, dass sie ausgerechnet auf Orks treffen. Ich wittere schöne, subtile Konflikte.

    Bei dir mochte ich die Gerüche übrigens nicht alle (--> Latrinen) :lol: was ich jedoch mochte war die Vermischung mit der Kälte, wo man eigentlich kaum etwas riechen kann. Das hat die Szene sehr eindringlich gemacht. Überhaupt gefällt mir die Kälte als ständig nagende Last gut.

    Lieblingsstelle

    Zitat


    Ein kalter Wind wehte über das Lager, schneidend und unerbittlich, und trug den Geruch von feuchter Erde und altem Holz mit sich. Die Zeltplanen flatterten unruhig, als würden sie gegen den nahenden Appell zu so früher Stunde protestieren



    Statistik

    • Tassen Tee: 7
    • Kaffee: 3
    • Glühwein: 2
    • Drinks: 1
    • Bier: 1
    • gegooglet: 2x

    Milou warf sich auf ihr Bett und drückte das Gesicht in die Kissen. Drei Mondzyklen! Drei! Den halben Tag unter Aufsicht von Pater Ren, den anderen unter der ihres Vaters. Selbst ein neuerlicher Hausarrest wäre besser gewesen. Und was war mit ihrem Fund? Wollte Aalon einfach totschweigen, was sie entdeckt hatte? Warum begab sie sich denn in Gefahr? Weil niemand sonst es tat. Weil niemand sie ernst nahm. Jetzt verbot Vater ihr das Wort. Wieso? Wieso?

    „Wieso?“, knurrte Milou in ihre Kissen. Heiße Tränen füllten ihre Augen und das machte Milou nur noch wütender. Sie biss die Zähne zusammen.

    Fang jetzt nicht an zu heulen.

    Nach und nach beruhigte sich ihr Atem und sie entspannte sich. Der Fremde lag unter ihr im Wohnraum. Ihn konnte Aalon nicht so einfach ignorieren. Wenn der Mann erst erwachte, würde er erzählen, woher er kam. Zuversicht kehrte in Milou zurück. Das konnten sie nicht einfach beiseite wischen. Nicht ihr Vater, nicht Pater Ren, nicht der Dorfrat.

    Milou setzte sich auf und seufzte. Sie war erschöpft, doch zu aufgewühlt, um an Schlaf zu denken. Gedankenverloren schälte sie sich aus ihrer schmutzigen und beschädigten Kleidung und nahm sich frische aus dem Regal neben der Tür. Ihre Finger strichen über die Kette um ihren Hals. Vorsichtig zog sie sie über den Kopf und legte den Anhänger in ihre Hand. Ein strahlender Baum. Gab es so etwas dort, wo der Mann herkam? Bäume in der Farbe von leuchtendem Sand? Mehr Schmuck wie diesen? Sie strich über den Anhänger und drückte ihre Nägel hinein. Das Material war hart und hatte die Wärme ihres Körpers angenommen. Nie hatte sie etwas Vergleichbares gesehen. Sie legte die Kette wieder an und zog eine frische Weste über.

    Wenn ich nicht reden darf, werde ich über die Kette auch nicht reden. Sie bleibt mein Geheimnis.

    Nachdem sie angezogen war, öffnete Milou vorsichtig ihre Zimmertüre und setzte sich auf den Treppenansatz. Sie konnte nicht hinunterblicken, doch sie hörte das Klappern von Geschirr aus der Küche, dann Schritte unter ihr und das Schaben eines Stuhls auf dem Boden.

    „Er schläft jetzt“, hörte sie ihre Mutter sagen. Also musste der Fremde wach gewesen sein. Hatte er schon etwas gesagt? Die Unwissenheit ließ Milou die Hände zu Fäusten ballen. Wieso durfte sie nicht dabei sein? Sie hatte den Mann doch gefunden. Sie hatte ihn gerettet.

    „Was denkst du?“ Wieder ihre Mutter.

    „Ich weiß es nicht.“, entgegnete Aalon. „Wir müssen mit Pater Ren sprechen. Mit dem Dorfrat gar.“

    Stille.

    „Ich habe ihm das hier abgenommen, bevor er aufgewacht ist“, sagte Aalon nach einer Weile.

    „Was ist das?“

    Er seufzte. „Nichts Gutes.“

    „Oh Aalon…“ Wieder schwiegen ihre Eltern.

    Milou zermartere sich den Kopf, ob sie irgendetwas an dem Fremden gesehen hatte, musste aber feststellen, dass sie sich selbst an seine Kleidung kaum mehr erinnern konnte. Nur seine grünen Augen sah sie noch deutlich vor sich. Die Augen, und das spitze Ohr.

    Immerhin würde ihr Vater mit Pater Ren sprechen. Wenn sie nur mitkommen könnte…

    „Ich bringe Milou eine Suppe“, erklang da Lynns Stimme. Sofort schlich Milou zurück in ihr Zimmer und schloss so leise wie möglich die Tür. Kaum lag sie im Bett, hörte sie Schritte auf der Treppe. Es klopfte, doch Milou sagte nichts. Langsam ging die Tür auf.

    „Milou?“, flüsterte Lynn.

    Als könnte ich jetzt schlafen!

    „Milou? Ich habe Suppe für dich.“

    Milou seufzte und setzte sich auf. Ihre Mutter kam zu ihr und setzte sich neben sie. „Hier.“

    Milou nahm die Schüssel entgegen.

    „Ich weiß, du bist wütend“, begann Lynn. „Aber du musst auch uns verstehen. Wir hätten dich verlieren können. Ich hätte euch beide verlieren können.“

    Noch immer sagte Milou nichts. Sie hielt die Schüssel in beiden Händen, begann aber nicht zu essen. Natürlich wusste sie, dass ihre Mutter Recht hatte, wollte es aber nicht hören. Es war eben einmal mehr nichts passiert. Es ging ihr gut. Und Vater auch. Nichts war gesehen, außer, dass sie, Milou, einen entscheidenden Fund gemacht hatte. Sie wollte nicht so leben wie all die anderen Aviare, für die jeder Tag so war wie der vorherige. Schon seit sie denken konnte, hatte sie diese Unruhe im Bauch. Jetzt war sie Dreizehn und nahm die Dinge selbst in die Hand. Ihre Eltern konnten sie noch so lange einsperren, das würde nichts ändern. Stur starrte sie in die Schüssel und konnte sich nicht dazu bringen, etwas zu sagen.

    Mutter drängte sie nicht. Sie seufzte, strich Milou über den Rücken, stand auf und ging zur Tür. Dort drehte sie sich noch einmal um.

    „Ruhe dich aus. Wir können morgen sprechen, wenn du möchtest.“

    Aber Milou würde nicht wollen, das versprach sie sich selbst. Und schlafen konnte sie auch nicht. Sie hatte artig die Suppe gegessen, sich gewaschen und war in den frühen Abendstunden ins Bett gekrochen. Obwohl ihr Körper vor Erschöpfung brannte, fand ihr Geist keine Ruhe. Irgendwann hielt sie es nicht mehr aus. Sie warf das Laken zurück, setzte sich auf und legte das Gesicht in ihre Hände. Es war so ungerecht! Schließlich stand sie auf und öffnete leise ihre Zimmertür. Es war düster unten, keine Kerze brannte und Milou hörte auch kein Geräusch. Mit klopfendem Herzen schlich sie sich ein paar Stufen hinunter. Manche knarzten leise und jedes Mal hielt Milou erschrocken inne, doch weder Vater noch Mutter erschienen am Fuß der Treppe. Dort unten, nur wenige Schritte von ihr entfernt, lag der fremde Mann mit den grünen Augen und den spitzen Ohren. Milous Herz schlug schneller. Was, wenn er wach geworden und fort gegangen war? War es nicht nur richtig, dass sie nachsah, ob er noch da war? Milou schluckte. Sie hatte das Ende der Treppe erreicht. Ihre Eltern mussten ins Bett gegangen sein. Es war fast dunkel. Auf Zehenspitzen schlich Milou hinüber zu der Eckbank. Er lag noch da, auf dem Rücken, unter einer von Mutters bunten Decken. Seine Brust hob und senkte sich in tiefen Atemzügen. Was hatte Vater ihm abgenommen? Was mochte er noch für Geheimnisse bergen? Milou blieb neben der Bank stehen.

    „Wer bist du?“, flüsterte sie und streckte eine Hand aus, berührte ihn aber nicht. In diesem Moment schlug der Fremde die Augen auf und Milou unterdrückte einen Aufschrei.

    „Wo bin…“, setzte er an und verstummte. Sein Blick lag auf Milous Brust. Er drückte sich auf einen Ellbogen hoch und kniff die Augen zusammen.

    „Woher hast du das?“, fragte er. Noch immer starrte er auf dieselbe Stelle. Seine Augen schienen zu glühen. Sein Tonfall hatte etwas Bedrohliches an sich. Unwillkürlich legte Milou ihre Hand auf ihre Brust und spürte die Kette, die nicht länger unter der Weste verborgen war.

    „Woher hast du das?“, fragte er lauter und machte Anstalten aufzustehen.

    Milou wich zurück. „Nicht so laut“, flüsterte sie.

    „Die Kette“, beharrte er. „Wo hast du die her?“ Er kam auf die Beine, stöhnte auf und setzte sich, sein Knie betastend, wieder hin.

    „Was ist hier los?“, erklang Aalons Stimme und Milou schloss die Augen. „Milou…“ Milou hörte, wie ihr Vater mit sich rang.

    „In. Dein. Zimmer. Sofort.“

    Milou fuhr herum.

    „Das ist nicht fair, Vater. Ich habe ihn gefunden.“, platzte sie heraus.

    „Sofort.“

    „Vater.“

    „Ich sagte sofort!“

    Milou zuckte zusammen. Noch nie hatte sie ihren Vater schreien gehört. Wie fest gewurzelt stand sie da und sah ihn an. Seine gelben Augen funkelten ebenso wie die des Fremden, bloß dass Milou darin etwas Neues erkannte. Furcht.

    „Diese Kette gehört ihr nicht.“, sagte der Fremde hinter ihr. „Sie hat kein Recht, sie zu tragen.“

    „Gib mir diese Kette, Milou.“, sagte Aalon.

    „Nein“, entgegnete Milou trotzig. „Sie gehört mir. Ich habe sie gefunden!“ Sie trat zur Seite, dass sie den Fremden und ihren Vater im Auge behalten konnte.

    „Milou“, begann ihr Vater. „Wo?“, fragte zeitgleich der Fremde.

    Siehst du, was du anrichtest?, las Milou in Aalons Blick, als er näher kam.

    „Wo?“, beharrte der Fremde. Er versuchte nicht wieder aufzustehen, doch es war ihm anzusehen, dass er ihr das Schmuckstück am liebsten vom Hals gerissen hätte.

    Milou sah ihren Vater an. Der seufzte schwer und nickte.

    „Am Strand bei den ganzen Holzteilen. Wo ich auch dich gefunden habe.“

    „Bringt mich hin.“

    „Es ist Nacht.“ Aalon war neben Milou getreten und sah den Fremden mit festem Blick an.

    „Das ist nicht von Bedeutung.“ Ohne sein verletztes Bein zu belasten, stemmte der Mann sich hoch. Er war einen halben Kopf größer als ihr Vater.

    „Es ist zu gefährlich.“, beharrte Aalon.

    „Jeder Augenblick zählt!“

    Unwillkürlich wich Milou zurück, als der Fremde die Stimme hob. Aalon aber blieb an Ort und Stelle und hielt den Blickkontakt aufrecht. „Nein. Wir können morgen hinfliegen.“

    Der Gesichtsausdruck des Mannes veränderte sich. Seine Lippen formten stumm ein Wort. Milou war sich nicht sicher, welches. Sein Blick flog hin und her, als dächte er angestrengt nach. Sie rechnete damit, dass er widersprechen würde, doch schließlich nickte er. „Bei Tagesanbruch.“

    Milou spürte, dass sein forsches Auftreten ihren Vater verärgerte, doch er sagte nichts dazu. Ein Indiz mehr, wie beunruhigt er war. Auch er nickte, dann wandte er sich Milou zu. Ein Kopfnicken reichte, und sie eilte hinauf in ihr Zimmer.

