Hoheitlicher Besuch auf dem Sonnenstein

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    Die Halbwüste Sundhi war gepudert von einer dünnen Graupelschicht. Die Wintersonne zeigte sich heute nicht. Der Wind trug ein paar vereinzelte Schneeflocken mit sich. Im Grau des Tages bildete die besondere Beflaggung des Sonnensteins heute besonders üppig ausfallende bunte Farbtupfer. Neben dem roten Hahn flatterte auch der weiße Adler des Thronerben hundertfach an den Zinnen der Sandsteinmauern. Der Lehnsherr hatte sich nicht Lumpen lassen.


    Dijon de la Grange war nicht dafür bekannt, seine Gäste zu langweilen. So hatte er ein Programm für den heutigen Besuch erstellt, bei dem Prince Dreaux sich die dürren Beine würde vertreten können, während er Einblicke in die aktuellen Projekte La Granges erhielt. Freilich war alles optional, wenn der Prince stundenlang bei Tisch konversieren wollte, würde es so geschehen, doch das Angebot, mit Dijon etwas Anschauungsunterricht zum östlichsten Lehen Souvagnes zu erhalten, stand.


    Während der Marquis die Vorbereitungen inspizierte und auf das Eintreffen des noblen Gasts wartete, musste sein Sklave Arkady wie ein Schatten hinter ihm laufen. Der naridische General Klingenberg durfte bei Dijon seinen Lebensabend auf jede ihm nur gefällige Weise genießen. Freilich übertrat Dijon dabei nicht das souvagnische Gesetz. Was das der anderen Länder betraf, erwartete er in lauernder Freude deren Herausforderung, sollten sie Klage erheben gegen das, was er dem alten Beißer zum Essen und Spielen vorsetzte. Diskret, freilich. Der Sonnenstein war nach außen hin ein würdevolles Anwesen und Dijon legte großen Wert auf seine Reputation.


    Schwierig war die zeitgleiche Anwesenheit des Marquis Davard von Hohenfelde und Dijon wusste, dass den General Klingenberg nur das Gastrecht schützte. Er hatte sie beide in entgegengesetzten Flügeln untergebracht. Auch Davard mangelte es an nichts und es gab keinen Wunsch, den Dijon ihm verwehrt hätte. Als Gastgeber präsentierte er sich stets großzügig und geizte nie.


    Dijons liebster Dauergast Erwin jedoch hatte eine Aufgabe bekommen, da er dazu neigte, sinnlos herumzustromern und das Personal zu stören. Es stand außer Frage, ihn dem Prince als seinen Gespielen vorzustellen, Erwin war ein naridischer Prolet, ein Krimineller. Und doch sollte er seinen Anteil an diesem Besuch leisten dürfen.


    Dijon trat auf den Hof seiner Burg und blickte in den grauen Himmel.

  • Eisiger Wind wehte Dreux entgegen, die Luft war kalt und klar an diesem Tag. Er saß auf seinem goldenen Prachtadler Doro und genoss die Landshaft die unter ihm hinweg zog. Sein Ziel war das Lehen La Grange. Dort würde er sich mit Marquis Dijon de la Grange treffen. Einem der ältesten Häuser ihres Landes, wie so manch anderes entstammte es noch dem Uralt-Adel. Jener Zeit also, als es einst ein König Almaniens gegeben hatte. Daran dachte der Archi-Duc gerade, da er vor kurzem noch in eine geschichtliche Lektüre vertieft gewesen war.


    Gleichmäßig glitt das majestätische Tier dahin. Im Grunde hatte Dreux in einer Linie von Westen nach Osten zu fliegen um das Lehen des Marquis zu erreichen. Nebelverhangene Berge und Wälder zogen unter Dreux hinweg und verliehen dem Land unter ihm etwas Unwirkliches. Die Stille hier oben auf dem Rücken des großen Adlers ließ Dreux genüsslich aufatmen.


    Einige Stunden später kam das Lehen von Dijon in Sicht. Der Archi-Duc erblickte Sonnenstein und erinnerte sich daran, wie das Klima sonst in La Grange war. Wärmende Sonne, trockenes Klima, so hatte er es in Erinnerung. Das Licht hatte hier einen ganz besonderen Schein. Nun vielleicht bildete er es sich auch nur ein, aber er mochte dieses Lehen ganz besonders. Zudem verband Dreux mit dem Namen Dijon de La Grange uralte Loyalität gepaart mit Geradlinigkeit, Härte und Gerissenheit. Wenn ein Mann wusste wie man Probleme löst, dann Dijon de La Grange.


    Und falls ein Mann über Informationen bezüglich Sicherheit verfügte, dann fiel Dreux ebenfalls zuerst jener Marquis ein. Souvagne konnte sich glücklich schätzen, dieses Haus zu den seinen zählen zu dürfen. Aber dem Marquis erging es sicher ganz ähnlich. Sie waren ein gutes Gespann und dies seit vielen Generationen. Ja im Grunde seit dem Anbeginn der Zeit.


    Der Schatten des großen Prachtadlers fiel auf den Hof des Sonnensteins und langsam ging Doro herunter, ehe das große Tier sanft aufsetzte. Dreux thronte gut eingewickelt auf seinem Vogel und befreite sich langsam von den Gurten, die ihn auf seinem Reittier während des Fluges gesichert hatten.


    Der Archi-Duc ließ sich von seinem Vogel rutschen und brauchte einen Moment um wieder richtig laufen zu können. Dabei hatte er eine Tasche umhängen, in der sich sein Geschenk für Dijon befand. Etwas eingefroren aber mit einem herzlichen Lächeln schritt Dreux seinem Gastgeber entgegen.

  • Eine berittene Garde in Rot und Gold sicherte den Innenhof. Sie alle saßen auf Udinesern, jener hochbeinigen, schnellen Pferderasse, die für diesen Landstrich gezüchtet worden war. Rote Hahnenfedern schmückten die Dreispitze der Parade-Uniformen. Auf den schneidenden Ruf eines Befehlshabers hin - des junge Sohnes von Grivois, dem Schlüpfrigen, der hier zur Ausbildung war - bildeten die Soldaten auf ihren fuchsroten Pferden ein Ehrenspalier. Auch an ihren Speeren wehten die langen roten Federn, als sie zeitgleich salutierten. Prince Dreaux galt als erfolgreicher und beliebter Befehlshaber, der das Himmelsgebirge bereinigt und für Souvagne erobert hatte. So wurde auf die militärische Ehre besonderen Wert gelegt.


    Dijon trat hervor und verneigte sich vor dem Prince. Wie jeder seiner Soldaten trug auch er die Kleidung eines Kavalleristen. Besonders für die anliegende Hose, die kniehohen, makellos blitzenden Stiefel und die Gerte im Gürtel, die er auch gegen Menschen einsetzte, war er berüchtigt.


    "Eure Hoheit Archiduc Dreux, Prince de Souvagne! Ich heiße Euch willkommen auf dem Sonnenstein."

  • Der Archiduc blieb einen Augenblick aufrecht stehen, als der Marquis ihn mit allen Ehren begrüßte und sich vor ihm verneigte. Der Prince neigte wohlwollend das Haupt, ehe er seinem Gastgeber antwortete.


    "Vielen Dank für diesen außergewöhnlichen wie auch ehrvollen Empfang. Ihr wisst, dass mir derartige militärische Ehren sehr viel bedeuten. Ihr sichert unser Land wie kein zweiter Marquis und meine Person betreibt Expansion, zum wohle unserer ruhmreichen Nation. Es freut uns sehr, heute bei Euch zu Gast sein zu dürfen. Wir hoffen Ihr habt Zeit für eine private Unterredung? Wir benötigen Euren Rat Marquis. Wir benötigen Euren messerscharfen Verstand, denn im Moment sind wir ratlos. Wir stehen auf einem Schlachtfeld, dass uns gänzlich unbekannt ist. Es liegt in privaten Gefilden. Anderes was wir mit Euch zu besprechen wünschen, wird Euch sicherlich ebenso interessieren.


