Beiträge von Distel

    Die beiden Zentauren standen in der Gegend herum und warteten darauf, dass die fünf Minuten um wären, in denen Dave hatte zurückkehren wollen. Aber irgendwie waren das ziemlich lange fünf Minuten. So kam es ihnen nur gelegen, dass Wolfi und seine neue Freundin zufällig des Weges kamen.


    Distel trippelte ihnen fröhlich winkend entgegen.


    "Guten Morgen, ihr zwei wundervollen Menschen", rief er vergnügt, während Enzo, der noch immer keinen Kaffee hatte, zur Begrüßung nur kurz irgendwas unverständliches murrte.


    "Dein Onkel wollte mit uns frühstücken gehen, aber er ist noch mal nach Hause zurückgeritten. Er meinte, er könne den Streit so nicht stehenlassen. Irgendwie scheinen die gezankt zu haben. Eigentlich wollte er schon lange wieder zurück sein. Enzo muffelt schon, er hat Kaffeeentzug und lässt es jetzt an mir aus."
    "Das heißt Koffeinentzug", knurrte Enzian.
    "Seht ihr, ich sag`s ja! Wir brauchen Kaffee!"
    "Wenn ich wirklich meine schlechte Laune an dir auslassen würde, sähe das anders aus."
    "Wollt ihr nicht schnell mit uns frühstücken, damit Enzo Ruhe gibt, bis der Onkel wieder da ist?"
    "Wahrscheinlich liegt er eh grün und blau geschlagen in irgendeiner Ecke, da können wir hier lange stehen und warten."

    Distel wachte vom Hufgeklapper auf. Irgendwer ritt um diese Uhrzeit schon durch die Gegend. Distel musste unbedingt wissen, wer das war. Er rüttelte Enzo so lange, bis der ebenfalls munter war und ihm mit verstrubbelten Haaren folgte. Distel trippelte vorneweg und holte denjenigen ein, der um diese frühe Stunde das Geisterhaus verlassen hatte.


    "Einen wundervollen guten Morgen, Davy, so eine schöne Überraschung", rief Distel vergnügt, der keinerlei Probleme damit hatte, dass er erst vor einer Minute aus dem Schlaf gerissen worden war. Bei Enzo sah das anders aus, der muffelte bis zum ersten Kaffee schweigend vor sich hin. Er kam nur mit, weil der Herdentrieb es so von ihm verlangte. Distel hingegen war bestens gelaunt. Er beschleunigte, bis er genau neben dem Naridier war.


    "Was treibt dich denn zu so früher Stunde aus dem Haus? Hast du überhaupt schon einen Kaffee gehabt?" Er blinzelte fröhlich. "Gehst du irgendwo was frühstücken? Dürfen wir mitkommen?"

    Während Distel die Dose mit dem Kaffeepulver holte, bereitete Enzian draußen zusammen mit Urako aus dem Sperrholz ein großes Lagerfeuer vor. Der Raktaure half dem Tiefling, die kaputten Möbel alle auf einen Haufen zu schichten und unterhielt ihn derweile mit Anekdoten aus dem 'fernen, schönen Rakshanistan'.


    Als Distel mit Gasmi auf dem Rücken wieder nach draußen kam, prasselten bereits die ersten Flammen und eine Zinkwanne voller Wasser stand mitten drin, in die Distel nun die komplette Dose Kaffee ausleerte. Enzian gab noch einige Gewürze hinein und ein forderte Distel auf, noch ein paar Töpfe Honig aus der Küche zu holen, was dieser auch brav machte. Nach kurzer Zeit duftete der gesamte Geistergarten nach frischem Mokka. Enzian rührte mit einer langen Kelle darin herum und schenkte jedem Geist, der vorbei kam, so viel davon ein, wie er wollte, wobei er nicht versäumte, irgendein paar passende Sprüche zum Besten zu geben. Die Frauen wurden mit ausschweifenden Komplimenten bedacht.


    Urako traute sich nicht, irgendetwas zu sagen, als er Gasmi begegnete und ignorierte ihn mit eisiger Miene. Er wollte, dass Gasmi der Erste war, der den entscheidenden Schritt zur Versöhnung unternahm. Distel schüttelte darüber nur seufzend den Kopf und Enzian hielt vorsorglich die Klappe, um nicht wieder den Huf in irgendein Fettnäpfchen zu stellen.

    "E-e-e-e-e-e-e-e-e", machte Distel, während er von dem aufgebrachten Wüterich durchgeschüttelt wurde. Enzo lag immer noch auf dem Sofa und betrachtete das Schauspiel ohne sonderliche Besorgnis. Er gähnte und streckte sich wieder lang, das Sofa bog sich noch etwas weiter durch und berührte nun mit der durchgebogenen Mitte den Boden. Endlich hörte Gasmi auf, Distel zu schütteln. Dem war von der ganzen Schüttelei schwindelig geworden und er rieb sich den Kopf.


