Reliktjäger & Schwarzbuddler
Reliktjäger und Schwarzbuddler – zwei Namen für dasselbe Gift, könnte man meinen, doch in den Tavernen von Karcanon und den finsteren Gängen unter Drakenstein würde man dir für diese Vermutung die Zunge spalten. Ja, sie handeln miteinander. Sie hassen sich dafür. Und sie könnten ohne einander nicht leben. Eine groteskere Zusammenarbeit hat Asamura selten gesehen.
Kurz gesagt
- Die Reliktjäger sehen sich als edle Entdecker und Abenteurer, die Schwarzbuddler als primitive, pietätlose Diebe.
- Die Schwarzbuddler sehen die Reliktjäger als arrogante Heuchler, die dasselbe tun, nur mit teureren Stiefeln und größerem Mundwerk.
- Beide haben oft Reinigungssigillen auf die Hände tätowiert, um sich vor dem Hauch der Toten zu schützen.
- Die Toten selbst… nun, die sehen vermutlich keinen Unterschied.
Ein gewöhnlicher Schwarzbuddler geht alle paar Tage mit einer rostigen Schaufel und einem Sack über die Totenfelder von Rabenbrand, gräbt sich die Finger blutig und verkauft dann für ein paar Tsheldy einen Helm oder einen alten Dolch. Er nennt seine Schaufel liebevoll ein "archäologisches Präzisionswerkzeug". Der Reliktjäger hingegen trägt Rüstung und ist schwer bewaffnet, um sich vor Rivalen zu schützen. Er gibt sich selten mit kleinen Funden zufrieden, sondern geht auf monatelange Expeditionen für die ganz großen Schätze. Er würde einen Helm, wenn überhaupt, nur für das zehn- bis zwanzigfache verkaufen, mit einem gefälschten Echtheitszertifikat, "gefunden im Inneren Taudis, vorzeitlich".
Die Perspektive der Reliktjäger
Die offizielle Wahrheit der Reliktjäger lautet ungefähr so:
„Wir sind keine lumpigen Totenfledderer! Wir steigen nicht in geweihter Erde, wir schänden keine Gräber der Gefallenen! Wir tauchen hinab in den Taudis, das Labyrinth unter der Welt, wo die Alten ihre Maschinen, ihre Wunder und ihre Flüche zurückließen – lange bevor es Könige, Burgen oder den Bruderkrieg gab. Dort unten gibt es keine Schlachtfelder, nur Staub und Mechanismen, die älter sind als du und ich. Wer dort etwas findet, der birgt Wissen.“
So sprechen sie, die mit Künstlernamen wie „Rex der Einfallslose“ oder „Nia Nachtigall“ in schweren Rüstungen in die Tiefe gleiten, mit Sturmlaternen und Expeditionsausrüstung. Doch wehe, du glaubst ihnen das blindlings. Denn in Wahrheit ist die Grenze porös wie mumifiziertes Fleisch.
Mancher Reliktjäger, der in den Taudis steigt, kommt mit einem uralten Schwert wieder heraus – und niemand fragt, warum.
Mancher „ehrenhafte“ Reliktjäger nutzt dieselben schwarzen Märkte in Tamarant wie die verachtetsten Schwarzbuddler. Und wenn ein besonders fetter Fund lockt – sagen wir, eine beim letzten Erdbeben versunkene Burg aus dem Bruderkrieg, halb im Taudis, halb in geweihter Schlachterde – dann wird plötzlich sehr kreativ definiert, wo genau die Grenze zwischen „uralter Technologie“ und „Grabbeigabe eines gefallenen Helden“ verläuft.
Die Perspektive der Schwarzbuddler
Die Schwarzbuddler ihrerseits (jene namenlosen, die wirklich nachts auf den alten Schlachtfeldern von Souvagne oder der Wüste Tamjara schaufeln) spotten über die Reliktjäger und nennen sie verächtlich:
„Diese hochwohlgeborenen Grubenkriecher – nichts als Grabschänder mit besserer Ausrüstung und schlechterem Gewissen. Die plündern nur tiefer und lügen lauter.“
In den Augen der Tempeldiener und Totenwächter jedoch gibt es keinen Unterschied, der einer Erwähnung wert wäre. Wer die Ruhe der Toten stört – sei es oberirdisch mit der Schaufel oder unterirdisch mit Seil und Haken – ist ein Stillebrecher.
Der Kodex der sauberen Hände
Tief im Taudis, wohin weder der Arm Naridiens noch Almaniens reicht, gilt nur das Gesetz der Tiefe. Wer zuerst zuschlägt, darf die Taschen des Toten leeren. Sei es ein mechanisches Relikt, ein magisches Artefakt - das sind Preise, für die man ohne zu zögern einem Kameraden die Kehle durchschneidet, sofern man ein Reliktjäger ist, ihn zur Seite rollt und mit frommer Miene behauptet:
„Ach, der arme Kerl ist leider einem uralten Fallensystem zum Opfer gefallen … sein letzter Wille war, dass seine Rüstung, die ein Erbstück ist, nicht in dieser Tiefe verrottet, also habe ich sie geborgen.“
Oder die noch beliebtere Variante:
„Er wollte den Fund unbedingt für sich allein – hat mich angegriffen! Notwehr, versteht sich. Und weil ich nie die Totenruhe stören würde, habe ich ihm nur das genommen, was er ohnehin nicht mehr braucht. Der Rest bleibt ja liegen und kann in Frieden ruhen."