    Wie dem auch sei, es ist uns stets eine Freude Eure Scholle zu besuchen. Eure Burg ist etwas besonderes. Nun jede Burg spiegelt ihren Herrn nicht wahr? Bitte geht voran, wir folgen Euch", antwortete Dreux höflich, dabei sah man ihm an, dass er sich wirklich freute.


    Immerhin saß er nicht im Thronsaal, sondern genoss den Aufenthalt von dem er sich lehrreiche Stunden und Gespräche erhoffte. Und ganz heimlich, hoffte er auch auf einen guten Kaffee nach dem langen Flug.

  • Die freundlichen Worte schmeichelten dem Marquis und er lächelte mit geschlossenen Lippen. Wenn er sprach, sah man jedoch die geschärften Zähne, die er ohne Scham trug. Für eine private Unterredung war ein privater Rahmen am geeignetsten.


    "Ihr seid hier jederzeit willkommen, Hoheit. Eure Expansion hat in La Grange Freude und Bewunderung ausgelöst, nicht zuletzt durch die Abordnung, die Euch in das Himmelsgebirge begleitet hat und Eure Erfolge aus erster Hand greifbar werden ließen.


    Doch viel lieber noch empfange ich Euch persönlich hier auf dem Sonnenstein. Das Himmelsgebirge ist der jüngste Teil Souvagnes, La Granges einer der ältesten. Die bewegende Geschichte unseres Landes ist in den Boden dieses Lehens in alten tiefen Linien geschrieben. Unsere Vorfahren lebten, kämpften und fielen auf diesem Landstrich gemeinsam und noch heute ruhen die Gebeine der Helden unter dem Sand.


    Wie privat möchtet Ihr es denn haben, Hoheit? Von einem Gespräch unter vier Augen im Fahnensaal, der offiziellen Charakter bietet, bis hin zu einem Plausch in meinen privaten Gemächern steht Euch jeder Wunsch offen. Auch ein Ausritt, ein Spaziergang über den Wehrgang oder durch stille Bereiche der Burg liegt im Rahmen des Möglichen. Eine Erfrischung und ein kleiner Imbiss ist bei jeder Variante zu haben."

  • "Zuerst würden wir gerne mit Euch in Euren Privatgemächern unter vier Augen sprechen. Danach würden wir uns sehr über einen Ausritt und eine Besichtigung Eurer Burg freuen. Und gegen eine kleine Erfrischung haben wir nichts einzuwenden, vielen Dank. Wahre Worte gelassen ausgesprochen Marquis, die Marquislehen Beaufort einst Scoville, Chasseaux, Cheverette und la Grange sind die ältesten Marquislehen.


    Eines Tages Marquis werden wir dieses Land regieren und wir haben uns schon früh berufen gefühlt unsere Möglichkeiten auszudehnen. Das was unser Nation und unserem Volk zusteht, zu ergreifen anstatt es brach liegen zu lassen aus unbekannten Gründen. Hält es Ledwick nicht ebenso? Herrscht seit dieser Stunde nicht Friede? Friede durch Befriedung Marquis. Durch konsequente und gerechte Hand wird unser Land geführt. So war es, so ist es und so wird es zukünftig werden. Möglicherweise ist unsere Hand etwas zugreifender als rein zu beschirmen.


    Unser geliebter Bruder Ciel Felicien war es, der den ersten Stein der Landesmauer niederlegte. Ihm haben wir das Wunder der Mauer zu verdanken. Unserer Person den Landgewinn. Ein jeder soll das Beste für sein Land geben, so wie Ihr, so wie meine Person. Aber heute sind wir nicht angereist um rein über Regierungsbelange oder Sicherheitsmaßnahmen zu sprechen.


    Wir wünschen Euren persönlichen Rat, wie zuvor erwähnt. Und dafür wünschen wir Vertraulichkeit", sagte Dreux und betrachtete aufmerksam die Umgebung. Das er hier sicher war, daran zweifelte er nicht eine Sekunde. Vielmehr war es die Neugier, die ihn alles in sich aufnehmen ließ.

  • Dijon ließ sich nicht lumpen und führte seinen Gast ins Bitte melde dich an, um diesen Link zu sehen., wo sich auch eine gemütliche Sitzgarnitur befand. Die Wände waren aus dem hellgelben Fels des Sonnensteins gehauen, was den Raum rustikal wirken ließ. Boden und Decke waren mit dunklem Holz verkleidet, so dass er nicht zu hoch wirkte. Gleicht gegenüber des Eingangs führte eine Tür auf den Balkon, von dem man einen Blick in die Wüste hatte.


    Linker Hand stand die Sitzgruppe, rechts, mit einem Bärenfell für die nackten Füße auf dem Boden, das Himmelbett. Der schwere rote Stoff war aufgezogen und offenbarte flauschiges Bettzeug, dunkel gehalten mit rötlichem Blumenmuster. Augenscheinlich war es benutzt worden und noch kein Diener hatte es in Ordnung gebracht. Vermutlich steckte Erwin hinter dem Unheil, da er gern länger schlief.


    Am Kopfende hing der blutrot lackierte Rundschild eines Reiters an der Wand ... der Schild von Dijons Vater.


    "Nehmt Platz, wo immer Euch danach ist, Hoheit."


    Und wenn der Prince aus einer exzentrischen Laune heraus auf dem Bärenfell oder auf dem Bett sitzen wollte, stand ihm auch diese Möglichkeit offen.


    "Arkady, bring uns die vorbereiteten Erfrischungen aus der Küche."

  • Dreux schaute sich im Schlafzimmer seines Gastgebers um, privater ging es kaum. Gemütlicher allerdings auch nicht. Entgegen des kalten Pomp und Schick den der Palast an vielen Stellen ausstrahlte, wirkte eine Burg stets urig und gemütlich. Am besten noch mit einem schönen Kaminfeuer und die Welt war in Ordnung. Sie selbst besaßen auch Burgen, aber der Regierungs- und Hauptwohnsitz war der Palais de Souvagne. Dreux strich einmal über die Lehne eins Stuhls und wählte dann jenen Stuhl der Sitzecke, wo er auf das Bett schauen konnte. Kurzum er saß gegenüber vom Bett, konnte auf den Balkon hinaus schauen und dennoch zog es ihm nicht im Kreuz, sollte die Tür offen bleiben.


    Arkady der junge Diener hatte scheinbar nur auf die Aufforderung seines Herrn gewartet, denn mit einem dienstbeflissenen "jawohl Herr", eilte er auch schon davon.


    "Wir möchten privat sprechen Marquis. Mir gefällt Deine Burg und Dein Schlafzimmer. Es ist ganz anders als im Palast zu leben. Dicke Mauern verheißen stets Schutz. Der Palais ist ebenfalls gut gesichert, aber die wahren Mauern von ihm sind jene der Burgen, die Landesmauer und die Männer die uns in letzter Instanz verteidigen würden.


    Vielen Dank für das offene Ohr, dass ich geschenkt bekommen habe. Wie bekannt ist, werde ich eines Tages den Thron besteigen. Ich fürchte mich vor wenigen Dingen, aber ich bin jemand, der sehr gründlich über alles nachdenkt. Vor allem, wenn er sich auf diesem Gebiet nicht auskennt. Ich sorge mich oft und viel, um Dinge worüber sich andere keine Sorgen machen.


    Du verstehst?


    Meine Brüder sind verheiratet. Sie können auf Menschen zugehen, sie sind charmant. Es ist eine Gabe Dijon, die mir fehlt. Ich kann Schlachten schlagen und Kriege führen, aber ich kann niemandem sagen, dass ich ihn gerne habe. Zum Gegenteil bin ich jederzeit fähig. Weshalb weiß ich nicht, ich wünschte oft es wäre anders.


    Mein Wunsch bezüglich einer Partnerschaft ist, dass sie auf Augenhöhe ist. Das jene Person nicht nur mein Ehepartner wird, sondern dass wir Freunde sind, Gefährten. Das ist mein Wunsch. Und hier kommst Du ins Spiel, finde ich so eine Person? Mit all meiner Macht und meinen Möglichkeiten, weiß ich dies nicht. Ciel und Verril scheint so etwas zuzufliegen. Ich gönne es ihnen, aber mir würde ich es auch gönnen.