    Glückwunsch zum Neuankömmling! :)


    Bei mir läuft es auch zäh. Ich weiß wohin ich will, was der nächste Plotmeilenstein ist, doch der Weg dorthin fällt mir schwer. Ich möchte nicht zu schnell und einfach hineinstürzen, mich aber auch nicht in nebensächlichem Gefasel verlieren. Falls euch so etwas mal auffällt, gerne rückmelden.


    Frage des Tages: kennt man die Farbe Gold, wenn man Gold nicht kennt? :lol:

    Ich hab das bisher versucht, umständlich zu umschreiben ("Sand in der Sonne" usw.). Wenn man nicht weiß, was Gold ist, kennt man wohl auch die Farbbezeichnung nicht (dachte ich mir).


    Statistik:

    • Tassen Tee: 5
    • Kaffee: 3
    • Glühwein: 2
    • Drinks: 1
    • Bier: 1
    • gegooglet: 2x ("Wächst Hafer auch in Küstennähe?" --> scheinbar ja ;) / "Wie weißt entfernt vom Meer kann man das Meer noch hören?" --> hier habe ich keine eindeutige Antwort gefunden und es dann etwas unspezifisch gelassen)

    Textfeedback gibt es auch (hoffentlich) morgen wieder!

    Liebe Grüße, meine Leidensgenossen :P

    Als sie ausreichend Flughöhe erreicht hatte, erkannte sie, dass sie ganz im Osten der Inselgruppe gelandet war. In der Ferne konnte sie den Vulkan und den Urwald von Caeron ausmachen, umrahmt von der großen Ebene, auf der die Aviare ihre Siedlungen und Felder hatten.

    Vater wird außer sich sein, doch er hat gesagt, wenn jemand Hilfe braucht, dann muss man helfen. Das ist doch so. Das hat er gesagt, das sagt er immer.

    Milous Gedanken rasten.

    Ein Aviare in Leid hat immer Vorrang.

    Das waren seine Worte, oder so ähnlich. Gut, der Mann war wahrscheinlich kein Aviare, aber das war bestimmt nicht entscheidend.

    Milou erreichte die nadelförmigen Inseln, die Caeron am nächsten lagen. Jede einzelne Insel hatte einen Namen und all diese Namen mussten sie in der Schule lernen, doch Milou konnte sich gerade einmal die der Hauptinsel am nächsten gelegenen Inseln merken. Sie verstand nicht, wie ihr dieses Wissen helfen sollte. Besser wäre es, endlich den Urwald zu erforschen, oder den Vulkan; oder noch besser, die ganze Welt. Milou war sich sicher, dass es noch mehr geben musste, jetzt mehr als je zuvor.

    Sie passierte Ralons Krallen, vier nah beieinanderstehende kleinere Felsnadeln, deren Einzelnamen sie vergessen hatte, es folgte Croenos und Cartos, und die etwas breitere Insel Alessa, eine der wenigen, die nicht der generellen Namensgebung folgten. Sie war nach Ralons Geliebter benannt, die dem großen Mythus zufolge eine Menschenfrau gewesen war.

    Milou hatte Caeron erreicht und passierte die ersten Siedlungen. Es war nicht mehr weit, bis zu ihrem Dorf, nicht mehr weit, bis sie sich Aalon würde erklären müssen. Sie erreichte die ersten Häuser, flog über den Markplatz, an der Schule und Pater Rens Kapelle vorbei, am Haus von Taal und Flinn und landete schließlich vor ihrem eigenen. Milou verwandelte sich zurück. Ihre Arme schmerzten. Der weite Flug des Vortages – Milou hoffte, dass sie nur eine Nacht fort gewesen war – steckte ihr noch in den Gliedern.

    Schwer schluckend ging sie den schmalen Pfad auf das Haus zu. Sie sah hinauf zu dem kleinen, runden Fenster im Giebel, hinter dem ihr Bett stand und dann hinab zur Tür und dem Fenster zu Küche und Wohnraum. Sie ging zum Haus, griff nach dem Knauf, atmete tief durch und öffnete die Tür mit deren typischen Knarzen.

    Es kam keine Reaktion. Bestimmt waren Vater und Mutter bei der Arbeit. Oder sie suchen mich, schoss es Milou in den Kopf und das schlechte Gewissen regte sich.

    Sie ging ein paar Schritte in das Haus und sah nach links in den Wohnraum. Auf einem der Stühle saß ihr Vater, in Vogelgestalt, den Kopf gesenkt, und davor kniete ihre Mutter und behandelte sein Gefieder. Milou verstand und schluckte den Klos in ihrem Hals hinunter.

    „Hallo“, flüsterte sie und sofort hoben ihre Eltern die Köpfe.

    „Mein Kind!“, brach es aus Lynn hervor. Sie sprang auf und auf Milou zu und riss sie in eine feste Umarmung. Milou ließ es dankbar geschehen und drückte sich an ihre Mutter.

    „Oh mein liebes Kind. Wir haben uns solche Sorgen gemacht! Wo warst du? Dein Vater hat die ganze Nacht nach dir gesucht! Geht es dir gut? Wo bist du nur gewesen?“ Sie löste sich von Milou, um ihr in die Augen zu sehen, was ihren Redeschwall aber nur kurz unterband. Weitere Fragen hämmerten auf Milou ein, doch Milou antwortete nicht und sah zu ihrem Vater. Langsam erhob er sich und nahm seine Menschengestalt an, was nichts an seinem Raubvogelblick änderte.

    „Es geht mir gut, Mutter“, sagte Milou sanft und löste sich endgültig von Lynn. Sie lächelte sie an und wandte den Blick dann wieder Aalon zu. „Vater“, setzte sie an, doch Lynn unterbrach sie.

    „Aalon!“, rief sie mit plötzlicher Strenge in der Stimme. „Wer hat gesagt, dass du dich zurückwandeln sollst? Ich war noch nicht fertig! Willst du dein Gefieder verlieren?“

    „Es geht mir gut“, unterbrach Aalon seine Frau in seinem üblichen, ruhigen Tonfall. Milou hatte noch nie erlebt, dass er die Stimme erhob, und das brauchte er auch nicht.

    „Da war ein Sturm, letzte Nacht. Wo bist du gewesen?“

    Milou schrumpfte unter seinem Blick zusammen. Was nutzte es zu lügen, zu behaupten, sie habe es nicht rechtzeitig nach Hause geschafft und sich einen Unterschlupf gesucht? Was nutzte das, wenn sie Vater brauchte, um dem Fremden zu helfen?

    „Ich weiß“, murmelte sie. „Ich bin in den Sturm geraten.“

    Kaum merklich schoben sich Aalons Brauen zusammen.

    „Wieso… bist du in den Sturm geraten?“, fragte er leise, doch jedes Wort wog schwer und Milou wusste, dass die Luft dünn wurde.

    „Ich…“ Milou wusste nicht, was sie sagen sollte.

    „Der Sturm ist erst zur fünften Mondstunde auf Caertol getroffen. Wie konntest du in den Sturm geraten?“

    Milou sah auf den Boden. Es brauchte keine Worte. Aalon wusste, dass sie wieder auf das Meer hinausgeflogen war. Innerlich stählte sie sich für die Standpauke, für die Aufzählung all der Gefahren, was ihr alles passieren konnte, wie töricht und stur sie war, dass sie Himmel und See nicht ausreichend gut lesen konnte, wofür ihr Vater jetzt auch noch einen handfesten Beweis hatte.

    Schlimmer noch, um ihretwillen war auch Aalon war in den Sturm geflogen. Er hatte sich und seine Flugfähigkeit in Gefahr gebracht, um sie zu suchen. Er hatte von Anfang an gewusst, dass sie auf das Meer hinausgeflogen war.

    „Hast du nichts dazu zu sagen?“

    Endlich fiel Milou der Fremde ein. Sie hob den Kopf, sah ihren Vater prüfend an und nahm ihren Mut zusammen.

    „Da ist jemand, der unsere Hilfe braucht.“

    Ein alarmierter Ausdruck trat in Aalons Gesicht. „Hast du jemanden in Gefahr gebracht? Hast du Taal überredet…“

    „Nein Vater“, unterbrach Milou ihn, ermutigt von seiner Unterstellung. „Es ist ein Fremder. Er… ich weiß nicht, was er ist. Er liegt am Strand von…“, Milou hatte keine Ahnung, wie die Insel hieß, „irgendwo im Osten. Er kann nicht aufstehen.“

    Einige Augenblicke sah Aalon sie an. Ihm stand in das Gesicht geschrieben, wie viel er ihr entgegenwerfen wollte, doch als er den Mund öffnete, sagte er bloß: „Zeig ihn mir.“

    Wie Milou es erwartet hatte. Aalon würde immer zuerst helfen. Hinterher war Zeit für alles andere.

    „Aalon“, warf Lynn ein. „Du kannst nicht schon wieder…“, doch Aalon winkte sie ab.

    „Das muss warten. Begleite uns, wenn du willst. Und nimm ein Seil mit.“

    Mit diesen Worten ging er an Milou vorbei zur Tür hinaus. Milou und ihrer Mutter blieb nichts, als ihm zu folgen.


    Als sie die Insel erreichten, lag der Fremde immer noch an Ort und Stelle. Jetzt da es richtig hell war, konnte Milou erst das ganze Ausmaß ihres Fundes erkennen. Der Strand war über und über mit Treibgut bedeckt. Den ganzen Flug hatten sie nicht gesprochen und auch jetzt sagte Aalon nichts. Mit strengem Blick und zusammengezogenen Brauen besah er den übersäten Strand.

    „Diese Insel heißt Creste“, sagte er, nachdem sie gelandet waren und sich verwandelt hatten. Milou wusste, dass er ihren Lernfortschritt fortan vermutlich strenger überwachen würde.

    Lynn schulterte das Seil und sah sich furchtsam um. „Was ist das, Aalon?“, fragte sie.

    „Ich weiß es nicht.“ Auch Aalons Stimme klang beunruhigt.

    Keiner von beiden teilte die freudige Aufregung, die Milou bei ihrem Fund verspürt hatte.

    Aalon kniete neben dem Mann ab. Er legte zwei Finger auf seinen Hals und nickte. „Gib mir das Seil. Wir fixieren ihn und tragen ihn zu zweit. Milou wird unter uns fliegen und die Knoten im Auge behalten.“

    Auch das war typisch für ihren Vater. Er handelte. Zeit für Fragen war später. Mit geübten Handgriffen band er eine Schlinge um die Brust und eine um die Oberschenkel des Mannes. An jeder Schlinge befestigte er je zwei Seile und nickte Lynn zu. „Denkst du, du schaffst das?“, fragte er und als sie nickte, bat er Milou die Seilenden um seinen und Lynns Körper zu binden. Sie verwandelten sich und waren kurz darauf bereit, loszufliegen. Die ganze Zeit über wachte der Fremde nicht auf und auch während des Fluges zurück nicht.

    Milou sah zu, wie ihre Eltern die Knoten lösten und den Mann in die Stube trugen. Lynn bereitete ihm ein provisorisches Lager auf der Eckbank und legte ihm ein feuchtes Tuch auf die Stirn. Immer noch wachte der Fremde nicht auf.

    Aalon trat neben Milou. „Du wirst nicht wieder nach Creste fliegen. Du wirst nicht mit diesem Mann sprechen. Du wirst keinem von deinem kleinen Abenteuer erzählen. Ich will kein Wort darüber hören.“

    Milou ließ die Schultern hängen.