    "Also wenn Urako der Tiefling ist und der Tiefling dein Mann ist und obendrein auch noch das Opfer, dann kann er nicht gleichzeitig der Schuldige sein", schlussfolgerte Distel scharfsinnig. "Woraus folgt ..." Er stemmte die Hände in die Taille und überlegte. "Enzo, jetzt sag schon! Was folgt daraus?"


    Der streckte gerade das rechte Hinterbein. "Dass jemand anders die Schuld trägt."


    "Genau, das wollte ich sagen! Und dieser jemand ist...?" Bohrend blickte er zu Enzian, der mit dem Huf kreiste, ohne das restliche Bein zu bewegen.


    "Leute, ich brauch erstmal `nen Kaffee!", rief Enzian hilflos. "Ich komme aus Rakshanistan und es ist früh am Morgen, ich bin es gewohnt, meine morgendliche Koffeindosis zu bekommen, vorher läuft hier gar nichts. Mein Gehirn braucht das einfach."


    Distel seufzte. "Schon verstanden. Gasmi, zeig mir bitte die Küche, wir müssen einen Kessel Kaffe für den Herrn von und zu Streifistan kochen, vorher redet er nicht mit uns. Vielleicht können wir das draußen am Grillplatz machen, da haben wir mehr Platz. Reichen hundert Liter?"


    "Mokka!", rief Enzo ihnen nach, als sie sich auf den Weg machten. "Schwarz mit Honig!"

    Distel spazierte mit Gasmi auf dem Rücken ins Geisterhaus zurück. Sie waren einige Zeit unterwegs gewesen und bald würde die Dämmerung hereinbrechen. Nach einigem Suchen im und um das Haus fanden sie Enzian im Aufenthaltsraum, wo er mit seinem massigen Zebraleib der Länge nach auf einem gefährlich durchgebogenen Sofa lag - und seelenruhig schlief. Als einen der wenigen schien der Streit ihn nicht im Mindesten beunruhigt zu haben. Na ja, er kam auch von der rakshanischen Front, da war er vermutlich ganz andere Sachen gewohnt als ein paar fliegende Möbel.


    Distel klopfte energisch mit dem Vorderhuf auf die Dielen.
    "Aufwachen, Faulpelz, unser Freund hier braucht deinen Rat!"


    Enzian öffnete erst ein Auge, dann das andere. Ohne ansonsten irgendetwas an seiner Körperhaltung zu verändern, sagte er: "Was ist los?"


    "Wir brauchen den Schuldigen an diesem Terror hier, damit Gasmi ihn verprügeln und seinen Mann zurückerobern kann!"


    Jetzt streckte Enzian ein Vorderbein durch und kratzte sich mit der Hand die braune Brust. "Na der Tiefling. Der hat hier rumgebrüllt und randaliert."


    "Siehst du, Gasmi!", rief Distel glücklich. "Ich sagte doch, Enzo weiß so was!"

    "Dass Spucke hilft, sagt Enzo auch immer", quiekte Distel lachend. "Ich dachte, der will mich verschaukeln! Wahrscheinlich hat der das von den Chaosdüsterlingen gelernt, er war ja früher bei den Rakshanern und da gibt es die zu tausenden. Er erzählt oft von seinen Abenteuern da."

    Er versuchte, Gasmis Ausführungen irgendwie zu verstehen, blickte aber genauso wenig durch, wie der Düsterling.


    "Du hast es nicht leicht", sagte Distel verständnisvoll. "Ich weiß leider auch nicht, wer der Übeltäter war, ich war ja draußen. Vielleicht sollten wir Enzo fragen, der weiß so was. Er ist mein persönlicher Berater, weißt du? Ich hab ihm versprochen, dass er dabei bleiben darf, wenn wir mal eine Herde erobert haben."

    "Ich heiße Distel", erwiderte der Centaur freundlich. "Halt dich am besten an meiner Mähne fest, Gasmi, da stören deine Krallen nicht. Wir gehen aber ganz gemütlich." Gesagt, getan. Distel spazierte mit klappernden Hufen durch das Viertel, während Gasmi sich alles von der Seele redete.

    "Ja, also, was man da jetzt machen kann ..."
    , sinnierte er, nachdem Gasmi ihn um seinen Rat gefragt hatte. "Bei uns ist das so, dass ein Mann eine ganze Frauenherde besitzt. Sie gehört ihm, ist sein Eigentum. Und wenn er die haben will, muss er sie erobern. Natürlich bedeutet das auch, dass es viel mehr Männer als Stutenherden gibt. Die übrig gebliebenen Männer schließen sich also zu Jungesellenherden zusammen. So wie Enzo und ich. Alles ganz einfach in einer Centaurengesellschaft. Aber bei euch ist das alles so verwirrend und verstrickt."