    Zudem weiß ich nicht, was ich begehre Dijon. Vater weiß es nicht, aber Ciel weiß es und Du bist neben ihm der zweite der es erfährt. Ich empfinde kein sexuelles Verlangen. Ich nehme seit Jahren etwas ein, um keinen Trieb zu verspüren. Keine Lust, keine Sehnsucht, nichts. Hängolin sozusagen. Ich kann Dir nicht einmal beantworten, was mich erregen oder gefallen würde. Ich weiß es selbst nicht. Ich habe keinerlei Erfahrung was dieses Wissensfeld angeht.


    Mir war wichtig einen klaren Geist zu haben, rein rational. Aber das ist utopisch. Denn Gefühle habe ich auch so, nur auf anderer Ebene. Wut, Verzweiflung, Dir wird dies ebenfalls bekannt sein.


    Du bist ein Mann von Welt und dennoch Souvagner. Du bist ein Mann der außergewöhnliche Zähne trägt. Du trägst Narben von längst vergangenen Schlachten. Du hast einen Sohn, Du bist Vater. Ich wage es nicht, mit meinem Vater darüber zu sprechen. Vermutlich könnte ich es, aber Du bist weit genug entfernt und dennoch nahe genug. Ich benötige Deinen persönlichen Rat meine Person betreffend.


    Ist das was ich mir für mich wünsche in Ordung? Und weißt Du einen Rat, wie ich meinen Wunsch erfüllen kann? Wie ich mich selbst erfahren kann?


    Später möchte ich mit Dir über weitere mögliche Sicherungen unseres Landes sprechen. Aber dies brennt mir auf der Seele. Ich wende mich an Dich Dijon, als meinen Vertrauten", erklärte Dreux leise wie nachdenklich.

  • Als Dijon merkte, in welche Richtung das Gespräch gehen sollte, nahm er eine entspannte, väterliche Körperhaltung ein. Nicht, dass er seinen eigenen Sohn je in solchen Dingen beraten hätte, denn Alexandre war in seiner Jugend so verdorben gewesen wie Dijon selbst. Er hatte keiner Beratung bedurft, sondern hatte sich genommen, was ihm zustand und freimütig experimentiert. Das ging so lange gut, bis er an die falsche Frau geraten war, die seinen Umtrieben für immer ein Ende bereitete. Doch Dijon, hartherzig und unnahbar, wie er meistens war, kannte dennoch väterliche Gefühle. Auch wenn Alexandre allein über den Gedanken lachen würde, liebte Dijon seinen Sohn.


    Dijon ließ den Prince ausreden. Dann erhob er sich und schloss die Balkontür, ehe er sich erneut schräg gegenüber des Gasts auf dem Stuhl niederließ.


    "Ich bin nicht nur ein Vater, Dreaux. Ich bin auch Großvater. Eine Überraschung, die mir erst vor zwei Jahren mit der Zerschlagung des Stählernen Lotos offenbart worden ist. Eine Überraschung, die mir einen großen Stein von der Seele nahm, denn es handelt sich um zwei Jungs, Zwillinge. Caillou und Camille, sie sind in deinem Alter. Kluge, nachdenkliche Burschen, vor allem Camille.


    Dass du dich an mich wendest, nehme ich als Kompliment wahr und natürlich versuche ich dir mit meinem Rat zu helfen. Darf ich vorher fragen, warum deine Wahl ausgerechnet auf mich fällt? Ich bin für vieles bekannt, aber nicht dafür, ein guter Ehemann zu sein. Weder meine Frau noch eine meiner Mätressen hat mich je geliebt, denn ich gab ihnen keinen Grund dazu."

  • "Zu Deiner Information, dass Du Großvater bist, herzlichen Glückwunsch. Manchmal erfährt man im Nachhinein doch Gutes. Und dann noch Zwillinge. Ein doppeltes Geschenk. Weshalb ich mich an Dich wende? Du bist ehrlich, geradlinig und wenn es sein muss offen brutal. Und genauso erwarte ich mir von Dir die Antwort. Sage sie mir ungeschönt ins Gesicht.


    Du wählst die Waffen passend zur Schlacht. Verrate mir, womit ich mich ausrüsten muss. Falls Du es als Fehler ansiehst, dass Dich niemand geliebt hat Dijon, dann weißt Du woran es gelegen hat. Du sagst es selbst, Du hast ihnen kein Grund dazu gegeben. Du bist ein Mann der Rationalität. Du tust nichts unbewusst. Alles hat einen Grund. Würdest Du lieben, dann hättest Du Dich dazu entschieden dieses Gefühl zuzulassen.


    Und falls nicht, dann fiel davor ebenso eine Entscheidung. Ich traf diese Entscheidung ebenfalls vor langer Zeit. Vor so langer Zeit, wo ich noch keine Ahnung davon hatte, auf was ich dort wirklich verzichte. Ich habe bis heute keine Ahnung. Es könnte also durchaus sein, dass ich bei Erfahrung sage, naja darauf hätte ich auch weiter verzichten können. Oder ich frage mich, weshalb ich verzichtete.


    Ich weiß es schlichtweg nicht. Du hingegen weißt es. Ich wünsche mir einen Menschen an meiner Seite, der mich liebt Dijon. Der mich als Freund sieht, dem ich ein Freund sein darf. Und diese Person wird auch diesen Teil wünschen. Ich möchte es geben können. Wenn ich jemanden finde und erwählt werde, dann möchte ich alles geben können.


    Und dennoch frage ich mich, sind das unsinnige Wunschvorstellungen? Sollte ich es nicht lieber belassen wie es ist und mit einer vereinbarten Frau ein Kind zeugen? Damit wäre die Thronfolge gesichert und ich muss mich nicht ändern. Ich bleibe wie ich bin, auch unwissend in einigen Teilen. Du verstehst? Man kann ein Kind zeugen ohne jeden körperlichen Kontakt.


    Doch dann ist dort wieder die Stimme im Hinterkopf die mir etwas zuflüstert und mir Bilder schickt. Möchtest Du darauf verzichten? Und dann denke ich an jemanden den ich ihm Arm halte und ich fühle mich Zuhause. Diese Person kann ich nicht erkennen. Mann oder Frau? Ich weiß es nicht, ich weiß nur dass das Gefühl stimmt.


    Du bist ein Macher, Du bist keiner der kneift. Aber Du schlägst auch keine Schlachten, die unnötig sind oder nur zu verlieren wären. Was soll ich tun Dijon?", fragte Dreux offen.

  • "Das ist wohl wahr, ich bin eine direkte Natur, aber diese Wahrheit ist nicht hart. Was Körpergefühl betrifft, bin ich ein Kenner und denke, dass dir mein Rat sehr wohl nützen kann.


    Ich denke, du bist auf einem guten Weg, denn du beantwortest die wichtigsten Fragen schon selbst. Dir ist das Gefühl wichtig, also höre auf das, was du fühlst. Bist du noch nicht bereit, das Mittel abzusetzen, tue es nicht. Nimm dir die Zeit, die du brauchst. Aber da du mich fragst, wird es nicht mehr lange dauern, bis du diesen Schritt gehen möchtest. Dann warte einfach ab, ob dein Gefühl für deine Mitmenschen sich ändern wird und wie das auf dich wirkt.


    Gab es denn schon einmal eine Situation, bei der du jemandem nahe warst und dich rundum wohlgefühlt hast?


    Lass dich zu nichts überreden oder drängen, ignoriere irgendwelche Empfehlungen, was du für den Anfang tun oder lassen solltest und genieße einfach, was es zu genießen gibt. Ein Handwerk wird das Ganze schon noch früh genug.


    Jemanden kennenzulernen, der dich als Mensch schätzt und nicht als Thronerben, wird eine größere Herausforderung. Dafür gibt es keinen Rat, außer, aufmerksam zu sein und sich nicht benutzen zu lassen. Menschen mit einem großen Herzen sind dafür besonders anfällig. Das ist ein trauriges Naturgesetz."