Man nennt es unter vorgehaltener Hand den Kodex der sauberen Hände, was nichts anderes ist als eine wachsende Sammlung von Ausreden, um sich von den "niederen" Schwarzbuddlern abzugrenzen:
- Der Tote zählt nicht als Gefallener, weil er angeblich noch Lebenszeichen hatte.
- Er starb durch "widrige Umstände" oder "Notwehr".
- Es war anschließend sein letzter Wille, dem Rivalen alles Hab und Gut zu vermachen.
- Damit ist es ihm Möglich, für seine Untaten zu sühnen und sie wenigstens etwas wieder gutzumachen.
- Er wurde um die schwere Last seiner Habseligkeiten erleichtert, was allgemein nur zu seinem Besten ist.
- Seine Ausrüstung wurde außerdem nicht geplündert, sondern pietätvoll geborgen.
- ...
Die bekanntesten Heldenlieder Asamuras werden von Leuten gesungen, die ihre eigenen Kameraden erschlagen, beraubt und dann mit tränenerstickter Stimme von „tragischem Verlust im Dienste der Wissenschaft“ faseln. Am Ende ist der Unterschied zwischen einem Schwarzbuddler, der nachts ein Schlachtfeld plündert, und einem Reliktjäger, der tagsüber seinen besten Freund ausweidet, im Hinblick auf die Totenruhe nur eine Frage der Qualität der Ausreden. Beide schlafen nachts mit dem gleichen Geruch an den Fingern.
Vom Handel zwischen Schwarzbuddlern und Reliktjägern
Natürlich handeln sie mit einander, und zwar mit einer Inbrunst, die selbst den verräterischen Chaosgott Rakshor erröten ließe. Es gibt drei bekannte Orte, an denen Schwarzbuddler und Reliktjäger in großem Stil untereinander ihre Waren feilbieten.
Der Knochenbasar unter dem „Schwarzen Rappen“ in Tamarant
Eine Taverne, deren Keller tiefer ist als die Moral ihrer Gäste. Hier trifft man sich zu jedem neuen Mond nach Sonnenuntergang. Reliktjäger bringen Artefakte aus dem Taudis, Schwarzbuddler schleppen Säcke ausgebuddelter Kleinode heran. Man grüßt sich mit „Gute Ernte?“ – und meint damit sowohl Geld als auch Leichen.
Die Nebelmesse von Karcanon
Wenn der Nebel so dick ist, dass selbst die Einheimischen die Orientierung verlieren, öffnet sich ein fast unsichtbarer Markt zwischen den Bäumen im Park. Er findet spontan statt, ohne Tische, nur mit Decken, und verschwindet genau so schnell wieder in den Nebeln wie er gekommen ist.
Die Auktionen des „Hauses der letzten Ehre“ in Drakenstein
Offiziell ein seriöses Auktionshaus für „historische Kuriositäten“. In Wirklichkeit der größte Waschsalon für schmutzige Beute. Hier ersteigert der Reliktjäger ganz legal das, was der Schwarzbuddler drei Nächte zuvor aus einem Massengrab gekratzt hat. Der Katalog schreibt dann züchtig: „Provenienz: unbekannt, vermutlich prähistorisch“ – und alle nicken wissend.
Die Regeln dieses Handels
- Man fragt nie, woher der andere seine Ware wirklich hat.
- Man prahlt nie damit, wie sauber oder wie schmutzig die eigene Methode war.
- Man bezahlt immer in barer Münze, die keine eigene Geschichte hat, um die Spur der Nachvollziehbarkeit zu unterbrechen.
Die Nachdenkliche KomponentE
Der Schwarzbuddler mordet nicht mit der Klinge; er mordet mit der Schaufel. Langsam. Nacht für Nacht. Er stört die Ruhe von Tausenden, die schon einmal gestorben sind, und zwingt sie ein zweites Mal in die Welt der Lebenden, als Orden, als Helme, als Kuriositäten auf einem Tisch. Er gräbt eine Erkennungsmarke aus und trennt damit ganze Familien für immer. Er kennt die Namen auf den Plaketten, die er abreißt, und verkauft sie trotzdem. Das ist systematische, kalte, jahrelange Leichenfledderei an jenen, die sich nicht mehr wehren können.
Die Reliktjäger sind in mancher Hinsicht die ehrlicheren Grabschänder. Ein Reliktjäger tötet (wenn er tötet) seinen eigenen Kameraden, jemanden, der aus freien Stücken zeitgleich mit ihm in die Tiefe gestiegen ist. Das ist abscheulich, ja; aber es ist Gewalt unter Lebenden. Die Toten, die er danach beraubt, sind Kollateralschäden seiner Gier. Er lügt sich und anderen vor, "Wissenschaft" zu betreiben (die wenigsten Reliktjäger wissen wirklich, wie ihre Relikte historisch einzuordnen sind) oder "Andenken zu bewahren".
Der Schwarzbuddler lügt nicht einmal sich selbst etwas vor. Er weiß genau, was er tut, und er gräbt trotzdem weiter.
„Vor den Reliktjägern solltest du dich hüten; sie sind Heuchler, tragen teure Rüstungen und stolze Namen, während sie im Taudis Unaussprechliches tun. Vor den Schwarzbuddlern aber bewahren dich die Götter; die kommen ohne Namen und ohne Gnade; und wenn sie gehen, nehmen sie nicht nur dein Erbe mit und den Kopf deines Verwandten, sondern auch seine Erkennungsmarke und seine letzte Hoffnung auf Frieden.“