    Distel beitschte mit dem Schweif und versuchte vergebens, die zahllosen Fliegen zu vertreiben, die um seinen Hintern schwirrten. Dabei hatte sich Wolfi so viel Mühe gegeben, ihn sauber zu kriegen. "Ich hab`s", rief Distel erfreut und hob den Zeigefinger. "Dein Mann ist ja sozusagen eine Einmannstutenherde. Du musst den Übeltäter zu einem Duell herausfordern und deinen Mann zurückerobern!"

    Distel schaute verständnisvoll drein, während der Düsterling ihm sein Leid klagte, obwohl er inhaltlich nicht die Bohne verstand. Aber eines verstand er sehr deutlich: Gasmis Angst, alle, die er liebte, zu verlieren und nichts dagegen tun zu können. Erst mal musste er beruhigt werden, der Kleine war ja ganz durcheinander.


    Distel stellte sich seitlich vor ihn. "Steig auf", ermunterte er ihn. Erfahrungsgemäß wusste er, dass das Reiten im gleichmäßigen Schritttempo die Zweibeiner beruhigte. Enzo meinte, das hinge damit zusammen, dass sie als Baby von ihren Eltern getragen werden würden und sie das Reiten an diesen Zustand des Tragens und der Geborgenheit erinnerte. "Wir gehen ein Stück spazieren, das ist gut für die Nerven und in der Zwischenzeit können sich die ganzen Schreihälse im Haus beruhigen."

    Distel sah, wie der Düsterling sich aus dem Staub machte. Distel war ein sensibles Kerlchen und er sah sofort, dass etwas nicht stimmte, selbst wenn er den Krach in der Bude nicht mitbekommen hätte. Er trippelte dem Fliehenden hinterher.


    "He, warte! Warte doch mal! Was ist denn los? Kann ich irgendwas tun?" Das klang entsetzlich platt und hilflos. "Bier?", fragte Distel unsicher. Manch einen tröstete das ja ...

    Distel musterte das Bübchen tadelnd. Der Kleine musste natürlich auf Enzians Prahlereien einsteigen und sofort mit eigenen Kommentaren kontern. Und selbstredend wollte er die Details aus Enzians Erfahrungsschatz wissen. Aus leidvoller Erfahrung wusste Distel, dass der Zebracentaur nur zu gern seine erlebten und frei erfundenen Liebeleien zum Besten gab und mit Details auch nicht geizte.

    "Enzian, bitte, das ist ein Kind! Keiner von deinen komischen Freunden."

    Enzian starrte ihn ausdruckslos an.
    "Ein Kind? Als ich in dem Alter war, da habe ich ..."


    Distel machte eine unwirsche Handbewegung, so dass sein Kumpel missgestimmt den Mund wieder schloss und endlich die Klappe hielt.


    Wenn ein Centaur inmitten von Nichtcentauren sein Liebesleben zur Sprache brachte, war das der sichere Garant dafür, die Aufmerksamkeit aller Anwesenden binnen eines Wimpernschlages auf sich zu ziehen. Ihre Anatomie war einfach prädestiniert dafür, die Fantasie anzuregen und Enzian war es gewohnt, ein Bier nach dem anderen dafür spendiert zu bekommen, wenn er im passenden Moment seine Geschichten zum Besten gab. Aber sie waren hier schließlich nicht in einer schäbigen Taverne sondern in einer Heilstube und zumindest der alte Goblin schien wert auf Seriosität zu legen. Er schien wenig erfreut über den Zahn zu sein, gemäß Anwolfs Andeutungen war er womöglich ein Mönch oder Priester.


    Der kleine Centaur trippelte zu Anwolf und stellte sich seitlich vor ihn. Sein Pferderücken ging ihm nur bis unter die Brust. "Steig auf!" sagte er freundlich. "Wir drehen eine Runde." Er wartete, bis das Bübchen sich auf ihm platziert hatte und sich in seiner Mähne festhielt, dann spazierte Distel los. Zunächst im Schritttempo, damit Anwolf sich daran gewöhnen konnte, er wusste ja nicht, wie geübt er war.


    Enzian überlegte, ob er ihnen folgen sollte. Er blickte kurz den Goblin an, der immer noch wenig begeistert wirkte. Den brauchte er wohl nicht zu fragen, ob er mitkam.

