„Das hier ist es also,“ murmelte Basaram zu sich selbst, während sie auf das große eiserne Tor starrte. Ihre Mundwinkel schlichen sich nach oben. „Dass ich tatsächlich einmal hierher eingeladen werde!“
Sie strich sich noch einmal über ihre Robe, um sicherzugehen dass sich die Mukaquasten nicht verheddert hatten. Zog ein weiteres Mal den Kamm durch ihr Haar, zückte den Spiegel und prüfte, ob ihre Haarnadeln immer noch korrekt saßen. Dann holte sie tief Luft, stellte sich gerade auf. Verbannt war das aufgeregte Grinsen, ersetzt durch das übliche einstudiere Lächeln. Sie ging zum Tor.
Vier wachen standen davor, eine davon zog in einer fließenden Bewegung einen Säbel und rief „Halt!“ während zwei weitere ihre Gewehre in Basarams Richtung hielten, jedoch nicht so weit anhoben dass sie direkt auf sie zielten.
Die vierte Wache – im Gegensatz zu den anderen trug diese einen mit Goldenen verziehrungen bestückten Helm und keine Waffe – kam auf Basaram zu.
„Name. Anliegen,“ verlangte sie.
Basaram zog den Holochip, den sie gestern morgen erhalten hatte, aus ihrer Tasche. Mit der samtigsten Stimme, die sie gelernt hatte, antwortete sie, „Ich wurde eingeladen. Mein name ist Basaram, tochteARGH!“
Es war ein kurzer, stechender Schmerz der durch ihren Kopf fuhr, dann nickte die Wache. „Die Angaben passen,“ sagte sie und drehte sich um. Erst jetzt konnte Basaram sehen, dass ihr Helm nicht nur verziehrt war, sondern die Rückseite offen, eher eine Art Maske. Eine, unter der dunkelblaue Haare zu sehen waren.
Die anderen senkten auch ihre Waffen, und das Tor schwang auf. Währenddessen trat ein Mann – der Robe die er trug nach ein Bediensteter – aus dem Schatten dahinter hervor.
„Bring sie zum kleinen Saal,“ befahl die Wache.
Nicht dass er diese spezielle Anweisung gebraucht hätte, dachte sich Basaram während sie unter dem großen Torbogen hindurchschritt. Sie folgte dem Bediensteten, den mit Steinen ausgelegten Weg entlang.
„Bitte verzeihen Sie der Kapitänin, werte Aufgestiegene,“ sagte er schließlich. „Sie ist nicht die Freundlichste, aber sie folgt dem Pfad ihrer Treuepflicht gewissenhaft.“
„Ich bin mit solchen Situationen durchaus vertraut,“ entgegnete Basaram, als sie das Haus erreichten. „Wenn auch mit nicht ganz so überraschenden.“
Die Eingangstür fuhr ebenfalls vor ihnen auf, und grüne Lichter flackerten über sie hinweg, als sie durch den eingebauten Scanner traten. Ein halbes Labyrinth aus Gängen später war am Ende des Ganges nur noch eine hölzerne Tür zu sehen. Der Mann klopfte, und in Basarams Ohren klang es fast so laut wie ihr Puls. „Erhabener Nedolik, ich bringe einen Gast,“ kündigte der Bedienstete laut an, und drückte dann ohne zu zögern die Klinke herunter.
„Ah, dann sind wir auch vollständig,“ antwortete der Mann auf der anderen Seite, während Basaram eintrat. Der Erhabene Nedolik sah genauso aus wie auf den holographischen Tafeln im Ort: Die schwarzen Locken fielen gerade so über die Ohren, aus dem fein getöpferten Gesicht schaute ein paar dunkelblauer Augen hervor, so saß er in einer feinen Robe hinter einem Schreibtisch. „Bitte, setz dich.“
Basaram nahm wie gebeten auf dem einzigen freien Stuhl Platz, neben einer anderen Frau, mit einem Kopftuch, unter dem hellorangene Haare bis über ihre Schultern fielen. Sie hatte ihren Stuhl gedreht und die Arme über der Rückenlehne gekreuzt. „So, heißt das wir kriegen jetzt endlich gesagt wofür wir hier sind?“
„Aufgestiegene Kohru, bitte, nicht so ungeduldig,“ versuchte der Vierte im Raum mit melodischer Stimme zu beschwichtigen; ein Mann mit kurz geschorenem dunkelgrauem Haar, der kerzengerade dasaß. „Unsere werte Kameradin ist gerade erst dazugestoßen.“
„Ach, ein bisschen schneller könnts schon gehen,“ kommentierte auch die letzte Person im Raum. Sie hatte schwarze, wellige Haare die bis an ihr Kinn gingen, und in denen sich das Licht der Lampen rot zu streuen schien. Auch hatte sie über die übliche Robe einen Schulterumhang angelegt, in den etliche farbige Vogelfedern eingearbeitet waren. Ihr Gesicht zeigte das aufgeregte Grinsen das Basaram auf ihrem eigenen nicht zuließ.