    „Die nächsten drei Mondzyklen kommst du nach der Schule zu mir in die Schreinerei. Dort arbeitest du bis Abend und wir gehen gemeinsam nach Hause.“

    Empört öffnete Milou den Mund.

    „Keine Widerrede.“, kam ihr Aalon zuvor. „Nicht ein Wort. Und jetzt ab in dein Zimmer, bevor ich mir eine echte Strafe überlege.“

    Teil 1

    Luft


    Beschütze nicht,

    behüte.

    Ralons Maxime


    Kapitel 1 - Der Fremde

    Endlose Dunkelheit umfing sie. Alles war dumpf und fern, wie betäubt. Umso deutlicher war der drückende Schmerz in ihrer Brust.

    Milou riss die Augen auf, doch nichts änderte sich. Sie hörte ein Dröhnen, ein Rauschen, kaum lauter als ihr Herzschlag. Ansonsten war da nur der Schmerz.

    Schmerz... und ein Drang - sie holte tief Luft, doch ihr Mund, ihre Nase waren wie verschlossen. Ihr Körper gehorchte nicht.

    Sie ertastete ihr Gesicht. Sie war in Menschengestalt, sie spürte ihre Nase, ihren Mund. Alles war da, doch sie bekam keine Luft. Panik überfiel sie. Sie versuchte aufzuspringen, doch es gelang ihr nur, sich auf einen Ellbogen zu stützen. Unter ihrer Hand war Sand... dann, endlich, erwachten ihre Lungen zum Leben.

    Milou hustete und keuchte, erbrach Wasser, wollte Luft schnappen, erbrach noch mehr Wasser. Sie setzte sich weiter auf, krümmte sich zusammen, sog zitternd Luft ein, wann immer inmitten der Hustenanfälle genug Zeit blieb. Ihre Brust brannte wie Feuer.

    Schluchzend fiel Milou zurück in den Sand.


    Irgendwann hatte sich ihr Atem beruhigt. Die Dunkelheit war geblieben, doch sie war nicht mehr unmittelbar, und Milou verstand, dass es Nacht war. Die Sonne war lange schon untergegangen. Erneut stieg Panik in ihr hoch. Vater würde außer sich sein! Dann wurde ihr klar, dass sie überhaupt nicht wusste, wo sie sich befand. Mühevoll kämpfte sich Milou auf die Beine. Ihr ganzer Körper schmerzte, doch sie schien nicht verletzt zu sein. Wenn sie sich konzentrierte, hörte sie das Rauschen des Meeres. Es war so sehr ein Teil von ihr, dass sie es normalerweise nicht aktiv wahrnahm. Nicht, dass es ihr half. Fast überall in Caertol hörte man das Meer. Auf wackeligen Beinen ging sie ein paar Schritte. Durch die wenigen Lücken in der Wolkendecke drang Sternenlicht herunter und Milou konnte vereinzelte dunkle Schemen auf dem Sand ausmachen. Sie drehte sich um. Trotz der Düsternis konnte Milou erkennen, dass sie sich auf einer der vielen kleinen Inseln befand, die wie Nadeln aus dem Meer emporragten. Dunkel hob sich die schmale Felswand vom Nachthimmel ab. Sie war definitiv nicht auf Caeron, wo die Klippen sich weit zu beiden Richtungen am Strand entlangzogen. Erinnerungsfetzen blitzten in Milous Geist auf.

    Ihr Flugversuch.

    Der Sturm.

    Sie war abgestürzt. Und irgendwo gelandet. Auf irgendetwas. Und dann? Nichts.

    Milou drehte sich um, kniff die Augen zusammen und dachte endlich daran, sich zu verwandeln. Im Nu hatte sie ihre Vogelgestalt angenommen und sofort war ihr Blick klarer, die Welt um sie herum heller. Sie stieß sich vom Boden ab und flog nach oben. In einer Richtung setzte sich vage eine helle Linie vom Horizont ab.

    Die Sonne geht auf.

    Es war nicht nur ihre verbesserte Sicht. Es wurde heller. Milou flog noch ein Stück weiter hinauf und sah nach unten auf den Streifen Strand, der die Insel umspann. Überall waren dunkle Flecken verstreut, manche kleiner, manche größer. Milou hatte noch nie etwas Vergleichbares gesehen. Das Meer spülte kaum etwas an und die Strände glichen meist makellosen, goldgelben Teppichen. Milou ließ sich etwas absinken und flog um die Insel herum. Wenn ihr Auge oder das Dämmerlicht sie nicht täuschten, lag dort jede Menge Holz. Milou flog aufgeregt weiter. Selbst, wenn ein Sturm ein Haus oben auf Caeron abgedeckt hatte, oder durch den großen, verbotenen Wald getobt war, nie waren so viele Überreste an den Stränden gelegen. Was bei Ralons Schwingen war das? An einer Stelle mit besonders viel Treibgut landete Milou und verwandelte sich zurück. Die Dunkelheit war endgültig der Dämmerung gewichen und Milou ging zwischen den Trümmern umher. Die Neugierde hatte sie gepackt und verdrängte einmal mehr die Furcht vor ihrem Vater. Ich bin sowieso schon zu spät. Lieber warte ich, bis es richtig hell ist und ich mich besser orientieren kann.

    Milou fand Holzreste, die sie an Bettplanken erinnerten, und andere an Balken aus dem Dach. Dann waren da aber auch ungewöhnliche Stücke, dünne Platten, glatte, runde Stücke, wie perfekte, unwirkliche Baumstämme; und so viel. Der ganze Strand war übersäht. Nicht nur Holz lag da, auch dicke Schnüre, Stofffetzen und sogar eine zerbrochene Schale. Ein Stück entfernt erspähte Milou etwas Helles, heller als der Sand, wenn ihre Augen sie nicht täuschten. Rasch ging sie hin und kniete ab. Noch nie hatte Milou so ein großes Stück Stoff gesehen. Es war teilweise zerfetzt und löchrig, doch es mochte so groß sein, wie alle Bettlaken aus dem Dorf zusammen. Milou zog es Stück für Stück auseinander und staunte abermals als in der Mitte eine Art Gemälde sichtbar wurde. Hinter ihr ging die Sonne auf und vor ihr leuchte in roter Farbe das Abbild eines merkwürdigen, hohen Gebäudes. Das muss Taal sehen, schoss es ihr in den Sinn. Was mochte es noch für Schätze geben? Vielleicht konnte sie mit ihrem besten Freund eine kleine, geheime Hütte bauen, wo sie all ihre Fundstücke versteckten. Wenn sie nur gewusst hätte, wie weit entfernt von der Hauptinsel sie sich befand… Da erinnerte sie sich an ihren Vater. Sie musste zurück. Früher oder später musste sie sich ihm stellen.

    Mutter wird umkommen vor Sorge.

    Milou seufzte. Es wurde heller und heller. Wenn sie hoch genug flog, würde sie Caeron bald ausmachen können. Ich komme später zurück, dachte sie und wollte sich gerade verwandeln, als ein Glitzern in der jungen Morgensonne ihre Aufmerksamkeit erregte. Milou beugte sich hinunter. Halb auf einem Stück Holz, halb im Sand lag eine Kette, wie Milou noch nie eine gesehen hatte. Sie kannte Ketten aus Muscheln, oder aus Holzperlen, auf grobe Schnüre gefädelt, doch diese hier leuchtete wie Sand in der Mittagssonne, hatte ein filigranes, hartes Band und einen Anhänger in der Form eines wunderschönen Baumes. Staunend hob Milou die Kette auf.

    „So schön“, flüsterte sie. Der Anhänger schaukelte leicht hin und her und reflektierte das Morgenlicht. Er schien seinerseits zu leuchten und zu funkeln. Milou legte sich die Kette über den Kopf und stecke den Anhänger unter ihre Weste. Dann erhob sie sich schweren Herzens. Zeit zu gehen. Wieder wollte sie sich verwandeln, und wieder erregte etwas ihre Aufmerksamkeit.

    Sofort begann Milous Herz schneller zu schlagen. Da liegt jemand.

    Dieses Mal ging sie langsamer.

    Der Mann – es musste sich um einen Mann handeln, denn obwohl sein Haar lang war, hatte er eine flache Brust – lag regungslos auf dem Rücken. Seine Kleider waren löchrig und so merkwürdig, dass Milou ihre Furcht vergaß und neben ihm auf die Knie ging.

    Wie soll man sich verwandeln, wenn die Arme in Stoff stecken?

    Außerdem trug der Mann lange Hosen und an einem Fuß einen komischen Überzieher. Ansonsten sah er nicht weiter ungewöhnlich aus. Er hatte hellbraunes Haar und ebenmäßige Gesichtszüge. Brust, Arme und Beine sahen kräftig aus, wie die von Vater.

    Vielleicht ist er auch Schreiner, dachte Milou und streckte eine Hand aus, verharrte jedoch, bevor sie den Arm des Mannes berührte.

    Zwischen seinen Haaren lugte ein Ohr hervor. Es war spitz. Milou stand auf. Das ist kein Aviare, dachte sie und ihr Herz hämmerte in ihrer Brust. Das hieß… das bedeutete…

    „Es gibt wirklich andere Orte auf der Welt“, flüsterte sie. Ein Lächeln stahl sich auf ihr Gesicht. Sie hatte es gewusst. Und sie hatte Recht gehabt! Neugierig musterte sie den Mann im Sand. Ob er tot war? Nein. Wenn sie genau hinsah, konnte sie erkennen, dass sich seine Brust sachte hob und senkte. Wieder streckte sie eine Hand aus, langsam, Stück für Stück, bis sie seinen Oberarm mit dem Finger anstupsen konnte.

    Nichts geschah.

    Milou versuchte er erneut, ein wenig fester, dann noch einmal und noch einmal, und begann schließlich ihn mit beiden Händen zu rütteln.

    „Hallo“, sagte sie. „Hörst du mich?“ Dann noch einmal lauter: „Hallo!“

    Mit einem Husten erwachter der Fremde.

    Milou sprang zurück, in Lauerstellung und bereit sich zu verwandeln.

    Der Mann drehte sich auf die Seite und hustete und spuckte Wasser, wie Milou zuvor. Erst nachdem mehrere Anfälle durch seinen Körper gezuckt waren, hob er langsam den Kopf.

    Seine Augen waren von strahlendem Grün. Er starrte Milou ein paar Atemzüge lang an. „Nein“, flüsterte er.

    Dann sank er zurück in den Sand und regte sich nicht mehr.

    Milou wartete ein paar Augenblicke, dann wagte sie sich wieder näher heran. Sie sprach und stupste ihn an, doch er hatte wieder das Bewusstsein verloren.

    Er braucht Hilfe.

    Milou fasste einen Entschluss, nickte sich selbst bestätigend zu, verwandelte sich und flog hinauf in den Himmel, um Hilfe zu holen.

    Juhuuu ihr Lieben :)


    Gestern Nachmittag / Abend hatte ich Freunde getroffen, deswegen konnte ich noch nicht updaten. Bin aber mittlerweile bei knapp über 4000 Worten und wollte mir an diesem langen Wochenende auch unbedingt ein kleines Polster zulegen. Mal schauen, wie viel ich heute Abend noch schaffe!

    Wie schön, dass du dich noch an die alten Hasen erinnerst, Bax :) Das freut mich!

    Lienas Szene ist eine der Schlüsselszenen der ganzen Handlung. Das möchte ich aber erst später noch auflösen und ich hoffe es gelingt mir gut. Im Idealfall soll sie Leuten, die den ersten Band mal gelesen haben werden ( ;) ), schon das ein oder andere Auge halb - aber hoffentlich nur halb - öffnen.

    Auf Triborin wirst du wohl oder übel noch ein wenig warten müssen. Sein Plot steigt ein wenig später wieder in die Handlung ein. Wann genau, weiß ich noch nicht 100%. Aber er kommt!