    "Also in Rakshanistan ist es wirklich schön, das stimmt. Zumindest in Zentralrakshanistan, in den anderen Teilen war ich noch nicht. Im Sommer ist es da so heiß, dass das Gras zu einem im Wind wogenden gelben Meer verdorrt. Im Winter legt es sich zur Ruh unter dem beißenden Frost, sinkt müde nieder und im Frühling erwacht die Steppe zu neuem Grün. Wohin du auch blickst, siehst du von Horizont zu Horizont nur Gras. Das Gräserne Meer hat es mal jemand genannt. Man muss sich an den Sternen orientieren, weil es weder Straßen noch Städte gibt. Fremde brauchen einen Reiseführer, wie einen Navigator auf Hoher See, um sich nicht zu verirren und zu verdursten, denn Wasserstellen sind dort im Sommer rar. Nur eine Stadt gibt es da. Cara'Cor Steppenbrand, die Hässliche."


    Enzian klinkte sich ein.
    "So hässlich ist Cara'Cor nicht, wenn man sie mit anderen Städten vergleicht. Etwas schief und unordentlich, ja. Aber vor allem ist sie nicht aus Steinen, sondern aus Holz und Leder. Wenn die Rakshaner weiterziehen, ist sie fort, als wäre sie nie dagewesen. Wenn andere Völker das machen, stehen noch für Jahrtausende die Ruinen rum und verschandeln die Landschaft. Wie in Südrakshanistan. Da komme ich her, man hört es an meinem Akzent. Dort stehen noch immer die verlassenen Prunkstädte der Tamjid, in denen nur die Geister hausen, ein paar Ghule und herumstreichende Plündertrupps der Rakshaner. Südrakshanistan ist das richtige Rakshanistan in meinen Augen. Die Tamjara, eine winterlose Wüste, ewiger Sommer, Hitze, welche die Luft zum flimmern bringt. Die Rakshaner in Zentralrakshanistan singen oft von ihr. Ich glaube, sie haben Heimweh, auch wenn sie das nicht zugeben wollen und behaupten, die ganze Welt sei ihre Heimat."


    "Sie haben kein Heimweh, das würde voraussetzen, dass sie ein Herz haben. Die jammern nur rum, damit sie überhaupt etwas haben, worüber sie singen können."


    "Sie sind ganz in Ordnung, wenn man sich mal mit ihnen auseinandersetzt und nicht auf der falschen Seite des Schlachtfeldes steht, wirklich. Ich habe etliche Jahre unter ihnen gelebt. Hab sie sogar manchmal auf mir reiten lassen."
    Distel zog in gespielter Empörung scharf die Luft ein. "Du hast dich reiten lassen wie ein Gaul! Hast du denn gar keine Würde?"
    "Hast du doch auch. Auf der Kirmes, die Kinder, für einen madigen Apfel."
    "Stimmt. Musstest du das verraten?"
    Beide lachten.


    Enzian schien sich endlich wieder beruhigt zu haben. Fünf Botengänge waren doch um einiges überschaubarer als hundertfünfzig, selbst, wenn ein paar längere dabei sein sollten. Distel schob Anwolf die gewünschten Dinge herüber, die sieben Handelstaler, den Hyänenzahn, einen Backenzahn von Enzian, die Perlen und die Glitzersteine.


    "Von einem Hornissenstich stirbt man nicht, der tut nur ziemlich weh. Oh, jetzt ist sie auseinandergefallen."
    "Schmeiß sie weg, wir finden eine neue."
    Distel brachte die Einzelteile der Hornisse in einen Behälter, der für ihn wie ein Mülleimer aussah. Dann widmete er sich wieder der Sortierung ihres Schatzes. "Die Federn hat Enzo angeschleppt. Woher stammen die?"
    "Hab ich dir doch schon erzählt. Von der Königin der Harpyien. Sie hat sie mir nach einer heißen Liebesnacht geschenkt. Das war eine Braut."
    "Ach, ich erinnere mich an die Geschichte."
    "Keine Geschichte. Die Wahrheit."


    Distel legte großmütig noch eine besonders schöne, grün glänzende Feder auf das Häuflein, das für Anwolf und Pavo bestimmt war.


    Enzian schnippste noch einen zweiten seiner Zähne über die Tischplatte. "Für dich, Väterchen." Das war seine Art und Weise, Frieden vorzuschlagen. "Und ja, Nekromanten sind dort angesehene Leute. Als Nekromant bist du dort ein gemachter Mann. Jede Frau will dich dann in ihrem Harem haben. Andererseits tun es auch ein paar imposante Hörner oder sonswie exotisches Aussehen, hähä. Die sammeln so was. Mich wollte dereinst die Frau des Rakshamanen von Südrakshanistan zum Manne nehmen, aber ihr Gatte hatte was dagegen. So blieb es nur bei einer Liebesnacht unter dem Sternenhimmel. Von ihr habe ich die beiden schwarzen Perlen, sie sollen mich an ihre dunklen Augen erinnern."