  • Dreux dachte über die Worte von Dijon angestrengt nach und nickte dazu.

    "Danke für Deinen Rat, ich werde ihn beherzigen. Dijon höre zu. Die größte Angst in meinem Leben ist es mich selbst zu verlieren. Ob das nun Drogen wären, Betäubungen, Wahnsinn oder Dahinscheiden. In dem Moment habe ich mich selbst verloren. Ich wäre nicht mehr ich. Diese Angst zieht sich oft durch mein Denken. Drogenrausch wäre eine kleine Form des Selbstverlustes, Dahinscheiden die größte Form von Verlust. Dazwischen gibt es so viele Verlustarten, dass ich sie Dir gar nicht alle aufzählen kann.


    Mit unserem Thema hat es derart zu tun, dass ich nicht weiß, wie ich ohne das Mittel handele, fühle und reagiere. Jetzt bin ich - ich. Was bin ich wenn ich eine unbekannte Seite von mir zulasse, die mir bis dato fremd war? Davor fürchte ich mich.


    Ich erzähle Dir eine Geschichte, möglicherweise findest Du sie albern. Aber so empfand ich tatsächlich. Wie Du weißt, ist der Duc ewiglich. Der Duc existiert für immer. Das Amt des Duc. Es wird immer einen Duc geben, geht ein Mann der den Duc repräsentierte, wird ein neuer Mann sofort das Amt übernehmen. Der Duc ist eine Überzeugung, ein Amt, eine Würde, eine Bürde und wird von Person zu Person weitergegeben die das Amt bekleiden.


    Sitze ich so vor Dir, bin ich schlicht Dreux. Sonst niemand. Bekleide ich das Amt des Duc, werde ich das Ornat angelegt bekommen und ist es vollständig, indem man mir den Mantel der Würde um die Schultern legt Dijon, dann ist Dreux verschwunden, dann ist nur noch der Duc übrig. Die Personifikation des Landes. Mein Körper ist nichts weiter als der Prophet dieses Landes, dieses Amtes, ich spreche das aus, was es wünscht, braucht, ich werde danach handeln.


    So wurde es mir einst erklärt. Und weißt Du was ich stets dachte und fürchtete? Den Mantel. Sobald ich diesen Mantel um die Schultern gelegt bekomme, dann bin ich wer weiß wo Dijon. Wie als wäre ich von einem Geist besessen und an den Rand meines Bewusstseins verdrängt. Die Vorstellung mag für andere albern sein, aber für mich ist sie das nicht.


    Stell Dir vor Vater hätte bei dem Krieg der Zwerge, Almaniens gegen das Chaos falsch entschieden und unsere Männer mit in den Krieg geschickt. Was wäre aus Souvagne geworden? Wir hätten erneut am Boden gelegen, bereit von Felipe von Ehveros aufgesammelt zu werden wie eine überreife Frucht. Selbst wenn Du hundert Berater hast Dijon, Du wirst die Stimme sein als Duc die über all das entscheidet. Du wirst es sein, von dem das Überleben des ganzen Landes abhängt.


    Nein so eine Situation gab es nicht Dijon. Bis auf meiner Familie, also meinem Vater und meinen Brüdern, Nathan, Khawa oder Dir fühle ich mich niemandem verbunden. Meist bin ich allein und für mich, ich überlege was für unser Land gut wäre. Sehr oft mache ich mir Gedanken, was ich mir wünschen würde wenn.... ja wenn was? Der Wenn-Fall ist noch nie eingetreten. Er könnte eintreten, sobald ich heiraten muss.


    Ein unverheirateter Duc, nun das gab es schon. Vater bestieg den Thron jung und unverheiratet, da sein Vater und sein Bruder ermordet wurden. Aber hat ihn seine Heirat glücklich gemacht? Wie steht er zu unserer Mutter? Wie stehen Verrill und ich zu unserer Mutter? Wir sind ein Männerhaushalt Dijon, wir haben keine Mama. Wir haben eine Frau Mutter.


    Ciel hatte eine Mama und ich gönnte sie ihm. Ciel hat Francois als seine Ehefrau, er hat zig Geliebte. Verrill hat Tazio und sie alle sind mit ihren Partnern ein Herz und eine Seele. Jedenfalls das, was ich sehe. Ich bin nicht missgünstig, ich wünschte nur ich hätte auch so jemanden.


    Man kann Vater für seine Wahl verurteilen, aber welche Wahl hatte oder traf er? Jene die er als Duc treffen musste Dijon.

    Ich will aber meine Ehe nicht als Duc eingehen, ich möchte sie als Dreux eingehen. Als ich, nicht als Amt. Das ist keine Beglaubigung oder ein Erlass für irgendwas, das ist kein Gesetz das ich verabschiede und mein Amtssiegel drunter presse!


    Das ist mein Leben!

    Das bisschen was ich habe!

    Das lasse ich mir nicht nehmen, dass muss er doch verstehen!


    Hast Du mal gesehen wie er mit Fabien umgeht? Oder mit Tekuro? Hast Du gesehen wie er sie anschaut? Ich rede nicht von Begehren Dijon, hast Du mal gesehen wie Vater diese Männer anschaut? Er vertraut ihnen. Er würde ihnen unbewaffnet ins Dunkel folgen ohne zu zögern. Wem sonst, außer vielleicht seinen Kindern? An zweiter Stelle kommt das, was vielleicht ein offenes Geheimnis ist. Er ist der Duc bei den Göttern! Es muss kein Geheimnis sein, er kann leben, er muss es nur wollen!


    Er könnte Tekuro oder Fabien in aller Öffentlichkeit küssen! Standesunterschiede? Wen schert es? Die Adeligen würden sich das Maul zerreißen? Ja sicher und Zuhause küssen sie ihre Leibdiener und Mägde oder nicht? Liegen neben ihnen im Bett und fühlen sich heimisch, während das Ehebett eher einer Folterbank gleicht.


    Ein ich liebe Dich in der Öffentlichkeit ist, wenn Fabien seine Haare zurückstreicht oder sie zu einem Zopf bindet. Ein ich Dich auch, er lässt es sich gefallen. Bei Tekuro weiß ich es nicht, aber ich glaube bei beiden ist es einfach wie sie sich anschauen. Na und? Was ist an einem der beiden schlecht?


    Ich wäre froh ich hätte einen Mann wie Tekuro! Nicht falsch verstehen. Fabien würde meinen Hang zum Militär, Sicherheit und meine anderen Pläne nicht nachvollziehen können.


    Du verstehst was ich erklären möchte?

    Ich möchte ich selbst sein.

    Wer bin ich Dijon?

    Was bin ich?

    Und wer gehört an meine Seite?


    Wo finde ich jemanden mit großem Herzen, der bereit ist es mit mir zu teilen. Der aber auch bereit ist gemeinsam mit mir seine Krallen in jemanden zu schlagen, sobald wir dies müssen? Jemand der bereit ist, derart an meiner Seite zu wandeln wie Tazzio und Verrill es tun? Jemanden, der liebevoll wie Tekuro sein kann und so hart wie Du oder Bellamy? Wo finde ich so jemanden?


    Ich kann nicht nur auf dem Rücken meines Adlers Doro existieren Dijon. Dort oben auf seinem Rücken getragen von seinen Goldenen Schwingen bin ich frei.


    Wen liebst Du Dijon und woher wusstest Du, dass Du es tust?", fragte Dreux neugierig und nachdenklich zugleich.

  • "Du findest so jemanden überall und nirgends, Dreaux. Das Kennenlernen wird in den Kreisen des souvagnischen Adels in der Regel arrangiert, indem man ihm einen offiziellen Rahmen gibt. Ein Ball, ein Staatsfest, eine religiöse oder persönliche Feier. Natürlich weiß man, mit wem man sich bekannt machen soll, eine tatsächliche Wahl existiert nicht.


    Robustere Gemüter sehen dem mit Neugier entgegen oder mit Teilnahmsarmut. Sensiblere Gemüter fühlen sich zu Marionetten degradiert, die für ihre Eltern tanzen sollen, die selbst nur Marionetten des großen Spielers sind. Möchte man diesen Spielregeln folgen? Wenn nicht, muss man es trotzdem? Wenn ja, wie weit?