    Ich freue mich so, dass es los geht!


    Baxeda

    Beim Prolog zu Söldnerschwein finde ich sehr gelungen, dass man ganz subtil abgeholt wird. Man weiß sofort, dass seit Kriegerherz 10 Jahre vergangen sind, und kriegt eine tolle geraffte Zusammenfassung. Das ist finde ich sehr gut gelungen. Und schon das neue Bild von Serax finde ich toll, denn man sieht direkt die Veränderung, die man auch aus dem Text herausliest.

    Ich habe mich erinnert, dass du einmal erwähnt hast, dass Serax ein Alkoholproblem entwickeln wird, wofür die Wurzeln hier bereits gelegt werden. Schön finde ich, dass es vor allem die Sehnsucht nach seinen Ursprüngen ist, die ihn plagt. Ich bin sehr gespannt, ob er irgendwann zurückkehren kann.


    WInfin

    Ich muss zugeben, dass ich mit ScienceFiction gar keine wirkliche Leseerfahrung habe und deshalb auf der "Fachebene" vermutlich nicht viel beitragen kann. Was mir an deinem Schreibstil sofort positiv aufgefallen ist, wie schnell und direkt man im Geschehen ist. Das passiert alles ganz unmittelbar. Ohne große Beschreibungen hat man Bilder vor Augen und fühlt sich der Szene zugehörig. Das finde ich wirklich stark! Ich bin gespannt, wie die Geschichte sich entspinnt.


    Zeexmix Fizzlegrinder : schön, von Dir zu lesen! :)



    Statistik:

    - Tassen Tee: 3

    - Kaffee: 2

    - Glühwein: 1

    - Drinks: 1


    Textupdate kommt später!

    Das vergessene Volk 2


    Stille Stürme


    Prolog


    Liena erwachte von der Kälte. Es war eine Kälte, die bis ins Mark kroch, die ihr den Atem nahm und Hände und Füße verbrannte. Sie kauerte in der Mitte des Raumes, möglichst weit weg von den Wänden, die sie für schwarzes Eis gehalten hätte, hätte sie es nicht besser gewusst. Sie zog die dünne Decke noch höher, doch bereute es sogleich, da ihre Füße jetzt hinausragten. Ein Schaudern nach dem anderen erschütterte ihren Körper. Zeitgefühl hatte sie längst nicht mehr. Die Dunkelheit war allgegenwärtig und immerdar und den einzigen Rhythmus, das einzige Indiz dafür, dass ein Tag vergangen war, boten die Mahlzeiten. Lauwarme Suppe. Liena wusste, dass sie gerade das Nötigste taten, damit sie nicht erfror. Noch nicht.

    Eine Träne floss ihr die Wange hinab und noch bevor sie auf den Boden tropfte, war sie ebenso eisig wie ihre Haut. "Warum?" Ihre Gedanken kreisten um diese Frage, unermüdlich, in dem verzweifelten Glauben, die Antwort wäre irgendwo in ihrem Geist verborgen.

    Metall kratzte über Stein und Wind fegte über ihren Körper, als jemand den Raum betrat. Das Pochen schwerer Stiefel näherte sich, gefolgt vom dumpfen Scheppern der Schüssel, die neben ihr auf den Boden gestellt wurde. Flüssigkeit schwappte hinaus. Liena zwang ihre Augen auf und sah gerade noch, wie sich der Schemen einer hellen Hand aus ihrem Blickfeld entfernte.

    "Bitte", krächzte sie.

    "Iss." Die Stimme zerschnitt die Luft wie Stahl. "Er kommt bald und dann musst du kräftig sein, Albenweib."

    "Bitte", flehte Liena, doch mehr Worte wollten ihr nicht über die Lippen kommen. Die Schritte entfernten sich und die Tür fiel schwer und unwiederbringlich ins Schloss. Lange Stunden hatte Liena versucht, sie aufzubrechen, hatte dagegen gehämmert, bis ihre Fingerknöchel bluteten, hatte gerufen und schließlich geschrien, doch die Türe war verschlossen geblieben und kein Geräusch drang je von außen zu ihr herein.

    Liena ließ sich zurück auf den Boden sinken. Ihr Körper zuckte nicht länger nur vor Kälte, sondern auch von tiefen, tränenlosen Schluchzern, die ihr beinahe die letzte Kraft entzogen. Es brauchte all ihren Willen, um sie zu stoppen. Sie setzte sich auf und tastete nach der Schale. Sie musste die Suppe essen, solange sie warm war.

    Mit jedem Schluck wurde Lienas Geist klarer und ihr Kampfeswillen flammte leise auf. Sie durfte nicht aufgeben. Sie hatte eine Verantwortung. Sie stand unter Narmas Schutz und sie musste auf die Göttin vertrauen. Stumm schickte sie ein weiteres Gebet hinauf. Wie gewöhnlich blieb es unbeantwortet. Selbst wenn die Göttin sie hörte, selbst wenn sie ihr ein Zeichen senden wollte, wie sollte es sie hier erreichen?

    "Er kommt bald", hatte der Gardist gesagt. Wenn es stimmte, war es immerhin etwas, das die qualvolle Monotonie durchschnitt. Allerdings war es im Grunde egal, wer kam, auch wenn Xyrius selbst sich zu einem Besuch in Xarchavas' Kerkern herablassen würde. Es gab keinen Dunkelelfen auf der Welt, der ihr helfen würde. Es war mehr als töricht gewesen, her zu kommen. Es war fahrlässig. Es war dumm. Was hatte sie erwartet? Liena seufzte und stellte die Schale ab, noch immer hungrig, noch immer frierend. Sie verstand nicht, wieso sie nicht hingerichtet wurde, zur Schau gestellt und bei lebendigem Leibe verbrannt, wie die Dunkelelfen es so gerne taten. Was nutzte sie lebend? Es sei denn... nein. Liena schüttelte vehement den Kopf, um den Gedanken zu vertreiben. Es war unmöglich. Abermals seufzte sie. Die spärliche Wärme der Suppe war fort und mit ihr drohte auch Lienas Wille wieder zu einzubrechen, wurde nur aufrecht erhalten von ihrem Stolz. So lag sie zumindest nicht wieder kümmerlich auf dem Boden, als die Tür sich öffnete.

    Dieses Mal kam außer dem Luftzug auch Licht hinein. Liena hob den Kopf und stand leise stöhnend vom Boden auf. Die zerschlissene Decke rutschte ihr von den Schultern.

    „Xyrius“, presste sie hervor und nahm ihren ganzen Mut zusammen, gestärkt von der Mahlzeit.

    „Lasst uns allein“, befahl Xyrius und die beiden Gardisten hängten ihre Fackeln in die Halterungen und schlossen die Tür. Nach Tagen, wenn nicht Wochen in dem eisigen Verlies spürte Liena die Wärme der Flammen sofort. Umso kälter lag Xyrius‘ Blick aus diesen kalten, violetten Augen auf ihr. Er musterte sie regungslos und sie hielt seinem Blick stand so gut es ging.

    „Woher habt Ihr dieses Buch?“, fragte er schließlich.

    „Ich habe es gestohlen.“

    „Von wem?“

    Liena schluckte. Wenn es eine Chance auf Freiheit gab, was sollte sie sagen, was sollte sie tun, um sie zu wahren?

    „Aus der Bibliothek. In Salisir.“

    Xyrius schüttelte langsam den Kopf. „Lüge.“

    Abermals schluckte Liena. Er wusste es. Nur deshalb war er persönlich gekommen. Die kalten Obsidianwände schienen näher zu kommen, die Wärme der Fackeln zu weichen.

    „Was plant Sinklar?“

    Xyrius trat näher an sie heran. Er überragte sie um zwei Köpfe oder mehr und blickte aus seinen purpurnen Augen auf sie herab. Liena spannte alles in sich an, zwang sich den Blick zu erwidern.

    „Was plant Euer Lord wirklich?“ Die Augenbrauen des Dunkelelfen hatten sich zu einer Linie zusammengezogen, seine Nasenflügel bebten und seine Worte waren hart. „Was plant er?“

    „SAGT ES MIR!“, brüllte Xyrius. Er packte Liena am Kinn und zog sie nach oben. Liena wimmerte.

    „Ich habe Euch schon alles gesagt!“, presste sie mit zusammengebissenen Zähnen hervor.

    „Ihr werdet reden“, flüsterte Xyrius. Kaum spürbar glitt eine Klinge über die kalte Haut ihres Halses. „Ich werde Euch nach und nach Teile Eures schönen Albenkörpers abschneiden, so lange bis Ihr mir meine Frage beantwortet, oder bis nichts mehr übrig ist. Mit den Ohren fangen wir an.“

    „Nein“, keuchte Liena unwillkürlich. Die weit ausgeformten Spitzen ihrer Ohren waren den Alben ebenso heilig wie den Dunkelelfen. Ohne dieses Merkmal waren sie kaum mehr wert als ein Mensch.

    „Mein Herr.“ Die Türe öffnete sich einen Spalt und eine Stimme drang herein. Kurz darauf erschien das Gesicht eines Gardisten in der Türöffnung. „Ihr werdet im großen Saal erwartet.“

    Xyrius knurrte. Er öffnete die Hand und Liena fiel zu Boden.

    „Verschließ die Tür, bis ich wieder komme“, befahl er dem Gardisten barsch und stürmte hinaus. Das letzte, das Liena sah, war Xyrius‘ wehender Umhang. Dann umhüllte sie wieder die eisige Finsternis.



    Keuchend fuhr Liena hoch. Sie japste nach Luft. Schweiß bedeckte ihren Körper. Anstelle von einer dunklen Zelle, fand sie sich in ihrem eigenen Gemach wieder.

    Ich bin in Salisir. Es war nur ein Traum, sagte sie sich im Geiste. In der Aufregung der vergangenen Wochen hatte sie die Qualen der Gefangenschaft in der Festung Xarchavas beinahe verdrängt gehabt, doch dieser Traum hatte gezeigt, dass sie noch da waren, so klar, als wäre sie wieder dort gewesen. Bis heute konnte sie kaum glauben, dass sie hatte entkommen können. Dass alles ein Riesenfehler gewesen war, stand indes außer Frage. Seit sie dem Verließ entkommen war, versuchte sie wieder gut zu machen, was sie angerichtet hatte, doch es schien, dass jede Tat nur noch größeres Unglück brachte. Sie war losgezogen, um einen Krieg zu verhindern, doch mehr und mehr wurde deutlich, dass sie die Steine erst so richtig ins Rollen gebracht hatte. Ihre Wut hatte sie blind gemacht. Wie hatte sie nur glauben können, das Oberhaupt der Dunkelelfen überzeugen zu können?

    Liena stieg aus dem Bett und sah aus dem Fenster. Der Morgentau glitzerte auf den Wiesen, die Bäume dampften im zarten Licht. Selbst hier oben und durch die Scheiben hindurch hörte sie das stete Rauschen des Mangal. Alles war so friedlich. Die Welt ahnte nicht, was auf sie zukam.

    Was bisher geschah…


    Nur wenige Monde nach dem Abschluss seiner Ausbildung zum Leibgardisten, erhält Triborin von Xyrius, Lord der Dunkelelfen, höchstpersönlich einen Auftrag: er soll das verschwundene Volk der Aviare aufspüren. Doch wie die Elementarmagie selbst, sind die Luftwandler zu Mythen verkommen. Der letzte Anhaltspunkt für ihre Existenz befindet sich im Albenreich Mildir. Über den Umweg durch das westliche Menschenreich Vesperion macht sich Triborin auf, in das Land der verfeindeten Alben einzudringen. Um jeden Preis möchte er seinen Lord zufriedenstellen, und so seinem Ziel, in die persönliche Leibgarde berufen zu werden, ein Stück näherkommen.