    "ICH HAB`S DIR JA GE-"
    "Ach, halt doch das Maul." Schlecht gelaunt scharrte Enzian mit einem Hinterhuf, das Eisen daran fuhr schrill quietschend über den Steinboden. "Mach halt ab das Ding, Heiler. Wenn es nicht zu teuer ist. Aber ich will es so schnell wie möglich wieder drauf haben. Das sind Kampfhufeisen aus Meteoreisen! Unsagbar wertvoll! Und der Grund, warum ich fast pleite bin."
    "Ach was", winkte Distel ab. "Du hast dich verarschen lassen. Solche Dinger trägt jeder Ackergaul."


    Zufrieden, weil er mit seiner Einschätzung, dass das Hufeisen runter musste, Recht gehabt hatte, trippelte der kleingewachsene Distel mit durchgedrücktem Rücken und erhobenem Schweif in der Stube umher. Vor dem Regal blieb er stehen und musterte all die Flaschen, drehte sie ein wenig, um die Etiketten betrachten zu können.


    "Distel", schnaubte Enzian, "Das gehört dir nicht!"
    "Ich will`s mir ja nur mal kurz - hoppla!"
    Eine Flasche fiel zu Boden und zerbarst.
    Enzian rollte wütend mit den Augen.

    "Ja, wir brauchen was gegen die Fliegen!", kicherte Distel. Enzian zog langsam die Augenbrauen hoch. "Nee, Quatsch", korrigierte der Ponycentaure sich. "Mein Freund hier", er wies mit dem Kopf in Richtung seines Begleiters, "braucht einen Arzt! Sein Huf stinkt! Enzian, zeig deinen Huf!"


    Der dunkelhäutige Zebracentaure knallte der länge nach sein Vorderbein auf den Tresen. An der Unterseite des Hufes war die Hornschicht matschig und roch unangenehm.


    Distel peitschte mit dem Schweif. "Ich hab ihm schon gesagt, dass Hufeisen Müll sind! Aber er hört nicht!"
    "Das kommt nicht von den Hufeisen", knurrte Enzian.
    "Ach nein? Und warum habe ich das dann nicht? Lass dir die Dinger wieder entfernen."
    "Die Hufeisen bleiben dran."
    "Tja, dann bist du selber Schuld! Eigentlich können wir hier gleich wieder gehen! In ein paar Tagen ist das eh wieder da und bald ist dir der ganze Huf weggefault. Aber mir kann es ja egal sein. Wird dir halt das Bein amputiert!"
    Enzian rollte mit den Augen."Kann man hier noch was machen", fragte er, "oder muss das Bein ab?"


    Erwartungsvoll starrten die beiden Centauren die Frau an. Sie würde sogleich offenbaren, wer von ihnen Recht hatte!

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    Die unbeschlagenen Hufe der beiden Centauren klopften beim Gehen auf dem Kopfsteinpflaster. Neugierig erkundeten sie den Hof und naschten ein wenig vom Gras, ehe Distel mit dem Huf an die Tür klopfte. Er kaute noch und einige Halme ragten aus seinem Mund. Sein Begleiter, ein dunkelhäutiger Zebra-Centaure, der gerüstet war, als würde er direkt aus dem Krieg kommen, überragte ihn um mehr als Haupteslänge, obwohl der selber für einen Centauren nicht sonderlich groß war. Die beiden Hengste, die sich selbst ironisch die Ponykompanie nannten, warteten, ob ihnen jemand die Tür öffnen würde. Etwas beunruhigt registrierten sie das Bellen eines scheinbar sehr großen Hundes, wenn man die Stimme berücksichtigte.

    Distel buckelte, wieherte und machte, dass er davon kam, bevor es hier richtig krachte. Er konnte gerade noch die Festung verlassen, bevor das Tor sich hinter ihm schloss, er war der Letzte, den man hinaus ließ. Das hier war nicht sein Krieg. Mard, der sich um sein Reittier betrogen sah, schickte ihm wüste Verwünschungen hinterher und wünschte ihm den Tod. Distel war es egal, alles, was er wollte, war ein freies Leben zu führen und das möglichst unversehrt. Zusammen mit einem desertierten Raktauren galoppierte er nach Westen, von wo man sagte, dass es dort noch sicher sei.