    Am Ende sind und bleiben wir die meiste Zeit des Tages Funktionsträger, Dreaux. Anders lässt sich ein Lehen oder gar ein Land nicht führen. Die Träumer, die sich selbst verwirklichten, haben ihr Land ihren Träumen geopfert. Meist starben sie eines frühen Todes, weil jemand ein Einsehen hatte und das Land rettete, indem er den Thron freiräumte. So möchtest du nicht enden, Dreaux.


    Was du tun kannst, ist im Rahmen der Möglichkeiten versuchen, du selbst zu bleiben. Schaffe dir Freizeit, in der du einfach nur Dreaux sein kannst und lerne zu erkennen, dass Regieren zwar nervenaufreibend ist, aber auch die Chance enthält, etwas zu bewirken, die man sonst nicht hätte.


    Ich vermute, der junge Duca di Ledvico würde dich sehr gut verstehen. Schau dir die Tracht des Duca an: Er trägt die Haut des Leone Marino. Die Ledvigiani glauben, der Duca ist eine Inkarnation von Lazarro Fedele. Wenn er sein Ornat anlegt, ist er ganz offiziell nicht mehr er selbst, sondern ein völlig anderer Mann, der vor zweihundert Jahren starb. Um dem Ganzen die Krone aufzusetzen, trägt er sogar eine Maske, wie jeder Adlige. Könnte man noch intensiver verdeutlichen, dass dies ein Schauspiel ist und dass Tazio nicht mehr er selbst sein darf? Besuche ihn oder lade ihn mitsamt seiner Frau ein. Ihr habt viele Gemeinsamkeiten. Sicher kann er dir besseren Rat geben als ich, denn er ist bereits in der Situation, die du fürchtest.


    Möchtest du wirklich hören, wen ein alter Beißer liebt und was er dabei fühlt, Dreaux?"

  • Dreux Gesicht hellte sich auf, als Dijon ihm erklärte was mit Träumern geschah und welche Macht dem Amt inne wohnte. Ein kurzes Grinsen schlich sich auf die hoheitlichen Züge.


    "Dijon ich glaube das hätte niemand besser ausdrücken können als Du. Nein ich bin kein Träumer, der den ganzen Tag seinem Privatvergnügen nachlaufen möchte. Ich hätte nur gerne mal eines. Und Dein Rat mir Freiräume zu schaffen, ist genau der Rat den ich benötigt habe. Denkst Du selbst ständig über Dein Problem nach, bleibst Du in Deinen Denkschema. Du bekommst ja keinen neuen Anstoß oder Tipp von außerhalb. Aber der Rat ist genau das, was ich brauche und den ich beherzigen werde.


    Was habe ich für Souvagne getan? Alles Dijon, ich gab ihm alles was ich geben konnte. Was habe ich bis jetzt für Dreux getan? Nichts. Aber damit werde ich anfangen. Dieses Land verdient das Beste, es ist unser Land Dreux. Das Land das uns nährt und schützt. Aber auch dass Land, dass uns Freude und Wohlstand schenken soll. Ich möchte meinen Anteil und diesen fordere ich ein.


    Der Rat Tazzio samt Familie einzuladen ist ebenfalls sehr gut. Auch diesen werde ich beherzigen. Wir können nicht nur über Sorgen sprechen, sondern er könnte auch seine Kinder mitbringen, dann würde ich meine Neffen und Nichten kennenlernen. Das würde mir gefallen. Paps und Ciel sicher auch. Und Du hast Recht, er ist in der gleichen Situation, mehr noch sein Ornat ist mehr als das unsere. Es symbolisiert eine völlig andere Person.


    Bitte verstehe mich nicht falsch, ich möchte nicht auf hohem Niveau klagen. Ich habe mehr als ich benötige, mir mangelt es an nichts, ich habe Macht, Geld, Gold, Einfluss von dem andere träumen, aber auch ich habe Probleme. Halt andere Probleme. Ein Fest ist ein guter Anlass um Leute kennenzulernen. Wie wäre es, wenn ich selbst ein Fest organisiere? Das wäre doch eine gute Möglichkeit, jemanden kennenzulernen.


    Nun zu Dir.

    Würde mich nicht interessieren was Du zu sagen hast, wie Du empfindest, welche Meinung die Deine ist oder wie ich fragte wen Du liebst Dijon, dann wäre ich nicht hier. Dann hätte ich nicht Deinen Rat gesucht. Würde ich wünschen, dass man mir nach dem Mund redet, würde ich einen Diener beauftragen, meine Worte zu wiederholen.


    Du bist ein echter Ratgeber Dijon, Du hast Deinen eigenen Kopf und hast meine geradegerückt. Ja ich möchte Deine Meinung hören und wissen was Du empfindest. Gerade Du. Deshalb sitze ich hier bei Dir in Deinem wie ich sagen muss, äußerst gemütlichen Schlafzimmer. Also wem gehört Dein Herz? Und wie fühlst Du dabei?", fragte Dreux als es an der Tür klopfte und Arkady seinen Kopf hineinsteckte.


    "Herr und Hoheit ich bin es mit Speis und Trank", lächelte er so höflich er konnte.

  • Arkady wurde mit einem Wink hereingerufen. Nachdem er Speis und Trank ordentlich serviert hatte, was er schon ziemlich professionell hinbekam, sollte er den Raum wieder verlassen und nach Erwin suchen, um ihn darüber zu informieren, dass es noch ein Stündchen dauern mochte, bis Duc und Marquis nach unten kamen. Er hatte also noch genügend Zeit, die Vorbereitungen zu überwachen.


    Nachdem der Sklave gegangen war, erklärte Dijon kurz, was er hatte anrichten lassen.


    "Feine rohe Filetstreifen der Sundhi-Antilope, die ist vor wenigen Stunden noch durch die Wüste gelaufen."


    Die Scheiben waren so fein geschnitten und zu Röllchen geformt, dass man sie problemlos ohne Besteck verzehren konnte. Das Fleisch war extrem weich, gleichzeitg aber von einer natürlichen Würze mit einem starken Blutgeschmack. Es war nur wenig mit Salz und Pfeffer nachgeholfen worden.


    Dazu gab es grüne, rohe, knackige Blätter zum Knabbern sowie frische Feigen, mundgerecht gestückelt, ebenso wie süßliche Käsewürfel aus Stutenmilch. Ein Glas Weißwein für jeden, garniert mit einem Zuckerrand und einer Limettenscheibe sowie einem frischen Minzstängel gab es dazu. Gegen den Durst stand eine Karaffe Wasser aus der Quelle im Keller des Sonnensteins bereit, in denen einige Kräuterblätter und Limettenscheiben für den Geschmack schwammen.


    Das Essen war trotz seiner leichten Genießbarkeit reichhaltig genug, um sich vollständig satt zu essen. Da der Prince privat plaudern wollte, hielt Dijon das Essen mit den Fingern für angemessener, als ein komplexes Menü mit zich Sorten Besteck auftafeln zu lassen.


    "Ich wünsche einen guten Appetit, lass es dir schmecken, Dreaux." Dijon genoss einige Fleischröllchen, ehe er fortfuhr. "Natürlich bist du kein Träumer, wir alle wissen, was du für Souvagne geleistet hast, besonders, als dein Vater in Ehveros weilte. Was dir noch fehlt, ist die Freude am Amt, die tatsächliche Verschmelzung, denn du fürchtest sie. Doch hast du auch daran gedacht, dass nicht nur das Amt dich beeinflusst, sondern auch du das Amt? Kein Duc ist wie der andere, jeder hat seinen eigenen Stil, eigene Schwerpunkte. Ich verwalte mein Lehen anders als der Marqus de Grivois und beide tun wir es nicht schlecht."


    Noch immer drückte er sich vor der Antwort, wem sein Herz galt und er hoffte, Dreaux würde es einfach übersehen, denn belügen wollte und würde er den jungen Mann nicht.