„Gut, gut. Ungedult bringt uns kein Mana, aber ungedult ebenso wenig,“ sagte Nedolik. Der Reihe nach blickte er sie alle an. „Aufgestiegener Deedruas, Sohn von […], Sohn von […]. Aufgestiegene Kohru, Tochter von […], Tochter einer Unbekannten. Aufgestiegene Basaram, Tochter von […], Sohn von […]. Und Aufgestiegene Kra’iki, Tochter von […], Tochter von […]. Ich habe euch eingeladen, um euch im Namen des kleinen Rates einen Auftrag zu erteilen. Ihr habt sicher schon die Nachrichten mitbekommen, dass die Kroohb in letzter Zeit verstärkt Streitkräfte mobilisieren. Wir müssen uns also darauf vorbereiten, dass sie doch weitere Eroberungszüge starten. Das der Punkt, an dem ihr ins Spiel kommt.“
„Wird das ne Geheimmission? Also so eine richtige, wie in den Geschichten von Avnar?“ schoss Kraiki hervor. „Sollen wir uns in ne Werft einschleichen und geheime Schiffspläne stehlen? Oder ein Ausbildungscamp sabotieren? Oder …“
„Aufgestiegene Kra’iki, das ist eine ernste Angelegenheit,“ ermahnte Deedruas sie.
Der erhabene Nedolik seufzte, fuhr dann aber schnell fort, „Fast. Euer Ziel ist der Planet Jahlua. Ihr werdet dorthin segeln, als Teil der Versorgungsmission.“ Er deutete auf Basaram. „Wir haben Anhaltspunkte, dass sich auf dem Planeten ein Artefakt befinden könnte. Eure Aufgabe ist es, diesen Anhaltspunkten nachzugehen. Im Idealfall könnt ihr das Artefakt bergen und, ohne Aufsehen zu erregen, zu extrahieren, aber wir bezweifeln, dass das möglich ist, ohne Verdacht zu schöpfen.“
„Jahlua? Das ist direkt neben dem von Piraten kontrollierten Gebiet!“ beschwerte sich Kohru, stand dabei auf. „Da sollen wir hin?“
„Tarhuks Banden haben sich seit dem Waffenstillstand nicht mehr in das besetzte Gebiet getraut. Ich glaube dafür sollten wir den Kroohb, ironischerweise, dankbar sein. Es wird diese Mission einfacher machen. Und denk daran, euer primärer Auftrag ist es, informationen zu sammeln.“
„Und was ist, wenn…“
„Wenn der Kleine Rat denkt, dass das eine passende Mission für die traditionelle Aufstiegsreise sein wird, dann ist sie das,“ unterbrach Deedruas. „Sie werden die Risiken besser einschätzen können als wir, Aufgestiegene Kohru.“
„Also so schlecht klingt das jetzt nicht, ehrlich gesagt. Andere Orte entdecken, dabei unseren Leuten noch helfen. Eine gute Gelegenheit, mehr Mana zu erhalten,“ stimmte Kra’iki ihm zu, die sich auf ihrem Stuhl ausgestreckt hatte.
„In der Tat, das ist der Grund warum diese Tradition existiert. Und ich bin mir sicher, dass das auch die Beweggründe des Rates sind. Jedenfalls, müssen wir nun zum Ende dieser kurzen Einführung kommen, ich habe noch weitere Termine. Potarock hier,“ er deutete auf einen Baxis, die feucht glänzende Haut so braun wie die Haare seines Vorgesetzten, der irgendwann von Basaram unbemerkt in den Raum gekommen war, „hat ausführlichere Missionsbriefings für euch. Eine sammlung aller Informationen die wir bisher haben, die Spezifikationen des Schiffes, das der Rat euch stellt.“
„Mitsamt Ladung, versteht sich,“ ergänzte Potarock.
„Natürlich. Aufgestiegene Basaram, ich überlasse dir die Auswahl der Güter, innerhalb der im Briefing gesetzten Grenzen. Und wenn einer von weitere Fragen hat, steht Potarock auch dafür zur Verfügung. Geht in Einigkeit. Erfüllt eure Treuepflicht. Findet eure Bestimmung.“ Mit diesen Worten verließ Nedolik hastig den Raum.
„Hier, bitte, das volle Missionsbriefing,“ brummte Potarock, während er mit seinen rechten Tentakeln vier weitere Holochips hervorholte. „Die Reise wird übermorgen in der Früh beginnen.“
„Yay, das wird bestimmt interessant, ich freu mich schon,“ sagte Kra’iki und nahm ihren entgegen.
Auch Basarams herz klopfte. „Ein einfacher Auftrag für den Start, jetzt, wo wir aufgestiegen sind,“ pflichtete sie bei. So langsam erlaubte sie auch wieder ein Lächeln auf ihrem Gesicht.