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    Distel


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    :punkt: Kurzinfo


    Name: Distel
    Volk: Centaure (Wildling)
    Fraktion: Freie Völker
    Alter: 13 (entspricht einem jungen Erwachsenen)
    Größe: Rückenhöhe (Pferd) ca. 130 cm, Kopfhöhe ca. 200 cm
    Statur: für einen Centauren klein und zierlich gebaut
    Beruf: Taugenichts
    Herkunft: Zentralasameische Steppe
    Derzeitiger Wohnort: Vagabund
    Familienstand: Hengst ohne eigene Herde
    Sprache: Asameisch



    :punkt: Aussehen


    Distel ist ein kleiner, struppiger Centaurenhengst. Sein Fell ist grau mit schwarzen Beinen, die oben einige Zebrastreifen aufweisen. Den ebenfalls schwarzen Schweif trägt er zu einer unordentlichen kurzen Bürste abgeknabbert. Die Haut seines menschlichen Oberkörpers ist eher dunkel, wie bei einem Rakshaner, jedoch mit einem deutlichen Grauton versehen. Distel hat ein ovales Gesicht mit schwarzen Augen und abstehenden Ohren, das häufig ein Lächeln zeichnet. Sein Haupthaar bildet einen schwarzen, unordentlichen Hahnenkamm, der als Stehmähne auch seinen Rücken hinab verläuft und in einen Aalstrich mündet, der bis zu seinem Steiß reicht. (Für Pferdefreunde: Er zeigt Rassemerkmale eines mausfalbenen Bitte melde dich an, um diesen Link zu sehen. bzw. Bitte melde dich an, um diesen Link zu sehen. mit ausgeprägter Stehmähne) Seinen Körper verunzieren viele halbkreisförmige Narben, die von den Huftritten anderer Hengste stammen. Vom vielen Wälzen im Dreck ist er immer schmutzig, riecht intensiv nach Pferd und wird von zahllreichen Fliegen umsummt.


    Wie viele männliche Centauren verzichtet er vollständig auf Kleidung. Dumme Witze anderer Ethnien in zivilisierten Gebieten über seine nackte Intimzone findet er lustig und kontert mit passenden Gegensprüchen. Kälte macht ihm auch am Oberkörper wenig aus, wenn er friert, wandert er in wärmere Gefilde oder sucht Unterschlupf. Dabei ist er sich auch nicht zu fein, in Ställen zu übernachten, was für andere Centauren ein absolutes Unding wäre. Nur selten borgt er sich Decken oder einen Pullover, die hinterher entsetzlich nach ihm stinken.


    Bonus für das Kopfkino: Bitte melde dich an, um diesen Link zu sehen.



    :punkt: Charakter und Mentalität


    Distel ist freundlich und aufgeschlossen, oftmals sogar regelrecht naiv. Er hat fast immer gute Laune und singt gern schief vor sich hin. Als junger Hengst freut er sich über Gelegenheiten, sich mit anderen im Wettstreit zu messen, ist aber dabei nicht bösartig, sondern betrachtet dies eher aus einem sportlichen Blickwinkel. Niederlagen nimmt er gelassen. Bei ernsthaften Auseinandersetzungen zieht er in der Regel den Kürzeren, zum einen wegen seiner für einen Centauren geringen Körpergröße, zum anderen wegen seiner Naivität und Zutraulichkeit, die ein großes Problem darstellt, aus Fehlern zu lernen gehört nicht unbedingt zu seinen Stärken. Stattdessen macht er sich lieber über sich selber lustig, wenn wieder etwas schief ging.


    Distel mag Kinder aller Völker und für ein paar Möhren oder Äpfel trägt er sie gern eine Runde auf seinem Rücken. Da er nur Ponygröße hat, haben die Zweibeiner weniger Angst vor ihm als vor anderen Centauren, allgemein fällt es ihm recht leicht, neue Bekanntschaften bei allen Völker zu knüpfen, auch wenn diese meist nicht von Dauer sind.


    Distel hat keine Manieren. Er entspricht im vollen Umfang dem Klischee vom ungewaschenen, tierhaften Wilden. Er lässt seine Pferdeäpfel dort fallen, wo er gerade geht, völlig ungeachtet dessen, ob er allein ist oder nicht oder gerade eine öffentliche Straße damit beschmutzt, vertilgt Zierpflanzen und weidet in Parkanlagen und Vorgärten wohlhabender Bürger, meistens jenen der südlichen Handelsallianz, wo er sich im Winter gern aufhält. Dazu springt er über den Zaun, legt sich auf die Wiese und reißt mit den Händen Grasbüschel des zarten und schmackhaften Teppichrasens heraus, um sie in seinen Mund zu stopfen. Beim Erscheinen des Hausherrn flüchtet er kurzerhand, um es sich im nächsten Garten bequem zu machen.