    In Vesperion findet Triborin nicht nur verlassene Ortschaften und Bürgerkriegsartige Zustände vor, sondern auch eine Delegation der Alben. Nur mit Hilfe der Albe Liena kann Triborin fliehen. Auch Liena ist jetzt eine Gejagte und auch sie sucht nach den Aviaren. Sie führt Triborin nach Mildir in eine zu Ruinen verfallene und von Pflanzen überwucherte Stadt, die einst Hauptstadt der Aviare gewesen war. Alles deutet darauf hin, dass die Aviare vor langer Zeit ausgelöscht wurden. Während Triborin und Liena in den Ruinen forschen und sich näherkommen, erreichen die milsari, albische Elitekrieger, die Himmelsstadt. Abermals muss Triborin fliehen. Mit einem Pfeil im Bein entkommt er auf dem Rücken seines Pferdes. Halb im Delirium irrt er durch fremdes Land und wird von einem Orden albischer Naturpriester gefunden. Nicht nur die Schmerzen quälen Triborin. Schon für den kleinsten Kontakt zu den verhassten Alben lässt Lord Xyrius Dunkelelfen hinrichten. Als Leibgardist hatte Triborin sich zudem einem Leben in Einsamkeit verpflichtet und nie damit gehadert. Nun aber schnürt eine fremde Sehnsucht ihm die Brust zu und hält ihn in ihrem Bann. Die Naturpriesterinnen pflegen Triborin gesund und unwillkürlich beginnt Triborin seine Meinung von den Alben zu hinterfragen. Die Naturpriesterinnen haben Veränderungen in der Natur bemerkt, deren Ursache sie in einem steigenden Ungleichgewicht der Elemente vermuten. Als Triborin genug Vertrauen gefasst hat, fragt er nach den Aviaren, doch die Priesterinnen gehen ebenfalls davon aus, dass das Volk nicht mehr existiert. Gleichzeitig erfährt Triborin, dass Liena eine Naturpriesterin dieses Ordens ist, die schon lange zurückerwartet wird. Obwohl Triborin weiß, dass er Lord Xyrius Bericht erstatten muss, harrt er im Tempel aus, bis eines Tages die Priesterinnen von albischen Kriegern angegriffen werden. Triborin hilft den Frauen bei der Verteidigung und reitet schließlich nach Norden in Richtung seiner Heimat.


    Unterdessen, auf einer Inselgruppe weit im südlichen Ozean, trainiert das Aviarenmädchen Milou ihre Flugkünste. Entgegen der Meinung all der Erwachsenen in den Dörfern ist sie überzeugt: es muss mehr auf dieser Welt geben als die winzigen Inseln und die immer gleichen langweiligen Tage.


    Hallo zusammen! Schön, dass wir dieses Jahr zu Dritt in den Kampf ziehen.

    Ich widme mich dieses Jahr einem älteren Projekt, das als Trilogie angedacht ist und für dessen ersten Band ich mich schon drei Mal dem NaNo gestellt habe (oh weh - das klingt schlimm, ist nämlich immer noch nicht fertig :bihinski: )

    Das Projekt ruhte jetzt recht lange und ich werde dieses Mal an Band II arbeiten, um mehr Futter zu haben und einfach voran zu kommen.

    Mal sehen, wie das klappt!

    Im Gegensatz zum letzten Jahr, wo ich recht ins Blaue und auch außerhalb der vertrauten Welt der Fantasy geschrieben habe ( leider wartet auch dieser Entwurf noch auf anständige Überarbeitung) habe ich jetzt eine einigermaßen stabile Planung in petto, die mir hoffentlich eine gute Stütze ist.


    In diesem Sinne... möge der Flow mit uns sein!

    Schön, dass wir gemeinsam dabei sind :)


    Hier meine erste Statistik:

    - Tassen Tee: 2

    - Kaffee: 1

    - Glühwein: 1

    - Drinks: 1

    Zitat

    Vielen Dank, dass du dir auch noch mal so viel Zeit für meine Fragen genommen hast! Ich hoffe, ich konnte es würdig ausgleichen. :)

    Ich würde mal sagen, das ist eine Untertreibung ;)

    Deine Anmerkungen sind wertvoll und durch die Bank richtig gut - ich werde alles beherzigen, weil es mir sehr gut gefällt und direkt unzählige Ideen erweckt wurden.


    Ich finde, du nimmst dir stets sehr viel Zeit für die Texte anderer, deshalb bin ich froh, dass ich auch dir mal etwas rückmelden kann und hoffe ebenso immer, dass es deiner Hilfe gerecht wird.


    Also wenn du nächstes Jahr Jubiläum hast, müssen wir das ja gemeinsam feiern! ;)


    Liebe Grüße

    Folgende Fragen sind mir noch eingefallen:

    - Wie findest du es, dass Vanessa sich am Ende trotz Maries Anwesenheit betrinkt? Ist das drüber? Ich das realistisch?

    - Wenn du dich zurückerinnerst (du musst nicht nachlesen), wie dominant oder extrem findest du Vanessas Gefühle nach der Rückkehr aus dem Urlaub aus jetziger Sicht?

    - Sind dir offene Fragen geblieben, die noch aufgelöst werden sollten?

    - Auch bei mir: gibt es etwas, das du ersatzlos streichen würdest?

    - und die zweite von dir geklaute Frage: wer ist Deine Lieblingsfigur?


    Obwohl ich viel gelitten habe und mich teilweise quälen musste, bin ich sehr zufrieden mit dem Resultat. Es gab häufig Momente, in denen ich richtig grinsen musste, weil ich eine gelungene Passage noch einmal gelesen habe, oder weil mir eigenfallen ist, wo ich gut einen Hinweis verstecken kann. Das ist mir bisher noch nicht so oft beim Schreiben passiert. In der Vorbereitung auf den Nano hatte ich mal gesagt, dass diese Geschichte sich nach außen drängt, und ich denke, das habe ich dann auch gemerkt. Ich war viel intensiver dabei, als bei meinen Fantasy-Entwürfen und denke, dass ich für diese auch einiges gelernt habe. Ich denke nicht, dass es das Genre ist, das mir mehr liegt (oder falls doch, wird es mich nicht davon abhalten, weiterhin in der Fantasy zu wüten), sondern eher das Thema.

    Wenn ich an mein Langzeitprojekt "Das vergessene Volk" - Stoff vergangener Nanos denke, kann ich einiges ableiten. Denn auch hier spielt eine (scheinbar) unmögliche Liebe eine zentrale Rolle, jetzt brauche ich noch ein bisschen mehr Tragik und schon kann es losgehen ;)


    Trotzdem, wie gesagt, ohne dich und den Nano als Format hätte ich es niemals geschafft, diese Geschichte so weit zu bringen. Manchmal tut es eben doch der Zwang, gepaart mit ausreichend Motivation und Zuspruch.



    Nun zu Serak:

    Zitat

    Es wurde nie aufgelöst, woher Dolwin Seraks Namen kannte. Das Ganze ist ein ungeschriebener Nebenplot: Dolwin weiß Seraks Name von Znorla Bruchzahn, der im Herbst dem Trupp Darazgord begegnete, die Serak gefangennamen und denen er sich als Znorla Bruchzahn vorstellte. Dem echten Znorla war bei dieser Offenbarung sofort klar, wer ihr Gefangener in Wahrheit gewesen sein musste. Er weiß nun, dass Serak nicht tot ist, und ihn jagt ihn eigenmächtig, um Rache für Gory Gierschlund zu üben.


    Ahaaaa, das ist tatsächlich ein toller Nebenplot! Wenn eine Figur nicht "einfach so davon kommt", kann das der Geschichte und auch der Figur selbst nie schaden. Wenn also in diesem Fall Seraks Lüge ihm noch auf die Füße fällt, kann das nur gut werden. Vor allem, wenn du es so einfädelst, dass der Leser von dem Racheplan weiß, Serak aber nicht.

    In solchen Momenten muss ich auch immer an Waldscheidt denken, der häufig davon spricht "dichtere Geschichten" zu weben. Genau solche Verflechtung zählen für mich hier rein.



    Zitat

    Was hältst du davon? Gut oder unnötig?

    Ich finde es gut und auch nötig, um diesem Nebenplot mitlaufen zu lassen, aber es sollte nicht zu offensichtlich sein (wie zB Serak sieht ihn auf der Straße). Das wiederum macht es natürlich noch schwieriger bei der Ich-Perspektive. Znorla taucht vielleicht nicht selber auf, aber Dolwin erwähnt ihn direkt oder indirekt, oder jemand anderes in Vellingrad verwechselt Serak mit Znorla (für Serak undenkbar, für einen x-beliebigen Menschen vllt nachvollziehbar).


    Zitat

    Falls du es gut findest - wann oder wo würdest du Znorla das erste Mal wieder aufkreuzen lassen?

    Als erstes fällt mir spontan die Zeit in Vellingrad als am geeignetsten ein. Hier könnte es gut so ein direktes Zusammentreffen geben, oder Serak erfährt nur durch einen Dritten von seiner Anwesenheit und schließt selbst darauf, dass es nur Znorla sein kann. Genauso gut könnte er aber auch von einem Räuber in Dolwins Burg darauf angesprochen werden. Auf jeden Fall sollte ein bisschen Zeit zwischen der "Lüge" und der Erwähnung Znorlas liegen.



    Zitat

    Welches Kapitel gefällt dir am besten?

    Besonders gefallen haben mir tatsächlich die Zeitraffermomente. Ich mochte das Erwachsenwerden in Dolwins Burg unfassbar gerne und auch das nachgereichte Zwischenkapitel in Vellingrad. Hier hatte ich besonders detailreiche Bilder vor Augen und es ist so unfassbar viel greif- und fühlbare Information in wenige Sätze geflossen.

    Szenen, die mir außerdem deutlich hängen geblieben sind, sind der Weg zu Dolwins Burg durch den Wald sowie die Hinrichtung und Seraks Reaktion darauf, wo der Text von seiner Trauer, seiner Wut und seiner Neuausrichtung nur so strotzt.


    Zitat

    Wer ist deine Lieblingsfigur?

    Zwischenzeitlich war auf jeden Fall Dolwin meine Lieblingsfigur. Ich mochte das Mysteriöse und Erhabene an ihm sehr. Gegen Ende wurde er von Serak selbst abgelöst. Nicht, weil er umgekommen ist oder langweilig wurde, sondern weil Seraks Entwicklung einfach richtig gut war


    Zitat

    Wovon hättest du gern mehr gelesen?

    Rückblickend hätte es noch recht interessant sein können, was Arvida abseits der Prüfungen so treibt (wenn sie nicht gerade versucht, Serak zu verführen ;) ) Serak könnte das alles für Schummelei bzgl der Prüfungen halten, in Wirklichkeit spioniert Arvida aber in ihrer Doppelrolle. Vielleicht ergibt sich so eine ganz dramatische Situation beim Überfall und erst, als Serak Arvida nach der Hintichtung sieht, wird ihm das vollkommen klar.


    Zusätzlich bin ich, Wie du, auch ein Atmosphäre und Symbolik-Fanatiker (siehe Rückkehrszene zur Burg). Von sowas kann ich generell nicht genug kriegen.


    Zitat

    Was würdest du ersatzlos streichen?

    Reduzieren würde ich vermutlich den Dialog in Vellingrad, in dem viel über das Steuersystem etc. erklärt wurde. Hier würde sich vllt auch etwas in die Richtung anbieten, dass Serak selbst abschaltet. Z.B. :

    So ging es weiter und immer weiter, von [Steuerlicher Fachbegriff 1] über [Fachbegriff 2] zu [Fachbegriff 3]. Ich hörte nur noch im halbem Ohr zu. Was interessierte mich [hier wichtigen Info-Dump einfügen] wo ich doch einfach nur etwas zu Essen haben wollte?