  • Dreux wartete ab bis der Diener alles serviert hatte und beobachtete den jungen Mann mit Argusaugen. Jede noch so kleine Handbewegung verfolgte der Archi-Duc wie ein Prüfer, der die Tauglichkeit als Diener abnehmen sollte. Nachdem alles ordentlich auf dem Tisch stand bekam Arkady den Auftrag den Raum zu verlassen. Dreux wartete ab, bis der Diener verschwunden war und zählte gedanklich bis 30 und hörte auf die sich entfernenden Schritte. Lauschende Dienerschaft war etwas dass er hart und rigoros bestrafte. Aber dies war nicht sein Part in diesen Gemäuern und Dijon hatte seinen Diener vorzüglich erzogen. Genau wie er die Speisen gewählt hatte.


    Dreux freute sich darüber mit den Händen zu essen. Eigentlich wäre er auch allein für dieses Essen gekommen, bei Dijon fühlte er sich wie im Urlaub bei einem Freund. Hätte er die Augen geschlossen hätte er ihn in seinem Alter gewähnt, mit einer Erfahrung die er dann nicht haben dürfte. Aber wen scherte Derartiges?


    "Vielen Dank und Dir ebenfalls einen guten Appetit", antwortete er gut gelaunt.


    Er nahm sich zuerst von dem Fleisch und faltete es mehrfach, so dass er es als kleine Portion ganz in den Mund stecken konnte. Dort ließ er es einige Augenblicke auf der Zunge liegen, um sich am Geschmack zu erfreuen. Das wenige Fett, dass dem Fleisch innewohnte wurde weich, es schmolz förmlich im Mund und vermischte sich mit den Gewürzen und dem Blut. Es war köstlich. Erst als er den Bissen genossen hatte, nahm er einen Schluck von dem klaren mit Limette und Blättern gewürztem Wasser.


    Dann probierte er sich durch alle Speisen und Getränke die aufgetischt worden waren. Die essbaren Blätter fand er interessant, Salat nicht unähnlich, nur mit viel intensiverem Geschmack.


    "Auch dieser Punkt geht an Dich Dijon, sprich das Amt wird mich formen, aber ich das Amt ebenso. Es wird meine Handschrift tragen. Alain hat anders regiert als Maximilien und Maximilien anders als ich es werde. Meine Entscheidung bezüglich des Vorschlags von Felipe hätte anders ausgesehen. Während Felipe samt halb Alamanien den Zwergen zur Hilfe geeilt ist, hätte ich die Rache in sein Reich getragen. Aber das haben bereits andere für uns erledigt.


    Stoßen wir an auf die Tieflinge und ihre Umsicht. Heute ist Felipe Geschichte Dijon. Wer alles haben will, hat am Ende nichts. Und genau dahin hat es ihn verschlagen. Tazzio regiert an seiner statt dieses Land und fügte es Ledwick hinzu. Ein guter Mann und ein erstklassiger Regent. Er und Vater haben die Zwerge vernichtet und die Farisin. Es ist ein Zeitalter der Reinigung Dijon. Zwerge, Farisin, Waldalben, Wychtl und anderes Almanenfeindliches Volk hat lernen müssen, wo ihr Platz ist. Im Abgrund!


    Die nächsten auf der Liste sind die Goblins. Sollten Tazzio und Vater diese Brut vergessen, sei es drum. Dann werde ich mich darum kümmern. Doros Augen sind scharf, wie seine Krallen und sein Schnabel. Seine Schwingen sind kriegserprobt. Weißt Du was Tazzio herausgefunden hat? Die Maschinen der Goblins beruhen auf Plänen die nicht ihrer Körpergröße entsprechen, sondern der unseren!

    Mir scheint als wären sie einst Sklaven gewesen und ihre Herren sind gefallen. Sie haben deren Platz eingenommen und tun so, als wären sie schon immer die Herren dieses Landes gewesen. Und um allen die Krone aufzusetzen, taten sie genau das - sie setzten sich eine Krone auf.


    Goblin Königreich!


    Niemand hat den Anspruch auf die Königskrone nachdem der alamanische Großkönig Felix Reinhard von Meqdarhan abdanken musste. Es sei denn jemand von seinem oder unserem Blut! Wir könnten unsere Nationen zu Königreichen ausrufen. Aber die Goblins? Ich bitte Dich. Das wäre so, als würde Dein Arkady seinen Keller zum Königreich Arkardiens erklären! Es wäre lächerlicher Hohn!


    Zurück zu Dir lieber Dijon, na komm. Traue Dich auszusprechen worum Du gerade so einen großen Bogen machst. Ich war auch absolut offen zu Dir. Und werde es sein, falls Du etwas fragen möchtest. Gleich was. Also wem gehört Dein Beißer-Herz? Und was fühlst Du?", fragte Dreux mit leuchtenden Augen und schob sich noch ein Fleischröllchen in den Mund.

  • "Man unterscheidet zwischen Verliebtheit und Liebe. Verliebt war ich oft, es sind die kleinen Schwärmereien die aufflackern wie eine Kerzenflamme und genau so schnell wieder erlöschen. Sie spenden ein wenig Licht und stinken, wenn sie erlöschen. Liebe aber ist wie ein Kaminfeuer, das den ganzen Raum erwärmt, angenehm knistert und ein warmes, flackerndes Licht verbreitet, dessen Wärme tief unter die Haut geht.


    Wirklich geliebt habe ich in den fast sechzig Jahren meines Lebens nur zwei Mal. Die erste ist lang schon Vergangenheit, die andere hat keine Zukunft.


    Während dein jüngerer Bruder Prince Ciel den Nordwall baute, zu der Zeit, als Khawa Steppensturm die nördlichen Lehen plünderte, befand ich mich in rakshanischer Kriegsgefangenschaft. Das war kein Zuckerschlecken, kann ich dir sagen. Als ranghoher souvagnischer Befehlshaber war ich maßgeblich verantwortlich dafür, dass ihre Brüder gefallen waren - sie sagen Brüder, nicht Kameraden. Andere waren schwer verletzt, verstümmelt oder lagen im Sterben. Ihr Hass auf mich muss unbeschreiblich gewesen sein. Gleichzeitig war ich eine zu wertvolle Geißel, als dass sie mich töten wollten. Lebend nützte ich ihnen mehr. So ließen sie sich die übelsten Schikanen einfallen, um mir mein Dasein zum Abgrund zu machen, ohne mich körperlich zu verletzen.


    Die Details möchte ich dir beim Essen ersparen. Aber dass ich überleben sollte, war mir zu dem Zeitpunkt nicht bewusst, ich war der Überzeugung, sie würden mich töten. Sie ließen mich grausamen Hinrichtungen an meinen Soldaten beiwohnen. Ich bin kein weichherziger Mensch und ich selbst habe etliche Todesurteile ausgesprochen und ihnen beigewohnt, ohne mit der Wimper zu zucken. Ich bin ein Beißer mit speziellen Gelüsten und kenne Orte, an denen sich kein Souvagner aufhalten sollte. Um mich zu erschüttern, bedarf es Einiges, doch sie haben es geschafft.


    Ich lag im Sand, angekettet an einen Pfahl, meine Augen waren entzündet, als ob sie mich vor dem, was ich hatte sehen müssen, schützen wollten, denn ich war zeitweise fast blind geworden. Seit gut zwei Wochen hatte niemand mit mir gesprochen, nicht einmal, wenn sie mich quälten wurde mit mir interagiert. Ich war Beiwerk, vor dem man sich ekelte. Ich war unterkühlt, schmutzig und ich hatte extremen Durst. Ich rechnete nicht damit, noch lange zu überleben unter diesen Umständen und mein Kopf war voller Dunkelheit.


    Ein Mann ... mein neuer Bewacher ... er gab mir zu trinken. Er hätte es nicht gedurft, aber er tat es auf eigenes Risiko. Natürlich ist es ein psychologischer Trick, wenn der Geist sich einredet, dass dieser Mann einen mag. Und doch klammerte mein Herz sich mit all seiner Hoffnung an ihn. Es gab nur noch ihn, an ihm hing mein Leben, meine Hoffnung, die einzige Freude, zu der ich noch fähig war.