    Feuer fürchtet Distel, doch er liebt das Wasser und badet gern oder wälzt sich im Schlamm. Schwimmen kann er allerdings nicht. Auch die Kunst der Magie ist ihm fremd. Obwohl sein Volk vor allem Ardemia verehrt, fühlt er sich eher zu Is'emi hingezogen, dem Elementar des Windes, da sie in ihrem Freiheitsdrang eher seinem Wesen entspricht.



    :punkt: Fähigkeiten


    Der junge Hengst kann nichts und hat auch keine Lust, irgendetwas zu lernen. Er ist ein Taugenichts, der in den Tag hineinlebt und sein Leben genießt. Seine einzigen nennenswerten Stärken sind seine Robustheit gegen allerlei Widrigkeiten und seine Ausdauer.



    :punkt: Stärken und Schwächen


    + robust und unempfindlich
    + optimistisch und gut gelaunt
    + gute Pflanzenkenntnis
    + gesellig


    - keinerlei Motivation, irgendetwas zu erlernen oder zu erreichen
    - für einen Zentauren klein und wenig imposant
    - naiv und gutgläubig
    - Nichtschwimmer



    :punkt: Reiserucksack


    Distel trägt rein gar nichts bei sich, weder Werkzeuge, noch Waffen, noch Proviant und auch keine Kleidung. Sein Fell reicht ihm.



    :punkt: Lebenslauf


    Elternhaus & Kindheit


    Das Fohlen erblickte als Sohn der Centaurenstute Lakritze und des streunenden Centaurenhengstes Hasel in der zentralen Steppe Asamuras das Licht der Welt. In dieser Herde von Wildlingen war es Tradition, den Fohlen Pflanzennamen zu geben. Wegen seines struppigen Fells erhielt der junge Hengst den Namen Distel. Von seiner Mutter erbte er das graue Fell und die Naivität, von seinem Vater die geringe Körpergröße und die Freude am Faulenzen. Da er optisch stark nach seiner Mutter kam, ahnte der Leithengst der Herde, Enzian, nichts davon, dass er gar nicht der Vater seines neuen Fohlens war. Er schützte ihn wie seine leiblichen Kinder, von denen es viele in seiner Herde gab, die miteinander tobten und spielten. Erst kurz bevor Distel die Herde verließ, verriet Lakritze ihm ihr Geheimnis.


    Es war ein fruchtbares, grünes Paradies, in dem Distel seine ersten Lebensmonate verbrachte. Als das Gras braun wurde, die Blätter von den Bäumen fielen und der Wind plötzlich eisige Kälte mit sich trug, war dies sehr verstörend für ihn. Es war, als würde sein Paradies untergehen. Unruhe erfüllte die Herde und bald wanderten sie alle gemeinsam nach Süden, bis sie den Herbst hinter sich gelassen hatten. die Welt war wieder in Ordnung. Und im nächsten Sommer, als es unerträglich heiß zu werden begann, wanderten sie wieder in den angenehm kühlen Norden, wo wie von Zauberhand die Steppe wieder dalag wie ein grünes Meer. So lernte Distel, dass man jeder noch so großen Gefahr entgehen konnte, wenn man nur nicht in Verzweiflung versank, guter Dinge blieb und lange genug lief. Irgendwo gab es immer einen Ort, an dem das Gras grünte.


    Das Erwachsenwerden


    Distel liebte das nomadische Leben, das Balgen und Toben mit den anderen Fohlen, die langen Wanderungen. Sie trafen zwischendurch immer mal wieder auf andere Herden, in denen die Centauren Kleidung trugen, was ihn verwunderte, Waffen bei sich hatten und ihre Körper schmückten. Doch in der Herde Enzians war das nicht üblich und auch Distel hatte kein Interesse daran, irgendetwas daran zu ändern und sich mit derlei anstrengenden Dingen zu befassen. Lieber lag er in der Sonne und faulenzte oder sprang bockend und buckelnd im Spiel über die Wiesen.


    Das erste Mal verspürte er wirkliche Angst, als eine Herde Raktauren im Süden bei den Winterwiesen eintraf, um dort mit den anderen zusammen die Wintersonnenwende zu feiern. Sie waren größer und muskulöser als Distels wilde Artgenossen, hatten geschecktes Fell und trugen Rüstungen aus Knochen und furchteinflößende Waffen. Alles an ihnen sah nach Krieg aus, nach Raubtier, obwohl es doch Centauren waren wie sie. In den Kommentkämpfen während des Festes waren sie den wilden Hengsten oftmals überlegen und es gelang ihnen, einige der wilden Stuten zu erobern. Auch der Leithengst Enzian musste eine heftige Niederlage einstecken und floh schließlich zu Distels Entsetzen blutig geprügelt allein in die Wildnis. Die Stuten verblieben bei dem Sieger, wie es die Tradition verlangte. Eine von ihnen war Lakritze. Voller Neugier und Abenteuerlust folgte sie ihrem neuen Hengst nach Zentralrakshanistan, während der halbwüchsige Distel das Ganze eher skeptisch begleitete.