    Mein Highlight insgesamt ist, wie sich Seraks Entwicklung sogar in der Erzählstimme wiederfindet, was umso besser passt, wenn man bedenkt, dass es seine Memoiren sind. Es ist nicht nur, was er tut und denkt - diese Wandlung ist natürlich auch deutlich und nachvollziehbar - es ist vor allem die Stimmung und der Subtext, die Atmosphäre und das Gefühl, das man bei Lesen erfährt, das mich packt. Das steckt quasi zwischen den Zeilen ist dadurch umso stärker.



    Auch Euch wünsche ich einen wundervollen ersten Advent :)

    Wir lesen uns die Tage wieder - und dem NaNo im nächsten Jahr bin ich auch alles andere als abgeneigt!

    Wow, ich habe mich riesig über deine Nachricht gefreut :knuddeln:

    Das ist ganz tolles Feedback.


    Zitat

    Der Leser hat gemeinsam mit Vanessa die rosarote Brille abgelegt und die bittere Realität einer Suchterkrankung zu spüren bekommen. Marie ist eben nicht nur die selbstsichere, unerschütterliche Frau, als die wir sie in Büsum erlebt haben, sondern schlägt im Gegenteil durch kleinste Ereignisse um. Sie ist zwar trocken, aber nicht gesund. Auch Vanessa hat nun endlich realisiert, dass sie manipuliert wird und es auch so benannt. Dieser innere Wandel wurde sehr gut umgesetzt!

    Danke, das freut mich sehr. Zwischenzeitlich war ich sehr unsicher, wie ich Vanessas Verhalten weiterhin erklären kann. Für einen Außenstehenden erscheint es vielleicht irgendwann unglaubhaft, dass sie ihre Familie weiter im Dunkeln lässt und aufs Spiel setzt. Wenn man sich aber an die Extremsituation erinnert, die ein Mensch erleben kann, wenn er intensive Gefühle entwickelt, sieht alles schon wieder anders aus. Gerade diese Schwebesituationen, das Aufschieben einer Entscheidung, obwohl man weiß, dass es nicht besser werden kann und irgendwann knallen muss - habe ich selbst schon erlebt. Bei der Überarbeitung werde ich daran auch noch weiter feilen, zumal der "Knall" ja noch nicht einmal richtig ausgeschrieben ist.

    Auch, wenn Vanessa es nicht schafft, allein aus der Nummer rauszukommen und Marie und Jan für sie stark sein müssen, hat sich doch gewandelt, bzw. steckt noch mitten drin.


    Zitat

    Vanessa sehnt sich nach einem Happy End - aber übersieht dabei, dass sie es eigentlich hat. Dass Jan ihr verziehen hat, ist nicht selbstverständlich. Aber wird sie ihn als Mann wieder lieben können? Falls nicht, dann hat sie nun hoffentlich gelernt, mit ihm zu reden, um eine vernünftige Lösung zu finden, anstatt wieder davonzulaufen und sich hinter ihrem ausgeschalteten Handy zu verstecken.

    Das war tatsächlich eine der ersten Ideen, die ich für diese Geschichte hatte: der große Kontrast zwischen Maries und Vanessas Konflikt. Auch am Ende hat Vanessa eigentlich alles noch, was Marie verloren hat, und es fällt ihr trotzdem schwer Ruhe zu finden. Deshalb freut es mich, dass diese Botschaft am Schluss deutlich wurde. Ich sehe großes Potential in diesem Thema. Jeder ist sehr auf sich fokussiert und es ist durchaus in Ordnung, wegen vermeintlichen Kleinigkeiten zu leiden - das ist etwas, was viele sich vielleicht erst zugestehen müssen. Trotzdem hilft es oft auch, den Blick hochzunehmen und zu versuchen, sich in andere hineinzuversetzen.

    Im Prinzip soll sich der Kontrast durch das ganze Buch ziehen. Anfangs ist Vanessa die leidende (oder sieht sich zumindest so), weil für sie so viel auf dem Spiel steht und ihr die Hände gebunden sind (weil sie eine Verpflichtung als Frau und Mutter hat), während Marie ihr frei und ungebunden vorkommt. Nach der ersten Trennung denkt Vanessa, dass es nur ihr so geht, und Marie alles kalt lässt. In Wirklichkeit aber hat Marie mit wesentlich Schlimmerem zu kämpfen, wovon Vanessa keine Ahnung hat. Als ihr das klar wird, zumindest zum Teil, überlegt sie nicht lange, sondern bricht blindlings auf in den Norden, ohne Erklärung oder gute Ausrede. Mit dieser Entschlossenheit trifft sie auch auf Marie, um sie "zu retten" / ihr zu helfen. Erst nach und nach wird Vanessa klar, dass das nicht so einfach geht und ihr eigenes Dilemma tritt wieder klarer in den Vordergrund. Jetzt empfindet sie es als unfair oder anstrengend, dass es trotzdem nie wichtiger oder schlimmer sein kann, als was bei Marie auf dem Spiel steht und zugleich macht ihr dieser Gedanken ein schlechtes Gewissen. Sie stellt fest, dass sie das nicht auf Dauer tragen könnte.


    Was auch ganz subtil mitschwingt, ist Vanessas Trinkverhalten. Es wird kaum hervorgehoben, da aus der Sicht Vanessas erzählt wird, die nicht merkt, dass es evtl kritisch sein oder werden könnte und die Maries Geschichte natürlich auch nicht so detailliert kennt. Im Grunde aber hat bei Marie alles ähnlich harmlos angefangen, wie bei Vanessa. So gesehen ist Vanessas Ende auch in mehrere Richtungen offen: wir sie Jan wieder lieben können? Wird sie ihr altes Leben wieder annehmen können? Hat sie ihr Trinkverhalten weiterhin oder wieder im Griff? Und natürlich auch: wird sie Marie wiedersehen?


    Zitat

    Was Marie betrifft, so ist das Ende für sie keines, sie führt weiter ihr unstets Leben, aber es ist auch kein gänzlich schlechtes Ende - Grauzonen. Wohin es sie verschlagen wird - niemand weiß es. So wie auch niemand weiß, woher sie kam. Sie bewahrt ihre Geheimnisse. Für sie sind Vanessa und auch wir als Leser nur ein kurzes Blitzlicht. Es scheint, als würde sie unabhängig von dieser Geschichte existieren und, nachdem wir den Tab geschlossen haben, einfach weiter leben. Auch wenn sie sehr schwierig ist, ist sie eine faszinierende Persönlichkeit und vielleicht sogar die heimliche Hauptfigur der Geschichte.

    Ich denke ja: Marie ist die heimliche Hauptfigur. Als ich am 1.11. begann, wusste ich über sie schon viel mehr als über Vanessa, die zu dem Zeitpunkt nur einen Namen, einen Mann und zwei Kinder hatte.

    Ich hatte noch ein Epilogkapitelchen geschrieben, dass zeigt, wie Marie sich auf den Weg macht, Phillipp zu sehen - ermutigt von Vanessa, auch wenn sie das Gespräch abgewimmelt hatte. Letztlich habe ich erst mal gestrichen, da mir das offene Ende passender erschien, für Marie, als auch für die emotionale Wirkung.


    Zitat

    Ich muss gestehen, dass ich bei diesem Beitrag ziemlich schlucken musste und irgendwo schnippelte auch jemand Zwiebeln (was nicht vielen Autoren bei einem harten Brocken wie mir gelingt)

    :bax:

    Da schicke ich doch gleich mal das Bax-Emoji... *schmelz*

    Es freut mich sehr, dass ich dich berühren und dadurch offenbar die gewünschte Stimmung in den Absatz bringen konnte. Das ist wahrscheinlich das größte Lob, das man kriegen kann.

    Auch wenn es irgendwie komisch ist, sich darüber zu freuen


    Zitat

    Ich hatte eine Freundin, die ist Waise und auch suchtkrank, gleich dreifach und für sie war jedes Weihnachten eine Tortur, ab November ging es ihr so schlecht, dass es nichts gab, womit man sie trösten konnte. Jeder gut gemeinte Versuch der Linderung, z. B. gemeinsam Advent verbringen, verpuffte einfach. Man kommt einfach nicht wirklich an suchtkranke Menschen heran. Innerlich sind sie - auch nüchtern - oft ganz, ganz weit weg.


    All das schwingt in deiner Geschichte mit und besonders in diesem Post von Marie.

    Ich hoffe, du schreibst "hatte", weil ihr keinen Kontakt mehr habt, und nicht, weil sie ein schlimmes Ende genommen hat :(

    Ich weiß, es ist kein einfaches Thema, vor allem für Menschen, die selbst drin stecken oder enge Bekannte haben, die es tun und somit auch immer ein Risiko, darüber zu schreiben.

    Ich selbst habe bisher keine direkten Berührungspunkte mit Abhängigkeit gehabt, doch es ist ein Thema, das mich wahnsinnig fesselt und bewegt und über das ich schon viel gelesen habe. Ich hoffe natürlich, dass ich mit so einer Geschichte Menschen berühren kann, auch solche, die selbst schlimme Erfahrungen gemacht haben, am Ende aber soll trotzdem kein allzu negatives Gefühl bleiben, im Idealfall sogar ein wenig Trost.


    Zitat

    Wie wäre es damit, das Papierstück dem Meer zu übergeben statt den Flammen? :)

    Das passt viel besser, da hast du Recht! Ich habe auch schon eine Idee, wie ich das umsetze :)


    Zitat

    Insgesamt hat mir die Geschichte sehr gefallen. Obwohl sie zum Großteil von dir improvisiert war, hatte sie einen wunderbaren Spannungsbogen und alles greift ineinander. Man merkt deutlich, dass du schon viel Erfahrung im Schreiben hast und sicher hat auch der Kurs, den du belegt hast (und auf den ich immer noch neidisch bin) viel dazu beigetragen.

    Hehe, ja, dieses Fernstudium hat mich auf jeden Fall weitergebracht. Leider habe ich es nicht ganz zu Ende geschafft und dadurch auch das Lektorat verpasst. Ich profitiere aber laufend von dem Erlernten


    Zitat

    Falls du die Geschichte überarbeiten möchtest, würde ich mir wünschen, dass Jan noch etwas mehr vertieft wird (welchen Beruf hat er, welche Hobbys etc.). :) Er ist auf seine Weise sympathisch und beweist am Ende große innere Stärke, wie auch Marie - Stärke, die Vanessa nicht aufbringen konnte.

    Ist notiert und auf jeden Fall notwendig!


    Zitat

    Am besten fand ich die Einbindung des Themas "Meer küsst Land", den Regen am Anfang und das Thema von Ebbe und Flut. Die intensiven Wetterbeschreibungen haben mir gegen Ende tatsächlich etwas gefehlt. :) Fahren Jan und Vanessa durch den Regen heim oder bricht die Wolkendecke auf und die Sonne zaubert einen kitischen Regenbogen? Ich glaube, das weiter durchzuziehen, würde der Geschichte den letzten Feinschliff verleihen!

    Du hast Recht, das geht etwas verloren und diese Symbolik hat auch mir selbst gut gefallen. Ich werde es einarbeiten. Es hat auch noch so viel Potential, zum Beispiel ist schlechtes Wetter in einer Großstadt noch mal eine andere Nummer, die ich gut symbolisch verwenden kann.


    Was ich außerdem noch überlege ist, ob ich die angesprochenen Stürme doch Schaden nehmen lasse. Aktuell verpuffen sie komplett. Es muss ja nichts Schlimmes sein wie Haus abgedeckt, aber evtl. ein paar unangenehme Stiche.


    Alles in allem bin ich aktuell ganz zufrieden, auch mit der Entscheidung, Marie stark bleiben zu lassen.

    Trotzdem werde ich zumindest mal skizzieren, wie es anders laufen könnte. Es gibt ja unzählige Momente, in denen ich Marie glaubhaft rückfällig werden lassen könnte, wenn es mir auch selbst weh tun würde. Wie du schon richtig angemerkt hattest, müsste die Geschichte dann natürlich deutlich länger werden. Und ich weiß nicht, ob ich in diesem Fall so ein rührend-tragisches Ende für Marie schaffe, wie hier.