    Und als ich endlich freikam, geschah etwas, das mir schon sehr lange nicht passiert ist: Ich weinte. Nicht vor Erleichterung, nicht vor Freude, sondern weil man uns trennte. Wenige wissen davon, Dreaux. Nur sehr, sehr wenige."

  • Dreux ließ die Worte von Dijon lange auf sich wirken. Er nahm einen Schluck des Wassers, als müsste er den Beigeschmack von Dijons Leid herunterspülen, um ihm selbst rein antworten zu können. Sein Blick war dabei in eine Ferne gerichtet die er nie gesehen hatte, sich aber vorzustellen versuchte.


    "Niemand ist mit Kriegsgefangenen zimperlich, der Rang und Stand jedoch können einem das Leben retten. Je höher man steht, je wertvoller und wichtiger ist man seinen Häschern. Aber was hatte es Dir eingebracht? Du bist nicht gestorben Dijon, jedenfalls nicht ganz. Aber ein Teil von Dir, hast Du dort in der Wüste zurückgelassen. Es starb unter der sengenden Hitze der Sonne und der Folter Deiner Feinde.


    Ein psychologischer Trick Dijon, oder in einer Welt aus Eisen, Blut und Tod echtes Mitgefühl. Möglicherweise sah der Mann hinter all dessen, was Du für Deine Feinde dargestellt hast. Er sah Dich, Dijon und nicht dem Marquis, nicht den Feldherrn, nicht den Feind. Ebenso kann es sein, dass er nicht einmal Dijon sah. Sondern dass er sah einen Menschen, in praller Sonne verdursten und er half.


    Dein Verstand und Dein Herz mögen Dir eingeredet haben, dass er Dich mag. Und Du magst es rückblickend für einen Trick gehalten haben, aber Du weißt nicht, was der Wahrheit entspricht. War es ein Trick? War es Zuneigung? War es Mitgefühl? Oder war es nur müde Pflichterfüllung, weil er nicht wollte, das Du auf seiner Wache stirbst? Erfahren wirst Du es nie, aber wenn Du Dir selbst eine Chance geben möchtest und die Hoffnung aufrecht erhalten willst Dijon, dann war es Zuneigung und Mitgfühl.


    Möglicherweise möchte Dein Verstand nicht zulassen, dass es so etwas tatsächlich gibt. Du hast Dinge gesehen, erlebt, erduldet und überlebt, von denen ich nicht den Hauch einer Ahnung habe. Du hast selbst Dinge veranlasst, die andere zurückschrecken lassen würden. Du bist ein Beißer, Du leugnest es nicht, Du prahlst aber auch nicht damit. Du bist wer Du bist Dijon und das mit allen Ecken und Kanten. Ich kenne keinen ehrlicheren Mann, der derart zu sich steht. Aber hier lässt Du Dir selbst keine Chance.


    Die Wahrheit wirst Du nie erfahren, deshalb solltest Du Dich nicht auf eine Antwort festlegen Dijon. Du kennst sie nicht, also ist alles möglich. Sogar das Unglaubliche nicht wahr? Und auch Dir ist es erlaubt zu lieben, zu hoffen und zu wünschen. Wer immer dieser Mann gewesen ist, messe ihn nicht an Vermutungen. Messe ihn an seinen Taten und was er Dir bedeutete. Das ist mein Rat an Dich und er kommt von Herzen.


    Wer ist die zweite Person und warum gibt es keine Zukunft?", fragte Dreux schaute Dijon offen in die Augen.


    "Und falls Du es mit Dir vereinbaren kannst, zeige mir eines Tages die Welt der Beißer. Ich möchte sie sehen und verstehen. Ich möchte wissen wer Du wirklich bist, tatsächlich und vollkommen. Ich möchte verstehen Dijon, begreifen wovon Du redest und es nicht nur hören. Es ist ein Teil von Dir", sagte Dreux leise.

  • "Wie es aussieht, revanchierst du dich gerade bei mir. Dein Rat ist sehr willkommen, Dreaux, denn wie gesagt, ich verstehe nicht viel davon, ein guter Ehemann oder Gefährte zu sein.


    Nach der Gefangenschaft brauchte ich lange, um wieder auf die Beine zu kommen. Mein Heiler riet zu einer Kur. Wie begeistert ich davon war, während Souvagnes Nordgrenze bedroht wurde, in einen Erholungsurlaub zu fahren, kannst du dir vorstellen. Es kam für mich nicht in Frage. Es bedurfte des Befehls deines Vaters, mich davon zu überzeugen. In meinem Zustand würde ich Souvagne nichts nützen, waren seine offiziellen Worte, doch unter vier Augen sprach er noch einmal freundlicher zu mir.


    Um nicht in Versuchung zu kommen, noch aus der Ferne irgendetwas bewirken zu wollen, verließ ich Souvagne und machte Urlaub in Obenza, wo ich gedachte, mich mit allerlei Vergnüglichkeiten von dem Leid zu kurieren. Aber auch, um die Erinnerung an meinen geliebten Feind auszutreiben. Vielleicht habe ich es damit übertrieben, denn nach einigen Wochen stumpfsinnigen Vergnügens war mein Geist vollkommen leer und ich nicht ein Deut glücklicher. Stattdessen wurde es schlimmer.


    Ich träumte vom Krieg, ich träumte davon, dass ich sofort zurückkehren musste, doch mein Duc hatte mir befohlen, mich fernzuhalten, um zu heilen. Wie sollte ich heilen fern von souvagnischem Grund und Boden?


    Wer viel Geld hat, fällt bald auf und lockt exquisite Dienstleistungen an, besonders, wenn er auch danach sucht, um sich zu betäuben, was man euphemistisch zerstreuen nennt. Ich habe mich selbst zerstreut doch niemand war da, um mich wieder zusammenzusetzen und allein schaffte ich es nicht. Ich war ein Geist geworden. Ja, ich kenne deine Angst, dich zu verlieren, denn auch ich habe mich bereits verloren. Ich war Marquis, ich war Kommandeur, doch wer war ich, wenn ich all das nicht sein durfte? Ein Niemand.


    Ich saß da in einem Gebäude, das einem Keller gleicht. Menschliche Monster umgaben mich und einige schienen aufrecht bemüht, mich aufzumuntern. Sie sahen mich, auch wenn ich damals noch keine Zähne trug, wohl als einen der ihren, denn mein Name war damals wie heute nicht unbekannt. Ich schämte mich, dass jemand mit meinem Ruf sich gerade so erbärmlich fühlte, doch da war einer, der mich verstand. Ein alter naridischer General, Burkhard Klingenberg, Veteran zahlloser Schlachten.


    Unaufgeregt, ja beiläufig half er mir, mich zu stabilisieren. Er fütterte mich mit allem, von dem er meinte, dass ich es brauchte und es mir gut tun würde. Dabei erwies er erstaunliche Menschenkenntnis und ich genas.


    Wie fühlt es sich an, zu erkennen, das man liebt? Es mag bei jedem anders sein. In meinem Fall verhielt es sich so, dass wir nebeneinander saßen und eine Vorführung genossen. Er war ganz entspannt, in seiner Gier nie würdelos. Und mir war an jenem Tag die Vorführung, die er eigens für mich ausgesucht hatte, vollkommen gleich. Das, was ich wirklich genoss, war ihn neben mir sitzen zu haben, bei ihm sein zu dürfen und seine Gegenwart zu spüren.


    Er weiß so vieles, er liest die Menschen, bildet Sklaven aus. Doch eines hat er nie erkannt und ich habe nie ein Wort darüber verloren.


    Ich betrachtete seine Reiterstiefel, seine Beine, denen man noch immer ansah, dass er einst sehr trainiert gewesen sein musste. Seine alten Hände und wie er sich in seinem Tempo streichelte. Nur ins Gesicht wagte ich ihm nicht zu sehen, denn ich fürchtete, er würde sonst erkennen, was in mir vorging und dass er die wahre Hauptattraktion für mich war.


