Die Eiskrähe
In tiefem Schweigen
Sinkt meine Seele nieder
Da, horch - die Krähe
Eine Gruppe warm vermummter Menschen trotzt dem beginnenden Schneesturm. Flocken verfangen sich in ihrer Kleidung, sie bilden einen Ring. In ihrer Mitte hantieren sie an einem schlanken Baumstamm, der entrindet wurde. Kunstvolle Szenen zieren das Holz, Fellstreifen und Knochen hängen von der Spitze. Schaulustige stehen am Rand der Eisfläche, einige Soldaten sorgen dafür, dass sie auf Abstand bleiben. Hier in Arashima sehen so Volksfeste aus. Viel Grund zu feiern gibt es nicht im einsamen hohen Norden, und so wird jeder Urteilsspruch des Priesters festlich zelebriert.
Ein Stück abseits von der Gruppe sitzt ein Mann allein in seinem Schlitten. Nervös schnalzt er mit der Zunge, eine Marotte, die er selbst kaum bemerkt. Zwischen dem dicken Schal und der Wollkapuze schauen nur seine schmalen, schwarzen Augen hervor, so dass den Zuschauern seine Jugend verborgen bleibt.
Weiß trägt der Priester, weiß flimmert der Schnee. Weiß ist die Farbe des Bösen in Arashima. Und weiß ist an diesem unheilvollen Tag beinahe alles hier, denn der Winter hält das Land in seinen Klauen. Weiß ist die Eiskrähe, die von einem Schneehügel zu dem jungen Mann herüberschreit. Ihr Krächzen klingt wie das hämische Lachen eines alten Weibes. Der Schnabel des Todesboten reicht grinsend bis hinter die Augen. Eiskristalle haben sich in den langen Federn verfangen, die im Wind wehen wie ein Schleier. Sie ahnt, dass sie bald Menschenfleisch kosten wird.
Der junge Mann vermag sie nicht zu verjagen, wie es sonst Sitte ist, um den Tod zu verscheuchen. Er versucht, das Lachen des Tieres zu ignorieren und schnalzt weiter vor sich hin.
Doch wie kommt es, dass Ikuto Chud, der sich schon während der Jünglingsjahre als nervenstarker Robbenjäger einen Namen gemacht hat und während der kurzen Sommer auf einem Walfänger arbeitet, wo er sich mit den Monstern des Eismeeres misst, heute von solcher Anspannung geschlagen ist?
Lassen wir Ikuto Chud persönlich zu Wort kommen, denn niemand könnte seine Geschichte besser erzählen, als er selbst.