    Entweder würde es ziemlich düster ausfallen, oder, wenn Marie sich erneut herauszieht vielleicht "zu positiv".

    Hallo! :)


    Heute möchte ich mich gerne bzgl. Deiner letzten Beiträge äußern.

    Das Wiedersehen mit Cherax und Mauli hatte ich ja bereits geahnt und mir gewünscht und du hast es genauso umgesetzt, wie ich es mir vorgestellt habe. Will heißen: mir lag ein Lächeln auf den Lippen. Die drei, jeder für sich, und vor allem in Kombination, sind sehr liebenswert und sympathisch. Beste Voraussetzungen für eine Figuren-Leser-Bindung :)

    Serak hat mich als Leser jetzt natürlich lange begleitet, deshalb kenne ich ihn gut und bin beim Lesen ganz bei ihm. Bei Cherax und Mauli ist es dir gelungen, sie mit nur wenigen Pinselstrichen so zu charakterisieren, dass man schon jetzt auch mit ihnen fühlt. Das ist immer eine hohe Kunst.

    Auch, dass Serak jetzt direkt wieder eine Aufgabe hat (Mitgleid einer Söldnereinheit) passt wunderbar. Das eine Kapitel endet und öffnet direkt einen Spalt für ein neues.


    Über eine Sache bin ich gestolpert:

    Zitat

    Das Knistern des Holzes und das gelegentliche Zischen der Glut waren die einzigen Geräusche, die die Stille durchbrachen. Ich lauschte den gedämpften Gesprächen und den leisen Flüchen. Mittendrin vernahm ich auch bissigen Humor und leises Lachen.

    Ich fand beide Sätze sehr schön, sie geben ein gutes Bild der Situation ab. Für mich widersprechen sie sich bloß leicht, es sei denn, zu zählst die leisen Gespräch und Hintergrundgeräusche zu der "Stille" hinzu, oder die Gespräche kommen nach ein paar Augenblicken erst wieder auf.


    Auch bei den Zusatzkapiteln gab es zwei Sätze, die ich beide sehr gelungen finde (vor allem den zweiten), aber auch hier steckt für mich ein kleiner Widerspruch (wirklich klein) drin:

    Zitat

    Nur wenige wagten es, mich mit zusammengekniffenen Lippen anzusehen, doch ihre Blicke verrieten Misstrauen und Ekel. Meine Hilferufe prallten gegen die Mauern ihrer Gleichgültigkeit.

    Misstrauen und Ekel stehen (für mich) hier etwas im Widerspruch mit Gleichgültigkeit, obwohl ich weiß, was gemeint ist. Evtl. lässt es sich noch minimal anpassen, um die tolle Wirkung der Sätze nicht abzuschwächen.


    Auch wahnsinnig toll:

    Zitat

    Die Scheiben trennten mich von all den Reichtümern und Köstlichkeiten.

    Ein Satz, der so viel aussagt über Vellingrad oder Naridien selbst, über die Menschen, die dort leben und den Zwiespalt unter ihnen. Bravo!


    Da hast du aber allgemein ganz schön was rausgehauen :P

    Zitat

    Ich wurde zu einem Schatten, der vom Strom der Passanten übersehen wurde, während er jeden Tag ein Stück mehr verblasste.

    :verbeug:


    Zitat

    Als ich spürte, dass mir wortwörtlich das Leben aus dem Körper wich, das ich tatsächlich begann, zu sterben, besann ich mich endlich, dass ich ein Jäger war. Meine Nase war so fein wie die eines Wolfs und meine Augen so scharf wie die einer Raubkatze. Ich besaß ein Gebiss, mit dem ich menschliche Finger hätte kauen können wie knackiges Wurzelgemüse. Ich hatte den Nachtmantel bezwungen, den König des Waldes. Was kümmerte mich ein Gesetz, dass mich verhungern ließ? Ich würde nicht länger darauf warten, dass sich jemand erbarmte, sondern von dem Recht Gebrauch machen, dass das Blut in meinen Adern mir gab: das Recht des Jägers.

    Tolle Wendung.

    Das Bildnis Jäger - Beute hat mir insgesamt sehr gut gefallen in diesem Kapitel.


    Dass Serak seine Nachtsicht für seine Vorteile nutzen kann, gefiel mir ebenfalls. Und auch das:

    Zitat

    Um es wie ein Naridier zu formulieren: Meine Sinne waren in diesen Tagen mein wertvollstes Kapital.

    Wieder ein einziger Satz, der so viel in sich hat. Er charakterisiert die Naridier, er charakterisiert Serak und er zeigt eine Entwicklung: Serak hat sich eingelebt und kennt die Menschen bereits sehr gut.


    Auch positiv hervorzuheben ist das Erwähnen des Hohen Richters. Das verdichtet die Geschichte ebenso wie das Zusammentreffen mit Arvida (ich vermute mal, sie ist die Diebin bei dem losen Mundwerk und giftzwergischen Verhalten ;D )


    Also... zu Mäkeln gibt es nicht. Hat sich gut gelesen und mir gut gefallen.

    Dass dadurch die Zeitpunkte der Zusammentreffen mit Dolwin auseinandergezogen werden, ist ein weiterer positiver Aspekt.



    Ich bin froh, dass wir zusammen den Nano bestritten, durchlitten und gemeistert haben :)

    Ohne dich hätte ich wahrscheinlich nicht durchgehalten!

    Epilog


    Das neue Jahr begann stressig für mich. Ich arbeitete lang und auch am Wochenende, um die Ausstellung bis zum Eröffnungstermin fertig zu kriegen. Es war mir ein persönliches Anliegen, dass alles perfekt war, nicht bloß, weil meine weitere Karriere davon abhing. Nicht nur, weil es mein erstes großes Projekt seit der Elternzeit war.

    Im letzten Moment hatte ich den Titel noch einmal geändert, auch wenn er nun nicht mehr zu dem passte, was auf den Plakaten und Handzetteln stand, und wofür in den Zeitungen und im Internet geworben worden war.

    Ich fand es trotzdem stimmig.

    Man wurde gelockt vom Versprechen eines Neuanfangs und man fand unwiderstehliche Sehnsucht.

    Die Abfolge der Räume nahm die Besucher mit auf eine emotionale Reise. Es begann mit freudiger Aufbruchsstimmung, mit Frühlingsblumen, die durch eine Schneedecke brachen, mit einem hellen Streifen am Horizont nach einem Unwetter, dessen schwere, dunkle Wolken noch immer den Rest des Himmels bedecken, mit dem ersten Licht eines neuen Tages. Junge Triebe an einem verdorrten Ast, Regentropfen auf vor Trockenheit rissiger Erde, Menschen, die sich in einem Meer von Unbekannten in die Arme fallen.

    Die folgenden Räume zeigten die Wandlung des Neuen zum Alltäglichen und Gewöhnlichen. Den Zauber, aber auch sein Verschwinden. Kinder, die einen Erwachsenen vergeblich auf die Schönheit der kleinen Dinge aufmerksam zu machen versuchen, Menschen, die zurückblicken, Bäume, die sich ihrer ursprünglichen Freiheit erinnern, Landschaften verwaschen und gezähmt.

    Das Zentrum der Ausstellung aber gehörte ihrem neuen Thema. Sehnsucht nach Vergangenem, Sehnsucht nach erneuter Veränderung, Sehnsucht nach dem gerade eben nicht Greifbaren.

    Inmitten hochpreisiger Meisterwerke hing ein Werk, wegen dessen Ähnlichkeit zu mir, ich mich während der Öffnungszeiten von der Ausstellung fernhalten würde. Die Fragen meiner Kollegen im Nachgang waren schon mehr, als ich auf mich nehmen wollte. Zuerst hatte ich befürchtet, ich könne das Werk nicht kriegen, doch ein paar Tage später hatte Jan mich zurückgerufen, nicht über das Büro der Surfschule, sondern privat. Es gab Neuigkeiten und bevor es weggeschmissen wurde, so hatte er gesagt, solle lieber ich es haben.

    „Hingabe“ stand auf der Infotafel neben dem lebensgroßen Portrait der in sehnsüchtige Gedanken versunkenen Frau auf dem Kunstwerk. Es war nicht klar, ob sie sich aus ihrem Leid erholte, oder darin versank, ob die Wellen, in denen ihr Kleid sich verlief, sie an den Strand spülten oder forttrugen. Wessen gab sie sich hin, musste sich der Betrachter unwillkürlich fragen. Ihrem Schicksal? Ihrem Leid? Oder der Sehnsucht selbst?


    Hingabe

    Anonym

    Aquarell und Tinte auf Papier

    Unverkäuflich

    Ich trat aus der Hitze des Wohnzimmers auf den Balkon, mein Weinglas in der Hand. Drinnen liefen Weihnachtslieder in Dauerschleife. Lieder von Familie und Freude, Lieder von Liebe. Lieder, die unwiderruflich an eine Zeit erinnern, in der man jung und gesund war, und Teil einer funktionierenden Familie, deren Erhaltung nicht unendlich schwer auf den eigenen Schultern lag.

    Hanna und Jana probierten begeistert ihre Geschenke aus und Jan sah ihnen dabei zu. Ich konnte nicht verhindern, dass mir die Tränen die Wangen hinabliefen. Es würde einige Zeit dauern, bis ich mich wieder voll und ganz auf mein Leben einlassen konnte.

    Ich musste hoffen, dass ich es wieder konnte. Ich hatte so ein Glück eine Familie zu haben.

    „Glaub mir, du willst deine Kinder nicht verlieren.“, hatte Marie zu mir gesagt und ich sah sie vor mir wie ein Spiegelbild in die Zukunft.

    Ich wandte den Blick ab vom Fenster und sah stattdessen in den Nachthimmel. Mond und Sterne waren hinter Wolken verborgen. Ich schlang die Arme um meinen Körper und dachte an Marie. Es war eine kurze, unglaublich intensive Zeit gewesen, als hätten wir ein ganzes Leben in die paar Tage packen müssen. Vermutlich hatten wir das. Ich wusste, dass es hatte enden müssen. Es war von Anfang an klar gewesen. Es war eine Prüfung gewesen, ob ich der Versuchung widerstehen konnte und ich war grandios gescheitert.

    Aber ich war zurück. Ich konnte Hanna und Jana nicht zurücklassen. Auch Marie hätte mich das nie im Leben tun lassen. Genauso wenig konnte sie bei mir bleiben, auch wenn sie das niemals ausgesprochen hätte. Ich hatte es in ihrem Blick gesehen, in ihrem stillen Kampf. Ich erinnerte sie zu sehr an ein altes Leben, und meine Abwesenheit ermöglichte ihr vielleicht ein neues.

    Trotzdem hätte ich mich selbst belogen, wenn ich verleugnete, wie sehr sie mir fehlte. Oh, sie fehlte mir so sehr.

    Einzelne glitzernde Flocken segelten vor meinen Augen hinab, während innen ein Chor „Oh Holy Night“ sang. Unwillkürlich schluchzte ich auf, und musste direkt danach bitter über mich selbst und die Unwirklichkeit des Moments lachen. Mehr und mehr Flocken fielen vom Himmel und wurden immer größer, bis ich ihr zartes Rieseln hören konnte, ihr Flüstern. Genauso gut hätte all das in einem Weihnachtsfilm stattfinden können.

    Die Frage war nur, wo das Happy End blieb.

    Vielleicht aber war dieser Ausgang das, was einem Happy End am nächsten kam. Vielleicht war mein Kummer das geringste Übel.

    Hinter mir ging die Balkontür auf. Jan kam hinaus und legte seine Arme um mich. Einige Atemzüge hielt er mich einfach nur fest.