    Der Grund für mein Schweigen ist ganz einfach, dass ich außerhalb dessen liege, was ihm gefällt. Das ist nun einmal seine Natur, man kann ihn nicht ändern. Und weißt du was? Es kümmert mich kaum, denn in dem Moment war ich das erste Mal wieder glücklich. Als ich nach Souvagne zurückkehrte, war ich geheilt. Meine Liebe zu ihm kommt ohne Körperlichkeit aus, auch wenn ich ihn manchmal berühre, wenn es sich ergibt.


    Er ist ein sehr alter Mann, viele Jahre bleiben ihm nicht mehr. Doch er hat ein erfüllendes Leben gehabt und ich bin dankbar für seine Freundschaft und das ist viel mehr, als selbstverständlich ist. Wenn du dir wirklich eines Tages die Welt der Beißer ansehen möchtest, wirst du auch ihn kennenlernen. Vielleicht auch schon eher, denn gegenwärtig wohnt er auf dem Sonnenstein.


    Und noch ein dritter Mann hat sich in mein Leben gemogelt. Erst vor kurzem, bei meinem letzten Besuch in Obenza. Ebenfalls ein Beißer. Und wenn ich tief in mich hineinfühle, könnte das derjenige sein, der meine Zukunft ist, wo weder der General noch mein rakshanischer Freund es sein könnten. Doch bin ich vorsichtig und ich verschenke meiner Herz nicht leichtfertig. Besonders wenn meine große Liebe in der gleichen Burg wohnt."

  • "Schmerzliche Worte, die vermutlich nicht annähernd das Gefühl wiedergeben können, welches Du empfindest. Dennoch schilderst Du ungeschönt die Fakten Deiner Liebe und für das immense Vertrauen danke ich Dir. Wir sind uns ähnlicher, als wir vermutet haben, nicht wahr? Du kennst den gleichen Schmerz wie ich und Du hast den Verlust den ich fürchte bereits erlitten. Du warst mir ein Lehrmeister in dieser Lektion Dijon, die ich dank Deines Rates vielleicht nicht selbst erleiden muss.


    Zu Deiner großen Liebe, ich hätte dem Mann an Deiner Stelle auch nicht ins Gesicht schauen können. Zu groß wäre meine Angst gewesen, dass ich dort etwas lese, was mich schmerzt. Noch größer wäre meine Angst allerdings gewesen, darin genau das zu lesen, was ich mir wünsche. Vermutlich erging es Dir ganz genauso.


    Ein derartiger Mann wie es General Klingenberg ist, würde Dich niemals so ins Vertrauen ziehen, würde er nichts für Dich empfinden. Liebe muss nicht immer direkte Begehrlichkeit sein. Manchmal begehrt man diese Person gar nicht, man liebt sie nur. Brüder zum Beispiel, nicht wahr? General Klingenberg ist Dein Bruder im Geiste, er ist Dein väterlicher Freund der Dich sicher wie seinen Sohn liebt. Nur ist es nicht das was Du Dir wünscht. Ebenso ist es möglich, dass er Dich so sieht, wie Du ihn. Weshalb wäre er sonst hier? Warum sollte ein Raubtier ein verletztes anderes Raubtier durchfüttern? Er hätte Konkurrenz beseitigen können. Gleich wie alt er ist, wird er immer noch gefährlich sein.


    Mag sein Körper schwach und alt sein, sein Geist muss messerscharf sein, sonst würdest Du Dich nicht an diesen Mann erinnern. Du würdest ihn nicht mal erwähnen Dijon. Aber nein, Du liebst diesen Mann, dass sagt mir was das für ein Mann sein muss. Andernfalls hätte er nicht Dein Herz erobern können.


    Und bitte fasse das jetzt nicht falsch auf, wenn ich über Intimitäten spreche. Hast Du einmal darüber nachgedacht, dass Du im Grunde mit dem General intim gewesen bist? Manche Männer bevorzugen es zu mehreren im Bett. Manche Männer lieben sich, fassen sich nicht an und haben jemanden dabei mit denen sie intim sind. Sozusagen ein Verbindungsstück, weil sie es nicht wagen sich anzufassen. So etwas gibt es Dijon.


    Ihr beiden habt weder die Person in der Vorführung noch Euch gegenseitig angefasst, wenn ich das richtig verstanden habe. Ihr beide habt gemeinsam einer Vorführung zugeschaut und Euch selbst befriedigt. Würdest Du dies mit irgendjemanden tun? Ich nicht. Ich tue nicht einmal das. Aber würde ich empfinden, hätte Lust und würde mich selbst anfassen wollen, dann wäre ich allein oder bei jemanden der mir etwas bedeutet. Anders würde ich es nicht wollen Dijon.


    Du hast, mit Verlaub, seinen Schwanz gesehen. Du hast alles von ihm gesehen. Was könnte in so einem Moment intimer sein? Das ist keine rethorische Frage, sondern ich meine sie ernst. Was wäre intimer? Was wäre für Dich in dem Moment Dein Traum gewesen? Darf ich fragen wie alt Du genau bist? Und wie alt ist General Klingenberg?


    Er wohnt hier Dijon. Ein alter naridischer Kriegsveteran wohnt unter Deinem Dach. Du gewährst ihm Unterschlupf, Kost und Logis. Und er nimmt es voller Vertrauen an. Er wäre nicht hier, würde er Dir nicht vertrauen. Und Du hättest ihn nicht eingeladen, wüsstest Du das nicht.


    Es heißt Beißer sind Monster in Menschengestalt. Aber vielleicht sind sie nur eines und zwar anders. Man muss und kann nicht alles verstehen Dijon. Aber genau das versuche ich, denn ohne Verständnis sollte man sich kein Urteil bilden. Und das ein Mensch vielschichtiger ist, als seine Nahrungs-, Sex-, oder Lebensgewohnheiten ist uns allen klar. Jedenfalls jenen die sich damit befassen. Ein Mensch kann zeitgleich gut und schlecht sein. Mildtätig und grausam und wir alle handeln vielschichtig. Jene die regieren wissen, manchmal muss man auch herrschen.


    Du hast dort etwas gefunden, was Dir die Welt sonst nicht bieten konnte, Halt, Hoffnung, Zuversicht und Liebe. Es scheint manchmal findet man die Liebe an den finstersten Orten Dijon. Wie ein winziger Lichtpunkt, dort wo man ihn nicht erwartet. Und wer weiß? Vielleicht gibt es sogar schwarzes Licht.


    Mein Rat an Dich ist, lass General Klingenberg hier seinen Lebensabend verbringen. Ich vermute die meisten Beißer sind Ausgestoßene, selbst wenn sie ihre Rolle des normalen Mitmenschen gut spielen. Tief im Kern ihrer Seele, sind sie allein Dijon. Wir beide wissen wie tief die Einsamkeit reichen kann. Sie ist tiefer und bedrückender als der Abgrund. Lass diesen Mann nicht zurück in die Ferne ziehen. Die Jahre die er noch hat, soll er an Deiner Seite verbringen. Diese Jahre sollen Euch gehören, lade ihn dazu ein. Meinen Segen hast Du. Und falls Du eine Einbürgerung brauchst, Du bekommst sie von mir.


    Lass diesen Mann nicht in die Wüste Naridiens zurückkehren Dijon. Dein Herz wird sonst ebenso eine Wüste. Einen zweiten derartigen Verlust wirst Du nicht verkraften. Du hast selbst gesagt, der Mann ist alt. Er hat Dich wieder aufgebaut und behütet. Nun ist es an Dir, genau dies zurückzugeben. Das tust Du für Euch beide, vor allem aber für Dich. Hier weißt Du wie es ihm geht. Wie geht es ihm in der Ferne?


    Möchtest Du ihm schreiben? Möchtest Du ihm einen Geistmagier zur Seite stellen, damit ihr ständig in Kontakt bleibt? All dies ginge, ist aber unnötig und schmerzlich. Die Entfernung bleibt doch. Und sollte einst der Tag der Tage kommen Dijon, wäre er sicher glücklich er käme hier bei Dir. Denke über meine Worte nach.


    Wer hat sich in Dein Herz geschlichen? Und das auch noch heimlich?", schmunzelte Dreux freundlich.