    Die hohe Dichte an Hengsten überforderte viele der wilden Junghengste, die ihre Mütter noch begleiteten. Auch konnten sie sich gegen die zunehmenden Rangkämpfe schlecht zur Wehr setzen. Distel war dieser Stress bald zu viel und er verließ sehr zeitig den Schutz seiner Mutter und seiner Herde, um als Streuner in die Wildnis der Steppe zurückzukehren. Er war zu diesem Zeitpunkt fünf Jahre alt und somit noch nicht ganz ausgewachsen, doch alt genug, um sich allein zurechtzufinden, wenn es sein musste. Er kam in der Wildnis nach einer Zeit der Umgewöhnung gut zurecht und bald war seine gute Laune wieder da. Er war frei und konnte tun und lassen, was er wollte - was wollte man mehr?


    Bald erreichte er jenes Alter, in welchem die Leithengste der Herden, denen er unterwegs begegnete, ihn verjagten. Da er nicht gern allein war, suchte Distel zunehmend den Kontakt zu anderen Völkern, um Gesellschaft zu haben. Er legte seine frühere Skepsis gegenüber dem Fremden und Unbekannten ab, da er lernte, dass nicht alles, was neu war, auch Gefahr bedeutete, sondern im Gegenteil oftmals sogar Annehmlichkeiten mit sich brachte, wie neue Geschichten am gemeinsamen Lagerfeuer, Übernachtungen in warmen Ställen und exotische Mahlzeiten. Er lernte, was Städte waren, beobachtete den Handel auf Märkten und erfuhr auch, was Krieg bedeutete. Er schloss viele Freundschaften, doch nach einer gewissen Zeit zog es ihn immer wieder in die Ferne, denn Fernweh war der ständige Begleiter seines wanderfreudigen Volkes.


    Distel setzte seine Hoffnung darauf, sich irgendwann einmal eine eigene kleine Stutenherde erkämpfen zu können, vielleicht konnte auch seine Mutter Lakritze dann wieder bei ihm wohnen, die er manchmal vermisste. Doch leider blieb er sehr klein, so dass er keine Chance gegen die etablierten Hengste hatte, keine Stuten erobern konnte und immer ein Streuner blieb. Zeitweise schloss er sich vagabundierenden Junggesellenherden an und traf sogar auf seinen lebensfrohen und verträumten Vater Hasel in Begleitung des in finsterer Depression versunkenen Enzian, doch früher oder später verließ er jede Herde wieder. Trotz seines wechselhaften Lebens hat Distel sich seinen Optimismus und seine gute Laune stets bewahrt, denn eigentlich war seine Welt ja in bester Ordnung.



    Gegenwärtige Situation


    Heute ist Distel zwölf Jahre alt und ein erwachsener Hengst. Wegen seiner geringen Körpergröße und seines zutraulichen Wesens wird er meistens für einen Jüngling gehalten. Ihm kommt das entgegen, da es ihm einen gewissen Schutz vor anderen Hengsten gewährt, die ihn meistens nicht als Rivalen für voll nehmen oder nicht als erwachsenen Hengst erkennen und darum oft nachsichtig mit ihm umgehen. Das hat dazu geführt, dass Distel recht frech wurde und sich oft mehr herausnimmt, als ihm eigentlich zusteht. Auch sorgt seine geringe Imposanz dafür, dass er in Juggesellenherden recht beliebt ist, da er nie eine reale Bedrohung darstellen wird. Er ist fast überall willkommen, bei Centauren wie bei anderen Völkern.


    Während der letzten Sommersonnenwendfeier im Norden traf er einige alte Bekannte und auch seine Mutter Lakritze wieder, die inzwischen zu einer waschechten Raktaurin mit einer Knochenrüstung geworden war. Sie war mit Leib und Seele ihrem neuen Leithengst verfallen. Distel hätte den Raktauren in den Norden folgen können, doch dies war nicht der Weg, den er gehen wollte. Er befindet sich seit einigen Wochen wieder auf dem Marsch nach Süden, um den Winter in warmen Gefilden verbringen zu können. Soeben hat er eine Junggesellenherde verlassen, die ihn einen Teil seines Weges begleitete und schlägt sich nun allein durch. Er ist zufrieden damit, lässt sich treiben wie der Wind und lebt planlos in den Tag hinein, so wie es seine Art ist und harrt der Dinge, die da kommen mögen oder auch nicht.