    „Wir schaffen das“, flüsterte er dann und legte seinen Kopf gegen meinen.

    Ich griff mit meiner freien Hand seinen Arm und zog mich fester in seine Umarmung.

    Oben auf dem Deich weht zornig der Wind. Vielleicht wütet er, weil er ausgesperrt ist aus den warmen Zimmern voller glücklicher Menschen, strahlender Kinder, duftender Speisen, geschmückter Fenster und Bäume. Ich blicke hinaus auf das winterliche Meer, auf dem sich Mond und Sterne spiegeln. Sie sind meine Weihnachtsbeleuchtung.

    Die Feiertage sind die pure Folter für die Einsamen. Das Fest der Liebe. Das Fest der Familien und Freunde.

    Ich bin allein, aber ich bin nicht einsam.

    Ich bin traurig. Aber ich bin nicht schwach.

    Abermals übergebe ich dem Winterwind ein Päckchen.

    Es ist meine Schuld, dass ich jetzt nicht in einem warmen Zimmer sitze und in strahlende Kinderaugen blicke.

    Es ist meine Schuld, dass ich kein Glas Wein trinken kann.

    Es ist meine Schuld, dass ich allein bin.

    Ich übergebe dem Wind meine Schuld, auf dass er sie für mich verwahrt und mich immer daran erinnert, wenn ich strauchle. Den Rest behalte ich. Ich behalte die Erinnerungen an Johanna.

    Ich behalte die Erinnerungen an Vanessa.

    Ich hoffe, dass sie glücklich sind, oder es werden können.


    Ich behalte meine Erinnerungen an Phillipp.


    Mein Weg ist noch lang. Er wird niemals zu Ende sein, solange ich lebe. Und er wird immer bergauf gehen, und nie gerade. Ich habe ihn selbst angelegt und jetzt muss ich ihn gehen.

    Nur ich kann mich retten.

    Ich gehe zurück nach Hause. Heute habe ich das ganze Haus herausgeputzt für den Weihnachtsabend. Ich habe sogar die kleine Dachkammer von Staub befreit und Phillipps Bett neu bezogen. Im Wohnzimmer entzünde ich die Kerzen in der stillgelegten Kaminnische. Ich koche mir eine Kanne Kräutertee, setze mich auf die Couch, wickle mich in meine Wolldecke und schlage mein Notizbuch auf.

    Es ist kein Tagebuch im klassischen Sinn, eher eine Zusammenstellung loser Gedanken, teilweise genauso niedergeschrieben, wie sie mich heimgesucht haben. Doch daneben gibt es auch schöne Augenblicke, die ich gesammelt und versucht habe, in Worte zu Kleiden. Das Meer, mit seinem ewigen Kommen und Gehen, Ebbe und Flut, die so treffend mein unstetes Innenleben widerspiegeln. Fremdgesteuert, unterworfen, und doch irgendwie darin aufgehoben.

    Der Himmel am Abend, in vollkommener Schönheit trotz seines Schwindens.

    Das Dilemma meiner Abhängigkeit.

    Für immer werde ich an der Kante entlang gehen, auch wenn sie kaum mehr in Sichtweite scheint. Niemals werde ich sicher sein.

    Ganz hinten in dem Buch verwahre ich Johannas Handynummer, falls ich jemals den Mut aufbringen könnte, sie anzurufen.

    Darunter habe ich im Sommer die Nummer, E-Mail-Adresse und Anschrift von Jan Günther notiert, wie sie auf dem Buchungsbeleg angegeben war. Es war der erste Schritt in die Richtung, der Versuchung nachzugeben.

    Ich halte die Seite mit Daumen und Zeigefingern. Dann reiße ich den unteren Teil davon heraus. Mit einem Streichholt entzünde ich das Papier und sehe dabei zu, wie es verbrennt.

    Ich kann allem widerstehen, nur nicht der Versuchung.

    Es ist besser, wenn es eine weniger in meinem Leben gibt.

    Jan saß stumm auf dem Bett. Das Bett, in dem Marie und ich uns wenige Stunden zuvor noch geliebt hatten.

    Ich war im Bad und starrte mein Spiegelbild an. Wer war diese fremde Frau? Und was wollte sie?

    Auf dem Waschbeckenrand standen noch die beiden Sektgläser. In einem steckte ein Stück Papier. Ungläubig starrte ich es an, dann zog ich es mit zitternden Fingern heraus. Es war eine herausgerissene Seite aus einem Notizbuch. Der Text war hektisch und in derselben Schrift wie auf dem Weinetikett geschrieben worden.


    Ich weiß, dass du nicht bei mir bleiben kannst. Ich sehe es in deinem Blick. Das hast du definitiv mit ihr gemeinsam.

    Ich ertrage das nicht noch einmal.

    Weil du es offenbar nicht kannst, habe ich deinen Mann angerufen. Er wird vielleicht schon morgen kommen.

    Was die Kraft der Versuchung betrifft, mach nicht den gleichen Fehler wie ich.

    Egal, um welche Versuchung es geht.


    Man sieht sich immer zwei Mal im Leben.

    Für uns ist es vermutlich das Beste, wenn es dabei bleibt.


    Meine Mundwinkel zuckten, als ich versuchte, Wut und Verzweiflung zu unterdrücken. Ich wollte schreien, ich wollte die Gläser in tausend Scherben zerschlagen, ich wollte weinen, ich wollte, dass alles, was in mir tobte, nach außen brach und mir nicht länger qualvoll gegen den Brustkorb drückte. Ich zerknüllte Maries Zettel. Ein Knurren entfuhr mir, dann kamen die Tränen. Ich schlug mir die Hand vor den Mund und biss hinein. Das letzte, was ich jetzt gebrauchen konnte, war, dass Jan ins Bad kam.

    Wo der Rausch mir zuvor süß zugeflüstert hatte, jagte er mir die Emotionen nun wie Giftpfeile durch das Herz. Auf den Gläsern schimmerte verräterisch der Abdruck meiner Lippen. Marie, mit ihrem geübten Blick, hatte es mit Sicherheit sofort gesehen und war mich suchen gegangen. Wen hatte sie zuerst gesehen, Jan, oder mich?

    Ich starrte auf das Glas.

    Mit einem Kuss hatte es begonnen, mit einem Kuss endete es.


    Jan und ich verbrachten trotz aller Umstände die Nacht in dem Zimmer. Wir waren beide wie betäubt, unfähig wo anders hinzugehen. Hier aber war selbst die Luft, die wir atmeten, erfüllt von der Kälte des Grabens, der sich zwischen uns aufgetan hatte. Starr lagen wir in dem Bett und starrten an die Decke. Ich denke nicht, dass einer von uns wirklich schlafen konnte. Am nächsten Morgen brachen wir auf.

    Ich fühlte mich, als wäre ich brutal aus den tiefsten Träumen gerissen worden. Oder als wären die Träume aus mir herausgerissen worden und hätten eine alles vernichtende Leere hinterlassen.

    Wie betäubt saß ich auf dem Beifahrersitz in Jans Wagen. Eisiges Schweigen stand zwischen uns wie eine Mauer. Ich wusste nicht, was mit meinem Auto passieren sollte, ich wusste nicht, wo Marie hin war, ich wusste nicht, was mich zu Hause erwartete. Ich wusste nicht, wie ich mich dort überhaupt blicken lassen konnte, jetzt, da mein Verrat in all seiner Schwere offengelegt war und sich in Jans Gesicht spiegelte. Ich starrte auf die Straße, ohne etwas zu sehen. Maries Worte und ihr Verrat hallten in meinem Kopf nach, trieben ihren verletzenden Stachel tiefer in mein Fleisch, doch ich war noch immer zu erschlagen, um den Schmerz zu spüren. Ich hatte keine Möglichkeit, sie zu erreichen. Ich würde niemals erfahren, ob es ihr gut ging, ob sie rückfällig wurde, ob ich sie endgültig hinabgestoßen hatte.

    Im Radio erklangen die ersten Töne von Watermelon Sugar und ich erinnerte mich wehmütig an das aufregende Gefühl in meinem Bauch, als Marie und ich am Strand von Büsum nebeneinander gestanden hatten. Ich hatte wissen wollen, wie es sich anfühlt, ich hatte es probieren müssen, ich hatte nicht widerstehen können. Jetzt hatte ich eine Kostprobe erhalten und war nicht schlauer als zuvor. Ich wusste nicht, ob ich ohne all das zurechtkommen konnte. Im Sommer hatte ich nicht vergessen können, weil ich mich um das Wissen, wie es sein könnte, betrogen fühlte. Wie sollte ich jetzt vergessen können, wo ich wusste, wie süß es schmeckte?

    Aber da waren auch die Schattenseiten und Maries Schatten war übermächtig. Je nachdem, wie das Licht stand, verschluckte er nicht nur sie, sondern alles um sie herum.


    In den ersten Tagen zu Hause sprachen Jan und ich nicht viel. Ich konnte nicht abschätzen, ob er mir Zeit ließ, oder ob er selbst nicht wusste, was er sagen sollte. So oder so war ich dankbar. Das Erlebte und sein abruptes Ende hatten mich noch vollkommen in ihrer Gewalt und dröhnten mir im Kopf wie nach einem lauten Knall. Die ganze Zeit über hatte ich gewusst, dass es irgendwann vorbei wäre. Ich hatte es gewusst und mich davor gedrückt und verschlossen, und als es dann so weit war, hatte es mir trotz allem den Boden unter den Füßen weggezogen.

    Als ich es nach einiger Zeit endlich über mich brachte, meine Tasche auszupacken, fand ich zwischen zwei Hosen Maries gelben Pullover. Ich nahm ihn heraus und starrte fassungslos auf den gelben Stoff. Erste Schluchzer schüttelten mich, dann vergrub ich mein Gesicht in dem Pullover. Ich konnte Marie darin noch riechen, ein letzter Rest, der schon jetzt von meinem eigenen Geruch verdrängt wurde. Wenn ich den Pullover hatte, wer sollte Marie jetzt daran erinnern, ab und an zu lächeln? Dicke Tränen rannen mir die Wangen hinab.

    Ich legte mich ins Bett, drückte den Pullover an mich und rollte mich ein wie ein Kind. Ich hörte, wie die Türe aufging, und nach ein paar Augenblicken wieder geschlossen wurde. Keiner kam zu mir herein. Ich war unfähig aufzustehen und versank für den Rest des Tages in meinem Kummer. Wahrscheinlich war es eher ein Entzug, den ich gerade durchmachte.

    Irgendwann ging wieder die Türe auf und dieses Mal hörte ich zögerliche Schritte. Von der Seite schob sich Janas Kopf in mein Blickfeld. Ich setzte mich auf und rieb mir die Augen trocken.

    „Warum bist du so traurig, Mama?“, fragte sie.

    Meine Unterlippe zitterte in dem hoffnungslosen Versuch die Tränen zurückzuhalten.

    „Ach, komm Mama, komm.“ Jana kletterte zu mir ins Bett, zog meinen Kopf an ihre Brust und streichelte meinen Kopf, die perfekte Kopie einer Geste, mit der ich sie stets tröstete. „Arme Mama.“

    Ich hörte ihren schnellen, zarten Herzschlag, spürte, wie ihre kleine Brust sich hob und senkte, fühlte die Wärme ihres Körpers und ließ mich von ihr halten.

    Nach einer Weile löste ich mich und griff ihre Hände. Die Spuren meiner Tränen waren kalt auf meiner Haut. Ich lächelte sie tapfer an. „Manchmal sind auch Mamas traurig“, sagte ich. „Das gehört dazu. Aber zum Glück habe ich dich.“ Ich stupse ihr mit dem Zeigefinger auf die Brust und schluckte einen neuen Schwall Tränen hinunter.

    Weihnachten stand vor der Tür.

    Ich musste anfangen, stark zu sein. Wenn nicht für mich, dann wenigstens für meine Kinder.